Das Tatsumi-Gen von DJ_Vierauge (*NEU* Rick & Phil-Special!) ================================================================================ Kapitel 1: Eine schlimme Erinnerung, ein schöner Abend zu zweit und Soichis Coming-Out -------------------------------------------------------------------------------------- Autor: DJ Vierauge Titel: „DAS TATSUMI-GEN“ Serie: Fanfiction zur Serie „Verliebter Tyrann“ von Hinako Takanaga Pairing: Morinaga x Soichi Genre/Warnungen: Alles Mögliche: Shounen-ai/Yaoi, Romantik/WAFF, Drama, Lime (diesmal aber richtig!), Humor, Language (=Schimpfwörter usw.), Rape (Es findet keine solche Szene statt, ich nehme jedoch Bezug auf eine Szene in „Küss mich, Student!“ Band 2. Daher die Warnung, falls jemand nichts über dieses Thema lesen möchte), Death (Gleiches wie bei der Rape-Warnung: Es passiert nichts, aber das Thema wird angesprochen), OC, OOC (= Soichi), Fortsetzung (die Geschichte spielt irgendwann nach VT Band 2), Violence Rating: ab 16 Jahren. Disclaimer: Alle Personen sind das Eigentum von Hinako Takanaga, mit Ausnahme der Krankenschwester, der Heiratskandidatin, Kazemato Yoshitsune, der vier Studenten, der Großmutter, der fünf Kinder und Wang (der nur namentlich erwähnt wird), die ich dazu erfunden habe. Ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte Anmerkungen zur Geschichte: Die diskriminierenden Äußerungen, die einige Personen von sich geben (insbesondere Professor Suzuki und natürlich Soichi) entsprechen nicht meinen eigenen Ansichten und werden natürlich nicht verherrlicht! Vater Tatsumi wurde bisher nur erwähnt. Sein Aussehen und sein Name sind noch unbekannt. Also habe ihn so gemacht, wie ich ihn mir vorstelle. Gleiches gilt für die Verlobte von Morinagas Bruder und Professor Suzuki. ^_~ Gesundheitshinweis: Rauchen und Alkohol sind schädlich, und ungeschützter Geschlechtsverkehr kann Folgen haben, denkt daran! Soichi und Morinaga sind in dieser Hinsicht keine guten Vorbilder, lieber Leser und Leserinnen. „Was ist denn heute mit dir los, Senpai?“ fragte Morinaga, während er das Tablett mit dem Essen auf dem Tisch in der Mensa abstellte und sich zu Soichi setzte, der gerade anfing zu essen. „Mein Vater kommt morgen wieder. Er bleibt über das Wochenende hier.“ „Das ist doch schön. Kanako freut sich bestimmt, oder?“ „Was weiß ich“, meinte Soichi und kaute abwesend auf seinem Reis herum. „Ist irgendwas passiert?“ „Er klang so seltsam am Telefon. Irgendwas hat er vor.“ „Na ja. Wird schon nicht so schlimm werden. Meinst du, ich kriege ihn auch mal zu Gesicht?“ „Wieso bist du so scharf drauf, ihn zu sehen?“ „Er ist doch so was wie mein Schwiegervater.“ Soichi brach in einen Hustenanfall aus. „Du…!“ „Nun dreh nicht gleich durch.“ Morinaga aß seelenruhig weiter. „Ich würde ihn wirklich gerne kennen lernen. Wie ist er denn so?“ Soichi, der sich langsam wieder beruhigte, zog sein Portemonnaie hervor, nahm ein kleines Foto heraus und reichte es seinem Gegenüber. „Das ist er.“ Morinaga betrachtete das Bild verwundert. „Nein, du hast mir das falsche gegeben. Da sind Tomoe und du drauf.“ „Das ist nicht Tomoe. Das bin ich mit zwölf. Der daneben ist mein Vater.“ „Oh, tatsächlich. Ihr seht euch aber ähnlich.“ „Was du nicht sagst.“ „Ist ja ganz erstaunlich! Du bist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Hm, du hast als Kind richtig niedlich ausgesehen.“ „Red keinen Scheiß!“ Soichi riss ihm das Foto aus der Hand und steckte es wieder weg. „Aber als Erwachsener siehst du noch viel süßer aus.“ „Hör auf!!“ brüllte Soichi, und die anderen Studenten in der Mensa blickten verstört zu ihnen herüber. „Besonders wenn du wütend bist, so wie jetzt“, trieb es Morinaga auf die Spitze. Drohend deutete Soichi mit seinen Essstäbchen auf den anderen. „Noch ein Wort und schiebe dir die dahin, wo keine Sonne scheint!“ Die vier jungen Frauen am Tisch neben ihnen begannen, miteinander zu tuscheln. „Du bist so sexy, wenn du dich aufregst“, hauchte Morinaga leise. Soichi wollte etwas entgegnen, hörte jedoch mit Schrecken, wie am Nebentisch das Wort „schwul“ fiel. Er warf den Frauen einen so finsteren Blick zu, dass sie auf der Stelle verstummten. „Dumme Hühner“, sagte er, gerade so laut, dass sie ihn noch hörten. Eine Weile schwiegen sie beide und aßen weiter. „Weiß er Bescheid?“ Ohne dass Morinaga es ausgesprochen hatte, wusste Soichi, was er meinte. „Es gibt nichts, was er wissen müsste.“ „Dann willst du es ihm nicht sagen? Und wenn Kanako was ausplaudert?“ „Ich werde ihr sagen, dass sie darüber den Mund halten soll.“ „Aber wenn es ihr versehentlich herausrutscht? Irgendwann wird er es doch sowieso erfahren. Was ist denn mit deinem Bruder? Hat er es ihm gesagt?“ „Das weiß ich nicht. Ist mir auch egal. Und vergleiche mich in der Hinsicht nicht mit Tomoe. Ich bin nicht… so veranlagt wie er.“ „Aber du magst es doch jetzt, oder?“ Soichi errötete. „Sei ruhig! Man redet nicht mitten am Tag über solche Dinge.“ „Wie kann man mit fünfundzwanzig derart verklemmt sein? Außerdem brauchst du es gar zuzugeben. Ich weiß ja, dass du es magst.“ „Nur, weil ich mich daran gewöhnt habe, heißt es nicht, dass ich es mag. Du verwechselst das.“ „Das glaube ich nicht. Seit wir zwei- bis dreimal in der Woche miteinander schlafen, bist du viel ausgeglichener.“ Soichi sprang auf. Die Studentinnen am Nachbartisch hatten wieder zu kichern angefangen. „Schon gut, schon gut. Ich bin ja still“, besänftigte ihn Morinaga. „So, ich bin fertig. Wollen wir jetzt draußen noch einen Kaffee trinken?“ Als er keine Antwort bekam, sagte er: „Okay, bring du die Tabletts zurück, ich hole uns zwei Kaffee.“ Die beiden saßen auf dem Rasen vor der Uni und nippten an ihrem Kaffee. „Das eben habe ich ernst gemeint. Du bist viel ruhiger seitdem. Du rauchst auch nicht mehr so viel, und du betrinkst dich nicht mehr so oft.“ „Macht es dir eigentlich gar nichts aus, wenn die Leute über dich lachen? Die Frauen da eben…“ „Ach, mach dir da doch nichts draus. Das waren nur welche von der Sorte, die gleich loskreischen, wenn sie einen Schwulen sehen. So sind Frauen halt. Na ja, neunzig Prozent.“ „Für einen, der von sich selbst behauptet, schwul zu sein, kennst du dich aber erstaunlich gut mit Frauen aus“, meinte Soichi abfällig. „Und für einen, der von sich selbst behauptet, nicht schwul zu sein, weißt du erstaunlich wenig über Frauen.“ „Halt die Schnauze! Wenn das einer hört. Es reicht schon, dass du vorhin beim Essen so laut geredet hast. Kein Wunder, wenn diese Weiber das jetzt weitertratschen.“ „Das wissen doch sowieso schon alle. Die Schwester von der einen hat mich vor ein paar Wochen gefragt, ob ich mit ihr ausgehe. Ich habe abgelehnt und ihr gesagt, dass ich mich Frauen nicht interessieren.“ „Probier es doch mal aus. Vielleicht wirst du dann normal.“ „Hör bitte auf, so zu reden. Du verletzt mich damit, das weißt du genau.“ „Ist doch wahr. Woher willst du wissen, dass dich Frauen nicht interessieren, wenn du es noch nie ausprobiert hast?“ Morinaga lachte spöttisch auf. „Das sagt der richtige.“ „Dir ist ja hoffentlich klar, dass diese… Sache zwischen uns irgendwann aufhören wird.“ „Warum muss sie denn aufhören?“ Soichi ließ seinen Blick in die Ferne schweifen. „Ich habe so eine Ahnung, was mein Vater mit mir vorhat.“ „Nun, was schon?“ „Ich denke an ein Omiai.“ „Oh, Mann…“ Morinaga nahm einen kräftigen Schluck Kaffee. „Ja, das haben meine Eltern bei mir auch versucht. Zwecklos, wie man sieht.“ „Hast du dich nicht mit dem Mädchen verstanden?“ „Ich bin gar nicht hingegangen.“ „Warum nicht? Da hättest du doch eine Möglichkeit gehabt, normal zu werden.“ „Hör jetzt auf! Ich bin normal.“ „Nein, bist du nicht.“ Morinaga gab auf. „Ach, vergiss es.“ Er trank den Rest, der noch im Becher war. „Mal angenommen, dein Vater hat wirklich ein Omiai für dich arrangiert, gehst du dann hin?“ „Ich weiß ja gar nicht, ob er das will.“ „Und wenn doch? Nur mal angenommen?“ Soichi zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Das muss ich dann sehen.“ Auch er leerte seinen Becher und drückte ihn Morinaga in die Hand. „Wirf du die weg. Ich gehe schon mal die Kultur vorbereiten. Bring auf dem Weg ins Labor die zwei Kisten aus dem Lagerraum mit. Beeil dich.“ Auf dem Flur vor dem Labor lief Soichi Professor Suzuki über den Weg, der im Gehen etwas auf einem Klemmbrett notierte. „Oh, hallo, Professor Suzuki.“ „Gut, dass ich Sie treffe. Ich habe etwas mit Ihnen unter vier Augen zu besprechen. Kommen Sie, außer uns braucht das keiner zu hören.“ Der Professor schob ihn ins Labor und schloss die Tür. „Mir ist da etwas zu Ohren gekommen, das mir gar nicht gefällt. Es ist möglicherweise nur ein Gerücht, aber das glaube ich nicht.“ Er sah Soichi ernst an. „Lassen Sie mich gleich zur Sache kommen. Man sagt, dass Sie und Morinaga Tetsuhiro eine homosexuelle Beziehung miteinander haben.“ „Wer sagt das?“ „Das spielt keine Rolle. Glauben Sie nicht, dass mich das stören würde. Ich habe nichts gegen Schwule. Sie sind ja auch nicht die einzigen hier in der Universität. Mir persönlich ist es egal, was andere Leute in ihren Schlafzimmern treiben, solange sie mich damit in Ruhe lassen.“ „Ich… verstehe nicht, worauf Sie eigentlich hinauswollen.“ „Oh, ich denke, Sie verstehen mich ganz gut. Wissen Sie, ich habe Sie bisher immer für einen ehrlichen Menschen gehalten. Darum habe ich damals auch dafür gesorgt, dass der Vorfall mit Professor Miyoshi nicht an die große Glocke gehängt wird.“ Heiß schoss Soichi das Blut in den Kopf. Professor Miyoshi, das war der widerliche Kerl gewesen, der vor einigen Jahren versucht hatte, ihn zu vergewaltigen. „Sie sind sich hoffentlich im Klaren darüber, dass damals nur mit Mühe ein riesiger Skandal verhindert werden konnte. Ich habe Ihnen geholfen, weil ich nicht wollte, dass Sie einen größeren seelischen Schaden davontragen. Wenn ich zu dem Zeitpunkt von Ihrer Neigung gewusst hätte, hätten wir die ganze Sache anders regeln können, und Professor Miyoshi, der im Übrigen ein hochgeschätzter Mitarbeiter war, hätte bei uns bleiben können. Ich sage ja nicht, dass es in Ordnung war, was er von Ihnen wollte. Aber es wäre angebracht gewesen, wenn Sie damals gleich zugegeben hätten, dass Sie solche… Tätigkeiten gewohnt sind, anstatt so ein Theater zu veranstalten. Verdammt, warum haben Sie nicht einfach gemacht, was er von Ihnen verlangt hat? Dann hätten wir heute noch einen der besten Professoren Japans hier. Dank Ihnen profitieren jetzt die Chinesen von seinem brillanten Wissen. Ich bin wirklich ausgesprochen enttäuscht von Ihnen.“ Soichi war zu schockiert, um antworten zu können. Wortlos sah er zu, wie der Professor sich umdrehte und das Labor ohne sich zu verabschieden verließ. Langsam drehte er einen Stuhl herum und setzte sich. Bebend vor Entrüstung stützte er einen Arm auf die Kante des Labortischs, nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. Er konnte nicht fassen, was er da gerade gehört hatte. Ein paar Minuten später betrat Morinaga, zwei große Kartons mit Chemikalien und neuen Reagenzgläsern schleppend, das Labor. „Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Die Kartons waren ganz hinten im Lager, ich musste sie erst suchen.“ Dann bemerkte er Soichi, der noch immer am Labortisch saß und den Kopf auf den Arm gelegt hatte. „Senpai!“ Hastig stellte er die Kartons ab und stürzte auf den anderen zu. Mit Schrecken bemerkte er, dass Soichi weinte. „Senpai! Was ist denn los?“ „Mir… ist nur was von… den Dämpfen in die Augen…“ brachte er mühevoll hervor. „Was für… aus der Flasche da?“ Er zeigte auf eine offene Flasche, die auf dem Labortisch stand. „Hast du es ausgespült? Soll ich einen Arzt holen?“ „Nein, vergiss es. Ich… spüle es aus. Das reicht schon.“ Zitternd drehte den Wasserhahn auf und benetzte sein Gesicht. Das kalte Wasser tat gut. Er fragte sich, warum er Morinaga überhaupt anlog. Dieser hatte inzwischen die Flasche in die Hand genommen und las das Etikett. Destilliertes Wasser? An Soichi gewandt, der sich wieder gesetzt hatte, fragte er leise: „Senpai? Was ist los? Das stimmt doch nicht, was du sagst.“ „Nein… ich…“ Er atmete tief durch. „Professor Suzuki war gerade hier. Er hat mir… auf den Kopf zugesagt, dass ich damals wegen Miyoshi besser die Klappe gehalten hätte.“ „Was?!“ „Er meinte, ich wäre ja eh schwul, da hätte ich es doch ruhig einmal dem Kerl treiben können, anstatt… so ein Theater zu machen.“ Morinaga, der jetzt neben Soichi auf dem Boden kniete, war fassungslos. „Dieses Schwein! So was hätte nicht von ihm erwartet.“ Soichi hatte sich inzwischen wieder einigermaßen im Griff. „Wie kann der es wagen, so mit mir zu reden! Ich werd’ da jetzt hingehen und ihm… ihm…!“ „Nein, lass das. Bitte. Lass lieber mich mit ihm sprechen.“ Beruhigend streichelte Morinaga ihm über die Wange und küsste ihn sanft auf den Mund. „Ich versteh dich ja. Ich…“ „Also doch.“ Professor Suzuki stand mit verschränkten Armen in der offenen Tür und sah die beiden herablassend an. Morinaga baute sich vor dem Professor auf. „Entschuldigen Sie sich!“ schrie er ihn an. „Sofort!“ „Werden Sie nicht frech, sonst hat das Ganze Folgen!“ Mit einem geringschätzigen Blick auf Soichi fügte er hinzu: „Außerdem glaube ich nicht, dass ich derjenige bin, der sich zu entschuldigen hat. Aber ich habe jetzt keine Zeit, mir Ihr Geschwätz anzuhören. Ich bin nur zurückgekommen, weil mein Klemmbrett vergessen habe. Ah, da ist es ja.“ Morinaga stellte sich ihm in den Weg. „Sie glauben also, es ist okay, sich an einem Mann zu vergreifen, wenn er schwul ist?“ „Mäßigen Sie sich in Ihrem Ton, sonst fliegen Sie!“ „Sie haben doch eine Tochter, oder?“ „Was hat das jetzt damit zu tun?“ „Sie steht auf Männer, nehme ich an?“ Der Professor schüttelte verständnislos den Kopf. „Selbstverständlich! Meine Tochter ist völlig normal.“ „So. Und jetzt stellen Sie sich mal vor, jemand tut Ihrer Tochter das an, was Miyoshi Senpai angetan hat und sagt Ihnen hinterher: Ich weiß gar nicht, was die Kleine hat, sie steht doch auf Männer, da muss sie das abkönnen!“ „Wie können Sie es wagen…! Das ist etwas ganz anderes! Ich erwarte eine Entschuldigung von Ihnen beiden! Und bei Professor Miyoshi werden Sie sich auch entschuldigen, Tatsumi!“ „Verschwinden Sie jetzt!“ Morinaga packte ihn am Kragen und stieß ihn so heftig zur Tür hinaus, dass der Professor ins Stolpern kam und hinfiel. Nur knapp verfehlte ihn sein eigenes Klemmbrett, das Morinaga hinterher warf, bevor er die Tür mit einem lauten Knall schloss. Er ließ sich auf einen Stuhl sinken. „Scheiße. Jetzt werde ich bestimmt rausgeschmissen. Gut, dass wenigstens du ihm keine rein gehauen hast.“ „Ich weiß gar nicht, was du hast. Es war genau richtig, was du gemacht hast.“ „Nein, ich hätte mich zusammenreißen müssen. Er ist schließlich unser Vorgesetzter.“ „Wieso… wieso sagst du so was? Hast du denn gar keinen Stolz?“ Morinaga überlegte kurz, zuckte dann mit den Schultern. „Mit der Zeit gewöhnt man sich eben an solche Äußerungen. Was meinst du, was ich mir damals wegen Masaki alles habe anhören müssen.“ „Und warum wehrst du dich nicht? Geht das alles so an dir vorbei? Macht dir das gar nichts aus?“ „Natürlich. Aber irgendwann gibst du auf. Es kümmert dich nicht mehr, was andere über dich sagen.“ „Ich könnte das nicht. Ich will es auch nicht.“ „Tut mir leid, dass du dir das eben anhören musstest. Das war das erste Mal, dass dir einer so was gesagt hat, oder? Jetzt weißt du ja, wie sich das anfühlt.“ Der letzte Satz traf Soichi hart, aber er sagte nichts. Morinaga erhob sich. „Ich gehe jetzt zu ihm und sehe, was ich geradebiegen kann. Es ist wohl besser, wenn du hier bleibst. Sonst gibt das noch ein Blutbad.“ „Willst du wirklich vor ihm kriechen und um Verzeihung bitten?“ „Ich fürchte, mir bleibt nichts anderes übrig, wenn ich hier weitermachen will.“ „Ich werde mich ganz sicher nicht entschuldigen!“ „Das brauchst du auch nicht. Ich werde versuchen, ein gutes Wort für dich einzulegen.“ „Du tust so, als wären wir beide daran schuld!“ „Darum geht es doch nicht. Aber wenn ich das nicht mache, sind wir beide gefeuert. Es hilft nichts, ich gehe da jetzt hin.“ Soichi sah auf die Uhr. Über eine Stunde war inzwischen vergangen. Konnte das denn so lange dauern? Es reichte. Er nahm sein Handy und rief Morinaga an. „Ja?“ „Ich bin’s. Dauert es noch lange?“ „Ich bin auf dem Weg zurück. Ich erzähl dir gleich alles.“ Morinaga beendete das Gespräch. Wenige Augenblicke später betrat er das Labor. Er war blass. „Alles in Ordnung. Wir können bleiben.“ „Was war denn?“ drängte Soichi. „Er hat mich erstmal eine Dreiviertelstunde vor seinem Schreibtisch stehen lassen. Dann hat er mich ziemlich heruntergemacht. Ich habe ihm erklärt, dass das zwischen uns erst seit kurzem läuft. Und dass du damals, als das mit dem Professor war, so was nicht gemacht hast. Verdammt, das war so erniedrigend.“ „Du hättest das nicht tun müssen.“ „Es ist ja noch mal gut gegangen.“ Soichi schluckte. Er hätte das nie so hingekriegt. „Danke“, sagte er leise. Trotzdem. Musste man sich so behandeln lassen, wenn man mit einem Mann zusammen war? War es das wirklich wert? Am späten Nachmittag, als Soichi das dritte Reagenzglas zerbrochen war, reichte es ihm. „Ich hab keine Lust mehr. Wenn wir heute weitermachen, geht nur noch mehr daneben.“ „Ja, gehen wir nach hause. Du musst doch sicher noch einiges vorbereiten, weil dein Vater morgen kommt, oder?“ „Nein, das geht schon alles klar.“ „Ähm… kommst du noch mit zu mir?“ Soichis Herz begann schneller zu schlagen. „Das haben wir erst gestern gemacht.“ „Das meine ich doch gar nicht! Lass uns einfach nur ein bisschen Fernsehen gucken und vielleicht ein Bier dabei trinken, okay?“ „Warum nicht“, meinte Soichi, und so schlossen sie das Labor ab und gingen zu Morinaga. Soichi saß auf dem Sofa, hatte die Beine auf den Wohnzimmertisch gelegt und verfolgte gelangweilt das Fernsehprogramm, irgendeine öde Musiksendung. In der rechten Hand hielt er eine fast leere Dose Bier und balancierte gleichzeitig zwischen Zeige- und Mittelfinger eine glimmende Zigarette, an der er hin und wieder zog. Den linken Arm hatte er um Morinagas Schultern gelegt, der neben ihm saß und den Kopf an Soichis Hals gelehnt hatte. Morinaga fragte sich, ob sein Freund sich dessen überhaupt bewusst gewesen war, als er vor ein paar Minuten den Arm um ihn gelegt hatte. Vermutlich nicht. Sie hatten beide schon ein paar Bier intus, und da wusste Soichi meist nicht mehr, was er tat. Er fuhr mit seinen Fingern zum wiederholten Male durch Soichis lange Haare, als dieser unvermittelt fragte: „Warum hörst du nicht einfach auf, schwul zu sein?“ „Was soll das nun wieder?“ „Du hast doch nur Ärger dadurch. Wenn du mit einer Frau zusammen wärst, müsstest du dir so was wie heute Mittag nicht anhören.“ Wie es aussah, war er doch nicht so betrunken. „Ach, Senpai. Was soll ich darauf sagen?“ „Dass ich Recht habe.“ „Ja, vielleicht hast du in gewisser Weise Recht. Ich könnte heiraten, nach außen hin den liebenden Ehemann geben und hätte meine Ruhe.“ „Genau.“ „Und was glaubst du, wie sich meine Frau dabei fühlen würde?“ Er stellte das Bier weg und drückte den Zigarettenstummel im Aschenbecher aus. „Ich weiß nicht, was du hast. Wenn du verheiratet wärst, würdest du mit der Zeit schon automatisch zu Verstand kommen und das machen, was jeder normale Mann mit seiner Frau macht.“ „Das hast du dir ja fein zurechtgelegt. Vergiss es.“ „Macht dir das denn nichts aus, wenn du so behandelt wirst?“ Morinaga strich mit den Fingerspitzen über Soichis Brust. „Lieber lasse ich mich so behandeln, als auf das hier zu verzichten.“ Mit der linken Hand knöpfte er die oberen Hemdknöpfe des anderen auf. „Hör auf damit! Aaah!“ stöhnte Soichi, als Morinaga ihn in die rechte Brustwarze kniff und leicht an dem kleinen goldenen Ring darin zog. Dieser Ring war ein Geburtstagsgeschenk von Morinaga. Allerdings war es nicht Soichi gewesen, der vor einem Monat Geburtstag gehabt hatte, sondern Morinaga. Und sein Wunsch war es gewesen, dass sich Soichi eine Brustwarze durchstechen ließ. Es hatte tagelange Überredungskunst gefordert, aber schließlich war es einem überglücklichen Morinaga gelungen, ihn in ein Piercingstudio zu schleppen. „Ja… das gefällt dir.“ Er knöpfte das Hemd ganz auf, näherte sich ihm mit dem Kopf und biss in die Brustwarze, gerade so, dass es ein kleines bisschen wehtat. Mit der Zunge umspielte er den Ring. „Ah… hör auf! Du hast gesagt… du machst das heute nicht! Aaaah…“ Morinaga ließ kurz von ihm ab. „Gar nichts habe ich gesagt. Ja, ich habe gesagt, wir können Fernsehen gucken und was trinken. Aber ich habe andere Dinge nicht ausgeschlossen.“ „Du… bist unfair!“ „Und du hast im Moment nur unnütze Gedanken im Kopf. Die muss ich dir jetzt austreiben.“ Er grinste, streifte Soichis Brille und das Hemd ab und zog sich dann sein eigenes aus. Die restliche Kleidung folgte. „Hör auf, so zu reden!“ schrie Soichi, als Morinaga ihn seiner Hose und Unterwäsche entledigte. „Okay… ich bin ganz still…“ flüsterte er und begann, mit der Zungenspitze die Innenseiten von Soichis Oberschenkeln hochzufahren und gleichzeitig mit Daumen und Zeigefinger an dem Piercing zu ziehen. „Hör auf! Ich… will nicht! Aaah… hör auf, sag ich!!“ „Jetzt… sei endlich ruhig! Sonst hör ich wirklich auf!“ Genervt setzte sich Morinaga hin. „Ich hab keine Lust dazu, wenn du die ganze Zeit herumschreist.“ Er stand auf. Völlig verblüfft sah Soichi ihn an. „Was…“ „Du hast doch gesagt, ich soll aufhören. Ich gehe jetzt ins Schlafzimmer und mache das alleine.“ „…! Und ich?“ „Sieh zu, dass du selber damit fertig wirst. Du hast zwei gesunde Hände. Wo die Taschentücher liegen, weißt du ja. Also dann.“ Und damit verschwand er im Schlafzimmer. „Morinaga!! Kommt gefälligst sofort zurück und beende das!!“ brüllte Soichi ihm hinterher. Eine halbleere Tube in der Hand, kam Morinaga aus dem Schlafzimmer und setzte sich neben ihn. „Also, was ist jetzt? Willst du?“ Soichi sagte nichts. Das hieß „Ja“. „Leg dich hin.“ „Warte… nimm wenigstens ein Kondom.“ „Ich will dich aber ganz spüren.“ „Aber ich will das nicht wieder alles in mir drin haben.“ „Du kannst doch hinterher duschen.“ Morinaga drückte ein wenig des Tubeninhalts heraus. „Das ist eklig“, meinte Soichi mit einem Blick auf die klare Creme. „Ich will das nicht!“ „Soll ich’s lieber weglassen? Dann tut es dir aber vielleicht weh.“ „Nein… okay… mach weiter“, ließ er ihn gewähren. „Also gut… schließ die Augen und entspann dich… ja… ich fang jetzt an…“ „Aaaah…“ „Ja… beweg dich mit… aaah… so ist es gut…“ „Aaaaah… AUAAA!!“ Erschrocken hielt Morinaga inne. „Was ist denn jetzt wieder?! Ich bin doch ganz vorsichtig!“ „Da sticht irgendwas in meinen Rücken!“ „Oh, da habe ich nicht dran gedacht. Das ist eine von den Metallfedern im Sofa. Da gucken ein paar raus.“ „Ich kann das so nicht machen, das tut weh!“ „Na dann… äh…“ Kurz entschlossen drehte er sich herum, und schaffte es irgendwie, Soichi auf seinen Schoß zu heben, ohne, dass sie sich dabei voneinander lösten. „Was soll das?!“ fragte Soichi entsetzt, als er sich plötzlich, das eine Bein links, das andere rechts von Morinaga, auf diesem sitzend wieder fand. „Ist doch mal was anderes.“ Erneut umschloss er mit den Lippen die gepiercte Brustwarze und bearbeitete den Ring mit der Zunge, woraufhin Soichi laut aufstöhnte. Dann neigte er den Kopf nach oben, um ihn zu küssen. Heftig atmend erwiderte Soichi den Kuss, beendete ihn aber dann und biss die Zähne zusammen, um nicht laut aufzuschreien, als es soweit war. Einen Augenblick später folgte Morinaga. „Das… aaah… war…“ keuchte Soichi benommen. Morinaga zog ihn dicht an sich heran und sah ihm liebevoll in die Augen. „Geht es dir jetzt besser?“ „Du bist… ich weiß gar nicht, warum ich… ach!“ Er stand ungeschickt auf und eilte in Richtung Bad. Kaum hatte Soichi die Dusche angestellt, klingelte es an der Tür. Morinaga sah auf die Uhr. Viertel vor zehn. Wer konnte das noch sein? Kam einer der Nachbarn, um sich wegen der lauten Geräusche zu beschweren? Wäre ja nicht das erste Mal… Schnell stieg er in seine Hosen und ging zur Tür. Er öffnete und sah sich einem Mann gegenüber, der wie eine um zwanzig Jahre ältere Version seines Senpais aussah. Lange weiße Haare, zu einem Zopf gebunden, Brille, schmale Gestalt, finsterer Blick. „Sind Sie… Moringata Tamihito?“ Unglaublich, auch seine Stimme ähnelte der von Soichi. „Morinaga Tetsuhiro. Ja, der bin ich.“ „Ist mein Sohn hier?“ fragte er mit einem skeptischen Blick auf den halbnackten Jüngeren. „Ihr Sohn…“ Der Mann, der ohne Zweifel Soichis Vater war, trat unaufgefordert ein. „SOICHI!!“ brüllte er. Morinaga schloss schnell die Tür und eilte hinter ihm her. „Er… er ist gerade im Bad.“ Soichis Vater setzte sich auf das Sofa, so selbstverständlich, als würde er hier wohnen, und sah sich um. Und wie hätte es anders sein können, sein Blick fiel ausgerechnet auf die Tube, die zwischen Aschenbecher, Zigaretten, Bierdosen und diversen Kleidungsstücken auf dem Wohnzimmertisch lag. Morinagas spürte, wie sein Herz für einen Moment stehen blieb. Wenn Soichis Vater nicht nur äußerlich wie sein Senpai war, sondern auch nur annähernd seinen Charakter besaß, dann hatte jetzt sein letztes Stündlein geschlagen. Zitternd und um sein Leben fürchtend trat er einen Schritt zurück. Der Mann sah ihn merkwürdig ruhig an. „So, ihr wart wohl gerade beschäftigt.“ Mehr sagte er nicht. Die Dusche wurde abgestellt, und kurz darauf riss Soichi, ein Handtuch um die Hüften gewickelt, die Badezimmertür auf. Erschrocken blieb er in der Tür stehen. „Vater!“ „Da bist du ja! Oh, du hast dich piercen lassen?“ „Wieso bist du hier?“ „Kanako hat mir gesagt, wo du bist.“ „Aber wieso heute schon? Ich dachte, du würdest erst morgen…“ „Ich habe glücklicherweise noch den Flieger heute erwischt.“ „Konntest du denn nicht zuhause auf mich warten?“ „Ich habe dir etwas zu sagen. Das hat nicht bis morgen Zeit. Sohn.“ Er holte tief Luft. „Du wirst heiraten.“ „Ich wusste es“, stöhnte Soichi. „Keine Sorge, mir ist schon klar, dass du keine Freundin hast. Darum habe ich alles in die Wege geleitet und dir ein Omiai arrangiert.“ „Ich…“ „Keine Widerrede. Es geht so nicht weiter mit dir. Du selbst kommst ja doch nicht soweit. Also habe ich alles klar gemacht. Deine Mutter und ich haben uns auch über ein Omiai, das unsere Eltern arrangiert haben, kennen gelernt. Bei meinem Vater war das auch schon so, und auch bei Urgroßvater. Das ist unsere Familientradition.“ „Ja, ich weiß.“ Er zeigte auf Morinaga. „Ist das dein Freund?“ „Mein… ja, ein Freund. Aber nicht so, wie du meinst. Nicht mein… Freund.“ „Aber ihr schlaft doch miteinander.“ Soichi schnappte nach Luft. „Wie kommst du… und selbst wenn! Ich bin erwachsen und kann machen, was ich will! Aber er ist nicht mein Freund, so wie du das meinst!“ „Ach so. Ihr habt eine rein sexuelle Beziehung.“ „NEIN!!“ „Wie auch immer, du wirst deinen Pflichten als ältester Sohn der Tatsumis nachkommen und dieses Mädchen heiraten und ein paar Kinder mit ihr zeugen! Später, wenn du älter bist, kannst du immer noch so schwul sein, wie du willst.“ „Wa…“ machte Soichi nur. „Darf ich auch mal was sagen?“ mischte sich Morinaga vorsichtig ein. Vater Tatsumi sah ihn gelassen an. „Aber sicher.“ „Sie wissen, dass Senpai schwul ist?“ „Ich bin nicht schwul!!“ „Natürlich weiß ich das. Alle Männer in unserer Familie sind schwul.“ „Was?“ fragte Soichi fassungslos. „Na ja, das ist eben das Tatsumi-Gen. Wir sind außerdem überdurchschnittlich intelligent, und die meisten von uns sind mit dreißig völlig ergraut. Und wir geben den Namen Soichi immer an den ersten Sohn weiter. Darum hat dein Großvater auch zweimal geheiratet, weil er mit seiner ersten Frau vier Töchter hatte, aber keine Söhne.“ „Ach, Sie heißen auch Soichi?“ „Ja. Tatsumi Soichi“, antwortete der Vater. „Und Sie selbst sind demnach also auch schwul?“ „Ja, so ist das wohl.“ „Und das in deinem Alter! Dass du dich nicht schämst!“ polterte Soichi. „Das hat doch nichts mit dem Alter zu tun“, versuchte Morinaga zu beschwichtigen. „Aber eines verstehe ich nicht. Wenn Sie wissen, dass Senpai schwul ist…“ „Halt die Schnauze!! Ich bin nicht so wie ihr!!“ „… warum wollen Sie dann, dass er eine Frau heiratet?“ „Weil sonst unser Name ausstirbt. Ich gehe zwar davon aus, dass Kanako Kinder kriegen wird, aber sie kann als Frau den Namen nicht weitergeben.“ „Das ist doch heute aber nicht mehr so“, sagte Morinaga. „Egal. Tradition ist Tradition. Das wird jetzt durchgezogen. Ich kenne das Mädchen, sie ist sehr lieb und nett, mit der wird das schon gehen. Es verlangt ja keiner, dass du dich in sie verliebst. Du machst ihr einfach ein paar Kinder, und die Frau ist glücklich.“ Soichi schüttelte den Kopf. „Das könnte dir so passen, was? Was sind das überhaupt für Ansichten?“ „Und was war mit Ihrer Frau? Haben Sie sie gar nicht geliebt?“ wollte Morinaga wissen. Er hatte sich inzwischen auch mit aufs Sofa gesetzt. „Nein. Aber sie wusste natürlich von meinem Liebhaber.“ „Du hattest einen Liebhaber?!“ „Na ja, heimlich. Früher was das ja auch schwieriger.“ Prüfend sah er Morinaga an und dann wieder seinen Sohn. „Du kannst natürlich, wenn du darauf bestehst, weiterhin mit ihm zusammen sein. Deine Frau muss sich dann eben damit abfinden. Sagen Sie, Moriga, habe ich Sie eben richtig verstanden? Sie sagen Senpai zu meinem Sohn? Also, wenn man sich liebt, sollte man sich wirklich mit den Vornamen anreden.“ „Ich liebe ihn nicht!“ protestierte Soichi lautstark. „Schön, von mir aus könnt ihr zusammen bleiben. Aber geheiratet wird trotzdem!“ „Hörst du mir überhaupt zu?!“ „Seid ihr fest zusammen?“ fragte der Vater jetzt Morinaga. „Ja“, antwortete dieser lächelnd. „Das stimmt doch gar nicht!!“ versuchte es Soichi erneut. „Argh!!“ „Nun gut, das ist in Ordnung so. Da du ja quasi zur Familie gehörst, sag doch einfach Vater zu mir, Teruhino.“ „Tetsuhiro. Ja. Gerne, Vater“, strahlte Morinaga. „Sag nicht Vater zu ihm! Das ist ja peinlich!“ „Ha, das ist mein Sohn! Immer schön zeigen, wer das Sagen hat.“ Morinaga grinste. „Och, bei gewissen Dingen überlässt er lieber mir das Sagen, nicht wahr, Soichi?“ „Hör auf, vor meinem Vater über solche Dinge zu sprechen!“ „Du gefällst mir, Tetsunaga. Ich kann schon verstehen, warum sich mein Sohn in dich verliebt hat.“ „Ich. Bin. Nicht. Ver. Liebt!!“ Der Vater nickte. „Das ist übrigens auch so eine typische Sache. Das mit dem verlieben meine ich. Wir bleiben immer mit dem Partner zusammen, in den wir uns das erste Mal verliebt haben. Das ist bei mir so und bei deinem Großvater, und bei Urgroßvater war es auch so. So, es ist spät, und ich bin müde. Ich gehe jetzt nach hause. Man sieht sich.“ Beim Hinausgehen wandte er sich seinem Sohn zu. „Dass wir uns richtig verstehen. Du bist spätestens morgen Mittag zuhause. Ich erkläre dir dann alles wegen des Omiais.“ Als er gegangen war, sagte Morinaga: „Dein Vater ist… ungewöhnlich.“ „Ja.“ Ende von Kapitel 1 Fortsetzung ist in Arbeit... Fragt sich jetzt nur, ob mit "Soichis Coming-Out" (siehe Kapitel-Titel) Soichi oder sein Vater gemeint ist... ^_^ Kapitel 2: Eine stressige Woche, das Omiai und Soichis Entscheidung ------------------------------------------------------------------- (Disclaimer, Warnungen etc.: siehe Kapitel 1) Erst am Montag sahen sich Soichi und Morinaga in der Uni wieder. Am Freitag, als Vater Tatsumi gegangen war, hatte sich Soichi direkt schlafen gelegt, ohne ein weiteres Wort über das Omiai zu verlieren, und am Samstagmorgen, als Morinaga wach geworden war, hatte sich Soichi schon auf den Heimweg gemacht. Morinaga atmete tief durch und öffnete die Labortür. „Guten Morgen, Soichi.“ „Morgen. Du bist spät. Da sind die Kulturen, fang an.“ „Ja. Hat dein Vater…“ „Er ist schon wieder weg. Ich habe ja gesagt, er bleibt nur über das Wochenende.“ „Und?“ „Was, und?“ „Tu nicht so.“ „Meinst du das Omiai?“ „Gehst du hin?“ „Das weiß ich noch nicht.“ „Soichi, ich möchte…“ „Hör mal zu. Wir sind hier, um zu arbeiten und nicht, um Privatgespräche zu führen. Lege die Schalen hier in den Brutschrank und stell ihn auf 39 Grad.“ „Soichi… dein Vater hat doch gesagt, dass alle Männer bei euch…“ „Was kümmert es mich, was der alte Sack sagt?“ unterbrach er ihn wütend. „Ich bin nicht so! Das habe ich dir tausendmal gesagt! Tu jetzt, was ich dir sage!“ Und damit reichte er ihm zwei Schalen mit Bakterienkulturen, die Morinaga entgegennahm. „Bitte… ich halte das nicht mehr aus. Sag mir jetzt, was du machen wirst!“ „Ich sagte bereits, ich weiß es noch nicht! Mein Vater tut so, als wäre ich ein kleines Kind, dem man Befehle erteilen kann. Er meint, er bestimmt einfach, dass ich diese Frau treffe, und ich mache, was er sagt. Ich hasse es nun mal, wenn man mich zu etwas zwingen will.“ „Also gehst du nicht?“ „Wie oft soll ich es noch sagen?“ Morinaga stellte die Schalen beiseite und nahm Soichis Hand. „Ich will nicht, dass du dahin gehst.“ „Ja, sag mal, jetzt geht es wohl los, was? Glaubst du etwa, ich lasse mir das von dir verbieten? Lass mich los!“ Energisch schüttelte er Morinagas Hand ab. „Ich bitte dich. Geh nicht.“ „Hör auf jetzt! Du, ich kann mir auch ganz schnell einen anderen Assistenten suchen!“ „Warum bist du denn so böse?“ Morinaga musste an den Streit mit Professor Suzuki denken. „Ist… wieder irgendwas gewesen?“ Soichi zuckte zusammen. „Hol die Gläser mit den Chemikalien vom Regal.“ Seufzend gehorchte Morinaga. „Hier.“ Gedankenverloren nahm Soichi einen der Behälter mit einer dunkelbraunen Flüssigkeit und wollte den Inhalt in einen zweiten, mit einer dampfenden Substanz gefüllten, gießen. „Nicht!“ Morinaga hielt Soichis Arm fest. „Pass doch auf!“ „Was?“ „Wenn du das zusammengeschüttet hättest, wäre uns das ganze Labor um die Ohren geflogen!“ Erschrocken stellte Soichi den Behälter zurück auf den Tisch. „Verdammt.“ „Was hast du?“ „Ich kann nun mal nicht arbeiten, wenn alle auf mir rumhacken! Erst das mit Suzuki und dann…“ Er schluckte. „Als ich heute Morgen hier angekommen bin, fingen alle an zu tuscheln, als ich an ihnen vorbei ging. Ich nehme an, du hast noch nicht gelesen, was am Schwarzen Brett steht?“ Morinaga schüttelte den Kopf. „Nein, da war ich gar nicht.“ „Das hängt eine Mitteilung, so groß, dass man sie nicht übersehen kann. ‚Wir freuen uns, bekannt geben zu dürfen, dass unser ehemaliger Mitarbeiter Professor Miyoshi in Hongkong mit dem International American And Chinese Science And Research Award ausgezeichnet wurde!’ Ein paar von den Idioten, die mir auf dem Weg zum Labor begegnet sind, haben es sich nicht nehmen lassen, mir ein paar dumme Bemerkungen nachzurufen.“ „Was haben sie…“ „Einer hat gefragt, ob ich auch stolz darauf bin, dass unserer Uni jetzt das Geld verloren gegangen ist.“ „Welches Geld?“ „Das Preisgeld. Der Award ist mit 500.000 US-Dollar dotiert, die jetzt die Uni in China einstreicht. Tja, und wäre diese Ratte noch hier, könnte sich jetzt Suzuki das Geld unter den Nagel reißen.“ „Hast du… denen was getan? Ich meine, du hast denen doch keine rein gehauen, oder?“ „Da hätte ich viel zu tun gehabt. Das waren einige. Suzuki und ein paar andere Professoren waren auch dabei.“ „Ein Glück.“ „Ich hätte es aber tun sollen.“ „Was hätte das gebracht?“ „Sag mal, fängst du schon wieder an? Würdest du dich denn an meiner Stelle nicht wehren?“ „Soichi, es bringt nichts, wenn du jedem eine reinhaust, der etwas gegen dich sagt. Und schon gar nicht einem wie Professor Suzuki.“ „Ja, ich weiß, du würdest vermutlich wieder vor ihm auf den Knien rutschen.“ „Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich das nicht gerne getan habe. Aber du hast eben selber gesagt, dass wir hier sind, um zu arbeiten. Da muss man eben einiges hinnehmen, auch wenn’s schwer fällt. Ich weiß ja selber, dass das scheiße ist. Außerdem ist die Sache vom Freitag längst erledigt. Vergiss das jetzt endlich.“ „Willst du denn ewig so weitermachen? Einerseits behauptest du, ganz normal zu sein, und andererseits lässt du dich behandeln, als wärst du der letzte Dreck. Wenn du wirklich zu dir stehen würdest, würdest du dir das nicht bieten lassen.“ „Ich verstehe dich nicht.“ „Was meinst du?“ „Du sagst doch auch immer solche Sachen. Dass ich nicht normal bin und so.“ „Wenn ich das sage, ist das was ganz anderes! Ich kann das nur nicht ab, wenn andere dich fertig machen. Da kannst du mir noch so oft erzählen, dass dir das nichts ausmacht. Wenn du immer nur einsteckst, wirst du eines Tages noch krank werden.“ „Du…“ Plötzlich ging Morinaga ein Licht auf. „Du bist so lieb. Du machst dir immer Sorgen um mich.“ „Hör auf, so was zu sagen! Ah…!“ Morinaga hatte ihn gepackt und drückte ihm zärtlich einen Kuss auf die Lippen. „Du bist wirklich lieb. Wir schaffen das schon gemeinsam.“ „Wir… müssen jetzt weiterarbeiten. Aber eins lass dir gesagt sein, Morinaga.“ Soichi wand sich aus seinem Griff. „Wenn ich schwul wäre, würde ich mir das nicht bieten lassen!“ Die Woche verlief ausgesprochen schlecht. Ein Experiment nach dem anderen ging daneben, und auf dem Flur vor dem Labor blieben ständig Leute stehen, die durch das laute Fluchen von Soichi irritiert waren. Morinaga hatte in dieser Woche viel zu leiden, denn sein Senpai machte ihn wie immer für alles verantwortlich. Dazu kam, dass er ihm jede noch so kleine körperliche Annäherung verweigerte, und wegen des Omiais, das am Samstag der nächsten Woche stattfinden sollte, hatte er ihm immer noch keine Antwort gegeben. Am Freitag schließlich wurde es Morinaga zu dumm, und er stellte Soichi zur Rede. „Du beschwerst dich, dass ich mir von anderen zu viel gefallen lasse, behandelst mich aber keinen Deut besser! Was kann ich denn dafür, wenn du so zerstreut bist und alles falsch machst?“ „Schnauze! Die ganze Woche habe ich mir Vorwürfe von diesen Idioten anhören müssen! Und du bist schuld!“ „Du weißt ja nicht, was du da redest! Komm mal wieder runter!“ „Du hast mich doch in diese Rolle gedrängt! Wenn du mich von Anfang an in Ruhe gelassen hättest, hätte ich jetzt diese Probleme nicht!“ „Soichi…“ „Und sag nicht Soichi zu mir! Ich weiß sowieso nicht, wie du plötzlich dazu kommst, mich so zu nennen!“ „Dein Vater hat gesagt, wenn man jemanden liebt…“ „Sei endlich still!“ Soichi hatte sich jetzt so in seine Wut hineingesteigert, dass er dunkelrot angelaufen war. „Mir reicht’s! Ich will das alles nicht mehr! Ich hätte mich nie darauf einlassen dürfen!“ „Was?“ „Ich werde zu diesem verdammten Omiai gehen, und wenn ich es für richtig halte, werde ich diese Frau heiraten. So!“ Die Worte trafen Morinaga wie ein Schlag. „Nein…“ „Hör auf, mir zu widersprechen! Ich… ah…“ Soichi trat unsicher einen Schritt zurück und hielt sich am Tisch fest. Morinaga war sofort bei ihm, um ihn zu stützen. „Was hast du?“ „Lass mich los! Mir ist nur schwindelig.“ „Setz dich besser.“ Er schob ihm einen Stuhl hin, und Soichi ließ sich darauf fallen. „Soll ich dich auf die Krankenstation bringen?“ „Nein! Es ist nichts. Das hatte ich gestern Abend auch schon mal. Das geht gleich wieder weg.“ „Red keinen Unsinn. Wir gehen jetzt zur Krankenstation und du legst dich hin.“ „Ich…“ „Ruhe. Wenn du nicht willst, trage ich dich notfalls.“ Widerwillig stand Soichi auf und ließ sich, von Morinaga gestützt, auf eines der Krankenzimmer bringen. Die junge Schwester legte das Thermometer auf den Nachttisch. „Sie haben etwas erhöhte Temperatur. Eine Grippe scheint es den ersten Anzeichen nach nicht zu sein. Ich tippe auf Überarbeitung. Sie sollten das aber auf jeden Fall von einem Arzt überprüfen lassen. Haben Sie viel gearbeitet in letzter Zeit?“ „Auch nicht mehr als sonst“, antwortete Soichi. Er lag in einem Bett auf der Krankenstation der Universität. Die oberen Knöpfe seines Hemds waren aufgeknöpft. „Hatten Sie vielleicht viel Stress?“ „Ich habe nur Stress. Und besonders seit einer Woche“, fügte er mit einem bösen Seitenblick auf Morinaga, der an der Bettkante saß, hinzu. „Nun, Sie sollten sich für ein oder zwei Wochen beurlauben lassen und versuchen, zu entspannen.“ „Ich schreibe an meiner Doktorarbeit, wie stellen Sie sich das vor?“ „Tut mir leid, ich sage nur, wie es ist. Wenn so etwas noch öfter passiert, könnte das ernsthafte Folgen für Ihre Gesundheit haben. Überlegen Sie es sich also, ob Sie nicht etwas kürzer treten wollen. Außerdem rauchen Sie, oder? Da sollten Sie auch etwas ändern. Ich lasse Sie jetzt alleine. Ruhen Sie sich bitte aus. In einer Stunde komme ich wieder.“ Als die Schwester die Tür hinter sich geschlossen hatte, nahm Morinaga Soichis Hand in seine. „Soll ich… lieber auch gehen?“ „Nein. Bleib ruhig hier, wenn du willst.“ „Es tut mir so leid. Ich habe nicht gemerkt, wie sehr dich das alles mitnimmt.“ Morinaga senkte den Kopf und sah zu Boden. Was hatte Soichi vorhin gesagt? ‚Du hast mich doch in diese Rolle gedrängt! Wenn du mich von Anfang an in Ruhe gelassen hättest, hätte ich jetzt diese Probleme nicht.’ Vielleicht hatte er ihn wirklich in eine Rolle gedrängt, die Soichi tief im Inneren widersprach. Egal, was sein Vater erzählte, Soichi musste deswegen nicht zwangsläufig auch so sein. Bevor Morinaga weiter darüber nachdenken konnte, sagte Soichi leise: „Es tut mir leid, was ich eben gesagt habe. Du bist nicht schuld.“ Überrascht sah Morinaga ihn an. Noch nie zuvor hatte Soichi sich bei ihm entschuldigt. Eine Weile schwiegen sie, und Soichi starrte an die Decke. Seine Augen waren glasig und seine Wangen leicht gerötet. Wie verletzlich er jetzt aussah, dachte Morinaga. Ja, verletzlich, sanft, schön… und wehrlos. Und plötzlich, er schämte sich entsetzlich für diesen Gedanken, spukte da eine ganz unpassende Fantasie durch Morinagas Kopf. Wie er sich auf diesen hilflosen Kranken stürzte, ihm die Kleider vom Leib riss, und ihn… „Morinaga!“ „Soichi…“ „Du hast schon wieder diesen Blick!“ Soichi zog seine Hand aus der des anderen. „Du bist so ein Schwein! In dieser Situation an so was zu denken!“ Er wollte aufstehen. „Nein, bleib liegen, bitte! Ich mache nichts, versprochen!“ „Das glaube ich dir nicht! Du machst das immer, wenn du so guckst! Ich kenne dich!“ Morinaga drückte ihn zurück auf die Matratze. „Bleib liegen! Ah…“ Sein Gesicht berührte jetzt fast das von Soichi. „Einen Zentimeter näher und ich rufe die Schwester!“ „Es… ist schon eine Woche her…“ „Also willst du doch! Von wegen, ‚ich mache nichts, versprochen’! Lügner!“ „Aber wir sind hier ganz allein. Die Schwester kommt erst in einer Stunde wieder.“ Er legte eine Hand auf Soichis Bein. „Ich will aber ni…“ Er kam nicht dazu, weiter zu sprechen, denn Morinaga hatte angefangen, ihn zu küssen. Geschwächt, wie er war, brachte er es nicht fertig, ihn von sich wegzustoßen. Mit den Fingerspitzen der anderen Hand begann Morinaga nun, leicht die Kopfhaut hinter seinen Ohren und dann seinen Nacken zu berühren, was Soichi halb wahnsinnig machte. Die Hand, die eben noch auf seinem Bein gelegen hatte, war inzwischen hoch gewandert und öffnete seine Hose. „Ich… will nicht…“ „Dein Körper sagt aber was anderes.“ „Nein, ich will wirklich nicht. Bitte. Nicht hier.“ „Wollen wir zu mir gehen?“ „Nein! Außerdem kann ich… damit…“, Soichi errötete noch mehr, als er verschämt das offensichtliche Ergebnis von Morinagas Berührungen betrachtete, „…doch nicht durch die Uni laufen…“ „Gut, dann will ich dafür sorgen, dass ich das schnell wegkriege.“ „Ah! Nimm deine Hand da weg! Wenn jetzt jemand…“ „Scht. Sei ruhig. Es kommt schon keiner.“ „Also… gut“, gab er sich geschlagen. „Das man dich auch immer erst überreden muss…“ Erneut drückte er seinen Mund auf den Soichis und verhinderte damit, dass ein Aufstöhnen die Schwester auf den Plan rief. Und tatsächlich, er gab keinen Laut von sich, während er Morinagas Händen ihren Willen ließ. Als er ein paar Sekunden später fertig war, und sich Morinaga vom Bett erhoben hatte, um sich die Hände an dem kleinen Waschbecken, das im Zimmer war, zu waschen, bat Soichi: „Mach nicht weiter. Ich fühl mich echt nicht gut. Ich will nach hause und mich in mein Bett legen. Und zwar alleine.“ Die letzte Bemerkung konnte er sich nicht verkneifen. Schweren Herzens sah Morinaga ein, dass es besser war, Soichi zu nichts weiterem zu drängen. „Schon gut. Ich bring dich nach hause.“ Soichi erholte sich über das Wochenende, war aber am Montag noch immer zu erschöpft, um zur Arbeit zu gehen. Darum meldete er sich die Woche über krank, und am Samstag, als das Omiai war, ging es ihm wieder gut. Morinaga, der täglich angerufen und sich nach seinem Befinden erkundigt hatte, war es trotz aller erdenklichen Mühen nicht gelungen, ihn von dem Treffen mit der Heiratskandidatin abzubringen. Die junge Frau war außergewöhnlich schön, das konnte Soichi nicht verleugnen. Sie war zwei Jahre jünger als er, also genau so alt wie Morinaga. Ihre großen mandelförmigen Augen, ihre dezent geschminkten vollen Lippen und ihre langen schwarzen Haare, die sanft ihren Rücken hinunterflossen und leicht im Licht der Kerzen schimmerten, verliehen ihr ein nahezu unwiderstehliches Aussehen. Sie war intelligent und gebildet und strahlte eine betörende Ruhe aus, wenn sie mit ihrer tiefen, jedoch nicht unweiblich wirkenden Stimme sprach. Soichi hatte in den vergangenen zwei Wochen genügend Zeit gehabt, sich über eine mögliche Ehe Gedanken zu machen. Sein Vater wollte das alles nur, damit er einige Nachkommen in die Welt setzte. Aber was wollte er? Mit einer Frau Kinder zeugen? Jedes Mal, wenn er darüber nachdachte, wie es sein würde, mit einer Frau zu schlafen, kam ihm das irgendwie falsch vor. Nachdem sie in der gemütlichen Ecke des Restaurants gegessen und einige höfliche Worte miteinander ausgetauscht hatten, räusperte sie sich und sah ihn gerade heraus an. „Ich bin sehr froh, dass dein Vater und meine Eltern uns durch dieses Omiai zusammengebracht haben. Aber ich will aufrichtig zu dir sein. Ich bin nicht an einer Partnerschaft interessiert.“ Er sah sie erstaunt an. „Ich möchte Kinder haben. Am liebsten viele. Ich liebe Kinder über alles. Darum möchte ich heiraten. So wären meine Kinder finanziell abgesichert. Weißt du, Männer interessieren mich nicht. Oh, Frauen auch nicht“, fügte sie hinzu, als sie seinen fragenden Blick sah. Er musste an die Worte seines Vaters denken. ‚Du machst ihr einfach ein paar Kinder, und die Frau ist glücklich.’ Waren Frauen wirklich so? Er hatte da keine Erfahrung. Nie hatte er eine Freundin gehabt. Er hatte immer nur gelernt, gearbeitet und geforscht, für anderes war keine Zeit. Oder war es einfach so, dass er soviel Zeit in seine Forschungen gesteckt hatte, um nicht über eine Beziehung mit einer Frau nachdenken zu müssen? War ihm nicht schon als Kind klar gewesen, dass er… „Wir würden die Ehe nicht vollziehen“, fuhr sie fort. „Heutzutage gibt es andere Möglichkeiten, Kinder zu zeugen. Sollte es dazu kommen, dass wir heiraten, will ich diesen Punkt auf jeden Fall in unserem Ehevertrag festhalten, denn ich möchte auf keinen Fall, dass du später darauf bestehst, dass ich meinen so genannten ehelichen Pflichten nachkomme.“ „Ich verstehe“, sagte er und fühlte sich auf einmal wie von einer schweren Last befreit. „Wir wären nur auf dem Papier verheiratet. Ich nehme deinen Namen an und bekomme deine Kinder. Wir müssten nicht einmal zusammen leben. Die Kindererziehung könntest du komplett mir überlassen, das wäre mir sogar lieber. Ich wäre zufrieden und dein Vater und meine Eltern auch. Wenn du nebenher noch eine richtige Beziehung hast, kümmert mich das nicht.“ Fragend sah sie ihn an. „Was denkst du darüber?“ „Ich… bin mir noch nicht sicher“, antwortete er ausweichend. „Ich muss mir das alles genau überlegen.“ „Es ist, weil ich nicht mit dir schlafen will, habe ich Recht?“ „Nein. Das ist es nicht.“ „Dann interessieren dich diese Dinge auch nicht? Ich habe mir schon so etwas gedacht. Darf ich dich offen etwas fragen? Bist du homosexuell?“ „Natürlich nicht“, sagte er ganz automatisch, aber er klang nicht ehrlich dabei, was ihr nicht verborgen blieb. „Wie kommst du darauf?“ „Dein Vater hat so was angedeutet.“ „Was fällt dem… ich meine, wie kommt er nur auf solche Sachen?“ „Also nicht, hm. Dann gehörst du zu denen, die ganz in ihrer Arbeit aufgehen und einfach keine Zeit für eine Freundin haben?“ „So könnte man es sagen, ja“, antwortete er, und das war nicht einmal wirklich gelogen, redete er sich ein. Die junge Frau sah auf die Wanduhr. Es war spät geworden. „Nun, lass es dir in aller Ruhe durch den Kopf gehen. Ich weiß, ich verlange viel von dir. Die wenigsten Männer würden sich auf so etwas einlassen.“ „Ich werde darüber nachdenken. Ich melde mich wieder bei dir.“ „Das freut mich. Gute Nacht.“ „Gute Nacht.“ Soichi ging die menschenleere Straße entlang. Das Restaurant war nicht weit von seinem Zuhause entfernt, daher hatte er sich entschlossen, zu Fuß zu gehen. Hoch am Himmel stand eine schmale Mondsichel und spendete kaum Licht, so dass die Sterne zu sehen waren. Es war kälter geworden, und auch in seinem Inneren fühlte sich Soichi befremdlich abgekühlt. ‚Was für eine merkwürdige Frau’, dachte er. Seltsam, kalt, irgendwie unnahbar. So ganz anders als Morinaga… Überhaupt kamen ihm die letzten Stunden eher wie eine Geschäftsverhandlung vor und nicht wie ein romantisches Date, was es ja eigentlich hätte sein sollen. Er überlegte. Die ganzen Vorwürfe, der ganze Stress der letzten beiden Wochen, die tagelange Erschöpfung deswegen… er könnte jetzt mit einer einzigen Entscheidung dafür sorgen, dass so etwas in Zukunft nie wieder geschehen würde. Wenn er diese Frau heiratete, wäre er von allem Ärger befreit. Das hatte er doch immer so gewollt. Schon lange, bevor er Morinaga kennen gelernt hatte. Er dachte an diese Sache damals, als er sich für diesen Weg entschieden hatte. Es war genau zehn Jahre her. Er schloss die Tür zu seiner Wohnung auf. Es war dunkel, seine kleine Schwester war schon lange im Bett. Er ging ins Wohnzimmer, knipste das Licht an, setzte sich auf einen Sessel und nahm den Telefonhörer ab. Ob Morinaga noch wach war? Sein Kohai hatte ihn heute Nachmittag angefleht, ihn sofort nach dem Omiai anzurufen. Aber jetzt war es wohl zu spät, Morinaga schlief sicher längst. Er legte auf, zögerte noch mal kurz und ging dann zu Bett. Eine halbe Stunde lag er wach und fand keinen Schlaf. Er musste die ganze Zeit an Morinaga denken. Wieso nur fühlte er sich ihm derart verpflichtet? Er setzte sich auf und griff nach seinem Handy, das auf dem Nachttisch lag. Vielleicht war Morinaga doch noch wach. Er drückte die Kurzwahl-Taste. Es klingelte zweimal, dann wurde abgehoben. „Hallo?“ „Ich bin’s. Habe ich dich geweckt?“ „Nein!“ rief Morinaga schnell. Wie hätte er an diesem Abend Schlaf finden können? „Wie ist es denn gelaufen?“ Soichi war sich selbst nicht sicher, was er Morinaga eigentlich sagen wollte. „Es war ganz okay. Sie ist sehr nett.“ „Aber du hast abgelehnt.“ „Nein, das habe ich nicht. Ich habe ihr gesagt, sie hört von mir.“ „Warum hast du nicht abgelehnt? Du ziehst das doch nicht wirklich in Erwägung?“ „Ich wüsste nicht, was dagegen spricht“, sagte Soichi unbeabsichtigt kalt. „Ich habe dir immer gesagt, dass es eines Tages dazu kommen wird.“ Morinaga schluckte schwer. „Aber wir beide sind doch zusammen…“ „Das… sind wir nicht. Außerdem will sie gar keine Beziehung haben.“ „Was soll das jetzt wieder heißen?“ Soichi erklärte ihm, auf welche Art sie die Ehe zu führen gedachte. „Und da überlegst du noch ernsthaft? Die will nur dein Geld, und du willst das mitmachen? Das glaub ich einfach nicht!“ „Dann lass es. Sie gibt mir die einmalige Möglichkeit, Kinder in die Welt zu setzen, die meinen Namen tragen, ohne, dass ich… etwas dafür tun muss.“ „Du meinst, mit ihr in die Kiste zu springen!“ „Hör auf, so über sie zu reden! Du kennst sie ja nicht mal. Sie ist eine sehr nette Frau.“ „Nette Frau!“ wiederholte Morinaga aufgebracht. „Und was glaubst du, was dann aus uns wird?“ „Was soll schon werden? Ich heirate sie und der ganze Ärger hat ein Ende. Zwischen uns kann meinetwegen alles so bleiben, wie es ist. Ich habe auch nichts dagegen, ab und zu mit dir zu schlafen. Das können wir bei dir in der Wohnung machen, wo uns keiner sieht. Es ändert sich also nichts. Ich habe dir eben erklärt, dass sie nichts gegen einen Seitensprung einzuwenden hat.“ „Das bin ich also für dich, ein Seitensprung, ja?“ „Ich weiß nicht, worüber du dich so aufregst. Du führst dich auf wie eine Ehefrau, deren Mann sich eine andere genommen hat.“ Morinaga schnaubte amüsiert in den Hörer. „Was gibt’s da zu lachen?!“ „Erst sagst du, ich sei ein Seitensprung, und im nächsten Moment vergleichst du mich mit deinem Ehegatten. Ich glaube, du merkst gar nicht, was du da redest.“ „Du bist ein Idiot!“ „Du bist hier der Idiot!“ Morinagas Stimme zitterte jetzt. „Meinst du etwa, ich mache das mit? Wenn du dich dazu entscheiden solltest, sie zu heiraten, kannst du mich vergessen.“ „Ich sage doch, die Ehe gäbe es nur auf dem Papier. Zwischen uns kann alles so weitergehen, wie bisher.“ „Nein! Dann wäre nichts mehr so wie bisher. Verstehst du nicht? Ich will bei dir an erster Stelle stehen! Der wahre Grund, warum du das machen willst, ist doch, weil du dich dann hinter deiner Ehe-Fassade verstecken kannst. Du stehst nicht zu dir selbst. Du machst mir Vorwürfe, dass ich allen Schwierigkeiten aus dem Weg gehe. Da hast du Recht. Aber das, was du machst, ist viel schlimmer! Du bist ein verdammter Feigling!“ Morinagas Stimme versagte. Weinte er? Soichi war sich nicht sicher. Morinagas Worte hatten ihn hart getroffen. Aber zugeben wollte er es nicht. „Wenn du nicht willst, dann lass es uns beenden.“ „Was?“ „Wir hören auf mit dem, was wir tun und bleiben einfach normale Freunde.“ „Das kann ich nicht“, lehnte Morinaga ab, während ihm zwei heiße Tränen über die Wangen liefen. „Es geht nicht anders. Ich habe mich entschieden. Ich heirate sie.“ „Dann war es das? Du machst… endgültig… Schluss?“ Soichi fuhr ein kalter Schauer wie ein warnender Hinweis durch den Körper. Er atmete tief durch, bevor er sagte: „Ja.“ Er legte auf, in dem Bewusstsein, das Falsche getan zu haben. Morinaga starrte am anderen Ende noch einige Sekunden auf den Hörer, dann sank er zu Boden und ließ seinen Tränen freien Lauf. Wie betäubt ließ Soichi sich zurück aufs Kissen fallen und legte das Handy weg. Er fasste sich an die rechte Brustseite. Das kleine Stück Metall dort kam ihm jetzt fehl am Platze vor. Langsam öffnete er den Verschluss und nahm Morinagas Ring ab. Ende von Kapitel 2 Fortsetzung ist in Arbeit... Oooh, das ist so traurig! *schnief* Soichi ist ja so gemein! *Soichi pack und würg* Wie wird es jetzt weitergehen?? Einigen von euch wird vielleicht nicht entgangen sein, dass Soichi sich hier und da widersprüchlich ausdrückt. Ist er jetzt gegen das Schwulsein oder dafür? Und was war das für eine Sache vor zehn Jahren? Doch nicht etwa… ein Junge, mit dem er was hatte?! Im nächsten (und damit letzten) Kapitel wird sich alles aufklären. Kapitel 3: Ein neuer Assistent, ein alter Liebhaber und ein Gespräch zwischen Vater und Sohn -------------------------------------------------------------------------------------------- Anmerkung: Da das dritte Kapitel doch länger geworden ist als ich dachte, habe ich es aufgeteilt. Es wird also voraussichtlich insgesamt vier Kapitel geben. Leider heißt das auch, daß viele Fragen erst im nächsten Kapitel beantwortet werden. ^_^''' Irgendwie entwickelt sich die Geschichte immer mehr zu einer Seifenoper, sorry... ^_^''' (Disclaimer, Warnungen etc.: siehe Kapitel 1) Vom lauten Klingeln aus dem Schlaf gerissen, tastete Soichi müde nach seinem Handy. „Wer ist da?“ „Junge, wie gefällt sie dir?“ „Vater…“ Er gähnte. „Ah… wie spät ist es?“ „Es ist neun. Hast du etwa noch geschlafen?“ „Allerdings!“ „Jetzt sag schon!“ „Es gibt nichts zu sagen. Ich weiß noch nicht, ob ich das mache.“ „Ja, sicher, so ein Entschluss braucht Zeit. Aber jetzt sag doch mal. Wie ist sie? Habe ich sie nicht gut ausgesucht?“ „Sie ist perfekt. Vielleicht zu perfekt.“ „Sehr begeistert scheinst du nicht zu sein.“ „Ich bin nur müde.“ „Hast du mit ihr über deinen Freund gesprochen? Wie hieß er doch gleich… Sie hat nichts dagegen, wenn du mit ihm zusammenbleibst, nicht wahr?“ „Er ist nicht mein Freund.“ „Und er? Ich meine, er hat bestimmt auch nichts…“ „Hast du nicht gehört? Er ist nicht mein Freund! Und es ist mir egal, ob er was dagegen hat! Es ist nämlich aus!“ „Was soll das denn heißen, aus?“ „Ich habe ihn gestern Abend noch angerufen und ihm von dem Omiai erzählt. Da ist er gleich zickig geworden.“ „Und hat mit dir Schluss gemacht?“ „Nein. Ich habe Schluss gemacht.“ „Ach, Kind, das ist doch albern. Nur, weil er ein bisschen sauer ist, müsst ihr euch doch nicht gleich trennen. Der beruhigt sich auch wieder. So sind die jungen Männer heute eben. Geh zu ihm und rede mit ihm in aller Ruhe darüber. Er wird das schon verstehen.“ „Wieso willst du mich unbedingt mit ihm zusammenbringen? Normale Eltern wären froh, wenn ihr Sohn heiratet und eine Familie gründet, statt nebenher noch mit einem Mann… na ja.“ „Ja, ja. Du frühstückst jetzt erstmal schön, und dann gehst du zu deinem Freund und verträgst dich wieder mit ihm.“ „Halt dich da raus! Und hör auf, mich wie ein Kleinkind zu behandeln!“ Wütend stellte Soichi das Handy aus und stand auf. Etwa zur gleichen Zeit saß Morinaga in der kleinen Küche seiner Studentenwohnung und trank eine Tasse Tee. Ein richtiges Frühstück brachte er an diesem Morgen nicht hinunter. Ihm war schlecht. Seine Augen waren rot und verquollen, und sein Kopf schmerzte. Er hatte fast die ganze Nacht lang wach gelegen und erst gegen Morgen, als es schon hell zu werden begann, ein wenig Schlaf gefunden. Vor ihm auf dem Küchentisch lag ein Brief, der schon vor ein paar Tagen gekommen war. Er war von seinem Bruder und dessen Verlobter. Die Einladung zu ihrer Hochzeit, die in einigen Wochen war. Sicher waren sie glücklich, Kunihiro und Sayako. Seit drei Jahren waren sie nun schon verlobt. Sie würden heiraten, Kinder kriegen und gemeinsam alt werden. Morinaga seufzte und schenkte sich einen zweiten Tee ein. Alle durften sie glücklich sein. Nur auf ihm schien ein Fluch zu lasten. War es nicht damals mit Masaki ähnlich gewesen? Hatte er ihn nicht genauso verlassen wie Soichi jetzt, seine Liebe mit Füßen getreten? Oder war es diesmal seine eigene Schuld? Schließlich hatte Soichi ihm angeboten, alles so zu lassen, wie es war. Und er hatte sich dagegen ausgesprochen. Ja, er selbst war Schuld. Aber so oft er auch darüber nachdachte, er konnte sich nicht mit dem Gedanken abfinden, ihn mit jemand anderem zu teilen, und wenn es nur auf dem Papier war, wie Soichi es ausgedrückt hatte. Sollte er nicht noch einmal mit ihm reden? Versuchen, ihn von dieser Heirat abzubringen? Nein, das würde nicht klappen, Soichi würde nur noch verbockter werden und erst recht auf der Heirat bestehen. Also, dann blieb nur noch eine Möglichkeit. Sich damit abfinden. Der Geliebte neben der Ehefrau sein. Der Seitensprung. Die Nummer Zwei. Nein. Morinaga nahm die Einladung, und las sie erneut durch. Eigentlich hatte er schon abgesagt. Er überlegte. Vielleicht sollte er doch gehen. Als Soichi am Montag um neun Uhr ins Labor kam, war Morinaga nicht da. Dafür begrüßte ihn ein schrecklich nervöser Student mit großen runden Augen, kurzen blondierten Haaren und pickligem Gesicht. Ehrfürchtig sah er zu dem gut einen Kopf größeren Soichi auf. „Gu-guten Morgen, äh, Senpai“, piepste er stimmbrüchig. „Ich bin Kazemato Yoshitsune. Freut mich, Sie kennen zu lernen!“ „Wo ist Morinaga?“ „Er-er hat sich in eine, äh, andere Abteilung versetzen lassen. Ich bin seine Vertretung, sozusagen, äh…“ „Wo ist er?“ „Das, äh, ich meine, ich weiß es nicht. Professor Suzuki weiß, glaube ich, wo, äh, ja…“ Das reichte. Soichi drehte sich auf der Stelle um und marschierte schnurstracks zum Büro des Professors. Als ihm gerade einfiel, dass er Morinaga ja nur auf seinem Handy anzurufen bräuchte, kam der Professor aus seinem Büro. „Ach, Tatsumi. Guten Morgen.“ „Guten Morgen, Professor. Wo ist Morinaga?“ „Er bat mich, in die Abteilung für biogenetische Nanotechnologie versetzt zu werden. Selbstverständlich habe ich schon für eine fachkundige Vertretung gesorgt.“ „Ja, wir hatten bereits das Vergnügen.“ „Nun, er mag nicht so aussehen, aber Kazemato ist ein wahrer Spezialist auf dem Gebiet der Agrarwissenschaften. Er ist zwar erst sechzehn, aber seinem Alter weit voraus. Er hat in der Schule einige Klassen übersprungen.“ „In Ordnung. Danke.“ Soichi wollte gehen. „Halt, warten Sie bitte noch einen Augenblick.“ „Ja?“ Der Professor zog die Augenbrauen hoch. „Es ist mir etwas unangenehm. Ich glaube, ich habe Sie vor kurzem zu Unrecht beschuldigt. Es ist so, meine Tochter hat sie am Samstag im Restaurant gesehen. Sie hat mit ihrem Verlobten zufällig auch dort gegessen. Sie hatten ein Omiai an dem Abend, nicht wahr? Meine Tochter hat es jedenfalls so interpretiert.“ „Ja, das ist richtig. Ich gedenke zu heiraten. Eventuell.“ „Da gratuliere ich Ihnen und Ihrer Zukünftigen. Sie sind also doch normal. Es tut mir leid, dass ich Sie für homosexuell hielt. So betrachtet, trifft Sie natürlich keine Schuld wegen der Sache damals. Ich werde auch mit meinen Kollegen sprechen und die Sache klarstellen, damit Sie keine weiteren Unannehmlichkeiten haben.“ Soichi war sich nicht sicher, wie er diese Worte auffassen sollte. Für den Professor waren sie eine Entschuldigung, aber in seinen Ohren klangen sie wie eine Beleidigung. Er verabschiedete sich hastig und lief in den Flügel der Universität, in dem die Abteilung lag, die ihm der Professor genannt hatte. Morinaga saß in einem hell erleuchteten Raum und blickte konzentriert durch ein Mikroskop. Zwischendurch sah er immer wieder auf und schrieb etwas auf einen Zettel, der neben ihm auf dem Tisch lag. „MORINAGA!!“ Er zuckte gewaltig zusammen, als er auf dem Flur eine wohlbekannte Stimme seinen Namen brüllen hörte. Eine Sekunde später wurde die Tür aufgerissen und Soichi stürmte auf ihn zu. „Was fällt dir ein, dich einfach versetzen zu lassen?!“ Morinaga stand auf. „Was soll das? Du hast doch nicht wirklich gedacht, dass ich danach weiter mit dir zusammenarbeiten kann!“ „Ich habe gesagt, wir können Freunde bleiben. Du wolltest ja nicht.“ „Ich würde das nicht aushalten. Wenn ich in deiner Nähe bin, will ich dich in die Arme nehmen, dich küssen…“ „Das kannst du doch alles haben! Ich steig sogar mit dir ins Bett, wenn du das unbedingt willst. Da siehst du mal, was ich alles für dich tue.“ „Du machst es dir zu einfach. Ich tue viel für dich. Ich war drauf und dran, alles zu tun. Aber irgendwann sind auch meine Grenzen erreicht. Du hast mich gefragt, ob keinen Stolz hätte. Doch, ich habe meinen Stolz. Und dieser Stolz lässt es nicht zu, dass ich mich mit einem zweiten Platz zufrieden stelle.“ „Aber ich habe dir gesagt, diese Ehe wäre nur…“ „Ich weiß. Ich kann nicht. Es tut mir leid.“ Bestürzt über die ungewohnte Härte in Morinagas Stimme verschlug es Soichi kurzzeitig die Sprache. Nach eine Weile fragte er: „Also… du bleibst aber wenigstens hier an der Uni?“ „Ja. Bis zum Jahresende. Was danach kommt, weiß ich noch nicht.“ Soichi schwieg. Die Entscheidung lag jetzt bei ihm, das hatte ihm Morinaga deutlich gemacht. Aber hatte er sich nicht schon längst für die Ehe entschieden? Professor Suzuki hatte seine Worte zurückgenommen, als er von seinen Hochzeitsplänen erfahren hatte. Morinaga würde seinetwegen keine langen Entschuldigungen mehr vor den Professoren herunterbeten müssen, weil er Angst vor einem Rausschmiss hatte. Ja. Es war besser so. Soichi griff in die Tasche seines Labormantels und zog einen Umschlag hervor. Wortlos reichte er ihn Morinaga. „Oh, eine Einladung zu eurer Hochzeit?“ fragte er mit beißendem Unterton. „Nein.“ Soichi schüttelte leicht den Kopf. „Es gehört dir. Ja. Ich gehe dann mal. Ich… würde mich freuen, wenn du es dir noch mal überlegst.“ Und damit verließ er den Raum. Morinaga machte den Umschlag auf. Mit zitternden Fingern nahm er den Inhalt heraus. Sein Geburtstagsgeschenk, der kleine goldene Ring. „Ah, da sind Sie ja, äh, wieder, Senpai!“ wurde Soichi begrüßt, als er das Labor zum zweiten Mal an diesem Tag betrat. Strahlend zeigte Kazemato auf den Tisch, auf dem jetzt allerhand aufgebaut war. „Ich, äh, habe schon alles vorbereitet. Sie können so loslegen.“ „Hol mir Kaffee.“ „Wa-was?“ „Ist das so schwer zu verstehen? Hol mir Kaffee.“ „A-aber ich bin hier, um Ihnen, äh, im Labor zu assistieren. Da gehört es nicht zu meinen, äh, Aufgaben…“ Soichi trat dicht vor den Jüngeren und kniff drohend die Augen zusammen. „Wenn ich sage: ‚Hol mir Kaffee’, dann holst du mir Kaffee.“ „Ver-verstanden, Senpai!“ Ängstlich rannte der Student aus dem Labor. Nur eine Minute später war er wieder da. „Hi-hier, Senpai. Äh, ihr Kaffee.“ „Stell da hin“, kommandierte Soichi barsch. „Ja, sicher. Ist ja noch zu heiß, äh, zum trinken. Wollen wir jetzt anfangen? Hier, äh, in diesem Glas ist…“ „Du redest zu viel. Ich weiß selber, was da drin ist. Das hier ist mein Labor.“ „Ja-ja, natürlich. Sie, äh, könnten aber ruhig etwas freundlicher sein, Senpai“, sagte Kazemato arglos. Das war ein Fehler. Soichi packte ihn am Kragen. „Hör zu, Kleiner. Ich sage es dir noch einmal, in ganz ruhigem Ton. Das hier ist mein Labor. Ich sage dir, was du zu tun hast. Wie ich es sage, ist meine Sache. Entweder findest du dich damit ab oder du gehst.“ „Äh, ja, ich würde schon gerne bleiben“, winselte der bedauernswerte Kazemato. Er ließ ihn los. „Gut. Dann haben wir uns ja verstanden. Fangen wir an.“ Als Soichi mittags in die Mensa ging, kochte er vor Wut. Dieses fürchterliche Nervenbündel. Er hatte gerade mal knappe zwei Stunden mit ihm zusammengearbeitet, und schon hing ihm dieser Student zum Hals raus. Den Nachmittag überstand er nur mit allergrößter Anstrengung. Auf dem Nachhauseweg überlegte er sogar, ob es nicht besser wäre, die Ehe abzusagen und Morinaga zurückzuholen, nur, damit er diesen Kazemato los war. Am Dienstagmorgen ging er sofort zu Professor Suzuki und flehte ihn an, ihm doch einen anderen Assistenten zuzuteilen. Aber der Professor zuckte nur mit den Schultern und meinte, er wüsste keinen geeigneten Ersatz und Soichi müsse sich schon mit Kazemato abfinden. Mittwoch, kurz nach dem Mittagessen, eskalierte es schließlich. Kazemato redete und redete, und die Art, wie er es tat, trieb Soichi fast in den Wahnsinn. Alle Wut, aller Ärger, der sich in den letzten Wochen in ihm angestaut hatte, brach aus ihm hervor. So kam es, dass Kazemato Yoshitsune jämmerlich heulend aus dem Labor lief, nachdem Soichi auf nicht gerade höfliche Weise und mit voller Lautstärke alles an ihm ausgelassen hatte, und zu Professor Suzuki ins Büro flüchtete. Dieser versprach ihm, dass er nie wieder das Labor dieses Furcht einflößenden Cholerikers betreten müsste. Jetzt war Soichi wirklich allein. Morinaga bekam von alledem nichts mit. An diesem Mittwoch machte er früher Schluss. Auf dem Weg nach hause überkamen ihn wieder einmal Zweifel an seiner Entscheidung. War es wirklich so schlimm, wenn Soichi mit einer Frau verheiratet war, die er nicht liebte und die ihn nicht liebte, die er nie berühren, nie richtig mit ihr zusammen sein würde? Letztendlich würde es, ganz nüchtern betrachtet, nur darauf hinauslaufen, dass Soichi ein paar Samenspenden abgab, um einige Kinder zu zeugen. Das wäre dann auch das einzige, was ihn mit seiner Ehefrau verband. Vielleicht gab es doch einen Weg, damit fertig zu werden… Als Alternative blieb ihm nur, ihn endgültig zu vergessen. Es war noch nicht einmal eine Woche her, dass Soichi Schluss gemacht hatte. Wenn es jetzt schon so unerträglich für ihn war, von ihm getrennt zu sein, wie würde er sich dann erst in einem Monat fühlen? In einem Jahr? Morinaga schauderte bei der Vorstellung. Zuhause angekommen, fiel sein Blick wieder auf die Einladung seines Bruders, die neben dem Telefon lag. Er hatte viel darüber nachgedacht, ob er gehen sollte oder nicht. Zögernd nahm er den Hörer ab und wählte die Nummer von Kunihiro. Er musste jetzt erstmal auf andere Gedanken kommen, Soichi wenigstens für einen Moment ausblenden. Am anderen Ende wurde abgehoben. „Hallo?“ „Hallo.“ „Tetsuhiro?“ „Ja. Ich… vielen Dank erstmal für die Einladung. Ähm… ich werde wahrscheinlich doch kommen.“ „Oh, das ist schön. Sayako will dich ja unbedingt kennen lernen. Sie wird sich freuen. Und ich freue mich natürlich auch. Ach, weißt du, wer mich Sonntag angerufen hat? Masaki.“ Beim Klang des Namens wallte das Blut in Morinaga auf. „Er hat über seine Familie von unserer Hochzeit erfahren. Wir haben fast zwei Stunden miteinander telefoniert.“ „Wie… geht es ihm?“ „Gut, sehr gut. Er war ja damals noch ein paar Monate in der Psychiatrie. Aber nun ist er wieder in Ordnung. Wir haben uns richtig ausgesprochen. Er wird auch zur Hochzeit kommen.“ „Aber…“ „Er sagt, es sei kein Problem für ihn. Er ist über mich hinweg.“ „Ah ja…“ „Tetsuhiro, er möchte dich gerne sehen. Ich habe ihm gesagt, dass du nicht zur Hochzeit kommst, und da meinte er, dass er dich dann mal irgendwann besuchen würde.“ „Weiß er denn, wo ich wohne? Hast du es ihm gesagt?“ „Er hat deine Adresse. Von seinen Eltern oder unseren, ich weiß es nicht genau. Ich habe in den letzten Tagen öfter versucht, dich anzurufen, aber du bist nie rangegangen und bei deinem Handy kam nur der Anrufbeantworter. Dann habe ich dir eine SMS und eine E-Mail geschrieben, aber die hast du wohl auch noch nicht abgerufen.“ „Nein, ich… hatte viel zu tun in letzter Zeit. Tut mir leid. Hat… Masaki gesagt, wann er vorbeikommen wollte?“ „Ja, so wie ich ihn verstanden habe, wollte er es so schnell wie möglich tun. Vielleicht kommt er noch diese Woche. Aber wenn du jetzt doch zur Hochzeit kommst, kann ich ihn ja anrufen und ihm sagen, dass er dich dort sehen kann.“ „Nein, lass nur. Vielleicht ist ganz gut, wenn ich mit ihm vorher noch mal alleine reden kann.“ „Ja, das ist sicher richtig. Er bedauert es wirklich, wie das damals alles gelaufen ist und dass der Kontakt abgebrochen wurde.“ „Ja…“ „Du kannst mich ja anrufen, wenn Masaki da gewesen ist und mir alles erzählen.“ „Okay, werde ich machen. Also, bis dann. Und grüß Sayako von mir.“ „Alles klar. Bis dann.“ Als Morinaga aufgelegt hatte, waren alle Gedanken an Soichi auf einmal vollkommen aus seinem Kopf verschwunden. Masaki hatte sich gemeldet. Und höchstwahrscheinlich würde er vorbeikommen. Masaki, seine erste Liebe… Am nächsten und übernächsten Tag verrichtete Soichi also seine Arbeit im Labor alleine. Einerseits war er froh, nicht mehr diesen pubertären Teenager um sich zu haben, doch andererseits hatte er jetzt niemanden mehr, der ihm half. So kam er zwar langsamer voran, aber immerhin regte er sich weniger auf. Ganz ohne Aufregung verliefen diese zwei Tage trotzdem nicht. Freitagnachmittag, kurz vor Feierabend warf Soichi aus lauter Frust über einen misslungenen Versuch zwei Reagenzgläser an die Wand, nur um sich hinterher noch mehr zu ärgern, weil er selber die Scherben wegfegen musste. Für solche Arbeiten war normalerweise Morinaga zuständig. Aber der war ja nicht da… Als er zuhause war, ließ er sich auf sein Bett fallen. Er überlegte. Es war schon lange her, dass er solche Wutanfälle gehabt hatte. Ob das wirklich mit dem Sex zusammenhing, wie Morinaga gesagt hatte? Als sie regelmäßig miteinander geschlafen hatten, war er tatsächlich viel ausgeglichener gewesen. Das letzte Mal hatte in dem Krankenzimmer stattgefunden, und als besonders schön oder gar romantisch hatte er es nicht in Erinnerung. Und das letzte Mal, dass sie es richtig gemacht hatten? Das war vor drei Wochen gewesen. Verdammt, hatte er es denn wirklich so nötig? Er schloss die Augen. Kanako war nicht da, er war ganz allein in der Wohnung… Langsam öffnete er den Reißverschluss seiner Hose. Wie lange war es her, dass er dort sich selbst berührt hatte? Wochen? Monate? Er wusste es nicht mehr. In Gedanken wurde seine Hand zu der Morinagas. Mit der anderen fuhr er unter sein Hemd und streichelte mit den Fingerspitzen seine Brustwarzen. Erst die linke, dann die rechte, in der jetzt kein Ring mehr war, an dem Morinaga lecken und ziehen konnte, bis es schmerzte. In seiner Vorstellung gab er sich Morinaga willig hin, wie er es immer tat, ließ zu, dieser alles mit ihm machte, was er wollte. Er dachte an Morinagas leidenschaftliche Küsse, seinen heißen Atem an seinem Hals, während dieser ihn umarmte und nahm, genau wissend, was ihm gefiel, was er brauchte… Viel zu schnell war es vorbei. Unzufrieden blieb er noch einen Moment liegen. Nein, es war nicht dasselbe gewesen wie mit Morinaga, bei weitem nicht… Es war Samstagabend. Morinaga war zuhause und hatte gerade eine Kleinigkeit gegessen, als es klingelte. Masaki. Ohne, dass er ihn sah, wusste Morinaga, dass er es sein musste. Er rannte zur Tür und machte auf. „Hallo, Tetsuhiro.“ Er hatte sich fast gar nicht verändert. Eine zarte Wolke von Parfüm umgab ihn. „Masaki“, sagte Morinaga nur und schloss ihn in die Arme. Und auch Masaki umarmte ihn. „Es ist lange her. Du bist erwachsen geworden.“ Als auch Soichi mit dem Abendessen fertig war, ging er zielstrebig zum Telefon und wählte. In ihm brannte eine Frage, die ihm in der vergangenen Nacht eingefallen war und ihn den ganzen Tag nicht mehr losgelassen hatte. „Ja? Hallo?“ „Hallo, Vater.“ „Nanu, Soichi? Du rufst mich an? Das kommt ja selten vor. Was ist passiert?“ „Warum bist du erst jetzt mit der Sprache rausgerückt? Warum hast du mir das alles nicht schon früher erzählt? Das mit deinem Freund und alles andere…“ Soichis Vater seufzte. „Na, weißt du, ich dachte, du merkst schon irgendwann von selbst, dass du schwul bist.“ „Ach so, du hast gedacht, lass den Jungen doch selber damit klarkommen!“ „So kann man das nicht sagen. Ich glaubte, du würdest dann meinen, dass du nur schwul bist, weil ich es auch bin. Du hättest vielleicht versucht, es zu verdrängen, wenn du dich erstmal in einen Jungen verliebt hättest.“ „Aber du hast mir gesagt, dass es bei allen Männern in unserer Familie so ist! Warum hast du nicht mit mir darüber geredet? Warum…“ Soichi schwieg kurz. „Warum hast du mir das bloß nicht schon vor zehn Jahren gesagt?“ fragte er verzweifelt. „Soichi…“ „Vergiss es. Es ist jetzt sowieso zu spät, um es noch zu ändern. Hast du wenigstens mit Tomoe darüber gesprochen?“ „Nein. Und sag du ihm bitte auch nichts. Er muss es für sich selbst herausfinden. Ich will nicht, dass er denkt, er wäre so, weil wir beide…“ „Du kriegst wohl gar nichts mit, was? Weißt du denn nicht, mit wem er nach Amerika gegangen ist? Mit seinem Freund! Die beiden sind seit fast zwei Jahren zusammen.“ „Echt? Ach so… Ich wusste gar nicht, dass er mit jemandem zusammen ist die USA gegangen ist. Ist ja interessant… Dann weiß er es also schon. Ich muss ihn dort unbedingt mal besuchen. Dann können wir das alles durchsprechen. Bei der Gelegenheit kann ich mir auch gleich diesen Burschen ansehen, den er sich ausgesucht hat. Kennst du ihn? Ist er nett?“ Soichi schnaubte verächtlich. „Mach dir selbst ein Bild von ihm.“ Wieder legte er eine Pause ein. Da war noch etwas anderes, das er wissen musste. „Sag mal…“ „Ja?“ „Hast du deswegen eigentlich mal Schwierigkeiten gekriegt? Im Beruf oder so?“ „Ja, einmal war da was. Mein ehemaliger Chef hat ein paar blöde Bemerkungen über Schwule losgelassen. Da habe ich ihm meine Meinung gesagt. Aber ordentlich. Na ja, da hat er mich gefeuert. Aber kurz darauf bin ich bei einem anderen Verlag untergekommen. Der, der jetzt auch meine beiden neuen Bücher veröffentlicht hat. Es hatte also auch sein Gutes.“ „Aha…“ Soichi musste nicht weiter überlegen. Er hatte sich entschieden. „Vater, ich werde nicht heiraten.“ „Was?“ „Du hast mich schon richtig verstanden. Ich heirate nicht. Ich werde sie jetzt anrufen und es ihr sagen. Es wäre nicht fair von mir, sie noch länger hinzuhalten.“ „Aber Junge, hast du dir das auch reiflich überlegt? Was ist denn mit unserem guten Namen? Mit unserer Familientradition?“ „Das ist mir alles egal. Ich mache jetzt, was ich will. Wenn du so scharf auf Nachkommen bist, heirate du sie doch.“ „Mein Sohn, die Idee ist gar nicht mal so schlecht.“ „Das war nicht ernst gemeint!“ „Doch, doch. Am Geld soll es nicht liegen, davon habe ich genug. Meine Bücher verkaufen sich immer besser. Und der Verlag meinte erst, die konstruktionsmorphologische Analytik der paläoanthropologischen Quartärpaläontologie wäre kein Thema, das die Leute interessiert. Tja, so kann man sich irren.“ „Tu, was du nicht lassen kannst. Ich rufe sie an und sage ihr, dass es mit mir nichts wird. Und dann gehe ich zu Morinaga und kläre das.“ „Wer ist Morinaga?“ „Mein Freund.“ „Stimmt, so war sein Name.“ „Ja. Merk ihn dir endlich. Bis dann.“ „Tetsuhiro, ich habe seit damals keinen anderen mehr angefasst.“ „Das klingt so, als wärst du gekommen, um wieder mit mir zusammen zu sein.“ Die beiden saßen auf dem Sofa in Morinagas Wohnung. Sie hatten über alles, was in den vergangenen Jahren geschehen war, geredet. Auch über Soichi und die Trennung. „Ich habe oft an dich denken müssen“, sagte Masaki. „Es tut mir leid, dass ich dich früher nie lieben konnte. Es war immer so schön mit dir.“ Er rückte näher, seine Haare streiften Morinagas Gesicht. „Ich bin allein, und du bist es auch. Lass uns die Vergangenheit vergessen. Wir sollten es noch einmal miteinander versuchen und ganz von vorn anfangen…“ „Masaki… nein… es geht nicht.“ Morinaga nahm Abstand. „Ich liebe Soichi. Nur ihn.“ „Aber er hat dich doch verstoßen. Was spricht also dagegen?“ Wieder rückte er näher, und diesmal ließ Morinaga es zu. „Tetsuhiro…“ Masaki legte eine Hand an die Wange des anderen und begann, ihn zu küssen. Zuerst nur auf die Lippen, dann endlich öffnete Morinaga den Mund und ließ ihn mit der Zunge eindringen. Ende von Kapitel 3 Fortsetzung ist in Arbeit… Oohohoho! Ein fieses Ende! Aber immerhin ist jetzt klar, dass Soichi Morinaga liebt (oooder?!). Bleibt unbedingt dran und verpasst auf keinen Fall den (voraussichtlich) letzten Teil der Geschichte, der damit beginnt, dass sich Soichi mit Masaki um Morinaga prügelt! ^_^d Kapitel 4: Soichi vs. Masaki, Morinagas Entscheidung und die Wahrheit --------------------------------------------------------------------- Anmerkung: Hier ist das vierte Kapitel, und alle Fragen werden endlich beantwortet! Die Geschichte ist so lang geworden, dass es jetzt wohl fünf Kapitel werden... ^_^ (Disclaimer, Warnungen etc.: siehe Kapitel 1) Soichi ging schnell. Er musste jetzt Morinaga sehen. Sofort. Seine Zweifel, sein Entschluss von damals, das alles zählte jetzt nicht mehr. Warum hatte er das nicht schon früher eingesehen? Noch um ein paar Ecken, und er war angekommen. Drei Stufen auf einmal nehmend rannte er die Treppe hoch. Drinnen brannte Licht, also war Morinaga da. Er klingelte. Als keine Reaktion kam, klopfte er unüberhörbar an die Tür. „Mach auf, Morinaga! Ich weiß, dass du da bist!“ Morinaga stieß Masaki von sich weg. „Wer ist das? Ist… er das?“ fragte dieser verwirrt. Seinen ehemaligen Geliebten ignorierend lief er zur Tür und riss sie auf. „Soichi!“ „Morinaga, ich werde nicht heiraten. Ich habe sie eben angerufen…“ Er sprach nicht weiter. Was war das für ein Geruch? Schwach nur, aber er war da. „Seit wann parfümierst du dich ein?“ Und da bemerkte er Morinagas gerötetes Gesicht und wusste, was Sache war. Er schob ihn beiseite und stürmte in die Wohnung. Als er den jungen Mann entdeckte, der mit halb geöffnetem Hemd auf dem Sofa saß, blieb er wie angewurzelt stehen. Bleich und schockiert wandte er sich an Morinaga. „So ist das also.“ „Nein, du verstehst das falsch!“ „Was gibt es da falsch zu verstehen?“ „Er…“ „Ich bin kaum eine Woche weg, und du treibst es schon mit einem anderen! Idiot!!“ „Hör mir doch zu! Wir haben gar nichts gemacht!“ „Noch nicht“, mischte sich Masaki ein. Er stand auf, stellte sich neben Morinaga und legte bedeutungsvoll einen Arm um dessen Taille. Geringschätzig sagte er zu Soichi: „Sie kommen zu spät. Tetsuhiro hat sich für mich entschieden.“ Es versetzte Soichi einen Stich, als er diese vertraute Anrede hörte. Tetsuhiro. Wie kam dieser fremde Mann dazu, ihn so zu nennen? Er schluckte und sah Morinaga bestürzt an. „Du hast dich ja schnell getröstet. Na dann, leb wohl.“ Er wollte gehen, doch Morinaga hielt ihn am Arm fest. „Warte.“ Er wandte sich an seinen Exfreund. „Es ist besser, du gehst jetzt, Masaki.“ Soichis Augen weiteten sich. „Masaki?“ Hätte Morinaga ihn nicht festgehalten, wäre er sofort auf Masaki losgegangen. „Was fällt Ihnen ein, hier aufzutauchen? Wissen Sie eigentlich, was Sie Morinaga angetan haben?!“ brüllte er. „Ja, das weiß ich, und es tut mir auch längst leid. Aber was haben Sie ihm denn angetan? Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie Tetsuhiro sich dabei fühlt? Verschwinden Sie!“ Das war zuviel. Wutentbrannt riss sich Soichi von Morinaga los und stürzte sich auf Masaki. Laut polternd fielen sie beide zu Boden. Soichi holte aus und wollte ihm einen Faustschlag verpassen, doch Masaki war schneller. Er blockte den Schlag geschickt ab, stieß Soichi von sich weg und versetzte ihm seinerseits einen Hieb, so heftig, dass diesem die Brille herunterflog. Verzweifelt beobachtete Morinaga die beiden kämpfenden Männer und konnte nicht fassen, was er da sah. Mal lag Soichi oben, dann wieder Masaki, und ein Schlag folgte auf den nächsten. Masaki schrie schmerzvoll auf, als er mit der Nase hart gegen den Tisch stieß. Die zwei Gläser, die auf dem Tisch standen, fielen zu Boden und zerbrachen. Soichi landete mit dem Arm genau in den Scherben. „Hört auf damit! Ich glaub das einfach nicht! Aufhören!!“ Endlich nahm sich Morinaga ein Herz und ging dazwischen. Er zog Soichi zu sich und bedeutete Masaki, der stark aus der Nase blutete, ins Badezimmer zu gehen. „Ich komme gleich zu dir. Und du“, sagte er zu Soichi, „setzt dich hier aufs Sofa.“ Schweigend tat Soichi, was er wollte. Masaki ging ins Bad, und Morinaga kramte im Erste-Hilfe-Kasten nach Verbandszeug. Stumm gab er Soichi ein paar Tücher und ging dann zu Masaki. Vorsichtig tupfte Soichi das Blut von seinem rechten Arm. Sein Hemd war zerrissen, und seine Haare hingen wirr an ihm herunter. Zitternd befühlte er sein Gesicht. Nein, nirgendwo Blut. Oder doch? An seinen Wangen war etwas Nasses. Er sah seine Finger an. Nur eine klare Flüssigkeit. Morinaga kam wieder ins Wohnzimmer und nahm neben Soichi Platz, um ihn zu verarzten. Dieser hatte den Kopf weggedreht. „Ich glaube, seine Nase ist gebrochen. Warte, ich desinfiziere dir das erst.“ Er griff nach einer kleinen Dose und sprühte etwas auf die Wunde, woraufhin Soichi laut stöhnend zusammenfuhr. „Ist gleich vorbei. Entschuldige. Es geht nicht anders. Hoffentlich gibt das keine Narbe, so tief, wie der Schnitt ist. Wir sollten besser zu einem Arzt gehen. Vielleicht muss es genäht werden.“ Er legte ein paar saubere Tücher auf die Stelle und wickelte zwei Rollen Mullbinden um den Arm. „Ist noch irgendwo was? Zeig mal dein Gesicht.“ Als Soichi nicht reagierte, sah er selber nach. „Du weinst ja…“ „Na und!“ „Tut es so weh?“ „Ach, lass mich in Ruhe! Als ob ich wegen so eines kleinen Kratzers…“ Er sprach nicht weiter. Gerührt nahm Morinaga ihn in die Arme und zog ihn dicht zu sich heran. „Es ist wegen Masaki, hab ich Recht?“ flüsterte er in sein Ohr und küsste ihn sanft auf den Hals. „Weißt du, ich würde nie mit ihm ins Bett gehen, wenn wir beide zusammen wären. Aber du hast ja Schluss gemacht. Also ist auch nichts Verwerfliches daran, wenn ich mich mit jemand anderem vergnüge.“ Soichi nickte. „Läuft das schon länger zwischen euch?“ „Nein, natürlich nicht. Wir haben uns heute zum ersten Mal wieder gesehen.“ „Was habt ihr gemacht?“ „Nichts weiter. Wir haben uns nur geküsst. Sonst ist nichts gewesen. Ehrlich.“ Auf einmal musste er lachen. Soichi wand sich aus seiner Umarmung. „Du lachst mich aus? Freust dich wohl, dass ich Schmerzen habe, was?“ „Ich kann immer noch nicht glauben, dass ihr euch um mich geprügelt habt. So was habe ich noch nie erlebt.“ Da kam Masaki aus dem Badezimmer, ein dickes Knäuel Toilettenpapier unter seine Nase haltend. Sofort wollte Soichi aufspringen, aber Morinaga hielt ihn zurück. „Er ist ja immer noch hier“, sagte Masaki sauer. „Willst du nicht lieber in ein Krankenhaus?“ versuchte Morinaga das Thema zu wechseln. „Nein. Es hat ja schon fast aufgehört zu bluten.“ „Unsinn, so schnell kann das gar nicht gehen. Deine Nase ist gebrochen.“ „Lenk nicht ab. Was ist jetzt mit ihm, Tetsuhiro? Sag ihm endlich, dass er gehen soll.“ „Nein. Es… tut mir leid, Masaki. Du wirst gehen. Entschuldige bitte. Lass uns unsere gemeinsame Zeit von damals in schöner Erinnerung behalten. Ich will nicht im Streit mit dir auseinander gehen.“ Masaki schüttelte den Kopf. „Du schickst mich fort? Wenn du das wirklich machst, siehst du mich nie wieder.“ „Damit… kann ich leben.“ Und ohne ein weiteres Wort verließ Masaki die Wohnung. Morinaga und Soichi waren allein. „Mach mal die Fenster auf. Hier stinkt noch alles nach dem Kerl.“ Morinaga öffnete ein Fenster und stellte das Licht aus, damit die Insekten draußen blieben. Langsam zog der Parfümgeruch ab. Im Dunkeln setzte er sich wieder neben Soichi. „Also. Ganz von vorn. Du heiratest nicht, sagst du?“ „Nein.“ „Wieso nicht?“ „Weil es falsch wäre. Ich will jetzt nicht darüber reden. Wir können… hinterher über alles reden.“ „Hinterher?“ fragte Morinaga leise. Obwohl er wusste, was Soichi meinte, konnte er es nicht glauben. „Aber… du bist doch verletzt…“ „Das ist egal.“ „Na gut, dann… komm“, sagte er und ging ins Schlafzimmer. Soichi folgte ihm. Er knipste die kleine Lampe neben seinem Bett an. „Es ist drei Wochen her.“ „Ja…“ „Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, besonders sanft zu dir zu sein.“ „Ist… schon okay…“ Er kam nicht dazu, weiter zu sprechen, denn Morinaga hatte ihn aufs Bett geworfen. In wenigen Augenblicken hatte er ihm die Sachen heruntergerissen und war kurz darauf selbst auch nackt. „Mach… endlich…“, keuchte Soichi unter seinen gierigen Küssen. „Seit wann… willst du es denn so sehr? So kenne ich dich gar nicht…“ Er ging mit dem Kopf tiefer und leckte gefühlvoll an Soichis linker Brustwarze. „Aaah… bitte… mir ging es wirklich nicht gut in den letzten Tagen. Fang endlich richtig an. Dann fühle ich mich auch wieder besser.“ „Was?“ Morinaga hörte mit seinen Liebkosungen auf und blickte ihn ungläubig an. „Habe ich das richtig verstanden? Du willst das nur, weil es dir sonst schlecht geht?“ „Was hast du denn? Du willst es doch auch!“ „Ich will es, weil ich dich liebe!“ „Na, siehst du! Dann mach das jetzt!“ Morinaga schüttelte den Kopf. „Nein.“ „Wieso nicht?!“ „Was bin ich denn für dich? Nur jemand, der dich befriedigt?“ „Sag doch so was nicht…“ „Was bin ich dann für dich?“ „Du… bist mein bester Freund.“ „Mehr nicht? Warum hast du dich mit Masaki geprügelt?“ „Das ist doch wohl klar!“ „So?“ „Wie der dich begrabscht hat, und wie der dich angesprochen hat. Tetsuhiro hat er gesagt…“ „Du kannst mich gerne auch Tetsuhiro nennen.“ Soichi lief rot an. „Du brauchst nichts weiter zu sagen. Du warst eifersüchtig, ganz klar.“ „Und… ist das so schlimm?“ Morinaga beugte sich über ihn. „Nein. Das ist überhaupt nicht schlimm. Das ist… wunderbar.“ Wieder küsste er ihn. „Ich liebe dich. Ich liebe dich…“ „Aah…“ Morinaga griff nach der Tube auf der Ablage hinter dem Bett, drückte etwas des Inhalts heraus und legte sie wieder zurück. „Liebst du mich?“ „Was soll das jetzt?“ „Ich will wissen, ob du mich liebst. Sag es. Sonst mache ich nicht weiter.“ „Und wenn ich sage, dass ich dich nicht liebe?“ „Dann mache ich auch weiter. Aber ich will eine klare Antwort von dir. Ich will wissen, woran ich bei dir bin.“ Soichis Herz raste. Nein, zu sagen, dass er ihn nicht liebte, brachte er nicht fertig. „Morinaga…“ „Tetsuhiro.“ „Tetsuhiro. Ich… ich kann das nicht! Ich habe das noch nie zu jemandem gesagt.“ „Was denn?“ „Ich liebe dich!“ Soichi spürte seinen Pulsschlag bis in die Schläfen. „Ich meine, ich habe das noch nie gesagt, diesen Satz, ich liebe dich.“ „Sag es noch mal“, hauchte Morinaga. „Nein…“ „Also liebst du mich nicht? Dann sprich es auch aus. Sag: ‚Ich liebe dich nicht’.“ „Nein… das kann ich nicht.“ „Warum?“ „Weil es… nicht stimmt. Aber ich… Tetsuhiro…“ „Soichi… ich liebe dich.“ „Aah… ich…“ „Sag es… bitte…“ „Ich… liebe dich. Ich liebe dich, Tetsuhiro!“ „Soichi…“ „Tetsu… hiro… aaah…“ Soichi schloss die Augen. Er war zu verkrampft, es tat weh. „Aua…“ „Du musst dich entspannen.“ „Aaah… Tetsuhiro!“ Morinaga hielt sich nicht zurück, genau wie er es gesagt hatte. Er wusste genau, wie weit er bei Soichi gehen konnte, und diese Grenze hatte er nun erreicht und war dabei, sie zu überschreiten. In Soichis Augenwinkeln standen Tränen, aber er zeigte keinerlei Unwillen. Ja, sie wollten es beide. Allmählich vermischte sich der Schmerz mit einem unglaublichen Gefühl, so wie es Soichi noch nie zuvor verspürt hatte und wich schließlich ganz. Er legte seine Arme um Morinagas Nacken, die Wunde unter dem Verband brannte höllisch. Seine Fingernägel krallten sich in die Haut des anderen, und er zog ihn näher zu sich, küsste ihn wild und verlangend. Seine Beine schlang er um Morinagas Taille, um es noch intensiver werden zu lassen. Das Bettgestell knarrte bedenklich unter ihnen, hinzu kamen Soichis laute Schreie. Der Nachbar, der im Erdgeschoss wohnte, hämmerte mit einem Besenstiel gegen die Decke und brüllte etwas von Ruhe, aber die beiden kümmerten sich nicht darum. Endlich stöhnte Morinaga auf, kurz danach Soichi, und dann lagen sie da, vereint in einem leidenschaftlichen Kuss. Soichi ließ seine Beine wieder herunter sinken. Morinaga löste sich von ihm und blieb neben ihm liegen. „Ich brauch jetzt eine Zigarette“, keuchte Soichi. „Wo…“ „In meiner Jacke. Im Wohnzimmer.“ Morinaga stieg aus dem Bett, ging ins Wohnzimmer und schloss erst einmal das Fenster, das die ganze Zeit offen gewesen war. Das hatte er ganz vergessen. Und die Schlafzimmertür war nur angelehnt gewesen. Sicher hatte man Soichis Geschrei bis runter auf die Straße gehört. Er sah sich nach der Jacke um. Masaki hatte sie Soichi bei der Schlägerei heruntergerissen. Sie lag neben dem Sofa, und die Brille lag daneben. Sie war nicht zerbrochen. Er hob sie auf und legte sie auf den Wohnzimmertisch. Dann nahm er die Zigarettenschachtel und das Feuerzeug aus der Jacke, schnappte sich den Aschenbecher vom Tisch und kehrte zu Soichi ins Bett zurück. „Hier.“ Soichi holte eine Zigarette aus der Schachtel und hielt sie Morinaga hin. „Willst du auch eine?“ „Eigentlich… ja, gib mal eine her.“ Er nahm sie, und Soichi gab ihm Feuer. Dann nahm sich Soichi eine weitere und zündete sie an Morinagas an. Rauchend lagen sie so beide im Bett, Morinaga auf dem Rücken, einen Arm um Soichi gelegt, der auf der Seite lag und sich an seine Brust schmiegte. „Das ist so schön. Ich würde am liebsten den ganzen Tag mit dir zusammen sein. Mit dir einschlafen, und mit dir aufwachen, richtig mit dir zusammen leben…“ „Hm…“, machte Soichi leise. War es eine Zustimmung? Eine Ablehnung? „Du wolltest mit mir reden?“ „Ja.“ Soichi zog an seiner Zigarette. „Wo soll ich anfangen?“ fragte er sich selbst. „Weißt du, ich hab schon früh gemerkt, dass mich Mädchen nicht interessieren. Schon als Kind. Und als ich dann in die Pubertät kam, ist mir langsam klar geworden, dass ich auf Jungs stehe.“ Morinaga sah ihn überrascht an. „Was? Soll das heißen…“ „Ja. Mir war immer klar, dass ich keine Freundin habe wollte. Aber was genau mit mir los war, habe ich dann erst so mit vierzehn begriffen. Ich habe, glaube ich, fast ein Jahr lang überlegt, ob ich mir das alles vielleicht nur einbilde. Und kurz nach meinem fünfzehnten Geburtstag war ich dann endlich soweit, es meinen Eltern zu sagen. Ich habe mir wochenlang durch den Kopf gehen lassen, wie ich es ihnen sagen sollte. Aber dann ist alles anders gekommen. Meine Mutter ist ganz plötzlich gestorben.“ „Oh, Soichi…“ Morinaga zog ihn näher zu sich und küsste ihn auf die Stirn. „Da war das Thema natürlich auf einmal völlig unwichtig.“ „Klar…“ „Für Tomoe und Kanako war das sicher am schlimmsten. Die beiden waren damals ja erst neun und vier. Ein paar Monate danach, als wir uns langsam wieder gefangen hatten, war ich wieder soweit, es meinem Vater zu sagen. Ja, und dann ist etwas anderes passiert.“ Erneut zog er an der Zigarette. Seine Hand zitterte leicht. „Du musst nicht weitererzählen, wenn dich das so mitnimmt.“ „Doch. Schon gut. In der Parallelklasse war ein Junge, der auch schwul war. Als seine Klasse das rausbekommen hat, wurde er ziemlich fertig gemacht. Das muss damals bei dir… und Masaki wohl ähnlich gewesen sein.“ „Ja…“ „Ein paar Tage lang ging das so. Er wurde herumgestoßen, beschimpft, oder wie Luft behandelt. Bis eines Tages auf dem Schulhof ein Mädchen aus seiner Klasse dazwischen gegangen ist. Ich war in der Nähe und habe alles mitgekriegt. Sie hat ihn verteidigt und die anderen angeschrieen. Sie hat es gut gemeint, aber eigentlich hat sie genau das falsche gesagt.“ „Was war denn?“ „Sie hat gesagt: ‚Lasst ihn in Ruhe! Er kann doch nichts dafür! Er ist doch nur so, weil sein großer Bruder auch so ist!’“ Morinaga drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und nahm Soichi in die Arme. Tröstend streichelte er über seinen Kopf. „Darum also…“ „Ja, darum. Weißt du, ich habe in dem Moment Tomoe vor mir gesehen. Dass er so wird wie ich. Und wie ihm seine Klassenkameraden deswegen das gleiche antun. Und da habe ich beschlossen, nichts zu sagen. Unter normalen Umständen hätte ich mich wahrscheinlich gar nicht so entschieden, aber Tomoe ging es zu der Zeit so schlecht. Der Tod unserer Mutter hatte ihn unglaublich runtergezogen, ist ja klar. Er hat wegen jeder Kleinigkeit losgeheult. Da wollte ich ihm nicht noch mehr zumuten.“ „Ach, Soichi…“ Wieder küsste Morinaga ihn. „Du bist so ein lieber Mensch.“ „Ich habe mich dann nur noch aufs Lernen konzentriert. Irgendwie habe ich es dann geschafft, nicht mehr daran zu denken.“ „Aber hast du denn nie versucht, trotzdem mal mit deinem Vater darüber zu sprechen?“ „Ach, der war doch nie da. Der kam schon damals immer nur alle drei, vier Wochen für ein paar Tage nach hause. Er war eben der Meinung und ist es wohl heute auch noch, dass Kindererziehung Sache der Frau ist. Er hat sich aus allem raus gehalten. Wir hatten dann immer ein Kindermädchen, das auf uns aufgepasst hat.“ „Aber ich hatte das Gefühl, dass ihr ganz gut miteinander auskommt, dein Vater und du.“ „Ja, sicher. Es ist ja auch nicht so, dass wir uns nicht verstehen. Vielleicht liegt es daran, dass ich jetzt erwachsen bin. Ich glaube, er kommt einfach nicht mit Kindern zurecht.“ Soichi legte den Zigarettenstummel in den Aschenbecher und zündete sich eine neue an. „Ich habe früher nie jemanden an mich heran gelassen und mir bewusst keine Freunde gesucht, als ich hier an die Uni kam. Ich hatte Angst, dass ich mich verlieben könnte, dass alles auffliegen würde. Und dann kamst du. Wir haben jahrelang zusammengearbeitet, und du bist mein einziger Freund geworden. Ich habe gemerkt, dass ich es schaffen kann, einen Freund, einen Mann in meiner Nähe zu haben, ohne mich in ihn zu verlieben. Da war ich echt froh. Warum guckst du denn so?“ „Ah, es ist nur… nichts. Erzähl weiter.“ „Tetsuhiro. Ich war am Anfang wirklich nicht in dich verliebt. Sei doch deswegen jetzt nicht beleidigt.“ „Ich bin nicht beleidigt.“ „Bei manchen dauert es eben länger. Bei dir war es Liebe auf den ersten Blick. Ich habe nun mal meine Zeit gebraucht, bis ich mehr als nur freundschaftliche Gefühle für dich entwickelt habe.“ „Okay.“ „Als du mir damals gesagt hast, dass du mich liebst, ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Das war genau zu der Zeit, als ich langsam begann, mich in dich zu verlieben.“ „Was… du…“ „Als du dann die Uni verlassen wolltest, wusste ich nicht mehr, was ich tun sollte. Du wolltest mich küssen, und ich wollte es auch. Natürlich habe ich dir das nicht gesagt. Das war das erste Mal überhaupt, dass ich jemanden richtig geküsst habe. Ich sah schon meine ganze Mauer, die ich über die Jahre um mich herum aufgebaut hatte, einstürzen. Ich habe Panik gekriegt und dich weggestoßen und angeschrieen, weil du nicht meine wahren Gefühle erkennen solltest. Und als wir später die ersten Male miteinander geschlafen haben, wurde es noch schlimmer für mich. Du hast mir genau das gegeben, was ich immer wollte, und ich habe es dir nie gesagt. Vom ersten Mal jetzt abgesehen.“ „Entschuldige…“ „Was glaubst du, wie ich mich gefühlt habe, als ich spitz gekriegt habe, dass Tomoe dabei war, sich in einen Mann zu verlieben? Das war ja noch, bevor wir beide zusammengekommen sind. Ich habe mir solche Vorwürfe gemacht, weil ich dachte, ich hätte ihn beeinflusst. Ich habe mit allen Mitteln versucht, ihn davon abzubringen. Jetzt ist mir natürlich klar, dass das falsch war, so zu denken. Na ja, irgendwann habe ich es akzeptiert, dass er so ist, und dass ich es doch nicht ändern kann.“ „Da hättest du doch offen sagen können, was du wirklich fühlst. Mir hättest du es sagen können.“ „Weißt du, dass ich tatsächlich wieder kurz davor stand, das zu tun?“ „Ja? Davon habe ich aber nichts gemerkt.“ „Doch, es war so. Aber dann kam das mit Professor Suzuki. Du hast mich erst verteidigt, aber es dann sofort bereut und bist zu ihm gegangen, um dich für etwas zu entschuldigen, für das es nichts zu entschuldigen gab. Er hat dich daraufhin so fertiggemacht. Und du hast alles widerspruchslos hingenommen, weil du immer Angst hattest, dass er uns vor die Tür setzt. Du hast mir gegenüber so getan, als ob dir das nichts ausmacht. Aber ich habe genau gemerkt, wie dich das mitgenommen hat, das kannst du mir glauben. Und ich dachte, wenn du es nicht alleine schaffst, zu schwach bist, zu dir selbst zu stehen, wäre es vielleicht besser, du suchst dir stattdessen irgendein Mädchen und führst mit ihr ein Leben, bei dem du deine Ruhe hast. Ich kann es einfach nicht mit ansehen, wenn Menschen, die mir viel bedeuten, verletzt werden.“ Morinaga hielt ihn noch immer im Arm. Ihm wurde klar, dass er Soichi nie wirklich gekannt hatte. Diese sensible Seite an ihm, davon hatte er nie etwas geahnt. Soichi sah ihn an. „Tetsuhiro, ich möchte wirklich gerne mit dir zusammen sein. Richtig… als Paar. Ich verspreche dir, dass ich zu dir stehen werde. Aber so, wie das bisher gelaufen ist, will ich das nicht.“ „Was meinst du?“ „Ich meine, dass ich es nicht weiter hinnehmen werde, wenn dich, wenn uns irgendjemand angreift.“ „Das kann ich doch regeln…“ „Ja, sicher. Ich weiß schon, wie du das regeln wirst. ‚Oh, Professor Suzuki, werfen Sie mich nicht raus, ich tu alles, was Sie wollen, ich bin ja so unwürdig, Sie haben mit allem Recht, beschimpfen Sie mich nur weiter’“, ahmte er Morinaga nach. „So… rede ich doch gar nicht!“ „Nein, so wirst du auch nicht mehr reden. Ich werde diese Angelegenheiten in Zukunft regeln.“ „Aber wenn du das auf deine Weise regelst, dauert es keine zwei Tage und wir werden wirklich rausgeschmissen!“ „Na und? Ist mir jetzt alles egal. Dann miete ich mir eben irgendwo ein Labor und mache da weiter. Ausreichendes Fachwissen habe ich ja, und den Doktortitel habe ich auch so gut wie in der Tasche.“ „Und ich?“ „Du kannst mir weiter assistieren.“ „Und wovon soll ich leben?“ „Ich werde genügend Geld verdienen. Da brauchst du nicht extra zu arbeiten. Außerdem hast du dann auch mehr Zeit, um dich um den Haushalt zu kümmern.“ „Wie, Haushalt?“ „Du hast doch eben gesagt, dass du mit mir zusammenleben willst. Das heißt doch, in einer Wohnung, oder was meintest du?“ „Ja, sicher. Das willst du wirklich? Richtig mit mir zusammen sein?“ „Ja, sagte ich doch. So, und da sich die Hausarbeit nicht von alleine erledigt, machst du das. Du machst ja im Moment in deiner Wohnung auch den Haushalt alleine. Also hast du schon Erfahrung. Kannst du eigentlich kochen?“ „Nicht so besonders…“ „Aber du kannst?“ „Ja, so ein paar Gerichte bekomme ich hin.“ „Sehr gut. Dann wäre das auch geklärt.“ „Halt, Moment mal!“ Morinaga fiel aus allen Wolken. Eben hatte er noch gedacht, dass Soichi sensibel und nett wäre, und jetzt war er wieder ganz der Alte. „Wieso soll ich das alles machen? Wieso kochst du nicht?“ „Kochen? Ich bin ein Mann.“ „Ich bin auch ein Mann!“ „Also willst du nicht mit mir zusammenziehen?“ „Doch, aber…“ „Nichts, aber.“ Morinaga gab sich geschlagen. „Also… gut.“ Soichi lächelte ihn an, dann zog er Morinagas Kopf zu sich heran und küsste ihn. „Du, ich habe mich übrigens entschieden, doch zu meinem Bruder auf die Hochzeit zu gehen. Ich habe auch schon mit ihm telefoniert.“ „Das ist gut. Vielleicht schafft ihr es, wieder einigermaßen normal miteinander umzugehen.“ „Ja. Und… ich möchte, dass du mitkommst. Ich möchte dich meinen Eltern vorstellen. Du hast mir gesagt, du willst zu mir stehen. Also werde ich auch zu dir stehen.“ „Gut. Ja. Lass es uns gemeinsam durchziehen.“ Plötzlich fiel Morinaga etwas ein. „Oh, warte, das hätte ich ja fast vergessen.“ „Was?“ fragte Soichi verwirrt. „Es gibt noch ein Loch an deinem Körper, das ich stopfen muss.“ Morinaga grinste und griff wieder auf die Ablage am Kopfende des Bettes. Soichi wurde rot. „Sag das doch nicht auf so eine Weise! Außerdem kann ich jetzt nicht schon wieder. Wenn du unbedingt noch mal willst, dann vielleicht in ein paar Stunden.“ „Das meine ich doch gar nicht. Das hier meine ich.“ Zwischen zwei Fingern hielt er den goldenen Ring. „Darf ich?“ „Oh… ja, natürlich.“ Morinaga steckte den Ring wieder in die Brustwarze und schloss ihn. „Ich liebe dich, Soichi“, flüsterte er. „Ich liebe dich auch, Tetsuhiro.“ Und Ende der nächsten Woche… „Da kommt er“, sagte Soichi leise, als auf dem Hof der Universität Professor Suzuki nahte. „Willst du das wirklich tun?“ fragte Morinaga noch leiser. „Ich weiß nicht, ob das…“ „Still.“ Soichi nahm Morinagas Hand und ging mit ihm in Richtung Haupteingang. Der Professor beobachtete die beiden verstört. „He!“ rief er ihnen nach. „Tatsumi, Morinaga! Was soll das?“ Er lief auf sie zu. „Wieso halten Sie hier Händchen in der Öffentlichkeit? Schämen Sie sich denn gar nicht? Ich denke, Sie wollen heiraten, Tatsumi?“ Soichi sah ihn herausfordernd an. „Wie bitte, Professor Suzuki? Wie nennen Sie mich? Nur Tatsumi? Haben Sie da nicht etwas vergessen?“ „Was? Sie… Sie glauben wohl, jetzt, wo Sie promoviert haben, können Sie machen, was Sie wollen, Doktor Tatsumi!“ Soichi lächelte überlegen. „Na bitte, es geht doch. Wenn Sie uns jetzt entschuldigen würden, mein Freund Tetsuhiro und ich haben noch eine Menge Arbeit zu erledigen. Man sieht sich.“ „Das ist doch die Höhe! Haben Sie mich etwa die ganze Zeit belogen? Von wegen, heiraten!“ „Das war in der Tat eine dumme Idee. Zum Glück habe ich mich noch rechtzeitig für den richtigen Weg entschieden. Die Hochzeit ist abgesagt.“ „Und ich war so blauäugig, Sie auch noch zu unterstützen und bei meinen Kollegen Stimmung für Sie zu machen! Lassen Sie sich gesagt sein, für Lügner ist an meiner Universität kein Platz. Ein einziger Vorfall noch und Sie können endgültig einpacken.“ „Versuchen Sie gar nicht erst, mich einzuschüchtern. Als ob ich auf Sie angewiesen bin. Mein Vater Prof. Dr. Dr. Tatsumi Soichi ist mit seinen beiden neuen Werken seit Wochen in den Top-Ten der Fachbuch-Bestsellerlisten vertreten. Ich bin mir sicher, jede andere Universität reißt sich um seinen Sohn. Glauben Sie mir, wenn ich hier bleibe, wird das Ihrer Uni nur gut tun. Nun, ich muss natürlich nicht hier bleiben. Ich habe die freie Wahl. Ich könnte zum Beispiel nach Hongkong gehen. Dann haben Sie einen weiteren wertvollen Mitarbeiter verloren. Oder ich gehe in die USA, wie mein Bruder. Überlegen Sie es sich also gut, ob Sie mich vor die Tür setzen. Ach, und ich brauche wohl nicht extra zu erwähnen, dass ich hier sofort aufhöre, sobald Tetsuhiro oder ich wegen unserer Beziehung noch ein einziges Mal in irgendeiner Weise diskriminiert werden.“ Professor Suzuki stand der Mund offen. Er sagte nichts mehr. Soichi legte einen Arm um Morinagas Taille. „Lass uns reingehen, Tetsuhiro.“ Lachend liefen sie die Flure entlang, wieder Hand in Hand, unter den Augen etlicher Studenten. „Ich glaub das einfach nicht“, sagte Morinaga immer wieder kopfschüttelnd, grinste aber dabei. „Hat doch prima geklappt. Ich weiß gar nicht, was du hast.“ „Übertreib das bloß nicht.“ „Keine Sorge. Ich mach das schon.“ Hinter der nächsten Ecke waren Stimmen zu hören. Als Soichi seinen Namen vernahm, blieb er abrupt stehen und Morinaga ebenfalls. „Wer, Tatsumi?“ fragte jemand. „Ja. Möchte mal wissen, wie der es so schnell geschafft hat, an den Titel zu kommen“, antwortete ein anderer. „Da stimmt doch was nicht“, meinte ein dritter. Und ein vierter sagte: „Er hat zwar was auf dem Kasten, aber es würde mich nicht wundern, wenn er mit ein paar zusätzlichen mündlichen Prüfungen etwas nachgeholfen hat, wenn ihr versteht, was ich meine.“ Er lachte gehässig, und die anderen stimmten mit ein. „Ja, wahrscheinlich ist er mal eben mit den Professoren der Reihe nach ins Bett gestiegen. Das passt zu dem.“ „Und unsereins muss sich mit Lernen abquälen, um ehrlich an einen Doktortitel zu kommen.“ „Kannst ja auch mal vor den Professoren die Hosen runterlassen und dich auf dem Chefschreibtisch flachlegen lassen.“ Wieder schallendes Gelächter. „Soichi, nicht!“ rief Morinaga noch, aber es war zu spät. Er stürmte bereits um die Ecke, und Morinaga eilte hinterher. Da stand Soichi und vor ihm vier kräftige Studenten, alle größer als er. „Ach, sieh an, da ist er ja, unser frischgebackener Doktor“, höhnte der eine. „Na, Tatsumi? Kannst du schon wieder sitzen oder tut dir dein Hintern noch von den Prüfungen weh?“ Soichi packte ihn brutal am Kragen. „Glaube mir, dir wird dein Hintern wehtun, wenn ich mit dir fertig bin!!“ Professor Suzuki blickte nach oben. Er stand in der großen Eingangshalle. Was waren das für Schreie? Sie kamen aus einem der oberen Stockwerke. Schnell lief er die Treppen hoch, und jetzt erkannte er eine der Stimmen. Natürlich, Tatsumi. Endlich hatte er die sechs jungen Männer erreicht. „Was ist denn hier los?!“ brüllte er. Einer der vier Studenten kauerte heulend am Boden. Vor ihm stand Soichi und schrie ihn aus voller Kehle an. Die anderen drei hatten ängstlich Abstand genommen, ebenso Morinaga. „Ruhe!!“ brüllte der Professor dazwischen. Soichi verstummte. „Machen Sie wieder Ärger, Tatsumi?! Und Sie…“ Er ging auf den weinenden Studenten zu. „Hat Tatsumi Ihnen etwas getan? Hat er Sie geschlagen?“ Der Student schüttelte schluchzend den Kopf und brachte kein Wort heraus. „Ich möchte so etwas nicht noch einmal erleben, Tatsumi!“ „Ich musste nur ein paar Dinge klären“, sagte Soichi, mühsam beherrscht, ruhig zu klingen. „Diese… Herren hier meinten nämlich, dass Sie und ich eine Art sexuelle Beziehung hätten.“ „Wie bitte?!“ Der Professor sah die vier Studenten, die bei Soichis letztem Satz allesamt erblasst waren, der Reihe nach an. „Ist das wahr?! Was fällt Ihnen ein?!“ Soichi drehte sich um und ging, Morinaga hinter sich herziehend, zum Labor. „Komm. Lass die das alleine regeln.“ Ende von Kapitel 4 Fortsetzung ist in Arbeit und schon fast fertig... Hui, da hat’s Soichi denen aber richtig gegeben! ^__^y Jetzt sind ja alle Fragen beantwortet. Ich muss dazusagen, dass ich das erste Kapitel einfach so geschrieben habe, ohne mir großartig Gedanken über einen Schluss zu machen. Da habe ich erst beim zweiten Kapitel wirklich drüber nachgedacht. Ich hoffe, es sind deswegen nicht allzu viele Logikfehler in der Geschichte. Wenn doch, sorry… ^_^’’’ Im nächsten Kapitel – wir haben dann einen Zeitsprung von einem Monat gemacht – geht es zur Hochzeit von Morinagas Bruder, und wir werden erfahren, was die Zukunft für unser Lieblings-Paar bereithält… Außerdem, das kann ich ja schon mal verraten, sind einige Bonuskapitel geplant. Bis jetzt habe ich Ideen für drei Bonusgeschichten... Die eigentliche Geschichte wird aber mit dem nächsten Kapitel abgeschlossen sein (Ich weiß, das habe ich schon am Ende von Kapitel 2 geschrieben...). Kapitel 5: Die Hochzeit, ein Gespräch zwischen Brüdern und der obligatorische Brautstrauß ----------------------------------------------------------------------------------------- Anmerkung: Aaalso, gleich vorweg: Mir ist natürlich klar, dass sich unser guter Soichi "in Wirklichkeit" nie so aufführen würde wie in diesem letzten Kapitel. ^_^''' Daher auch die OOC-Warnung (betrifft den LIME-Teil). Aber "dieser Soichi" ist ja sozusagen nur eine Weiterentwicklung des Soichis aus dem vorangegangenen Kapitel. Und da deutete sich das OOC ja schon an (nur angedeutet??). Aber das ist ja schließlich 'ne Fanfiction, da kann ich das ja ruhig machen. *grins* Ach, und bevor einer was sagt: Ich will keine alten Leute und Behinderten diskriminieren (= Moris Oma). Das Kapitel hier ist irgendwie seltsam geworden, Entschuldigung... ^^''' (Disclaimer, Warnungen etc.: siehe Kapitel 1 - hier gelten insbesondere die Warnungen WAFF und OOC!) Es war der Tag der Hochzeit. Kunihiro und Sayako hatten sich das Ja-Wort gegeben, man hatte zu Abend gegessen, und nun saß die ganze Gesellschaft im riesigen Garten hinter dem Haus, in dem das junge Paar schon seit einigen Monaten zusammen lebte. Es war dunkel geworden, und der Garten wurde von zahlreichen Lichterketten und einem vollen Mond erhellt. Die Begegnung mit Morinagas Eltern war besser gelaufen, als erwartet. Zwar waren sie Soichi gegenüber noch etwas distanziert, aber nicht wirklich ablehnend. Vielleicht hatten sie nach all den Jahren resigniert und sich mit den Tatsachen abgefunden. Morinaga hatte inzwischen fast alle Verwandten mit seinem Freund bekannt gemacht, und jetzt standen beide etwas abseits der Party und nahmen in aller Ruhe einen Drink zu sich. Strahlend kam das Brautpaar auf sie zu. „Na, schon müde vom feiern?“ fragte Kunihiro. „Nein, nein. Soichi wollte hier nur kurz eine rauchen.“ Die Braut lächelte Soichi an. „Ach, Doktor Tatsumi, wir haben uns vorhin gar nicht richtig unterhalten können. Kommen Sie, lassen wir die Männer doch einen Augenblick alleine.“ „Die Männer?“ fragte Soichi etwas irritiert. „Wir wollen ein wenig spazieren gehen.“ Sie hakte ihn unter und ging plaudernd mit ihm davon. „Unsere Frauen verstehen sich ja blendend“, meinte Kunihiro zu seinem Bruder. „Psst! Mensch, sei froh, dass er das nicht gehört hat! Außerdem möchte ich auch nicht, dass du so redest.“ „Okay, ist ja gut. Und wieso soll er das nicht hören? War doch nur ein Witz.“ „Weil er, wie soll ich sagen, in diesen Dingen manchmal etwas überreagiert.“ Und er erzählte Kunihiro von der Auseinandersetzung mit Professor Suzuki und den vier Studenten vor einem Monat. „Wenn es bis dahin noch nicht jeder auf der Uni wusste, dass wir beide zusammen sind, dann weiß es nach dieser Sache auch der letzte Student.“ „Oha.“ „Die haben jetzt alle mächtig Respekt vor ihm. Die anderen Studenten sowieso, aber die Professoren trauen sich auch nicht richtig an ihn ran. Die wissen genau, was sie an ihm haben. Denen ist klar, dass er als nächstes habilitieren wird.“ „Da hat er sich aber was vorgenommen, alle Achtung.“ „Er sieht sich schon als Universitätsprofessor. Und diese alten Professoren bei uns in der Chefetage werden sich hüten, ihn zu vergraulen. Auch wegen seines Vaters, der ist wegen seiner Veröffentlichungen in der Fachwelt bestens bekannt.“ „Ach ja? Was macht sein Vater?“ „Irgendwas mit Archäologie oder Dinosauriern oder so. Ehrlich gesagt, ganz genau hab ich auch nicht verstanden. Jedenfalls ist allen klar, dass Soichi von jeder Uni auf der Welt mit Kusshand angenommen werden würde. Trotzdem übertreibt er es, finde ich. Ich würde das bestimmt nicht wagen. Nun ja, der tagtägliche Nervenkitzel hat auch was. Nie zu wissen, ob man am nächsten Tag die Uni wieder betreten darf oder nicht. Trotzdem, ich bin nicht wirklich zufrieden damit, wie es jetzt läuft. Ich meine, er kann sich das ja nur erlauben, weil er mit ziemlicher Sicherheit in ein paar Jahren Professor sein wird. Wenn er irgendein unbekannter, weniger begabter Student wäre, würde er sich garantiert nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Na ja, was soll’s. Als die lesbisch-schwule Studentenverbindung von seinem Treiben Wind bekommen hat, wollten sie ihn sofort als Ehrenmitglied aufnehmen. Und das sogar, obwohl er schon lange kein Student mehr ist.“ „Ihr habt eine lesbisch-schwule Studentenverbindung an eurer Universität?“ „Hatten wir.“ „Und hat er sich über darüber gefreut, dass er Ehrenmitglied geworden ist?“ „Sollte man eigentlich meinen, nicht wahr? Aber genau das Gegenteil war der Fall. Er ist völlig aus der Haut gefahren und hat die Jungs und Mädels erstmal richtig zusammengefaltet. Du kennst ja seine Art.“ „Allerdings…“ „Er hat… warte mal, wie waren seine Worte? ‚Leute wie ihr seid doch daran schuld, dass wir nicht als normal angesehen werden! Wenn ihr euch hier selbst abgrenzt mit eurem bescheuerten Verein, zeigt ihr doch aller Welt, dass ihr was Besonderes seid! Und eben nicht normal! Ihr Idioten!’ Ja, so hat er es gesagt.“ „Irgendwie ist da was Wahres dran.“ „Stimmt. Erst waren sie alle schockiert, aber dann fanden sie auch, dass er Recht hat und haben mit sofortiger Wirkung die Verbindung aufgelöst. Aber wenn du mich fragst, ging der Schuss für Soichi trotzdem nach hinten los.“ „Wieso?“ „Sie haben jetzt so eine Art internen Fanclub von ihm gegründet. Die Mitglieder sind dieselben wie vorher in der Studentenverbindung. Sie sehen in ihm so eine Art… Guru.“ „Unglaublich…“ „Ja, man sollte es nicht für möglich halten, wie sich ein Mensch ändern kann. Oder, nein, es ist bei ihm wohl mehr so, dass er jetzt einfach das auslebt, was er sich früher nie getraut hat. Aber wie gesagt, er könnte sich etwas zurückhalten. Immerhin ist er inzwischen viel umgänglicher geworden. Ich meine, ich nehme ihn schon einmal am Tag ran, das hält ihn einigermaßen ruhig.“ „Du… was?!“ „Na, jetzt tu mal nicht so, als wären wir noch kleine Jungs. Was ist denn dabei? Du schläfst doch auch mit Sayako oder nicht?“ „Ja, natürlich, aber… ich… es ist nur so, dass ich… nie darüber nachgedacht habe… wie ihr beide…“ Der Bräutigam räusperte sich. „Wie… sag mal, äh… also, wer von euch…?“ „Ich liege oben.“ „Aha“, machte Kunihiro perplex. „Überrascht?“ „Äh… nein. Nur, wenn man ihn so sieht, kann man sich ihn in dieser Position kaum vorstellen.“ „Oh, wenn du wüsstest…“ „Na ja, das stelle ich mir lieber doch nicht vor. Nimm es mir nicht übel, ja? Wenn ich daran denke, wie zwei Männer… nein…“ „Keine Sorge, ich verstehe schon, wie du das meinst.“ „Obwohl, zwei Frauen, das ist dann wieder was anderes.“ „Damit kann ich wiederum nichts anfangen.“ Sie mussten beiden auflachen. Morinaga sah sich um. „Masaki ist also nicht gekommen.“ „Nein, leider. Er hat vor ein paar Tagen angerufen und abgesagt. Er meinte, es würde ihm nicht so gut gehen.“ „Das hätte ich mir denken können. Hat er dir sonst noch was gesagt?“ „Nein, wieso? War was?“ „Er war bei mir.“ „Ja?“ „Dummerweise ist er mit Soichi aneinander geraten. Das Ergebnis war eine tiefe Fleischwunde bei Soichi und eine gebrochene Nase bei Masaki. Von diversen Prellungen und blauen Flecken ganz zu schweigen. Wir, also Soichi und ich, sind dann noch spät abends im Krankenhaus gewesen, und da sind sich die beiden wieder über den Weg gelaufen. Ein Glück, dass da ein paar kräftige Ärzte und Pfleger waren, die schlimmeres verhindert haben. Hätte nicht viel gefehlt, und die hätten die Polizei gerufen.“ „Das ist echt heftig.“ „Masakis Nase ist wohl wieder normal zusammenwachsen. Zumindest haben die Ärzte gesagt, dass es so sein würde. Aber Soichi hat eine lange Narbe an seinem Unterarm zurückbehalten. Genäht werden musste die Wunde auch.“ „Puh… Dann ist es vielleicht doch besser, dass Masaki heute nicht hier ist.“ „Ja, sehe ich auch so.“ „Hm. Du, aber mal was anderes. Ihr zieht jetzt in eine gemeinsame Wohnung, hast du neulich erzählt?“ „Ja. Wir hatten erst überlegt, ob meine Wohnung ausreicht. Aber auf Dauer ist sie für zwei Leute doch zu klein. Und dann ist da auch noch Soichis kleine Schwester Kanako. Also haben wir uns alle zusammengesetzt und es miteinander besprochen. Das heißt, Soichi und ich, seine Schwester, sein Vater und dessen Lebensgefährte.“ „Wie, Lebensgefährte? Heißt das, der Vater ist auch so?“ „Ja, das liegt bei denen irgendwie in der Familie, frag mich nicht. Jedenfalls haben wir erst überlegt, dass der Vater und Wang, so heißt sein Lebensgefährte, zusammen mit Kanako in der Wohnung bleiben, in der jetzt Soichi und seine Schwester wohnen. Dann hätten Soichi und ich uns was Neues gesucht. Aber Wang hat ziemlich viel Geld, und Soichis Vater ist auch nicht gerade arm. Also haben sie kurzerhand ein großes Haus mit zehn Zimmern am Stadtrand gekauft. Kanako ist total glücklich, dass sie jetzt gleich zwei Väter hat. Soichi hat seinen Vater nämlich kräftig ins Gebet genommen, und ihm gesagt, dass er sich auch mal um seine Tochter zu kümmern hat. Der wollte erst nicht, meinte, zwei Männer könnten kein Kind aufziehen, aber Soichi hat es dann doch geschafft, ihn zu überzeugen. Wang hat schon versprochen, dass er sie immer zur Schule fahren wird, und so weit weg ist das neue Haus auch nicht. Und ich werde zu Soichi in die Wohnung ziehen. Ich bin schon dabei, meine Sachen rüberzuschaffen. Den Mietvertrag für meine Wohnung habe ich gekündigt, der läuft Ende des Monats aus.“ „Aber was wollen die drei denn alleine in so einem riesigen Haus?“ „Also, da ist noch eine andere Sache… Ich habe dir ja erzählt, dass Soichi vorhatte, zu heiraten. Daraus ist bekanntermaßen nichts geworden. Und nun halt dich fest. Sein Vater wird diese Frau heiraten.“ „Ist nicht dein Ernst!“ „Ich konnte es zuerst auch nicht fassen.“ „Du hast doch gesagt, er lebt mit einem Mann zusammen.“ „Ja. Aber sie will nur Kinder, keine Beziehung. Und er will genau das gleiche. Sie wird mit einziehen, in eine abgetrennte Wohnung. Nächstes Wochenende heiraten sie. Ohne Zeremonie. Sie unterschreiben nur einen Vertrag. Weißt du, das komische ist, sie wird dann, rein rechtlich gesehen, Soichis Stiefmutter. Und sie ist jünger als er.“ „Das sind… sehr merkwürdige Familienverhältnisse.“ „Ja, schon. Aber so sind alle glücklich.“ „Und dieser Wang? Passt dem das denn?“ „Ach, du, ich glaube, dem ist das ziemlich egal. Die zwei sind seit über dreißig Jahren ein Paar. Wang ist so ein Typ, den nichts aus der Ruhe bringt. So ein dicker, gemütlicher. Und behaart ist der, so was hast du noch nicht gesehen. Er hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt. Ich sage dir, das reinste Fell.“ Morinaga nippte an seinem Drink. „Du, ihr habt es richtig schön hier. Der Garten ist toll.“ „Im Moment sieht er ja noch eher wie eine Weide für Kühe aus, aber wir werden ihn von einem Gärtner richtig anlegen lassen.“ „Ja, und in ein paar Jahren werden dann eure Kinder darin spielen.“ Kunihiro schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht. Du musst wissen, Sayako kann keine Kinder bekommen.“ „Was?“ „Sie hatte als Jugendliche eine schwere Unterleibs-Operation. Sie ist unfruchtbar. Wir werden nie gemeinsame Kinder haben.“ „Oh… das wusste ich ja gar nicht. Du hast mir nie etwas erzählt.“ „Deswegen waren Mutter und Vater auch erst dagegen, dass wir heiraten. Das war der Grund, weshalb sich der Hochzeitstermin immer wieder verschoben hat. Und dann haben wir noch auf einer Hochzeit im westlichen Stil bestanden. Das hat ihnen dann den Rest gegeben. Aber ich habe mich durchgesetzt. War schwer, aber es hat sich gelohnt. Ich bin jetzt mit der Frau verheiratet, die ich liebe.“ „Wow. Das klingt so gar nicht nach dir. Ich bin stolz auf dich, großer Bruder.“ „Ach… du hattest es doch viel schwerer. Ich glaube, ich kann jetzt ungefähr nachfühlen, wie es dir damals ergangen ist. Du, Tetsuhiro, ich bin echt froh, dass wir uns wieder so gut verstehen.“ „Ich auch. Wirklich.“ Er nickte. „Hm… das heißt also, dass keiner von uns Kinder in die Welt setzen wird.“ „Ja, es sieht so aus. Aber wer weiß, vielleicht adoptieren Sayako und ich irgendwann mal ein Kind.“ Kunihiro dachte nach. „Also. Jetzt nur mal angenommen, Soichi könnte Kinder kriegen. Würdest du dann welche mit ihm haben wollen?“ Morinaga musste auflachen bei dieser seltsamen Frage. „Was für ein Gedanke… nein, ich glaube nicht. Ich meine, wenn man so hört, wie Frauen drauf sein können, wenn sie schwanger sind… und das zusätzlich zu Soichis Launen? Nein, danke, das muss ich nicht haben.“ Die beiden Brüder lachten laut. „Hallo! Da sind wir wieder!“ rief Sayako, die mit einem fröhlichen Soichi im Schlepptau zurückkam. „Oh, Soichi und ich sind schon richtig gute Freunde geworden.“ „Worüber lacht ihr denn? Über mich?“ fragte Soichi. „Nein“, log Morinaga. „Es war… einfach nur so.“ Sayako nahm ihren Mann an die Hand. „Komm, Liebling, gehen wir wieder zu den anderen. Lass uns noch ein wenig tanzen. Und Soichi, besprich das mit der Katze doch mal mit Tetsuhiro, ja? Und dann kommt nach!“ „Alles klar, mach ich.“ „Was für eine Katze?“ frage Morinaga verwirrt, während das Ehepaar davon schritt. „Ihre Katze hat vor ein paar Monaten Junge bekommen. Zwei sind noch da, die anderen haben sie schon weggegeben. Sayako fragt, ob wir auch eine haben wollen.“ „Äh…“ „In unserer Wohnung dürfen wir Haustiere halten, das ist kein Problem.“ „Ja, wenn du willst? Kennst du dich denn mit Katzen aus?“ „Nein. Und du?“ „Etwas.“ Soichi nickte. „Gut. Dann nehmen wir die Katze morgen früh, wenn wir zurückfahren, gleich mit.“ Auf einmal rempelte ihn jemand von der Seite an. „Oh, entschuldigen Sie, Mädchen!“ rief eine kratzige Frauenstimme. Er drehte sich um und erblickte eine ältere Dame in einem Elektrorollstuhl. Auf ihrem Schoß saß ein etwa vier Jahre altes Kind. „Ach… oh, Sie sind ja gar keine Frau! Ich dachte, wegen der langen Haare, oooh…“ „Hallo, Oma“, sagte Morinaga. „Soichi, das ist meine Großmutter.“ „Endstation! Alles aussteigen!“ rief das Kind, und erst jetzt sahen die beiden Männer, dass zwei ramponierte Skateboards hinter dem Rollstuhl angebunden waren, auf denen jeweils zwei kleine Kinder saßen, die nun aufsprangen und davonliefen. „Oma, darf ich vorstellen, das ist mein Freund Tatsumi Soichi.“ Und leise flüsterte er in Soichis Ohr: „Oma ist etwas… na ja, du weißt schon. Wie alte Leute manchmal sind…“ „Ja, richtig! Dein Bruder hat mir ja von ihm erzählt“, sagte sie. Kritisch beäugte sie Soichi. „Du siehst mit diesen Haaren ganz anders aus, Masaki.“ „Nein, das ist nicht Masaki, Oma. Das ist Soichi. Habe ich dir doch gerade gesagt.“ „Ach ja.“ Sie zog Soichi näher zu sich. „Hör mal, Soichi. Ich habe früher schon immer zu meinem Sohn gesagt, der Junge wird später bestimmt ein Homosexueller.“ „Also, Oma, bitte…“, zischte Morinaga. „Was ist homuseller?“ wollte das Kind auf dem Schoß der Oma wissen. „Weißt du“, fuhr sie fort, „er hat als Kind nur mit Puppen gespielt.“ „Oma!! Ich habe nie mit Puppen gespielt! Das war Kunihiro!“ „Kunihiro? Bist du nicht Kunihiro?“ „Nein! Ich bin Tetsuhiro! Kunihiro hat heute Sayako geheiratet.“ „Ja?“ Das Kind meldete sich wieder zu Wort. „Alles einsteigen!“ Die anderen Kinder kamen zurückgelaufen und nahmen auf den Skateboards Platz. „Abfahrt!“ Das Kind drückte gegen einen Hebel am Rollstuhl und die Kolonne setzte sich in Bewegung. Fröhlich stimmten die Kleinen ein Lied an: „Tschuk, tschuk, tschuk, die Eisenbahn! Wir woll’n heut’ zur Hochzeit fahr’n! Alleine fahren woll’n wir nicht! Da nehmen wir die Oma mit!“ Als sie weg waren, fragte Soichi: „Dein Bruder hat mit Puppen gespielt?“ „Ja.“ „Du, sehe ich von hinten wirklich wie eine Frau aus?“ „Quatsch! Ich hab dir doch gesagt, dass Oma…“ „Vielleicht sollte ich mir die Haare lieber abschneiden.“ „Nein!“ rief Morinaga entsetzt. „Versprich mir, dass du das nie tun wirst!“ „Warum denn nicht?“ „Weil du“, er lächelte ihn liebevoll an, „mit langen Haaren einfach wunderschön aussiehst.“ Ihm fiel plötzlich die Frage seines Bruders wieder ein. „Sag mal, wenn du Kinder kriegen könntest, würdest du dann welche von mir haben wollen?“ Soichi stieß empört Luft aus. „Also, jetzt fängst du auch noch an! Das kann doch wohl nicht wahr sein! Erst sagt Sayako so was, von wegen ‚die Männer’, als ob ich keiner wäre! Dann macht dein Bruder so eine blöde Bemerkung…“ „Das hast du gehört?“ „… und dann hält mich deine Großmutter auch noch für eine Frau! Und du machst fröhlich mit! Idiot!“ „Ist ja gut, beruhige dich bitte.“ Morinaga stellte das Glas mit dem Rest des Drinks auf die Erde. „Ich will dir mal was sagen, wenn hier einer von uns ‚die Frau’ ist, dann ja wohl du! Wer macht denn die Hausarbeit? Wer kauft ein? Wer kocht?“ „Soichi!“ Er fasste ihm sanft auf die Schultern. „Keiner von uns ist ‚die Frau’. Okay? Wir sind beide Männer, egal, was andere sagen. Dass ich den Haushalt mache, macht mich nicht weniger männlich. Und nur, weil du beim Sex der Passive bist, macht dich das auch nicht weniger männlich.“ „Dann sag so was auch nicht!“ „Ja, entschuldige. Kommt nicht wieder vor.“ Morinagas Lächeln wurde auf einmal breiter. „Ach, jetzt weiß ich…“ „Was?“ fragte Soichi gereizt. „Warum du so drauf bist. Wir haben heute noch gar nicht…“ „Das willst du doch wohl nicht hier tun! Meinetwegen nachher im Hotel.“ „Aber dann ist es schon nach Mitternacht. Wir haben die letzten Wochen jeden einzelnen Tag miteinander geschlafen.“ „Dann lassen wir es heute eben einmal ausfallen.“ „Guck mal, da ganz hinten im Garten ist doch keiner. Da ist auch keine Beleuchtung. Los, komm!“ „Spinnst du? Hier laufen überall Kinder rum.“ „Siehst du da hinten irgendwelche Kinder? Nein? Ich auch nicht. Also, komm.“ Soichi ließ sich etwas widerwillig von seinem Freund in eine abgelegene dunkle Ecke des Gartens mitziehen, so verborgen, dass nicht einmal das Mondlicht sie erreichte. Hinter dem Stamm eines großen alten Baumes, unsichtbar für die anderen Gäste der Hochzeitsgesellschaft, begann Morinaga, ihn hemmungslos zu küssen. Hastig öffnete er Soichis Hose. „Von wegen, du willst nicht. Das fühlt sich aber ganz anders an.“ „Ich… aaah… hab doch gar nicht gesagt, dass ich nicht will… Tetsuhiro… aaah… wie wollen wir das denn überhaupt…“ Soichi machte sich seinerseits an Morinagas Hose zu schaffen. „Hast du irgendwas dabei?“ Morinaga zog ein Kondom aus seiner Hosentasche hervor. Schnell hatte er es ausgepackt. „Damit geht das schon.“ „Hast du das hier etwa geplant? Warum sonst hast du das dabei?“ Morinaga zog ihm die Anzugjacke aus und legte sie ins trockene Gras. „Man weiß ja nie…“ Er drückte ihn mit dem Bauch voran an den Baumstamm und leckte über seinen Nacken. Mit der einen Hand glitt er unter Soichis Hemd und kniff herzhaft in die rechte Brustwarze, die andere Hand schob sich weiter nach unten. „Haaah…“ entfuhr es Soichi erregt. Es war zu gut, er hielt es nicht mehr aus. Er wollte ihn. Jetzt. „Nimm mich, Tetsuhiro!“ „Wie du wünschst…“ Soichi keuchte laut. „Aaah, jaaa…! Ich… will dich spüren!“ forderte er ihn auf. „Aaah…!!“ „Schrei… nicht so…“, sagte Morinaga leise in sein Ohr. „Die hören uns sonst...“ Lustvoll drehte Soichi seinen Kopf weit zur Seite, und Morinaga beugte sich vor und versiegelte seine sinnlichen verlangenden Lippen mit einem hungrigen Kuss. Soichi ging mit einer Hand ebenfalls unter sein Hemd, legte sie auf Morinagas, der ihn dort noch immer begierig über die Brust streichelte. Mit der anderen fand er am Baumstamm Halt, während er widerstandslos, wie immer, seinen Freund den Ton angeben ließ. Morinaga fiel es schwer, sich zurückzuhalten, als Soichi sich ihm derart hingab. Ja, er beherrschte ihn in diesem Moment absolut, jedoch ohne Zwang, ohne, dass er es seinem Freund aufdrängte. Einfach, weil sie beide es so wollten, weil es richtig war. Keinem anderen Menschen würde sich Soichi jemals auf diese Weise unterwerfen, sich niemandes Willen beugen, egal, ob körperlich oder geistig, und das wusste Morinaga. Er war der einzige, der ihn ganz und gar haben durfte. Soichi gehörte jetzt endlich ihm, vollkommen. „Ich liebe dich, Tetsuhiro“, hauchte Soichi befriedigt. „Ich liebe dich“, wiederholte Morinaga. „Ich liebe dich.“ Wieder korrekt gekleidet, kehrten sie einige Minuten später zur Party zurück und mischten sich unter die Leute. Soichi hatte die Jacke geschlossen, da ein grüner Algenbelag vom Baumstamm vorne auf sein Hemd abgefärbt und einige Flecken zurückgelassen hatte. Anscheinend hatte keiner der Gäste ihre kurzzeitige Abwesenheit bemerkt. Sie kamen gerade richtig. „So, Mädchen!“ rief Sayako. „Wer will den Brautstrauß fangen?“ Eine Horde kreischender junger Frauen sammelte sich aufgeregt an einer Stelle. Morinaga und Soichi standen bei den übrigen Gästen und beobachteten den Auflauf ein paar Meter neben ihnen. „Weiber“, murmelte Soichi kopfschüttelnd. „Ach, ist doch ganz lustig“, meinte Morinaga. „Lass ihnen den Spaß.“ „Seid ihr bereit? Bei drei werfe ich! Aufgepasst! Eins! Zwei! Und drei!“ Sayako zielte auf die Junggesellinnen-Gruppe, trat dabei aber auf den Saum ihres langen Kleides und geriet leicht ins Stolpern. Der Strauß fiel ihr zu früh aus der Hand, verfehlte die Frauen und flog, ja, er flog in Richtung der Männer. Soichis Fingerspitzen berührten ihn gerade noch, aber er hütete sich, ihn aufzufangen. Kein Geräusch. Der Strauß war nicht auf dem Boden gelandet. Morinaga hielt ihn in den Händen. Schweigen. Aber nur einen Augenblick. Dann brach lauter Jubel los. Soichi wurde rot. „Also, das ist echt peinlich! Musste das sein?!“ „Ist doch nicht meine Schuld! Sie hat ihn genau in meine Richtung geworfen!“ „Und du musst das Ding natürlich auffangen! Idiot!“ Hilflos drückte Morinaga ihm die Blumen in die Hand. „Hier, nimm du.“ Voller Abneigung gab Soichi sie zurück. „Ich will das nicht haben! Behalt das gefälligst selber!“ Bevor es zu einem Streit kommen konnte, ertönte aus einiger Entfernung ein lauter Knall. Es folgten weitere. Das Feuerwerk hatte begonnen, und der Nachthimmel über ihnen erstrahlte in allen erdenklichen Farben. Zufrieden lächelnd legte Morinaga einen Arm um seine große Liebe. „Du weißt, was das bedeutet?“ „Was meinst du?“ fragte Soichi und lehnte sich an ihn. „Der Brautstrauß.“ „Du…“ „Vielleicht, eines Tages…“ Soichi berührte die Hand an seiner Seite und sah in den leuchtenden Himmel. „Ja. Vielleicht.“ Ende Aw, kawaii! Das Ende ist so ganz nach meinem Geschmack! Und ich wollte Soichi unbedingt einmal „Nimm mich!“ sagen lassen. *_* Cool… Entschuldigt, dass das letztendlich so kitschig geworden ist, aber mir war danach! *__* Na? Habt ihr den Insider-Gag gefunden? Ich sag nur: tschuk. XD Wah, schon wieder ’ne Geschichte von mir, die mit ’ner Hochzeit endet… Ich guck eindeutig zuviel „Frank, der Weddingplaner“. XD So, das war’s… … noch nicht! Es kommen ja noch die Bonus-Kapitel. ^_^ *grins* Dass die beiden jetzt eine Katze haben, wird in der 1. Bonus-Geschichte von Bedeutung sein. Diese Geschichte wird – da möchte ich euch gleich warnen – sehr unrealistisch! Und auch nicht besonders lang. Und Soichi droht Morinaga damit, sich die Haare abzuschneiden, wenn er nicht macht, was er will – in der 2. Bonus-Story. Was er wohl will? ^_^? Wird wahrscheinlich auch nicht allzu lang werden. Im 3. Extra-Kapitel plane ich, die ganze Familie zu einem Treffen nach Amerika zu schicken, wo sie auf Tomoe und Kurokawa und auch Rick und Phil treffen. Allerdings weiß ich noch keine wirkliche Handlung, ich habe bisher nur Ideen, wie der Flug ablaufen soll. ^_^’’’ Die beiden ersten Bonus-Geschichten sind gedanklich schon so gut wie fertig, ich muss sie „nur noch“ aufschreiben. Kapitel 6: BONUS-KAPITEL 1: Soichis merkwürdiger Katzenminze-Trip ----------------------------------------------------------------- Autor: DJ Vierauge Titel: „SOICHIS MERKWÜRDIGER KATZENMINZE-TRIP“ (Bonus-Story zu „Das Tatsumi-Gen“) Serie: Fanfiction zur Serie „Verliebter Tyrann“ von Hinako Takanaga Pairing: Soichi x Morinaga (!) Genre/Warnungen: Shounen-ai/Yaoi, Romantik/Waff/Fluff, Lime, Silly, Humor, OC, OOC (Soichi) Rating: ab 16 Jahren Disclaimer: Alle Personen sind das Eigentum von Hinako Takanaga, mit Ausnahme von Wang und der Studentin, die ich dazu erfunden habe. Ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte Anmerkungen: Der Kapiteltitel ist vom Titel einer Simpsons-Folge abgeleitet („Homers merkwürdiger Chili-Trip“). Es ist zwar jetzt im Oktober noch etwas früh für eine Weihnachtsgeschichte, aber „überall“ im Fernsehen (Teleshopping!) usw. ist Weihnachtsstimmung, da habe ich mich anstecken lassen. XD Mit dieser Geschichte soll kein Drogenkonsum verherrlicht werden (betrifft auch die Kapitel davor, da wurde nämlich auch schon ordentlich geraucht und gebechert)! INHALT: Es ist Weihnachten. Und unser lieber Soichi hat sich ausgerechnet an diesem Tag erkältet. Da tut bestimmt ein schöner Kräutertee gut, meint er. Doch nachdem er ihn getrunken hat, benimmt er sich irgendwie seltsam… „Ja, so ist es gut. Stoß dich seitlich mit einem Fuß ab. Genau, prima!“ „Halt mich bloß fest! Und du auch, Kanako!“ Soichi hielt sich mit Mühe auf den schmalen Kufen. Morinaga stand rechts von ihm und stützte ihn sicher. Mit dem linken Arm lehnte er sich auf seine kleine Schwester. Die drei befanden sich in der Mitte einer großen Eislaufhalle, die vor einigen Monaten eröffnet hatte. „Das ist total schwer! Wieso könnt ihr das so gut?“ „Kunihiro und ich sind als Kinder oft Schlittschuh gelaufen.“ „Und ich gehe öfter mal mit meinen Freundinnen hierher. Weißt du doch“, sagte Kanako. „Ein bisschen Übung noch, und du kannst das genau so gut wie wir“, meinte Morinaga aufmunternd. „Willst du es jetzt mal alleine versuchen?“ „Nein! Nicht loslassen!“ „Okay, ich halte dich.“ „Oh, da sind ein paar aus meiner Klasse!“ rief Kanako auf einmal. „Ich bin dann mal bei denen, ja? Kommt ihr ohne mich klar?“ „Ich denke schon. Was meinst du, Soichi?“ „Ja, ja.“ Sie nahm elegant Kurs auf einige Mädchen, die sie fröhlich empfingen. „Ich will nicht mehr“, maulte Soichi. „Ach, wir haben doch gerade erst angefangen. Komm, ich helfe dir. Guck zu, wie ich es mache, und dann mach es nach.“ „Das sagst du so einfach!“ „Wenn du es erstmal kannst, ist es ganz leicht. Ich lade dich auch nachher zu einem Kaffee ein.“ „Also gut. Meinetwegen.“ Stockend bewegten sie sich vorwärts, und nach zehn Minuten schaffte es Soichi tatsächlich, einigermaßen gerade auf dem Eis zu stehen. „Siehst du, das klappt doch super. Wie ich es dir gesagt habe. Lass mal meinen Arm los, und nimm nur meine Hand. Bleib stehen und beweg dich nicht. Ich ziehe dich mit mir.“ Morinaga tat, wie er gesagt hatte, und Soichi musste wohl oder übel mit. „Waaah!! Nicht so schnell!!“ „Gut so! Und jetzt lauf selber. Keine Angst, ich halte dich.“ „Das… geht nicht! Aah!“ „Ja, richtig! Du kannst es!“ In ruhigem, gleich bleibendem Tempo liefen sie nahe der Bande über die glatte Eisbahn. Zwar tat Soichi sich noch reichlich schwer, aber nachdem sie eine ganze Runde geschafft hatten, wurde er langsam sicherer. Nach der zweiten ließ er sogar einmal kurz Morinagas Hand los, aber nur, um sie gleich darauf wieder zu fassen. „Hey!“ rief Kanako und kam ihnen entgegen. „Das sieht ja spitze aus!“ „Ich kann nicht mehr. Ich brauche eine Pause“, flehte Soichi und klammerte sich an die Bande. „Mann, ist das anstrengend.“ „Wollen wir dann zusammen laufen?“ fragte sie Morinaga. „Ja, gerne. Du hast doch nichts dagegen, Soichi?“ „Nein, macht mal. Ich ruhe mich hier etwas aus.“ „Bis gleich!“ rief Kanako lief mit Morinaga los. Soich sah zu, wie die beiden gemeinsam abzogen, als ihn jemand von außerhalb der Eislaufbahn ansprach. „Ich möchte in einer halben Stunde losfahren, weil ich deinem Vater versprochen habe, ihn vom Flughafen abzuholen.“ Es war Wang, der Freund seines Vaters. In seiner Hand hielt er einen Becher dampfende heiße Schokolade. „Ist gut. Wir werden bis dahin fertig sein. Kommt er eigentlich direkt von Frankreich hierher oder macht er noch einen Zwischenstopp?“ „Nein, er fliegt nicht von Frankreich aus. Da ist schon Donnerstag fertig gewesen. Er ist dann nach Moskau weiter, um beim Archäologischen Generalkonsulat vorzusprechen. Die Funde aus der Camargue sollen ja zusammen mit denen aus Sibirien in Tokyo ausgestellt werden, und dafür musste er bei der Vertragsunterzeichnung persönlich anwesend sein. Aber er fliegt jetzt von Moskau aus direkt zurück.“ „Davon hat er mir natürlich wieder nichts erzählt. Typisch!“ „Wahrscheinlich hat er nur vergessen. Sag mal, ist dir kalt?“ „Etwas.“ Wang hielt ihm den Pappbecher hin. „Hier. Das heizt gleich durch.“ Soichi nahm die Schokolade entgegen. „Danke.“ Er trank ein bisschen, und da kamen auch schon sein Freund und seine Schwester zurück. „Das hat Spaß gemacht!“ rief Kanako. „Komm, Soichi, jetzt wieder wir beide“, sagte Morinaga und nahm Soichis Hand. Dieser gab Wang den halbleeren Becher zurück und ließ sich von Morinaga mitziehen. „Du machst das echt gut“, lobte Morinaga ihn. „Wang will in einen halben Stunde los.“ „Okay. Ach, guck mal! Da ist ja Hiroto! HEY!! HIROTO!!“ schrie er quer durch die Eislaufhalle. Der Angesprochene winkte ihnen zu und näherte sich mit graziösen Schritten. „Huhu, Engelchen! Hallöchen, Tatsumi! Oh, wisst ihr, dass das total süß aussieht, wie ihr hier Hand in Hand über das Eis lauft? Man sieht euch richtig an, dass ihr frisch verliebt seid. Hach!“ ‚Wie ist der denn wieder drauf?’ dachte Soichi kopfschüttelnd. „Ich wünschte, ich hätte auch so einen tollen Mann. Aber ich habe leider kein Glück in der Liebe. Da muss ich morgen wieder ganz einsam Weihnachten feiern… Engelchen, wohnst du jetzt ganz bei Tatsumi?“ „Ja. Im Moment sieht es zugegebenermaßen noch etwas kahl in der Wohnung aus, weil Soichis Vater die meisten Möbel mitgenommen hat.“ „Die gefielen mir sowieso nicht mehr. Wir werden uns neue kaufen. Mein Vater bezahlt alles.“ „Sofa und Sessel fürs Wohnzimmer haben wir vorige Woche gekauft, und wenn wir in den nächsten Tagen dazu kommen, wollen wir neue Tapeten, Gardinen und so weiter aussuchen.“ „Oh, soll ich mitkommen? Ich kann euch beraten. Gratis natürlich.“ „Wieso beraten?“ fragte Soichi. „Hiroto ist ausgebildeter Feng Shui-Meister“, erklärte Morinaga. „Ruf mich einfach an, wenn ihr losfahrt, und ich bin gleich bei euch.“ „Vielen Dank, wir werden darauf zurückkommen. Was sagst du, Soichi?“ „Ja, klar. Gute Idee.“ Seiner Stimme war nicht anzumerken, ob er das auch wirklich so meinte. Hiroto hatte Wang erblickt. „Wow, wer ist denn der heiße Feger? Genau mein Typ! Scheint alleine hier zu sein… Da muss ich doch gleich mal…“ „Das ist der Freund meines Vaters.“ „Ach, nein, wirklich?“ Hiroto verdrehte theatralisch die Augen. „Es ist eine Schande. Die besten Männer sind entweder vergeben oder verheiratet. Ich werde ihn trotzdem mal anquatschen. Bye-bye, ihr zwei Hübschen!“ „Bye-bye“, verabschiedete sich Morinaga. „Tschüß“, kam es von Soichi. Die beiden liefen weiter. „Feng Shui. Alles abergläubischer Unsinn, wenn du mich fragst.“ „Du, er versteht wirklich was davon. Seine eigene Wohnung ist super eingerichtet. Man fühlt sich da gleich wohl. Ist alles im traditionellen japanischen Stil gehalten.“ Soichi bremste leicht ab. „Wann warst du denn bei ihm in der Wohnung?“ „Ist schon länger her. Du brauchst nicht eifersüchtig zu sein.“ „Bin ich ja gar nicht.“ „Du hast auch keinen Grund dazu. Er ist nur ein Freund.“ „Hattet… ihr eigentlich mal was miteinander?“ „Nein.“ „Jetzt guck dir das an!“ „Was?“ „Da vorne.“ Soichi zeigte zur Bande. „Der ist tatsächlich bei Wang und schmeißt sich an ihn ran. Unmöglich.“ „Tja…“ „Ich möchte bloß wissen, was der an dem findet. Wang ist doch doppelt so alt wie er. „Hiroto steht eben auf ältere.“ „Ich denke, er steht auf dich? Und du bist genau so alt wie er.“ „Keine Ahnung. Ist doch auch egal. Das ist nicht unsere Sache. Hm? Was gibt Wang ihm denn da? Ist das eine Visitenkarte?“ „Ja, sieht so aus. Aber wieso…“ „Und Hiroto gibt ihm auch eine. Wie es scheint, nimmt es unser guter Wang mit der Treue nicht allzu ernst.“ „Meinst du?“ Morinaga zuckte mit den Schultern. „Und mein Vater ahnt nichts davon. Na, dem werde ich was…“ „Woher willst du wissen, dass er nichts davon ahnt? Wenn Wang ihn heimlich betrügen würde, würde er doch nicht vor unseren Augen mit einem anderen flirten. Vielleicht weiß dein Vater ja Bescheid.“ „Du tust so, als wäre das ganz normal. Findest du das etwa in Ordnung?“ „Na ja, wenn es für beide okay ist, warum nicht?“ Soichi blieb stehen. „Würdest du das auch machen? Mit einem irgendeinem dahergelaufenen Typen ist Bett gehen, obwohl du mit mir zusammen bist?“ „Natürlich nicht! Das weißt du doch.“ „Ich würde so was auch nie machen!“ Morinaga lächelte. „Du bist süß.“ „Ach…“ Soichis setzte sich wieder in Bewegung. „Ich hab keine Lust mehr. Lass uns jetzt einen Kaffee trinken.“ „Na gut.“ Wenig später saßen sie alle vier im Cafe der Eislaufhalle. Soichi und Morinaga tranken Kaffee, Kanako und Wang hatten sich heiße Schokolade bestellt. „Du, Wang“, sagte Soichi, als er seinen Kaffee ausgetrunken hatte, „können wir draußen mal kurz alleine sprechen?“ „Klar.“ Wang erhob sich und folgte Soichi vor das Cafe. „Was war das da eben mit Hiroto?“ „Du kennst ihn?“ „Ja. Er ist ein Freund von Tetsuhiro. Weiß mein Vater, dass du nebenher noch andere Geschichten laufen hast?“ „Hoho, mal langsam! Du glaubst, ich will mit Hiroto was anfangen?“ „Was war das denn sonst? Ihr habt gleich eure Visitenkarten ausgetauscht. Offensichtlicher ging’s ja wohl nicht mehr!“ Auf Wangs Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. „Du weiß doch, dass ich gebürtiger Chinese bin. Hiroto hat mir erzählt, das er Feng Shui-Meister ist. Das ist mein Bruder auch. Er ist einer von Chinas besten Meistern. Hiroto will mal mit ihm Kontakt aufnehmen. Darum habe ich ihm meine Karte gegeben.“ „Oh…“ „Aber abgesehen davon, ist der Junge wirklich ganz niedlich. Gefällt mir.“ „Also betrügst du meinen Vater doch!“ „Nein, betrügen ist das falsche Wort. Wenn uns danach ist, holen dein Vater und ich uns gerne mal einen Dritten dazu.“ „Aber ich dachte, ihr liebt euch…“ „Natürlich tun wir das. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ „Ich würde Tetsuhiro nie… betrügen. Und ihm will ich das auch nicht geraten haben!!“ „Ha, ha, ha, Junge! Wie es aussieht, kommst du in der Hinsicht mehr nach deinem Großvater.“ „Wieso?“ „Der ist schon sein ganzes Leben lang mit ein und demselben Mann zusammen, und die einzigen Menschen, die er sonst noch notgedrungen angefasst hat, waren deine Großmutter und seine erste Frau. Davon abgesehen waren sie sich immer treu. Soichi, wenn du deinem Freund keinen Grund gibst, sich nach einem anderen umzusehen, warum sollte er dich dann betrügen? Und selbst, wenn es mal passiert. Dann vertragt ihr euch einfach wieder, und alles ist in Ordnung.“ „Das könnte ich nicht!“ „Na, wenn du immer lieb zu ihm bist und ihn ab und zu ein bisschen verwöhnst – du weißt, was ich meine – dann wird er dir schon treu bleiben.“ „Wie-wie, verwöhnen?! Ich weiß überhaupt nicht, was du meinst!!“ Wang seufzte auf. War der Junge wirklich so schwer von Begriff? „Du hast sehr schöne volle Lippen. Damit kann man auch noch mehr machen, als nur zu küssen. Muss ich noch deutlicher werden?“ Soichis Gesicht wurde knallrot. „Das… meinst du doch wohl nicht im Ernst?! Das ist widerlich!! So was würde ich nie machen!!“ „Ha, ha, ha, ha!“ Wang wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel. „Ja, ja, die Jugend heutzutage… Komm, wir gehen wieder zurück. Ich möchte gleich losfahren. Ich setze dich und Tetsuhiro bei euch zuhause ab und fahre dann mit Kanako weiter zum Flughafen.“ Am nächsten Tag in der Uni. Es war kurz nach drei, und Soichi und Morinaga befanden sich, wie immer um diese Zeit in der Woche, in ihrem Labor. Morinaga sah besorgt zu seinem Freund hinüber, der ein wenig abwesend wirkte. „Wenn du dich nicht gut fühlst, geh lieber nach hause. Ich mache den Rest hier fertig und komme dann nach.“ „Nein, nein. So schlimm ist es nicht. Ich habe mich gestern wohl nur ein bisschen erkältet.“ „Ja, so wird’s sein. Als Wang und du zurück ins Cafe gekommen seid, hast du schon so fiebrig ausgesehen.“ „Das…“ „Was? Hey… du bist ja schon wieder ganz rot.“ „Das ist nur, weil hier so eine stickige Luft drin ist! Ich lüfte mal.“ Er kippte das Fenster. „Ist ganz schön kalt geworden.“ Morinaga stellte sich neben Soichi und sah in den Himmel hinauf. „Das gibt bestimmt noch Schnee. Angesagt haben sie es ja. Hattest du mit Wang gestern eigentlich noch über Hiroto gesprochen?“ „Ich glaube, du hast Recht“, sagte Soichi schnell. „Ich sollte wirklich nach hause gehen.“ „Okay.“ Morinaga schloss ihn sanft in die Arme. „Und wenn ich bei dir bin, genießen wir gemeinsam den Abend, ja? Nur wir beide...“ „Ja…“ Soichi neigte den Kopf ein wenig und ließ sich von seinem Freund einen zärtlichen Abschiedskuss geben. Auf einem der langen Flure kam ihm eine junge Studentin entgegen. „Doktor Tatsumi! Hallo!“ „Hm? Ach, du bist das. Geh weg. Ich habe dir schon mal gesagt, ich will mit eurem komischen Verein nichts zu tun haben!“ Sie lief ihm nach und wedelte mit ein paar Seiten Papier. „Aber das hat gar nichts mit einem Verein zu tun! Hier, lesen Sie sich das doch bitte nur mal kurz durch!“ Soichi riss ihr im Gehen ein Blatt aus der Hand. „Was ist das?“ „Eine Petition für eine Gesetzesänderung. Wir wollen erreichen, dass die gleichgeschlechtliche Ehe in Japan erlaubt wird. Am nächsten Wochenende demonstrieren wir in der Stadt.“ „Ich hab keinen Bock auf so einen Mist. Ich lass mich doch nicht von allen Leuten blöd begaffen. Geh alleine da hin.“ Die Studentin hatte Mühe, mit Soichis Tempo mitzuhalten. „Dann unterschreiben Sie bitte wenigstens die Petition. Bitte!“ Soichi zog einen Stift aus seinem Labormantel. „Damit du Ruhe gibst.“ Er wollte unterschreiben, hielt aber inne, als er den Namen Morinaga Tetsuhiro auf der Liste sah. Wieso stand sein Name da? Hatte er aus einem bestimmten Grund unterschrieben? Er plante doch wohl nicht etwas in der Art? Immerhin hatte er am Ende der Hochzeitsfeier so was angedeutet… Eilig setzte er seine Unterschrift auf das Blatt und gab es der Studentin zurück. „Vielen Dank, Doktor Tatsumi!“ rief sie überschwänglich. Der Weg nach hause war zwar nicht weit, aber Soichi hatte einen kräftigen Muskelkater vom Vortag, und der machte sich jetzt bemerkbar. Fröstelnd zog er die dicke Jacke dichter an den Körper. In den Gärten der Häuser war hier und da bunte Weihnachtsdekoration mit blinkenden Lichtern aufgebaut. Der Winterhimmel wurde von Minute zu Minute dunkler, und bald schwebten vereinzelte weiße Flocken auf ihn herunter. ‚Hoffentlich ist Tetsuhiro zuhause, bevor es richtig losgeht’, dachte er, als er an ihrer Wohnung angekommen war. ‚Ich brauche jetzt erstmal einen heißen Tee oder so was.’ Er schüttelte den Schnee ab und trat ein. „Na, du?“ sagte er, als ihm die kleine weiße Katze, die Sayako ihnen nach der Hochzeit mitgegeben hatte, zur Begrüßung miauend um die Beine streifte. Er stellte der Katze etwas zu fressen hin und ging in die Küche. ‚Wo hat er den Tee?’ überlegte er und öffnete einige Schränke. Bis auf ein paar große Kaffeebecher fand er aber nichts. Er nahm einen heraus. Sein Blick fiel auf die Fensterbank, auf die Morinaga einige Töpfe mit Küchenkräutern gestellt hatte. Prüfend rieb er nacheinander an den Blättern der verschiedenen Pflanzen und roch daran. „Ah, Pfefferminze“, sagte er, als er beim letzten Topf angelangt war. Großzügig rupfte er ein paar Zweige ab und tat sie in den Becher. Er füllte ihn bis zum Rand mit Wasser und stellte das Ganze in die Mikrowelle. ‚Wie geht das?’ Soichi besah sich die Knöpfe an dem Gerät und kam zu dem Schluss, dass der große rote der richtige sein musste. Er drückte drauf. Ja, es funktionierte, die Mikrowelle war an. ‚Na bitte. Ich weiß gar nicht, warum sich Tetsuhiro so anstellt. Kochen ist doch ganz einfach.’ Als Morinaga eine Stunde später die Wohnungstür aufschloss, fiel ihm gleich der ungewöhnliche Geruch auf, der ihm entgegenströmte. Hatte Soichi eine Duftkerze angezündet? Nein, das passte nicht zu ihm. Hiroto wäre schon eher der Typ dafür. Aber was… „Soichi?“ fragte er. „Ich bin im Wohnzimmer.“ Morinaga stellte in der Küche zwei voll bepackte Tüten auf dem Tisch ab. „Das ist vielleicht ein Wetter! Ich war noch schnell einkaufen auf dem Rückweg. Ich hab uns frischen Tintenfisch vom Markt mitgebracht. Den magst du doch so gerne. Ich brate ihn uns heute Abend.“ „Oh ja…“, kam es aus dem Wohnzimmer. Nanu? Wie redete er denn? So ganz anders als sonst… „Du, wonach riecht es denn hier?“ „Hm? Ich hab mir einen Tee gemacht“, flötete Soichi. „Hast du der Katze was zu fressen gegeben?“ „Ja…“ „Gut.“ Morinagas sah hinüber zur Fensterbank. Na, von dem Strauch Katzenminze war ja schon die Hälfte weg. Scheinbar hatte die Katze Gefallen an der Pflanze gefunden. Zufrieden ging er ins Wohnzimmer. Soichi saß, in eine riesige dunkelgraue Wolldecke gehüllt, auf dem Sofa, und nur sein Kopf war zu sehen. Den Zopf hatte er aufgelöst, und seine silbrigen Haare hingen ihm in langen Strähnen an den Seiten herunter. Der Anblick erinnerte Morinaga an den Fujiyama, wie er sich mächtig und grau gegen den Himmel erhob mit seiner schneebedeckten Spitze. Auch die Katze steckte den Kopf aus dem Wolldeckenberg und rieb sich an Soichis Hals. „Mir ist kalt…“, jammerte er. „Ich hab mir schon die Katze geholt, aber das nützt nicht viel.“ „Soll ich dir… äh… eine Wärmflasche machen?“ fragte Morinaga. Sein Freund verwirrte ihn mit seinem Benehmen völlig. „Nein… Kommst du her? Ich will mit dir kuscheln…“ „Ah… ja.“ Er setzte sich neben ihn, und Soichi legte die Decke auch um ihn. Beleidigt wegen der plötzlichen Störung sprang die Katze vom Sofa und lief in ein anderes Zimmer. „Das ist schön…“ „Hauch mich mal an.“ „Hm?“ „Hauch mich an. Du hast Alkohol getrunken, oder?“ „Ich… will dich nicht anhauchen… ich will...“ Und ohne Vorwarnung packte er Morinaga und begann, ihn wild zu küssen. Morinaga, der jetzt vollends verblüfft war, stimmte nach dem ersten Schrecken in den Kuss mit ein. Soichi leckte gierig durch seinen Mund, spielte mit der Zunge des anderen, es war einfach unbeschreiblich! So küsste er selbst ihn oft, aber noch nie war Soichi derart forsch rangegangen. Nach Alkohol schmeckte sein Kuss zwar nicht, aber dafür war da irgendetwas anderes, unbekanntes… Soichi lehnte sich zurück und lächelte ihn selig an. „Findest du eigentlich, dass ich lieb zu dir bin?“ „Öhm… ja, du bist sehr lieb.“ „Willst du mich heiraten?“ „Was?!“ „Du hast doch die Petition unterschrieben.“ „Ach, das meinst du.“ „Ja. Hast du das gemacht, weil du mich heiraten willst?“ „Also… ich habe das gemacht, weil ich für dieses Gesetz bin.“ „Oooch…“ Soichi kuschelte sich wieder an ihn. „Und ich habe gedacht, du willst…“ „Sag mal, was ist los mit dir?“ Mit großen Augen sah Soichi ihn an. Seine Pupillen waren seltsam geweitet. „Gar nichts…“ „Hast du Drogen genommen?“ „Nein…“ Soichi schob eine Hand unter Morinagas Pullover und fingerte an einer seiner Brustwarzen herum. „Aah…“ „Duuu? Ich will auch mal das machen, was du immer machst“, säuselte Soichi verträumt. Morinaga ahnte Böses. „Was… ich immer mache?“ „Ja… du weißt schon…“ Lasziv leckte er sich mit der Zungenspitze über die Oberlippe. Er warf die Decke beiseite und drückte Morinaga runter aufs Sofa. Auf allen vieren hockte er über ihm und schob seinem Freund den Pullover hoch. Fest biss er ihm in die Brustwarze. „Aua!! Nicht so doll!“ „Entschuldigung… Hab ich dir wehgetan?“ „Ja. Aber, Soichi, ich will nicht, dass du es machst. Okay?“ „Warum denn nicht?“ fragte er enttäuscht. „Das findest du bestimmt toll. Ich mag das auch immer, wenn du das bei mir machst…“ Morinaga streichelte ihm über den Kopf. „Ja, du magst das. Aber ich nicht. Komm, wir gehen ins Bett, und dann mache ich…“ „Liegen bleiben!“ Soichi drückte ihn entschlossen zurück. „Ich will das jetzt aber machen!“ Er wandte sich wieder der Brustwarze zu und zog nebenher den Reißverschluss von Morinagas Jeans auf. Seine Zunge wanderte tiefer, umkreiste den Bauchnabel. Noch tiefer… und augenblicklich wurde Morinaga klar, was Soichi wirklich mit ihm vorhatte. „Aaaah…!“ stöhnte er laut auf, als Soichi sein Ziel erreicht hatte. Seine weichen, sinnlichen Lippen und seine warme Zunge, dazu die Berührungen seiner geschickten Hände, das alles zusammen war einfach zu schön, um wahr zu sein. Für einen kurzen Moment kam Morinaga der Gedanke, ihn davon abzuhalten, denn ganz offensichtlich war er nicht Herr seiner Sinne. Doch dieser Gedanke war so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war. „Aaah… gut so… jaaa…!“ Auch seine eigenen Hände fassten nach unten und streichelten über Soichis Haare. „Jetzt… hör auf, sonst…“, warnte er ihn, aber Soichi achtete nicht auf seine Worte und machte unbeirrt weiter. „Soichi, nicht… gleich… haaah!“ Sein ganzer Körper zuckte zusammen. „Soichi…“ Benommen griff er nach einer Packung Papiertücher, die neben dem Sofa lag und hielt sie seinem Freund hin. „Hier.“ Soichi schüttelte den Kopf. „Brauch ich nicht.“ „Ah… okay…“ Er ließ die Tücher fallen. Soichi legte sich wieder auf ihn. „Hm… das schmeckt komisch… Hier oben schmeckst du besser.“ Erneut drückte er Morinagas Lippen auseinander und schob seine Zunge hinein, woraufhin ein weiterer intensiver Kuss folgte. „Hat dir das gefallen?“ „Was für eine Frage. Natürlich.“ „Und du wolltest erst nicht…“ „Ich hatte erst an etwas anderes gedacht.“ „An was denn?“ „Ach, ist doch egal.“ „Okay… Duuu, Tetsuhiro?“ Morinaga legte seine Arme um ihn. „Ja?“ „Jetzt darfst du mich aber auch nie betrügen!“ „Wieso sollte ich dich betrügen? Du weißt doch, dass ich das nie tun würde.“ „Ja…“ Soichi gähnte und schloss die Augen. „Ich liebe dich…“ „Ich liebe dich auch.“ Aber das hörte Soichi schon nicht mehr, denn er war eingeschlafen. Behutsam erhob sich Morinaga und ließ Soichi auf dem Sofa liegen. Vorsichtig, um ihn nicht aufzuwecken, legte er die Wolldecke wieder über ihn. Ihm kam das gerade erlebte wie ein Traum vor. Was war nur in Soichi gefahren, das ihn das hatte tun lassen? Morinaga ging in die Küche. So, wie er Soichi kannte, würde er in ein paar Stunden wieder wach sein. Sicher hatte er dann Hunger. Also würde er sich schon mal daran machen, das Abendessen vorzubereiten. Neben dem Herd entdeckte er den leeren Becher und die dünnen Zweige und Blätter darin. Er roch an dem, was vom Tee übrig geblieben war, sah zur Fensterbank hinüber, dann wieder in den Becher. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Oh, Soichi…“ Zwei Stunden später wurde Soichi vom Duft des Essens geweckt. Er streckte sich genüsslich, der Schlaf war sehr erholsam gewesen. Wie? Er lag auf dem Sofa? Aber warum… Langsam und glasklar kam die Erinnerung zurück. Sein Herz begann zu rasen. Soichi hörte Schritte, Morinaga kam ins Wohnzimmer. Er zog die Decke über den Kopf. Nein, jetzt in diesem Moment würde er ihm nicht in die Augen blicken können. Was hatte er nur getan? „Hallo, mein Schatz!“ Soichi tat, als hätte er nichts gehört. Morinaga setzte sich zu ihm aufs Sofa. „Na, wach?“ Er zog die Decke von seinem Kopf. „Sieh mich nicht an!!“ „Ah…“ Morinaga streichelte über seine Wange. „Es braucht dir nicht peinlich zu sein.“ „Ist es aber!!“ Er setzte sich auf. „Ich weiß auch gar nicht, warum ich das gemacht habe!!“ „Aber ich.“ „Ja?! Hast du mir wieder irgendwelche Drogen gegeben, damit ich das mache?!“ „Nicht direkt. Es war der Kräutertee, den du dir aufgebrüht hast.“ „Wieso?! Das war ganz normaler Pfefferminztee!!“ „Das war Katzenminze. Du warst richtig high.“ „Du…! Das hast du extra gemacht!!“ „Wie bitte?“ „Du hast mich gestern in diese Eishalle geschleppt, damit ich mich erkälte…“ „Kanako hatte die Idee. Dass wir zum Eislaufen gehen, meine ich.“ „… und dann hast du diese Drogenpflanze gekauft und auf die Fensterbank gestellt, weil du wusstest, dass ich mir daraus einen Tee machen würde!!“ „Das war nun wirklich nicht vorauszusehen.“ „Ich hasse dich!!“ Morinaga drückte ihm liebevoll einen Kuss auf den Mund. „Nein, du hasst mich nicht.“ „Warum hast mich nicht zurückgehalten?“ „Du warst so in Fahrt, da hatte ich keine Chance. Was hättest du denn in meiner Situation getan?“ Soichi drehte den Kopf zur Seite. „Steh schon auf. Du hast doch bestimmt Hunger. Es gibt gebratenen Tintenfisch.“ Er seufzte leise und legte die Arme um seinen Freund. „Das war das schönste Geschenk, das du mir machen konntest. Ich liebe dich. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr.“ „Sei doch endlich still.“ Morinaga nickte ergeben. „Nur eins noch. Fröhliche Weihnachten, Soichi.“ Es dauerte einen Moment, bis sich Soichi überwand und auch seine Arme um ihn legte. „Fröhliche Weihnachten, Tetsuhiro.“ Ende Bonus-Kapitel 2 ist in Arbeit… Ist doch länger geworden, als ich dachte. ^_^ Wah, der reinste Schnuffi-Fluff! Puh, da ist Morinaga ja noch mal davongekommen! Und er dachte schon, dass Soichi… nein, was für eine Vorstellung! Ob das nächste Kapitel auch so glimpflich für ihn ausgeht? XD Hey, sooo OOC war Soichi in diesem Kapitel eigentlich gar nicht… vom Rausch mal abgesehen. XD Ach, Soichi ist doch am besten, wenn er richtig zickig ist! XD Ich habe im 5. Kapitel angekündigt, dass dieses Bonus-Kapitel hier unrealistisch wird. Aber ich habe mich inzwischen im Internet schlau gemacht und gelesen, dass Katzenminze auch beim Menschen euphorisierend wirken kann. Also ist das Kapitel hier doch nicht so unrealistisch. Ich habe selber mal ein Blatt probiert. Schmeckt wie Gras (ich meine nicht Haschisch, sondern richtigen Rasen XD). Hatte aber keine Wirkung. Kapitel 7: BONUS-KAPITEL 2: Soichi vs. Morinaga ----------------------------------------------- Autor: DJ Vierauge Titel: „SOICHI VS. MORINAGA“ (Bonus-Story zu „Das Tatsumi-Gen“) Serie: Fanfiction zur Serie „Verliebter Tyrann“ von Hinako Takanaga Pairing: Wird nicht verraten, nur soviel: Das Paar besteht aus Morinaga und Soichi. XD Genre/Warnungen: Shounen-ai/Yaoi, Lime, Romantik/Waff/Fluff, Humor, OOC (Soichi. Morinaga und Hiroto evtl. auch ein bisschen), OC, Language (= ein paar harmlose Schimpfwörter) Rating: ab 16 Jahren Disclaimer: Alle Personen sind das Eigentum von Hinako Takanaga, bis auf Yashiro, Wang und den jungen Mann, die ich komplett dazu erfunden habe. Ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte. INHALT: Kurz gesagt, Soichi will oben liegen. Wenigstens einmal! Aber Morinaga stellt sich quer. Da wird auch Soichi bockig und lässt nun seinerseits Morinaga nicht mehr ran. Wer von den beiden wird am Ende nachgeben? Prolog „Nein!“ Morinaga verschränkte die Arme vor der Brust. „Auf keinen Fall!“ „Warum denn nicht?! Ich sage ja nicht, dass ich es immer will! Nur einmal!“ „Nein! Auch nicht einmal! Das mache ich nicht!“ „Ich will aber auch mal wissen, wie sich das anfühlt! Ich weiß gar nicht, warum du dich so anstellst! Als ob das so schlimm wäre!“ „Das hat nichts mit anstellen zu tun! Ich mache es nicht, basta!“ „Du machst doch sonst auch den ganzen Frauenkram! Da kannst du auch konsequent sein, und den letzten Schritt gehen!“ „Zum letzten Mal, nein, Soichi! Außerdem habe ich dir, ich weiß nicht mehr, wie oft, gesagt, dass das nichts mit Frau oder Mann zu tun hat!“ „Als wir neulich das Regal angebaut haben, wer hat da die Löcher in die Wand gebohrt?“ „Du.“ „Und wer hat hinterher den Bohrstaub weggesaugt?“ „Ja, das war ich. Aber…“ „Vorgestern haben wir den Baum hinter dem Haus gefällt. Wer von uns hat die Kettensäge bedient? Ich!“ „Ja, und ich habe das Seil gehalten, das um den Stamm gebunden war, und in meine Richtung gezogen, damit der Baum nicht aufs Haus fällt. Was soll das jetzt eigentlich?“ „Ich führe dir nur vor Augen, dass ich sämtliche Männeraufgaben erledige. Und da ist es nur gerecht, wenn ich auch im Bett der Mann bin!“ „Jetzt hör aber auf!“ „Du kannst ruhig einmal nachgeben und es mich machen lassen! Ich übernehme ja auch ab und zu welche von deinen Aufgaben.“ „Wann soll das gewesen sein?“ „Zum Beispiel habe ich letzte Woche abends gekocht.“ „Gekocht? Du hast die Reste vom Mittagessen in der Mikrowelle aufgewärmt!“ „Ja, aber du hattest keine Lust dazu.“ „Keine Lust ist gut. Ich lag mit Schmerzen auf dem Sofa, weil ich beim Staubwischen von der Leiter gefallen bin, nachdem du dagegen gelaufen warst!“ „Was stellst du die auch mitten ins Zimmer?!“ „Du… ach, vergiss es!“ Soichi verschränkte ebenfalls die Arme. „Gut. Gut! Wenn du nicht willst, dann will ich auch nicht!“ „Was soll das heißen?“ „Ganz einfach. Wenn du mich nicht ranlassen willst, lasse ich dich auch nicht ran. So!“ „Das hältst du doch keine drei Tage aus!“ „Als ob ich so triebgesteuert wäre wie du! Ich habe es fünfundzwanzig Jahre meines Lebens ausgehalten. Da werde ich wohl ein paar Tage drauf verzichten können! Oder Wochen! Monate, Jahre meinetwegen! Mir doch egal!“ „Du bist doch jetzt nur bockig, weil ich nicht machen will, was du mir sagst!“ „Du tust sonst auch immer alles, was ich dir sage!“ „Aber nicht in dieser Sache! Wie willst du das überhaupt aushalten? Du drehst doch gleich durch, wenn du es nicht jeden Tag kriegst!“ „Nicht mein Problem! Selbst Schuld, wenn du das dann ausbaden musst!“ „Der wahre Grund, warum du das auf einmal willst, ist doch, weil mein Bruder auf der Hochzeit diesen Mist mit der Frau erzählt hat! Du lässt dich einfach viel zu sehr von anderen beeinflussen! Das war schon damals bei dir in der Schule so, als das mit diesem Jungen…“ Morinaga brach den Satz ab. „Entschuldige. Ich wollte keine alten Wunden bei dir aufreißen.“ „Du bist echt ein Idiot, weißt du das?!“ „Du sagst es mir ja oft genug!“ Er atmete ein paar Mal tief durch. „Das heißt, du willst wirklich nicht mehr mit mir schlafen?“ „Natürlich will ich mit dir schlafen! Aber erst wieder, wenn ich das bei dir gemacht habe!“ „Also erpresst du mich?“ „Nenn es, wie du willst. Außerdem hast du mich früher auch andauernd erpresst!“ Darauf wusste Morinaga keine Antwort. Ja, es stimmte, er hatte Soichi früher unter Druck gesetzt, damit gedroht, aus seinem Leben zu verschwinden, wenn er nicht zuließ, dass er mit ihm schlief. War das jetzt seine Rache? Seine Gedanken wurden von einem erneuten Redeschwall Soichis unterbrochen. „Ich will dir mal was sagen, Tetsuhiro! Du behauptest immer, dass du mich liebst! Da kannst du mir auch einmal entgegenkommen! Ich habe an Weihnachten auch was gemacht, was ich normalerweise nie getan hätte! Also habe ich sowieso noch was gut bei dir!“ „Was kann ich denn dafür, wenn du mir im Drogenrausch einen…“ Die Tür sprang auf, und ein wütender Professor Suzuki kam mit hochrotem Kopf hereingestürmt. „Aber sonst geht es Ihnen noch gut, oder wie? Doktor Tatsumi! Morinaga! Was denken Sie sich eigentlich dabei? Man hört Sie schon im Flur! Tragen Sie Ihren Beziehungsstreit gefälligst in Ihren eigenen vier Wänden aus und nicht vor der gesamten Universität!“ „Ach, Sie sind die gesamte Universität?“ fragte Soichi kampflustig. „Hören Sie auf, so frech zu sein!“ entgegnete der Professor. „Glauben Sie, ich wäre der einzige, der das mitgekriegt hat? Haben Sie unlängst mal auf den Flur gesehen?“ Mit wenigen Schritten war Soichi an der Tür und sah gerade noch, wie eine Menge von etwa dreißig kichernden Studenten auseinander stob. „Habt ihr nichts zu tun?! Los, haut ab!!“ brüllte er ihnen hinterher. „Schluss jetzt mit dem Unsinn! Ich bin hier, weil ich die Testergebnisse brauche. Sind Sie inzwischen damit fertig geworden?“ „Ja. Die liegen da drüben. Tetsuhiro, gib sie ihm.“ Morinaga nahm eine dünne Akte und gab sie dem Professor. „Bitte.“ „Es ist schon dunkel“, stellte Soichi fest, als er zum Fenster sah. „Wir machen Schluss für heute.“ Er griff nach seiner Tasche und verließ das Labor. Morinaga folgte ihm. Der Professor sah den beiden Kopf schüttelnd nach und ging in sein Büro zurück. Soichi vs. Morinaga Es waren zwei Wochen vergangen. Soichi hatte seine Drohung wahr gemacht und ließ nicht zu, dass sein Freund mit ihm schlief. Auch Morinaga hatte nicht nachgegeben. Und mit jedem weiteren Tag, der verstrich, wurde Soichi unausstehlicher. An einem verregneten Freitagnachmittag hatten sich die beiden mit Hiroto im Baumarkt verabredet. Er wollte ihnen beratend zur Seite stehen und gemeinsam mit ihnen eine passende Wandfarbe aussuchen. Soichi schob den großen Einkaufswagen vor sich her. Hiroto starrte ihn unentwegt an. „Kannst du nicht woanders hingucken? Das nervt!“ „Oh… oh, Entschuldigung. Es ist nur… du siehst… so ganz anders aus.“ „Ja, mir gefällt das auch gut.“ Soichi fuhr sich mit den Fingerspitzen über Wangen und Kinn. „Tetsuhiro musste natürlich wieder meckern.“ „Also, ich finde es eigentlich ganz schick“, meinte Hiroto. „Das ist so… richtig männlich eben!“ „Ermutige ihn nicht auch noch“, bat Morinaga. In seiner Stimme klang Verbitterung mit. Er sah zu seinem Freund hinüber. „Du siehst unmöglich aus.“ „Ach“, winkte Soichi ab. „Ich denke, du stehst auf Männer? Und Männer haben nun mal Bärte. Finde dich damit ab.“ „Das steht dir überhaupt nicht.“ „Hiroto gefällt es aber.“ „Verstehe. Du willst jetzt Hiroto gefallen“, sagte Morinaga bissig. „Hör auf mit dem Schwachsinn!“ „Kinder, Kinder, müsst ihr immerzu streiten? Wenn ich euer spirituelles Karma richtig einschätzen soll, müsst ihr schon ein bisschen ruhiger sein. Sonst kann es sein, dass ich mich in der Typisierung irre. So, wir sind gleich da.“ Die Abteilung mit den Farben war ganz in der Nähe. Sie kamen an einem Aufsteller mit Sonderangeboten vorbei, der direkt am Gang stand und auf dem etliche knallig-pinkfarbene Dekorations-Artikel platziert waren. ‚Bitte geh dran vorbei!’ betete Soichi innerlich. ‚Wag es nicht, hier stehen zu bleiben!’ „Was für ein entsetzlicher Kitsch!“ sagte Hiroto zu Soichis Überraschung, als sie den Aufsteller hinter sich gelassen hatten. In der Farbenabteilung sah sich Hiroto fachkundig um. „Aaalso“, begann er, „statt Tapeten nehmen wir nur Farbe. Das haben wir ja schon so besprochen. Dein Element ist das Wasser, Engelchen. Du brauchst ruhige Farben und klare Formen. Tatsumi, du als Feuer-Mensch bevorzugst dagegen kräftige Farbtöne, die deine subtil präsente Dominanz unterstreichen. Aber natürlich sollten deine Anteile mit sorgfältiger Zurückhaltung einfließen, um Engelchens maskuliner Yang-Energie ausgleichend entgegenzuwirken. In den Wohnräumen würde ich zu diesem und diesem hier tendieren.“ Er schwenkte zwei Eimer Farbe vor Soichis und Morinagas Augen herum. „Im Schlafzimmer hingegen ist wohl eine andere Kolorierung angebracht, da in diesem Bereich deine Yin-Beziehung vorherrscht und harmonisch eingebracht werden muss, Tatsumi. Ihr seid, aus Sicht des Feng Shui betrachtet, ein sehr schwieriges Paar. Yin und Yang sind bei euch beiden nicht klar definiert. Du, Tatsumi hast nämlich ebenfalls eine ausgeprägte Yang-Tendenz, aber dadurch, dass Engelchens Yang größer ist, wirst du automatisch zum Yin-Typ. Das muss ich selbstverständlich berücksichtigten!“ „Ich verstehe kein Wort. Und was soll der Mist mit dem größeren Yang? Weißt du eigentlich, wie pervers das klingt?“ „Ach, keine Sorge, Tatsumi. Ich mache das schon für euch. Sagt mir einfach, ob euch diese Farben hier gefallen.“ „Ja, das sieht gut aus. Was hältst du davon, Soichi?“ „Ist mir egal. Nimm, was du willst.“ „Überlegt es euch. Ich schaue mich derweil etwas um. Hach, seht mal! Da drüben gibt’s ja ganz zauberhafte Sachen!“ Hiroto lief zu einem Wühltisch mit diversem Kleinkram. „Sind diese Stroh-Engel nicht zuckersüß?“ Er kam mit einer Strohfigur zu ihnen zurück. „Das wäre doch was für dich, Engelchen! Ti-hi!“ Soichi knallte die Farbeimer in den Einkaufswagen. „Kannst du dich nicht normal benehmen?! Du bedienst wirklich jedes Klischee!! Echt, man kann sich mit dir nicht in die Öffentlichkeit trauen!!“ Hiroto warf sich Morinaga an die Brust. „Oh, Engelchen! Dein Mann ist schon wieder so böse zu mir!“ „Finger weg!!“ fuhr Soichi ihn an. „Noch ist Soichi ja nicht mein Mann.“ „Abwarten, Engelchen, abwarten. Vielleicht geht das mit dem neuen Gesetz schneller, als wir es uns vorstellen. Mit der Demo vor einem Monat haben wir einiges aufgerüttelt. War übrigens echt klasse von dir, dass du doch mitgemacht hast, Tatsumi!“ „Das war nur, weil du deine Finger nicht von Tetsuhiro lassen kannst, wenn du mit ihm alleine bist!“ „Jaaa, jaaa.“ Hiroto seufzte auf. „Keine Sorge, ich werde dir deinen Mann schon nicht ausspannen.“ „Tetsuhiro ist nicht mein Mann!!“ Morinaga zuckte zusammen. „Soichi…“ Ein Verkäufer kam auf sie zu. Groß, muskulös, markante Gesichtszüge, Mitte dreißig, ein Bild von einem Mann. „Guten Tag. Kann ich Ihnen weiterhelfen?“ Soichi trat dicht neben Hiroto. „Reiß dich bloß zusammen!“ zischte er in sein Ohr. „Wir… oh…“, Hirotos Wangen röteten sich, „… suchen noch nach dem richtigen Farbton. Ich würde ja zu gerne Ihre Hilfe in Anspruch nehmen, aber ich fürchte, wir kommen schon alleine klar.“ „Na ja, dann…“ Der Verkäufer kratzte sich verlegen am Kopf. „Ich brauche einen 18mm SDS-max-Bohrer mit passender Arretierhülse und einen neuen Flachmeißel“, sagte Soichi trocken. „Für welches Modell denn?“ „Bohrhammer ‚Bloke-Helper-10000’ von Nippon’s Pride.“ „Oh, da muss ich mal sehen, ob wir das da haben.“ „Ich komme mit. Sagen Sie, gibt es hier auch Äxte?“ „Selbstverständlich. Bitte hier entlang.“ Soichi verschwand mit dem Verkäufer. „Bohrhammer? Ich hab gerade mal so einen kleinen Akku-Schrauber bei mir zuhause, und nicht mal damit komme ich klar. Tse!“ Hiroto ließ den Stroh-Engel in den Einkaufswagen fallen. Morinaga stellte ein paar weitere Farbeimer dazu. „Ich weiß auch nicht, was er an diesen Dingern findet. Bohrmaschinen, Motorsägen, Maschinengewehre…“ „Huh, ein richtiger Mann eben! So, ich bin noch mal da drüben.“ Hiroto ging wieder zum Wühltisch. „Hier! Das braucht ihr!“ Er zog zwei Handtücher aus dem Berg von Waren. Eines war blau mit einem eingestickten ‚Er’, das andere rosa mit einem ‚Sie’ darauf. „Genau das richtige für ein junges Paar, das frisch zusammengezogen ist.“ „Ja, mach das mal“, sagte Morinaga ironisch. „Häng Soichi ruhig so ein rosa Ding hin. Viel Spaß dabei. Ich will dann aber nicht in Reichweite sein.“ „Engelchen, Engelchen. Ihr nehmt natürlich nur welche von den blauen.“ Er warf das ‚Sie’-Tuch zurück auf den Tisch. „Guck, die werden einzeln verkauft, und im Angebot sind sie außerdem.“ „Also, wir haben wirklich nicht genügend Handtücher…“ „Siehst du.“ „Okay, dann pack bitte zehn Stück ein.“ Hiroto suchte zehn blaue ‚Er’-Handtücher heraus und legte sie auf die Farbeimer. „Sag mal, Engelchen, wieso ist er denn heute so schlecht drauf? In den letzten Monaten war er doch immer recht freundlich, schon fast richtig nett.“ „Ach, er hat da so eine fixe Idee. Ich will nicht darüber sprechen.“ „Oh-oh, was höre ich da? Habt ihr etwa Beziehungsprobleme?“ „Nein.“ „Rück schon raus mit der Sprache. Mir kannst du’s doch sagen, Engelchen!“ Morinaga sah seinen besten Freund gerade heraus an. „Er will mit mir schlafen.“ „Und?“ „Du verstehst nicht. Er will es machen.“ „Huch?“ „Und jetzt lässt er mich nicht mehr ran. Er sagt, ich darf erst wieder, wenn er einmal drangekommen ist.“ „Nein, so was…“ „Er meint, nur weil er einen Baum gefällt hat, kann er mich genauso flachlegen. Weißt du, er ist völlig besessen von dieser Mann-Frau-Sache. Deswegen lässt er sich jetzt auch diesen Bart stehen.“ „Wie meinst du das denn?“ „Na ja. Als wir auf der Hochzeit meines Bruders waren, hat er Soichi als meine Frau bezeichnet.“ „Uups.“ „Kunihiro hat das natürlich nur als Witz gemeint. Aber Soichi hat sich das wohl mehr zu Herzen genommen, als ich erst dachte.“ „Oje… was machen wir denn da?“ „Wenn ich das wüsste…“ „Trotzdem. Das ist kein Grund, ihn ranzulassen. Wenn du es nicht möchtest, solltest du dich nicht von ihm dazu zwingen lassen.“ Hiroto machte eine Pause. „Engelchen?“ „Ja?“ „Hast du das überhaupt schon mal gemacht?“ Morinaga wurde rot. „Nein.“ „Also war er demnach nie aktiv? Du hast doch erzählt, dass du der einzige bist, mit dem er jemals geschlafen hat.“ „Ja, richtig. Er behauptet zwar, er will es nur mal ausprobieren, will wissen, wie es sich anfühlt. Aber ich glaube, dass er – vielleicht nur unbewusst – Angst hat, als Frau oder zumindest als unmännlich zu gelten, wenn er nicht selbst mal oben war. Was natürlich absoluter Schwachsinn ist.“ „Da hast du Recht, das ist wirklich Schwachsinn! Tatsumi eine Frau… nein, was für ein Gedanke! Der hat soviel Testosteron in sich, damit macht er glatt seinem Vater Konkurrenz!“ „Äh… woher kennst du seinen Vater?“ „Ach… ich habe an dem Tag, an dem wir uns beim Eislaufen getroffen hatten, noch abends bei Wang angerufen. Wegen seines Bruders. Also… wir haben eine ganze Zeit telefoniert, und er hat mich irgendwann gefragt, ob ich Weihnachten schon was vor hätte… na ja. Da kam halt eins zum anderen.“ „Hiroto, du hast doch nicht etwa…“ „Genau. Ich habe einen sehr schönen Abend mit Wang und Tatsumis Vater verbracht.“ „Nein. Das ist jetzt ein Scherz.“ „Das ist die reine Wahrheit, Engelchen!“ „Habt ihr nur gefeiert oder…“ „Hör endlich auf, wie ein unschuldiger Engel zu denken. Tse, tse, tse! Willst du die Details hören? Oder reicht es, wenn ich dir sage, dass ich an den folgenden Tagen nicht richtig sitzen konnte? Ich sage dir, wenn so ein 130 Kilo-Mann erst mal loslegt… o lala!“ Er fächelte sich mit der Hand Luft zu. „Da gibt’s kein Entkommen! Und Tatsumis Vater erst, wow… Unerbittlich wie ein wildes Tier! Also, wenn sein Sohn genauso drauf ist, dann gnade dir Gott, Engelchen!“ „Oh, Hiroto…“ Morinaga lachte auf. „Erzähl Soichi besser nichts davon. Sonst regt er sich nur wieder unnötig auf.“ „Werde ich nicht, Engelchen, werde ich nicht.“ „Soll ich dir mal sagen, was er an Weihnachten mit mir gemacht hat?“ Morinaga flüsterte ihm etwas ins Ohr. „Neeein! Echt? A-ha-ha-ha-ha-ha! Wie herrlich! Hey,“ Hiroto hatte auf einmal eine Idee, „wenn er nicht nachgibt und du auch nicht dazu bereit bist, wie wär’s, wenn wir ihn ein bisschen eifersüchtig machen? Du sagst ihm, dass du genug von seiner Zickerei hast und mit deinem lieben Freund Hiroto ins Bett steigst, wenn er so weitermacht.“ „Na, ob er das glaubt? Er weiß doch genau, dass ich das nie tun würde.“ „Oh, da kommt er wieder“, sagte Hiroto leise. „Was will er denn mit diesem Mordinstrument?“ Eine blitzende Axt über der Schulter kam Soichi auf sie zu. Er legte sie und ein paar Zubehörteile für die Bohrmaschine in den Einkaufswagen. „So. Ich hätte dann alles. Endlich kann ich Brennholz aus dem Baum machen.“ „Wozu braucht ihr denn das ganze Holz? Ihr habt doch gar keinen Kamin.“ „Wir lassen uns einen einbauen“, erklärte Morinaga. „Nächste Woche kommen die Handwerker.“ „Seid ihr mit der Farbe fertig?“ unterbrach Soichi das Gespräch. „Ja. Wir nehmen die, die Hiroto für uns ausgesucht hat.“ „Okay. Dann gehen wir jetzt zur Kasse.“ Als sie wenig später vor der Haustür standen, meinte Soichi: „Sag mal, hast du nicht deinen Kochkurs heute Abend?“ „Ach ja“, fiel es Morinaga ein. „Daran hatte ich gar nicht gedacht. Hm… eigentlich habe ich gar keine Lust, dahin zu gehen. Ich bin der einzige Mann da. Die anderen sind alle frisch verheiratete Frauen oder welche, die sich gerade verlobt haben.“ „Aber seit du den Kurs machst, kochst du viel besser.“ „Findest du wirklich?“ fragte Morinaga strahlend. „Ja.“ „Oh, Engelchen, wenn das mal kein Kompliment ist!“ „Richtig, du bist ja auch noch da“, sagte Soichi mit einem Seitenblick auf Hiroto. „Ihr habt doch nichts dagegen, wenn ich jetzt dahin gehe?“ „Nein, nein, geh nur, Engelchen. Ich helfe noch, die Farbe in die Wohnung zu bringen.“ „Das kann ich auch alleine.“ Soichi schloss die Tür auf. „Danke, Hiroto, das ist echt lieb von dir. Okay, ich geh dann mal. Tschüß!“ Er drückte Soichi einen Abschiedskuss auf den Mund. „Ich sehe zu, dass ich schnell wieder da bin. Also, bis gleich.“ „Ja, bis gleich. Du, bring auf dem Rückweg doch noch Bier mit. Das haben wir vorhin vergessen.“ Morinaga, der schon auf der Treppe nach unten war, drehte sich um. „Sonst noch was?!“ „Zigaretten sind auch fast keine mehr da.“ „Okay…“, grummelte er. Soichi und Hiroto trugen die Einkäufe in die Wohnung. „Danke für deine Hilfe“, sagte Soichi endlich. „Willst du ein Bier?“ „Ja, bitte.“ „Setz dich schon mal ins Wohnzimmer. Ich komme gleich.“ Hiroto nahm auf dem Sofa Platz. Die Katze, die in der Sofaecke lag, streckte sich und sah ihn müde an. Soichi kam mit zwei geöffneten Bierdosen aus der Küche, setzte sich dazu und reichte Hiroto eine. „Vielen Dank. Äh…“ „Was ist?“ „Könnte ich bitte ein Glas haben?“ „Ein Glas?“ wunderte sich Soichi. „Ja… klar.“ Er holte Hiroto das Gewünschte. „Dankeschön. Ich trink halt nicht so gerne direkt aus der Dose oder aus der Flasche.“ „Kein Problem.“ Soichi sah zu, wie Hiroto sich das Bier eingoss, anmutig in seinen Bewegungen, den kleinen Finger abgespreizt… ‚Weibisches Getue’, dachte er, ließ sich aber nichts anmerken. „Du, Tatsumi, Engelchen hat mir von eurer kleinen Meinungsverschiedenheit berichtet.“ Sofort war Soichi klar, von was die Rede war. „Wieso erzählt der so was?!“ „Immer mit der Ruhe. Ich wollte dir nur sagen, dass er das nicht ewig mitmachen wird.“ „Was?“ „Es wäre echt schade, wenn ihr euch trennen würdet. Und dann wegen so einer albernen Sache. Ihr seid nämlich ein wunderbares Paar. Beneidenswert.“ „Wie kommst du darauf? Wieso sollten wir uns denn trennen? Hat Tetsuhiro irgendwas gesagt?“ „Nein, nein. Ich meine ja nur. Wenn das so weitergeht, sehe ich schwarz für eure Zukunft.“ „Drück dich klar aus.“ „Nun gut. Du drängst ihm ständig Dinge auf, die ihm gegen den Strich gehen. Zum Beispiel dein Bart. Mir gefällt das ja, aber Engelchen fährt absolut nicht drauf ab. Also tu ihm den Gefallen und rasier dich. Und dass er sich von dir besteigen lassen soll, vergiss am besten auch ganz schnell wieder.“ „Das ist doch…“ „Hör mal. Du hast mir vorhin im Baumarkt gesagt, ich solle mich normal benehmen. Aber genau das tue ich. Ich bin nun mal so. Na und? Warum soll ich mich verstellen?“ Hiroto schlug die Beine übereinander. „So, kommen wir zu dir. Du stehst drauf, wenn Engelchen dir im Bett sagt, wo’s langgeht. Aber anstatt das zuzugeben, redest du dir ein, das wäre unmännlich. Dummes Zeug. Im Übrigen ist es gar nicht so besonders toll, oben zu sein.“ „Woher willst du das denn wissen?“ fragte Soichi spöttisch. „Woher schon? Ich mache es öfter mal.“ „Du?“ „Ja. Ist das so schockierend?“ Soichi antwortete nicht. Wenn sogar Hiroto es gemacht hatte… „Ist dir überhaupt klar, was für eine vertrauensvolle Beziehung ihr beiden führt? Du lässt dich ihm gegenüber völlig fallen, wenn ihr miteinander schlaft. Das kann man nur, wenn man dem anderen absolut vertraut.“ „Das heißt also, dass er mir nicht vertraut? Warum sträubt er sich dann so dagegen?“ „Falsch. Er vertraut dir. Meinst du, er hätte dich das an Weihnachten sonst machen lassen?“ Soichi verschüttete vor Schreck fast sein Bier. „Über was unterhaltet ihr euch eigentlich, wenn ich nicht dabei bin?!“ Hiroto zuckte nur mit den Schultern und redete weiter. „Daran siehst du, dass er dir vertraut. Jedenfalls solltest du deine Gefühle und Vorlieben akzeptieren und sie ausleben. Nur so wird man im Leben glücklich. Also halte Engelchen nicht noch länger hin. Diese Enthaltsamkeit tut euch beiden nicht gut.“ „Ja…“ Soichi nickte. „Ich denke, heute oder morgen wird sich alles von alleine regeln.“ „Und wie?“ „Ich weiß jetzt, wie ich die Sache abkürzen kann. Du hast mich mit dem Rasieren auf eine gute Idee gebracht.“ „Was meinst du?“ Soichi lächelte nur verschwörerisch und trank sein Bier aus. „Das kann dir Tetsuhiro dann ja hinterher erzählen. Ich kriege, was ich will.“ Als Morinaga am frühen Abend wiederkam, öffnete ihm ein frisch rasierter Soichi die Tür. „Oh, danke. Ohne Bart gefällst du mir doch am besten. Hier.“ Er hielt eine Tüte in der Hand. „Ich habe uns unser Abendessen mitgebracht. Das, was wir heute gekocht haben.“ „Was ist es denn?“ „Ich packe es gleich aus. Zigaretten und Bier hab ich auch gekauft.“ Sie gingen in die Küche, und Morinaga nahm zwei große, mit Gemüse gefüllte Teigtaschen aus der Tüte und legte sie auf zwei Teller. „Genau gesagt, haben wir es gebacken.“ Soichi probierte. „Mmh, gut. Scharf.“ „Zu scharf?“ „Nein, genau richtig.“ „Prima.“ Er fing selber an zu essen und ließ sich dabei noch einmal genau durch den Kopf gehen, was er für diesen Abend geplant hatte. Wenn sein Freund nicht freiwillig auf ihn zukam, musste er eben seine ganzen Verführungskünste einsetzen, um ihn rumzukriegen. Er hatte ja schon vor ein paar Wochen eine Überraschung für ihn vorbereitet, und damit wollte er nun keinen Tag länger warten. „Weißt du, ich habe keine Lust mehr auf dieses Spiel“, sagte Soichi, als sein Teller leer war. „Ich will wieder mit dir schlafen.“ „Das freut mich.“ Morinaga lächelte. „Ich wusste, dass du zur Vernunft kommen würdest.“ Soichi lächelte auch, aber auf eine andere Weise. „Du magst doch meine Haare.“ Er zog sich das Haarband ab und fuhr mit den Fingern durch die langen Strähnen. „Wäre schade, wenn ich sie abschneiden würde, oder?“ Morinaga hatte verstanden. Oh, dieser verdammte Mistkerl. „Kurze Haare sind sowieso viel praktischer. Sie müssen nicht so lange trocknen, und man verbraucht nicht soviel Shampoo. Ich könnte sie natürlich dranlassen. Schließlich weiß ich ja, wie viel dir daran liegt. Ich tue dir gerne diesen Gefallen.“ Sein Lächeln wurde noch sanfter. „Wenn du mir dafür auch einen Gefallen tust.“ Morinaga stand auf und schüttelte den Kopf. „Dass du zu solchen Mitteln greifst…“ Auch Soichi erhob sich. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. „Andere Mittel wirken bei dir ja nicht!“ Wortlos ging Morinaga ins Wohnzimmer. Er ließ sich in einen Sessel sinken und blickte zur Decke hinauf. Was sollte er jetzt machen? Eine Minute verging. Dann kam Soichi zu ihm. Langsam setzte er sich auf die Armlehne des Sessels und streckte seine Hand aus. Er drehte sie, und kurze Stücke silberweißen Haars fielen zu Boden. „Was hast du gemacht?!“ schrie Morinaga ihn an. „Das waren die ersten fünf Zentimeter. Damit du siehst, dass ich es ernst meine. Morgen folgen die nächsten. Und übermorgen. Solange, bis nichts mehr da ist. Bis ich eine Glatze habe.“ „Nein!“ „Doch.“ „Das ist Erpressung!“ „Ist mir egal.“ Soichi stand auf. „Ich nehme jetzt ein Bad. Du kannst dir ja in der Zwischenzeit überlegen, was dir meine Haare wert sind.“ Entgeistert sah Morinaga ihm nach, bis er die Badezimmertür hinter sich geschlossen hatte. Er griff nach den Haaren, die auf dem Teppich lagen. So weich und zart. Wie sehr er Soichis wunderschönes langes Haar liebte… Er holte einen Handfeger und kehrte die Haare zusammen. In der Küche warf er sie in den Mülleimer. ‚Hier hat er die ja auch alle verteilt’, dachte er verärgert, als er den Küchenboden näher betrachtete. Während er dort auch saubermachte, überlegte er krampfhaft. Soichi hatte fraglos alle Trümpfe in der Hand. Dann war es jetzt also soweit. Zufrieden streckte Soichi sich im heißen Badewasser aus. Ach, war das erholsam… Erst dieses großartige Essen, jetzt dieses Bad. Und dann das, was noch folgen würde. Irgendwo in der Wohnung knallte plötzlich etwas. Kurz darauf ging die Tür auf, und Morinaga kam herein. „Was war denn da eben so laut?“ „Das hier. Den habe ich vorhin gekauft.“ Morinaga hielt eine frisch geöffnete Flasche Champagner und zwei Sektgläser in den Händen. Er stellte sie auf den Boden vor der Wanne, schloss die Tür und begann, sich zu auszuziehen. „Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mitbade?“ „Nein. Komm nur. Eine gute Idee. Es wird dir helfen, dich nachher zu entspannen.“ Morinaga stieg zu ihm in die Wanne. „Wenn du meinst.“ „Keine Sorge, ich werde ganz vorsichtig sein.“ „Ja, das weiß ich doch. So, jetzt wollen wir uns erst einmal was Schönes gönnen.“ Er drückte Soichi ein Glas in die Hand, nahm sich das andere und schenkte ihnen beiden Champagner ein. „Kanpai!“ Er stieß mit ihm an. Soichi betrachtete skeptisch das halb gefüllte Sektglas. „Ist da was drin? Irgendwas, um mich lahm zu legen?“ „Nur reiner Champagner.“ „Ich glaube dir nicht. Vor ein paar Minuten warst du noch sauer auf mich, und jetzt kommst du hier mit so was an.“ „Ich will nur eine stimmungsvolle Atmosphäre schaffen.“ „Trink du zuerst.“ „Sicher.“ Morinaga leerte das Glas. „Siehst du?“ Er schenkte sich nach. Soichi setzte das Glas an, überlegte es sich aber doch anders. „Dann ist was am Glas. Du hast da vorher etwas rein getan. Lass uns tauschen.“ Er schnappte sich Morinagas Glas und gab ihm dafür seins. „Von mir aus.“ „Los, trink!“ „Mein lieber Soichi. Es ist nur Champagner. Und am Glas ist auch nichts. Ehrlich.“ „Also gut.“ Soichi trank das Glas in einem Zug aus und ließ sich nachschenken. „Komm her zu mir.“ Schweigend setzte sich Soichi mit dem Rücken zu Morinaga und lehnte sich an ihn. Nein, hier stimmte etwas ganz und gar nicht. Oder war es tatsächlich so, dass sein Freund nur eine schöne Stimmung zaubern wollte? Morinaga fasste nach vorne und liebkoste die gepiercte Brustwarze. „Tetsuhiro…“ „Gefällt dir das nicht?“ Er trank den Champagner aus. „Willst du nicht auch das zweite Glas trinken?“ „Ja…“ Soichi stellte das geleerte Glas neben die Wanne. Morinaga tat es ihm gleich und griff nach dem Shampoo, das am Badewannenrand stand. „Soll ich dir die Haare waschen?“ „Ja.“ Soichi tauchte seinen Hinterkopf in das Wasser. Morinaga hob ihn sanft an und schäumte seine Haare ein. Dabei bemühte er sich, Soichis Kopfhaut gleichmäßig zu massieren. „Gut so? Ist angenehm, oder?“ „Aah… mach gleich am Rücken weiter.“ „Gerne.“ Morinaga spülte Soichis Haare aus und wandte sich erst seinen Schultern, dann seinem Rücken zu. „Aaah… fantastisch. Das solltest du viel öfter machen. Hmmm…“ „Schön, dass es dir gefällt. Ich schneide dir die Haare morgen wieder gerade.“ „Wieso, habe ich sie schief abgeschnitten?“ „Ja, etwas.“ Während er weitermassierte, küsste er sanft seinen Hals, leckte über seine nasse Haut und spürte, wie Soichis Herzschlag allmählich schneller wurde. Sehr gut, jetzt war Soichi soweit. Er zog ihn wieder dicht an sich. Mit den Fingern der linken Hand spielte er erneut an dem Piercing, intensiver diesmal, genau, wie Soichi es mochte, die rechte ruhte auf seinem Bauch. „Tetsuhiro…“, hauchte er und reckte seinen Kopf weit zurück, woraufhin Morinaga seinen Hals noch leidenschaftlicher küsste. Soichi fasste hinter sich, in Morinagas Haare, stöhnte auf, als dieser ihn endlich auf die Lippen zu küssen begann und mit der Zunge in seinen leicht geöffneten Mund eindrang. „Oh… hör auf, sonst…“ „… schmilzt du dahin. Ich weiß.“ „Ja… aber das will ich nicht.“ Soichi befreite sich etwas unwillig aus seinen Armen und drehte sich zu Morinaga hin. „Du bist gemein.“ „Wieso gemein? Ich bin doch ganz lieb zu dir.“ „Eben! Und jetzt denkst du, ich werde weich und lasse dich wieder alles mit mir machen, was du willst! Aber da hast du dich getäuscht!“ „Warum kämpfst du dagegen an? Du willst es jetzt. Ich auch. Ich mache dir einen Vorschlag. Bevor ich dich mit mir schlafen lasse, machen wir es einmal wie üblich, okay? Und wenn du danach noch möchtest, darfst du es machen.“ „Also gut. Erst du, dann ich. Versprochen?“ Morinaga lächelte. „Ja. Dreh dich wieder um. Knie und Hände auf den Wannenboden.“ Soichi tat, was er wollte. Das war zwar nicht die Reihenfolge, die er vorgesehen hatte, aber das war nun auch egal. Morinaga hatte ja Recht, sie wollten es in diesem Moment beide. „Warte mal. Du kannst das nicht einfach so machen. Das tut sonst weh.“ Morinaga spuckte sich ein paar Mal in die Hand. „Das muss reichen.“ „Das reicht nicht! Und das ist eklig!“ „Stell dich nicht so an. Wir sind hier in der Badewanne. Das wäscht gleich wieder ab. Okay?“ „… ja.“ Er legte seine Hände links und rechts an Soichis Hüften und begann. „Aaaah…“ Soichi merkte es sofort. Etwas war anders. „Tetsuhiro…? Haaah…“ „Schon gut… ich bin… gleich fertig…“ „Gleich… fertig?! Au…“ Soichi fasste an Morinagas rechte Hand, wollte sie nach vorne ziehen. „Berühr mich gefälligst!“ Aber Morinaga Hände blieben, wo sie waren. „Ich will auch was… davon haben…“ Leise, die Zähne zusammengebissen, entwich Morinaga ein unterdrückter Laut. Er machte sich von ihm los und lehnte sich zurück. Wie versteinert verharrte Soichi in seiner Position. „Was war das denn?! Warum hörst du mittendrin auf?!“ „Mittendrin? Ich bin fertig.“ „Aber ich nicht!!“ Er setzte sich wieder richtig hin. Mit seinem zärtlichsten Lächeln sah Morinaga ihn an. „Ist mir egal“, wiederholte er Soichis Worte von vorhin. „Warum…“ „Mir hat es gereicht.“ „Mir aber nicht, und das weiß du genau!“ „Soll ich es das nächste Mal anders machen? So, dass du voll auf deine Kosten kommst?“ „Was soll die blöde Frage?! Natürlich!!“ Morinaga nickte. „Mache ich. Vorausgesetzt, du hörst auf, mich weiter damit zu erpressen, mich nicht mehr mit dir schlafen zu lassen und dir die Haare abzuschneiden.“ Soichi sah aus, als würde er gleich vor Wut losheulen. „Du bist… so unfair!!“ „Die Haare bleiben dran, klar?“ „Du mieser Erpresser!!“ „Wer hat denn mit der Erpresser-Nummer angefangen?“ fragte Morinaga kalt. „Das warst jawohl du. Damit wären wir quitt. So, und jetzt versprich es mir.“ „Ja! Verdammt noch mal! Ich schneid sie nicht ab!“ „Keine weiteren Erpressungsversuche mehr. Und wir schlafen wieder ganz normal miteinander.“ „Ja, ja, ja!! Bist du jetzt zufrieden?!“ Morinaga beugte sich zu ihm, küsste ihn leicht. „Ja. Wie ist es? Willst du es noch einmal richtig?“ „Ja…“ „Leg deine Beine hier auf den Wannenrand. Ja, eins links, eins rechts. Ah, sehr schön. Was für eine Aussicht.“ „Hör auf, so zu reden! Das ist mir peinlich!“ „Umso besser. Deine Wangen sind ganz rot. Kann aber auch vom Champagner kommen.“ „Halt die Klappe!“ „Wie süß. Das verleiht dir so ein unschuldiges Aussehen.“ „Fang schon an!“ „Zu Befehl…“ Er küsste Soichi stürmisch. „Du hast mich… zwei Wochen warten lassen“, sagte Soichi, als er zwischendurch kurz zu Atem kam. „Das warst… wohl eher du…“, raunte Morinaga und begann zum zweiten Mal, diesmal wirklich richtig. „Aaah… gut so…“ Soichi legte seine Arme um ihn. Das Badewasser schwappte über den Rand, so heftig bewegte sich Morinaga über ihm. Er musste unwillkürlich an Hirotos Worte denken. Ja, es stimmte, er konnte sich bei Morinaga fallen lassen. Er vertraute ihm völlig. Und ja, er ließ sich gerne fallen… Aber deswegen wollte er nicht darauf verzichten, es auch einmal auf die andere Weise auszuprobieren. „Tetsuhiro…!“ Morinaga ließ sich auf ihn sinken. „Ah, endlich. Du glaubst gar nicht, wie ich das vermisst habe. Lass mich nie wieder zwei Wochen warten, ja?“ Soichi streckte die Beine wieder im heißen Wasser aus. Sein Freund schien tatsächlich zu glauben, sich alles erlauben zu können. „Ich habe keine Lust, noch weiter zu baden.“ Er ließ das Wasser ablaufen und stieg aus der Wanne. „So, ich warte im Schlafzimmer auf dich.“ Morinaga lächelte zufrieden und erhob sich, um ebenfalls aus der Wanne zu steigen. „Aller guten Dinge sind drei, was?“ „Freu dich nicht zu früh.“ „Was soll das heißen? Willst du jetzt etwa nicht mehr?“ Soichi trocknete sich ab. „Wer sagt, dass ich nicht will?“ „Dann bin ich ja beruhigt. Ich werde diesmal auch ganz besonders sanft mit dir umgehen.“ „Du? Nein.“ „Was?“ „Ich sagte, nein. Nicht du.“ Alarmiert sah Morinaga ihn an. „Soichi…?“ „Jetzt bin ich dran.“ „Nein, du…“ „Du hast es sogar versprochen! Bevor wir es eben das erste Mal gemacht haben, hast du es gesagt! Wenn ich danach noch will, darf ich!“ „Ja, und du hast dich dagegen entschieden! Du hast darauf verzichtet!“ „Irrtum. Ich habe lediglich versprochen, dass ich mir nicht die Haare abschneiden werde und dich wieder mit mir schlafen lasse.“ „Ich habe das aber anders verstanden! Wenn gewusst hätte, dass du das immer noch willst, hätte ich eben gar nicht ein zweites Mal mit dir geschlafen!“ „Tja, versprochen ist versprochen.“ „Nein.“ „Du brichst also dein Versprechen? Dann kann ich meins ja auch brechen. Wo ist die Schere?“ „Nein!“ Morinaga hielt ihn fest. „Nein. Bitte nicht. Du darfst dir die Haare nicht abschneiden. Ich… ich mach ja, was du willst.“ „Wirklich?“ „Aber ich finde es nicht okay von dir, mich so dazu zu zwingen!“ „Du hast mich damals das erste Mal auch gezwungen.“ „Willst du das deswegen? Um dich an mir zu rächen?“ „Ich habe gesagt, warum ich es will. Weil ich Lust darauf habe. Sonst nichts.“ Morinaga starrte Soichi an. Er sah tatsächlich so aus, als würde er es genauso meinen, wie er es sagte. Es lag keine Boshaftigkeit in seiner Stimme, er war einfach nur neugierig auf eine andere Erfahrung. Ja, sicher, er hatte einige Bekannte und Freunde, die sich mit ihren Partnern abwechselten. Hiroto gehörte auch dazu. Aber was, wenn Soichi Gefallen daran finden würde? Er müsste es dann immer und immer wieder erdulden… Sie gingen auf den Flur. Soichi hielt ihm die Schlafzimmertür auf. „Ladies first.“ „Du! Lass diesen Mist, ja?!“ „Leg dich aufs Bett.“ Stumm machte Morinaga, was er verlangte. Soichi kniete sich neben ihm hin. „Dann wollen wir mal.“ Er griff nach einer Flasche, die wie ein Seifenspender aussah. Zweimal drückte er drauf und fing die durchsichtige Creme in seiner Handinnenfläche auf. „Praktisch, dieses Ding. Und es wird auch nicht so schnell leer wie diese kleinen Tuben.“ Morinaga schwieg vor sich hin. Hirotos Stimme hallte in seinem Kopf wider… ‚Konnte tagelang nicht sitzen… unerbittlich… wildes Tier… gnade dir Gott!’ Er lag auf dem Rücken und erwartete, das Soichi jeden Moment anfing. Aber es passierte nichts. „Was ist? Muss ich dir erst erklären, wie es geht?“ „Ach, halt die Schnauze! Ich bin genauso ein Mann wie du! Da werde ich das ja wohl noch hinkriegen!“ „Wo liegt dann dein Problem?“ „Im Gegensatz zu dir bin ich eben ein anständiger Mensch! Nicht so einer wie du, der nur seinen Trieben folgt!“ Er sah zur Seite. „Ich kann das nicht machen, wenn du mich dabei so anguckst.“ Morinaga setzte sich auf. „Wie soll ich deiner Meinung nach denn gucken? Soll ich mich freuen, dass du mich dazu zwingen willst? Soll ich dich anlachen?“ „Nein.“ Soichi senkte den Kopf. „Schon gut. Du hast gewonnen. Wenn du nicht willst, werde ich dich nicht zwingen.“ „Du…“ Erleichtert atmete Morinaga auf und schloss ihn in die Arme. „Danke. Du bist wirklich ein anständiger Mensch.“ „Manchmal wünschte ich, ich wäre so ein Rüpel wie du. Dann hätte ich mich jetzt nicht zurückgehalten!“ „Ich bin froh, dass du kein Rüpel bist.“ Soichi blickte seine Hand an. „Was mache ich jetzt damit?“ „Das kann man auch zum Massieren verwenden. Willst du mir den Rücken massieren?“ „Okay.“ Bereitwillig, weil er jetzt sicher war, dass Soichi ihn in Ruhe lassen würde, legte sich Morinaga auf den Bauch. „Mir fällt gerade ein, als du vorhin weg warst, hat mein Vater angerufen.“ Soichi begann mit der Massage. „Er hat nächsten Monat beruflich in Hawaii zu tun und will danach weiter nach Kalifornien fliegen und Tomoe besuchen. Er sagt, wenn wir auch mit möchten, lädt er uns ein.“ „Du willst nach Amerika? Ich dachte, du hasst das Land. Ah…“ Soichi hatte sich auf seine Oberschenkel gesetzt. „Ich kann es mir ja mal anschauen. Warst du schon mal da?“ „Äh… nein… aah… Soichi…?“ „Was ist, bin ich zu schwer? Aber wenn ich neben dir sitze, kann ich dich nicht richtig massieren.“ „Nein, das ist… nur so ungewohnt…“ „Warte mal.“ Soichi rückte etwas weiter nach vorne, um bequemer zu sitzen. „So ist es besser.“ „Aah! Sitz bitte still, ja?!“ „Hey, kann es sein“, er wiederholte die Bewegung, „dass du das magst?“ „Lass das!!“ „Du warst es doch, der den Rücken massiert haben wollte. Jetzt stell dich nicht so an.“ „Du bewegst dich schon wieder so!“ Soichi beugte sich vor und kam ganz auf ihm zu liegen. „Weißt du“, flüsterte er in sein Ohr, „so ganz ohne Zwang hätte ich jetzt auch wieder Lust dazu.“ „Aber du… haah…“ „Du kannst mir nicht erzählen, dass dir das nicht gefällt.“ Wieder diese Bewegung, diesmal mit seinem ganzen Körper. „Soichi… ich habe das nie so gemacht…“ „Ich auch nicht. Wollen wir es nicht doch mal ausprobieren?“ Morinagas Herz raste. Was war nur mit ihm los? Soichi lag auf ihm und bewegte sich genau so, wie er es sonst tat. Aber wieso erregte ihn das so? Das war doch nicht richtig… „In Wirklichkeit möchtest du auch. Ich bin ganz vorsichtig, versprochen. Und ich höre sofort auf, wenn du es mir sagst.“ Er legte sich neben ihn und drückte erneut auf den Spender mit der Creme. „Halt! Das geht mir alles zu schnell.“ Verstört sah Morinaga ihn an. „Ich bin mir nicht sicher, ob das auch in Ordnung ist. Du… du bringst mich völlig durcheinander…“ „Also pass auf, wir machen es so. Ich fange ganz langsam an. Und wenn es dir zuviel wird, sagst du Bescheid.“ „Ich…“ „Mach mal die Beine etwas weiter auseinander. Okay…“ „Halt, nicht! Ah… Moment.“ Schnell kramte Morinaga in der Schublade des Nachtschrankes. Irgendwo mussten doch noch… „Suchst du was Bestimmtes?“ „Hab es schon gefunden. Hier.“ Morinaga reichte ihm ein Kondom. „Wozu?“ Soichi warf es beiseite. „Du kannst nicht schwanger werden.“ „Du weißt genau, wozu!!“ „Du nimmst auch nie welche. Wenn wir es schon machen, will ich es auch richtig.“ „O… okay.“ „So, noch einmal auf den Spender gedrückt…“ „Nimm lieber mehr davon.“ „Ja.“ Eine weitere Creme-Portion folgte. „Gut. Jetzt tief durchatmen und entspannen.“ „Oh mein Gott…!“ „Bleib einfach… ruhig liegen…“ „Nein… das ist… zuviel! Hör auf!!“ Soichi stoppte. „Ich bin erst halb…“ „Aua…“ „Soll ich ganz aufhören?“ „Ah… nein… warte einen Augenblick.“ „Du zitterst…“ „Es… tut ja auch weh.“ „Sei nicht so verkrampft. Entspann dich, dann hört es auf zu schmerzen.“ Er langte um ihn herum und streichelte über seine Brust. „Vertrau mir, Tetsuhiro.“ „Oh, Soichi…“ In diesem Moment wurde Morinaga klar, was er seinem Freund da fast jeden Tag antat. Wenn das hier schon so hart an der Grenze war, wie musste es dann erst für Soichi sein, wenn er ihn auf seine erbarmungslose Weise nahm? Und hatte Soichi nicht gerade sofort aufgehört, als er es ihm gesagt hatte? Er selbst hätte diese Worte ignoriert und weitergemacht… Nein, Soichi rächte sich nicht. Dann würde er jetzt ganz anders mit ihm umgehen. Wie hatte er überhaupt so etwas von ihm denken können? „Ich glaube… jetzt geht es wieder.“ „Okay.“ Soichi küsste seinen Nacken, blies heißen Atem in seine Haare. „Ah…“ „Haaah… bist du… ganz…?“ „Ja.“ Er saugte an der weichen Haut von Morinagas Hals. „Ah…!“ stieß Morinaga aus, als Soichi anfing, sich behutsam auf ihm zu bewegen und dann mit einer Hand unter seinen Bauch fasste. „Ja…“ Obwohl Soichi es im Grunde genau so machte, wie er selbst, benahm er sich dabei doch ganz anders. Noch immer war er sanft, vorsichtig, ja, liebevoll. Nicht so rücksichtslos und brutal wie er. Die langen seidigen Haare streiften seine Schultern, als Soichi ihn am Hals küsste. „Ah…!“ „Haah, Tetsuhiro…“ Reglos lagen sie ein paar Sekunden da. „Und?“ fragte Soichi, nachdem er sich von Morinaga hinuntergerollt hatte. „Wie war ich?“ „Fällt dir keine bessere Frage ein?! Mann…“ Soichi griff nach den Zigaretten, die neben dem Bett lagen und zündete sich eine an. Nach einer Weile sagte er: „Mir hat es gefallen.“ „Aha…“ „Du, das machen wir jetzt öfter so.“ „Ja… was? Wieso?!“ „Ich fand es gut, du fandest es gut. Also…“ „Ich hab ja gar nicht gesagt, dass ich es gut fand!“ „Ist nicht nötig. Das habe ich auch so gemerkt.“ „Du hast gesagt, du willst das nur einmal!“ „Ja, aber da wusste ich noch nicht, dass es so gut ist.“ Morinaga drehte sich bedächtig auf den Rücken. „Au…“ „Komm zu mir.“ Soichi zog ihn an seine Brust und streichelte über seinen Kopf. „Das war total schön, weißt du das? War ich wirklich der erste, der das bei dir gemacht hat?“ „Ja…“ Genüsslich zog Soichi an der Zigarette. „Ich habe dich entjungfert.“ „Ach, sei ruhig!“ „Stimmt doch. Nimm’s nicht so schwer. Du wirst dich mit der Zeit schon dran gewöhnen.“ „Aah… warum habe ich dem bloß zugestimmt…?“ Morinaga sah seinen Freund an. „Du? Gefällt dir das wirklich, wenn ich das sonst bei dir mache?“ Soichi wurde rot. „Ja… schon.“ „Aber das hat so wehgetan am Anfang.“ „Ich war ganz vorsichtig.“ „Ja, eben. Ich bin nicht so.“ „Ja. Weiß ich.“ „Du musst doch jedes Mal tierische Schmerzen haben.“ „Geht so.“ „Magst du das denn?“ „Es… ist okay, wie du das machst. Du brauchst… nichts zu ändern.“ „Ich will das nicht noch mal machen.“ „Glaube mir, du wirst das nächste Mal viel entspannter sein. Dann wird es richtig gut.“ „Nein…“ „Aah, ich mache das schon.“ Er blies ein paar Rauchringe in die Luft. Verblüfft sah Morinaga ihm dabei zu. „Seit wann kannst du das denn?“ „Hm? Seit Jahren, wieso?“ „Du bist sehr geschickt mit deinem Mund. Das hast du mir ja schon an Weihnachten bewiesen.“ „Erwähne das nie wieder!!“ „Siehst du? Du magst das nicht, und ich mochte das eben auch nicht. Ich werde nicht von dir verlangen, dass du das von Weihnachten noch mal machst, auch wenn ich es wahnsinnig toll fand. Und du machst dafür nicht noch mal das von vorhin. Okay?“ „Heißt das… Moment.“ Soichi stützte sich auf einen Arm auf. „Soll das heißen, wenn ich das noch mal mache… dann lässt du mich…?“ Auf Morinagas Gesicht erschien ein leichtes Lächeln. „Würdest du das denn?“ „Also…“ Man sah es Soichi an, wie er innerlich mit sich kämpfte. Und auch Morinaga überlegte hin und her. Die Versuchung war einfach zu groß. Da konnte man doch nicht nein sagen, oder? Sicher, es hatte wehgetan. Allerdings wirklich nur am Anfang. Und Soichi würde dafür… oh ja. „Dann darfst du hinterher auch oben liegen“, hauchte er mit verführerischer Stimme. „Das ist unfair!“ Soichi ließ sich wieder zurück auf das Kissen fallen. „Das war so eklig! Ich will das nicht…“ „Also abgemacht, ja? Jedes Mal, wenn du mir was Gutes tust“, Morinaga leckte sich über die Lippen, „kannst du mich haben.“ „Hör auf, so dreckige Bewegungen mit deiner Zunge zu machen! Du… du wirst das sowieso noch bereuen, dass du dich auf diese Art von Handel eingelassen hast! Das nächste Mal werde ich nämlich nicht so nett zu dir sein!“ Morinaga grinste. „Das freut mich.“ „Wieso?“ „Wenn es ein nächstes Mal geben wird, heißt das, dass du zuerst…“ „Kein Wort mehr!!“ Auf einmal fiel es Morinaga wieder ein. Genau, da war ja noch die Überraschung, die er für Soichi geplant hatte. Beinahe hätte er es vergessen. Aber zuerst musste er etwas anderes wissen. „Soichi?“ „Ja.“ „Warum hattest du heute Nachmittag solche Probleme damit, als Hiroto mich als deinen Mann bezeichnet hat?“ Soichi stieß verärgert den Rauch durch seine Nasenlöcher aus. „Warum schon?! Wenn du mein Mann bist, was bin ich denn dann? Deine Frau? Nee, du, vergiss es!“ Morinaga lachte erleichtert auf. „Ach so…“ „Ist das so witzig?“ „Nein. Ich bin nur froh. Ich dachte, du zweifelst an unserer Beziehung.“ „Natürlich tue ich das nicht.“ „Davor hat er dich als meinen Mann bezeichnet. Da hast du nichts gesagt.“ „Kann mich nicht daran erinnern…“ „Wärst du das denn gerne?“ „Was?“ „Mein Mann.“ „Dein…“ Morinaga nahm seine Hand. „Tatsumi Soichi.“ Er sah ihm tief in die Augen. „Willst du mein Mann werden?“ Soichi legte die Zigarette weg. „Tetsuhiro…“ Erneut kramte Morinaga im Nachtschrank nach etwas. Da war sie, die kleine Schachtel. Er nahm den Deckel ab. Zwei schmale goldene Ringe waren darin. „Willst du mich heiraten?“ „Was…?“ „Klar, jetzt geht es noch nicht, aber irgendwann wird es bestimmt möglich sein, also…“ „Ja.“ „Soichi…“ „Ja!“ Er fiel Morinaga um den Hals. „Ja, ich will dich heiraten!“ Sie gaben sich einen langen Kuss, und dann nahm Morinaga den etwas kleineren der beiden Ringe aus der Schachtel. „Ich habe unsere Namen eingravieren lassen. Siehst du?“ Soichi las, was auf der Innenseite stand. Morinaga Tetsuhiro. „Ich liebe dich, Soichi“, sagte Morinaga, als er ihm den Ring ansteckte. Er passte genau. „Woher kennst du meine Ringgröße?“ „Ich habe den Umfang deines Fingers gemessen, als du geschlafen hast.“ Soichi nahm den anderen Ring heraus. Sein eigener Name war dort eingraviert. Er steckte ihn Morinaga an. „Ich liebe dich, Tetsuhiro.“ „Jetzt sind wir verlobt.“ „Ja.“ Sie lagen beide nebeneinander und hielten ihre Hände zusammen, betrachteten andächtig die Ringe. „Wann hast du die gekauft?“ „Vor drei Wochen. Ein paar Tage nach der Demo.“ „Aha.“ „Du warst doch gar nicht mit, damit ich nicht mit Hiroto alleine bin. Du hast mitgemacht, weil du auch dieses Gesetz willst.“ „Ja, stimmt… Also war an der Sache mit dem Brautstrauß doch was dran.“ „Sieht so aus…“ Morinaga seufzte leise. „Es wird bestimmt noch Jahre dauern, bis wir heiraten können.“ „Dann dauert es eben Jahre. Ich kann warten.“ „Du hast Recht. Ich kann auch warten.“ „Hm, ich überlege gerade… Klingt gar nicht so schlecht. Tatsumi Tetsuhiro.“ „Du willst, dass ich deinen Namen annehme? Morinaga Soichi hört sich aber auch gut an. Hey, dann kann Hiroto zu uns beiden Engelchen sagen.“ „Also, dann bleiben wir doch besser bei meinem Namen.“ „Wie auch immer. Wir haben ja noch Zeit, es uns zu überlegen.“ Noch eine ganze Zeit lagen sie so im Bett und genossen diesen kostbaren Augenblick. Die Zukunft lag vor ihnen, und sie würden sie gemeinsam verbringen. Epilog „Kanpai! Auf die Verlobung meines ältesten Sohnes!“ Vater Tatsumi hielt ein Glühweinglas in die Höhe. „Kanpai!“ stimmten die anderen mit ein. Die anderen, das waren Soichi, Morinaga, Kanako, Wang und Hiroto samt männlicher Begleitung. Sie befanden sich auf dem alljährlichen Wintermarkt in der Stadt, wo Karussells und Buden im europäischen Stil aufgebaut waren. „Und nächsten Monat fliegen wir dann alle rüber und feiern dieses freudige Ereignis mit Tomoe und diesem… Kori…?“ „Kurokawa, Vater“, half Morinaga nach. „Genau. Kurokawa. Danke, mein Junge. Was macht ihr denn solange mit eurer Katze? Passt da einer drauf auf?“ „Die nehme ich zu mir in die Wohnung.“ „Was täten wir nur ohne dich, Hiroto?“ „Ja, ja, Engelchen, wenn du das mal weißt.“ Morinaga blickte sich um. „Ich bin gleich wieder da“, sagte er und ging zu einer der Buden. „Was kauft er denn da?“ fragte Kanako, die eine Tüte mit frisch gerösteten dampfenden Kastanien in ihrer Hand hielt und sich vergeblich abmühte, eine davon zu öffnen. Ihr großer Bruder sah ihm ebenfalls nach. „Keine Ahnung. Wir werden es ja gleich sehen.“ Er zündete sich eine Zigarette an. „Sagen Sie, wer sind Sie noch mal?“ fragte er den Mann an Hirotos Seite. „Sie kommen mir so bekannt vor.“ „Klar kommt er dir bekannt vor“, sagte Hiroto. „Yashiro arbeitet doch im Baumarkt. Wir sind ihm erst vorgestern begegnet.“ „Ja, richtig.“ „Ist es nicht ein Zufall? Gestern Abend gehe ich ins ‚Adamsite’, und da laufen wir uns über den Weg. Irre, was?“ Morinaga kam mit einem reichlich verzierten Lebkuchenherz mit der Aufschrift ‚Ich liebe dich’ zurück. „Also, Tetsuhiro…“ Soichi errötete, als er es ihm um den Hals hängte. „Ist das nicht mehr was für Mädchen…?“ „Hach, ist das putzig!“ Hiroto schlug begeistert die Hände zusammen. „Möchtest du auch eins?“ fragte Yashiro ihn schüchtern. „Da fragst du noch?“ Und Hand in Hand gingen die beiden zu der Bude. „Ooch, ich will auch so ein Herz! Papa, kaufst du mir eins?“ „Na klar. Komm, Kanako, wir suchen dir eins aus.“ Ihr Vater ging mit ihr zu Hiroto und Yashiro. „Au ja! Danke! Kaufst du Wang auch eins?“ „Ja, gute Idee.“ Morinaga nahm Soichi zur Seite. „Du, geh mit der Zigarette lieber ein Stück weiter weg.“ „Hm? Wieso?“ „Der Rauch zieht genau zu den Kindern da rüber.“ „Ja, und?“ „Die Mütter gucken schon alle her.“ „Ach, die sollen sich nicht so haben.“ „Bitte, Soichi.“ „Also gut. Kommst du mit?“ „Ja.“ Kanako, die gerade mit einem Lebkuchenherz, auf dem ‚Du bist süß’ stand, zurückkam, zupfte am Ärmel von Morinagas Mantel. „Kannst du mir mit den Kastanien helfen? Ich krieg das irgendwie nicht richtig hin.“ „Ja, sicher. Äh, Soichi?“ „Schon gut. Ich werde es wohl ein paar Minuten ohne dich aushalten. Bis gleich.“ „Ja. Also, Kanako, du musst die Schale hier aufbrechen und dann…“ Soichi ging ein paar Schritte weiter, dorthin, wo nicht so viele Menschen standen. Er hatte gerade die Zigarette zu Ende geraucht und sie ausgetreten und wollte nun zurückgehen, als ihn jemand ansprach. „Entschuldigen Sie. Vielleicht verwechsle ich Sie nur mit jemandem.“ Soichi drehte sich um. „Oder, nein, du bist es! Tatsumi, nicht wahr?“ „Äh, ja.“ Ratlos sah Soichi den jungen Mann an. „Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Ich war in der Parallelklasse. Ich habe dich erst gar nicht erkannt. Du bist ja völlig weiß geworden. Hattest du nicht damals schon so helle Strähnen in den Haaren? Mensch, wie lange ist das her! Müssten jetzt zehn Jahre sein. Erinnerst du dich noch an mich?“ Endlich fiel es Soichi ein. Natürlich. Warum hatte er ihn nicht sofort wieder erkannt? „Ja… jetzt weiß ich wieder. Du hattest damals ganz schön unter denen aus deiner Klasse zu leiden.“ „Ja, das war echt schlimm. Aber ich war ja selber schuld. Zum Glück hat mir unser Direktor sehr geholfen. Ohne ihn wäre ich nicht davon losgekommen. Dank ihm konnte ich eine Therapie machen. Wenn ich damals nicht den Absprung geschafft hätte, wäre ich wohl auch noch im Gefängnis gelandet wie mein großer Bruder.“ Schockiert starrte Soichi ihn an. „Was soll das denn heißen? Eine Therapie? Und jetzt bist du nicht mehr schwul, oder was? Ich kann das einfach nicht glauben…“ „Wieso schwul? Was hat das damit zu tun? Also, kann es vielleicht sein, dass wir über zwei verschiedene Dinge sprechen?“ „Die haben dich deswegen doch auf dem Schulhof fertig gemacht. Und dann ist dieses Mädchen dazwischen gegangen und hat gesagt, du wärst nur so, weil dein Bruder auch so ist.“ „Ach so.“ Er lachte auf. „Nein, das ist ein Missverständnis. Das war nicht, weil ich schwul bin. Damit haben mich einige zwar ab und zu aufgezogen, aber es niemals wirklich böse gemeint. Ich hatte nie Probleme deswegen. Ich war dann auch später mit einem aus meiner Klasse zusammen. Aber du hast damals sowieso nicht richtig mitgekriegt, was um dich herum geschehen ist, nicht wahr? Du warst ja kaum ansprechbar wegen deiner Mutter.“ „Ja…“ „Den Ärger gab es jedenfalls, weil ich meinen Klassenkameraden Geld gestohlen hatte. Ich war drogenabhängig zu der Zeit. Genau wie mein Bruder. Er hatte mit dem Stoff angefangen, und ich habe mitgemacht. Dass das Taschengeld nicht lange reichte, um Nachschub zu besorgen, dürfte wohl klar sein. Da fing ich an, Geld zu stehlen. Bis sie mich dabei erwischt haben. Na, und da haben sie es mir auf ihre Weise heimgezahlt. Unser Direktor hat das ein paar Tage später mitgekriegt und mit der ganzen Klasse darüber gesprochen. Er war es auch, der dafür gesorgt hat, dass sie es sonst niemandem in der Schule weitererzählt haben. Ich habe einen Drogenentzug gemacht und nach und nach alles Geld zurückgezahlt. Heute bin ich absolut clean. Mein Bruder übrigens auch. Er saß damals glücklicherweise nur eine Woche im Gefängnis und ist mit einer Jugendstrafe davongekommen.“ Soichi war blass geworden. Die furchtbaren Ängste, die er früher gehabt hatte, all die Qualen, sie waren vollkommen unbegründet gewesen. Umsonst. „Geht es dir nicht gut?“ „Doch, doch. Alles okay. Es… freut mich, dass ihr von den Drogen losgekommen seid.“ „Danke.“ Er zeigte auf das Herz um Soichis Hals. „Verliebt, was?“ „Ja.“ Soichi sah auf den Ring an seiner Hand. „Verlobt, um genau zu sein.“ „Du, ich würde mich ja gerne noch länger mit dir unterhalten, aber leider muss ich los.“ „Ja. Kein Problem.“ Der junge Mann lächelte. „Also dann, auf Wiedersehen.“ „Auf Wiedersehen.“ Lange sah Soichi ihm hinterher, bis er aus seinem Blickfeld verschwunden war. Ein seltsames Gefühl der Erleichterung überkam ihn. Dann endlich ging er zurück. „Da bist du ja wieder.“ Morinaga legte einen Arm um ihn und steckte ihm eine geschälte Kastanie in den Mund. „Was ist? Du strahlst so.“ „Nichts. Es ist alles gut“, sagte Soichi kauend. „Jetzt ist wirklich alles gut.“ Ende Bonus-Kapitel 3 ist in Arbeit… Wah! *kreisch* Sie haben sich verlobt!! *_* Im dritten Bonus-Kapitel soll also der Flug nach Amerika kommen. Ich fürchte nur leider, dass es wieder etwas dauern wird, bis ich es geschrieben habe… Hm, das Ende ist jetzt so schön, da mag ich eigentlich gar nicht weiter schreiben. ^_^? Aber wir wollen ja alle wissen, wie Tomoe auf die Verlobung seines großen Bruders reagiert. Und was wird aus dem „Handel“, den unser Traumpaar ausgemacht hat? XD Tut mir echt leid, dass ich die schöne Badewannenstimmung so kaputtgemacht habe, aber das musste sein, sonst hätte die Geschichte nicht weitergehen können. ^_^’’’ Was hatte ich noch am Ende von Kapitel 5 über dieses Kapitel hier geschrieben? „Wird wohl auch nicht so lang werden.“ XD Übrigens habe ich keine Ahnung von Feng Shui. Ich habe mir einfach irgendetwas chinesisch-esoterisch klingendes zusammengereimt. XD Kapitel 8: BONUS-KAPITEL 3: The Tyrant Who Fly To America --------------------------------------------------------- Autor: DJ Vierauge Titel: „THE TYRANT WHO FLY TO AMERICA“ (Bonus-Story zu „Das Tatsumi-Gen“) Serie: Fanfiction zu den Serien „Verliebter Tyrann“ und „Küss mich, Student!“ von Hinako Takanaga Lime-Pairings: Morinaga x Soichi, Soichi x Morinaga, Phil x Rick (nur leicht angedeutet); sowie (ohne Lime): Kurokawa + Tomoe, Vater Tatsumi + Wang; außerdem („Flirt-Andeutungen“; weiß nicht, wie ich es besser nennen soll): Rick + Morinaga, Phil + Soichi, Vater Tatsumi + der Steward Genre/Warnungen: Shounen-ai/Yaoi, Lime, Humor, Romantik, OOC (Soichi, Morinaga etwas), OC, Language (= ein paar englische Worte, sowie einige Schimpfwörter) Rating: ab 16 Jahren Disclaimer: Alle Personen sind das Eigentum von Hinako Takanaga, bis auf den Steward und Wang, die ich komplett dazu erfunden habe. „Brokeback Mountain“ (Titel wird nur erwähnt) ist ein geschützter Filmtitel, die Rechte daran gehören der Filmgesellschaft, die ihn produziert hat. XD Ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte. Anmerkungen: Falsches Englisch im Titel, ich weiß! XD Das ist natürlich an den „Original“-Titel von „Verliebter Tyrann“ / „Koi suru Boukun“ angelehnt: „The tyrant who fall in love“. Die antiamerikanischen Äußerungen, die Soichi zeitweise von sich gibt (wie im Manga auch!), entsprechen nicht meinen eigenen Ansichten und werden auch nicht verherrlicht!! In den kursiv geschriebenen Sätzen wird Englisch gesprochen. Danke @ die Leute aus dem VT-Thread im Comics in Leipzig-Forum für die Anregung mit der Dusche! XD INHALT: Tatsumi Tomoe und sein Freund Kurokawa Mitsugu sind entsetzt! Die ganze Zeit haben sie sich hier in den USA sicher gefühlt, sicher vor IHM. Doch jetzt kommt er sie besuchen, Tomoes großer Bruder!! Kurokawa steht Todesängste aus, als dieser am Flughafen in Los Angeles landet, und Tomoe fragt sich, was es wohl mit Soichis Verlobung auf sich hat, von der ihm sein Vater am Telefon erzählt hat… Der Flug Verschlafen öffnete Morinaga die Augen. Sein Kopf lehnte an der Schulter von Soichi, dessen Stimme ihn gerade geweckt hatte. „Was soll das heißen, ich darf nicht rauchen?!“ „Es tut mir sehr leid.“ Der junge Steward trat eingeschüchtert einen halben Meter zurück. „Die neuen Nichtraucherschutzgesetze gestatten kein Rauchen in Flugzeugen mehr.“ „Verdammt.“ Soichi packte die Zigarettenschachtel und das Feuerzeug wieder zurück. „Na, wach?“ fragte er Morinaga. „Du hast den halben Flug verschlafen.“ Sie saßen in einer Maschine nach Kalifornien mit Zwischenlandung in Hawaii. In der linken Reihe am Fenster saß ganz außen Kanako, die in ein Pferde-Buch vertieft war und dabei Musik über Kopfhörer hörte, daneben saß Morinaga und am Gang Soichi. In der Reihe neben ihnen, in der Mitte des Flugzeugs, saßen Soichis Vater und Wang. Morinaga gähnte und setzte sich gerade hin. Kanako nahm sich die Kopfhörer ab. „Geht es dir gut? Oder ist dir übel vom Flug?“ „Nein, ist alles okay.“ Sie hielt ihm eine Tüte hin. „Möchtest du auch einen Kirschbonbon?“ Er nahm sich einen. „Danke.“ „Papa?“ Sie lehnte sich nach vorne. „Darf ich einen Araber haben?“ „Na, mal sehen“, kam die Antwort. „Von mir aus.“ Soichi sah verständnislos zu seinem Vater hinüber. „Du hast von Kindererziehung wirklich keine Ahnung. Bei allem, was Kanako haben will, sagst du ‚Ja, bekommst du’. Wie soll sie denn da später mit ihrem eigenen Geld klarkommen, wenn sie jetzt nicht lernt, auch einmal auf etwas zu verzichten?“ „Halt dich da raus!“ fuhr Kanako ihn an. „Ich weiß nicht, wo dein Problem liegt, Soichi. Ich habe Geld genug. Da kann ich meiner Tochter doch ab und zu etwas Schönes schenken.“ „Siehst du!“ sagte Kanako trotzig zu ihrem Bruder. „Außerdem habt ihr auch ein Tier.“ „Du willst ja wohl eine Katze nicht mit einem Pferd vergleichen.“ „Tier ist Tier! Du willst mir einfach nur nichts gönnen!“ „Vielleicht hat dein großer Bruder Recht“, warf der Vater ein. „Bist du nicht schon etwas zu alt dafür? Als ich in deinem Alter war, habe ich mich für Jungs interessiert und nicht für Pferde.“ „Ach, Jungs sind doof.“ Während sich ihr Vater nun mit Wang unterhielt, fauchte sie Soichi an: „Gut, dass du schwul bist und keine Kinder kriegst! Zu denen wärst du dann bestimmt auch nur gemein!“ „Halt die Klappe!“ giftete Soichi zurück. Morinaga sah sie vorwurfsvoll an. „Also, das war jetzt wirklich nicht nett. Vielleicht würde dein Bruder ja gerne Kinder haben.“ „Hrrm…“ grummelte Kanako. „Ja… tut mir leid. Hab ich nicht so gemeint.“ Sie setzte sich ihre Kopfhörer auf und blätterte weiter in dem Buch. Soichi schien etwas verstimmt, als Morinaga sich wieder an ihn lehnte. „Du, sag mal, wie ist es? Hättest du gerne Kinder?“ „Geht das jetzt wieder los?! Ich habe dir schon mal gesagt…“ „Ich meine es ernst, Soichi. Würdest du gerne Kinder haben?“ „Wie soll das denn bitte gehen?“ „Davon rede ich doch gar nicht. Mir ist schon klar, dass es nicht geht.“ „Was soll dann die Fragerei?“ „Wenn… na ja, wenn du geheiratet hättest…“ „Als ob man heiraten müsste, um Kinder in die Welt zu setzen.“ „Nein, natürlich nicht. Aber wenn du es getan hättest, dann wärst du wahrscheinlich schon in naher Zukunft…“ „Hör auf“, unterbrach ihn Soichi. „Bitte.“ Er lehnte seinen Kopf an den Morinagas. „Muss man denn unbedingt Kinder haben? Dein Bruder und Sayako haben keine Kinder. Tomoe und dieser Kurokawa auch nicht, natürlich.“ „Du wärst bestimmt ein guter Vater.“ „Und wenn schon. Ich werde es nie erfahren, und es ist mir auch egal. Oder willst du welche?“ „Nein. Ich habe immer gewusst, dass ich nie mit einer Frau zusammen sein und Kinder habe würde.“ Er drehte seinen Kopf so, dass Soichi seinen Atem spüren konnte, als er weiter sprach. „Vergiss das einfach, was ich gerade gesagt habe, ja?“ „Ja. Übrigens weiß ich nicht, was du hast. Ich werde doch irgendwann heiraten.“ Soichi neigte sich ebenfalls ein wenig zu ihm, bis sich ihre Lippen berührten. „Dich.“ Ein angenehmer Schauer durchfuhr Morinaga, als Soichi ihn sanft auf seinen leicht geöffneten Mund küsste. „Du schmeckst nach Kirsche“, flüsterte Soichi. „Da sind aber zwei ganz gewaltig verliebt!“ Soichi war der höhnische Unterton seiner kleinen Schwester nicht entgangen. „Ich denke, du liest?“ „Wie soll ich mich aufs Lesen konzentrieren, wenn ihr neben mir rumknutscht?“ „Vater hat ganz Recht. Ein Pferd ist genau das richtige für dich.“ „Hä? Wieso das denn jetzt auf einmal?“ „Für einen Freund bist du noch viel zu unreif.“ „Blödmann!“ „Halt’s Maul!“ „Boah, du bist schon wieder voll zickig!“ „Ich sage, du sollst dein Maul halten, verdammt noch mal!“ „Kinder, bitte!“ mischte sich ihr Vater ein. „Ihr wollt euch doch wohl hier im Flugzeug nicht streiten. Frieden, ja?“ „Von mir aus.“ „Fein, Kanako. So, und du hörst jetzt auf, so zickig zu sein.“ „Hast du gehört, was Vater gesagt hat?“ setzte Soichi nach. „Ich meine dich, Sohn.“ „Hey! Ich bin nicht zickig!“ Sein Vater sah ihn nur mitleidig an. „Nein. Natürlich nicht“, sagte er spöttisch. Kanako hielt ihrem Bruder die Bonbontüte hin. „Willst du auch einen?“ Soichi schob die Tüte von sich weg. „Danke, nein.“ Er stand auf und warf Morinaga dabei einen unmissverständlichen Blick zu. „Ich verschwinde mal kurz. Bin gleich wieder da.“ Vater Tatsumi sah zum wiederholten Male die Eintragungen in seinem Terminplaner durch. „Ich denke, dass wir in zwei bis drei Tagen nachkommen werden. Ich brauche voraussichtlich… hm… zwei Tage, um das geologische Gutachten zu vor Ort fertig zu stellen. Dann muss ich es den zuständigen Behörden vorlegen und es vom Minister absegnen lassen. Kann auch sein, dass ich an einem Tag damit fertig werde. Das kann ich noch nicht genau sagen… Tetsuhiro?“ „Ja?“ „Du und Soichi fliegt dann erstmal alleine nach Los Angeles weiter. Kanako, Wang und ich kommen nach, wenn ich in Honolulu alles erledigt habe. Aber das habe ich ja eben schon gesagt. Eigentlich hätte ich es schöner gefunden, wenn wir uns alle in Hawaii getroffen hätten, aber Tomoe konnte sich nur ein paar Tage frei nehmen, und da wäre ein Flug nach Hawaii und drei Tage später wieder zurück zu stressig für ihn geworden.“ „Stimmt.“ „Ach, Tomoe war am Telefon richtig glücklich, dass ihr zwei euch verlobt hat. Der gute Junge hat sich so gefreut. Er kam mir auch gar nicht überrascht vor, das hat mich eigentlich etwas gewundert. Aber wahrscheinlich liegt es daran, dass er dich schon kennt. Ihr seid euch doch schon mal begegnet, oder?“ „Ja, sind wir.“ Morinaga erhob sich. „Ich… werde mal sehen, wo Soichi bleibt…“ Er ging zu den Flugzeugtoiletten und sah nach, welche Türen verschlossen waren. Leise klopfte er an eine. „Soichi?“ „Na, endlich.“ Soichi riegelte die Tür auf, zog Morinaga zu sich herein und schloss sofort wieder ab. „Das hat lange gedauert.“ „Dein Vater hat mich zum hundertsten Mal mit seinen Plänen zugetextet.“ „Ja, mein Vater… Hast du gemerkt, wie er vorhin den Steward angeguckt hat?“ „Oh ja. War nicht zu übersehen. Aber…“, Morinaga legte die Hände in Soichis Nacken, „… ich will jetzt nicht über deinen Vater reden. Ich will…“ „Ja, das will ich auch.“ Soichi öffnete den Reißverschluss seiner Jeans. Morinaga tat das gleiche bei sich selbst. „Dreh dich um. Stütz dich da am Waschbecken auf.“ „Ja… Trotzdem. Flirtet einfach mit dem, während sein Freund direkt daneben sitzt. Total dreist.“ „Wang hat das aber gar nichts ausgemacht. Und der Steward schien auch ganz angetan.“ „Ach was, der ist viel jünger als wir. Vielleicht sogar noch unter zwanzig. Oh…“ Soichi schloss die Augen für einen kurzen Moment, als er die Hand des anderen unter seinem Hemd spürte. Morinaga ließ eine kleine leere Plastikverpackung zu Boden fallen. „Ich wäre dann soweit.“ „Okay.“ „Oder… halt.“ „Was ist denn? Mach schon.“ Morinaga zeigte auf den kleinen Schrank, in dem das Waschbecken eingebaut war. „Setz dich darauf. Ich will dich dabei ansehen.“ Soichi drehte sich wieder um, zog schnell Schuhe und Hose aus und setzte sich auf den Schrank. „Ob der mich aushält?“ Mit den Fingernägeln strich Morinaga außen an Soichis nackten Oberschenkeln entlang, was bei diesem eine Gänsehaut hervorrief. „Ganz sicher…“ Begierig umarmte Soichi ihn. Der Kuss, der eben nur zart angedeutet gewesen war, wurde jetzt zu einem richtigen. Er wühlte durch Morinagas Haare, während dieser mit der Zunge in seinen Mund vordrang und ihm den Atem raubte. „Los“, forderte Soichi ihn auf. „Fang an.“ „Ja… so, jetzt.“ „Haaah…!“ „Leise.“ „Ja…“ Es fiel Soichi sichtlich schwer, dabei ruhig zu bleiben. Er schlang seine Beine um Morinagas Taille, als dieser sein Hemd hoch schob und an seinem Hals entlang leckte, ihn dort spielerisch hinein biss und an der pulsierenden Haut zwischen seinen Zähnen saugte. „Aah…“ Morinaga ließ von der Stelle ab, jedoch nur, um sich etwas tiefer dem Piercing zuzuwenden. „Oh, Tetsuhi…“ Sein Mund wurde von Morinagas Hand zugehalten. „Sei leise. Die Türen und Wände sind dünn hier.“ Er ließ Soichis Mund wieder los. „Ja.“ Stumm hielt Soichi sich nun an Morinagas Hals fest und überließ ihm alles Weitere. Er wusste selbst nicht, wie er es schaffte, aber brachte es fertig, keinen weiteren Ton über die Lippen zu bekommen. Morinaga nahm den Ring samt Brustwarze zwischen die Zähne, so fest, dass Soichi mit seinem ganzen Körper zusammenfuhr. Oh, wie er es liebte, ihn derart in Besitz zu nehmen, ihn spüren zu lassen, dass er der Stärkere von ihnen beiden war. Und Soichi gab sich ihm gewillt hin, ja, er verlangte danach. Es grenzte fast an ein Wunder, dass es tatsächlich lautlos endete. „Das war… gut…“, keuchte Soichi anschließend und ließ sich von dem Waschbeckenschrank gleiten, um sich wieder anzuziehen. „Aah… genau das… habe ich jetzt gebraucht.“ „Es war himmlisch.“ „Himmlisch? Du klingst schon wie Hiroto.“ „Wir sind doch hier im Himmel. So hoch oben über den Wolken. Ganz nah an den Sternen.“ „Ah… du hörst dich wirklich wie Hiroto an.“ „Du hast eben keinen Sinn für Romantik.“ „Männer müssen nicht romantisch sein. Das ist nur was für Frauen.“ „Wenn du jetzt nicht so unwiderstehlich lächeln würdest, könnte man fast glauben, dass du diese Worte ernst meinst. Du bist so süß.“ „Ich bin nicht süß! Meine kleine Schwester ist von mir aus süß. Ich bin es nicht.“ Er spülte sich sein gerötetes Gesicht mit Wasser ab. „Ah, das tut gut. Lass uns jetzt zurückgehen.“ „Du bist immer noch ganz rot. Wir warten lieber ein bisschen, sonst sehen die dir das sofort an.“ „Okay.“ Soichi lehnte sich an die Wand. „Ah…“ „Ist was? Hab ich dir wehgetan?“ Als Soichi nicht antwortete, streichelte Morinaga ihm sanft über die Wange. „Aber… ich dachte, du magst das so?“ „Ich habe doch gesagt, dass es gut war.“ „Dann bin ich beruhigt.“ „Soll ich es das nächste Mal bei dir auch so machen? Das neulich war ja nur für den Anfang.“ „Das nächste Mal?“ Morinaga sah ihn erstaunt an. „Ich… dachte eigentlich, dass du das nie wieder machen wolltest. Ich meine jetzt deinen Teil unserer kleinen Abmachung.“ „Vergessen wir doch die dumme Abmachung. Du könntest mich ruhig mal zwischendurch ranlassen. Ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen.“ „Nein, kommt nicht in Frage. Es bleibt dabei. Wenn ich das schon machen soll, bist erst du dran.“ Soichi betrachtete sein Gesicht im Spiegel. „Ich glaube, jetzt geht es wieder. Komm.“ „Ihr wart ja lange weg“, meinte Soichis Vater, als sie kurz darauf zusammen wiederkamen. Irgendetwas in seiner Stimme sagte Soichi, dass er ganz genau wusste, was die beiden getan hatten. Und das wurde bestätigt, als er hinzufügte: „Na, dann setz dich mal wieder. Wenn du kannst.“ „Ha, ha! Der war gut“, lachte Wang. „Wie könnt ihr… Ihr seid unmöglich! Alle beide!“ Soichi setzte sich. Langsam. Kanako nahm sich die Kopfhörer ab und legte das Buch weg. „Lasst ihr mich mal durch? Ich muss auch.“ Kurz, nachdem sie weg war, schob der Steward einen Servierwagen den Gang entlang. „Ah, da kommt ja schon das Essen“, freute sich Vater Tatsumi. „Und die Bedienung ist auch ganz nach meinem Geschmack. Jung und frisch, so müssen sie sein. Oh ja…“ „Für mich drei Portionen”, bestellte Wang. „Das sieht ja köstlich aus.“ Der Vater lächelte charmant den Steward an. „Beinahe so köstlich wie Sie.“ Der Steward errötete wie ein junges Mädchen und servierte auf der anderen Seite, wo Soichi und Morinaga saßen. Beim Anblick von dessen Rückseite, ließ es sich der Vater nicht nehmen, einen weiteren Kommentar abzugeben. „Hallo… das nenne ich mal einen prächtigen Hintern.“ „Ja.“ Wang nickte zustimmend. „Kann sich sehen lassen.“ Der Steward, jetzt tiefrot, beeilte sich, weiterzugehen. „Der von dem Kleinen, mit dem wir an Weihnachten… nennen wir es mal ‚gefeiert’ haben, war aber auch nicht schlecht. Wie hieß der noch? Hirino oder so ähnlich…“ „Hiroto“, korrigierte Wang. „Ja, stimmt.“ Soichi starrte die beiden entsetzt an. „Wie bitte? Hiroto?“ „Genau. Euer Freund. Der im Moment auf eure Katze aufpasst.“ Tatsumi reichte Wang eine Serviette. „Hier, Schätzchen.“ „Danke.“ „Warte mal!“ Soichis Stimme überschlug sich fast. „Willst du mir ernsthaft erzählen, dass ihr beide… mit Hiroto…?“ „Richtig“, sagte sein Vater. „Ja, seid ihr denn noch zu retten?! In eurem Alter!“ Er drehte sich nach links zu Morinaga. „Das ist doch unerhört, oder?“ „Äh, ja… in der Tat. Guten Appetit…“ „Mehr sagst du nicht dazu? Oh, halt. Wusstest du das etwa? Hat Hiroto dir das erzählt?“ Morinaga nickte. „Ja, hat er.“ „Ach, und ich erfahre natürlich nichts! Warum hast du mir das nicht gesagt?“ „Ich wollte nicht, dass du dich aufregst.“ „Und ob ich mich aufrege!“ „Ja, ja“, sagte sein Vater. „Jetzt hast du dich ja genug aufgeregt. Und nun wird gegessen. Guten Appetit.“ „Ihr… das ist…“ Soichi fehlten die Worte. „Dein Vater hat Recht. Reg dich ab. Außerdem sind die beiden alt genug, um selbst zu entscheiden, was sie tun und was sie lassen sollen.“ „Zu alt, wenn du mich fragst! Müssen die denn unbedingt alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist…“ Er sprach nicht weiter. „Warum sollten wir unseren Lebensstil ändern, nur weil wir ein paar Jahre älter sind als ihr?“ fragte sein Vater. „Wir haben immer schon so gelebt.“ „Dann haltet euch wenigstens an Leute in eurem eigenen Alter!“ „Ha, ha, ha, du bist wirklich… amüsant, Sohn.“ „Hör auf, so zu lachen! Es passt mir eben nicht, dass ihr ausgerechnet mit einem unserer Freunde ins Bett geht!“ „Nun, im Bett waren wir nicht direkt.“ „Das wollte ich doch gar nicht wissen!!“ „Ich sage dir was, Junge. Wir sind Männer. Und Männer sind nicht für eine Beziehung mit nur einem Partner geschaffen. Das wirst du mit der Zeit schon noch begreifen.“ „Was soll das heißen? Nur, weil ihr so drauf seid, müsst ihr das nicht auf andere übertragen. Großvater zum Beispiel…“ „Ja, Großvater. Der ist auch eine Ausnahme.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher. Tetsuhiro und ich werden jedenfalls nicht so werden wie ihr, darauf kannst du dich verlassen. Aber was rede ich auch mit dir über ein Thema wie Treue? Du warst ja sogar verheiratet und hast nebenbei deine Beziehung mit Wang gehabt. Gut, dass ich nicht den gleichen Fehler gemacht habe.“ „Ja, und? Deine Mutter wusste das, wie ich dir schon mal erzählt habe. Oder hast du geglaubt, ich hätte es ihr erst gesagt, nachdem wir verheiratet waren?“ „Ach, ihr habt das geklärt, bevor ihr geheiratet habt?“ fragte Morinaga. „Selbstverständlich. Sie hatte kein Problem damit. Unsere Eltern haben damals die Ehe für uns arrangiert, wie ihr wisst. Wir hatten den gleichen gesellschaftlichen Stand. Es war eine reine Zweckehe. Sowohl für sie, als auch für mich. Die Situation war natürlich etwas ungewöhnlich, aber trotzdem waren wir beide zufrieden. Sie hatte ihre Liebhaber, und ich hatte meine. Und dass wir uns nicht geliebt haben, bedeutet nicht, dass wir uns nicht respektiert haben. Oh, und nicht zu vergessen, Wang war natürlich auch zu jedem Zeitpunkt über alles informiert.“ „Du und Respekt vor Frauen“, sagte Soichi abfällig. „.Das wäre ja das Neueste. Du bist der mit Abstand größte Macho, der mir je über den Weg gelaufen ist. Manchmal frage ich mich wirklich, ob es richtig ist, Kanako bei dir aufwachsen zu lassen. Es wäre sicher besser, ich würde sie wieder zu mir holen.“ „Das Essen wird kalt“, versuchte Morinaga abzulenken. „Ist ja gut“, murmelte Soichi. „Mahlzeit.“ Er aß etwas und sah dann wieder zu seinem Vater hinüber. „Wie ist es eigentlich, wenn wir die Möglichkeit bekommen, zu heiraten? Lässt du dich dann scheiden und heiratest Wang?“ „Ach, Kind. Meinst du wirklich, in Japan ändern sich die Gesetze so schnell? In den nächsten Jahren wird das nichts. Vielleicht in zwanzig, dreißig Jahren. Wenn überhaupt.“ „Du kannst einem wirklich allen Mut nehmen! Als ich mich mit Tetsuhiro verlobt habe, warst du es doch, der ganz begeistert davon war! Und jetzt…“ „Ihr könntet in Amerika heiraten. Nehmt die Gelegenheit einfach wahr, wenn ihr sowieso dort seid.“ „Das fehlte noch! Ich werde mich ganz bestimmt nicht auf so eine amerikanische Zeremonie einlassen, die bei uns zuhause keine Gültigkeit hätte. Nein, danke. Wenn ich heirate, dann richtig.“ „Und wenn ihr auch nach Amerika zieht? Wie Tomoe und sein Freund.“ „Ich ziehe doch nicht nach Amerika! Hältst du mich für geistesgestört?“ Tatsumi, der keine Lust hatte, sich weiter mit seinem Sohn herumzustreiten, schrieb nun unter den Augen von Wang etwas auf die Rückseite seiner Visitenkarte. Dann sah er sich nach dem Steward um. „Ach, kommen Sie doch bitte noch einmal her, junger Mann.“ Der Steward trat näher. „Haben Sie Beanstandungen wegen des Essens?“ „Aber nein. Das Essen ist hervorragend. Sagen Sie, wenn wir landen, müssen Sie dann eigentlich noch weiterarbeiten?“ „Ah… nein. Ich fliege erst morgen weiter. Bis dahin habe ich frei.“ „Das trifft sich ausgezeichnet.“ Er setzte sein verführerischstes Lächeln auf und reichte dem Steward die Karte. Der las, was darauf stand, überlegte nicht lange, nickte und wollte sie in die Seitentasche seiner Jacke stecken. Doch aufgeregt, wie er war, fiel sie ihm aus der Hand und landete auf dem Boden. Fast schon panisch wollte er sie aufheben, aber Soichi, der das ganze Geschehen ungläubig beobachtet hatte, war schneller. Schon hatte er die Karte. Morinaga beugte sich zu ihm, um mitzulesen. ‚Du findest uns heute Abend ab zehn Uhr hier:’ Darunter die Adresse des Hotels in Honolulu. Peinlich berührt riss der Steward ihm die Karte aus der Hand, steckte sie ein und verschwand in Richtung Cockpit. „Das… das kann ich einfach nicht glauben! Habt ihr denn überhaupt keinen Anstand?“ entrüstete sich Soichi angesichts dieses neuen Ereignisses. „Der ist erst so alt wie Tomoe!“ Sein Vater lehnte sich entspannt zurück. „Nun spiel mal nicht den Moralapostel. Was war denn das da eben für eine Aktion auf der Flugzeugtoilette? Jetzt guck nicht so. Man hat euch das vorhin genau angesehen. Und euer Verhalten davor war schon ziemlich deutlich. Erst fällst du hier auf deinem Platz über ihn her, dann gehst du schon mal vor, und er rennt dir eine Minute später hinterher.“ „Ja“, grinste Wang. „Das war sogar sehr deutlich.“ „Und dann kommst du mit einem unübersehbaren Knutschfleck zurück“, fügte Tatsumi hinzu. „Knutschfleck? Wo soll der sein?“ fragte Soichi mit zittriger Stimme. „Am Hals. Wo sonst?“ „Zeig mal“, bat Morinaga, und Soichi drehte sich wieder zu ihm. „Oh ja, da ist einer.“ „Warum hast du das gemacht?“ zischte Soichi ihn an. „Ist doch nicht schlimm, oder?“ „Was heißt hier, nicht schlimm? Jetzt sieht das jeder!“ Kanako, die sich gerade wieder zu ihrem Platz durchdrängelte, hatte ihn auch gesehen. „Soichi hat ’n Knutschfleck! Soichi hat ’n Knutschfleck!“ „Schnauze!“ „Ich hab einen ganz tollen Seidenschal mit“, bot sie an. „Im Handgepäck. Willst du dir den um den Hals wickeln?“ „Farbe?“ „So lila. Mit großen roten Herzen.“ „Ha, ha“, prustete ihr Vater los. „Vergiss es!“ lehnte Soichi ab. „Ich heiße doch nicht Hiroto!“ „So was würde nicht mal Hiroto tragen“, sagte Morinaga lachend. „Garantiert nicht. Oh, wir dürfen übrigens nicht vergessen, ihm eine Postkarte aus Amerika zu schicken. Das habe ich ihm versprochen.“ Er stellte Kanako einen Teller hin. „Hier ist deine Portion. Ist sehr lecker. Guten Appetit.“ „Oh, prima! Danke. Du?“ „Ja?“ Sie flüsterte ihm zu: „Die haben hier nicht mal getrennte Toiletten für Männer und Frauen.“ „Ich glaube, das ist so üblich in Flugzeugen.“ „Echt? Wusste ich gar nicht. Du, soll ich dir noch was sagen?“ „Ja?“ „Auf dem Klo eben…“, ihr Flüstern wurde leiser, „… da lag auf dem Boden eine Verpackung von einem Kondom.“ Morinaga fiel fast der Bissen aus dem Mund. „Was hast du?“ fragte Soichi, der von dem Gespräch nichts mitbekommen hatte. „Nichts weiter“, sagte Morinaga schnell. „Das bedeutet doch, dass es da zwei miteinander… gemacht haben“, kicherte sie. „Tja…“ Kanako schüttelte den Kopf. „Leute gibt’s… Na ja, ich esse dann mal. Guten Appetit.“ Amerika Im riesigen Flughafengebäude des Los Angeles International Airport atmete Tomoe tief durch. „Also, noch mal. Auf keinen Fall das Wort ‚schwul’ erwähnen.“ Kurokawa nickte. „Auf keinen Fall.“ „Kein Wort über die Homo-Ehe hier in Amerika. Und erst recht nicht über die, die vielleicht in Japan erlaubt werden soll. Kein Kuss, keine Umarmung. Am besten wird es sein, wenn du mich überhaupt nicht berührst und immer einen Meter Abstand zu mir hältst.“ „Geht klar.“ „Und nichts positives über Amerika sagen.“ „Verstanden.“ „Puh, hoffentlich geht alles gut. Ich hab ehrlich gesagt etwas Angst, Kurokawa.“ „Ich ja auch. Aber gemeinsam stehen wir das schon durch. Wie wohl seine Verlobte ist?“ „Keine Ahnung. Mein Vater hat am Telefon nur gesagt, dass Soichi sich verlobt hat und dass die beiden mitkommen. Wir haben ja nur ganz kurz telefoniert. Höchstens drei Minuten. Er hat halt nie Zeit.“ „Wahrscheinlich kommt für deinen Bruder nur eine typisch japanische, unterwürfige, traditionelle Hausfrau in Frage. So spießig, wie der ist. Mir tut die arme Frau jetzt schon leid.“ „Ja, mir auch, das kannst du mir glauben. Auf Vaters neue Frau bin ich fast noch mehr gespannt. Du, ich freue mich total, dass er wieder geheiratet hat.“ „Komisch, dass er dich nicht zur Hochzeit eingeladen hat. Meinst du, dein Vater ist sauer, weil du mit mir zusammen bist?“ „Nein, glaube ich nicht. Der weiß ja gar nicht, dass wir ein Paar sind. Der denkt, du wärst nur ein Freund. Ich würde ihm am liebsten die Wahrheit sagen. Aber solange Soichi dabei ist, werde ich mich hüten, das Thema anzusprechen. Vielleicht kann ich mit Vater darüber reden, wenn er uns später noch einmal alleine besucht.“ „Und wenn dein Bruder ihm schon alles erzählt hat?“ „Das hätte mir mein Vater gesagt.“ „Merkwürdig auch, dass er dir nicht einmal Fotos von der Hochzeit geschickt hat.“ „Stimmt. Und den Namen seiner neuen Frau hat er auch nicht erwähnt. Aber den werden wir spätestens erfahren, wenn er hier ist. Er hat ja gesagt, er bringt sein ‚Schätzchen’ mit.“ Tomoe zog die Stirn in Falten. „Ich kann nicht ganz verstehen, dass mein Bruder sich gerade jetzt verlobt hat. Er hat doch erst vor kurzem mit einem Bekannten zusammen eine WG gegründet. Dann muss er die ja wieder auflösen.“ „Du, ich finde das irgendwie seltsam, dass er sich ausgerechnet mit Morinaga eine Wohnung teilt. Homophob, wie er ist, hat er doch bestimmt die ganze Zeit Angst, dass der sich an ihn ranmacht.“ „Ja, das ist mir auch unbegreiflich. Vor allem, weil er ja weiß, dass Morinaga ihn mal heimlich im Schlaf geküsst hat. Nachdem er das damals herausgefunden hat, war ich davon ausgegangen, dass er Morinaga nie wieder sehen will.“ „Ob deine Schwester immer noch glaubt, dass die beiden ein Paar sind?“ „Bestimmt nicht“, lachte Tomoe. „Soichi wird ihr das schon ausgeredet haben.“ „Ist ja auch ein absurder Gedanke. Oh, das Wichtigste hätten wir beinahe vergessen. Er darf unter keinen Umständen rauskriegen, das wir beide uns auch…“ „Hey, ist er das?“ Tomoe winkte jemandem zu. „Soichi!! Hier sind wir!!“ Einen Koffer hinter sich herziehend kam Soichi auf die beiden zu. „Nanu, er kommt alleine?“ wunderte sich Kurokawa. „Und ist das nicht Morinaga da neben ihm?“ „Ja, aber wieso…“ „Hallo, Tomoe!“ rief Soichi und nahm seinen kleinen Bruder, der völlig sprachlos war, in die Arme. Morinaga umarmte Kurokawa seinerseits. „Lange nicht gesehen, Mann!“ „Das kann man wohl sagen…“, meinte der. „Ja… willkommen hier in Amerika.“ Und dann standen sich Soichi und Kurokawa gegenüber. „Kurokawa“, sagte Soichi. „Hallo.“ „Hallo… Tatsumi.“ „Wo ist denn Vater? Und Kanako?“ Verwundert sah Soichi Tomoe an. „Die kommen übermorgen oder so nach. Hat Vater dir das nicht gesagt?“ „Nein. Und… deine Verlobte?“ Soichis Augen verengten sich. „Wieso Verlobte?“ Wie konnte sein kleiner Bruder es wagen, Morinaga als seine Verlobte zu bezeichnen? „Vater hat am Telefon total von ihr geschwärmt. Sie sei sehr nett, meinte er.“ „Sie? Hat er das wirklich gesagt?“ „Also, genau genommen hat er gesagt, dass du dich verlobt hast. Und einen besseren Menschen hättest du gar nicht finden können, und ihr wäret ein ganz tolles Paar und so glücklich miteinander…“ „So, hat er das?“ Langsam begriff Soichi. Sein Vater hatte also nichts gesagt. Typisch. „Es gibt keine Verlobte.“ „Nein? Habt ihr euch etwa wieder getrennt?“ Tomoe sah auf die Hand seines Bruders. „Du trägst ja einen Verlobungsring! Es stimmt also doch. Du hast dich verlobt.“ „Natürlich stimmt das.“ Und nun fiel Tomoe auf, dass auch an Morinagas Finger ein Ring steckte. „Oh, Sie haben sich auch verlobt? Ich dachte, Sie wären schw…“ Er unterbrach sich im letzten Moment. Beinahe hätte er das Wort ausgesprochen. Das war gerade noch mal gut gegangen. „Ich meine… äh…“ Aber Morinaga hatte den Satz auch so verstanden. „Doch, doch. Das ist schon richtig. Und ich habe mich mit einem Mann verlobt.“ Ihm war ebenso wie Soichi klar, dass weder Tomoe noch Kurokawa Bescheid wussten. „Schließlich ist in Japan die Homo-Ehe schon seit längerer Zeit im Gespräch, und wir können hoffentlich bald heiraten.“ „Gra-gratulation“, stotterte Kurokawa, der nicht verstand, warum Soichi bei dem Wort ‚Homo-Ehe’ nicht sofort ausrastete. „Danke.“ Morinaga legte einen Arm um Soichi. „Ja. Wir sind sehr glücklich.“ Er lächelte Tomoe an. „Genau, wie euer Vater gesagt hat.“ „Wir?“ Tomoe starrte auf Morinagas Hand, die an Soichis Hüfte lag. „Wieso…“ Er blickte seinem Bruder verwirrt ins Gesicht. „Wieso lässt du dich von einem Mann umarmen?“ „Hast du nicht zugehört, was Tetsuhiro gesagt hat?“ „Wer ist Tetsuhiro?“ fragte Tomoe. „Na, ich. Was Soichi sagen will, ist…“ „… dass Tetsuhiro und ich uns miteinander verlobt haben.“ Soichi nickte. „So. Jetzt ist es raus.“ Tomoe schnappte nach Luft. „Das ist doch ein Witz! Ihr wollt uns verarschen!“ „Was ist denn das für ein Vokabular? Diese Amerikaner haben keinen guten Einfluss auf dich. Ich hätte nie zustimmen dürfen, dass du hierher ziehst.“ Kurokawa räusperte sich. „Okay, ihr habt euren Spaß gehabt. Hört jetzt auf damit.“ Soichi zuckte die Schultern und nahm den Koffer. „Wenn du meinst. Wie wär’s, wollen wir irgendwo was essen, bevor wir zu euch nach hause fahren?“ „Äh… ja. Hier… am Flughafen gibt es… ganz tolle Restaurants“, stammelte Tomoe mühevoll. „Guck, da vorne ist ein japanisches. Wollen wir… da…“ „Ach, nein. Japanisch essen kann ich auch zuhause. Wie wäre es mit dem?“ Soichi zeigte auf eine grelle Leuchtreklame. „Einen Hamburger könnte ich jetzt wohl vertragen.“ „Aber du hasst doch amerikanisches Essen!“ „Wie kommst du darauf?“ „Weil du alles Amerikanische hasst! Was soll das überhaupt?“ schniefte Tomoe. Er sah aus, als müsste er im nächsten Moment losheulen. „Was ist los mit dir? Du bist ganz anders!“ „Ja, du bist richtig nett“, fand auch Kurokawa. „Danke“, sagte Soichi nur, und es war nicht herauszuhören, ob er das auch wirklich so meinte. „Also gut. Dann gehen wir jetzt was essen“, entschied Tomoe. Etwas später saßen sie in dem Burger-Restaurant am Flughafen. Soichi und Morinaga hatten sich zwei riesige Hamburger bestellt. Tomoe und Kurokawa hingegen war der Appetit vergangen. „Hm, gar nicht so schlimm, wie ich zuerst dachte, dieses amerikanische Essen“, meinte Soichi mit vollem Mund. „So, jetzt will ich endlich eine rauchen. Den ganzen Flug über konnte ich das nicht, und als wir in Honolulu zwischengelandet sind, blieb auch keine Zeit für eine Zigarette.“ „Geht nicht“, sagte Tomoe schnell. „In Amerika ist es verboten, in Restaurants und öffentlichen Gebäuden zu rauchen.“ „Was?“ Soichi erhob sich. „Dann eben nicht.“ „Wo willst du hin?“ fragte Tomoe. „Ich rauche draußen eine.“ „Bleib hier. Man darf draußen nicht rauchen.“ Soichi lachte auf. „Ja, sicher. Also, bis gleich.“ „Das ist wirklich so! Du darfst das in Amerika nicht! Sonst wirst du verhaftet!“ „Was Tomoe sagt, stimmt“, meinte Kurokawa. „Und wo soll man sonst bitteschön rauchen? Wer denkt sich solche bescheuerten Gesetze aus?“ „In Privaträumen darf man rauchen“, sagte Kurokawa. „Ach, verdammt. Wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich nie hierher gekommen. Ha, Amerika. Was soll man da schon groß erwarten? Sind doch alles Spinner hier.“ Er setzte sich wieder hin. „Sag das bitte nicht so laut“, flüsterte Tomoe. „Nicht, dass sie dich noch festnehmen.“ „Ist ja gut. Dann rauche ich eben später. Wenn die hier drin ihre ach so tolle amerikanische Luft rein halten wollen, bitte.“ „Hat doch auch Vorteile“, meinte Morinaga. „Wenigstens ist es hier im Restaurant nicht so stickig wie im ‚Adamsite’.“ „Okay, so gesehen hast du Recht“, stimmte Soichi zu. „Da hält man es kaum aus.“ Kurokawa brach in einen Hustenanfall aus. „Bitte, wo? Im ‚Adamsite’?“ „Ja, da waren wir letztes Wochenende. Tetsuhiro, Hiroto, sein Freund Yashiro und ich. “ „Was ist denn ‚Adamsite’?“ fragte Tomoe ahnungslos. „Das ist eine…“, Kurokawa wusste nicht, wie er es sagen sollte, ohne dabei das Wort zu erwähnen, „… eine Art Kneipe.“ „Es ist eine Schwulenbar“, sagte Soichi. Tomoe starrte ihn an. „Was… wolltest du denn da?“ „Wir haben Hirotos Geburtstag gefeiert.“ „Und die haben dich nicht rausgeschmissen?“ „Nein. Wieso sollten sie?“ „Eigentlich hat er fast die ganze Zeit betrunken an der Theke gesessen“, lachte Morinaga. „Oh.“ Er zeigte auf Soichis Wange. „Du hast da Ketchup im Gesicht.“ „Wo?“ „Warte…“ Morinaga reichte über den Tisch, streifte den Ketchup mit dem Zeigefinger von seiner Wange und leckte ihn vom Finger ab. Schockiert stand Tomoe auf. „Kommst du mal kurz mit, Kurokawa?“ „Ja…“ Die beiden verzogen sich in eine andere Ecke des Restaurants. „Hast du das gesehen?“ fragte Tomoe. „Und ob. Was war das denn jetzt? Die benehmen sich wie zwei Verliebte!“ „Ich verstehe das nicht! Es ist, als ob sie ihn ausgetauscht hätten!“ „Er hat nicht zufällig noch einen Zwillingsbruder, von dem du nichts weißt?“ „Schön wär’s…“ Tomoe sah Kurokawa betroffen an. „Ich… ich weiß gar nicht, wie ich jetzt damit umgehen soll.“ „Du meinst, du nimmst ihm das ab, dass sie zusammen sind?“ „Nein, ich meine, dass er auf einmal so freundlich ist.“ „Aber warum tut er so, als ob er schwul wäre? Ausgerechnet er!“ „Woher soll ich das denn wissen?!“ schluchzte Tomoe laut. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht anschreien. Das alles ist nur wieder eine neue Art von Psychoterror, den sich mein Bruder ausgedacht hat.“ „Aber das ergibt doch gar keinen Sinn.“ „Nein… oder…“ „Was ist?“ „Genau… so muss es sein. Ich weiß jetzt, was das soll! Soichi weiß doch, dass wir beide hier in Amerika heiraten können.“ „Das hat er dir ja am Telefon höchstpersönlich erzählt.“ „Eben. Wahrscheinlich ahnt er, dass wir vorhaben, zu heiraten. Und jetzt machen die einen auf schwul, um uns in Sicherheit zu wiegen. Er wartet bestimmt darauf, dass ich sage: ‚Ach, du hast dich mit einem Mann verlobt, dann kann ich es dir ja sagen. Ich habe auch vor, einen Mann zu heiraten.’ Und sobald er das weiß, zeigt er sein wahres Gesicht!“ „Meinst du? Und dafür betreibt er so einen Aufwand? Nein…“ Kurokawa schüttelte den Kopf. „Das Verrückte dabei ist, dass das alles so echt wirkt. Als ob die das wirklich ernst meinen. Hast du den Knutschfleck an seinem Hals gesehen?“ „Den kann er auch von einer Frau haben. Oder er hat sich den mit einem Staubsauger gemacht.“ „Und was ist, wenn er Mitglied in einer Sekte geworden ist?“ „Das könnte natürlich sein… Es soll ja Sekten geben, die einen umpolen. Obwohl ich gehört habe, dass das gar nicht funktionieren kann.“ Soichi winkte zu ihnen herüber. „Ich glaube, dein Bruder will, dass wir zurückkommen.“ „Gut, gehen wir. Am besten, wir tun so, als ob alles in Ordnung ist und gehen gar nicht weiter auf diesen Unsinn ein.“ „Ja.“ Sie setzten sich wieder zu den beiden anderen. Soichi aß gerade den Rest seines Hamburgers. „Hör mal, Tomoe. Ich kann ja verstehen, dass das im Moment nicht so leicht für dich ist. Und dass du es vielleicht etwas seltsam findest, dass dein großer Bruder mit einem Mann zusammen ist.“ „Schon… okay.“ „Es tut mir auch leid, dass wir dich jetzt so damit überrumpelt haben. Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass du schon alles weißt. Dass Vater dir alles erzählt hat. Wie auch immer, du weißt es ja nun.“ „Da gratulier ich auch schön“, meinte Kurokawa bissig. „Ladet ihr uns denn zu eurer Hochzeit ein?“ „Das brauchst du gar nicht in so einem Ton zu sagen“, entgegnete Soichi verärgert. „Du glaubst uns wohl nicht, was?“ „Erwartest du ernsthaft, dass wir das glauben?!“ rief Kurokawa wütend. „Du musst uns schon für reichlich beschränkt halten!!“ „Pst!“ zischte Tomoe. „Wir wollten doch so tun…“ Kurokawa unterbrach ihn. „Wenn ihr wirklich zusammen seid, dann küsst euch doch mal! Na los!“ Soichi sprang auf, langte über den Tisch und packte Kurokawa, der ihm schräg gegenüber saß, am Kragen. „Ich küsse Tetsuhiro, wann ich es will, und nicht, wenn du es mir befiehlst! Verstanden?!“ „Oh ja, ich habe verstanden! Aber die Ausrede zieht bei mir nicht! Als ob du jemals einen Mann küssen würdest!“ „Es reicht mir jetzt, Kurokawa! Ich komme doch nicht den weiten Weg hierher nach Amerika, um mich von dir runtermachen zu lassen! Wie gut, dass wir noch am Flughafen sind. Tetsuhiro, wir nehmen die nächste Maschine nach Japan.“ „Hört auf zu streiten!“ bat Tomoe flehend. „Ja. Lass gut sein, Soichi“, stimmte auch Morinaga zu und stand auf. „Wir sollten jetzt am besten zu euch nach Hause fahren und unseren Koffer auspacken.“ Sie hatten den Koffer und die Reisetasche, die sie als Handgepäck mitgenommen hatten, ins Auto geladen und waren auf dem Weg zur Wohnung der beiden. Während sie vor einer roten Ampel hielten, sagte Tomoe plötzlich: „Guck, da vorne ist Rick. Fahr bitte rechts ran, Kurokawa.“ Und mit einem Blick auf die Rückbank, auf der sein Bruder und dessen angeblicher Verlobter saßen, fügte er hinzu: „Ich muss mal vernünftige Leute sehen, sonst verliere ich völlig den Verstand.“ Als Kurokawa gehalten hatte, stieg Tomoe aus. „Hi, Rick!“ „Hey, Tomoe!“ „Kommt, steigen wir auch einen Moment aus“, schlug Kurokawa vor. „Hi, boys!“ begrüßte Rick die drei anderen. „Well, wen haben wir denn da? Bist du nicht der big brother von Tomoe? Soichi? All right, Tomoe hat ja gesagt, dass du vorbeikommst. Oh, ganz allein? Ich dachte, du bringst deine Verlobte mit?“ „Es gab da ein kleines Missverständnis“, sagte Soichi. Abschätzend musterte Rick Morinaga von oben nach unten. „Hi. Und wer bist du?“ „Morinaga Tetsuhiro. Hallo. Freut mich, dich kennen zu lernen.“ „Tetsuhiro, so…“ Rick ging auf ihn zu und lächelte ihn viel sagend an. „Ganz alleine hier in den Staaten? Soll ich dir ein bisschen was von L.A. zeigen?“ Soichi trat zwischen die beiden. „Das reicht jetzt.“ „Ach, sei kein Spielverderber, Soichi. Während du deinen süßen Bruder besuchst, kann ich mich in der Zeit doch ein bisschen um euren Freund kümmern und ihm die Clubs in der City zeigen. Was meinst du, Tetsuhiro?“ Er zwinkerte Morinaga zu. „Danke, nein!“ antwortete Soichi, dem es gar nicht passte, dass Rick sie so vertraut ansprach. „Kann er das nicht selber entscheiden? Who is he? Dein boyfriend, right? Ja, ja, als wir uns das erste Mal gesehen haben, dachte ich mir schon, dass du einer von uns bist.“ Rick grinste. „Damals, als du mit Mitsugu im Flur geschmust hast.“ Tomoe und Morinaga blickten erst Rick erschüttert an, dann Soichi und Kurokawa. „Was meinst du?“ fragte Tomoe bestürzt. „Ist das wahr?“ „Als ob ich den freiwillig anfassen würde!“ Soichi schüttelte sich. „Ganz meine Meinung!“ sagte Kurokawa mit Nachdruck und nahm Tomoes Hand. „Von dem, was Rick sagt, stimmt kein Wort, Tatsumi!“ „Ehrlich?“ „Ja! Ich fang doch nichts mit deinem Bruder an!“ Tomoe lachte erleichtert auf. „Natürlich nicht. Wie konnte ich nur so etwas annehmen?“ Rick hakte sich bei Tomoe unter. „Hey, wollt ihr nicht noch mit zu mir kommen? Ich lade euch auf ’ne Cola ein. Du kannst dann auch gleich die DVD mitnehmen, die ich dir leihen wollte. Lasst den Wagen einfach hier stehen. Und, Tomoe? Was hast du heute von deinem Mitsugu zum Valentinstag bekommen?“ „Ach, weißt du, bei uns in Japan verschenken nur Mädchen etwas zum Valentinstag“, antwortete Tomoe, während die fünf zu Ricks Apartment gingen, das ganz in der Nähe war. „Wir sind aber in America, Darling. Heißt das, du hast nichts bekommen?“ „Nein. Und was ist mit dir? Hat Phil dir etwas geschenkt?“ „Oh, verschone mich mit dem! Er will nachher noch vorbeikommen, hat er gesagt.“ „Hast du etwas für ihn?“ „No, ich schenke ihm nichts. Wenn ich das mache, werde ich ihn nie wieder los.“ „Aber ihr seid doch jetzt wieder ein Paar.“ „Du bist really sweet, Tomoe. Phil und ich sind kein Paar. Das, was wir machen, hat damit nichts zu tun.” „Hm… du, Rick? Hast du das eben ernst gemeint? Glaubst du Soichi wirklich, dass er sich mit ihm verlobt hat?“ „What? Verlobt?“ Rick zeigte auf Soichi und Morinaga. „Ihr beide? Oh my goodness, ihr tragt sogar Ringe! Du, Tomoe, dann kannst du es deinem brother doch sagen, oder nicht?“ „Rick, nicht…“ „Tomoe und Mitsugu haben sich nämlich auch miteinander verlobt!“ Sie hielten an. Tomoe schossen die Tränen in die Augen. Es war geschehen. Rick hatte es ausgesprochen. Damit wusste sein Bruder nun Bescheid. Soichi schluckte. „Das war ja vorauszusehen.“ „Bitte sei nicht böse!“ Kurokawa trat schützend vor Tomoe. „Wir hätten es dir bestimmt gesagt!“ „So? Wann? Nach eurer Hochzeit?“ „Wir… sag mal, wieso bleibst du so ruhig?“ fragte Kurokawa verwirrt. „Hätte ich denn einen Grund, laut zu werden?“ „Ja!!“ schrie Tomoe mit tränenüberströmtem Gesicht. „Du kannst jetzt dein ganzes falsches schwules Verhalten ablegen und uns endlich sagen, was du schon die ganze Zeit sagen willst!!“ „Schrei mich nicht an, Tomoe!!“ „Doch!! Warum benimmst du dich nicht einfach normal?! Merkst du nicht, dass du uns allen Angst machst, wenn du so nett bist?!“ „Der einzige, der sich hier nicht normal benimmt, bist du. Jetzt beruhige dich endlich, und akzeptiere mich so, wie ich bin.“ Dann sah er Rick an. „Wollten wir nicht zu dir?“ „Yes. Nur noch um die eine Ecke, dann sind wir da.“ Soichi setzte sich in Bewegung, die anderen folgten einen Moment später. Er war nicht scharf darauf, zu diesem Amerikaner in die Wohnung zu gehen, aber er spürte, dass er bald durchdrehen würde, wenn er nicht endlich die Gelegenheit bekam, eine Zigarette zu rauchen. Während der Fahrt vorhin hatten sich Tomoe und Kurokawa dagegen ausgesprochen, da sie nicht wollten, dass in ihrem Auto geraucht wurde. Und langsam aber sicher machte sich der Nikotinentzug bemerkbar. Ein paar Minuten darauf waren sie in Ricks kleinem Apartment und hatten im Wohnzimmer Platz genommen. Tomoe schniefte noch immer vor sich hin. Rick kam gerade mit fünf Gläsern und zwei Flaschen Cola aus der Küche, als Soichi das Feuerzeug anstellte. „No!!“ „Was?“ Soichi nahm erschrocken den Daumen von Feuerzeug, so dass die Flamme ausging. „Sorry, aber hier drin wird nicht geraucht.“ „Wieso nicht?!“ „Das hier ist eine Nichtraucherwohnung. Mein Vermieter würde mir sofort kündigen, wenn er rauskriegt, dass hier geraucht wurde.“ „Es ist nur eine einzige Zigarette!“ „No.“ Verärgert steckte Soichi Zigaretten und Feuerzeug wieder weg. Rick schenkte ihnen Cola ein, griff in das Regal neben dem Fernseher und legte eine DVD vor Tomoe auf den Tisch. „Hier, Darling.“ „Danke. Ich gebe sie dir dann in ein paar Tagen zurück“, sagte Tomoe und putzte sich die Nase. „Lass dir ruhig Zeit.“ „Was ist denn das für ein Film?“ Soichi nahm sich die DVD und las den englischen Titel. „‚Bro… ke… back…’ Ach so. Das ist der mit den Cowboys.“ Fassungslos sah Tomoe ihn an. „Jetzt sag nicht, dass du den kennst.“ „Als ob ich mir so was angucken würde! Tetsuhiro wollte sich den mit mir zusammen im Kino ansehen, aber ich hatte keine Lust dazu.“ „Das wundert mich nun überhaupt nicht“, sagte Kurokawa. „Na ja, Soichi meinte, der wäre ihm zu amerikanisch. Ich bin dann mit Hiroto ins Kino gegangen.“ Morinaga nahm Soichi den Film aus der Hand. „Wusste gar nicht, dass es den hier schon auf DVD gibt.“ Rick setzte ich neben ihm auf das Sofa. „Yes, hier in America gibt es so einiges“, sagte er und rückte näher an ihn heran. „Ich hab noch ein paar gute Filme. Willst du…“ „Er will nicht!“ unterbrach ihn Soichi. Da klingelte es. „Ihr entschuldigt mich kurz.“ Rick ging zur Haustür und öffnete. Es war kein Mensch zu sehen. Auf dem Flur im Treppenhaus stand eine große Kiste aus Holz. Darauf lag ein Zettel. ‚Lieber Rick, bitte bring die Kiste in deine Wohnung und öffne sie dort. Einfach den Deckel abheben.’ „Phil…“ murmelte Rick und schob die Kiste an. Sie war schwer, aber da sie auf einem Rollbrett stand, war es relativ einfach, sie durch die Tür zu bekommen. „Was ist das denn?“ rief Kurokawa. „Mein Valentinstagsgeschenk von Phil, schätze ich.“ Wie auf dem Zettel gewünscht, nahm er den Holzdeckel ab. Die Wände der Kiste klappten auseinander und zum Vorschein kam eine übergroße Torte aus Pappmaché. „Nein…“ Rick seufzte auf. „Komm schon raus da, Phil.“ Der obere Teil der Torte wurde von innen abgehoben, und dann stand Phil in voller Lebensgröße vor ihnen. Nackt. „Alles Liebe zum Valentinstag, Rick!“ Soichi schrie entsetzt auf und hielt Tomoe die Augen zu. Morinaga, der neben ihm saß, starrte auf Phils Mitte. „Würdest du bitte woanders hingucken?!“ fuhr Soichi ihn an. „Äh… oh, sicher.“ Morinaga wurde rot und sah zur Seite. „Entschuldigung…“ Phil sah sich um. „Oh. Du hast Gäste.“ „Halt dir gefälligst was davor!!“ kommandierte Soichi mit bebender Stimme, ohne Phil dabei anzusehen. Phil nahm seelenruhig das Stück Pappmaché, das eben noch oben auf der Torte gelegen hatte und hielt es vor sich. Erleichtert nahm Soichi die Hand von den Augen seines Bruders. „Wie um alles in der Welt bist du in die Torte gekommen und hast danach die Kiste noch zugekriegt?“ fragte Rick. „Ein Freund hat mir dabei geholfen. Er war es auch, der geklingelt hat.“ „Und das ist jetzt also dein Valentinstagsgeschenk, ja?“ „Ja, aber das ist noch nicht alles. Lieber Rick, ich möchte dich fragen, ob du mich heiraten willst.“ „Nein!” sagte Rick entschieden. Enttäuscht senkte Phil den Kopf. „Warum denn nicht?“ „Wie kann ich jemanden heiraten, mit dem ich nicht mal zusammen bin?!“ „Aber wir sind doch zusammen.“ „Sind wir nicht!“ „Wir schlafen miteinander.“ „Ja, das war’s dann auch schon!“ „Ich dachte, du liebst mich…“ „Das tue ich nicht! Und außerdem will ich nicht mit einem Mann zusammen sein, dem ich alles sagen muss!“ „Ich habe aber gar nichts dagegen, wenn du mir sagst, was ich tun soll“, meinte Phil ehrlich. „Hör mal. Wenn ich tatsächlich eines Tages eine feste Beziehung mit jemandem eingehen sollte, will ich einen richtigen Mann, der seine eigene Meinung hat. Nicht so ein Weichei wie dich!“ Die anderen sahen Rick bestürzt an. Phil tat ihnen leid. Aber diesem schienen Ricks Worte nicht viel auszumachen. „Aber Tomoe findest du doch auch toll. Und der ist auch kein richtiger Mann. Mehr ein Kind.“ „Ach, mit Tomoe ist das etwas anderes. Tomoe ist niedlich. Den muss man einfach lieben. Phil, es hat keinen Zweck mit uns beiden. Sobald wir wieder eine richtige Beziehung miteinander haben, fängst du an, mir Vorwürfe zu machen, wenn ich mit jemand anderem schlafe.“ „Wenn wir erstmal zusammen sind, wirst du merken, dass du keine anderen Männer brauchst.“ „Nein, Phil! Ich will das nicht!“ „Das ist wirklich schade. Dann… oh, mir fällt ein, ich habe ja noch ein anderes Geschenk für dich.“ „Du hast noch etwas?“ „Ja. Hier.“ Phil nahm ein kleines Päckchen aus der Torte und hielt es ihm hin. Rick riss das mit Herzchen bedruckte Papier ab. „Plüschhandschellen?!“ „Ja. Dann kannst du mit mir machen, was du willst.“ „Das kann ich auch so.“ Rick ließ die Handschellen um seinen Zeigerfinger kreisen. „Also wirklich. So ein Kinderkram.“ Er reichte sie Tomoe. „Das ist mehr was für dich. Alles Gute zum Valentinstag!“ „Äh… danke“, sagte Tomoe überrascht. Soichi nahm sie ihm weg. „Kommt gar nicht in Frage! Für so was bist du noch viel zu klein.“ „Aber Rick hat sie mir geschenkt!“ „Dann geben wir sie ihm eben zurück.“ Und damit drückte Soichi Rick das Geschenk wieder in die Hand. Der schüttelte den Kopf. „Ich will das Kinderspielzeug nicht haben. Wie es aussieht, bleibt damit nur noch einer übrig. Da du nicht willst, dass Tomoe sie bekommt, brauche ich sie Mitsugu gar nicht erst zu geben.“ Er setzte sich wieder neben Morinaga und strahlte ihn an. „Bitte, Tetsuhiro. Viel Spaß damit.“ „Danke“, murmelte Morinaga verlegen und strich mit den Fingerspitzen über den schwarzen Plüschbezug. „Und denk daran, sie im Koffer zu transportieren, wenn ihr zurück nach Japan fliegt“, sagte Rick weise. „Wenn du sie ins Handgepäck tust, könnte das bei der Metall-Kontrolle am Flughafen sonst peinlich für euch werden.“ Morinaga ließ die Handschellen in seiner Jackentasche verschwinden. „Ich werde daran denken.“ „Was willst du denn mit den Dingern?“ fragte Soichi mürrisch. „Lass die hier.“ „Nein.“ Phil stieg aus der Torte. „Soll ich lieber gehen?“ Rick sah ihn genervt an. „Musst du wissen. Von mir aus bleib.“ „Aber ich glaube, wir gehen jetzt besser“, sagte Kurokawa. „Danke für die Cola.“ „Keine Ursache.“ Rick brachte die vier zur Tür. „Bye-bye!“ In der geräumigen Wohnung von Tomoe und Kurokawa stellte Soichi das Gepäck im Gästezimmer ab. Tomoe baute sich vor seinem Bruder auf. „Wie lange wollt ihr dieses Spiel noch mit uns treiben?“ Soichi antwortet nicht. Er setzte sich auf das Bett und wollte nach seinen Zigaretten greifen. „Hey, das geht aber nicht! Kurokawa und ich sind beide Nichtraucher. Wir möchten nicht, dass du uns hier die Bude voll qualmst.“ „Wie bitte? Dein toller Kurokawa hat doch vorhin gesagt, in Privaträumen darf geraucht werden!“ „Ja, aber zu entscheiden haben das letztendlich die Besitzer.“ „Willst du mir jetzt allen Ernstes weismachen, dass du als mein kleiner Bruder mir das verbieten willst?“ „Ja“, sagte Tomoe entschlossen. „Das ist doch die Höhe!“ Soichi stand auf und ging ins Wohnzimmer. „Möchtest du stattdessen etwas trinken?“ fragte Kurokawa vorsichtig. „Wir haben zwar keinen Alkohol da, aber…“ „Dann will ich einen Kaffee“, sagte Soichi unfreundlich und nahm auf dem Sofa Platz. „Ja, gerne.“ Kurokawa eilte in die Küche. „Brauchst du Hilfe?“ rief Morinaga ihm hinterher. Als keine Antwort kam, ging er zu ihm. „Tut mir wirklich leid, dass er so schlecht drauf ist. Normalerweise ist er nicht so. Ich weiß ja, dass er viel raucht, aber dass er derart abhängig davon ist, war mir auch nicht bewusst.“ Kurokawa sah ihn verzweifelt an. „Was heißt hier, normalerweise? Er ist überhaupt nicht mehr normal! Was ist denn bloß mit ihm los? Wieso behauptet er, sich mit dir verlobt zu haben? Seid ihr in einer Sekte oder so? Haben die eine Gehirnwäsche mit ihm gemacht? Nimmt er Drogen?“ „Nein. Es ist einfach so, wie wir sagen. Wir lieben uns.“ „Ich habe wirklich gedacht, dass du mir die Wahrheit sagst. Wir sind doch so etwas wie Brüder, Morinaga. Als wir uns damals im ‚Adamsite’ das erste Mal begegnet sind, wusste ich gleich, dass wir seelenverwandt sind. Und gerade deswegen hätte ich erwartet, dass wenigstens du ehrlich zu mir bist. Jetzt sage mir bitte ganz offen, warum er so freundlich und ruhig ist.“ Morinaga nickte. „Ganz einfach. Wir schlafen fast jeden Tag miteinander.“ Kurokawa schluckte. Dann nahm er die volle Kaffeetasse aus dem Automaten, ging damit zu Soichi und stellte sie vor ihm auf den Tisch. Soichi sah verächtlich in die Tasse. „Was ist das?“ „Espresso“, sagte Tomoe, der ihm gegenüber saß. „Ich wollte einen richtigen Kaffee haben und nicht so eine amerikanische Brühe.“ „Das ist richtiger Kaffee! Was anderes haben wir nicht hier! Trink den oder lass ihn stehen!“ Tomoe hatte genug. „Weißt du was? Mir ist das alles zu blöd! Ich gehe jetzt und komme heute Abend irgendwann wieder! Kommst du mit, Kurokawa?“ „Ja… ja.“ Kurokawa stolperte in Richtung Wohnungstür. „Wo wollt ihr denn hin?“ rief Soichi seinem Bruder nach. „Weiß ich nicht. Irgendwohin, wo normale Leute sind. Tschüß!“ verabschiedete sich Tomoe gereizt. „Warte! Wenn ihr schon rausgeht… gibt es da irgendwo eine Apotheke in der Nähe?“ „Ja, ein paar Blocks weiter ist eine. Wieso?“ „Bring mir eine Schachtel Nikotinpflaster mit. Oder besser noch zwei. Und Nikotinkaugummis. Ich gebe dir das Geld dafür nachher wieder.“ „Okay. Aber rechne nicht damit, dass ich dir die jetzt sofort hole. Wenn wir nachher wiederkommen, bring ich die mit.“ Die beiden Männer schlugen die Tür hinter sich zu. Soichi fasste sich an den Kopf. „Scheiße…“ „Die werden sich schon an den Gedanken gewöhnen. Gib ihnen Zeit.“ „Das meine ich überhaupt nicht! Mir doch egal, was die denken! Ich hab verdammte Kopfschmerzen.“ „Du bist auch ganz blass.“ „Ich habe, seit wir aus Japan weg sind, nicht eine einzige Zigarette geraucht.“ Er nahm die Schachtel wieder aus seiner Jacke. „Was machst du? Die wollen doch nicht, dass du…“ „Ja, und?“ Er stand auf und wollte ein Fenster öffnen. „Bis die zurück sind, ist das rausgelüftet.“ Morinaga stürzte auf ihn zu und riss ihm das Feuerzeug aus der Hand. „Nein! Lass es!“ „Was fällt dir ein, mir das verbieten zu wollen? Für wen hältst du dich eigentlich? Gib das sofort wieder her!“ „Ich will nur nicht, dass du dir Ärger einhandelst.“ Er nahm Soichi die Zigarette aus dem Mund und legte sie und das Feuerzeug beiseite. „Wir fliegen in ein paar Tagen nach Nagoya zurück. Dann kannst du soviel rauchen, wie du willst.“ „In ein paar Tagen? Wie soll ich das denn ein paar Tage aushalten? Was ist das für ein Land, in dem man sich nicht normal benehmen kann?“ Er schleuderte die Zigarettenschachtel zu Boden. „Was bin ich für ein Idiot gewesen, überhaupt hierher zu fliegen? Ich hätte wissen müssen, dass es so kommt! Verdammter Mist! Ich hasse dieses Land!“ „Jetzt ist es aber langsam mal gut, oder?“ fragte Morinaga genervt. „Ja, es ist gut. Wir fliegen zurück.“ „Bitte, was?“ „Wenn du hier bleiben willst, bleib. Ich tue es nicht.“ Er nahm den Telefonhörer ab. „Wen rufst du an?“ „Den Flughafen. Ich buche meinen Rückflug um.“ „Hast du denn die Nummer?“ „Verdammt! Nein.“ Er legte wieder auf. „Wo habe ich die aufgeschrieben? Steht die vielleicht auf den Tickets…“ „Warte.“ „Was ist denn?“ „Wäre das jetzt nicht eine gute Gelegenheit, damit aufzuhören?“ „Mit dem Rauchen? Vergiss es. Ich kann das nicht.“ „Hast du es denn schon einmal versucht?“ Soichi schüttelte den Kopf. „Seit wann rauchst du eigentlich?“ „Seit ich fünfzehn bin. Ich habe damit angefangen, als…“ „Verstehe.“ Morinaga schloss ihn in die Arme. „Aber das ist doch jetzt alles aus der Welt geräumt. Die Dinge haben sich geändert. Meinst du nicht, dass du es schaffen könntest?“ „Hör schon auf mit deinem mitleidigen Gerede, ja?!“ „Ich will dir nur helfen!“ rief Morinaga, der jetzt ebenfalls sauer war. „Dann werde doch selber damit fertig!“ Er sah Soichi an. „Hey, nicht weinen… Ist ja okay, wir fliegen zurück.“ „Ich weine nicht, du Idiot!“ „Ja, ich weiß, du regst dich nur auf…“ Soichi wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. „Ja, verarsch mich nur.“ „Jetzt redest du wie dein kleiner Bruder.“ „Halt dein Maul! Du kannst das überhaupt nicht nachvollziehen! Hast du schon mal so einen Entzug erlebt? Nein? Na also!“ Soichi ließ sich wieder auf das Sofa fallen und trank den Espresso aus. Morinaga setzte sich daneben und legte einen Arm um ihn. „Nein, das habe ich zum Glück wirklich noch nie.“ „Findest du ihn… eigentlich nett?“ „Wen? Wovon redest du jetzt denn?“ „Ich meine diesen Amerikaner.“ „Rick?“ Soichi nickte. „Er ist ganz okay.“ „Mehr nicht?“ „Sag mal, Soichi, was soll das?“ „Er fand dich anscheinend nett. Hat dir sogar etwas geschenkt.“ „Ja, und? Darf er mir nichts schenken? Das hat doch nichts zu bedeuten.“ „Und? Ist er dein Typ?“ Morinaga lachte auf. „Du glaubst, ich will was von ihm?“ Soichi überhörte die Frage. „Und ich habe genau gesehen, wie du diesen anderen Amerikaner angeguckt hast. Vor allem, wo du hingestarrt hast.“ „Wenn der auch so nackt vor mir steht!“ „Man kann den Leuten auch ins Gesicht sehen. Du brauchst mir nichts vorzumachen. Mir ist schon bewusst, dass ich nicht der einzige bin, mit dem du zusammen warst. Ich sehe es doch an meinem Vater. Der kann auch nicht treu sein. Dann dieser Rick. Macht sich an dich ran, obwohl er einen festen Freund hat.“ „So, wie ich das mitgekriegt habe, ist Phil nicht sein fester Freund. Verstehe ich dich richtig? Du gehst davon aus, dass ich dir früher oder später untreu werde?“ Soichi zuckte die Schultern. „Wie viele feste Beziehungen hattest du eigentlich? Zwei?“ „Ja, zwei.“ „Und als du… mit ihm zusammen warst, warst du ihm da treu?“ „Ja.“ „Und er?“ „Ich denke, dass Masaki mir auch treu war.“ „Aber du weißt es nicht.“ „Man kann nie hundertprozentig sicher sein.“ „Mit anderen Worten, ich kann mir auch nicht hundertprozentig sicher sein.“ „Doch, das kannst du. Zwischen uns beiden ist es ganz anders als zwischen Masaki und mir. Zwischen dir und mir besteht ein viel größeres Vertrauen.“ „Als ihr euch damals getrennt habt, hattest du aber noch einige andere Männer, richtig?“ „Warum willst du das jetzt wissen?“ „Wir haben nie wirklich darüber gesprochen. Wie viele waren es?“ „Keine Ahnung.“ „Mehr als zehn?“ „Oh ja, weit mehr.“ „Mehr als… zwanzig?“ „Hör auf. Ich weiß die genaue Zahl nicht. Ich habe sie nicht gezählt. Es waren auf jeden Fall mehr als zwanzig. Das spielt doch jetzt überhaupt keine Rolle mehr. Ich bin mit dir zusammen. Nur, weil dein Vater, genau wie Rick, nebenbei noch andere Männer hat, muss das bei uns nicht auch so laufen. Guck dir zum Beispiel Hiroto an. Der ist total glücklich mit seinem Yashiro. Und ich weiß genau, dass Hiroto nicht fremdgeht, wenn er eine feste Beziehung hat.“ „Die sind auch erst zwei Wochen zusammen.“ „Und was ist mit deinem Bruder und Kurokawa? Die sind sich doch auch treu.“ „Woher willst du das wissen? Diesem Kurokawa traue ich alles zu.“ „Okay, mir reicht es jetzt.“ Morinaga nahm den Arm von Soichis Schultern. „Ich verstehe, dass du dich im Moment nicht gut fühlst. Und ich kann es tatsächlich nicht nachempfinden, was du gerade durchmachst. Ich sage dir jetzt eins, und das meine ich auch so. Ich liebe dich. Ich will mit keinem anderen Mann zusammen sein. Und ich will mit keinem anderen schlafen. Lass die anderen machen, was sie wollen. Lass deinen Vater von mir aus jeden Tag mit einem anderen ins Bett gehen. Das sind Dinge, die jeder für sich selbst entscheiden muss. Für mich ist das jedenfalls nichts. Ich will mit dir zusammen sein. Nur mit dir. Unsere Beziehung ist mir so ernst wie noch nie etwas in meinem Leben. Hast du das jetzt endlich begriffen?“ Er legte sanft seine Finger unter Soichis Kinn. „Sieh mich an.“ Soichi hob seinen Kopf. „Ist ja gut.“ „Das heißt, du glaubst mir?“ „Ja.“ „Und was ist mit dir?“ „Was soll schon sein?“ „Außer mit mir hast du mit keinem anderen Erfahrungen sammeln können. Möchtest du nicht wissen, wie es mit jemand anderem ist?“ „Warum fragst du so was? Du weißt doch genau, dass ich das nicht will.“ „Eben. Und du weißt, dass ich das genau so sehe. Also sollten wir jetzt am besten mit dem Thema aufhören. Oder kann es sein“, Morinaga war ein Gedanke gekommen, „dass du ein wenig gekränkt bist, weil ich es war, der Rick gefallen hat und nicht du?“ Soichi sprang vom Sofa auf. „Als ob ich Wert darauf legen würde, irgend so einem dahergelaufenen Amerikaner zu gefallen!“ „Aha. Ins Schwarze getroffen.“ „Du spinnst doch!“ Nervös fingerte er sich an den Lippen herum. „Verdammt… ich brauche eine Zigarette. Sofort!“ „Vielleicht hilft es dir, wenn du erstmal eine Kleinigkeit isst.“ „Nein, keinen Hunger. Hm… hast du vielleicht Kaugummis dabei?“ „Nein, hab ich nicht.“ „Wenn ich nicht bald irgendwas…“ Suchend sah sich Soichi um. Morinaga dachte kurz über etwas nach, dann stand er auch auf. Langsam fuhr er mit seinem Daumen über Soichis Unterlippe. „Irgendwas?“ Er kam seinem Gesicht näher, streifte den Mund des anderen mit seinen eigenen Lippen und küsste ihn leicht. „Du brauchst das Gefühl, dass dort etwas ist, nicht wahr?“ „Ja…“ „Und wie fühlte sich das an? Hat dir das gereicht?“ „Nein.“ Morinaga küsste ihn noch einmal. Zuerst wieder ganz leicht, dann intensiver. Er stieß mit der Zunge in ihn vor, und schließlich stimmte Soichi mit ein. Atemlos fragte er danach: „Besser?“ „Etwas.“ „Möchtest du… nicht noch einen Schritt weiter gehen?“ Fragend sah Soichi ihn an. „Ich meine unsere Abmachung.“ Soichi zuckte zusammen. Im schlimmsten Fall hatte Morinaga ein lautes ablehnendes ‚nein’ erwartet, aber die Reaktion auf seinen Vorschlag fiel deutlich heftiger aus. „Du bist ein ganz mieses Schwein, Tetsuhiro!!“ Augenblicklich wurde Morinaga klar, dass er den Bogen überspannt hatte. „Tut mir leid! Tut mir leid!!“ „Selbst jetzt nutzt du die Situation noch aus!“ „Ich sage doch, es tut mir leid!“ „Du weißt genau, wie dreckig es mir gerade geht!“ „Ja, doch! Deswegen dachte ich ja… dass es dir vielleicht… helfen könnte. Es tut mir wirklich leid!“ „Gar nichts tut dir leid! Los, komm mit! Wir machen das bei uns im Zimmer. Nicht hier.“ Morinaga glaubte, sich verhört zu haben. „Was, echt jetzt?“ Statt einer Antwort zog Soichi ihn hinter sich her in das Gästezimmer. Morinaga ließ die Tür ins Schloss fallen und küsste ihn erneut. Er nahm ihm die Brille ab, löste sein Haarband und strich ihm durch die langen Haare. „Du bist so lieb…“ „Und du bist ein verdammter Egoist, der mich nur ausnutzt.“ Er zog den Reißverschluss von Morinagas Hose auf. „Dir ist klar, was das für Folgen für dich hat, wenn ich das jetzt tue?“ „Ja.“ Soichi ging vor ihm auf die Knie. „Mach die Augen zu.“ „Wenn es sein muss…“ Er sah nach oben und versicherte sich, dass Morinaga wirklich die Augen geschlossen hatte. Dann tat er es ihm gleich und atmete tief durch. „Okay.“ Tomoe schloss die Tür zur Wohnung auf. „So was blödes. Dabei nehme ich das sonst immer mit, wenn ich rausgehe.“ „Wenn dein Bruder sich so bescheuert benimmt, ist das ja auch kein Wunder.“ Kurokawa blickte sich um. „Nanu? Sind die auch weggegangen?“ Tomoe griff nach seinem Portemonnaie, das auf der Kommode im Wohnzimmer lag. „Ich hab’s. Kommst du?“ „Einen Moment.“ Kurokawa horchte. „Ich glaube, die sind doch da. Ich meine, ich habe gerade etwas aus ihrem Zimmer gehört.“ Er trat vor die Tür des Gästezimmers und fragte leise: „Hallo?“ „Jaaa…“, kam es von drinnen. Morinagas Stimme. Kurokawa drückte die Klinke hinunter und trat ein. Da stand Morinaga, mit dem Rücken an den Kleiderschrank gelehnt. Vor ihm kniete Soichi und… „Nein!“ entfuhr es Kurokawa unwillkürlich. Erschrocken drehte Soichi den Kopf zur Seite. Für den Bruchteil einer Sekunde traf sich sein Blick mit dem Kurokawas. Kreidebleich und schockiert machte Kurokawa auf dem Absatz kehrt und ging zu Tomoe zurück. „Was hast du?“ fragte Tomoe seinen Freund. „Ich hab gerade… etwas gesehen… was gar nicht… sein kann“, stammelte Kurokawa. „Was?“ „Dein Bruder… er hat…“ Die Hand vor den Mund gepresst stürmte Soichi über den Flur und verschwand im Badezimmer, Morinaga hinter ihm her. „Was haben die denn?“ Tomoe hörte, wie im Bad der Wasserhahn voll aufgedreht wurde. „Was wolltest du gerade sagen?“ „Erinnerst du dich noch an das… was Rick… dich letzte Woche gefragt hat? Ob du… bei mir… diese eine Sache… machst? Du weißt schon… das, was dir… so peinlich war.“ Tomoe errötete. „Ach, du meinst… diese Sache…“ „Genau das… meine ich.“ „Aber warum fragst du jetzt danach? Wir machen das doch gar nicht.“ „Wir nicht. Dein Bruder schon.“ „Verdammter Mist!!“ fluchte Soichi und trocknete sich mit einem Handtuch Gesicht und Hände ab. „Wieso kommt der einfach rein?! Perverser Spanner!!“ „Kurokawa kann nichts dafür. Wir hätten die Tür abschließen müssen.“ „Verteidige ihn nicht auch noch! Der hat alles gesehen! Alles!!“ „Ja, das weiß ich selber.“ Morinaga sah ihm zu, wie er den eben zugedrehten Wasserhahn wieder anstellen wollte. Er hielt ihn zurück. „Übertreiben wir es nicht ein bisschen? Es ist doch gar nichts passiert. Du hast es abgebrochen. Und darum…“ „Was? Was, darum?“ „Darum gilt es diesmal nicht.“ „Was?! Natürlich gilt es!! Heute Abend bist du fällig!“ „Abwarten…“ „Los, geh da jetzt hin und sag ihm, dass er Tomoe nichts erzählen soll!“ „Wie du willst“, seufzte Morinaga. „Das kann ja gar nicht sein! Die haben irgendwas anderes gemacht, was nur so aussah, als hätten sie… das… gemacht.“ „Ich weiß doch, was ich gesehen habe!“ „Also, dann…“ Tomoe lief im Wohnzimmer auf und ab. „Vielleicht hat Morinaga meinen Bruder ja dazu gezwungen?“ „Meinst du?“ „Ja. Vielleicht hat er ihn bedroht und gesagt, wenn er… das… nicht macht, tut er ihm etwas Schlimmes an… oder so. Wie im Krimi halt.“ „Nein. Das kann ich mir nicht vorstellen. Morinaga ist wirklich nett. So was würde er nicht machen.“ „Sonst gibt es aber keine logische Erklärung! Es kann einfach nicht sein! Du musst dich geirrt haben!“ Morinaga kam aus dem Bad. „Oh, du bist auch hier“, sagte er, als er Tomoe erblickte. Er wandte sich an Kurokawa. „Hast du… es ihm gesagt?“ Kurokawa nickte. „Ja. Das, was ich da eben gesehen habe… es war doch das, wonach es aussah, oder?“ „Ähm… ja“, antwortete Morinaga. „Tetsuhiro?“ kam es aus der geöffneten Badezimmertür. „Ja?“ „Komm her!“ „Ja.“ Morinaga ging zurück. Soichi machte die Tür von innen zu. „Habe ich das richtig mitgekriegt?“ „Ja. Dein Bruder weiß es.“ „Und jetzt?!“ „Ist doch nicht so schlimm. Dann weiß er es eben.“ „Ich will aber nicht, dass er denkt, dass ich das immer bei dir mache! Geh zu ihm und sag, dass das heute eine Ausnahme war und dass ich das sonst nicht mache!“ „Was bin ich denn, dein Laufbursche? Geh doch selber hin.“ „Ich will ihn jetzt nicht sehen.“ „Willst du bis heute Nacht hier im Bad bleiben?“ „Dann sag ihnen, sie sollen weggehen und erst wiederkommen, wenn ich im Bett bin.“ „Das ist ihre Wohnung. Die werden sich bestimmt nicht von dir rausschmeißen lassen.“ Soichi überlegte kurz, dann zog er sein Portemonnaie aus der hinteren Hosentasche und nahm zwei Hundert-Dollar-Scheine heraus. „Gib ihnen das hier. Sie sollen irgendwo essen gehen. Bitte!“ Morinaga nahm die Scheine entgegen und ging nochmals ins Wohnzimmer. „Soichi fühlt sich im Moment nicht so gut. Könntet ihr… wäre es möglich, dass ihr euch einen schönen Abend in einem Restaurant macht?“ Er gab Tomoe die Geldscheine. „Zweihundert Dollar? Danke…“, sagte Tomoe fassungslos. „Die sind nicht von mir. Soichi hat sie mir gegeben. Er… möchte, dass ihr euch ein paar Stunden Zeit lasst und erst nachher wiederkommt. Das wäre… sehr nett von euch.“ „Okay…“ Tomoe nahm Kurokawa an die Hand und zog ihn in Richtung Tür. „Aber nicht, dass er durchdreht und unsere Wohnung verwüstet, ja?“ „Ich passe auf. Versprochen.“ „Gut… Also, bis später dann.“ „Ja. Vielen Dank. Ach, und um die Nikotinpflaster braucht ihr euch nicht zu kümmern. Ich gehe gleich los und kaufe welche.“ Als Tomoe und Kurokawa aus der Tür waren, kam Soichi aus dem Bad. Er sah aus dem Fenster hinunter auf die Straße, wo die beiden kurz darauf den Fußweg entlanggingen. Dann drehte er sich zu Morinaga, der neben ihm stand und umarmte ihn. „Danke“, flüsterte er. Morinaga streichelte ihm durch die Haare. „Was willst du nachher machen, wenn sie wieder da sind?“ „Ich will hier nicht bleiben. Ich rufe beim Flughafen an und lasse die Flüge umbuchen. Unser Koffer ist ja zum Glück noch nicht ausgepackt. Ich schreibe Tomoe einen Zettel, dass wir weg sind.“ „Oh, wo du gerade vom Koffer sprichst…“ Morinaga griff in die Tasche seiner Jacke, die über der Sofalehne lag, und zog die Handschellen heraus. „Die müssen da noch rein.“ „Schmeiß die Dinger doch weg. Ich weiß wirklich nicht, wozu die gut sein sollen.“ „Och, mir fällt da schon so einiges ein.“ Er ging ins Gästezimmer und verstaute sie im Koffer. Soichi war ihm nachgegangen und lehnte sich in den Türrahmen. „Dir geht’s echt nicht gut, oder?“ fragte Morinaga besorgt. „Mir ist total heiß. Und dann wieder kalt. Immer abwechselnd.“ Er wischte sich mit dem Hemdsärmel über die schweißnasse Stirn. „Willst du dich ein bisschen hinlegen? Ich gehe schnell zur Apotheke und besorge dir diese Pflaster. Vielleicht geht es dir dann wieder besser.“ „Nein, ist schon gut. Ich rufe da jetzt wegen der Flüge an, bestelle uns ein Taxi, und auf dem Weg zum Flughafen hole ich mir die Pflaster selber raus.“ „Lass mich das mit dem Telefonieren machen. Du bist viel zu nervös.“ „Ist gut. Du, ich stelle mich vorher noch mal kurz unter die Dusche.“ Soichi nahm ein paar frische Sachen aus dem Koffer und ging wieder ins Badezimmer. Morinaga hielt den Telefonhörer schon in der Hand, als er es sich anders überlegte und den Hörer wieder losließ. Er konnte es förmlich vor sich sehen, wie Soichi sich jetzt im Bad verführerisch langsam von seinem Hemd befreite. Wie er sein langes Haar zurückwarf, sich mit nacktem Oberkörper an die gläserne Duschtür lehnte, mit den Fingerspitzen über seine Brust fuhr, auf der unzählige winzige Schweißtropfen glänzten und sich ihren Weg nach unten bahnten. Wie er ihn auffordernd ansah und hungrig seinen Namen raunte, nach seiner Berührung verlangte… Als hätten ihn seine Beine von selbst getragen, fand sich Morinaga plötzlich vor dem Badezimmer wieder. Er klopfte an und trat ohne Aufforderung ein. Soichi stand, bereits vollkommen entkleidet, in der Dusche. „Raus hier! Ich kann alleine duschen.“ „So mies, wie du dich im Moment fühlst, ist es besser, ich bleibe bei dir. Sonst brichst du mir hier am Ende noch zusammen.“ „Hast du beim Flughafen angerufen?“ „Nein, noch nicht.“ „Dann sieh zu, dass du das erledigst. Und lass ja die Tür zu! Das wird sonst kalt hier drin.“ Morinaga knöpfte sich sein Hemd auf. „Was soll das werden?“ fragte Soichi und stellte das Wasser an. „Los, verzieh dich! Wage es nicht, mit unter die Dusche zu kommen! Zieh sofort deine Klamotten wieder an und hau ab!“ Doch da war Morinaga schon bei ihm und machte die Duschtür hinter sich zu. „Warum so unfreundlich? Vor ein paar Minuten warst du so lieb…“ „Ich werde dir gleich zeigen, wie lieb ich sein kann! Verschwinde endlich!“ „Du, ich bin vorhin gar nicht fertig geworden.“ Er stellte sich vor ihn legte seine Arme um Soichis Taille. „Bleib mir vom Leibe! Schlimm genug, dass ich das eben gemacht habe! Dafür wirst du nachher teuer bezahlen, das kann ich dir jetzt schon sagen! Mach dich auf was gefasst!“ „Wollen wir… nicht einfach die Abmachung vergessen? Das hast du selber beim Flug hierher gesagt…“ „Hör auf, mich mit diesem leidenden Blick anzugucken! Ich habe dich vorher gefragt, ob es für dich okay ist! Und du hast ja gesagt!“ „Ja, ich weiß“, sagte Morinaga kleinlaut. „Aber… das ist einfach nicht mein Fall.“ „So? Ich hatte vor zwei Wochen einen anderen Eindruck. Es gefällt dir. Du willst es nur nicht zugeben. Feigling!“ Morinaga zog ihn dicht an sich. „Es gibt doch noch so viele andere schöne Dinge, die wir zwei zusammen machen können“, hauchte er in sein Ohr. „Du könntest dich zum Beispiel jetzt umdrehen, dich hier festhalten“, er deutete auf die Halterung des Duschkopfes, „und dann werde ich dich ganz sanft…“ „Ah, das das könnte dir so passen.“ „Danach fühlst du dich bestimmt viel besser.“ „Ach ja?“ Er legte seinerseits die Arme um Morinaga. „Und wie wär’s, wenn du dich da festhältst und deinen Teil der Abmachung jetzt sofort erfüllst?“ „Nein, warte.“ „Was ist denn? Ich mache doch gar nichts.“ „Lass uns diesen blöden Deal wirklich vergessen. Ich habe keine Lust dazu, wenn wir das nur aus einer Verpflichtung heraus tun.“ „Na toll. Damit rückst du jetzt raus, nachdem du deinen Spaß gehabt hast.“ „Wir sollten das in Zukunft nur noch tun, wenn wir beide es wollen.“ „Wenn wir beide es wollen…“ wiederholte Soichi. „Also… ich will es jetzt. Und was ist mir dir?“ Tomoe und Kurokawa saßen auf einer Bank an der Straße, ganz in der Nähe ihrer Wohnung. „Jetzt haben wir zwar die Gewissheit, dass sie das tatsächlich gemacht haben, aber wir wissen immer noch nicht, aus welchem Grund mein Bruder das gemacht hat.“ „Und was ist, wenn es stimmt, was sie uns erzählt haben?“ „Du meinst, sie sind wirklich ein Paar? Nein.“ „Nein, ich kann es mir auch beim besten Willen nicht vorstellen. Aber Morinaga hat mir doch vorhin in der Küche gesagt, dass sie fast jeden Tag miteinander schlafen.“ „Und selbst, wenn das stimmen sollte! Sie sind kein Paar, niemals! Es muss so sein, wie ich eben gesagt habe. Morinaga hat wahrscheinlich irgendwas gegen ihn in der Hand. Es wäre doch möglich, dass Soichi ein Verbrechen begangen hat, von dem Morinaga weiß. Und jetzt erpresst er ihn damit, zur Polizei zu gehen und alles zu verraten, wenn er ihm nicht…“ Tomoe wurde rot. Kurokawa deutete auf die Dollar-Scheine, die Tomoe noch immer in der Hand hielt. „Wollen wir wirklich essen gehen? Ich habe eigentlich gar keinen Hunger. Mir ist das alles irgendwie auf den Magen geschlagen.“ „Ich kriege im Moment auch nichts runter.“ Er steckte die Scheine in die Hosentasche. „Wir können uns ja morgen oder in den nächsten Tagen ein schönes Restaurant aussuchen. Am besten, wenn mein Bruder wieder weg ist. Vielleicht haben wir ja Glück, und er reist früher ab. Dass er hier nirgendwo rauchen darf, scheint ihn ganz schön fertig zu machen. Du, ob er sich wegen des Nikotinentzugs so komisch benimmt?“ fragte Tomoe und lag damit gar nicht mal so falsch. „Könnte sein. Meinst du, er wird wieder der Alte, wenn er ein paar Zigaretten geraucht hat?“ Tomoe sprang plötzlich auf. „Das ist es! Genau! Dass mir das nicht früher eingefallen ist! Es gibt doch einige Discos, die Raucherecken haben. Hey, war das nicht auch in dieser Disco so, in der wir letztens mit Rick und Phil waren?“ „Ja, klar, du hast Recht! Da hätten wir echt früher dran denken können. Komm, wir fahren da sofort hin.“ „Na ja, so toll ist die Idee doch nicht.“ „Wieso?“ „Weil das eine Schwulendisco ist. Da geht mein Bruder bestimmt nicht rein.“ „Umso besser. Dann wissen wir auch, ob er die Wahrheit sagt. Wenn er da rein geht, bedeutet es, dass es stimmt. Wenn er es ablehnt, wissen wir, dass er lügt. Los, wir schlagen ihm das jetzt vor.“ „Äh… du willst zurück in unsere Wohnung? Und… wenn die wieder so was machen?“ „Tatsumi. Du glaubst doch nicht, dass die das ein zweites Mal wagen, oder?“ „Und was machen wir, wenn dein Bruder und Kurokawa früher zurückkommen?“ „Glaubst du wirklich, die kommen ein zweites Mal wieder? Nein, ganz bestimmt nicht.“ Soichi schloss die Badezimmertür, drehte den Schlüssel herum und ging wieder zu Morinaga in die Dusche. Er sah auf das durchsichtige Gel in seiner Handfläche. „Wir hätten das auch ohne das hier machen können.“ „Lieber nicht. Danke, dass du was geholt hast.“ Morinaga griff nach der Metallstange an der Wand, wo der Duschkopf angebracht war. Soichi positionierte sich hinter ihm und küsste seinen Rücken. „Bist du bereit?“ „Ja.“ „Gut, dann… oh.“ „Was?“ Morinaga blickte hinter sich. „Mir ist nur was von der Creme aus der Hand gelaufen.“ „Ach, Mann, jetzt reicht das nicht.“ „Natürlich reicht das noch. So…“ „Aaah! Warne mich… vor, wenn du… anfängst!“ „Habe ich… doch.“ Die Zähne zusammengebissenen, klammerte sich Morinaga an die Armatur. „Warum… bewegst du dich nicht?“ „Soll ich… es diesmal so machen wie du?“ „Nein! Es war gut so, wie du es letztes Mal gemacht hast. Ich meine…“ Soichi drückte ihn gegen die kalten Fliesen der Wand und leckte an seinem Ohrläppchen. „Ah, es war gut? Das hast du mir gar nicht gesagt.“ „So habe ich das… nicht gemeint!“ „Wenn ich das hier mache…“ „Soichi!!“ Seine Finger schlossen sich fester um das Metallstück an der Wand. „… gefällt dir das?“ Er bekam keine Antwort, aber das war egal. Morinagas Körper sprach Bände. Es war erst das zweite Mal, dass sie es auf diese Weise taten, und trotzdem wusste er schon genau, wie er mit Morinaga umzugehen hatte. Wie er ihn berühren und sich bewegen musste, damit es der andere genauso genießen konnte wie er selbst. So schwer es ihm auch fiel, Morinaga musste sich eingestehen, dass er das hier wirklich ein bisschen zu mögen schien. Weh tat es diesmal überhaupt nicht. Und falsch fühlte es sich eigentlich auch nicht an. Es war nur so ungewohnt… Ein befreiter Aufschrei entwich endlich seiner Kehle, und kurz darauf war auch Soichi soweit. „Du hast Recht gehabt“, flüsterte Soichi, während das heiße Wasser noch immer von oben auf sie herunterströmte. „Jetzt geht es mir tatsächlich besser.“ Als Tomoe und Kurokawa ihre Wohnung betraten, hörten sie gleich das Geräusch des laufenden Wassers in der Dusche. Da in den übrigen Zimmern niemand war, schlossen sie daraus, dass beide im Bad waren. „Soll ich mal kräftig an die Tür klopfen?“ fragte Tomoe. „Wenn die beide unter der Dusche stehen, hören die das nicht.“ „Meinst du echt, die duschen zusammen? Hey, hier ist einer mit nassen Füssen über den Flur gelaufen!“ Tomoe ging der Wasserfleckenspur nach, die vom Bad zum Gästezimmer reichte. Auf dem Bett lag der aufgeklappte Koffer und daneben eine offene Tube, aus der etwas klares Dickflüssiges austrat und auf die Bettdecke tropfte. „Kurokawa!!“ schrie er. „Was ist denn passiert?!“ schrie Kurokawa zurück und eilte zu ihm. „Da!“ Tomoe zeigte auf die Tube. „Das ist doch…“ Kurokawa nahm die Tube und klappte den Deckel zu. „Das kann nur mein Bruder gewesen sein! Er hat schon früher immer die Zahnpastatuben offen herumliegen lassen.“ „Ist dir klar, was das bedeutet? Wenn die so was benutzen, heißt das…“ „Aaaaah!!“ kam es plötzlich aus dem Badezimmer, zeitgleich mit einem lauten Poltern. „Das war Morinaga!“ rief Kurokawa erschrocken. „Bestimmt schlägt Soichi ihn zusammen! Den ganzen Tag über hat er seine Wut verdrängt, und jetzt hat er sich nicht mehr unter Kontrolle! Wir müssen Morinaga helfen!“ „Ich geh da nicht rein! Wenn dein Bruder so drauf ist, halte ich mich garantiert nicht freiwillig in seiner Nähe auf!“ „Dann… gehe ich alleine!“ „Nein!! Das ist viel zu gefährlich!“ Die Dusche wurde abgestellt, und wieder ertönte Morinagas schmerzerfüllte Stimme aus dem Bad. „Auaaa, Soichi!! Aaaah!!“ Kurokawa schüttelte ängstlich den Kopf. „Um nichts in der Welt gehe ich da rein!“ „Gut. Bleib du hier. Ich versuche, ob ich die Tür aufkriege. Heb schon mal den Telefonhörer ab, dann kannst du im Notfall die Polizei anrufen.“ „Ja.“ Tomoe schlich auf Zehenspitzen über den Flur. Er blickte sich um. Ja, Kurokawa hielt den Hörer in der Hand. Dann nahm er all seinen Mut zusammen und wollte gerade auf die Türklinke drücken, als Kurokawa ihn wieder zu sich winkte. „Was ist?“ Er zog die Hand zurück. „Du, sag mal… und wenn die da drinnen was ganz anderes machen? Da lag doch die Tube. Wenn Morinaga nicht geschrieen hat, weil dein Bruder ihn verprügelt hat, sondern…“ Er legte den Hörer auf. „Du meinst…“ In dem Moment wurde der Schlüssel in der Badezimmertür herumgedreht, und schon stand Soichi auf dem Flur, tropfnass und nur mit einem um die Hüften gewickelten Handtuch bekleidet. „Wusste ich es doch, dass ich euch gehört habe“, sagte er und zog die Tür so weit hinter sich zu, dass sie nicht ins Bad sehen konnten. „Seid ihr schon länger da?“ „Nein“, sagte Kurokawa. Wie vorhin trafen sich ihre Blicke. Zwar sah Soichi ihn nur unscharf, da er seine Brille nicht aufhatte, aber es genügte. Er wurde rot. Und Kurokawa wurde es auch. Dieser hustete nun verlegen. „Wir kamen gerade herein, als ihr mit dem… Krach da drin angefangen seid.“ „Krach? Habt ihr etwa gehört, wie wir…“ „Ja. Hörte sich an, als ob Morinaga gegen die Glaswand von der Dusche gestoßen ist.“ „Ach, das meinst du“, sagte Soichi erleichtert. „Davor wart ihr aber noch nicht da, oder?“ „Nein.“ „Was habt ihr in der Dusche gemacht?“ fragte Tomoe. „Und warum lag das da herum?“ Er zeigte auf die Tube, die sein Freund noch immer festhielt. Soichi riss Kurokawa die Tube aus der Hand. „Hast du das etwa aus dem Koffer genommen? Was fällt dir ein, in unseren Sachen herumzuwühlen?“ „Ich habe euren Koffer nicht mal angefasst!“ wehrte sich Kurokawa. „Einer von euch hat das offen auf dem Bett liegen lassen!“ „Oh… richtig“, fiel es Soichi wieder ein. „Aber anstatt in unserem Zimmer herumzuspionieren, solltest du dich lieber beeilen, den Wagen startklar zu machen. Wir müssen zu einem Arzt.“ „Ist… nicht so schlimm. Es… geht schon“, stöhnte Morinaga im Bad. „Keine Widerrede! Vielleicht ist es gebrochen. Trockne dich ab, und zieh dich an.“ Kurokawa sah ihn erschrocken an. „Gebrochen?“ „Ich verstehe ja, dass du wütend auf Morinaga bist, nachdem er dich vorhin… dazu gezwungen hat“, sagte Tomoe. „Aber du musst wirklich etwas gegen deine Gewaltausbrüche unternehmen. Du hättest ihn umbringen können!“ „Was redest du da?“ fragte Soichi verwirrt. „Du hast Morinaga da drin doch zusammengeschlagen!“ rief Tomoe, dem schon wieder zwei Tränen die Wangen hinunterliefen. „Weil er dich gezwungen hat… das… zu machen. Das, wobei Kurokawa euch gesehen hat!“ Hinter Soichi ging die Tür auf, und Morinaga, ebenfalls bedeckt mit einem Handtuch, humpelte aus dem Bad. „Was fällt dir ein, hier herumzulaufen! Setz dich sofort hin!“ wies Soichi ihn zurecht. „Zum letzten Mal, es ist nicht gebrochen. Ich bin nur unglücklich gegen die Kante von der Duschtür gestoßen. Ich brauche auch keinen Arzt. Es reicht, wenn ich das Knie ein bisschen kühle.“ „Könnt ihr uns mal sagen, was hier eigentlich los ist?“ heulte Tomoe. „Ich bin in der Dusche ausgerutscht“, erklärte Morinaga. „Ja, und du hättest mich beinahe mitgerissen“, sagte Soichi mit vorwurfsvoller Stimme. „Tu nicht so, als wäre das meine Schuld! Wem ist denn das Zeug aus der Hand gefallen?“ „Wenn du nicht so empfindlich wärst, hätten wir das gar nicht gebraucht! Außerdem dachte ich, das wäre mit dem Wasser weggespült. Kann ich denn ahnen, dass das an der Seite von der Duschwanne hängen bleibt? Pass das nächste Mal besser auf, wo du hintrittst! Und setz dich jetzt endlich hin!“ Morinaga errötete. „Nein… lass mal…“ Kurokawa unterbrach die beiden Streitenden. „Vielleicht wäre es wirklich besser, du würdest dich hinsetzen. Ich hole dir ein bisschen Eis aus dem Kühlfach.“ „Ich… bleibe lieber noch einen Moment stehen. Oder… nein. Ich ziehe mich erstmal an. Ah… bis gleich …“ Und damit humpelte er zurück ins Bad. „Was hat er denn?“ fragte Tomoe. „Tut ihm was weh?“ Soichi sah Kurokawa, der diese Worte ausgesprochen hatte, an. Kein Zweifel. Er wusste es. „Was geht dich das an?!“ „Also habe ich Recht, ja? Du brauchst nicht zu antworten. Tatsumi und ich wissen genau, wofür das da gut ist.“ Er deutete auf die Tube in Soichis Hand. „Wenn du das alles schon weißt, wieso stellst du dann so überflüssige Fragen?! Außerdem brauche ich mich nicht dafür zu rechtfertigen! Schon gar nicht vor dir!“ „Rechtfertigen nicht. Aber du könntest uns mal langsam erklären, was mit dir los ist. Wieso bist du plötzlich… schwul?“ Tomoe zuckte zusammen. Kurokawa schien inzwischen überzeugt zu sein, dass Soichi und Morinaga ihnen kein Theater vorspielten. „Was heißt hier, plötzlich? Das bin ich schon immer gewesen. Man wird so geboren.“ „Ach, das ist ja interessant!“ rief Kurokawa entrüstet. „Du warst das also schon immer? Und du hast es jetzt erst gemerkt, oder wie?“ „Nein. Ich weiß es seit über zehn Jahren.“ „Das kann doch wohl nicht wahr sein! Und warum hast du uns nie etwas gesagt?“ Kurokawa legte tröstend einen Arm um Tomoe, dem noch immer Tränen über die Wangen liefen. „Oder zumindest deinem Bruder?“ „Ich konnte es Tomoe nicht sagen. Ich hatte meine Gründe.“ „Welche Gründe?“ „Das geht dich überhaupt nichts an, Kurokawa!“ Und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging Soichi ins Bad und schlug die Tür zu. Kurokawa reichte Tomoe ein paar Taschentücher, woraufhin der sich ein paar Mal kräftig schnäuzte. „Du, Kurokawa?“ „Ja?“ „Er ist wirklich so, oder? Es stimmt, was er sagt, nicht wahr? Mein Bruder… ist…“ Erneut begannen die Tränen zu fließen. „Tatsumi… ich kann es ja auch noch nicht richtig fassen.“ Er streichelte über seinen Kopf. „Aber es ist doch nicht schlimm. Wir sind es schließlich auch.“ „Nicht schlimm? Nein. Das ist…“, wieder putzte er sich laut die Nase, „… das ist das beste, was passieren konnte!“ „Was?“ „Ja. Jetzt kann er nichts mehr gegen uns haben. Und er wird nie wieder auf uns rumhacken. Dann kann ich auch versuchen, meinem Vater von uns beiden erzählen, wenn er in ein paar Tagen kommt. Und wenn Soichi dabei ist und Vater es vielleicht nicht gleich versteht, kann er mich, nein, uns ein bisschen unterstützen.“ Er fiel Kurokawa in die Arme. „Das wird nicht nötig sein. Dein Vater hat sicher kein Problem damit. Erinnere dich doch. Er weiß, dass dein Bruder und Morinaga ein Paar sind. Und dass sie verlobt sind.“ „Ja, stimmt! Und er findet es toll! Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Oh, das ist so schön! Jetzt wird alles gut. Und außerdem können wir sie alle beruhigt einladen, wenn wir heiraten!“ Er drückte Kurokawa einen Kuss auf den Mund. „Ich liebe dich, Kurokawa!“ „Ich liebe dich auch, Tatsumi!“ Sie küssten sich noch, als Soichi und Morinaga, diesmal beide angezogen, auf den Flur traten. Soichi räusperte sich. Tomoe strahlte ihn an. „Oh, ihr seid schon fertig.“ „Ja… äh… wir packen nur schnell unsere Sachen zusammen“, sagte Soichi und bemühte sich, seinem kleinen Bruder dabei nicht in die Augen zu sehen. „Und dann… rufe ich uns ein Taxi zum Flughafen.“ „Wieso Sachen packen? Heißt das, ihr wollt weg? Ihr seid doch eben erst angekommen! Und Vater wollte mit uns allen feiern. Hast du das vergessen?“ „Nein, natürlich nicht. Dann feiert ihr eben alleine. Mir gefällt es hier nicht. Ich will zurück nach Japan.“ „Soichi“, mischte sich Morinaga ein, „dir geht es doch jetzt viel besser, hast du vorhin gesagt.“ „Besser, aber nicht gut. Ich halte das nicht länger aus.“ „Meinst du nicht, es reicht, wenn du dir ein paar von diesen Pflastern und Kaugummis holst? Ich würde gerne noch ein paar Tage hier bleiben.“ „Ach“, sagte Tomoe, „du willst zurück, weil du rauchen willst?“ „Ja, unter anderem.“ „Aber das ist gar kein Problem! Uns ist eben eingefallen, dass es doch einen Ort gibt, wo du rauchen kannst. Deswegen sind wir auch gleich zurückgekommen, weil wir es dir schnell sagen wollten.“ Soichis Gesicht erhellte sich mit einem Mal. „Wo?“ „In einer Disco in der Stadt. Aber wenn Morinaga sich verletzt hat, ist es vielleicht besser, wir bleiben zu hause.“ Soichi sah auf Morinagas Bein. Er hatte das Hosenbein hochgekrempelt und hielt ein Handtuch, das mit kaltem Wasser getränkt war, an sein Knie. „So schlimm scheint das wirklich nicht zu sein. Und du kannst doch laufen, oder?“ „Ja, klar“, sagte Morinaga und trat vorsichtig auf. „Ich lege mir noch ein bisschen Eis drauf, dann geht das schon.“ Erleichtert umarmte Soichi ihn. „Ein Glück. Ich hatte echt befürchtet…“ „Ist doch alles in Ordnung. Ich habe ja gleich gesagt, dass es nicht gebrochen ist.“ „Das meine ich nicht. Ich hatte nur befürchtet, dass ich erst zuhause wieder rauchen könnte.“ „Du bist herzlos“, stöhnte Morinaga. „Los, ins Auto jetzt.“ Soichi hob die Zigarettenschachtel auf, die noch immer auf dem Fußboden lag, und steckte sein Feuerzeug ein. „Kommt ihr?“ fragte er, während er ins Gästezimmer ging, um seine Brille zu holen. „Es ist aber Nachmittag. Die Disco macht bestimmt erst abends auf. Du, ich ruf mal eben bei Rick an und frage ihn. Der ist da öfter.“ Tomoe sprang zum Telefon und drückte eine der Kurzwahltasten. Es dauerte etwas, bis am anderen Ende abgehoben wurde. „Coldman.“ „Hallo? Rick? Ich bin’s.“ „Hey… Tomoe, Darling.“ „Rick, wann macht diese Disco auf, in der wir letzte Woche waren?“ „Welche… ah… Disco? Meinst du das… ‚Challengers’?“ „Ja, richtig! So war der Name.“ Tomoe stockte. Rick klang irgendwie seltsam. „Aah…“ „Rick? Geht es dir nicht gut?“ „Ganz… im Gegenteil.“ Ein leises Stöhnen war zu vernehmen. „Gut so, Phil. Oh ja…“ „Phil ist noch bei dir?“ „Das… kann man so sagen.“ „Was… macht ihr denn?“ „Na, was wohl? Dinge, die kleine Boys wie du… nicht tun. Ooh… Phil!!“ Für ein paar Sekunden herrschte Stille. Dann hörte Tomoe, wie sich Rick mit Phil unterhielt. „Er will wissen, wann das ‚Challengers’ aufmacht. War das um neun Uhr? Oder um zehn?“ „Ich glaube, die haben schon um neun auf.“ „Tomoe? Phil meint, um neun.“ „Okay, danke.“ „Wolltest du dahin?“ „Mein Bruder will dahin.“ „Alleine?“ „Nein, nein. Wir kommen natürlich mit.“ „Das heißt, Tetsuhiro ist auch dabei?“ „Ja, ich glaube, Morinaga kommt auch mit.“ „Oh, super! Dann treffen wir uns da alle um neun, yes?“ „Äh… ja, warum nicht…“ „Great! Also, bis nachher!“ Aus dem Hintergrund war wieder Phils Stimme zu hören. „Wollen wir noch mal?“ „Ja, gleich. Tomoe? Wir sind um neun im ‚Challengers’. Bye-bye!“ Und damit legte Rick auf. „Wann?“ fragte Soichi. „Um neun, sagt Phil.“ „Das sind noch fünf Stunden! Das halte ich nicht aus! Wo ist die Apotheke?“ „Das kann ich schlecht erklären. Am besten, ich gehe mit und zeige dir den Weg. Ich kann eigentlich auch alleine gehen.“ „Nein, ich komme mit. Tetsuhiro, du bleibst hier und legst dein Bein hoch. Kurokawa, hole ihm bitte etwas Eis.“ Er ging zur Tür. „Komm, Tomoe.“ „Ja.“ Der restliche Nachmittag zog sich schleppend dahin. Soichi hatte sich die Haut mit etlichen Nikotinpflastern beklebt und kaute ununterbrochen Kaugummis. Für die zweihundert Dollar, die er seinem Bruder gegeben hatte, hatten sie auch Verwendung gefunden, indem sie abends zu viert essen gingen. Erstaunlicherweise lief der Restaurantbesuch recht harmonisch ab, und Soichi brachte es zustande, sich nicht ein einziges Mal mit Kurokawa anzulegen. Und dann, gegen zehn, saß Soichi an der Theke im ‚Challengers’, eine brennende Zigarette im Mund, und war wieder mit sich und der Welt zufrieden. „Dir wird noch furchtbar schlecht werden, wenn du so weitermachst“, sagte Morinaga besorgt. „Die halbe Schachtel ist schon leer.“ „Ich muss ja irgendwie den Rückflug überstehen.“ „Wollt ihr wirklich gleich wieder abreisen?“ fragte Tomoe. „Wir könnten jeden Abend hierher kommen, wenn du möchtest.“ „Nein. Außerdem habe ich den Flug bereits umbuchen lassen. In vier Stunden sind wir beim Flughafen, und dann geht es zurück.“ „Das kannst du doch wieder rückgängig machen.“ „Nein, Tomoe.“ Rick nahm Morinaga an die Hand. „Wollen wir tanzen? Come on!“ „Das geht nicht“, sagte Soichi. „Du weißt, dass er sich am Knie verletzt hat.“ „Lass gut sein, Soichi. Ich merke das kaum noch. Ich habe jetzt auch keine Lust mehr, hier weiter herumzusitzen. Du willst ja doch nicht tanzen.“ Er ließ sich von Rick mitziehen. Tomoe und Kurokawa folgten. Phil, der sich etwas verloren vorkam, jetzt, wo Rick einen anderen Tanzpartner als ihn hatte, setzte sich zu Soichi und bestellte einen Drink. Soichi zündete sich gerade eine neue Zigarette an dem noch glimmenden Rest der alten an. „Willst du auch eine?“ bot er Phil an. „Nein, danke.“ Phil sah zu Rick hinüber, der sich lachend mit Morinaga unterhielt. „Ich will lieber tanzen. Hättest du Lust?“ Soichi schüttelte den Kopf. Ihm war nicht entgangen, wie traurig Phils Blick war. „Sag mal, was willst du von Rick? Der Typ liebt dich nicht, und er betrügt dich.“ „Rick ist der Mann meiner Träume. Ich weiß, eines Tages wird er verstehen, dass nur ich ihn glücklich machen kann.“ „Das glaubst auch nur du. Sieh ihn dir doch an. Er tanzt mit Tetsuhiro, obwohl er genau weiß, dass du ihn siehst und dass dir das wehtut. An deiner Stelle würde ich mir sein Verhalten nicht gefallen lassen.“ „Ich kann ja doch nichts machen.“ „Du willst nur nicht.“ Er zog an der Zigarette. „Weißt du was? Geh hin, und such dir auch irgendeinen Mann aus. Tanz mit ihm, küss ihn von mir aus, direkt vor Ricks Augen. Dann merkt er vielleicht selber mal, wie das ist.“ „Küssen?“ Phil sah sich um. „Wen denn? Ich kann doch nicht hingehen und einfach jemanden küssen.“ „Hat Rick vorhin auch gemacht.“ Aufmunternd lächelte Soichi ihn an. Phil trank seinen Drink in einem Zug aus und stellte das leere Glas auf den Tresen. „Gut.“ Er winkte zur Tanzfläche hinüber. Rick hatte ihn gesehen. Dann lehnte sich Phil nach vorne, legte eine Hand an Soichis Hinterkopf, die andere an sein Kinn und küsste ihn. Soichi wusste nicht, wie ihm geschah, als Phils Zunge in seinen Mund eindrang. Er schmeckte anders als Morinaga, und er bewegte sich anders. Nicht so fordernd und erst recht nicht so überlegen, wie er es von Morinaga gewohnt war. Ein paar Meter entfernt von ihnen hörte Rick auf zu tanzen. „Hey…“ Morinaga durchfuhr es wie ein Blitzschlag. Er starrte zur Theke und konnte nicht fassen, was er sah. Da saß sein Soichi, sein Verlobter, und küsste einen anderen Mann. Er überlegte nicht lange und stürmte zu ihnen. Soichi spürte, wie ihn jemand an den Haaren zurückriss, und dann sah er Morinaga ins Gesicht. Erst in diesem Moment wurde ihm das gerade Geschehene klar. „Tetsuhiro…“ Rick stellte sich wütend vor seinen Freund. „Was fällt dir ein, ihn zu küssen?!“ „Das war Soichis Idee“, sagte Phil wahrheitsgemäß. Morinaga ließ Soichis Haare los. „Wieso…?“ „Es ist nicht so, wie du denkst! Bitte, Tetsuhiro, du musst mir glauben! Ich habe Phil nicht gesagt, dass er mich küssen soll! Ich habe gesagt, er soll irgendjemanden küssen!“ Morinaga nahm ihm die Zigarette aus der Hand, drückte sie im Aschenbecher aus und schleppte ihn auf die Tanzfläche. „Tetsuhiro… ich…“ „Es tut mir leid“, sagte Morinaga und nahm ihn in die Arme. „Dir?“ fragte Soichi verständnislos. „Aber ich…“ „Ich hätte nicht mit Rick mitgehen sollen. Ich weiß ja, dass du dir so was immer sehr zu Herzen nimmst. Entschuldige bitte.“ „Nein. Ich bin schuld. Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass Phil mich küsst.“ „Dann lass uns das einfach vergessen, ja? Ich liebe dich.“ Bevor Soichi etwas antworten konnte, drückte Morinaga seinen Mund auf seine Lippen. Ja, sein Kuss war wirklich anders. Dieser Kuss war voller Gefühl, voller Liebe. Und wieder einmal erkannte Soichi, dass er mit niemand anderem außer diesem Mann zusammen sein wollte. Sie tanzten noch eine ganze Zeit gemeinsam, bis sie spät in der Nacht die Disco verließen und mit Tomoe und Kurokawa zum Flughafen fuhren. Der Abschied war ihnen allen schwer gefallen, und besonders Tomoe hatte viele Tränen vergossen. Morinaga hatte noch schnell eine schöne Postkarte gekauft und sie wie versprochen an Hiroto geschickt. Die Maschine nach Japan hatte gerade abgehoben, als es Morinaga siedend heiß einfiel. „Oh, scheiße! Dass ich das vergessen habe! Mann, ich bin so blöd!“ „Wovon redest du?“ fragte Soichi Kaugummi kauend. „Ich hätte denen das sagen müssen!“ „Was meinst du denn, verdammt?!“ „Die haben doch genau mitgekriegt, was wir im Bad gemacht haben. Und wer von uns beiden… was gemacht hat.“ „Ja, und?“ „Na, die denken jetzt, dass ich die Fr…“ Er sah Soichi an und sprach nicht weiter. „Die was?“ „Vergiss es.“ „Dass du die Frau bist? Das wolltest du doch sagen, oder?“ „Wollte ich nicht.“ „Weißt du was? Das ist so typisch für dich! Wenn ich dran bin, sagst du: ‚Keine Sorge, Soichi, du kannst ruhig unten liegen, du bist trotzdem ein Mann.’ Aber wenn es dich selbst trifft, hörst du dich plötzlich ganz anders an!“ „Wenn wir landen, musst du sofort deinen Bruder anrufen und das klarstellen!“ „Wieso ich? Mach du das doch, wenn dir soviel daran liegt.“ „Ach, Mensch“, stöhnte Morinaga und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Nimm’s nicht so schwer“, sagte Soichi und packte sich genüsslich lächelnd ein weiteres Kaugummi aus. Ende Tja, Morinaga! Das kommt davon, wenn man vor anderen rumprollt, von wegen „Ich liege oben“ (Kapitel 5). Jetzt biste nämlich selber der Uke, ha! XD (Zumindest zeitweise) Wie ihr sicher gemerkt habt bezieht sich der Disco-Name „Challengers“ auf den Originaltitel von „Küss mich, Student!“. Damit hätte ich alles geschrieben, was mir eingefallen ist. Es kann natürlich sein, dass noch etwas dazukommt, wenn ich noch mehr Ideen haben sollte. ^___^d Jetzt sind leider gar nicht die Handschellen zum Einsatz gekommen, aber dann wär’s wohl nicht mehr jugendfrei gewesen. ^__^’’’ Kapitel 9: BONUS-KAPITEL 4: If You're Going To San Francisco... (Teil 1 von 3) ------------------------------------------------------------------------------ (VORAB-ANMERKUNG: Da die erste Hälfte dieses Kapitels fertig ist, lade ich sie schon mal hoch. Ich habe jetzt soviel daran herumgefeilt, bin aber immer noch nicht hundertprozentig zufrieden, vor allem mit dem Schluss. Vielleicht überarbeite ich die eine oder andere Stelle später noch mal. Die 2. Kapitelhälfte folgt dann später… Sie ist „schon“ halb fertig. ^_^ Der Disclaimer gilt für beide Hälften.) Autor: DJ Vierauge Titel: „IF YOU’RE GOING TO SAN FRANCISCO…“ (Bonus-Story zu „Das Tatsumi-Gen“) Serie: Fanfiction zu den Serien „Verliebter Tyrann“ und „Küss mich, Student!“ von Hinako Takanaga Lime-Pairings: Morinaga x Soichi, Soichi x Morinaga, Phil x Rick sowie ein Überraschungspairing. Pairing ohne Lime: Kurokawa + Tomoe. Nur Andeutungen: Rick + Morinaga Genre/Warnungen: Shounen-ai/Yaoi, Lime, Humor, Drama, Romantik, OOC (Soichi), OC, etwas Bondage (total harmlos!), etwas Language (ein paar englische Wörter) Rating: ab 16 Jahren Disclaimer: Alle Personen sind das Eigentum von Hinako Takanaga, Ausnahmen sind Li-Li, der Flughafenbeamte, der Mann, die Standesbeamtin, Wang und Yashiro. Der Kapiteltitel ist die Textzeile eines Liedes, die Rechte daran gehör(t)en Scott McKenzie und/oder John Phillips (soweit ich weiß). Ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte. Anmerkungen: Die Äußerungen, die Professor Suzuki, Li-Li und Morinagas Mutter von sich geben, sowie Soichis zeitweiliges Anti-Amerika-Gerede (so redet er im Manga auch…) entsprechen nicht meinen eigenen Ansichten und werden auch nicht verherrlicht!! In den kursiv geschriebenen Sätzen wird Englisch gesprochen. INHALT: Kaum gelandet, ruft Morinaga bei Tomoe an, um das kleine Missverständnis, dass am Vortag entstanden ist, zu klären. Doch Tomoe scheint da etwas falsch zu verstehen… Etwas später legt sich Soichi (mal wieder) mit Professor Suzuki an und fällt eine folgenschwere Entscheidung. Dann spricht Morinaga mit seiner Mutter, und etwas Unfassbares kommt ans Tageslicht! Taschentücher bereithalten! T_T „Ja! Ich komme doch schon!“ Tomoe schlurfte gähnend über den Flur zum klingelnden Telefon. Gerade hatte er noch mit Kurokawa am Frühstückstisch gesessen. Obwohl, Frühstück war das falsche Wort. Es war schließlich schon Nachmittag. Aber die beiden waren erst gegen sechs Uhr morgens ins Bett gekommen und vor einer Viertelstunde wieder aufgestanden. „Hello?“, meldete sich Tomoe. „Hallo? Hier ist Morinaga“, kam es aus dem Hörer. Tomoes Gesicht hellte sich auf. „Oh, Morinaga! Seid ihr gut in Nagoya angekommen? Das ging aber schnell!“ „Äh, nein. Wir sind im… Moment, wie heißt das hier?“ Es folgte eine kurze Pause. „Im Hotel ‚Sunset Beach’ auf Oahu, Hawaii.“ „Hawaii?“ wiederholte Tomoe ungläubig. „Wieso das denn? Ich dachte, Soichi wollte unbedingt nach Japan zurück!“ „Ja, schon. Aber ihm ist auf dem Rückflug so schlecht geworden, dass wir es für besser hielten, nicht weiter zu fliegen. Nikotin-Überdosierung, weißt du…“ „Oh… und wie geht es ihm jetzt?“ „Na ja, er ist gewissermaßen ans Bett gefesselt.“ „Ach, spielt ihr mit den Handschellen, die ihr von Rick bekommen habt?“ ‚Spielen’, dachte Morinaga belustigt. ‚Tomoe ist wirklich noch ein Kind.’ Trotzdem, die Idee mit den Handschellen war nicht schlecht… „Nein“, sagte er. „So meinte ich das nicht. Er liegt im Bett, ruht sich aus und trinkt lauwarmen Tee. Ja… also… der Grund, weswegen ich anrufe…“ „Ja?“ Morinaga holte tief Luft. „Du darfst nicht glauben, dass wir das immer so machen wie gestern!!“ „Wie-wie bitte?“, fragte Tomoe erschrocken. Morinaga hatte ja fast geschrieen. „Du weißt doch, was wir im Bad gemacht haben, oder? Bevor ihr nachhause gekommen seid, meine ich.“ „Ja“, antwortete Tomoe vorsichtig. Kurokawa hatte sich neben ihn gestellt, und Tomoe hielt ihm den Hörer so hin, dass er das Gespräch mitbekommen konnte. „Normalerweise mache ich das nicht! Das war eine Ausnahme! Das kommt sonst nie vor!! Eigentlich… macht das nur Soichi.“ Tomoe schluckte. „Das?“ „Ja!“ „Wirklich? Das… macht mein Bruder?“ „Ja. Bitte sag das auch Kurokawa!“ Aus dem Hintergrund war Soichis Stimme zu hören. „Hör auf, mit Tomoe über so was zu reden! Leg endlich auf!“ „Leg du dich lieber wieder hin!“, rief Morinaga. „Sonst wird dir wieder übel.“ „Gib her!“, befahl Soichi. Jetzt hatte er den Hörer. „Tomoe?“ „Hallo Soichi!“, begrüßte Tomoe seinen großen Bruder. „Ist es echt wahr, dass du… das… machst?“ „Ja, und?! Ich kann selber entscheiden, was ich tue und was nicht!!“ „Aber… aber… dass du ausgerechnet… das… machst!“ Tomoe war es einfach zu peinlich, es auszusprechen. „Machst du das denn gerne?“ „Wa… was geht dich das an?!“ „Ich frag ja nur! Jetzt sag doch mal, machst du das gerne?“ „Wenn… wenn ich es… nicht gut finden würde, würde ich es wohl kaum machen, oder?! Reicht dir das als Antwort?!“ „Ja, ja, schon gut.“ „In Ordnung. Dann kann ich ja auflegen.“ „Halt, nicht!“, rief Tomoe. „Was ist denn noch?“ „Ich wollte dir erzählen, dass Rick und Phil wieder richtig zusammen sind. Rick war, glaube ich, total eifersüchtig, weil du Phil geküsst hast…“ „Ich habe Phil nicht geküsst! Er hat mich geküsst! Das ist ein ganz großer Unterschied!!“ „Und jetzt sind sie wieder ein Paar. Ist das nicht toll?“ „Ganz toll“, sagte Soichi, klang dabei aber alles andere als begeistert. Als ob ihn das Liebesleben dieser zwei Amerikaner interessieren würde! „Okay, das wär’s dann. Wenn es mir nachher gut geht, fliegen wir nach Japan zurück. Oder morgen. Ich ruf dich an, wenn wir da sind. Tschüß!“ Und ohne Tomoes Verabschiedung abzuwarten, knallte er den Hörer auf. Soichi, der wegen der Hitze im Hotelzimmer nur mit seiner Hose bekleidet war, legte sich zurück aufs Bett und sah zu Morinaga hinüber, der noch beim Telefon stand. „Und? Bist du jetzt glücklich? Ist dein Seelenfrieden wieder hergestellt? Ich sage dir, das war so was von kindisch von dir, da anzurufen.“ „Jedenfalls ist dieses Missverständnis jetzt geklärt.“ Morinaga setzte sich zu ihm. „Wie geht es dir? Ist dir noch schlecht?“ „Ist nicht mehr so schlimm.“ „Du, wollen wir nicht ein paar Tage länger hier bleiben? Wir haben sowieso noch die ganze nächste Woche frei. Es wäre doch schade, sofort wieder von hier zu verschwinden.“ „Nein, danke. Hawaii gehört zu Amerika, und du weißt, wie ich über Amerika denke.“ „Nur eine Woche, ja?“ Er umkreiste mit dem Zeigefinger Soichis Bauchnabel. „Komm, sei ein bisschen lieb…“ „Nein! Und hör auf, mich zu begrapschen! Du weißt, dass es mir nicht gut geht!“ „Gerade hast du noch gesagt, dass es dir besser geht. Also können wir auch…“ Morinagas Stimme klang ein wenig anders, und Soichi wusste genau, was das zu bedeuten hatte. „Denk nicht einmal daran! Ich habe mir vorhin das Hemd ausgezogen, weil mir heiß war und nicht, damit du auf komische Gedanken kommst! Runter vom Bett! Sofort!!“ Anscheinend hatte er die Worte mit dem richtigen Nachdruck ausgesprochen, denn Morinaga stand tatsächlich auf. „Von mir aus können wir gleich einmal kurz zum Strand gehen. Aber spätestens morgen um diese Uhrzeit sitze ich in einem Flugzeug nach Japan, darauf kannst du dich verlassen. He, was willst du da am Koffer?“ Soichi reckte sich vor, um zu sehen, was sein Verlobter aus dem Koffer genommen hatte. Als er es erkannte, setzte er sich auf. „Pack die auf der Stelle wieder ein!“ „Das sind wirklich ganz harmlose Dinger.“ Morinaga setzte sich erneut zu ihm und hielt ihm die mit schwarzem Plüschstoff bezogenen Handschellen hin. „Da ist ja nicht mal ein Schlüssel dran! Ich bin doch nicht so dumm und lass mich von dir fesseln, wenn du keinen Schlüssel dafür hast!“ „Also, erstens kann man einen damit gar nicht richtig fesseln. Die sind so schwach, da genügt ein kleiner Ruck, und die Kette ist durchgerissen. Und zweitens brauchen wir gar keinen Schlüssel. Guck, da sind zwei Verschlüsse zum zuklappen. Die kannst du ohne Probleme selber aufmachen. Komm, probier es mal aus.“ Und ohne, dass Soichi etwas erwidern konnte, legte ihm Morinaga die eine Seite der Handschellen um das linke Handgelenk und ließ den Verschluss einrasten. „Hey! Ich hab dir das nicht erlaubt!“ Schnell befreite er sich von den Handschellen und warf sie gegen Morinagas Brust. „Siehst du, es ist ganz einfach.“ Er drückte ihn zurück auf die Matratze und machte sich daran, Soichi, der ja schon halb nackt war, komplett auszuziehen. „Sag mal, wenn Kurokawa gestern nicht hereingekommen wäre, hättest du es dann durchgezogen? Ich glaube, insgeheim bist du froh, dass er uns gestört hat.“ „Unsinn!“ „Na, dann kannst du es jetzt ja noch mal richtig machen.“ Soichi lief rot an. „Nein! Das ist einfach nur widerlich!“ „Ich finde es nicht widerlich. Und du hast ja auch nichts dagegen, wenn ich es mache. Im Gegenteil. Du liebst es.“ Morinaga ließ die Hose neben das Bett fallen und rückte ein Stück weiter in Richtung Bettende. „Soll ich?“, hauchte er. „Mach, was du willst“, brummte Soichi, der zu stur war, um zuzugeben, dass er sich genau das in diesem Moment wünschte. „Oh, was ich will?“ Morinaga hob die Handschellen vom Bett auf. „Das ist ein Angebot.“ Wie zuvor schloss er das eine Ende um das linke Handgelenk. Dann drückte er Soichis Hände am Kopfende zusammen, zog die Kette durch das metallene Bettgestell und ließ den zweiten Verschluss zuklappen. Das alles war so schnell gegangen, dass Soichi gar nicht wusste, wie ihm geschah. Und insgeheim fragte er sich, warum er sich nicht dagegen wehrte. Eine Erinnerung keimte in ihm auf. Denn schon einmal hatte ihn jemand mit Handschellen gefesselt: Diese fürchterliche Mutter von dem ebenso fürchterlichen Kurokawa. Das waren damals aber richtige Handschellen gewesen. Langsam begann Morinaga nun, ihn zu küssen. Erst auf den Mund, dann den Hals hinunter und über seine Brust. Ah, was für herrliche, große, rosa Brustwarzen er hatte… „Du bist so wunderschön“, flüsterte er kaum hörbar. Seine Küsse waren jetzt auf seinem Bauch. Er sah kurz nach vorne. Soichi hatte die Augen geschlossen und hielt sich mit beiden Händen am Bettgestell fest. Mit der Zungenspitze umkreiste er den Bauchnabel, so, wie kurz zuvor mit dem Finger, denn auch dort war Soichi unglaublich empfindlich. Die Kreise wurden kleiner, immer kleiner, bis er schließlich die Mitte erreicht hatte… Ja, das fühlte sich schön an, Soichis Finger in seinen Haaren. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Morinaga klar wurde, dass das bedeutete, dass er sich aus den Handschellen befreit haben musste. Für einen Augenblick unterbrach er sich in seinen Bewegungen. „Mach weiter“, sagte Soichi schwach und drückte Morinagas Kopf weiter in die gewünschte Richtung. Er hatte gerade begonnen, als Soichi ihn auf einmal fragte: „Hast du das bei Masaki auch gemacht?“ Wieder stoppte Morinaga. „Warum fragst du das jetzt?“ Er sah Soichi an, der ihm nicht antwortete. Dann nickte er. „Ja, ich habe es oft bei ihm gemacht. Und wenn du es schon so genau wissen willst, ich habe es auch bei einigen anderen Männern gemacht, mit denen ich kurz zusammen war. Und die haben es auch bei mir gemacht.“ „Hat er es bei dir gemacht?“ „Masaki? Nein. Nicht ein einziges Mal. Sei jetzt ruhig und lass mich weitermachen. Bleib einfach liegen… und genieße…“ Soichi kam der Aufforderung nach. Ganz entspannt lag er da und überließ sich vollkommen Morinaga. Mit den Fingern kam er gegen die Handschellen. Dumpf fielen sie zu Boden. Durch das gekippte Fenster waren aus weiter Entfernung Möwen zu hören, Menschen lachten draußen auf der nahen Hotelterrasse, und der sanfte Wind ließ die Palmenblätter vor ihrem Zimmer leise rascheln. All das schien plötzlich zu verstummen, als Soichi einen lauten Aufschrei ausstieß, bei dem sogar Morinaga erschrocken zusammenzuckte. „Ja, ich bin gut. Danke für das lautstarke Kompliment“, sagte er gönnerhaft, ließ Soichi einen Augenblick verschnaufen und drückte dann entschlossen dessen Beine auseinander. „Was soll das? Ich will nicht!“, beschwerte er sich sogleich. Als Morinaga nicht von ihm abließ, wurde er deutlicher. „Hör sofort auf!! Ich will nicht!!“ „Das sagst du immer. Und dann willst du doch.“ „Nein!! Wenn ich sage, ich will nicht, dann will ich auch nicht!!“ Und mit einem überraschend kräftigen Fußtritt stieß er ihn von sich und sprang aus dem Bett. „Ich gehe jetzt an den Strand. Ich brauche frische Luft. Oder, nein. Zuerst dusche ich.“ Er nahm seine Sachen vom Boden und ging ins Bad. „Und ich?“, rief Morinaga ihm hinterher. „Du kannst mit zum Strand kommen.“ „Das meine ich nicht! Du kannst dich mir jetzt nicht einfach verweigern! Das ist gemein!“ „Verweigern? Ich höre wohl nicht recht! Du tust ja so, als hätte ich irgendeine Verpflichtung dir gegenüber! Also, wenn du unbedingt willst, dann…“ Der Anflug eines Lächelns huschte über Morinagas Gesicht. „Ja?“ „Dann mach das alleine.“ Soichi schloss die Badezimmertür hinter sich. Morinaga ließ sich enttäuscht auf das Bett fallen. Er hörte, wie die Dusche angestellt wurde und überlegte, was er jetzt tun sollte. Dass er Soichi wieder freiwillig ins Bett kriegen würde – das konnte er vergessen! Und einfach zu ihm unter die Dusche gehen, so wie gestern? Keine Chance. Soichi hatte den Schlüssel in der Tür umgedreht. Ja, gestern… Er hatte ihn unter der Dusche nach allen Regeln der Kunst verführen wollen. Doch dann war alles anders gekommen, und Soichi hatte zum zweiten Mal die Kontrolle übernommen. Sicher, es war ganz schön gewesen. Irgendwie mochte er es tatsächlich. Aber ihm gefiel nicht, dass Soichi in diesen Situationen mehr und mehr seinen Willen ihm gegenüber durchsetzte. Er hatte kein Problem damit, wenn er von ihm im alltäglichen Leben herumkommandiert wurde. Das war soweit in Ordnung. Dass er jedoch in letzter Zeit vermehrt auch im Bett das Sagen haben wollte, das ging zu weit! Alleine sollte er es machen, hatte Soichi gesagt. Nein, diesmal würde er sich nicht seinem Willen fügen. Wenn er es alleine machte, dann, weil er selbst es wollte und nicht, weil es ihm befohlen wurde. Also stand er seufzend auf. Im Schneckentempo machte er sich daran, die Sachen für den Strand zusammenzusuchen. Wenn er Glück hatte, würde Soichi vielleicht später am Abend etwas weniger ablehnend sein. Er wickelte gerade eine Flasche Sonnencreme, zwei Badehosen und Handtücher in ein weiteres großes Handtuch, als Soichi fertig angezogen aus dem Bad kam. „Ah, gut, du hast schon alles eingepackt. Gehen wir.“ Der Weg zum Strand war länger, als sie gedacht hatten. Es dauerte ganze zwanzig Minuten, bis sie ihn zu Fuß erreichten. Morinaga fragte sich, warum ihr Hotel das Wort „Beach“ im Namen hatte, obwohl es doch so weit weg vom Strand lag. Nachdem sie sich in einer Umkleidekabine umgezogen hatten, breiteten sie im Schatten einer Palmengruppe das große Handtuch aus. Sie setzten sich, und Soichi hielt Morinaga die Flasche mit der Sonnencreme hin. „Crem mir den Rücken ein. Ich komm da schlecht ran.“ „Vielleicht solltest du dir erst die Haare hochstecken. Sonst sind die gleich voller Sonnencreme.“ „Hochstecken? Wie denn?“ „Warte…“ Morinaga löste den Zopf auf, wickelte die Haare, die noch leicht feucht vom duschen waren, oben auf Soichis Kopf wieder zusammen und band sie mit dem Haargummi fest. „Ja. Das müsste gehen.“ „Sehe ich auch nicht albern aus so?“ „Nein, du siehst sehr gut aus. Ein bisschen wie ein Sumoringer.“ „Wie meinst du das?“ „Das bezog sich nur auf die Frisur! Halt jetzt still, damit ich dich ordentlich eincremen kann.“ Während Morinaga die Sonnencreme auf Soichis Rücken verteilte, unterhielten sich zwei Leute, ein Mann und eine Frau, ganz in ihrer Nähe. „Was für ein herrliches Wetter“, sagte der Mann. „Und da heißt es immer, der hawaiianische Winter sei ein einziger großer Regenschauer.“ „Eine ganze Woche Sonne, Strand und Meer!“, jubelte die Frau. „Wundervoll!“ „Und nur wir beide, Li-Li“, fügte der Mann hinzu. „Nur du und ich.“ „Zu schade, dass ich hier nicht den schicken Zobel tragen kann, den du mir zu Weihnachten geschenkt hast. Aber für einen Pelzmantel ist es einfach zu warm.“ Der Mann lachte. „Tja, man kann nicht alles haben, Liebste.“ Soichi sah hinter sich. Diese Stimme kannte er doch? „Ach nee. Professor Suzuki.“ Der Angesprochene drehte sich erschrocken um. „Tatsumi! Das darf ja wohl nicht wahr sein! Und Morinaga auch! Was um alles in der Welt machen Sie denn hier?“ „Dasselbe könnte ich Sie fragen.“ Soichi warf einen Blick auf die Frau im knappen Bikini, die neben dem Professor stand. „Wer ist das denn? Das ist doch nicht Ihre Frau?“ „Meine… Sekretärin“, stellte er sie nach kurzem Zögern vor. „Hi!“, rief diese und strahlte die beiden Männer mit ihren gebleichten Zähnen an, die von zwei aufgespritzten und knallrot geschminkten Lippen umrundet waren. Ihre Augen waren unnatürlich groß, was durch ihre operativ verkleinerte Nase noch zusätzlich betont wurde. „Tatsumi?“, wiederholte sie den Namen. Ihre hohe Stimme erinnerte Soichi an das Meckern einer aufgeregten Ziege. „Ach, dann sind Sie der kleine Schwule, vom dem Su-Su erzählt hat!“ Sie beugte sich zu dem schockierten Soichi hinunter und kniff ihn in die Wange wie eine Großmutter, die ihrem Enkel erzählt, wie groß er doch schon wieder geworden sei. Dabei kam sie ihm mit ihren riesigen Brüsten, die offensichtlich den einen oder anderen chirurgischen Eingriff hinter sich hatten, unangenehm nahe, und ihre langen rotblond gefärbten Haarsträhnen streiften fast sein Gesicht. „Sie sehen gar nicht so gefährlich aus. Und Su-Su hat so böse Sachen über Sie erzählt! Und was für eine süße Frisur Sie sich gemacht haben! Das ist ja niedlich! Wissen Sie, ich mag Schwule! Die sind alle immer so freundlich und höflich! Und mit denen kann man so schön über alles reden, was uns Frauen interessiert, nicht wahr? Na, Schwule denken ja auch genau wie Frauen, weil sie so feminin und friedlich und sensibel sind.“ Morinaga sah mit Entsetzen, wie Soichi angefangen hatte zu beben. Noch zwei, maximal drei Sätze dieser Art und er würde explodieren! „Ein Freund von mir ist auch schwul“, setzte sie nach. „Ich sag immer, er ist wie meine beste Freundin.“ Sie lachte meckernd auf. „Tja, ich komme mit Schwulen einfach viel besser klar, als mit richtigen Männern!“ Das war er gewesen, der entscheidende Satz. Soichi wollte aufspringen, aber Morinaga, der das vorausgesehen hatte, hatte sich blitzartig auf ihn geworfen und drückte ihn in den heißen Sand. „Hör mal, Li-Li.“ Der Professor schob seine angebliche Sekretärin ein Stück zur Seite. „Dort vorne gibt es ein hübsches Café. Geh bitte schon mal vor und such uns einen Tisch aus, ja?“ Sie presste ihm ihre schlauchbootartigen Lippen auf den Mund und sagte: „Klar mach ich das, Su-Su. Bis gleich!“ Endlich war sie verschwunden. Morinaga ließ von Soichi ab. „Was denkt die sich dabei, so mit mir zu reden?!“ Soichi funkelte seinen Vorgesetzten an. „Ihre Sekretärin, was? Weiß Ihre Frau eigentlich davon?“ Suzuki trat auf Soichi zu. „Tun Sie nicht so, als ob Sie in einer Position wären, in der Sie mir Vorhaltungen über mein Privatleben machen dürften! Sie… Sie mit Ihren gleichgeschlechtlichen Aktivitäten! Von Ihnen lasse ich mir doch keine Vorträge über Sitte und Anstand halten!“ Sein Gesicht war jetzt glühend rot, sodass der Lippenstiftabdruck auf seinem Mund gar nicht mehr auffiel. „Wenn Sie auch nur ein Wort darüber verlieren sollten, dann… dann…“ „Das muss ich mir noch überlegen!“ „Tatsumi!! Ich warne Sie!!“ „Schon gut, wir sagen nichts“, versuchte Morinaga zu beschwichtigen. Er hatte bemerkt, dass der Professor nicht wie gewöhnlich seinen Ehering trug. Ganz in Gedanken versunken blickte er auf seine eigene Hand, an dem sein Verlobungsring steckte. Suzuki folgte seinem Blick. „Lächerlich“, murmelte er. „Was ist lächerlich?“, wollte Soichi wissen. „Dass Sie so tun, als seien Sie miteinander verlobt. Nicht genug damit, dass Sie beide vor ein paar Wochen an dieser überaus peinlichen Demonstration teilgenommen haben! Jetzt müssen Sie Ihre Neigung mit diesen Ringen auch noch jedem auf die Nase binden! Ein Glück, dass wir in Japan leben, wo man noch weiß, was sich gehört! Da können Sie soviel demonstrieren, wie Sie wollen, eine Ehe für Leute wie Sie wird es bei uns nie geben!“ Wieder wollte Soichi voller Wut losstürzen, und wieder wusste Morinaga es zu verhindern. „Sie sollten besser zu ihrer Sekretärin gehen“, sagte er dem Professor, während er den sich wehrenden Soichi mit aller Kraft am Boden hielt. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sich der Professor um und ging in die Richtung, in der das Café lag. „Lass mich los!“, forderte Soichi. „Dem werde ich…“ „Nein, du wirst hier bleiben!“ „Du hast mir gar nichts zu sagen! Jetzt lass mich endlich los! Die Leute gucken schon her!“ Morinaga sah dem Professor nach. Er war inzwischen weit genug weg, sodass er Soichi schließlich freigab. Dieser setzte sich wieder hin und starrte auf die hohen Wellen, auf denen hier und da Surfer auszumachen waren. Er sah aus, als würde er über etwas nachdenken. Morinaga wollte gerade fragen, was er hatte, als Soichi nickte und sagte: „Wir fliegen zurück.“ „Okay.“ Es wunderte ihn jetzt doch, dass Soichi auf einmal so ruhig war. „Geht es dir denn schon so gut, dass du den langen Flug bis Japan aushältst?“ „Nicht nach Japan. Wir fliegen nach Kalifornien.“ „Wie bitte?“ „Wir fliegen nach Kalifornien, und dort heiraten wir.“ Morinaga glaubte, sich verhört zu haben. „Könntest du das bitte noch einmal wiederholen?“ „Du hast mich schon richtig verstanden. Hier in Amerika können wir schließlich heiraten.“ „Aber du hast doch gesagt, dass du das nicht willst! Weil es bei uns zuhause keine Gültigkeit hätte.“ „Ich habe es mir anders überlegt. Du willst es doch auch.“ „Natürlich will ich es. Aber…“ „Na bitte. Wir fliegen zurück nach Kalifornien, am besten gleich nach San Francisco, machen einen Termin beim Standesamt aus, und dann sollen die mal alle sehen, dass wir heiraten können, wenn wir wollen!“ Soichi griff nach seinem Handy. „Ich werde sofort bei Tomoe anrufen. Der weiß sicher, wie das in Amerika genau abläuft. Er und dieser Kurokawa wollten doch sowieso in San Francisco heiraten.“ „Warte mal, Soichi! Das kommt alles ein bisschen plötzlich. Zu einer richtigen Hochzeit gehört noch mehr als nur ein Termin beim Standesamt. Wir müssen außerdem Gäste einladen, und Anzüge haben wir auch keine dabei. Von Eheringen ganz zu schweigen.“ „Das ist ja wohl das kleinste Problem. Anzüge und Ringe kannst du überall kaufen. Und das mit den Gästen ist auch ganz einfach. Wenn wir nächste Woche Samstag heiraten, bleibt genügend Zeit, alle einzuladen, die wir dabeihaben wollen. Wenn sie Freitag ins Flugzeug steigen, sind sie Samstag da. Und Sonntag können sie wieder zurückfliegen. Und wenn dir das zu kompliziert ist, lassen wir das mit den Gästen und feiern, wenn wir wieder zuhause sind.“ „Wer soll denn die ganzen Flüge bezahlen? Überleg doch mal, was allein unsere Tickets gekostet haben.“ „Ich schicke die Rechnungen einfach an meinen Vater. Der hat genug Geld. Moment… Er müsste eigentlich noch auf Hawaii sein.“ Er nahm wieder sein Handy, und schon wenige Sekunden später meldete sich sein Vater. „Tatsumi.“ „Vater? Ich bin’s.“ „Soichi! Seid ihr gut gelandet? Wie ist das Wetter in Kalifornien? Und die Männer?“ „Das weiß ich nicht. Wir sind nicht in Kalifornien. Wir sind auch auf Hawaii.“ „Was soll das heißen? Seid ihr gar nicht nach Los Angeles weitergeflogen?“ „Doch. Da waren wir. Wir sind schon wieder zurück. Ist eine längere Geschichte.“ „Du, sei mir nicht böse, aber ich habe jetzt nicht so viel Zeit. Hier in der Ausgrabungsstätte hat es letzte Nacht einen kleinen Erdrutsch gegeben. Es ist zum Glück keiner verletzt, aber wir müssen jetzt noch mal einen Teil neu freilegen. Dadurch verzögert sich mein Aufenthalt hier noch bis Mittwoch, schätze ich, und…“ „Tetsuhiro und ich werden heiraten.“ „Was?“ „In San Francisco.“ „In San Francisco“, wiederholte sein Vater lachend. „Wie hat Tetsuhiro denn das fertig gebracht?“ „Es war ganz allein meine Entscheidung. Also, ich will nicht lange drum herum reden. Wir brauchen Geld für die Flüge von Tetsuhiros Familie und unseren Freunden.“ Morinaga hörte zu, wie Soichi mit seinem Vater das Finanzielle besprach und sich dann verabschiedete. „Meine Familie soll auch kommen?“, fragte er. „Natürlich. Wir waren auf der Hochzeit deines Bruders, da ist es doch wohl selbstverständlich, dass sie auch zu unserer kommen, oder nicht?“ Morinaga zuckte unschlüssig mit den Schultern, und Soichi tippte schon wieder auf eine Taste des Handys. „Ist zwar nicht gerade billig, wenn ich mit dem Handy da anrufe, aber ich will das jetzt sofort…“ Soichi unterbrach sich, als Tomoe am anderen Ende abnahm. Ohne Umschweife erklärte er ihm, was er vorhatte. Tomoe, der vor Freude gar nicht wusste, was er dazu sagen sollte, erklärte ihm seinerseits alles, was für eine Hochzeit in Amerika nötig war. Soichi hatte sich inzwischen damit abgefunden, dass das Ganze natürlich bedeutete, dass sein kleiner Bruder in San Francisco die Gelegenheit wahrnehmen und Kurokawa heiraten würde. Als er schließlich das Gespräch beenden wollte, fragte Tomoe ihn vorsichtig: „Du, Soichi?“ „Ja, was ist denn noch?“ „Kurokawa und ich haben das jetzt auch gemacht. Also, zuerst fand ich es ja etwas eklig und so… Aber dann habe ich gedacht, wenn du es so toll findest, kann es ja nicht so schlimm sein. Und Kurokawa fand es auch ganz toll. Ja, und da fand ich es auch…“ „Halt mal! Wovon redest du?!“ „Na, davon…“, druckste Tomoe herum. „Das, wobei Kurokawa euch gestern gesehen hat.“ Kreidebleich sprang Soichi von dem großen Strandhandtuch auf. „Ah…!“ Mehr brachte er nicht heraus. „Zuerst habe ich es bei Kurokawa gemacht, und dann hat er es bei mir gemacht. Aber sag mal, was genau findest du daran eigentlich so schön? Ich meine… also, derjenige, der es macht, hat ja eigentlich gar nichts davon.“ „Was… ich…? Wie kommst du darauf, dass ich das schön finde?!“, stieß Soichi entrüstet aus. „Als wir vorhin telefoniert haben, hast du mir gesagt, dass du das gerne machst! Und außerdem hat Morinaga gestern Kurokawa erzählt, dass ihr das jeden Tag macht!“ „Was?!“ Böse starrte er Morinaga an. „Du hast Kurokawa erzählt, ich würde dir jeden Tag…“ Er wandte sich wieder Tomoe zu. „Was auch immer Tetsuhiro gesagt hat, es ist erlogen!! Hörst du?! Nichts davon stimmt!! Ich mache solche Sachen nicht!! Hast du das verstanden?!“ „Aber…“ „Nichts aber!! Und ich verbiete dir, dass du das noch einmal machst! Und wenn dieser Kurokawa das von dir verlangt, dann werde ich ins nächste Flugzeug steigen und ihm…“ Ein lautes Piepen unterbrach ihn. Der Akku des Handys war leer. Die Verbindung zu Tomoe war getrennt. Auf dem ganzen Weg zurück zum Hotel sprach Soichi kein einziges Wort mit Morinaga, der vergeblich herauszufinden versuchte, was Tomoe am Telefon zu ihm gesagt hatte. Als sie wieder auf ihrem Zimmer waren, fing Soichi gleich an, eine Liste mit den Leuten, die sie einladen wollten, zu erstellen und eine weitere mit all den Sachen, die gekauft und organisiert werden mussten. Nachdem Soichi einige Anrufe getätigt hatte, rief Morinaga bei seinem Bruder Kunihiro an, um ihm und seiner Frau Sayako die freudige Botschaft mitzuteilen. Die beiden sagten zu. Dann wählte er mit einem mulmigen Gefühl im Bauch die Nummer seiner Eltern. Es war besetzt. Also versuchte er es stattdessen zunächst bei Hiroto, denn natürlich durften er und sein Freund Yashiro auch nicht fehlen. „Hallo?“ „Hey, Hiroto! Ich bin’s!“ „Engelchen! So eine Überraschung! Wie geht es euch? Rufst du wegen eures Kätzchens an? Dem geht’s blendend bei mir.“ „Das ist schön. Hiroto, ich habe eine Neuigkeit für dich, die dich umhauen wird. Setz dich besser hin.“ „Aber ich sitze doch schon. Yashiro und ich frühstücken gerade.“ Richtig, fiel es Morinaga ein. In Japan war es ja ein paar Stunden früher als bei ihnen. „Schieß los, Engelchen. Habt ihr geheiratet, oder was?“ „Woher weißt du… ich meine…“ „Ist nicht dein Ernst, oder? Ihr habt geheiratet? Yashiro, hast du das gehört?“ „Nein, wir haben nicht geheiratet. Noch nicht. Aber wir wollen heiraten. Samstag in einer Woche.“ „Oh, Engelchen, das ist ja wunderbar! Ich freue mich so für euch!“ „Wir möchten euch beide gerne einladen. Die Kosten für die Flüge und das Hotel übernimmt Soichis Vater.“ „Das ist so süß von euch, wirklich! Aber was mache ich denn mit eurer Katze?“ „Das ist kein Problem. Soichi hat vorhin mit der Haushälterin seines Vaters telefoniert. Sie hat in der nächsten Woche Zeit und wird unsere Katze gerne solange in Pflege nehmen. Ich gebe dir mal ihre Nummer. Hast du Zettel und Stift?“ „Ja.“ Als Morinaga eine Minute später aufgelegt hatte, hakte er den Namen seines Freundes auf der Liste ab. Ob er es jetzt noch einmal bei seinen Eltern versuchen sollte? Das mulmige Gefühl von vorhin war noch immer da. Er blickte zu Soichi hinüber, der in der anderen Ecke des Zimmers am Tisch saß, angestrengt über der Liste mit den Besorgungen brütete und mit den Gedanken ganz woanders zu sein schien. Langsam tippte er die Nummer in das Telefon ein. Diesmal ging der Ruf raus. Nach nur zweimaligem Klingeln hob seine Mutter ab. „Ja, bitte?“ „Hallo Mutter. Ich bin es.“ „Tetsuhiro.“ Die Art, wie sie die einzelnen Silben seines Namens betonte, sagte alles. Morinaga atmete tief durch. „Kunihiro hat es dir erzählt.“ „Dabei kann es sich wohl nur um einen geschmacklosen Scherz handeln. Du und dein Bruder sollten wissen, dass man über so etwas keine Witze macht.“ „Es ist kein Scherz. Ich werde Soichi heiraten. Wir…“ Er war sich nicht sicher, ob er den Satz wirklich aussprechen sollte. „Wir möchten, dass du und Vater… dass ihr dabei seid.“ Am anderen Ende herrschte eisiges Schweigen. Das genügte Morinaga als Antwort. „Es ist in Ordnung. Ihr braucht nicht zu kommen, wenn ihr es nicht möchtet.“ „Dass du überhaupt die Dreistigkeit besitzt, uns um so etwas zu bitten! Ich finde es schon allerhand, dass Kunihiro und… seine Frau bei diesem Unsinn mitmachen!“ „Ich habe schon mitgekriegt, dass du etwas gegen sie hast. Aber du kannst sie ruhig beim Namen nennen! Sie heißt Sayako.“ „Danke. Ich weiß, wie sie heißt. Aber dass Kunihiro… ich meine, es weiß doch, dass wir von dir keine Enkelkinder erwarten können. Warum muss er sich denn eine solche Frau aussuchen? Und dass er es uns dann auch noch monatelang verschweigt, dass sie…“ „Sie kann keine Kinder bekommen. Und? Dann ist das eben so! Kunihiro liebt sie. Das ist alles, was zählt. Und ich liebe Soichi.“ „Sag das nicht so, als wäre es das gleiche!“ „Es ist das gleiche. Wir sollten jetzt besser das Gespräch beenden. Ich habe keine Lust, mir weiter deine Vorwürfe anzuhören. Ich werde Soichi sagen, dass ihr nicht kommt. Wiederhören.“ „Auf Wiederhören.“ Er ging ein paar Schritte durch das Zimmer. Mit gesenktem Kopf setzte er sich auf das Bett. Soichi sagte irgendetwas, aber er hörte nicht hin. Am liebsten hätte er seinen ganzen Ärger hinausgeschrieen, aber stattdessen blieb er einfach nur sitzen und tat nichts. Soichi trat neben ihn. „Hey, ich habe dich etwas gefragt! Hallo!“ „Was?“ Morinaga sah ihn an. Tränen liefen über seine Wangen. „Was ist passiert?“ Soichi setzte sich zu ihm. „Wieso weinst du?“ „Ich…“ Er schluckte ein paar Mal und wischte sich mit seinem Hemd über die Augen. „Meine Mutter.“ Morinaga fasste in knappen Worten zusammen, was sie zu ihm gesagt hatte, und vor allem, wie angewidert sie dabei geklungen hatte. Mit jedem Satz wurde Soichi wütender. Der ganze Groll, den er eben noch gegen ihn gehegt hatte, war augenblicklich verflogen. „Und du? Was hast du zu ihr gesagt? Du hast ihr doch hoffentlich deine Meinung gesagt?“ „Nicht wirklich…“ Soichi stand vom Bett auf und ging entschlossen zum Telefon. Er drückte auf die Taste für die Wahlwiederholung. „Ja, bitte?“, meldete sich eine zitternde Frauenstimme. Morinagas Mutter. „Was fällt Ihnen eigentlich ein, so mit Ihrem Sohn zu sprechen?“, fiel Soichi über sie her. „Können Sie sich vorstellen, wie er sich jetzt fühlt? Soll ich es Ihnen sagen? Er sitzt völlig fertig auf dem Bett und weint! Und das ist allein Ihre Schuld!“ Die Mutter räusperte sich. „An unsere Gefühle denken Sie wohl nicht.“ „Oh doch, das tun wir! Was glauben Sie denn, warum Tetsuhiro Sie angerufen hat? Um Sie zu belästigen? Nein! Weil er Sie bei seiner Hochzeit, bei unserer Hochzeit, dabei haben will. So, wie Sie bei der Hochzeit ihres anderen Sohnes dabei waren. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie an dem Abend sehr freundlich zu Tetsuhiro und mir waren. Gerade deswegen dachten wir, dass Sie uns beide als Paar akzeptiert hätten.“ „Hören Sie. Als Tetsuhiro Sie zu Kunihiros Hochzeit mitgebracht hat, was hätten wir denn da tun sollen?“ „Wie meinen Sie das?“ „Nun, Kunihiro hatte uns darüber in Kenntnis gesetzt, dass Sie zu Gewalt neigen, wenn etwas nicht nach Ihren Vorstellungen abläuft. Mein Mann und ich haben uns Ihnen gegenüber nur deshalb höflich verhalten, weil wir fürchteten, Sie könnten einen Skandal auf der Hochzeitsfeier verursachen.“ „Das heißt, Sie haben uns damals nur etwas vorgespielt?“ Eine Hitzewelle fuhr durch seinen Körper. Das konnte doch alles nicht wahr sein! „Mein Vater hat Tetsuhiro sofort wie einen eigenen Sohn behandelt, als er ihn das erste Mal getroffen hat“, sagte er. „Ich bin darüber informiert, dass in Ihrer Verwandtschaft… andere Vorstellungen bezüglich Ehe und Familie herrschen.“ „Jedenfalls wird mein Vater bei unserer Hochzeit anwesend sein. Und er steht zu uns.“ „Und Ihre Mutter?“ „Meine… meine Mutter ist tot.“ „Das tut mir leid.“ Sie machte eine kurze Pause. Als sie weiter sprach, klang ihre Stimme hart und kalt. „Aber so bleibt ihr wenigstens der Anblick erspart, wie ihr Sohn… einen Mann heiratet.“ Soichi wäre bei diesen Worten beinahe der Hörer aus der Hand gefallen, aber der wurde ihm sowieso gerade von Morinaga abgenommen. „Mutter?“ „Bitte, mein Sohn, sei jetzt vernünftig! Dein Vater und ich wollen doch nur nicht, dass du dich und unsere ganze Familie noch weiter ins Unglück stürzt! Wenn man hier bei uns erfährt, dass du diesen Menschen geheiratet hast, dann…“ „Mutter, hör mir zu. Und richte es bitte auch Vater aus. Ihr werdet euch in Zukunft nicht mehr für mich schämen müssen. Man wird mich bald nicht mehr mit… eurer Familie in Verbindung bringen. Ich werde den Namen Morinaga ablegen und Soichis Namen annehmen.“ „Du weißt, dass das nicht geht! Dein Name ändert sich nicht automatisch wie bei einer normalen Ehe!“ „Das ist kein Problem. Die Cousine von meinem Freund Hiroto arbeitet im Rathaus. Ich habe mich schon vor ein paar Wochen bei ihr erkundigt. Eine Namensänderung ist jederzeit möglich.“ „Du weißt nicht, was du tust, Junge! Du…“ „Ich weiß es sogar ganz genau. Wie es aussieht, werden wir bei unserer Hochzeit wohl auf eure Anwesenheit verzichten müssen. Leb wohl.“ „Warte! Bevor du auflegst, lass dir noch eins gesagt sein. Ein Mann kann dich niemals wirklich lieben! Gerade du solltest das am besten wissen!“ Morinaga spürte, wie seine Knie weich wurden. Masaki. Es war eindeutig Masaki, über den seine Mutter hier sprach. Masaki, der seinen Körper begehrt, aber ihn nie geliebt hatte. „Woher weißt du das?“ Stumm stellte sich Soichi neben ihn und hielt das Ohr mit an den Hörer. „Von Masaki selbst“, antwortete sie. „Seit… seit wann weißt du es?“ „Seit der Sache damals. Als Masaki im Krankenhaus lag, hat er seinen Eltern und uns gesagt, wie es wirklich mit euch beiden war. Und dass es nicht du warst, den er zu lieben glaubte, sondern jemand anders.“ „Warum habt es nie für nötig gehalten, Kunihiro und mir von diesem Gespräch zu erzählen?“ „Wir wollten Kunihiro nicht noch weiter damit belasten. Die Situation war auch schon so unerträglich genug für ihn. Außerdem hat Masaki uns unter Tränen angefleht, zuhause kein Wort darüber zu verlieren. Und warum hätten wir ausgerechnet mit dir darüber reden sollen? Du warst es doch, der Masaki in diese schreckliche Lage gebracht hat! Er hatte dir anvertraut, dass er… nun, so etwas wie sexuelle Gefühle für einen Jungen aus seiner Klasse hegte. Wenn du das nicht ausgenutzt hättest, wäre es nie soweit gekommen!“ „Moment! Was hast du gerade gesagt?“ „Er hat dir damals dieses Geständnis gemacht, mit der Bitte, deinem Bruder gegenüber Stillschweigen zu bewahren. Er wollte nicht, dass sein bester Freund ihn verachtet, weil er sich von diesem anderen Jungen angezogen fühlte. Und was hast du gemacht? Du hast ihn mit diesem Wissen erpresst und ihn dazu gezwungen, mit dir diese… diese furchtbaren Dinge zu tun! Ach, aber warum erzähle ich dir das alles? Du kannst dich bestimmt noch bestens daran erinnern!“ Morinagas Knie gaben nach. Er ging in die Hocke und lehnte sich gegen die Kommode, auf der das Telefon stand. Kein Wort hatte Masaki über das Gespräch von damals verloren, als er im vergangenen Jahr Kontakt zu ihm und Kunihiro aufgenommen hatte. Ob er es vielleicht nur vergessen hatte? Nein, etwas so wichtiges vergaß man nicht. Masaki hatte ihn belogen. Damals wie heute. Noch mehr als das. Masaki hatte ihn verraten. Er fühlte, wie Soichi, der sich neben ihn gesetzt hatte, einen Arm um seine Schultern legte und ihn dicht an seinen Körper zog. Jetzt versuchte er nicht mehr, seine Tränen zurückzuhalten. Es war ihm egal, ob seine Mutter hörte, wie er weinte. Sicher hatte sie es vor all den Jahren auch gehört, als er sich in seinem Zimmer eingeschlossen und heulend auf sein Bett geworfen hatte. Es war jeden einzelnen Tag so gewesen, nachdem man ihn immer wieder aus dem Krankenhaus weggeschickt hatte, wo ihn nur eine dünne Tür von Masaki trennte. Soichi nahm ihm den Hörer ab. „Passen Sie jetzt gut auf. Es ist richtig, dass Masaki Tetsuhiro nie geliebt hat. Aber es ist eine Lüge, dass Tetsuhiro ihn in irgendeiner Weise erpresst hat! Masaki hat damals nach über einem Jahr die Beziehung beendet, und erst da ist herausgekommen, in wen er in Wirklichkeit verliebt war. Ich nehme an, Masaki hat Ihnen nie den Namen genannt?“ „Nein. Das war auch nicht weiter wichtig.“ „Kunihiro.“ „Was?“ „Der Name. Dieser Junge aus Masakis Klasse, den er geliebt hat, das war Tetsuhiros Bruder.“ „Das ist nicht wahr!“ „Tetsuhiro hat es mir selbst so erzählt! Dann muss es ja wohl stimmen!!“ Es dauerte einen Augenblick, bevor sie weiter sprach. „Das ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass Tetsuhiro Masakis jugendliche Unsicherheit über seine Sexualität ausgenutzt hat!“ „Heißt das, nach alledem, was ich Ihnen gerade gesagt habe, halten Sie immer noch zu diesem Kerl? Mehr, als zu ihrem eigenen Sohn? Was sind Sie bloß für eine Mutter?! Sie sollten sich schämen!!“ „Werden Sie nicht ausfallend!“ „Sie könnten sich wenigstens bei ihm entschuldigen! Was glauben Sie denn, wie schlecht es ihm ging, als Sie ihm damals auch noch zu allem Überfluss die Tür gewiesen haben?“ „Sie müssen bedenken, dass Masakis Vater von der Regierung ist. Die ganze Familie ist hoch angesehen. Sie konnten es einfach nicht mehr ertragen, wenn Tetsuhiro sich in ihrer Nähe blicken ließ. Wir leben in einer sehr kleinen Stadt. Da kann man sich nicht immer aus dem Weg gehen. Es war die beste Lösung für alle, dass Tetsuhiro damals die Stadt verlassen hat. Und er hat dadurch ja auch seine Vorteile gehabt.“ „Wie bitte?! Soll er Ihnen jetzt etwa auch noch dankbar dafür sein, dass Sie ihn verstoßen haben?!“ Morinaga saß noch immer wie ein Häuflein Elend an seiner Seite. Seine Mutter sprach so laut, dass auch er sie verstehen konnte, als sie fragte: „Was denken Sie denn, wer ihm in den ersten Jahren sein Studium finanziert hat? Etwa wir?“ Morinaga schloss die Augen. „Nein…“ „Es war sehr großzügig von Masakis Eltern, dass sie ihn nach all dem Ärger so gut unterstützt haben. Wir allein hätten nicht genügend Geld gehabt. Es war zu der Zeit schon schwer genug für uns, für Kunihiros Ausbildung aufzukommen. Sie haben uns einen hohen Geldbetrag geboten, unter der Bedingung, dass für Masaki keine weiteren Probleme entstehen und Tetsuhiro wegzieht.“ „Das glaube ich jetzt einfach nicht…“, flüsterte Morinaga. Offenbar hatte seine Mutter ihn verstanden. Sie rief ihm laut zu: „Die Entscheidung ist uns doch auch nicht leicht gefallen! Wir lieben dich doch, Tetsuhi…“ Die letzte Silbe hörte er nicht mehr. Soichi hatte den Hörer aufgelegt. Fortsetzung folgt… Boah, fies! *Taschentücher rumreich* Erstmal vielen Dank an LittleTreeflower, arcati und MrsJuliaNanba für die Idee, dass Morinagas Eltern das mit Masaki rauskriegen! ^__^ Ansonsten wäre die Szene schon an der Stelle zu Ende gewesen, wo Morinaga seiner Mutter „Leb wohl“ sagt. Eigentlich ist das Stück ziemlich überflüssig, was den weiteren Verlauf der Geschichte anbelangt… Aber dadurch ist ein guter Schuss „Drama“ eingeflossen! War das auch zu dramatisch…? ^_^''' Die 2. Kapitelhälfte fängt auf jeden Fall erstmal fröhlicher an, als diese hier geendet hat. ^^ Was Suzukis „Sekretärin“ angeht: Ich kenne mindestens drei Frauen, die so in der Art reden! („Alle Schwulen sind ja sooo toll!“ *über einen Kamm scher* „Und immer sooo freundlich!“ „Sooo friedlich!“ „Alle sooo sympathisch!“ etc.) Das passte gerade so schön, weil Soichi diesem Bild ja nun wirklich nicht entspricht! XD Kapitel 10: BONUS-KAPITEL 4: If You're Going To San Francisco... (Teil 2 von 3) ------------------------------------------------------------------------------- (Vorab-Anmerkung: Da ich mich mal wieder mit der Textmenge verschätzt habe, teile ich den Rest des Kapitels noch einmal auf. Bonus-Kapitel 4 wird also nicht aus zwei, sondern aus drei Teilen bestehen. Disclaimer, Warnungen usw.: Siehe Bonus-Kapitel 4 / Teil 1 Zur Erinnerung: Kursive Schrift = Englisch) Donnerstagabend lag Morinaga im Hotelzimmer im Bett und konnte nicht schlafen. Er hatte sich dicht an Soichi geschmiegt, der an seiner Seite lag und tief und gleichmäßig atmete. Sie hatten sich zeitig hingelegt, denn morgen in aller Frühe ging ihr Flug nach San Francisco. Ganz in Gedanken versunken streichelte er durch die Haare seines schlafenden Verlobten. Ein leichter Nikotingeruch ging von ihnen aus. Noch vor einer halben Stunde hatte Soichi hinter dem Hotel heimlich mehrere Zigaretten geraucht, in einem Bereich, zu dem eigentlich nur das Personal Zugang hatte. Und er, Morinaga, hatte die Augen aufgehalten, damit niemand sie dabei erwischte. Ein Glück, es war alles gut gegangen, denn auch hier herrschte überall striktes Rauchverbot. In den Nächten davor hatte sich Soichi zu diesem Zweck immer auf die große Hotelterrasse geschlichen, und er war sicherheitshalber jedes Mal mitgegangen. Da es jetzt aber noch hell war und die Terrasse voller Hotelgäste, waren sie auf den verwilderten Garten neben dem Kücheneingang ausgewichen. Der hohe Zaun, der ihn umgab, hatte kein Hindernis dargestellt. Soichi war einfach über ihn geklettert. Morgen würden sie also zurück auf das amerikanische Festland fliegen, und übermorgen war es dann soweit. Sie würden heiraten. Normalerweise hätte er sich freuen müssen, doch in seinem Innern sah es alles andere als fröhlich aus. Kein Wunder, die vergangenen Tage hatten unglaublich an seinen Nerven gezehrt. Erst diese unfassbare Geschichte, die er von seiner Mutter erfahren hatte. Die Erkenntnis, dass Masaki ihn, seinen Bruder und überhaupt jeden belogen hatte. Und dass sich seine Eltern von Masakis Eltern praktisch hatten kaufen lassen. Noch am selben Tag hatte er mit Kunihiro telefoniert und ihm davon berichtet. Dabei hatte sich herausgestellt, dass Kunihiro in den vergangenen Monaten mit seinen Eltern nie über Masaki gesprochen hatte. Weder, dass Soichi ihm unverblümt an den Kopf geworfen hatte, dass Masaki damals in ihn verliebt gewesen war, noch, dass Masaki ihn und seinen Bruder kurz vor der Hochzeit kontaktiert hatte. Als Kunihiro seinen Eltern im letzten Jahr vorsichtig beigebracht hatte, dass Sayako keine Kinder bekommen konnte, hatte es einen heftigen Streit zwischen ihnen gegeben, und seitdem sprachen sie nur noch das nötigste miteinander. Auf der Hochzeit der beiden hatten sich die Eltern dann so gut es ging zusammengerissen. Schließlich wollten sie den guten Ruf der Familie wahren – oder zumindest das, was noch davon übrig war. Sie hatten ihre Rollen so gut gespielt, dass es nicht einmal Morinaga aufgefallen war, dass etwas nicht stimmte. In den darauf folgenden Tagen war er nicht dazu gekommen, weiter großartig über seine Vergangenheit nachzudenken. Soichi und er waren viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, Anzüge anzuprobieren und Eheringe auszusuchen. Dann hatte Soichi immer wieder mit Tomoe telefoniert. Sein kleiner Bruder und Kurokawa – sie würden ebenfalls heiraten – hatten ihrerseits Freunde und Familie eingeladen und alles weitere in Kalifornien geregelt. Tomoe hatte über ein Reisebüro ein schönes Hotel in San Francisco ausgesucht, genügend Zimmer gebucht und gleich einen kleinen Festsaal, von denen es im Hotel mehrere gab, dazugemietet. Es handelte sich dabei um ein Hotel, das direkt an eine Hochzeitskapelle angrenzte und bei heiratswilligen Paaren, gerade aus Asien, sehr beliebt war. Morinaga seufzte leise. Obwohl alles perfekt zu sein schien, kam so etwas wie Hochzeitsstimmung nicht bei ihm auf. Woran das lag, ja, das wusste er genau. Es war Soichi, der sich Hals über Kopf in diese Sache gestürzt hatte. Allein aus Ärger über ihren Professor. Er hatte nicht einmal nach seiner Meinung gefragt. Außerdem machte Soichi selbst auch nicht einen sehr glücklichen Eindruck. Diesem hatte besonders der schreckliche Krach mit seiner Mutter zugesetzt. Sollten sie wirklich so ihre Ehe beginnen? Konnte das überhaupt gut gehen? Noch immer streiften seine Finger sanft durch Soichis Haarsträhnen. Sie hatten jeden Tag so einen Stress gehabt, dass sie nicht einmal Zeit für ein paar Zärtlichkeiten gefunden hatten. Am liebsten hätte er ihn jetzt aufgeweckt und seinen Körper an jeder erdenklichen Stelle geküsst, bis Soichi es nicht mehr aushielt und widerstandslos alles mit sich machen ließ. Aber er sah so friedlich und engelsgleich aus, wie er da schlief, dass er es einfach nicht übers Herz brachte, das auch wirklich zu tun. Es dauerte noch eine ganze Zeit, bis auch Morinaga endlich für ein paar Stunden Schlaf fand. Am Freitagmorgen standen Morinaga, Soichi, Kanako, Vater Tatsumi und Wang gemeinsam in der Abfertigungshalle des Flughafens von Honolulu, um einzuchecken. Morinaga hatte sich inzwischen wieder ganz gut gefangen, trotz des viel zu kurzen Schlafes der vergangenen Nacht. Und Kanako, die aufgeregt von einem zum anderen sprang und alle mit ihrer Fröhlichkeit ansteckte, ließ ihn vorübergehend den ganzen Ärger der letzten Tage vergessen. Soichi hatte eben die große Reisetasche auf das Band gelegt, das sämtliche Handgepäckstücke durch den Kontrollbereich beförderte, als ein lauter Piepton erklang und das Band anhielt. Ein Flughafenbeamter nahm sie herunter und stellte sie auf einen langen Tisch vor Soichi und Morinaga. „Unser Metalldetektor hat angeschlagen“, erklärte er und öffnete die Tasche. Er nahm einen Stapel Kleidung heraus und durchsuchte das Gepäckstück. Kanako trat näher. „Was ist denn? Habt ihr Waffen mitgenommen oder wieso…“ Ihr Blick fiel auf eine kleine schwarze Schachtel, die zwischen der Kleidung lag. „Was ist das?“, fragte sie laut und griff danach. „Sind das etwa Kondome?“ „Schrei doch nicht so!“, fuhr Soichi seine kleine Schwester an. „Und leg das wieder hin! Das geht dich absolut nichts an!“ „Das sind ja wirklich welche!“ Da die Schachtel nicht ganz zu war, fiel der halbe Inhalt auf den Tisch. „Hey! Genau so eine Verpackung lag doch in dem Flugzeug, mit dem wir nach L. A. geflogen sind!“ Sie sah Morinaga an. „Auf dem Klo, hab ich dir doch erzählt!“ „Ja, ich erinnere mich…“, sagte Morinaga zerknirscht. „So ein Zufall“, lachte sie. Anscheinend hatte sie nicht verstanden, dass ihr Bruder und ihr zukünftiger Schwager die Verpackung dort zurückgelassen hatten. „Du, sag mal, wozu braucht ihr denn Kondome?“ Soichi, der, wie immer bei solchen Themen, errötet war, stopfte die Packung samt Inhalt schnell zurück in die Reisetasche. „Werdet ihr Kinder heutzutage in der Schule nicht mehr aufgeklärt?!“ „Natürlich! Ich weiß alles! Darum wundere ich mich ja. Unsere Lehrerin hat gesagt, die nimmt man, wenn die Frau kein Baby kriegen will.“ Auch Morinaga wusste nicht recht, was er antworten sollte. Er konnte ja schlecht sagen: „Ach, weißt du, normalerweise machen wir’s ohne. Aber dein Bruder stellt sich immer so an, wenn er hinterher nicht duschen kann. Darum haben wir die für unterwegs dabei.“ Nein, das konnte er unmöglich sagen! Aber Kanako setzte noch einen drauf, als sie meinte: „Außerdem könnte ihr die ja gar nicht benutzen, weil ihr ja gar keinen Sex haben könnt.“ Morinaga sah sie überrascht an. Kanako würde in zwei Wochen fünfzehn werden. In dem Alter musste man so etwas doch wissen, oder? Andererseits benahm sie sich nicht gerade ihrem Alter entsprechend. In der Hinsicht glich sie Tomoe sehr. „Na ja…“ Sie rollte mit den Augen. „Ihr habt ja nicht das, was eine Frau… da unten hat.“ Sie kicherte kindisch. „Also könnt ihr auch keinen Sex haben. Logisch.“ „Weißt du“, meinte Morinaga zögernd, „frag am besten deine Lehrerin. Die erklärt dir das.“ Soichi zog ihn ärgerlich zur Seite und zischte ihm zu: „Du bist wohl verrückt geworden, was? So etwas muss sie in ihrem Alter noch nicht wissen!“ „Wieso denn nicht?“, zischte Morinaga zurück. „Ich wusste mit fünfzehn auch, wie das geht. Du etwa nicht?“ „Himmel, nein! Außerdem ist meine kleine Schwester noch ein unschuldiges Kind! Ich will nicht, dass sie…“ „Aha!“, rief der Flughafenbeamte plötzlich. „Da haben wir’s ja.“ Er hielt die Plüschhandschellen hoch. „Die können Sie leider nicht im Passagierraum mitnehmen. Sie müssen sie hier lassen.“ „Kein Problem“, meinte Morinaga, den schönen Handschellen ein wenig hinterher trauernd. Zur Überprüfung schob der Mann die wieder voll gepackte Reisetasche ein zweites Mal durch die Gepäckkontrolle, und diesmal blieb der Metalldetektor stumm. Grinsend gab er dem knallroten Soichi die Tasche. „Hier. Schönen Urlaub noch!“ „Danke…“, murmelte dieser, froh, die Handschellen nun endgültig los zu sein, und zog Morinaga, der zum ersten Mal seit dem letzten Wochenende wieder lachen konnte, mit sich zum Ausgang. Die anderen drei folgten. In San Francisco warteten bereits Tomoe, Kurokawa, Rick und Phil auf sie. Tomoe staunte nicht schlecht, als sich die erwartete Ehefrau seines Vaters als männlicher Lebensgefährte herausstellte. Aber nach dem schockierenden Coming-Out seines großen Bruders konnte ihn nichts mehr wirklich überraschen. Gegen Mitternacht entschied Soichi, dass er vor dem Schlafengehen noch eine Zigarette rauchen wollte. Morinaga hatte schon mit so etwas gerechnet, da es in den vergangenen Tagen genauso gewesen war. Also verließen sie das Hotel, um draußen eine Stelle zu suchen, wo sie ungestört waren. Die Stelle war bald gefunden: Ein abgelegener Hinterhof, der zu einem verlassenen Gewerbegebiet ein paar Straßen weiter gehörte. Fernab der Lichter der Stadt zündete sich Soichi eine Zigarette an. „Willst du auch eine?“, fragte er. „Nein“, lehnte Morinaga ab. Ihm gefiel dieser dunkle Hof inmitten der abbruchreifen Gebäude ganz und gar nicht. Er ging ein wenig herum, immer auf der Hut, dass niemand kam. Einen Meter neben ihm raschelte etwas in einem Müllhaufen, von denen sich hier gleich mehrere befanden. Im nächsten Moment huschte ein kleines Tier an ihm vorbei, und er sprang voller Abscheu zur Seite. „Hab dich nicht so. Das war nur eine Ratte“, sagte Soichi gelassen und inhalierte genüsslich den Rauch. „Beeil dich doch etwas, ja?“, drängte Morinaga. Aber es würde sicher wieder länger dauern. Soichi war gerade dabei, eine zweite Zigarette aus der Schachtel zu nehmen. „Nun hetz nicht so! Wenn du keine Zeit hast, dann geh zurück ins Hotel.“ Er warf den glühenden Stummel auf den Boden, trat ihn aus und zündete die zweite an. „Es kommt schon keiner“, fügte er hinzu. „Wir sind ganz allein.“ Soichi konnte in der Dunkelheit nicht sehen, was dieser Satz für ein Glänzen in Morinagas Augen auslöste. „Nicht. Lass das“, wehrte er ab, als dieser seine Arme um ihn legte und ihn zu küssen begann. „Pass doch auf!“, rief er, als er mit der Zigarette knapp Morinagas Haare verfehlte. Doch der ließ sich jetzt nicht mehr von seinem Vorhaben abbringen. Sie waren allein, Soichi hatte völlig Recht. Mit einem schnellen Handgriff war seine eigene Hose geöffnet, mit einem zweiten die des anderen. „Dass du immer nur daran denken musst!“ „Was heißt denn hier, immer?“, verteidigte sich Morinaga. „Du hast mich jetzt schon fast eine Woche nicht mehr mit dir schlafen lassen. Und außerdem merke ich dir an, dass es dir genauso fehlt wie mir.“ „Nein! Ich will nicht! Nicht hier. Es stinkt nach Müll, hier sind überall Ratten, und wer weiß, ob irgendeiner kommt!“ Morinaga nahm ihm die Zigarette ab, zog einmal daran und warf sie dann neben die andere, um sie ebenfalls auszutreten. „Es wird keiner kommen.“ „Spinnst du? Die hatte ich gerade angezündet!“ Er wollte sich eine dritte nehmen, aber Morinaga drückte seine Arme an die Wand hinter ihm und presste sich dann mit seinem ganzen Körper gegen ihn. Diese plötzliche Nähe, die er in den letzten Tagen so vermisst hatte, da war sie endlich wieder. Ganz instinktiv öffnete er leicht die Lippen und ließ Morinagas Zunge eindringen. Er spürte, wie seine Hände ihn berührten, überall, wie es ihm vorkam. Wie sie seine Hose ein Stück hinunter schoben, ihn mit Bestimmtheit packten und umdrehten, sodass er mit dem Bauch zur Wand stand. „Nicht“, sagte er noch einmal, klang dabei aber nicht mehr so überzeugt wie eben. „Vielleicht später im Hotel…“ „Ich will dich aber jetzt“, raunte Morinaga. Er hatte nicht vor, sich davon abbringen zu lassen. Soichi hatte sich ihm in der letzten Woche schon einmal regelrecht verweigert. Diesmal aber würde er all seine Verführungskünste aufbringen, um es nicht wieder dazu kommen zu lassen. Mit Daumen und Zeigefinger reizte er gekonnt die Stelle, an der das Piercing war, was Soichi ein genüssliches Stöhnen entlockte, das von den kahlen Mauern um sie herum zurückgeworfen wurde. Er umspielte mit der Zungenspitze die empfindliche Haut hinter dem Ohr und im Nacken des anderen und stellte mit einem Gefühl des Triumphes fest, dass Soichi nach und nach seinen Widerstand ganz aufgab. „Und du willst mich jetzt auch“, flüsterte er und sprach damit Soichis Gedanken aus. Es war kalt geworden, und die ersten Tropfen kündigten den bevorstehenden Regen an. Trotzdem war Soichi, als wäre ihm heißer geworden. Er wollte sich nicht weiter wehren. Wozu auch? Es gab ja nichts, wogegen er sich hätte wehren müssen. Er war bereit. „Ja“, willigte er ein, und Morinaga hielt sich nicht länger zurück und gab Soichi, wonach er verlangte, presste ihn dabei erneut an die kalte Hauswand. Ja, so war es richtig. Genauso sollte es sein. Er hatte es wieder einmal geschafft, Soichi ihm gegenüber schwach werden zu lassen. So sehr es ihm gefiel, wenn dieser von sich aus auf ihn zukam, so hatte er es doch lieber, wenn er selbst die Initiative ergriff. Doch in letzter Zeit hatte er immer seltener die Gelegenheit dazu gehabt. Er wollte es sein, der in diesem Punkt bestimmte und den ersten Schritt machte und nicht Soichi. Und das würde er ihm auch sagen. Nicht jetzt, aber bald. Ein schmerzerfüllter Aufschrei Soichis holte ihn aus seinen Gedanken zurück. Ohne, dass es ihm bewusst geworden war, hatte er stetig an Tempo zugelegt und nicht darauf geachtet, wann er die Grenze, die er doch so gut kannte, bei Soichi erreicht hatte. Atemlos hielt er inne. Unter seiner Handinnenfläche, die auf der Brust seines Verlobten ruhte, spürte er dessen rasenden Herzschlag. „Du… tust… mir weh“, stöhnte Soichi abgehackt. „Das wollte ich nicht. Ich war nur… mit meinen Gedanken kurz woanders.“ „Hö… hör auf.“ „Nein, lass uns besser etwas warten und…“ „Hör auf!“, wiederholte Soichi in entschiedenem Ton. „Aber wenn ich mich jetzt bewege, egal wie, tut es dir nur noch mehr weh!“ Auf Soichis Drängen hin probierte er es trotzdem einmal vorsichtig. „Aua!!“, war die prompte Antwort. „Siehst du? Wir… warten einfach, okay?“ „O… kay… ah…“ Soichis Finger krallten sich in eine Mauernische. Da stand er nun und konnte nichts machen. Warum hatte er sich bloß darauf eingelassen, hier in diesem vermüllten Hinterhof Morinaga die Erlaubnis dazu zu geben? Als ungefähr eine Minute vergangen war, in der Morinaga immer wieder zärtlich seinen Hals und seine Wangen geküsst hatte, meinte Soichi: „Jetzt… hör jetzt auf.“ „Wollen wir nicht… weitermachen…?“ „Du sollst aufhören!!“ Morinaga stieß einen leisen Fluch aus. Er ärgerte sich. Weniger über Soichi, als über sich selbst, dass er ihm solche Schmerzen zugefügt hatte. Widerwillig kam er seinem Wunsch nach und beendete es. Keiner von ihnen war fertig geworden. „Dann nachher im Hotel noch mal, ja?“, versuchte er es vorsichtig und schloss dabei den letzten Knopf an seiner Hose. Aber seine Hoffnungen wurden jäh zunichte gemacht. „Nein!“, lehnte Soichi ab und zog sich den Reißverschluss wieder hoch. Er griff, leicht zitternd, nach seinen Zigaretten, um sich die dritte in dieser Nacht zu anzuzünden. Sorgsam lehnte er sich an die Mauer und achtete darauf, dass der Regen seiner Zigarette nicht zu nahe kam. Nein, Morinaga war nicht allein schuld, obwohl er es ohne Frage übertrieben hatte. Er selbst war total verkrampft gewesen. Ob es wegen der Aufregung auf den morgigen Tag war? Oder war es wegen der Streiterei mit Suzuki und dem anschließenden Telefonat mit Morinagas Mutter? Etwas stimmte seither nicht mehr zwischen ihnen, und er hoffte inständig, dass ihre morgige Hochzeit dem ein Ende bereiten würde. Morinaga ging ein paar Schritte auf und ab. Beinahe wäre er über eine am Boden liegende leere Mülltonne gefallen, die er in der Dunkelheit nicht gesehen hatte. Noch immer wütend auf sich selbst trat er mit voller Wucht dagegen, sodass sie bis an die gegenüberliegende Hauswand rollte und scheppernd dort liegen blieb. Das Scheppern verklang, und dann meinten die beiden, auf einmal ein anderes Geräusch zu hören. „Kommt da jemand?“ Morinaga horchte auf. Ja, da waren Schritte, die sich näherten. „Mach die Zigarette aus, schnell!“ „Verdammt! Was machst du auch solchen Lärm?!“, beschwerte sich Soichi bei ihm und trat ärgerlich mit der Schuhsohle auf den Rest der Zigarette. Sie sahen jemanden näher kommen. Es war allem Anschein nach ein Mann, soviel konnten sie erkennen. „Hey! Ihr da!“, rief er ihnen zu. „Kommt her!“ Zögernd traten die beiden aus dem Hof hervor auf den schwach beleuchteten Weg dahinter. Morinaga malte sich bereits aus, dass dieser ältere Herr sicher ein Polizist war, der sie garantiert verhaften würde, aber er hatte sich getäuscht. „He, he… na, ihr? Ihr seid ja süß.“ Der Fremde lächelte breit. Er machte einen angetrunkenen Eindruck. „Hübsch, hübsch“, meinte er, als er sich Soichi näher betrachtete. „Wie viel nehmt ihr?“ „Was will er?“, fragte Soichi. Sein Englisch war nicht das Beste. Dafür beherrschte er Chinesisch nahezu perfekt, was ihm in dieser Situation allerdings nicht weiterhalf. „Lass mich das lieber machen“, sagte Morinaga schnell. Er hatte den Mann verstanden, und er war froh, dass Soichi es nicht hatte. „Ihr nicht sprechen Englisch?“, fragte der Mann, in der Hoffnung, sie würden ihn auf diese Art eher verstehen. „Ihr von China? Von Korea?“ „Wir sind aus Japan“, erklärte Morinaga, dessen Englisch relativ fließend war. „Ah, gut! Wie viel wollt ihr? Sind fünfzig Dollar genug? Krieg ich’s billiger, wenn ich euch beide nehme? Achtzig für euch beide?“ „Wir… sind nicht das, für was Sie uns halten. Würden Sie uns bitte entschuldigen, wir waren gerade auf dem Weg nachhause.“ Er nahm Soichis Hand und zog ihn hinter sich her. Bloß schnell weg von diesem Fremden, der ihnen enttäuscht nach sah. „Was wollte der denn?“, fragte Soichi, als sie um die nächste Ecke gebogen waren. „Der hat nur nach dem Weg gefragt“, log Morinaga. Nein, er würde Soichi nicht erzählen, dass der Amerikaner sie beide offenbar für Stricher gehalten hatte. „Es regnet. Gehen wir zurück ins Hotel.“ Im Laufe des Samstags trafen nach und nach die anderen Gäste ein: Hiroto und Yashiro, die Ehefrau von Soichis Vater, die selbstverständlich auch eingeladen war, Kunihiro und Sayako, Kurokawas bester Freund und ehemaliger Arbeitskollege Isogai und Kurokawas Mutter Reiko, zu der Soichi, so gut es ging, gebührenden Abstand hielt. Reiko war ohne ihren Mann angereist. Mit ihm hatte sie sich mal wieder zerstritten. Am späten Nachmittag war es dann endlich soweit. Man versammelte sich in der kleinen Hochzeitskapelle, die direkt neben dem Hotel stand. Im Gegensatz zu Soichi, Morinaga und Kurokawa, die in schwarz gekleidet waren, trug Tomoe einen weißen Anzug, in dem er wie ein lieber kleiner Engel aussah, wie Hiroto mit einem Tränchen im Augenwinkel anmerkte. „Jetzt ist es soweit, Tatsumi“, flüsterte Kurokawa und nahm Tomoes Hand. „Ist es nicht verrückt? Wenn dein Bruder nicht gewesen wäre, würden wir in diesem Augenblick zuhause in Los Angeles sitzen.“ „Ja, ich kann es auch noch nicht richtig glauben.“ Er spürte, wie ihm zwei Tränen die Wangen hinunterliefen und tupfte sie mit der Spitze seines Taschentuchs weg. „Ich bin so glücklich“, flüsterte er, sodass nur Kurokawa ihn hören konnte. „Ich liebe dich.“ „Ich liebe dich auch, Tatsumi.“ Hand in Hand schritten sie zum Traualtar. Neben sie setzten sich ihre Trauzeugen. Kurokawas Trauzeuge war Isogai, der von Tomoe war Rick. Eigentlich passte es Rick gar nicht, dass er Tomoe nun endgültig Kurokawa überlassen sollte. Aber Tomoe hatte ihn so lieb darum gebeten, sein Trauzeuge zu sein, da hatte er nicht nein sagen können. Ja, jetzt waren sie hier. Ihr Traum von einer Hochzeit war Wirklichkeit geworden. Endlich. Wieder wischte sich Tomoe mit dem Tuch über die Augen, und auch Kurokawa musste ein paar Mal kräftig schlucken, um nicht ebenfalls in Tränen auszubrechen. Zitternd vor Aufregung saßen sie vor dem Altar, hinter dem sie jetzt die Standesbeamtin freundlich anlächelte. Sie hatte genügend Japanisch-Kenntnisse, um die Trauung in dieser Sprache vorzunehmen. Allerdings reichten diese Kenntnisse gerade soweit, dass sie nur die alles entscheidende Frage stellen und ein paar weitere Sätze sagen konnte. Auf eine Traurede hatten die beiden Paare verzichtet. Dann nämlich hätte die Standesbeamtin Englisch sprechen müssen, und sie wollten doch so gerne in ihrer eigenen Sprache vermählt werden. Wenn ihre Hochzeit schon nicht in ihrer Heimat möglich war, dann sollte sie wenigstens auf Japanisch sein. Mit einem Kopfnicken bedeutete sie ihnen, sich zu erheben. Leise Musik erklang. „Ich frage Sie, Mitsugu Kurokawa“, als Amerikanerin nannte sie den Familiennamen zuletzt, „wollen Sie mit dem hier anwesenden Tomoe Tatsumi die Ehe eingehen? Dann antworten Sie mit ‚Ja’.“ Kurokawa drückte sanft Tomoes Hand. „Ja, ich will!“ Bei diesen Worten brachen wieder Tränen der Rührung bei Tomoe hervor. Die Standesbeamtin wartete etwas, bis er sich beruhigt hatte, dann sagte sie zu ihm: „Ich frage Sie, Tomoe Tatsumi, wollen Sie mit dem hier anwesenden Mitsugu Kurokawa die Ehe einzugehen? Dann antworten Sie mit ‚Ja’.“ Tomoe lächelte, nein, er strahlte den Mann, den er mehr als alles andere auf der Welt liebte, an, als er die Antwort gab. „Ja, ich will!“ Jetzt war es auch bei Kurokawa soweit, und die Tränen ließen sich nicht mehr zurückhalten. Überglücklich fielen sich die beiden in die Arme und gaben sich einen Kuss. Unter den Gästen schluchzten einige gerührt auf. Kurokawas Mutter schnäuzte sich leise, und Hiroto nahm dankend ein Taschentuch von Kanako entgegen, um wenigstens einen Teil seiner Tränen aufzufangen. Die Standesbeamtin forderte sie nun auf, die Ringe miteinander zu tauschen, und als das geschehen war, küssten sie sich noch einmal. Ja, dies war ihr erster Kuss als Ehepaar, denn die Standesbeamtin sagte genau in diesem Moment: „Kraft meines Amtes erkläre ich Sie hiermit für verheiratet.“ Sie reichte den beiden die Hand und gratulierte ihnen. Und da kamen auch schon Tomoes Vater und Reiko, um sie zu umarmen und ihnen Glück zu wünschen. Nacheinander waren damit auch die anderen an der Reihe. Soichi schien es ziemlich gleichgültig zu sein, als sein kleiner Bruder sich ihm an den Hals warf und bewegt sagte: „Das haben wir alles nur dir zu verdanken! Vielen, vielen Dank!“ Er nickte, und dann stand Kurokawa vor ihm. Niemand war erstaunter als Kurokawa selbst, als Soichi ihn umarmte. Das Staunen legte sich aber gleich wieder, als Soichi drohend in sein Ohr flüsterte: „Damit wir uns verstehen, du wirst mit Tomoe keine komischen Sachen machen, klar?“ „Komische Sachen? Du meinst… ach, das vom letzten Wochenende…?“ „Genau. Wenn das noch einmal vorkommt, kriegst du es mit mir zu tun. Verstanden?“ „Ja.“ Kurokawa tat, als würde er es tatsächlich so meinen und hoffte dabei verzweifelt, dass Soichi ihm glaubte. Wenn er das mit Tomoe machte, musste sein Schwager es ja nicht erfahren. Sie hatten ihm schließlich auch nicht erzählt, dass sie es in dieser Woche schon ein paar Mal wiederholt hatten… Soichi ließ ihn los. „Gut.“ Er sah sich um. „Tetsuhiro? Wir sind dran. Komm.“ Morinaga, der in diesem Augenblick Tomoe seine Glückwünsche aussprach, zuckte zusammen. Er fühlte sich nicht gut. Alles um ihn herum schien sich zu drehen. Vielleicht würde er sogar ohnmächtig werden. Er hatte schon öfter davon gehört, dass Braut oder Bräutigam im entscheidenden Moment einfach umkippten. Fast wünschte er sich, es würde bei ihm auch so sein. Während sich die anderen wieder zu ihren Plätzen begaben, nahm Soichi seine Hand und zog ihn zum Traualter. Hiroto, sein Trauzeuge, und Soichis Trauzeuge Yashiro stellten sich zu ihnen. „Dass ich einmal der Trauzeuge für mein Engelchen sein würde“, flüsterte Hiroto tränenerstickt, „das hätte ich auch nie gedacht!“ Wieder lächelte die Standesbeamtin vom einen zum anderen. „Ich frage Sie, Soichi Tatsumi, wollen Sie mit dem hier anwesenden Tetsuhiro Morinaga die Ehe eingehen? Dann antworten Sie mit ‚Ja’.“ „Ja.“ Sie wandte sich an Morinaga. „Ich frage Sie, Tetsuhiro Morinaga, wollen Sie mit dem hier anwesenden Soichi Tatsumi die Ehe eingehen? Dann antworten Sie mit ‚Ja’.“ Morinagas Herz schlug bis zum Hals. Er sah Soichi an, dann die Standesbeamtin. Diese räusperte sich, als sie keine Antwort bekam. „Ich frage Sie, Tetsuhiro Morinaga, wollen Sie mit dem hier anwesenden Soichi Tatsumi die Ehe eingehen? Dann antworten Sie mit ‚Ja’.“ Morinaga schloss die Augen. Dann sah er wieder zu Soichi, der ihn mit offenem Mund anstarrte. „Nein.“ Nein. Sie hatten es alle gehört. Ein entsetztes Raunen ging durch die Kapelle. Keiner konnte glauben, was Morinaga da gerade gesagt hatte. Dieser zog nun seine Hand aus der Soichis. „Ich kann nicht. Entschuldige“, sagte er leise. Er drehte sich um und ging mit gesenktem Blick aus der Kapelle, vor der schon das nächste Brautpaar samt seiner Gäste wartete. Draußen lehnte er sich an die Hotelmauer. Was würde Soichi jetzt tun? Was es das nun gewesen? Würde er sich von ihm trennen? Die große Tür der Kapelle wurde weit aufgerissen, und Soichi stürmte heraus. „Was soll der Mist?!“ Er stellte sich vor Morinaga. „Warum hast du ‚Nein’ gesagt? Willst du jetzt auf einmal nicht mehr?“ „Doch, ich will“, sagte er und betonte dabei das Wort ‚ich’. „Es gibt nichts, was ich mehr will. Ich bin mir nur nicht sicher, ob du willst.“ „Hätte ich sonst ‚Ja’ gesagt?“ „Du verstehst nicht, was ich meine.“ „Dann drück dich so aus, dass ich es verstehe!“ „Ich will dich heiraten und für immer mit dir zusammenbleiben. Aber ich will dich aus Liebe heiraten.“ „Das will ich doch auch!“ „Nein. Das willst du nicht.“ Er wollte Soichis Hand nehmen, doch der ließ ihn nicht. „Begreifst du eigentlich, was dieses eine kleine Wörtchen ‚Ja’ für eine Bedeutung hat? Hast du nicht gehört, wie dein Bruder und Kurokawa dieses ‚Ja’ ausgesprochen haben? Wie viel Gefühl sie in dieses Wort gelegt haben? Und du, du hast es einfach nur so dahingesagt. Und überhaupt, warum sind wir denn heute hier? Weil du dich über Suzuki geärgert hast. Weil du ihm eins auswischen willst und dich aus einer Laune heraus dazu entschlossen hast. Der Grund, warum du mich hier und jetzt heiraten willst, ist nicht, weil du mich liebst. Du willst es, weil du dich dann vor Professor Suzuki stellen und ihm sagen kannst: ‚Ha, ha, wir haben doch geheiratet’. Du erträgst es einfach nicht, ihm auch nur ein einziges Mal unterlegen zu sein. Das ist es und nichts anderes. Aus Suzukis Sicht würden wir keine richtige Ehe führen. Aber dadurch, wie du an die ganze Sache rangehst, bestätigst du nur das, was er denkt. Du nimmst es nicht ernst. Glaub mir, ich will dich wirklich heiraten. Aber unter diesen Umständen kann ich es nicht.“ Soichi war mit jedem Satz ein Stück blasser geworden. „Und das alles konntest du mir nicht früher sagen?!“ „Ich hatte bis zum Schluss noch gehofft, dass du vor dem Traualtar wenigstens eine Spur von Liebe zeigen würdest. Aber als du eben so kalt ‚Ja’ gesagt hast, da habe ich gemerkt, dass ich zuviel von dir erwartet habe.“ „Und was ist mit dir? Willst du es deinen Eltern nicht heimzahlen, dass sie dich so mies behandelt haben? Was meinst du, wie die sich darüber freuen werden, wenn die hören, dass du heute ‚Nein’ gesagt hast!“ „Ich weiß. Wieder ein Sieg für sie.“ „Hör schon auf! Du sagst das doch jetzt alles nur, weil du wegen denen schlecht drauf bist!“ „Natürlich bin ich schlecht drauf! Ist das denn ein Wunder, nachdem, was mir meine Mutter am Telefon gesagt hat?“ Morinaga lehnte den Kopf an die Mauer hinter sich. „Ich fühle mich so furchtbar. Mir kommt es vor, als hätte ich mich von Masakis Eltern kaufen lassen. Es stimmt ja. Ohne ihr Geld wäre es mir nicht möglich gewesen, zu studieren.“ „Was kannst du denn dafür? Du hast es nicht gewusst! Du dachtest, das Geld käme von deinen Eltern!“ „Am liebsten würde ich das ganze verdammte Studium hinschmeißen und mir so schnell wie möglich einen Job suchen. Und dann jeden einzelnen Yen zurückzahlen.“ „Das wirst du nicht machen! Du wirst dein Studium beenden! Wenn du später berufstätig bist, kannst du ihnen immer noch das Geld zurückgeben!“ „Aber ich will nicht länger das Geld meiner Eltern für mein Studium annehmen.“ „Dann kann mein Vater die Kosten dafür übernehmen. Er kann auch alles Geld, das du bisher für dein Studium bekommen hast, an deine Eltern zurückzahlen. Ich brauche es ihm nur zu sagen.“ „Nein, das will ich nicht. Er hat schon so viel für uns bezahlt. Er hat ja sogar gesagt, dass er uns nach der Hochzeit die Wohnung überschreiben will.“ „Ja, nach der Hochzeit. Aber daraus wird ja jetzt nichts mehr!“ „Das liegt ganz an dir.“ Hiroto kam aus der Kapelle gelaufen. „Ein Glück, ihr seid noch da! Was ist denn passiert? Warum hast du ‚Nein’ gesagt, Engelchen?“ Als Morinaga ihm nicht antwortete, meinte er zu Soichi: „Vielleicht könntest du mal nach deinem Bruder sehen. Es geht ihm ziemlich schlecht. Er ist völlig in Tränen aufgelöst.“ „Siehst du?“, schrie Soichi seinen Verlobten an. „Jetzt weint er! Deinetwegen!“ „Ich bin ganz bestimmt nicht Schuld daran!“, wehrte dieser sich. „Natürlich bist du es! Du hast doch ‚Nein’ gesagt!“ „Ich habe dir eben erklärt, warum! Außerdem ist eine Hochzeit etwas Romantisches. Das, was du daraus machst, ist alles andere als romantisch!“ „Ich kann nun mal mit deinem Romantik-Tick nichts anfangen! Das weißt du ganz genau! Alles muss bei dir immer romantisch sein! Du wolltest doch den Kamin auch nur haben, weil du das so romantisch findest! Als ob wir bei den milden Wintern bei uns zuhause einen Kamin bräuchten!“ Morinaga schüttelte verbittert den Kopf. „Ich hätte es wissen müssen. Wie konnte ich auch von jemandem, der so unromantisch ist wie du, erwarten, dass er eine Hochzeit ernst nimmt!“ Hiroto packte ihn am Arm. „Engelchen! Jetzt reicht es aber!“ „Weißt du was? Am besten vergessen wir die ganze Sache!“ Soichi zog sich den Verlobungsring vom Finger und schleuderte ihn Morinaga vor die Füße. „Hier, den kannst du wiederhaben! Wenn wir nicht heiraten, brauchen wir auch nicht weiter verlobt zu sein!“ Jetzt war es an Morinaga, blass zu werden. Dass Soichi soweit gehen würde, hatte er nicht gewollt. „Ich habe ja nicht gesagt, dass wir gar nicht heiraten.“ Doch da hatte sich Soichi schon umgedreht und stampfte wütend ins Hotel. Dabei wurde er von den neugierigen Blicken der Brautleute verfolgt, die noch immer vor der Kapelle warteten. „Na toll, Engelchen. Das war’s dann wohl.“ „Meinst du, er kommt wieder?“ „Du kennst ihn doch. Er kommt garantiert nicht zurück.“ „Ja…“ Morinaga schluckte schwer. „Und jetzt?“ „Und jetzt gehe ich zurück und sage euren Gästen, dass ihr noch ein paar Minuten braucht.“ Er hob den Ring auf und gab ihn Morinaga. „Und du, mein Lieber, gehst schleunigst deinem Verlobten nach und bringst die Sache in Ordnung, klar?“ „… ja.“ Während Hiroto wieder in die Kapelle ging, eilte Morinaga mit einem flauen Gefühl im Magen ins Hotel. Und dann stand er einsam und verlassen mitten in der großen Hotelhalle, und kein Soichi war weit und breit zu sehen. Wo konnte er nur sein? War er überhaupt noch hier? Hatte er das Hotel womöglich durch einen anderen Ausgang verlassen, war in ein Taxi gestiegen und hatte sich endgültig aus dem Staub gemacht? Er überlegte. Wenn Soichi sich derart aufregte, betrank er sich normalerweise auf der Stelle. Die Hotelbar. Genau, da musste er sein. Schnell lief er quer durch die Halle bis in die Bar. Es war noch recht leer um diese Zeit, und auf den ersten Blick war nur ein einziger Gast in dem gedämpften Licht zu erkennen. Aber das war nicht Soichi. Das flaue Gefühl in seinem Magen wurde schlimmer. Hatte er sich etwa geirrt? War Soichi doch nicht hier? Halt. Dort in der dunklen Ecke, ganz am Ende des langen Tresens, da saß er und hielt ein halb gefülltes Whiskeyglas in der Hand. Soichi sah ihn im selben Moment. Als Morinaga sich zu ihm setzte, drehte er ihm den Rücken zu. „Soichi.“ Er legte den Ring vor ihm auf den Tresen. „Bitte nimm ihn wieder zurück.“ Wortlos schob Soichi den Ring von sich und trank das Glas leer. „Noch einen“, wies er den Barkeeper an, der ihm sogleich nachschenkte. „Hör zu, ich wollte nicht, dass es soweit kommt. Aber als ich gemerkt habe, dass du nicht mit dem ganzen Herzen dabei warst, da musste ich einfach die Notbremse ziehen.“ Soichi antwortete ihm noch immer nicht. „Das bedeutet doch nicht, dass wir die Hochzeit nun ganz absagen müssen. Im Gegenteil. Wenn du mir jetzt versicherst, dass du mich wirklich nur aus Liebe heiraten willst, dann können wir zurück in die Kapelle gehen…“ „Sag mal, was denkst du dir eigentlich dabei?!“ Soichi knallte das Glas auf den Tresen, sodass ein Teil des Whiskeys über den Rand schwappte und drehte sich zu ihm um. „Erst sagst du ‚Nein’, dann hältst du mir vor, ich sei unromantisch, und dann kommst du hier angekrochen und willst, dass ich mit dir zurückgehe? Vergiss es!“ „Findest du es denn richtig, zu heiraten, nur, weil man sich über jemanden geärgert hat? Das ist doch kein Grund.“ Morinaga nahm seine Hand. „Pass auf, wir vergessen jetzt den ganzen Ärger, den wir mit Professor Suzuki und meiner Mutter gehabt haben, und fangen noch mal ganz von vorn an. Ich will einfach nicht, dass später dieser ganze Ärger wieder in dir hochkommt, wenn du an unsere Hochzeit zurückdenkst. Ich will, dass du daran denkst, wie glücklich du an diesem Tag gewesen bist.“ „Ich habe ja schon gesagt, dass wir die Hochzeit am besten vergessen! Wir fliegen nach hause und leben so weiter wie bisher.“ „Nein, das wäre auch nicht richtig. Wenn wir nicht heiraten, wirst du dich genauso darüber ärgern. Weil du hier die Gelegenheit gehabt hättest und sie nicht wahrgenommen hast. Soichi, du liebst mich doch, und ich liebe dich. Lass und jetzt gemeinsam zurückgehen und vor den Traualtar treten. Aus Liebe, nicht aus Hass auf andere.“ Er wollte Soichi den Verlobungsring wieder anstecken, doch der zog seine Hand zurück. Morinaga spürte Wut in sich aufkommen. Wie konnte man nur so verbohrt sein? „Soichi, ich will dich heiraten. Hier und heute. Ich bin mir vollkommen sicher. Ich will doch nur, dass du unsere Hochzeit ernst nimmst. So, wie dein Bruder und Kurokawa es mit ihrer getan haben. Wenn du das tust, werde ich ‚Ja’ sagen. Also, reiß dich schon zusammen und komm mit!“ Soichi trank die Hälfte des zweiten Whiskeys. Was war nur mit Morinaga los? Was bildete er sich ein, ihn herumkommandieren zu wollen? Nein, nicht mit ihm! Sicher, sie hatten eine Beziehung, sie waren miteinander verlobt, aber Morinaga war immer noch sein Kohai. Und als solcher hatte er gefälligst zu tun, was sein Senpai ihm sagte und nicht umgekehrt! Morinaga stand von seinem Barhocker auf. „Okay. Hör mir jetzt gut zu! Ich habe die ganze Zeit gemacht, was du wolltest! Ich bin mit dir von Los Angeles zurückgeflogen, weil du keine Lust hattest, weiter in Amerika zu bleiben! Ich habe wegen dir nur Stress gehabt, als wir auf Hawaii waren, weil du auf die Schnelle unsere Hochzeit organisieren wolltest! Ich bin mit dir jede Nacht auf diese Terrasse gegangen, damit du da in Ruhe deine verdammten Zigaretten rauchen konntest! Ist dir überhaupt klar, wie mulmig mir da jedes Mal zu Mute war? Wenn uns irgendeiner angeschwärzt hätte! Und als ob dir das alles nicht genug wäre, willst du neuerdings auch noch immer öfter im Bett über mich bestimmen!“ Er machte eine Pause und atmete ein paar Mal kräftig durch. „Jetzt ist Schluss damit! Jetzt machst du mal, was ich will! Und ich will, dass du auf der Stelle deinen Frust über Suzuki und meine Mutter vergisst und mich aus Liebe heiratest! Und wenn du das nicht machst, dann…“ „Was dann?!“ „Dann nehme ich mir den erstbesten Mann und gehe mit ihm ins Bett! Denn wenn ich nicht mit dir verheiratet bin, brauche ich dir auch nicht treu zu sein!“ Das war zwar nicht logisch, aber Morinaga wusste genau, dass das Soichis wunder Punkt war. Wenn es auf diese Art nicht klappte, ihn zur Besinnung zu bringen, dann fiel ihm auch nichts mehr ein, was noch helfen konnte. Soichi sah ihn böse an. „Das wagst du nicht!“ „Und ob ich das tue!“ Er zog sich nun ebenfalls den Verlobungsring ab und legte ihn neben Soichis Ring. „Unsere Verlobung ist hiermit offiziell aufgelöst. Das wolltest du doch, oder?“ Die Tür zur Bar öffnete sich und jemand trat ein. Als er die beiden Streithähne entdeckte, rief er: „Oh, good! Ihr seid hier!“ Er lief zu ihnen. „Hey, Rick! Du kommst gerade richtig“, sagte Morinaga schwer atmend. „Was gibt es denn?“, fragte Rick interessiert. „Soichi und ich haben uns gerade getrennt.“ „Das stimmt überhaupt nicht!“, rief Soichi. Morinaga meinte das doch wohl nicht ernst? Schnell steckte er sich seinen Ring wieder an den Finger und wollte das gleiche bei Morinaga tun. Doch jetzt war es an diesem, seine Hand wegzuziehen. Mit Schrecken beobachtete er, wie Morinaga die Hand stattdessen auf Ricks Schulter legte. „Hey, hey, Tetsuhiro“, raunte Rick sichtlich überrascht. „Auf einmal so zutraulich? Ihr habt Schluss gemacht, sagst du?“ „Zumindest haben wir unsere Verlobung aufgelöst.“ „Ah, ich verstehe. Und jetzt willst dich wohl noch mal richtig austoben, bevor du endgültig heiratest, was?“ „Vielleicht…“ „Da bist du bei mir genau an der richtigen Stelle. Komm, wir gehen auf mein Zimmer.“ Soichis Wut steigerte sich. Jetzt unterhielten sich die beiden auch noch auf Englisch! Und das, obwohl Morinaga genau wusste, dass er Englisch kaum verstand. „Über was redet ihr da?“, fragte er. „Rick möchte, dass ich mit ihm auf sein Zimmer gehe.“ „Das wirst du nicht tun!“ „Zu spät, Darling. Jetzt gehört er mir“, sagte Rick mit einem Siegerlächeln, legte einen Arm um Morinaga und zog ihn mit sich in Richtung Bar-Ausgang. Es war, als würden in Soichis Kopf zwei Stimmen gegeneinander kämpfen. Eine, die wollte, dass er Morinaga folgte. Die andere, die sagte, dass er gleich von selber zurückkommen würde. Es verging eine lange Minute. Eine zweite. Eine dritte. Soichi starrte auf die Bar-Tür. Sie blieb verschlossen. Eilig trank er den restlichen Whiskey aus. Warum kam Morinaga nicht wieder? Ob er tatsächlich mit diesem Amerikaner nach oben gegangen war? Nein, er würde ihn nicht betrügen. Niemals. Das hatte er ihm hoch und heilig versprochen. Aber was war, wenn er sich nun nicht mehr daran hielt? Sein Vater meinte ja auch ständig, dass es nicht in der Natur des Mannes liegen würde, treu zu sein. Morinaga hatte zwar versichert, dass er nicht so darüber dachte, aber man konnte ja nie wissen. Zitternd legte Soichi einen Geldschein auf den Tresen und steckte den Ring ein. Der Barkeeper wollte ihm noch das Wechselgeld geben, doch da war Soichi schon aus der Bar gerannt. Rick hängte das „Bitte nicht stören“-Schild außen an die Klinke und schloss die Tür. Er zeigte auf das Bett und begann, sich sein Hemd aufzuknöpfen. „Mach’s dir bequem“, sagte er zu dem anderen. „Warte mal bitte.“ Morinaga stand der Sinn ganz und gar nicht nach dem, was Rick vorhatte. Auf dem Weg nach oben hatte er sich immer wieder umgesehen, doch Soichi war ihnen nicht gefolgt. Ob er seinen Plan durchschaut hatte? Ja, es musste so sein. Schließlich hatte er ihm immer wieder geschworen, ihn nie zu betrügen. Wie dumm von ihm, zu glauben, Soichi würde darauf reinfallen. Rick hielt in seinen Bewegungen inne. „Geht’s dir zu schnell?“ Erwartungsvoll lächelnd trat er näher und streifte ihm die Anzugjacke ab. „Soll ich für dich strippen? Macht dich das an?“ Langsam öffnete er den letzten Knopf seines Hemds und ließ es auf die am Boden liegende Jacke fallen. „Nein. Ich….“ Morinaga kam sich jetzt ziemlich schäbig vor. Er hatte Rick einfach für sein kleines Spiel benutzt und auf dessen Gefühle keinerlei Rücksicht genommen. „Entschuldige. Ich habe dir etwas vorgemacht. Ich… ich werde Soichi nicht betrügen.“ „So what?“, winkte Rick ab. „Es ist ja nicht so, dass ich mich in dich verliebt hätte. Wir haben einfach ein bisschen Spaß zusammen, okay? Dein Lover muss es ja nicht erfahren.“ Er gab Morinaga einen kleinen Stoß gegen die Brust, sodass der rücklings aufs Bett fiel. „Halt, nicht!“, rief Morinaga noch, aber da setzte Rick sich schon auf ihn und schob sein Hemd hoch. „Ah… wie schade“, seufzte Rick beim Anblick seiner Brust. „Kein Ring. Phil ist auf beiden Seiten gepierct.“ „Ja… ich weiß“, murmelte Morinaga und erinnerte sich daran, wie Phil letzte Woche am Valentinstag nackt aus der Torte gestiegen war. „Solltest du auch machen lassen. Das würde bestimmt heiß aussehen.“ „Ich… sollte jetzt besser gehen…“ Morinaga wollte sich aufsetzen, doch Rick ließ ihn nicht. „Ach, nun bist du schon mal hier, dann bleib doch noch ein bisschen.“ Rick streifte mit den Händen über die Brust des anderen, dann weiter die Arme entlang, packte schließlich die Handgelenke und drückte sie am Kopfende des Bettes zusammen. Morinaga spürte etwas Kaltes an seiner Haut, dann hörte er zweimal etwas Metallisches einrasten. Er musste nicht erst nachsehen, um zu wissen, was Rick mit ihm gemacht hatte. „Yeah, das sind die besten, die du weltweit finden kannst! Nicht solche, wie diese billigen Plüsch-Teile, die Phil zum Valentinstag angeschleppt hat. Tja, aber weil er nun mal voll auf so was steht, habe ich richtige besorgt. Vom FBI.“ Rick grinste. „Ich kenne einen, der da arbeitet.“ „Gut… schön… dann mach mich jetzt aber wieder los. Im Gegensatz zu Phil hab ich’s nicht so mit Handschellen…“ Er schluckte. Der letzte Satz stimmte nämlich nicht. Er hatte es unglaublich genossen, als er Soichi vor ein paar Tagen ans Bett gefesselt hatte… „Soll ich dir mal was zeigen? Er hat nämlich auch noch andere Vorlieben. Guck.“ Rick zog eine Schublade am Nachtschrank neben dem Bett auf. Morinaga richtete sich etwas auf, um einen Blick hineinzuwerfen. „Oha…“, machte er. Rick schloss die Schublade wieder. „Habt ihr auch so was?“ „Natürlich nicht! Was glaubst du, wie Soichi reagiert, wenn ich so etwas kaufe?“ Ein wutschnaubender Soichi tauchte vor seinem inneren Auge auf, und er bemühte sich, nicht weiter darüber nachzudenken. „Willst du oben oder unten liegen?“ Ricks Frage riss ihn aus seinen Gedanken. „Was?!“ „Vergiss die Frage. Du liegst ja praktisch schon unten. Well, von mir aus. Phil will auch immer unten liegen.“ „Ich will ja gar nicht unten liegen! Und schon gar nicht immer!“ „No?“ Wieder grinste Rick. „Good! Ich steh sowieso auf Abwechslung. Aber das will Phil ja nicht begreifen! Da braucht er sich auch nicht zu wundern, wenn ich mit anderen Typen ins Bett gehe! Also, abgemacht. Du liegst oben, Engelchen.“ Fragend sah Morinaga ihn an. „Engelchen?“ „Ich hab vorhin mitgekriegt, wie dein Freund“, er knickte mit gespielter Affektiertheit seine Hand ab, wie Hiroto es ab und zu tat, „dich so genannt hat.“ „Nenn du mich bitte nicht auch noch so…“ „Der Name passt auch gar nicht zu dir. Ich glaube nicht, dass du so harmlos bist. Zu Phil würde das eher passen.“ Morinaga fiel auf, dass Rick jetzt schon zum wiederholten Male seinen Freund erwähnt hatte. „Sag mal, liebst du Phil eigentlich? Tomoe sagte, dass ihr wieder richtig zusammen seid?“ Rick zuckte die Schultern. „Ja, sind wir… Aber ich kriege schon wieder zu viel von seiner Art! Er ist furchtbar passiv. Nicht nur im Bett, meine ich. Auch sonst. Fast alle Entscheidungen überlässt er mir. Na, dein Lover ist da anders, was?“ „Ja…“, seufzte Morinaga und stellte sich vor, wie es wohl wäre, wenn Soichi sich völlig nach ihm richten würde. Doch in der Realität sah es natürlich genau umgekehrt aus. Und wohin es führte, wenn er Soichi seinen Willen aufzwingen wollte, das hatte er ja vor wenigen Minuten gesehen. „Manchmal kriege ich ihn aber doch dazu, oben zu liegen“, sagte Rick und begann, die Hemdknöpfe des anderen zu öffnen. Morinaga interessierte es herzlich wenig, wer von den beiden wo lag. Vielmehr überlegte er, was Soichi wohl in diesem Augenblick tat. Ob er auf dem Weg zu ihm war? „Aber es macht keinen Spaß mit ihm. Es ist einfach nur langweilig“, fuhr Rick fort. „Er ist immer so übervorsichtig. Er glaubt, er würde mir sonst wehtun.“ „Aha…“ „Ja. Bevor wir uns kennen gelernt haben, hat er mit zwei anderen Jungs geschlafen. Und die haben dabei wohl ziemlich herumgeschrieen. Na ja. Wahrscheinlich hat er sich einfach zu blöd angestellt. Oder die Typen waren zu zimperlich.“ Rick lachte auf. „Und dabei war gerade er es, der Tomoe damals beraten hat, wie er es mit Mitsugu machen soll, damit er keine Schmerzen hat. Er, der große Experte. Ha!“ „Ach, das hat Phil getan?“ „Ja. Wenn er nicht gewesen wäre, hätten sich die beiden vielleicht sogar getrennt. Man könnte sagen, dank ihm sind sie jetzt ein glückliches Ehepaar.“ „Wenn das so ist… dann solltest du das Soichi besser nicht erzählen.“ „Wie du willst, Honey. Und jetzt will Phil unbedingt, dass ich ihn heirate. Nur, weil wir wieder zusammen sind, muss ich ihn doch nicht gleich heiraten, oder?“ „Also…“ „Liegt wohl daran, dass er auf dem Land aufgewachsen ist. Da herrschen eben noch solche altmodischen Ansichten. Er hat mich auf dem Flug hierher zweimal gefragt. Obwohl ich ihm vor einer Woche schon eine Abfuhr erteilt habe! Und vorhin, als ihr beiden aus der Kapelle gegangen seid, meinte er, wir könnten heiraten, da ja jetzt ein Platz frei geworden wäre. Da hat es mir echt gereicht, weil er wieder davon anfing, und ich bin in die Bar gegangen.“ „Der Arme… Ich finde, du solltest ein bisschen netter zu ihm sein.“ „Oh, er mag es, wenn ich so bin.“ Rick hatte den letzten Knopf geöffnet. „Well, dann befreie ich dich mal von deinen Fesseln…“ Soichi stürmte die Treppen hoch. Irgendwann hatte er heute gehört, wie einer der Hochzeitsgäste erwähnt hatte, dass Rick und Phil im zweiten Stock wohnten. Nur, welche Zimmernummer sie hatten, das wusste er nicht. Wenn Morinaga also wirklich mit Rick mitgegangen war, musste er dort sein. Auf dem Flur fiel ihm ein, dass er unten am Empfang nach der Nummer hätte fragen können. Aber jetzt blieb keine Zeit mehr, noch einmal zurück zu gehen. Leise schlich er über den langen Flur, blieb vor jeder Tür kurz stehen und horchte. Hier und da waren gedämpfte Stimmen zu vernehmen, aber die gesuchte war nicht dabei. Plötzlich hörte er etwas. War das Morinaga gewesen? Er sah in die Richtung, aus der der Laut gekommen war. An einer Tür hing eines von diesen „Bitte nicht stören“-Schildern. Da war die Stimme wieder. Morinaga. Eindeutig. Mit wenigen Schritten war Soichi an der Tür und riss sie, ohne vorher anzuklopfen, auf. Beim Anblick, der sich ihm bot, wäre ihm beinahe das Herz stehen geblieben. Morinaga, sein Morinaga, mit geöffnetem Hemd, hilflos auf dem Bett liegend und ans selbige gekettet. Und auf ihm, mit nacktem Oberkörper und – wie er fand – gierigem Blick, dieser Amerikaner. Soichis Augen blitzten gefährlich auf, als er Rick anvisierte. „Du!!“ Rick erkannte die Situation glücklicherweise rechtzeitig und flüchtete so schnell es ging aus dem Bett. Doch bevor er sich ins Bad retten konnte, schaffte es Soichi, ihn am Arm zu packen. Der Eifersüchtige ballte die Hand zu einer Faust und holte weit aus. „Hör auf, Soichi!!“, schrie Morinaga aus voller Kehle. „Nein!! Ich muss diesem skrupellosen Amerikaner erst eine Lektion erteilen!!“ „Nicht! Wie soll ich denn hier wegkommen? Wenn du ihn k. o. schlägst, erfahren wir nie, wo der Schlüssel für die Handschellen ist!“ „Was? Ach ja.“ Er ließ Rick los, der sich daraufhin sofort im Bad einschloss. „Er ist im Nachtschrank“, sagte Rick hinter der Tür. „In der obersten Schublade.“ Soichi spurtete zu der angegebenen Stelle, riss die Schublade auf und sprang entsetzt einen halben Meter zurück. „Oh Gott!!“, stieß er angesichts des Inhalts aus. „Was ist das denn?!“ „Ist das so schwer zu erraten?“, fragte Morinaga. „Jetzt nimm schon den Schlüssel.“ Angewidert verzog Soichi das Gesicht. Mit spitzen Fingern nahm er den kleinen Schlüssel heraus und knallte sofort danach die Schublade wieder zu. Dann drehte er sich zu Morinaga um. „Eigentlich sollte ich dich da liegen lassen! Verdient hättest du es!“ „Mach mich einfach los, okay?“ Er ignorierte Morinagas Worte. „Du wolltest mich betrügen, du verdammter…“ „Ich wollte nur, dass du Vernunft annimmst!“, unterbrach er ihn. „Indem du mich betrügst?! Ist ja ’ne tolle Idee!“ „Nein… Soichi…“ Er wollte am liebsten aufstehen und ihn umarmen, aber es ging nicht. Die Handschellen hinderten ihn daran. „Ist es, weil ich… diese Sache nicht bei dir machen will?“, fragte Soichi und sprach dabei auf einmal überraschend leise. „So, wie Masaki…“ „Sache?“ „Wang hat auch gesagt, dass ich das bei dir machen soll…“ „Was?“ Aber jetzt dämmerte es Morinaga endlich. Er wollte sagen: „Nein, du brauchst das nicht zu tun! Ich weiß ja, dass du es nicht magst.“ Aber etwas in seinem Inneren hielt ihn davon ab, es auszusprechen. Zögernd setzte sich Soichi auf das breite Doppelbett. „Er meinte, du würdest mich nicht betrügen, wenn ich dich… dich… verwöhnen würde…“ Man sah es ihm an, wie viel Überwindung ihn diese Worte kosteten. „Das hat Wang gesagt? Wann?“ „Als wir vor Weihnachten Eislaufen waren. Dadurch bin ich überhaupt erst darauf gekommen, das bei dir zu machen.“ Mit einem Mal wurde Morinaga alles klar. Deswegen der Satz „Jetzt darfst du mich aber auch nie betrügen“, den Soichi danach gesagt hatte. Er hatte nie verstanden, was er damit gemeint hatte. Jetzt endlich ergab das alles einen Sinn. Wang hatte ihn also darauf gebracht. Und Soichi hatte ihm tatsächlich geglaubt. Wieder wollte er etwas sagen wie: „Das ist doch alles Unsinn! Ich würde dich auch so niemals betrügen.“ Aber stattdessen sagte er: „Ja, ab und zu könntest du es ruhig tun.“ Die Worte waren einfach so aus ihm herausgekommen. Er hatte gar nicht weiter darüber nachgedacht. Er erwartete, dass Soichi empört aufspringen und aus dem Zimmer stürmen würde. Doch nichts dergleichen geschah. „Wenn ich… das mache“, sagte Soichi stockend, „versprichst du… schwörst du mir dann…“ Er brach ab. Im ersten Moment konnte Morinaga gar nicht glauben, dass Soichi wirklich darauf einging. Oh, das war die Gelegenheit! „Ja. Dann werde ich dir immer treu sein“, antwortete er eiskalt. Mit gesenktem Kopf saß Soichi am Bettrand, spielte nervös mit dem Schlüssel in seinen Händen und schwieg. „Kann ich wieder rauskommen?“, hörten sie Rick fragen. „Bleib, wo du bist!“, schrie Soichi, und Rick zog es vor, sich diesen Worten lieber nicht zu widersetzen. Langsam hatte es Morinaga satt, immer noch nicht die Hände frei zu haben. „Würdest du mich jetzt bitte hier losmachen?“ „Eins noch.“ Soichi hielt ihm den Schlüssel hin. „Ich kann es nicht leiden, wenn du mir vorschreibst, was ich tun soll. So, wie du es vorhin in der Bar gemacht hast. In Zukunft unterlässt du das. Klar?“ „Und sonst bleibe ich hier liegen?“ Soichi nickte. Morinaga stöhnte auf. „Also gut! Du hast das Sagen! Zufrieden?“ Statt ihm zu antworten, öffnete Soichi das erste Schloss, und er konnte sich endlich wieder gerade hinsetzen. „Aber dass wir uns richtig verstehen, das gilt nicht fürs Bett!“ Wieder sagte Soichi nichts – was Morinaga als klare Einwilligung auffasste und dabei innerlich triumphierte – und machte sich am zweiten Schloss zu schaffen. „Was ist das für ein Schund?!“, fluchte er, als es sich nicht öffnete. „Rick?“, rief Morinaga, nachdem auch er sich ergebnislos daran versucht hatte. „Hilf uns bitte mal! Wir kriegen das Schloss nicht auf.“ „Die eine Seite klemmt etwas“, meinte Rick und guckte vorsichtig hinter der Tür hervor. „Ich glaube, da ist irgendwas ins Schlüsselloch geraten. Ich komme aber nur zu euch, wenn du mir versprichst, mir nichts zu tun“, sagte er und sah dabei Soichi an. Gereizt stand der Angesprochene vom Bett auf und ging im Zimmer auf und ab, während sich nun Rick mit dem Schlüssel abmühte. „Mir dauert das jetzt zu lange“, sagte er, als nach zwei Minuten immer noch kein Ende der Sache in Sicht war. Er scheuchte Rick weg und zog Morinaga vom Bett hoch. „Lass das Ding halt dran. Zieh dich an und komm mit.“ „Mitkommen? Wohin?“ „In die Kapelle.“ Soichi hielt ihm die Anzugjacke hin. „Oh, das hätte ich fast vergessen…“ Er griff in seine Tasche, zog den Verlobungsring hervor und steckte ihn Morinaga wieder an den Finger. Dabei baumelte das andere Ende der Handschellen an dessen linkem Unterarm. Kurz entschlossen griff er danach und ließ es ebenfalls am linken Handgelenk einrasten. „Zieh dir den Ärmel etwas weiter drüber. Dann sieht man die wenigstens nicht sofort. Wir kümmern uns später darum.“ Als Morinaga sich fertig angezogen hatte, fragte er zögernd: „Du, willst du mich immer noch wegen der Sache mit Suzuki heiraten?“ Sein Verlobter schloss ihn in die Arme und achtete darauf, dass Rick jede einzelne Bewegung mitverfolgte. „Nein. Ich will es, weil ich dich liebe.“ Rick sah genervt zur Seite, als sich die beiden daraufhin einem leidenschaftlichen Kuss hingaben. Auf dem Weg nach unten fragte Rick Morinaga: „Was war denn das eben für ein merkwürdiges Gespräch? Als ihr vom Verwöhnen gesprochen habt?“ „Ach, das…“, meinte Morinaga ausweichend. „Ging es etwa um…“ „Hört auf, euch auf Englisch zu unterhalten!“, unterbrach Soichi ihn verärgert. Rick machte Morinaga gegenüber eine eindeutige Bewegung mit seiner Zunge, und der nickte. „Und das nennt ihr Verwöhnen?“, lachte er, sich nicht darum kümmernd, dass Soichi ihn nicht verstand. „Ist ja süß.“ Morinaga kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Er steht wohl ganz schön drauf, was?“, fragte Rick. „Ja, wenn ich es bei ihm mache. Aber nicht, wenn er es machen soll.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher. Wenn du mich fragst, liebt er es. Er will’s nur nicht zugeben.“ „Nein, du irrst dich. Er hasst es. Ich kann auch gar nicht verstehen, warum er eben mehr oder weniger eingewilligt hat, es jetzt doch zu tun.“ „Na, siehst du? Ich glaube, er ist Phil ähnlicher, als ich dachte. Der liebt es auch, wenn ich ihm erlaube, mich zu… verwöhnen, wie ihr sagt.“ Jetzt stellte sich Morinaga vor, wie Soichi ihn mit glänzenden Augen bat: „Darf ich dich heute wieder verwöhnen, Liebling?“ Und wie er es ihm dann großzügig gestattete: „Ja, das darfst du.“ Nein, das war einfach nur unrealistisch! Und während er noch darüber nachdachte, verließen die drei das Hotel und kehrten zu den übrigen Hochzeitsgästen zurück, die sich nun nicht mehr in der Kapelle befanden, sondern davor. „Da seid ihr ja endlich wieder!“, rief Hiroto ihnen entgegen und sah mit Erleichterung, dass das Paar Hand in Hand ging. „Lass uns reingehen“, sagte Soichi. „Das geht jetzt nicht“, winkte Hiroto ab. „Die Standesbeamtin hat ein anderes Paar vorgelassen, weil ihr euch soviel Zeit gelassen habt. Wenn die fertig sind, seid ihr dran. Engelchen, was ist das denn?“ Er zeigte auf den Arm des Bräutigams. „Haben sie dich verhaftet?“ „Nein, es gab nur ein kleines Problem mit dem Schloss“, antwortete Morinaga. Phil trat näher. „Rick, ich habe dir doch gesagt, dass ich erst das Schloss saubermachen muss, bevor wir sie wieder benutzen.“ „Ja, ja! Hab’s vergessen!“ „Habt ihr miteinander geschlafen?“, fragte er traurig. „Vielleicht“, antwortete Rick. „Haben wir nicht“, sagte Morinaga schnell. „Lass mich das machen“, bat Phil ihm an und zeigte auf die Handschellen. Er nahm den Schlüssel von Rick entgegen und schaffte es nach wenigen Sekunden, beide Schlösser zu öffnen. „Danke!“, rief Morinaga erleichtert und umarmte ihn. „Gern geschehen. Sei bitte nicht böse auf Rick. Er hat nicht daran gedacht, dass das Schloss nicht richtig funktioniert“, sagte er mit seiner sanften Stimme. Morinaga konnte kaum fassen, dass Phil seinen Freund sogar noch verteidigte, obwohl dieser nicht gerade freundlich zu ihm war. Er musste Rick wirklich sehr lieben. „Keine Angst. Ich bin ihm nicht böse.“ Er sah sich nach Wang um, und als er ihn entdeckt hatte, ging er zu ihm, um ihn ebenfalls zu umarmen. „Danke.“ „Wofür war das denn?“, fragte Wang überrascht. „Nur so. Du hast immer so gute Ideen.“ In diesem Moment kam jubelnd das Brautpaar aus der Kapelle und hinter ihm seine Gästeschar. „Sieht so aus, als wären wir jetzt dran“, sagte Morinaga, nachdem er Soichi wieder an die Hand genommen hatte. „Ja. Gehen wir.“ Und das taten sie dann auch. Gemeinsam schritten sie durch die Tür der Kapelle, aus der ihnen schon die Musik entgegenkam, bis zum Altar. Wieder stellten sich Hiroto und Yashiro neben sie. Als auch die anderen wieder auf ihren Plätzen waren, lächelte die Standesbeamtin erleichtert, weil das Paar doch noch zurückgekehrt war. „Ich frage Sie, Soichi Tatsumi“, begann sie, „wollen Sie mit dem hier anwesenden Tetsuhiro Morinaga die Ehe eingehen? Dann antworten Sie mit ‚Ja’.“ Soichi sah Morinaga an, und dieser erkannte, dass er es diesmal wirklich ernst meinte, als er sagte: „Ja, ich will!“ Sie wandte sich an Morinaga. „Ich frage Sie, Tetsuhiro Morinaga, wollen Sie mit dem hier anwesenden Soichi Tatsumi die Ehe eingehen? Dann antworten Sie mit ‚Ja’.“ „Ja, ich will!“, war seine Antwort. Soichi fiel ein Stein vom Herzen. Stürmisch schloss er Morinaga in die Arme und küsste ihn vor aller Augen. „Bitte tauschen Sie nun die Ringe“, sagte die Standesbeamtin. Kanako lief zu ihnen und überreichte ihrem Bruder ein kleines Kästchen. Soichi nahm es entgegen und steckte Morinaga einen der goldenen mit einem kleinen Diamanten besetzten Ringe, die sich darin befanden, an. Morinaga tat das gleiche bei ihm, und dann gaben sie sich erneut einen Kuss. Wie bei der vorangegangenen Hochzeit von Tomoe und Kurokawa erklärte die Standesbeamtin die Ehe für gültig und sprach ihnen ihre Glückwünsche aus. Im nächsten Moment fielen die Gäste über das Ehepaar her, und die beiden wurden von einem nach dem anderen umarmt. Phil zog Rick zur Seite, nachdem sie gratuliert hatten. Er sah ihm tief in die Augen. „Bitte, Rick. Bitte heirate mich. Sieh doch, wie glücklich alle sind. Ich möchte, dass wir auch so glücklich werden.“ „Du lässt auch nicht locker, was?“ Rick schüttelte den Kopf. Hiroto, der während der Zeremonie ununterbrochen geheult hatte, putzte sich kräftig die Nase, steckte das Taschentuch weg und klatschte in die Hände. „Und jetzt“, rief er laut, „auf zur Party!“ Fortsetzung folgt… Uh, die Hochzeit von Tomoe & Kurokawa war ja wohl Kitsch-hoch-drei! X3 Das war aber nötig, um den Gegensatz zu Soichis unromantischer Ader hervorzuheben. XD Sorry, dass die Hochzeit von Soichi & seinem Mann ^____^ so kurz & knapp geraten ist, aber ich wusste nicht, wie ich das besser schreiben sollte… ^^’’’ Dass Soichi ihn heiratet, IST nun mal einfach so was von OOC – noch mehr OOC geht nicht!! XD Ich meine, hey, Soichi heiratet freiwillig Morinaga?! Hallo?! XD Aber es ist ja nur ’ne Fanfiction. Trotzdem, das war das Höchstmaß an Romantik, was ich rausholen konnte. XD Was war da wohl in der Schublade im Zimmer von Rick & Phil??? Ich weiß es nicht… XD Das bleibt eurer Fantasie überlassen. ^_^y Keine Angst, in Teil 3 kriegen Moris Eltern und der Prof noch ihr Fett weg! Kapitel 11: BONUS-KAPITEL 4: If You're Going To San Francisco... (Teil 3 von 3) ------------------------------------------------------------------------------- (Vorab-Anmerkungen: Ich sag’s lieber gleich, damit ihr vorgewarnt seid: Das Hauptpairing Soichi & Morinaga kommt in diesem Stück teilweise etwas kurz! Dafür kommen Rick & Phil-Fans voll auf ihre Kosten! Wer die beiden langweilig findet, kann ja die Stellen einfach überspringen. ^_~ Alkohol ist schädlich!! Nicht nachmachen, liebe Kinder! ^_^ Disclaimer, Warnungen usw.: Siehe Bonus-Kapitel 4 / Teil 1 Zur Erinnerung: Kursive Schrift = Englisch) „Willst du ihm das wirklich schenken?“, fragte Phil und sah ein wenig traurig dabei zu, wie sein Freund das Hochzeitsgeschenk für Morinaga verpackte. „Ich habe das doch für uns gekauft.“ „Dann gehst du Montag in den Laden und kaufst es noch mal. Die hatten genug davon da.“ Rick betrachtete das fertige Päckchen. Zum Einpacken hatte er zwei große bedruckte Papierservietten verwendet, da er auf die Schnelle kein richtiges Geschenkpapier gefunden hatte. Als Paketband musste ein Stück Nähgarn herhalten, das im Schrank gelegen hatte. Das Ganze sah zwar nicht besonders professionell aus, erfüllte aber seinen Zweck. Unter dem Band befestigte er einen Zettel, auf den er zuvor „In Liebe, Rick“ geschrieben hatte. „Du hast doch schon ein Geschenk für ihn. Warum muss es noch eins sein?“ Rick, der im Schneidersitz auf dem Bett in ihrem Hotelzimmer saß, antwortete nicht und legte das Präsent neben ein zweites, das ein ganzes Stück kleiner war. „Zwei für Tetsuhiro“, er nahm ein drittes vom Nachtschrank, „und eins für Tomoe.“ „Ich weiß nicht, ob das das richtige Geschenk zu einer Hochzeit ist“, meinte Phil. „Natürlich ist es das.“ Rick öffnete die Schachtel und nahm etwas Goldenes heraus. Es war ein kleines Herz, das man in der Mitte durchbrechen konnte mit zwei passenden Halsketten daran. „Echt vergoldet. Hat mich sechzig Dollar gekostet. Allein schon wegen der Gravur. Tomoe wird begeistert sein!“ „Wäre es nicht besser gewesen, ‚Tomoe’ und ‚Mitsugu’ draufschreiben zu lassen anstatt ‚Tomoe’ und ‚Rick’?“ „Ich sagte ja, das Geschenk ist für Tomoe. Mitsugu bekommt nichts. Also braucht sein Name auch nicht draufzustehen.“ Rick legte das Herz zurück in die Schachtel und schloss sie. Sein Freund stand noch immer vor dem Bett und verfolgte jede seiner Bewegungen. Ihm war selbst nicht ganz klar, weshalb er eigentlich wieder mit Phil zusammen war. Klar, im Bett lief es super zwischen ihnen – solange Phil unten blieb. Aber ansonsten war nicht viel mit ihm anzufangen. Morinaga dagegen… Ja, mit dem hätte es etwas werden können. Wenn nur nicht ständig dieser Soichi in seiner Nähe gewesen wäre! Als er Morinaga am Valentinstag kennen gelernt hatte, war es ihm trotz aller Mühen nicht gelungen, diesen für sich zu gewinnen. Selbst in der Disco, in die sie spätabends gegangen waren, hatte Soichi seinen Verlobten ständig überwacht. ‚Wenigstens bleibt mir noch Phil’, hatte Rick gedacht, während er mit Morinaga auf der Tanzfläche gewesen war. Aber dann hatte er zur Theke hinübergeblickt und mit ansehen müssen, wie Phil ausgerechnet Soichi, über den er sich doch so geärgert hatte, küsste. Einen Drink nach dem anderen hatte er daraufhin hinuntergekippt, und als er am Ende richtig betrunken gewesen war, hatte er sich von Phil überreden lassen, wieder eine Beziehung mit ihm einzugehen. Er konnte sich zwar kaum noch an diesen Abend erinnern, aber Phil, Tomoe und Kurokawa hatten ihm die ganze Geschichte am nächsten Tag sehr glaubhaft erzählt. Rick dachte nach. Es war nicht fair von ihm, Phil weiterhin in dem Glauben zu lassen, dass er ihn liebte. Nein, er wollte ehrlich zu ihm sein. Und das bedeutete, dass er mit ihm Schluss machen musste. Am besten sofort. Er hatte es schon viel zu lange hinausgezögert. „Phil, hör mal.“ Er erhob sich vom Bett und legte eine Hand an den linken Oberarm seines Freundes. Dieser wich leicht zurück und verzog schmerzvoll das Gesicht. „Au…“ „Oh, daran habe ich nicht gedacht“, sagte Rick schnell. Seit heute Nachmittag trug Phil dort einen Verband, den er bereits einmal erneuert und die Wunde darunter mit einer heilenden Salbe behandelt hatte. „Du kannst wirklich froh sein, dass du nur ein paar dicke Kratzer abbekommen hast. Was nimmst du auch eine wildfremde Katze einfach auf den Arm? So was macht kein Mensch.“ „Bevor wir wieder zu den anderen gehen, werde ich es noch einmal eincremen. Den Verband kann ich jetzt weglassen, hat er gesagt.“ „Wer, der Arzt?“ „Nein“, antwortete Phil und zog sich vorsichtig sein Hemd aus. Ein dünner Verband kam zum Vorschein. Er begann, ihn sich abzuwickeln. „Oh, bitte mach das im Bad! Du weißt, ich kann kein Blut sehen!“ Doch Phil machte unbeirrt weiter. „Rick?“ „Was?“ „Ich habe dich angelogen. Ich wurde nicht von einer Katze gekratzt. Eigentlich wollte ich es dir erst nach unserer Hochzeit zeigen. Aber da du mich nicht heiraten willst, zeige ich es dir jetzt.“ Er streifte langsam den Rest des salbengetränkten Verbands von der Haut ab. „Gefällt es dir?“ Fassungslos starrte Rick auf den Arm. Auf ihm war das Bild eines Herzens, das von einem flammenden Pfeil durchbohrt wurde. Umgeben war es von einer dornigen Rosenranke, die sich zu den Seiten hin verjüngte und ganz um den Oberarm herumlief. Und darunter stand in verschnörkelten Buchstaben: „Rick Forever“. Das hatte er also heute Vormittag machen lassen. Als Rick gegen Mittag wach geworden war, hatte ein Zettel auf dem Bett gelegen, auf dem Phil ihm mitgeteilt hatte, dass er erst nachmittags wieder aus der Stadt zurück sein würde. Und so war es dann auch gewesen. „Du bist ja völlig verrückt“, flüsterte er, klang dabei aber nicht vorwurfsvoll, sondern eher beeindruckt. „Ich werde ein ärmelloses T-Shirt anziehen. Der Tätowierer meinte, dass am Anfang möglichst keine Kleidung das Tattoo berühren soll.“ Er ging ins Bad, und Rick folgte ihm. Mit gemischten Gefühlen sah er Phil dabei zu, wie er sich die Stelle abwusch und trocken tupfte. „Das muss doch wahnsinnig wehgetan haben…“ Stumm nickte Phil und ging dann zurück, um sich das T-Shirt anzuziehen. Zufrieden betrachtete er sich in der großen Spiegeltür des Kleiderschranks. „Es ist total schön geworden. Genauso wollte ich es haben.“ „Ja, es ist schön“, stimmte Rick leise zu. „Was wolltest du eigentlich eben sagen?“ Phil trug sich wieder eine dünne Schicht aus Salbe auf und steckte dann ein paar saubere Tücher und die kleine Salbentube in die Hosentasche, für den Fall, dass er sie später brauchen würde. „Was?“ Rick schüttelte den Kopf. „Ach… nichts. Lass uns zu den anderen zurückgehen.“ Er griff nach den drei Geschenken und verließ zusammen mit seinem Freund, der sich auch ein Paket unter den Arm geklemmt hatte, das Zimmer. Nach den beiden Trauungen am Spätnachmittag hatten sie alle zusammen in dem großen eleganten Speisesaal des Hotels zu Abend gegessen. Für die aus Japan angereisten Gäste war es wegen der Zeitverschiebung eher wie ein verfrühtes Mittagessen gewesen. Inzwischen war es acht Uhr, und die von Hiroto angekündigte Party sollte nun stattfinden. Phil hielt Rick die Tür zu dem kleinen Festsaal auf, und beiden traten ein. „Wie schön!“, freute sich Tomoe. „Jetzt sind alle da!“ Er stand zusammen mit Kurokawa vor einem Tisch, auf dem eine große dreistöckige Torte mit zwei kleinen Bräutigam-Figuren auf der Spitze aufgebaut war. Einen Meter neben ihnen standen sein Bruder und Morinaga, und vor ihnen befand sich ebenfalls eine solche Torte. Auf einem anderen Tisch legten Rick und Phil ihre Geschenke zwischen vielen weiteren bunten Paketen und Päckchen ab. Tomoe nahm ein Messer vom Tisch, und Kurokawa legte seine Hand auf die seines Mannes. Unter dem Aufblitzen von Fotoapparaten und lautem Beifall schnitten sie die Hochzeitstorte an. Soichi, der nach einem zweiten Messer gegriffen hatte, beobachtete den Vorgang skeptisch. Er erinnerte sich an die Hochzeit von Kunihiro und Sayako. Dort war sie es gewesen, die das Messer gehalten hatte. Morinaga wollte es gerade Kurokawa gleichtun und die Führung beim Anschneiden übernehmen, als Soichi ihn fragte: „Wer hält denn eigentlich das Messer? Der Mann oder die Frau?“ „Das ist bei uns egal“, sagte Morinaga, der die Antwort wohl kannte. „Schließlich sind wir beide Männer.“ „Die Frau hält das Messer!“, rief Kanako fachkundig. Sie hatte sich zwischen die beiden Paare gestellt. „Und der Mann legt seine Hand obendrauf. Aber eigentlich ist es so, dass der, der die Hand oben hat, in der Ehe bestimmt. Und das ist ja meistens der Mann. Aber ich finde das nicht gut! Wenn ich mal heirate, sage ich, wo’s langgeht! Dann hält mein Mann das Messer und ich lege meine Hand obendrauf!“ „Danke, Kanako“, sagte Soichi und drückte seinem Mann das Messer in die Hand. „Schneid du.“ Morinaga umschloss den Griff, und Soichi führte das Messer, als sie gemeinsam das erste Stück aus ihrer Hochzeitstorte herausschnitten und dabei genauso bejubelt und fotografiert wurden. Allerdings weigerte sich Soichi anschließend, sich von Morinaga ein Stück davon in den Mund schieben zu lassen, so, wie es Kurokawa gerade bei Tomoe tat. Er zog es vor, selber zu essen. Als jeder ein Tortenstück auf seinem Teller liegen hatte, holte Vater Tatsumi einen Karton unter dem Geschenke-Tisch hervor und öffnete ihn. „Echter russischer Wodka!“, rief er und nahm ein paar Flaschen heraus, um sie unter den begeisterten Gästen zu verteilen. Isogai stellte die zuvor aufgebaute Stereoanlage an und sorgte für die richtige Musik. Es dauerte keine fünf Minuten, und die Party war in vollem Gange. Die beiden frisch vermählten Ehepaare eröffneten den Tanz, und bald mischten sich ihre Gäste dazu. Tomoe, der nach dem ersten Tanz den Rest des Tortenstücks mit einem Glas Wodka hinuntergespült hatte, ging zu Phil, der sich etwas abseits der Hochzeitsgesellschaft hielt. „Warum kommst du nicht zu uns?“ Er zeigte auf die anderen, die im ganzen Saal verteilt tanzten. Da entdeckte er endlich das Bild auf Phils Arm. „Wann hast du dich denn tätowieren lassen? Hattest du das gestern Abend auch schon?“ „Nein. Ich habe es heute Morgen machen lassen. Es brennt ziemlich. Ich will mich im Moment lieber nicht soviel bewegen.“ „Kann ich verstehen… Bist du deswegen gestern so früh weggegangen?“ Tomoe spielte auf den gestrigen Polterabend an, den Phil vorzeitig verlassen hatte. „Ja. Ich wollte den Termin um neun Uhr nicht verschlafen.“ In einem Club inmitten von San Francisco hatten sie gefeiert, Tomoe, Kurokawa, Soichi, Morinaga, Rick, Phil, Vater Tatsumi und Wang. Einzig und allein Kanako war im Hotel geblieben, da auf dem Polterabend auch eine von Tatsumi organisierte Stripshow stattgefunden hatte, zu der Personen unter achtzehn Jahren keinen Zutritt gehabt hatten. Zusammen mit Phil waren dann auch Soichi und Morinaga gegangen, weil der Stripper für Soichis Geschmack seinem Verlobten eindeutig zu nahe gekommen war. Außerdem hatte bei den beiden eine ziemlich trübe Stimmung geherrscht, was sich Tomoe nicht hatte erklären können. Er wusste ja nicht, was für Ereignisse dazu geführt hatten, dass die beiden nach Kalifornien zurückgekommen waren. Aber jetzt schien ja wieder alles in Ordnung zu sein. Soichi war sich vorher nicht darüber klar gewesen, dass auf dem Polterabend gestrippt werden würde. Ansonsten wäre er mit Morinaga gar nicht erst hingegangen. Und natürlich hätte er Tomoe verboten, sich „so etwas“ anzusehen. Tomoe überlegte, ob er Phil erzählen sollte, dass Rick am Ende des Abends noch mit dem Stripper nachhause gegangen war. Aber er entschied sich, das lieber nicht zu tun. Dafür fiel ihm nun etwas anderes ein. Er griff nach einem kleinen Blumenstrauß, der auf dem Tisch mit den Torten lag. „Bitte alle mal herhören!“ Sämtliche Köpfe drehten sich zu ihm um. „Ich werfe jetzt den Brautstrauß! Stellt euch alle auf, ja?“ Er sah sich nach seinem Bruder um. „Wo ist deiner?“ „Mein was?“ „Dein Brautstrauß. Oder hast du keinen?“ „Natürlich habe ich keinen Brautstrauß!“, sagte Soichi empört. „Wieso hast du überhaupt einen? Du bist keine Frau!“ „Ich weiß… Aber Kurokawa und ich fanden, dass das dazugehört.“ „Und warum spielt dann nicht Kurokawa die Braut?“ Tomoe zuckte mit den Schultern. „Wir dachten, ich kann besser die Braut spielen, weil ich ja auch unten liege…“ „Aaah, hör bloß auf!! Ich will das gar nicht wissen!!“ Tomoe drehte sich nun von den Gästen weg. In der Mitte des Raumes hatten sich Phil, Hiroto, Yashiro und Kanako aufgestellt. Zwar waren Rick, Isogai und Wang ebenfalls unverheiratet, aber sie wollten nicht bei diesem Spiel mitmachen. Kanako würde keine Chance haben, den Strauß für sich zu ergattern, da sie die kleinste war. Hiroto hatte da schon bessere Chancen. Aber letztendlich würden es wohl Phil und Yashiro, die beiden größten der vier, unter sich ausmachen. „Phil wird ihn fangen“, flüsterte Morinaga seinem Mann zu und legte einen Arm um ihn. „Wetten?“ „Der ist viel zu langsam“, wandte Soichi ein. „Yashiro macht das Rennen.“ Tomoe zählte laut von drei bis eins herunter und warf dann den Brautstrauß hinter sich. Kanako sprang so hoch sie konnte, aber ihre Finger berührten nicht einmal die Blumen. Hiroto ging es ebenso. Phil und Yashiro schnappten fast gleichzeitig nach dem Strauß. Aber Phil war einen Tick schneller. Unter tosendem Applaus hielt er die Trophäe siegreich in die Höhe. „Glaub nicht, dass ich dich deswegen heirate!“, gab Rick ihm vorsorglich zu verstehen. „Ich habe Recht gehabt“, sagte Morinaga zu Soichi. „Jetzt habe ich etwas gut bei dir.“ Dieser wollte gerade etwas entgegensetzen, als sein Blick auf seine kleine Schwester fiel, der sein Vater soeben ein Glas in die Hand gedrückt hatte. Schnell eilte er zu ihr, doch sie hatte den Inhalt bereits getrunken. „Du kannst doch dem Kind keinen Wodka geben!“ „Ach“, winkte Tatsumi beschwichtigend ab, „sie hat nur mal einen Schluck probiert.“ „Und wenn dieser Schluck sie nun auf den Geschmack gebracht hat? Wirklich, du hast keine Ahnung, was den Umgang mit Kindern angeht!“ Kanako hielt das leere Glas ihrem Vater hin. „Kann ich noch was haben?“ „Da siehst du, was du angerichtet hast!“, schimpfte Soichi. „Trink lieber etwas ohne Alkohol, Kleines“, sagte Tatsumi zu seiner Tochter und nahm ihr das Glas aus der Hand. „Okay“, willigte Kanako ein und schenkte sich eine Cola in ein anderes Glas ein. Morinaga, den sein Mann einfach hatte stehen lassen, wurde auf einmal von hinten auf die Schulter getippt. „Tolle Party, mein Kompliment!“ „Kunihiro! Schön, dass es dir gefällt.“ „Hast du mal einen Augenblick Zeit? Ich muss dir etwas erzählen.“ „Ja, klar. Was gibt es denn?“ Die beiden Brüder verzogen sich in eine Ecke des Saals. „Ich wollte es dir vor der Hochzeit nicht sagen, weil ich dir nicht die Stimmung verderben wollte, indem ich Masaki erwähne“, begann Kunihiro. Morinaga horchte auf. „Was ist mit Masaki?“ „Also, ich weiß es schon seit Mittwoch. Ich bin jemandem aus unserer ehemaligen Schulklasse begegnet. Tanaka. Du erinnerst dich an sie?“ „Ja, so ungefähr. Gehörte ihren Eltern nicht die Disco, in die wir früher ab und zu gegangen sind?“ „Genau. Sie mussten die Disco leider vor ein paar Monaten schließen, weil sie pleite waren. Also, Tanaka hat erzählt, dass Masaki in ein Kloster eingetreten ist.“ „In ein Kloster?“, wiederholte Morinaga ungläubig. „Klingt verrückt, was? Masaki war schließlich nie ein besonders religiöser Mensch.“ „Und du bist sicher, dass das stimmt?“ „Ja. Tanaka wohnt ja in der Nachbarschaft von Masakis Eltern. Er soll Ende letzten Jahres, also kurz nach der Hochzeit von Sayako und mir, einer Glaubensgemeinschaft beigetreten sein.“ „Einer Sekte?“ „Genaueres weiß ich nicht. So, wie ich Tanaka verstanden habe, soll es eine Art buddhistisch geprägter Orden sein. Yomanata-Bruderschaft oder so ähnlich.“ Morinaga schwieg. Das war allerdings eine Neuigkeit! „Bevor er das getan hat, hat es wohl einen ziemlich üblen Streit zwischen ihm und seinen Eltern gegeben. Masaki war ja kurz davor gewesen, genau wie sein Vater ein politisches Amt zu übernehmen. Deswegen war er auch ein paar Wochen vorher wieder zurück in sein Elternhaus gezogen, weil die Stelle bei ihnen im Ort war. Sein Vater hatte sie ihm natürlich besorgt.“ „Ja, richtig“, erinnerte sich der Jüngere. „Davon hat er mir erzählt, als er bei mir war. Er wollte das Amt am Jahresanfang antreten.“ „Aus irgendeinem Grund hat er sich dann aber anders entschieden und ist dieser Gemeinschaft beigetreten. Ich weiß nicht genau, was der Auslöser war. Entweder Sayakos und meine Hochzeit, oder der Streit, den er davor mit dir und deinem… na, ‚Mann’ muss ich jetzt wohl sagen, was?“ „Ja, Soichi ist jetzt mein Mann.“ „Also, der Streit, den er mit dir und deinem Mann hatte. Vielleicht war es alles zusammen.“ „Hm… und wo ist dieses Kloster?“ „Irgendwo hoch im Norden von Hokkaido. Jedenfalls hat er sich wohl sehr kurzfristig dazu entschlossen. Er hat den Beruf sausen lassen, nur die nötigsten Sachen eingepackt und ist mitten in der Nacht abgereist. Sein Vater soll stinksauer gewesen sein. Angeblich hat er ihn sogar enterbt.“ Kunihiro machte eine kurze Pause, dann sprach er weiter. „Im Kloster kann er dann natürlich nicht mehr so ein ungezügeltes Leben führen wie bisher.“ „Wie meinst du das?“ „Nachdem, was Tanaka mir so erzählt hat, hat Masaki in den letzten Jahren ständig die Partner gewechselt. Seine Beziehungen, wenn man das überhaupt so nennen kann, haben nie länger als ein paar Wochen überdauert.“ Morinaga nahm einen kräftigen Schluck Wodka aus dem Glas, das er schon die ganze Zeit in seiner Hand hielt. „Und mir hat er weismachen wollen, ich sei der einzige Mann in seinem Leben gewesen.“ „Da hat er dich anscheinend angelogen. Aber das kennen wir ja mittlerweile von ihm.“ Kunihiro sah seinen Bruder an. „Jetzt habe ich dir doch die Stimmung verdorben, oder?“ „Was? Nein… ist schon okay. Es war richtig, dass du es mir erzählt hast.“ „Sag mal, willst du wirklich deinen Namen ändern lassen?“, wechselte Kunihiro das Thema. „Ja. Nimm es nicht persönlich. Es geht nicht gegen dich oder Sayako. Aber nach allem, was Mutter mir und auch Soichi gesagt hat, will ich dieser Familie nicht mehr angehören. Und Vater denkt ja genauso wie Mutter.“ „Keine Sorge, ich nehme es nicht persönlich. Ich kann dich gut verstehen.“ Morinaga fiel etwas ein. „Was ich dich noch fragen wollte, als ich mit Mutter telefoniert habe, um sie und Vater für heute einzuladen, wusste sie schon von dir, dass ich heirate. Aber ich dachte, ihr würdet nicht mehr so viel miteinander reden?“ „Ja, das stimmt“, sagte Kunihiro. „Das war auch mehr ein Zufall. An dem Morgen, als du bei uns angerufen und uns eingeladen hast, hat Mutter auch angerufen. Ich dachte erst, das wärest du noch mal, weil der Anruf direkt kam, nachdem du aufgelegt hattest. Sie wollte etwas wegen Omas Geburtstag mit mir besprechen. Dabei habe ich nebenbei erwähnt, dass du heiraten willst.“ „Ach, so war das.“ „Übrigens soll ich schöne Grüße von Oma an euch beide ausrichten.“ „Oh, danke.“ „Sie sagte“, Kunihiro lachte auf, „dass deine Frau eine ganz liebenswürdige Person ist. Sie hätte sich auf unserer Hochzeit so gut mit ihr verstanden. Du weißt ja, sie kriegt nicht mehr alles so richtig mit.“ Morinaga nickte, lächelte aber dabei. Auch, wenn seine Großmutter sich nicht an alle Einzelheiten erinnern konnte, sie hatte Soichi eine liebenswürdige Person genannt. Und das war alles, was zählte. Kanako schenkte sich Cola nach und lief zu den beiden Amerikanern. Phil hatte sich inzwischen doch von Rick zum Tanzen überreden lassen, nachdem dieser keinen anderen Tanzpartner abbekommen hatte. Jetzt legten die beiden eine kurze Verschnaufpause ein und widmeten sich dem nächsten Glas Wodka. „Bist du echt auf einer Ranch groß geworden?“, wollte Kanako von Phil wissen. Tomoe hatte ihr das gerade erzählt. „Ja.“ „Und wo ist die? Auch hier in Kalifornien?“ „Ja, an der Grenze zu Oregon. Meine Eltern betreiben dort eine Pferdezucht.“ „Cool!“, rief sie voller Begeisterung. „Hast du auch ein Pferd? Ich will nämlich auch eins haben! Kannst du mich mal mit dahin nehmen?“ „Du sprichst wirklich sehr gut Englisch“, warf Rick ein. „Im Gegensatz zu Soichi.“ „Stimmt“, meinte Kanako. „Aber dafür weiß er ganz viele andere Sachen. Und sein Chinesisch ist viel besser als meins.“ „Ach, Chinesisch kannst du auch?“ Rick war sichtlich beeindruckt. Vater Tatsumi, der das Gespräch mitgehört hatte, gesellte sich zu ihnen. „Ja, sie ist in fast allen Fächern die Beste in ihrer Klasse. Das liegt an unseren guten Genen“, sagte er überzeugt. „Alle Tatsumis, Männer wie Frauen, zeichnen sich seit jeher durch eine überdurchschnittliche Intelligenz aus. Wir Männer haben durch diese genetische Anlage zwar auch den Nachteil, dass wir frühzeitig ergrauen, aber es gibt natürlich auch Vorteile.“ „Ach, und die wären?“, fragte Kunihiro, der mit seinem Bruder zu den vieren gekommen war. „Nun, dass wir zum Beispiel durchweg alle schwul sind.“ Kunihiro wollte zuerst anmerken, dass das doch kein Vorteil sei, ließ es dann aber bleiben. Als Heterosexueller war er hier eindeutig in der Minderheit. Aber Tatsumi redete schon wieder über seine Tochter. „Ja, unsere Kleine hier hat einen Intelligenzquotienten von 138.“ „Oh!“ und „Toll!“ kam es von allen Seiten. Sogar ein „Wie niedlich!“ war zu hören. Soichi, jetzt ebenfalls bei der kleinen Gruppe, hätte schwören können, dass Hiroto es gesagt hatte, denn der stand ganz in der Nähe. Phil, der die Aufregung um einen IQ von 138 nicht verstand, sagte gelassen: „Meiner ist 160.“ Erstaunt sahen ihn alle an, und so recht wollte ihm wohl keiner glauben. Tatsumi schien der einzige zu sein, den das nicht weiter verwunderte. „Hey, Phil ist nicht blöd, okay?“, verteidigte Rick seinen Freund, als die zweifelnden Blicke ringsum nicht abnahmen. Selig schloss Phil ihn daraufhin in die Arme. „Du bist so lieb.“ Umgehend wand sich Rick aus seiner Umarmung. „Ich habe das nicht gesagt, um dir einen Gefallen zu tun! Ich will nur nicht, dass die anderen denken, dass ich mich mit einem Idioten abgebe!“ Der Abend verging schnell. Die Stimmung wurde von Stunde zu Stunde ausgelassener, und die Kiste Wodka neigte sich allmählich dem Ende zu. Tomoe hatte am Vortag ein Buch mit Hochzeitsspielen gekauft, was für jede Menge Unterhaltung sorgte. Sogar Soichi, bei dem der Alkohol inzwischen Wirkung zeigte, ließ sich hinreißen, bei einigen Spielen mitzumachen. Um Punkt Mitternacht wurde ein kaltes Buffet aufgefahren, und auch dieses leerte sich in rasantem Tempo. „Ihr habt ja noch gar nicht eure Geschenke ausgepackt!“, rief Kanako plötzlich, woraufhin alle zu dem Tisch mit den Gaben eilten. Rick griff nach der kleinen Schachtel und überreichte sie Tomoe. „Hier, Darling!“ „Oh, wie schön“, staunte der Beschenkte nahm das goldene Herz heraus. „Du musst es durchbrechen. Die Hälfte mit deinem Namen gibst du mir zurück, und die andere trägst du selber. Dann ist immer ein Teil von mir bei dir. Und umgekehrt.“ Kurokawa sah mit Unwillen zu, wie sein Mann genau das tat, was Rick ihm gesagt hatte und sich dann zu allem Überfluss von diesem auch noch die Kette um den Hals legen ließ. „Vielen Dank, Rick“, sagte Tomoe strahlend. Phil hielt ihm und Kurokawa sein Paket hin. „Bitte. Die Verkäuferin meinte, das sei genau das richtige Hochzeitsgeschenk.“ Gespannt machte Kurokawa das Papier ab. „Ein Mixer!“ Rick stand mit verschränkten Armen daneben. Dieses Geschenk war ja nun wirklich alles andere als originell. Sicher würden die beiden heute noch das eine oder andere Haushaltsgerät geschenkt bekommen. „Das ist ja toll! Wir haben nämlich noch keinen Mixer! Danke!“, freute sich Tomoe und umarmte Phil, der sich ebenfalls freute, weil sein Geschenk so gut ankam. Nun war wieder Rick an der Reihe. Mit einem Augenzwinkern drückte er Morinaga das kleinere seiner beiden Geschenke in die Hand. Es war für seine Größe erstaunlich schwer, gab aber trotzdem weich nach, wenn man draufdrückte. Erwartungsvoll öffnete Morinaga es. „Das sind ja…“ „… neue Plüschhandschellen“, beendete Rick den Satz. „Als ihr am Freitag gelandet seid und du mir erzählt hast, dass sie euch die Handschellen bei der Gepäckkontrolle abgenommen haben, bin ich gleich in die Stadt gefahren und hab neue gekauft. Das sind richtig gute mit einer extra kräftigen Kette. Da musst du schon ein paar Mal mit einem Panzer drüber fahren, um die kaputtzukriegen. Und zwei Ersatzschlüssel sind auch dabei.“ Soichi schüttelte nur den Kopf, während Morinaga sich bei Rick bedankte. Da war er schon so froh gewesen, die Teile los zu sein, und nun das! „Und von uns bekommt ihr das hier.“ Vater Tatsumi nahm zwei Tüten vom Tisch und reichte seinen Söhnen jeweils eine davon. „Ein kleines Hochzeitsgeschenk von Wang und mir.“ „Aber du hast doch schon alles andere bezahlt“, sagte Tomoe sichtlich gerührt. „Es ist nichts Teures. Nur eine kleine Aufmerksamkeit für die Hochzeitsnacht.“ Tomoe griff in die Tüte, um das herauszunehmen, was sich darin befand. Soichi hingegen sah nur flüchtig hinein und reichte sie dann schnell an seinen Mann weiter. Kanako sprang vergnügt um sie herum und guckte, was der jüngere ihrer beiden Brüder aus der Tüte genommen hatte. „Was ist das für eine Tube? Ist das Sonnencreme?“ „Ha, ha, ha!“, lachte Tatsumi auf. „Kleines, das ist…“ „Kommst du mal kurz?!“, unterbrach Soichi seinen Vater schnell und nahm ihn zur Seite, sodass die anderen sie nicht hören konnten. „Was gibt es denn?“ „Also. Darüber, dass du uns vor allen Leuten so was gibst, will ich jetzt gar nicht reden!“ „Und worüber dann?“ „Dass du Kanako so was nicht erzählen sollst!“ „Ach, die Kinder von heute wissen über alles Bescheid.“ „Nein, eben nicht!“ „Meinst du?“ Er sah zu seiner Tochter hinüber. „Ich meine nicht. Ich weiß es! Sie denkt, dass es nur zwischen Mann und Frau geht.“ „Es?“ Wieder lachte Tatsumi auf. „Sex?“ Soichi errötete. „Ja!“ „Ach so…“ Der Vater nickte verständnisvoll. „Nun, dann werde ich ihr das mal erklären.“ Und damit ging er zurück zu Kanako. Starr vor Entsetzen sah sein älterer Sohn ihm nach. Morinaga kam zu ihm. In einer Hand hielt er die Tüte samt Inhalt, in der anderen Ricks Geschenk. „Alles klar? Du guckst so verstört.“ Soichi zeigte auf seine kleine Schwester. „Jetzt erklärt er ihr das…“ Sie sahen zu, wie Kanako in der gegenüberliegenden Ecke des Saals mit ihrem Vater redete. „Schlimm genug, dass sie im Flugzeug diese Verpackung gefunden hat“, flüsterte Soichi. „So was lässt man ja auch nicht einfach herumliegen!“ Erst auf dem Flug nach San Francisco hatte er von Morinaga die ganze Geschichte erfahren. Er hatte sich nämlich gewundert, weshalb seine Schwester während der Gepäckkontrolle plötzlich von einer Kondomverpackung geredet hatte. „Du hast auch nicht daran gedacht!“ Kanakos Gesichtsausdruck wechselte von neugierig zu ungläubig und dann zu belustigt. Grinsend sah sie zu ihrem großen Bruder herüber. „Komm, bloß weg hier!“, sagte Soichi und wollte mit seinem Mann die Feier verlassen. „Wait!“, rief Rick ihnen nach. „Ich habe doch noch ein zweites Geschenk für euch!“ Er zog Morinaga ein Stück von der Tür weg, durch die Soichi soeben gegangen war, und gab ihm das mit Servietten eingewickelte Päckchen. „Was ist denn da drin?“ „Erinnerst du dich noch, was in der Schublade war?“, fragte Rick leise. „Ja, klar“, antwortete Morinaga. Wie hätte er das auch vergessen können! „Halt, du… du meinst doch nicht etwa, dass…“ „Doch, genau das meine ich. Hat Phil vorgestern gekauft. Ist noch neu und originalverpackt.“ „Aber ich habe dir doch gesagt, dass Soichi…“ „Du hast gesagt, er dreht durch, wenn du so etwas kaufst.“ „Eben!“ „Aber du hast es ja nicht gekauft. Dein lieber Freund Rick hat es dir geschenkt. Also nimmst du es jetzt einfach mit auf euer Zimmer und packst es ganz unten in den Koffer. Und wenn ihr zuhause seid, überraschst du deinen Mann damit.“ „Ja, sicher. Soichi wird mich umbringen!“ Rick zeigte auf die Handschellen. „Dafür hast du ja die hier. Dann kann er nicht weg.“ „Aber… aber das kann ich doch nicht machen…“ Morinaga meinte diese Worte tatsächlich so. Gleichzeitig war er sich aber nicht sicher, ob er es schaffen würde, sich wirklich an diesen Vorsatz zu halten. „Das mach ich mit Phil auch so. Der mag das.“ Soichi steckte den Kopf zur Tür herein. „Komm endlich!“, rief er und zog sich wieder auf den Flur zurück. Morinaga drückte Rick schnell einen Kuss auf den Mund. „Danke“, sagte er und eilte dann mit den drei Geschenken nach draußen zu seinem Mann. „Er hat mich geküsst! Ja!!“, jubelte Rick und ging lachend zu den anderen zurück. Im achten Stock stieg das Ehepaar aus dem Fahrstuhl. In ihrem Zimmer warf Morinaga die Tüte auf das Bett. Ricks Geschenke hingegen verstaute er, wie es ihm geraten worden war, gleich im Koffer. Soichi griff in die Tasche seiner Jacke, die über der Lehne eines Stuhls hing, und nahm seine Zigaretten heraus. „Ich geh noch eine rauchen.“ „Okay. Warte, ich komme mit.“ Morinaga verschloss den Koffer und folgte dem anderen. Sie fuhren wieder hinunter ins Erdgeschoss, und Soichi nahm sofort Kurs auf den großen Haupteingang des Hotels. Doch kaum waren sie nach draußen getreten, schlugen ihnen auch dicke Regentropfen entgegen. Blitze zuckten am Himmel, und es donnerte gewaltig. „Und was jetzt?“, fragte Morinaga ratlos. Soichi sah sich um. In der benachbarten Hochzeitskapelle brannte noch Licht. Gerade wurde die Tür geöffnet, und jemand trat heraus. Im Schatten der Hotelmauer schlichen die beiden näher. Sie konnten die Person gut erkennen. „Ist das nicht der Alte von gestern?“, fragte Soichi flüsternd. „Ja, du hast Recht.“ Morinaga beobachtete, wie der Mann einen Putzeimer und einen nassen Wischmopp aus dem Gebäude trug, das Licht ausstellte und die Tür hinter sich zumachte. „Der arbeitet wohl hier. Ist vielleicht der Hausmeister.“ „Wenn der hier arbeitet, wieso hat der uns dann nach dem Weg gefragt?“, wunderte sich Soichi. Der Mann nieste ein paar Mal kräftig. Vermutlich hatte er sich in dem Regen gestern erkältet. Er kippte das Putzwasser einfach auf die Straße und ging dann mit dem leeren Eimer und dem Mopp durch einen Nebeneingang ins Hotel. Soichi überlegte nicht lange und lief zur Kapelle. Seine Haare wehten lose im Wind. Das Haarband war ihm schon vor Stunden auf der Party verloren gegangen. „Wusste ich’s doch“, sagte er, als sich die Tür problemlos öffnen ließ. Er winkte Morinaga zu sich. „Schnell! Bevor uns einer sieht!“ Als sie beide in der Kapelle waren und die Tür wieder geschlossen hatten, sagte Morinaga leise: „Bestimmt kommt der gleich zurück. Lass uns lieber von hier verschwinden!“ Etwas unsicher in seinen Bewegungen lehnte sich Soichi gegen den Traualtar, auf dem außer zwei elektrischen Kerzenleuchtern nichts anderes stand. Religiöse Symbole befanden sich in dem Gebäude keine. Es war eher mit einem Standesamt zu vergleichen, bot aber natürlich eine wesentlich romantischere Atmosphäre als ein solches. „Sei ruhig. Ich will jetzt rauchen.“ Soichi legte sein Feuerzeug auf dem Altar ab und wollte eine Zigarette aus der Packung holen. Doch da war sein Mann schon bei ihm und nahm sie ihm aus der Hand. „Gib die her! Das sind meine!“ Sein Atem roch stark nach Alkohol, was kein Wunder war, bei der Menge, die er getrunken hatte. Kurz, bevor sie vorhin angefangen hatten, die Geschenke auszupacken, hatten noch ein paar hochprozentige Drinks die Runde gemacht, die nun kräftig zu wirken begannen. Morinaga, der aus diesem Grund ebenfalls alles andere als nüchtern war, sagte unter dem Donnern, das draußen erklang: „Vorher hab ich noch was gut bei dir.“ „Was?“ „Ich habe gesagt, dass Phil den Brautstrauß fängt, und ich habe Recht gehabt.“ „Ja, herzlichen Glückwunsch… Gib mir jetzt sofort meine Zigaretten zurück!!“, schrie Soichi, wurde aber von einem weiteren Donnern übertönt. „Der Gewinner darf sich etwas wünschen.“ „Wünschen? Das haben wir vorher nicht ausgemacht! Gib jetzt…“ „Du hast mir heute Nachmittag was versprochen…“ Soichi blickte ihn fragend an. Ihre Gesichter wurden nur schwach vom Licht einer Laterne erhellt, das durch die bunten Fenster herein schien. „Ich hab dir gar nichts versprochen!“ „Doch. Du hast gesagt, du willst mich verwöhnen.“ „Das habe ich nicht gesagt! Du hast das gesagt!“ Er langte nach der Schachtel, die Morinaga in die Höhe hielt. Doch er kam nicht dran. „Wenn du das jetzt machst, gebe ich sie dir zurück.“ „Du bist gemein… ich will meine Zigaretten haben…“, murrte Soichi betrunken. Morinaga hielt weiterhin mit einer Hand die Packung hoch und zog mit der anderen den Reißverschluss seiner Hose auf. „Los… mach…“ Obwohl er nicht genau wusste, warum er überhaupt auf Morinaga hörte, ließ sich Soichi tatsächlich auf die Knie sinken. Es hätte ja auch gereicht, seinem Mann einmal ordentlich auf den Fuß zu treten, damit dieser die Zigaretten fallen ließ. Doch auf diese Idee kam Soichi in seinem momentanen Zustand nicht. Die Hände des anderen legten sich an seinen Kopf, wollten ihn näher an sich heran ziehen. „Ich will nicht…“, sträubte er sich. „Das ist eklig…“ In Morinagas Gedächtnis keimte eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten auf. Zwar hatte Soichi diesen Satz schon sehr oft gesagt. Aber es hatte noch jemand anderen in seinem Leben gegeben, der ihm diese Bitte mit genau den gleichen Worten immer wieder abgeschlagen hatte. „Masaki…“, flüsterte er. Soichi sah hoch. „Was hast du gesagt? Hast du gerade ‚Masaki’ gesagt?“ „Ja, habe ich. Er wollte das ja auch nie machen.“ „Vergleichst du mich etwa mit ihm? Ich bin nicht wie Masaki!“ Morinagas Gesicht sah kalt und weiß aus wie das einer Marmorstatue, als mehrere Blitze kurz hintereinander aufzuckten. Seine Finger glitten durch die regennassen Haarsträhnen des am Boden knienden. War es der Vergleich mit Masaki oder der Alkohol, der Soichi hemmungslos machte und seine Meinung ändern ließ? Er rutschte auf den Knien ein wenig vor, griff nach den Hosenbeinen seines Gegenübers und wollte sie herunterziehen. „Warte“, sagte Morinaga. Er legte die Schachtel neben das Feuerzeug und öffnete den Knopf an seiner Hose, die sogleich nach unten rutschte. Gierig äugte Soichi nach den Zigaretten, aber er schaffte es, sich zu beherrschen. Um nichts in der Welt wollte er Masaki ähnlich sein! Seine Hände packten fest die Oberschenkel des anderen. Doch er zögerte noch immer. Er ließ sie wieder los und fasste stattdessen ein Stück weiter oben an. Morinaga durchfuhr ein Schauer, als er die warmen Handflächen auf der nackten Haut seines Gesäßes spürte. „Jaa…“, stieß er lang gezogen aus, als Soichi ihm nun gab, was Masaki nie getan hatte. Er wiederholte dieses Wort noch einige Male, doch es ging in dem draußen tobenden Gewitter unter. „Das machst du gut… sehr gut… ah… fantastisch…“ Es war noch viel besser als beim ersten Mal, viel besser als beim zweiten Mal! „Oh ja…!“, stöhnte er und wühlte mit den Händen wild durch Soichis Haare, dessen Fingernägel sich regelrecht in seine Haut krallten. Ein Blitz, einhergehend mit einem ohrenbetäubenden Krachen, fuhr vom Himmel, und Morinaga war, als ginge die von dieser Naturgewalt ausgehende Kraft direkt durch seinen Körper hindurch, als er befreit den Namen seines Mannes in die Leere der Kapelle schrie. Einige Sekunden verstrichen. Soichis Händen lösten sich von ihrem Platz, und er sank auf den Boden, lehnte sich mit dem Rücken an den Altar. Morinagas Atmung beruhigte sich etwas. Er sah zu Soichi, der die Beine angezogen hatte und sich eine Hand vor den Mund hielt. „Wow… so langsam kriegst du richtig Übung darin“, keuchte er. „Hör auf, so eklige Sachen zu sagen!“, gab Soichi wütend zurück. Er hatte die Hand kurz vom Mund genommen, fasste sich aber sofort wieder dorthin. Ein wenig zitternd griff Morinaga nach dem Feuerzeug und einer Zigarette und zündete sie an. Er rauchte so gut wie nie, aber jetzt tat er ein paar Züge und reichte sie dann an Soichi weiter, der sie begierig entgegennahm. Zufrieden setzte er sich neben ihn, legte einen Arm um seine Schultern und zog ihn dicht an sich heran. Er gab ihm dankbar einen Kuss auf die Wange und lächelte ihn einfach nur an. Soichi ließ sich davon nicht stören und zog weiter an seiner Zigarette. Nach einer Weile fiel ihm ein, dass er keinen Aschenbecher hatte und sah sich nach einem Ersatz dafür um. Sein Blick fiel auf eine kleine Metallschale, die auf einem der vielen Stühle lag. Er handelte sich wohl um eine Schale, in der die Eheringe überreicht werden konnten. „Hol die mal her“, sagte er und zeigte darauf. Morinaga tat ihm den Gefallen und setzte sich dann wieder genauso hin wie zuvor. „Das war so schön“, schwärmte er in Erinnerungen versunken. Soichi schwieg und klopfte nur von Zeit zu Zeit ein wenig Asche über der Schale ab. Er zündete eine zweite Zigarette an und blies den Rauch mit zurückgelehntem Kopf in Richtung Decke. Jetzt fiel ihm auf, dass das Gewitter fast abgeflaut war. Man sah zwar ab und zu noch einen Blitz, doch das Donnergrollen hatte sich in weite Ferne verzogen. Er drückte die Zigarette in der Schale aus, in der schon der Rest der ersten lag und machte sich daran, eine dritte anzuzünden. Als Morinaga gerade überlegte, ob er sich bei Soichi für dieses wunderbare Erlebnis auf die gleiche Weise revanchieren sollte, ließ ein lautes Piepen die beiden erschrocken zusammenfahren. Im ersten Moment konnte keiner von ihnen einordnen, wo das Geräusch herkam und wer oder was es verursachte. Aber ein Blick nach oben zu dem aufleuchtenden Lämpchen genügte, um es zu erkennen. „Mist, der Feuermelder!“, rief Morinaga und sprang auf. Offenbar war der Zigarettenrauch bis an die Decke gestiegen und hatte den Alarm ausgelöst. Er zog Soichi vom Boden hoch, steckte Feuerzeug und Zigarettenschachtel in die Hosentasche und schnappte sich noch die mit Asche angefüllte Schale. So schnell ihre Beine sie trugen, rannten sie aus der Kapelle in den jetzt sanft fallenden Regen. Auf der kurzen Strecke bis zum Hotel ließ er die Schale fallen, und auch Soichis Zigarette ging unterwegs verloren. Atemlos stießen sie die Tür zum Hotel auf und waren endlich im Trockenen. Wie durch ein Wunder hatte kein Mensch sie bemerkt. Was das Paar nicht sah, war, wie der vermeintliche Hausmeister kurz darauf zur Kapelle hetzte und den Alarm ausstellte, nachdem er sich vergewissert hatte, dass nirgendwo ein Feuer brannte. Er fluchte noch kurz etwas von dem verdammten Ding, das ständig kaputt sei und immer ohne Grund losgehe und lief dann wieder zurück ins Hotel. Wegen seiner starken Erkältung hatte er den Zigarettengeruch glücklicherweise nicht wahrgenommen. Die Stimmung auf der Party war noch immer unverändert gut. Zwar fehlten nun zwei der Hauptpersonen, aber das hielt keinen davon ab, laut und fröhlich weiterzufeiern. Rick schlenderte zu Isogai hinüber und stellte sich neben ihn. Gelangweilt sah er sich um. „Nichts für mich dabei, wie es aussieht.“ „Was meinst du?“, fragte Isogai. „Männer. Entweder zu alt“, er sah Soichis Vater an und dann Isogai, „nicht mein Typ oder verheiratet.“ Beim letzten Wort nickte er zu Tomoe hinüber, der es seinem großen Bruder nachmachte und zusammen mit seinem Mann und einem Berg von Geschenken den Saal verließ. „Aber du hast doch einen Freund. Den da.“ Isogai zeigte auf Phil. Dieser nahm gerade eine fast leere Flasche Wodka von einem der Tische setzte sich damit in einer Ecke auf den Boden. „Ach, der…“ „Stimmt es wirklich, dass er so einen hohen IQ hat? Er macht nicht gerade einen sehr… hellen Eindruck.“ „Doch, hat er. Er war kurz davor, sein Physikstudium zu beenden. Schwerpunkt Atomphys… phys…“ „Atomphysik?“, half Isogai aus. Es war nicht zu überhören, dass Rick genau wie die meisten anderen völlig betrunken war. Und auf ihn selbst traf das auch zu. Diese Drinks nach dem kalten Buffet hatten es wirklich in sich gehabt! Die kleine Kanako schien die einzige zu sein, die noch nüchtern war. „Genau, Atomphysik. Aber kurz vor der Abschlussarbeit hat er die Uni verlassen.“ „Warum denn?“ „Er hat mich kennen gelernt.“ „Und deswegen hat er aufgehört?“ „Ja. Er ist mir hoffnungslos verfallen. Er wollte nur noch für mich da sein.“ „Was für ein Spinner“, murmelte Isogai. „Und als ich dann mit ihm Schluss gemacht habe, hat er nicht weiterstudiert, sondern nur noch als Künstler gearbeitet. So hatte er sich vorher auch schon das Geld für sein Studium verdient.“ Rick stützte sich auf Isogais Schulter auf. „Well… Phil wird echt immer komischer, sag ich dir. Jetzt hat er sich sogar ein Herz und meinen Namen auf den Arm tätowieren lassen.“ „Ja, hab ich gesehen.“ „Und… ich hab letztens bei ihm übernachtet, und morgens hat er mir das Frühstück ans Bett gebracht.“ „Das ist doch sehr lieb vom ihm“, fand Isogai. „Ja, aber er hat es nicht von sich aus getan! Ich hab ihm nach dem Aufwachen gesagt: ‚Los, mach mir Frühstück!’. Du, und das hab ich ziemlich unfreundlich gesagt! Und…“, Er hielt sich schwankend an Isogai fest, „… und dann ist er sofort aufgestanden und hat welches gemacht. Das ist doch echt nicht normal, was meinst du, Taichiro?“ „Ach, dann ist er so einer, der auf Befehle steht? Ich war vor Jahren mal kurz mit einer Frau zusammen, die wollte auch immer, dass ich ihr alles befehle.“ „Das klingt nach Phil! Der ist auch so.“ „Ja, sie hat alles gemacht, was ich wollte.“ Isogai grinste versonnen vor sich hin. „Das war eigentlich gar nicht so schlecht… Aber wir haben uns nach ein paar Tagen schon wieder getrennt.“ „Du“, Rick tippte mit dem Zeigefinger auf Isogais Brust. „Stehst du echt auf Frauen?“ „Oh ja!“ Rick schüttelte den Kopf. „Das sieht man dir gar nicht an. Bist du dir sicher?“ „Was soll das denn heißen? Willst du damit sagen, ich sähe schwul aus?!“, regte sich Isogai auf. Nach einem kurzen Überlegen kam Rick zu dem Schluss: „Ja.“ „Ich bin es aber nicht! Ich liebe nur Frauen!! Klar?!“ Doch Rick ließ sich nicht so leicht überzeugen. „Sag mal, wie oft hast du schon mit einem Mann geschlafen?“ „Natürlich noch nie!“ „Da verpasst du was, Taichiro.“ „Ganz bestimmt nicht!“ „Doch, doch!“ Er musterte Isogai von oben bis unten. „Du bist zwar nicht unbedingt mein Typ, aber für einmal geht’s wohl…“ Er wollte ihn in Richtung Festsaaltür ziehen. „Geh’n wir zu mir oder zu dir?“ „Ich… Hast du mir nicht zugehört?! Ich stehe absolut nicht auf Männer!“ „Du hast es ja noch nie ausprobiert! Also kannst du das auch gar nicht wissen!“ Er schaffte es tatsächlich, Isogai hinter sich her zum Ausgang zu zerren. „Come on! Ich lass dich auch oben liegen…“ Überrumpelt von dieser direkten Anmache wusste Isogai nicht mehr, was er tun sollte. Verwirrt hielt sich am Türrahmen fest. Ihm wurde kurz schwarz vor Augen, doch zum Glück wurde es gleich darauf wieder besser. „Ich muss mich… mal kurz hinlegen…“, meinte er und stieß den Amerikaner von sich weg. Torkelnd bewegte er sich aus dem Saal hinaus und zum Fahrstuhl, den gerade Soichi und Morinaga betraten. Isogai und Rick, der ihm gefolgt war, stellten sich zu ihnen, und die Türen schlossen sich. Belustigt betrachte Rick die beiden Verheirateten. Morinagas Hosenknopf war offen, ein Zipfel seines Hemds im halbzugezogenen Reißverschluss eingeklemmt. Soichis Haare waren völlig wirr und triefnass. Waren sie bei dem Wetter etwa draußen gewesen? „Du bist ja ganz rot“, stellte er fest und sah Soichi dabei in die Augen. „Was habt ihr draußen gemacht?“ Der Angesprochene errötete noch mehr, was Rick zu einer Vermutung veranlasste. „Hast du Tetsuhiro verwöhnt?“ In dem Moment hielt der Fahrstuhl an, und die automatischen Türen öffneten sich. Sie waren im siebten Stock, wo Isogais Zimmer war. „Verschwinde!“, sagte Soichi schroff und schubste Rick aus dem Fahrstuhl. Dieser nahm Isogais Hand und schnurrte ihm zu: „Soll ich dich auch verwöhnen?“ Isogai ließ sich von ihm aus dem Lift ziehen. „Oh ja, verwöhnen…“, murmelte er und dachte dabei an eine entspannende Rückenmassage. Eine solche würde ihm nach dem langen Flug und der ausgelassenen Party sicher gut tun. Es wäre ihm zwar lieber gewesen, wenn das eine hübsche junge Frau übernommen hätte, aber zur Not musste er eben mit diesem aufdringlichen Amerikaner vorlieb nehmen. Im Zimmer ließ sich Isogai sogleich erschöpft auf das große Bett fallen. Er war nicht wirklich müde, aber er wollte sich für eine halbe Stunde ausruhen und ein wenig vor sich hindösen. „Hey, nicht einschlafen!“, rief Rick und machte sich daran, Isogai aus seiner Hose zu befreien. Dieser nahm das gar nicht richtig wahr und knöpfte sich seinerseits sein Hemd auf. Als er kurz darauf nur noch seine Unterhose trug, drehte er sich auf den Bauch und meinte: „Dann fang mal an.“ „Was, ich soll?“, wunderte sich Rick. „Okay… wie du willst.“ Er griff in seine Hosentasche und zog ein Kondom heraus. Gut, dass er immer welche bei sich hatte. Es war zwar eines von der beschichteten Sorte, aber ob das ausreichte? Dieser Japaner hatte ja behauptet, noch keine Erfahrung mit Männern zu haben. „Hast du irgendwas da?“ „… hm?“, machte Isogai. „Na, irgendwas, damit es leichter geht. Sonst tut es dir vielleicht weh, wegen der Reibung…“ „Ach so… ja… im Bad. Auf der Ablage unter dem Spiegel…“ Rick legte das Kondom auf das Bett und ging ins Badezimmer. Auf der schmalen Borte fand er zwischen Zahnputzzeug, Rasierapparat und Haarshampoo eine kleine Flasche Massagelotion. Ja, damit musste es gehen. Er zog sich rasch aus und kehrte zu Isogai zurück. „Was… machst du da?“, fragte dieser verwundert, als Rick ihm auch noch seine Unterhose ausziehen wollte. „Na, wenn du die anlässt, wird das wohl schlecht gehen“, entgegnete Rick spöttisch. Das sah Isogai ein. „Ja… richtig.“ Wenn der Amerikaner ihm den Rücken massierte, würde die Lotion vielleicht an die Unterhose kommen, und das musste ja nicht sein. Rick träufelte ein paar Tropfen der Lotion auf seine Hand, strich sanft über den Rücken des anderen und noch ein Stück weiter. „Hey!! Finger weg von meinem Hintern!!“, rief Isogai und schlug Ricks Hand weg, die auf der rechten Seite seines Hinterteils lag. „Fang einfach ganz normal an!“ „Keine Vorbereitung?“, fragte Rick erstaunt. „Einfach so?“ „Ja!“ „Na gut, wenn du das möchtest…? Dann entspann dich jetzt…“ Isogai hörte ein Knistern hinter sich, das ihm irgendwie bekannt vorkam. Es klang wie eine Verpackung aus Plastik. Wie eine Verpackung von einem… Kondom? Zu spät begriff Isogai, was los war. Er keuchte laut auf, als er das Gewicht von Ricks Körper auf sich spürte und dieser begann. Entsetzt drehte er den Kopf nach hinten, wollte etwas sagen, doch Rick deutete dies als eine Aufforderung zum Küssen und kam dem scheinbaren Wunsch auf der Stelle nach. Die Zunge des Amerikaners in seinem Mund, die Lippen versiegelt mit denen des anderen, krallte er sich stumm in das Kopfkissen vor ihm. Isogai hatte sich oft gefragt, wie Tomoe es wohl aushielt, wenn Kurokawa auf diese Weise mit ihm schlief. Und ob er starke Schmerzen dabei hatte. Aber jetzt, in diesem Augenblick, erkannte er, dass der Schmerz längst nicht so schlimm war, wie er vermutet hatte. Übte der Alkohol vielleicht eine betäubende Wirkung aus? Oder lag es an Rick, der genau wusste, was er tat? Jedenfalls war kaum ein Schmerz da. Das Schlimme aber war für Isogai, dass er kein Verlangen verspürte, den Amerikaner von sich wegzustoßen und ihn am Weitermachen zu hindern. Es fühlte sich einfach zu gut an! Jetzt hob Rick seinen Körper ein wenig an, fasste unter ihn und kniff ihn fest, aber nicht zu fest, in die Brustwarzen. Im nächsten Moment lösten sich ihre Münder voneinander, Rick stöhnte kurz auf, Isogai folgte bald. Erschöpft ließ sich Rick auf ihn sinken und küsste seinen Hals. Als er dort einen kleinen Knutschfleck hinterlassen hatte, flüsterte er dem sprachlosen, aber immer noch keuchenden Isogai ins Ohr: „Von wegen, ‚ich stehe nicht auf Männer’…“ Morinaga und Soichi waren inzwischen ein Stockwerk höher gefahren und standen nun vor ihrem Zimmer. Soichi schloss auf und öffnete die Tür, doch Morinaga hielt ihn davon ab, einzutreten. „Halt. Nicht weitergehen.“ „Was ist denn?“ „Du weißt doch, in der Hochzeitsnacht wird die Braut über die Schwelle getragen.“ „Lass den Quatsch! Oder siehst du hier irgendwo eine Braut?“ „Na ja, da müssen wir halt ein bisschen improvisieren.“ „Ich trag dich da nicht rüber! Du bist mir viel zu schwer. Und ich werde auf keinen Fall für dich die Braut spielen!“ Noch immer euphorisiert von dem Erlebnis in der Kapelle, ignorierte Morinaga die Worte seines Mannes. Er beugte sich ein wenig vor, griff mit einem Arm um Soichis Rücken herum und erfasste mit dem anderen dessen Beine. Mit Leichtigkeit hob er ihn hoch. Soichi zappelte hilflos, und er hätte beinahe das Gleichgewicht verloren. „Ah! Lass mich runter!“ Panisch umklammerte er Morinagas Hals, als dieser ihn gegen seinen Willen über die Schwelle trug, mit dem Ellenbogen den Lichtschalter betätigte und dann mit einem leichten Hüftschwung die Tür zum Zufallen brachte. Erst als sie das Bett erreicht hatten, ließ er ihn wieder los, und Soichi fiel aus einem halben Meter Höhe auf die weiche Matratze. Durch den Schwung fiel die Tüte mit dem Geschenk seines Vaters herunter, die noch dort gelegen hatte. Morinaga stürzte sich sogleich mit aufs Bett und fing an, seinem Angetrauten die Kleidung vom Leib zu reißen. „Pass doch ein bisschen auf!“, schimpfte Soichi, als zwei seiner Hemdknöpfe absprangen und quer durchs Zimmer flogen. „Mir egal“, gab Morinaga zurück, drückte ihn auf die Matratze und begann, ihn stürmisch zu küssen. Nebenbei warf er das Hemd zu Boden und sein eigenes gleich dazu, und wenige Sekunden später folgte auch der Rest der Sachen. Er wandte sich seinem Hals zu, leckte das Schlüsselbein entlang, über die Brust und ließ seine Zunge mit dem Piercing spielen. „Aaah…“, hörte er von Soichi, dem das offensichtlich gefiel. Eigentlich hatte Morinaga sich Zeit lassen und erst nach einem langen und ausgiebigen Vorspiel zur Sache kommen wollen. Dies war schließlich ihre Hochzeitsnacht und damit etwas Besonderes. Aber jetzt hielt er es nicht mehr länger aus. Zielstrebig hob er die Tube vom Boden auf, die aus der Tüte gefallen war. „Willst du etwa noch mal?“, fragte Soichi überflüssigerweise, denn es war ja klar, was er im Sinn hatte. „Hat dir das eben nicht gereicht?“ „Nein. Und dir hat es auch nicht gereicht“, antwortete Morinaga und klappte den Deckel auf. „Aber ich bin müde… ich will schlafen.“ „Ja, ich will auch schlafen. Mir dir.“ „So meinte ich das nicht!“, zeterte Soichi, als sein Mann sich zwischen seinen Beinen positionierte. Morinaga war sich nicht sicher, ob Soichi ihn absichtlich hinhielt oder ob er tatsächlich müde war. „Das ist unsere Hochzeitsnacht“, flüsterte er. „Und in der Hochzeitsnacht…“ Von einem lauten Stöhnen ein Zimmer weiter wurde er unterbrochen. Erschrocken setzte sich Soichi auf. „Das war Tomoe!“ Noch ein Stöhnen, gefolgt von einem weiteren. „Und das Kurokawa“, fügte Morinaga hinzu. „Was macht dieser Mistkerl da mit ihm?!“ „Bleib bloß hier!“, rief er, als Soichi aus dem Bett stürzen wollte. „Was glaubst du denn, was sie machen? Das gleiche, was wir jetzt machen!“ „Aber er tut ihm weh! Das hör ich doch!“ Wieder stöhnte Tomoe laut und genüsslich. „Klingt für mich nicht so.“ Als Soichi erneut etwas entgegnen wollte, knallte nebenan etwas Schweres ein paar Mal an die Wand. Das Bett. „Da geht’s aber zur Sache…“, meinte Morinaga grinsend. Bebend vor Wut hämmerte Soichi mit den Fäusten gegen die Wand. „Hört auf damit!!“, schrie er, doch das Paar nebenan reagierte nicht. „Was denken die sich eigentlich dabei?! Die wissen doch, dass wir das Zimmer neben ihnen haben!“ „Vielleicht haben sie nicht mehr daran gedacht?“ Er presste seinen Mann auf das Bett zurück, sodass der wieder mit dem Bauch zu ihm lag. „Was die können, können wir schon lange.“ Soichi war zu erschüttert über das, was sein kleiner Bruder nebenan tat, dass er nicht protestierte, als Morinaga seine Fußgelenke packte und ohne jeden Kraftaufwand seine Beine zum Kopfende hin drückte, sodass seine Knie fast die Schultern berührten. „So… dann wollen wir mal eins von unseren Hochzeitsgeschenken einweihen.“ Morinaga schloss die Tube wieder, aus der jetzt ein Teil des Inhalts fehlte und legte sie auf den Nachtschrank. Das Stöhnen und Schreien aus dem Nebenzimmer nahm etwas ab, und auch das dortige Bett bewegte sich nicht mehr. Dafür stöhnte nun Soichi auf, war dabei jedoch längst nicht so laut wie sein Bruder. Erstaunt warf Morinaga einen Blick auf ihn und dann einen auf die Tube, die mit dem Aufdruck „America’s Best!“ versehen war und sagte: „Oh, das ging ja leicht.“ „Oh… oh, ja…“, stimmte Soichi zu. „Ich werde deinen Vater mal fragen, wo er das gekauft hat. Wir könnten uns einen kleinen Vorrat davon mit nachhause nehmen.“ „Bist du verrückt? Dann weiß er, dass wir das benutzt haben!“ „Das kann er sich doch denken.“ Er fing jetzt an, sich auf ihm zu bewegen. Langsam zunächst, dann immer schneller. Während er sich, was die Lautstärke seiner Ausrufe betraf, nicht zurückhielt, schien Soichi um jeden Preis leise sein zu wollen. „Warum… ah… sagst du… nichts?“ „Weil… Tomoe… nebenan ist!“ „Na… und? Er… oh ja! Er… ist doch… auch nicht… gerade leise… ja!!“ „Scht!“, machte Soichi und versuchte vergeblich, Morinaga zu küssen, damit dieser keinen weiteren Laut von sich geben konnte. Aber es gelang ihm nicht. „Du… hast nichts… davon… wenn du deine Gefühle… nicht aus dir… herauslässt!“ Morinaga bewegte sich jetzt so stark, dass auch ihr Bett nicht mehr an Ort und Stelle stehen blieb. „Ah!!“, entfuhr es Soichi, als das Bett gleich zweimal hintereinander an die Wand schlug. „Siehst du? Es geht doch. Schrei noch mal!“, forderte Morinaga ihn auf. „Nein! Ich… will nicht schreien…“ „Dann werde ich dich eben… zum Schreien bringen.“ Er senkte den Kopf, aber nicht, um Soichi zu küssen, sondern um etwas tiefer seine rechte Brustwarze zwischen die Lippen zu nehmen und mit Zähnen und Zunge solange daran herumzuspielen, bis es seinem Mann zuviel wurde und ein lustvoller Aufschrei durch das Zimmer ging. Nun war es wohl auch Soichi egal, ob sein Bruder und das ganze restliche Hotel ihn hörten, denn er schlang unter weiteren ebenso lustvollen Schreien seine Beine um die Taille des anderen und verhakte seine Füße über dessen Rücken. Mit den Armen zog er seinen Oberkörper ganz nah an sich, und endlich war auch Morinaga dazu bereit, mit ihm in einen leidenschaftlichen Kuss zu versinken. Noch näher konnten sie sich nicht mehr kommen. Ihre Zungen trafen sich mal im Mund des einen, mal in dem des anderen, und wenn sie den Kuss kurz unterbrachen, ließen sie dem lautstarken Ausdruck ihrer Gefühle freien Lauf. Das Bett krachte noch ein paar Mal mit voller Wucht gegen die Wand, und unter einem letzten gemeinsamen Schrei sanken sie schließlich auf das zerwühlte Laken. „Ah… das war…“ „… wunderschön“, beendete Morinaga den Satz. „Ja…“ „Hörst du?“ „Was? Ich höre nichts.“ „Eben. Sie sind ganz ruhig, dein Bruder und Kurokawa.“ „Oh ja… Meinst du, sie haben uns gehört?“ „Ganz sicher. Und sie waren bestimmt nicht die einzigen. Du hast ganz schon geschrieen.“ „Und du erst“, sagte Soichi lächelnd und zog Morinagas Kopf näher zu sich, und sie küssten sich erneut. „Ich liebe dich“, flüsterte Morinaga danach und ließ seine Fingerspitzen durch das lange Haar des anderen gleiten. „Ich liebe dich“, flüsterte Soichi zurück, fasste neben das Bett und stellte das Licht aus. Noch immer ganz allein in der Ecke saß Phil und trank den Rest Wodka direkt aus der Flasche. Vater Tatsumi setzte sich zu ihm. „Na, Bill? Du guckst ja so bedrückt. Was ist denn los mit dir? Hast du Liebeskummer?“ Traurig nickte Phil. „Ich habe gedacht, dass Rick mir diesmal treu ist. Aber letzte Nacht war er schon wieder mit einem anderen im Bett. Mit dem Stripper. Das hat er mir vor Tomoes Hochzeit erzählt. Und eben ist er mit Mitsugus Freund weggegangen. Kann mir schon denken, was die jetzt machen. Und das, wo wir gerade erst wieder eine Woche zusammen sind.“ Tröstend legte Tatsumi einen Arm um ihn. „Armer Kleiner.“ Das ‚Kleiner’ war nicht wirklich zutreffend, denn Phil war einen Kopf größer als er. „Du liebst ihn sehr, nicht wahr?“ „Ja. Ich würde alles für ihn tun. Als wir das erste Mal zusammen waren, habe ich extra mein Studium aufgegeben, damit ich mehr Zeit für ihn habe. Sonst hätten wir uns nur an den Wochenenden sehen können.“ „So…“ „Und trotzdem betrügt er mich so oft. Aber er will sich nicht ändern.“ „Tja, dann musst du dich wohl entscheiden. Wenn er sich nicht ändern will, musst du ihn so nehmen, wie er ist. Eine andere Möglichkeit wäre, du trennst dich von ihm.“ „Nein! Ich könnte mich nie von ihm trennen. Er bedeutet mir alles.“ „Dann bleibt dir nur eins. Du musst ihn so akzeptieren, wie er ist.“ Es war Phil anzusehen, dass er das nicht so einfach konnte. „Würdest du dich denn für ihn ändern?“, fragte Tatsumi. „Natürlich!“ „Sehr gut. Erzähl doch mal. Was läuft nicht so gut in eurer Beziehung?“ „Er ist mir untreu. Aber das sagte ich ja eben schon“, seufzte Phil. „Dann lass ihm seinen Spaß. Und du kannst dir ja auch andere Männer nehmen.“ „Nein, das will Rick nicht. Als ich vor kurzem Soichi geküsst habe, ist er auch gleich sauer auf mich geworden.“ Tatsumi sah ihn erstaunt an. „Du hast meinen Sohn geküsst?“ „Habe ich.“ „Nun gut, wenn er das nicht will und du nicht möchtest, dass er sauer ist, dann solltest du dich das nächste Mal besser nicht erwischen lassen. Und, wie gesagt, mach ihm keine Vorwürfe mehr, wenn er sich nebenher noch anderweitig vergnügt.“ Phil stellte die leere Flasche neben sich. „Also gut“, sagte er entschlossen. „Ich werde nichts mehr sagen, wenn er mir untreu ist. Wenn ihn das glücklich macht…“ „Gut! So ist es richtig!“ Aufmunternd klopfte er dem jungen Amerikaner auf rechte Schulter. Bei der anderen wollte er es lieber nicht tun, da sich auf der linken Seite die frische Tätowierung befand. „Was gibt es sonst noch?“ „Er will, dass ich mir nicht alles von ihm sagen lasse. Aber… ich mag es, wenn Rick mir sagt, was ich tun soll“, sagte Phil, und seine dunkelblauen Augen glänzten dabei. „Ich verstehe“, meinte Tatsumi, und auch auf seine Augen legte sich ein leichter Glanz. „Weiter.“ „Rick meint, ich sei langweilig im Bett. Er sagt zwar immer, ich soll mich nicht zurückhalten, aber ich möchte ihm nicht wehtun. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich ihn verletzen würde.“ „Du hast gerade gesagt, du tust gerne, was er sagt. Wenn er will, dass du dich nicht zurückhältst, dann höre auf ihn. Gibt es sonst noch etwas, was Nick an eurer Beziehung stört?“ „Er findet, dass ich zuviel in seiner Nähe bin. Aber wenn ich das nicht bin, weiß ich nicht, ob er mir treu ist.“ Dann fiel Phil wieder ein, was er vorhin gesagt hatte. „Ach so… ich wollte mich ja nicht mehr darüber beschweren, wenn er mich betrügt.“ „Genau.“ „Rick meint ja auch immer, dass ich weiterstudieren soll. Auch, wenn wir dann nicht mehr soviel Zeit füreinander haben.“ „Dann mach das doch“, sagte Tatsumi. „Meinen Sie? Oh…“ Phil fasste sich an den Kopf. „Ist dir nicht gut?“ „Nein, nicht besonders. Ich glaube, ich habe zuviel getrunken.“ „Vielleicht solltest du dich besser hinlegen.“ Er half Phil aufzustehen. „Komm, halt dich an mir fest.“ „Danke. Sie sind wirklich sehr freundlich.“ „Wenn du im Bett liegst, wird es dir gleich viel besser gehen“, sagte Tatsumi lächelnd und ging ein paar Schritte mit ihm. „Moment.“ Phil blieb stehen. „Rick hat den Schlüssel zu unserem Zimmer.“ „Keine Sorge. Ich habe schon den richtigen Schlüssel.“ Tatsumi geleitete ihn zum Ausgang und nickte im Gehen Wang viel sagend zu. Dieser stellte sein leeres Glas auf den Tisch, auf dem noch die Reste des kalten Buffets lagen und folgte den beiden. „Verdammter Kerl!“, fluchte Rick, als er im Fahrstuhl nach unten fuhr. „Schmeißt mich einfach raus… Erst seinen Spaß haben und mich dann vor die Tür setzen. Unverschämtheit!“ Trotz seines Ärgers über Isogai merkte er, wie er müde wurde. Er wollte ins Bett. Vorher wollte er aber noch Phil abholen. Als Rick wieder im Festsaal war, wunderte er sich, seinen Freund nicht wie erwartet in der Ecke sitzend vorzufinden. „Hast du Phil gesehen?“, sprach er Hiroto an. „Phil? Ich glaube, der ist vorhin mit Soichis Vater und Wang weggegangen.“ „Und wohin?“ „Keine Ahnung. Phil ging es nicht so gut, wie es aussah. Hat wohl zuviel getrunken. Wahrscheinlich haben sie ihn auf euer Zimmer gebracht.“ ‚Auf unser Zimmer also’, dachte Rick, ohne daran zu denken, dass er der einzige war, der einen Schlüssel zu ihrem Zimmer bei sich trug. „Danke.“ Er eilte aus dem Festsaal, fuhr mit dem Fahrstuhl in den zweiten Stock, rannte über den Flur und schloss die Tür zum Zimmer auf. „Phil?“ Keine Antwort. Er knipste das Licht an. Im Bett lag er nicht. Ob er im Badezimmer war? Er warf einen kurzen Blick durch die Tür. Nein, das Bad war leer. Phil war nicht hier. Rick sah auf die Uhr. Kurz vor zwei. Langsam drehte er sich um, verließ das Zimmer wieder und schloss ab. Was hatte dieser Hiroto gesagt? Phil war mit dem Vater von Tomoe und dem Chinesen weggegangen? Diese beiden würden doch nicht…? Rick überkam ein ungutes Gefühl. Die zwei Männer hatten während der Party mehrmals versucht, mit ihm zu flirten, worauf er jedoch nicht eingegangen war. Was sollte er auch mit zwei so alten Kerlen anfangen? Und nun hatten sie sich wahrscheinlich Phil gekrallt, um mit diesem ins Bett zu steigen. Wundern würde es ihn jedenfalls nicht. Phil war, was solche Dinge betraf, ja so schrecklich gutgläubig. Bestimmt hatten sie ihn unter einem Vorwand in ihr Zimmer gelockt und stellten nun sonst was mit ihm an. Und dabei hatte er Phil doch genau das verboten! Wenn er selbst mit anderen Männern schlief, war es etwas anderes, aber seinem Freund gestand er dieses Recht nicht zu. Aber es passte einfach nicht zu Phil, sich seinen Worten zu widersetzen. Dann hatten die beiden ihn womöglich gegen seinen Willen in ihr Zimmer gezerrt? Rick begann, sich in seiner Fantasie die schlimmsten Dinge auszumalen. Das Ganze ließ ihm keine Ruhe. Er musste Phil finden, vorher würde er nicht schlafen können. Wieder unten im Erdgeschoss nahm er gleich Kurs auf die Rezeption. Um diese Uhrzeit saß dort nur ein älterer Mann, der sich gerade an einer Schnapsflasche gütlich tat. Es handelte sich um den Mann, den Soichi und Morinaga für den Hausmeister gehalten hatten. Als er den späten Gast erblickte, ließ er die Flasche hastig unter seinem Jackett verschwinden und wandte sich Rick zu. „Womit kann ich Ihnen behilflich sein?“ „Ich brauche die Zimmernummer von Mr. Tatsumi.“ Wie der Freund von Tomoes Vater hieß, hatte er vergessen, aber es reichte ja, wenn er einen Namen hatte. „Augenblick, ich sehe mal nach. Wo ist denn…“ Der Mann suchte nach etwas. „Ich bin nicht der Portier, müssen Sie wissen. Ich vertrete ihn nur im Moment.“ Jetzt hatte er gefunden, wonach er suchte. Es war ein dickes schäbig aussehendes Buch. Er blätterte darin und suchte die Seiten ab. Eine ganze Menge Tatsumis war eingetragen. Wahrscheinlich war die gesamte Familie angereist. „Da gibt’s mehrere… Wie ist denn der Vorname?“ Rick grübelte. Hatte der Vater nicht den gleichen Namen wie Tomoes großer Bruder? Ja, richtig. „Soichi.“ „Soichi… Soichi…“ Er las noch einmal die Namen durch und unterstrich dabei jeden einzelnen Eintrag mit dem Finger. „Mr. Tomoe Tatsumi und Mr. Mitsugu Kurokawa… Zimmer 802“, redete er vor sich hin. „Nein… Ms. Kanako Tatsumi… ach, nein, Sie hatten ja nach einem Mann gefragt. Gott, mit diesen ganzen chinesischen Namen werde ich nie klarkommen“, brummte er. „Ah, hier. Mr. Soichi Tatsumi. Zimmer 801.“ „Zimmer 801“, wiederholte Rick. „Okay. Danke.“ „Keine Ursache.“ Der Hausmeister, oder was immer er war, klappte das Buch zu. Den Eintrag auf der nächsten Seite, der auf „Mr. Soichi Tatsumi, Mr. Wangxue Li, Zimmer 512“ lautete, hatte er übersehen. Als Rick verschwunden war, zog er wieder die Schnapsflasche hervor und genehmigte sich einen weiteren Schluck. „Zimmer 801… Zimmer 801…“, murmelte Rick immer wieder vor sich hin, um die Nummer bloß nicht zu vergessen. Er ging noch ein letztes Mal in den Festsaal, um zu überprüfen, ob Phil in der Zwischenzeit nicht doch wieder aufgetaucht war. Es war nicht der Fall. Frustriert griff Rick in die Kiste mit der kyrillischen Schrift darauf und nahm die letzte Flasche Wodka heraus. Im Gehen schraubte er sie auf, und als er mit dem Fahrstuhl im achten Stock ankam, war sie nur noch zu Dreivierteln gefüllt. Leise öffnete Rick die unverschlossene Tür von Zimmer 801. Etwas Mondlicht schien schwach durch die dünnen Vorhänge auf das große Bett. Ja, hier war er richtig. Der Mann mit den langen hellen Haaren, der dort schlief, musste Soichis Vater sein. Unglaublich, wie ähnlich er und sein Sohn sich sahen! Rick ging einen Schritt ins Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Was war das? Bewegte sich der Boden auf einmal? Er hielt sich an der Klinke fest, ihm war schwindelig. Die letzte Wodkaportion war ihm wohl nicht so gut bekommen. Da war noch eine weitere Person im Bett. War das Phil? Der Chinese konnte es jedenfalls nicht sein, dafür war die Person zu dünn. Schwankend bewegte sich Rick auf das Bett zu und stellte die Flasche auf dem Nachtschrank ab. Ach, er war so müde, und das Bett sah so schön weich und gemütlich aus… Er streifte sich sein Hemd, das sowieso schon geöffnet war, ganz vom Körper, stieg aus seinen Schuhen und der Hose und ließ sich, nur noch mit seiner Unterhose bekleidet, neben dem anderen Mann auf der Matratze nieder. „Phil?“, flüsterte er, bekam jedoch nur ein unzufriedenes Brummen als Antwort. ‚Das ist nicht Phils Stimme’, dachte er noch, dann schlief er ein. Die Sonne hatte den mittäglichen Höchststand bereits vor Stunden überschritten, als Morinaga langsam wach wurde. Er hatte die Augen noch geschlossen und spürte eine angenehme Wärme hinter sich. Sein Kopf schmerzte höllisch, und ihm war auch ziemlich schlecht, aber die Nähe seines Mannes ließ das alles in den Schatten rücken. Genüsslich kuschelte er sich mit dem Rücken an den Körper des anderen, der mit der Brustseite zu ihm lag. Dieser legte nun einen Arm um ihn und erwiderte das Kuscheln. Die Augen noch immer zu, wollte Morinaga nach der Hand fassen, stieß dabei aber an etwas anderes, das sich ebenfalls wie ein Körper anfühlte. Verwirrt blinzelte er und erblickte einen Rücken vor sich, der ganz eindeutig Soichi gehörte. Er sah auf seine Brust hinunter, auf der noch immer die Hand ruhte. Diese dunkle Haut kannte er doch? Er drehte sich um. „Rick!“ „Good morning“, begrüßte der Amerikaner ihn und rang sich dabei ein gequältes Lächeln ab. Die Nachwirkungen der nächtlichen Party machten sich auch bei ihm bemerkbar. Schwarze Ränder umgaben seine Augen, und auch sein übriges Gesicht wirkte trotz der Bräune eher fahl. „Was machst du hier?“ „Keine Ahnung…“ „Los, los“, flüsterte Morinaga verzweifelt, „verschwinde lieber schnell, bevor Soichi dich sieht!“ Beim Klang seines Namens erwachte nun auch Soichi. Umständlich drehte er sich um und blickte Morinaga an, der noch immer von Rick im Arm gehalten wurde. „Was…“, setzte er an, fasste sich aber gleich darauf mit einer Hand an den Mund und mit der anderen an den Bauch. Etwas unsicher stand er auf, eilte splitternackt wie er war ins Bad und knallte die Tür hinter sich zu. Unmittelbar danach hörten die beiden anderen, wie er sich übergab. Morinaga wollte gerade weiter auf Rick einreden, damit dieser das Zimmer verließ, als sein Blick auf den Nachtschrank fiel. Dort lag neben der Wodkaflasche noch immer die Tube. „Oh nein!“ Schockiert setzte er sich auf und sah Rick an. „Wir haben doch nicht etwa…“ Er konnte sich schwach daran erinnern, dass in der letzten Nacht irgendetwas in der Richtung gewesen war. Aber was genau, das wusste er nicht mehr. „Wir beide?“ „Ja!!“ Rick gähnte und rollte sich auf den Rücken. „No… ich glaube, da war nichts. Aber…“ „Aber?!“ „Jetzt, wo du es erwähnst… mit irgendeinem war ich gestern im Bett.“ Er dachte nach. „Ach ja! Der Freund von Mitsugu. Taichiro.“ „Isogai? Du hast mit Isogai geschlafen? Ja… richtig…“ Jetzt fiel ihm wieder ein, dass die vier sich auf dem Weg zu ihrem Zimmer begegnet waren und Rick etwas davon erzählt hatte, dass er Isogai verwöhnen wollte. „Oh, Mann… der hat vielleicht gekeucht. Dabei war ich echt vorsichtig. Das kann gar nicht wehgetan haben.“ Morinaga starrte ihn ungläubig an. „Guck doch nicht so! Ich habe ihn ja nicht dazu gezwungen. Er wollte es!“ Sie hörten die Toilettenspülung, und im nächsten Augenblick stürmte Soichi aus dem Bad. Um seine Hüften hatte er sich notdürftig eins von den großen hoteleigenen Duschtüchern gewickelt. „Schicker Rock“, scherzte Rick und stellte erstaunt fest, dass Soichi gepierct war. „Raus hier!! Oder ich schmeiß dich aus dem Fenster!!“ Rick setzte sich halb auf. Ihm war wieder eingefallen, wieso er eigentlich hier war. Er hatte Phil gesucht, und dieser seltsame Portier hatte ihm die falsche Zimmernummer gegeben. „Wir sind im achten Stock. Hier kann man die Fenster nicht öffnen.“ „Das hält ihn nicht davon ab“, sagte Morinaga warnend. „Ich… geh ja schon.“ Er setzte sich ganz hin und fasste sich an die Stirn. „Au… ich… lass mich fünf Minuten warten… okay?“ „Nein!“, lehnte Soichi ab. „Nun sei doch nicht so“, meinte Morinaga beschwichtigend. „Ich gehe mit dir ins Bad, und wenn wir fertig sind, ist Rick verschwunden. Ja, Rick?“ „Ja… danke“, ächzte Rick und ließ sich zurück auf das Laken fallen. Morinaga drängte den vergeblich protestierenden Soichi wieder ins Bad. Die Minuten vergingen, und Rick hörte nacheinander die Geräusche der elektrischen Zahnbürsten, der Rasierer und schließlich der Dusche. Da ging plötzlich die Tür auf, und jemand trat ein. Erschrocken setzte sich Rick auf. „Mann, Phil!“, stieß er aus. „Kannst du nicht anklopfen?!“ „Hallo“, sagte Phil, ohne auf die Frage einzugehen. „Ich wusste nicht, wo du warst. Also wollte ich Tetsuhiro und Soichi fragen, ob sie wissen, wo du bist.“ „Das ist ja nun nicht mehr nötig!“ Rick zitterte leicht, so sehr hatte er sich erschrocken. Um sich wieder etwas zu beruhigen, sah er sich nach etwas trinkbarem um. Beobachtet von Phil, griff er nach der Flasche auf dem Nachtschrank und trank einen Schluck. Der Alkohol brannte scharf in seiner Kehle und noch ein bisschen schärfer, als er im Magen ankam. „Wo warst du letzte Nacht?“ „Im Zimmer von Mr. Tatsumi und Mr. Li.“ „Also doch“, brummte Rick und setzte die Flasche abermals an. „Was hast du mit denen gemacht?“ „Nichts. Ich habe nur bei ihnen geschlafen.“ „Und sonst war da wirklich nichts?“ Er stellte die Flasche ab und stand langsam auf. „Nein. Ich weiß ja, dass du willst, dass ich dir treu bin. Also halte ich mich auch daran“, sagte Phil pflichtbewusst. „Mr. Tatsumi und Mr. Li sind sehr nett zu mir gewesen. Sie haben gemerkt, dass es mir nicht gut ging und meinten, dass ich mich besser hinlegen soll.“ Phil nickte überzeugt, als er hinzufügte: „Das sind hochanständige Leute.“ Er ließ sich vor Rick auf die Knie nieder. „Nein, Phil, ich will jetzt nicht. Du kannst mir nachher…“ „Rick?“ Phil ergriff die Hände des anderen. „Ich bitte dich, werde mein Mann! Bevor du antwortest“, sagte er schnell, „hör mir bitte erst zu. Ich habe eingesehen, dass ich viele Fehler gemacht habe.“ „Ach ja?“ „Ich verspreche dir, dass ich dir keine Vorwürfe wegen deiner Männergeschichten mehr machen werde. Du kannst mit so vielen Männern schlafen, wie du willst.“ „Sehr großzügig!“, sagte Rick bissig. „Und was ist mir dir?“ „Ich mache das natürlich nicht. Ich weiß auch, dass es dich stört, wenn ich zuviel in deiner Nähe bin. Darum habe ich beschlossen, mein Studium wieder aufzunehmen. Und außerdem“, Phil atmete tief durch, „werde ich nicht mehr so zurückhaltend sein, wenn wir miteinander schlafen. Aber nur, wenn du das willst.“ „Ja, ja, sicher will ich das…“ Rick ging es nicht in den Kopf, wieso sein Freund jetzt auf einmal zu all den Dingen bereit war, die er sonst immer abgelehnt hatte. „Woher dieser plötzliche Sinneswandel?“ „Mr. Tatsumi hat mir dazu geraten.“ „Ach, natürlich…“ Das sah Phil wieder mal ähnlich, auf das zu hören, was andere ihm sagten! „Wie ist deine Antwort?“ Rick verstand die Frage nicht ganz. Welche Antwort denn? Meinte Phil, ob er mit seinen Vorschlägen einverstanden war? Wahrscheinlich. „Okay“, sagte er. „Also ja?“, hakte Phil nach. „Ja.“ Soichi stampfte aus dem Bad, wieder mit einem großen Tuch, das er um sich gebunden hatte. Ein zweites hatte er sich turbanartig um den Kopf gewunden. Empört schnappte er nach Luft, als er Phil sah, der vor Rick kniete und deutete die Situation dementsprechend. „Das glaube ich einfach nicht!! Macht das gefälligst in eurem eigenen Zimmer!! Raus jetzt!!“ „Nun dreh nicht gleich durch! Ich gehe ja schon!“ Rick suchte schnell seine Sachen vom Boden zusammen und zog sich an. Dann schnappte er sich noch den Wodka und verschwand aus dem Zimmer. Phil verbeugte sich entschuldigend vor Soichi. „Ich bitte um Verzeihung für die Störung.“ Er drehte sich um und ging eilig seinem Freund nach. „Ich brauche einen Kaffee“, sagte Soichi, als er und Morinaga den Speisesaal des Hotels betraten. Sie steuerten auf ihren Tisch zu und gingen dabei an Vater Tatsumi und Wang vorbei, die in ein Gespräch vertieft waren. „Zu schade, dass dieser… wie hieß er noch? Will? Dass er gleich eingeschlafen ist“, sagte Tatsumi. „Ja.“ „Mit dem hätten wir unseren Spaß gehabt. Jemand so Unterwürfiges habe ich schon lange nicht mehr erlebt… Ach, da sind ja auch mein Sohn und mein Schwiegersohn!“ „Tag“, begrüßte Soichi die zwei. „Na, gut geschlafen?“, fragte sein Vater ihn. Er zwinkerte Morinaga zu. „Oder seid ihr gar nicht zum Schlafen gekommen? Wie hat euch denn unser Geschenk gefallen?“ Bevor Soichi eine Antwort geben konnte, rief Tomoe, der mit Kurokawa am Nebentisch saß: „Also, was uns betrifft, wir haben die halbe Tube verbraucht!“ Sein Bruder warf ihnen einen frostigen Blick zu. „War nicht nötig, das zu erwähnen. Ihr wart laut genug.“ Um weiteren Peinlichkeiten aus dem Weg zu gehen, setzte er sich auf seinen Platz und drehte den anderen den Rücken zu. „Tetsuhiro! Komm!“ Morinaga setzte sich zu ihm. Während er auf ein stilles Mineralwasser und sein Mann auf einen Kaffee warteten, hörten sie, wie Kurokawa sagte: „Komisch, diese Nachricht, die mir Isogai hinterlassen hat. Und dass er so einfach abgereist ist, ohne sich von uns zu verabschieden…“ Morinaga sah, dass Kurokawa ein auseinander gefaltetes Blatt Papier in der Hand hielt. „Ich verstehe das auch nicht“, meinte Tomoe. „Und warum hat er das an der Rezeption abgegeben? Er hätte es dir ja auch persönlich geben können. Oder sagen.“ Er nahm den Brief und las leise den einzigen Satz, der darin stand: „Wird mal von einem Mal schwul?“ „Lass mich endlich los!“, rief plötzlich jemand. Es war Rick, der von Phil an der Hand hinter sich hergezogen wurde. Erst vor dem Tisch, an dem Tomoe und Kurokawa saßen, blieben sie stehen. „Kommt bitte mit“, sagte Phil höflich. Er nahm Rick die Flasche weg, die dieser nach wie vor hielt und stellte sie auf den Tisch. „Ja, gerne. Aber wohin denn?“, fragte Tomoe. „Nach draußen“, antwortete Phil, drehte sich um und verließ mit Rick den Saal. Tomoe und Kurokawa erhoben sich von ihren Stühlen und folgten. „Phil, was soll das?!“, schrie Rick, als sie die Hotelhalle durchquerten. „Du hast es gesagt, also machen wir das jetzt“, sagte Phil, doch keiner der anderen drei verstand, was er meinte. Durch das große Eingangsportal gingen sie nach draußen. Die Sonne schien heller als sonst, zumindest kam es Rick so vor. Er hielt sich schützend die freie Hand vor das Gesicht und kniff die Augenlider fast ganz zusammen. Sein Kopf dröhnte, und es zog furchtbar durch seinen Magen. Ihm war auch wieder schwindelig, was darauf zurückzuführen war, dass er auf dem Weg vom achten Stock in den Speisesaal noch mehr Wodka in sich hineingeschüttet hatte. Die vier gingen ein Stück den Fußweg entlang, bis sie das Hotelgelände verlassen hatten und vor der Hochzeitskapelle standen. Mit entschlossenem Gesichtsausdruck trat Phil durch die geöffnete Tür, und Rick blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Endlich ließ Phil ihn los. Rick rieb sich sein Handgelenk und ließ sich auf einen Stuhl in der ersten Reihe fallen. Er nahm gar nicht richtig wahr, wo er sich befand – eine weitere Nebenwirkung des Trinkens. Die Standesbeamtin, die auf dem Altar einige Papiere ordnete, sah erstaunt auf. Phil ging zu ihr, und sie beredeten leise etwas. Skeptisch sah sie zu Rick hinüber. Dieser war unrasiert und machte mit seinen ungekämmten Haaren und der zerknitterten Kleidung den Eindruck, als hätte er die Nacht draußen auf einer Parkbank verbracht. Außerdem roch man seinen alkoholisierten Atem bis zum Altar. „Sind Sie sicher, dass Sie das wollen? In ihrem Zustand?“, fragte sie ihn. „Was soll das heißen, in meinem Zustand?“, maulte Rick. Sie zuckte mit den Schultern. „Nun gut. Es ist Ihre Entscheidung. Mein Dienst beginnt zwar erst in einer halben Stunde“, sie sah auf ihre Armbanduhr, „aber für Sie will ich einmal eine Ausnahme machen“, fügte sie hinzu, als Phil sie flehend ansah. „Sie sind nicht angemeldet, nehme ich an?“, fragte sie. „Richtig“, antwortete Phil. Die Standesbeamtin suchte ein Formular heraus, ging zu Rick und hielt es ihm hin. „Füllen Sie das hier bitte aus. Name, Geschlecht, Wohnort, Staatsangehörigkeit und Geburtsdatum. Sowohl von Ihnen als auch von Ihren Trauzeugen. Ihre Ausweise brauche ich auch noch.“ Trauzeugen? Tomoe und Kurokawa sahen sich verblüfft an. Was um alles in der Welt ging hier vor? Rick überflog das Formular und gab es dann Phil. „Füll du das aus.“ Mit Freude tat Phil, was von ihm verlangt wurde und trug in Schönschrift ihre Daten ein. Rick fixierte derweil Tomoe, der ein angebissenes Sandwich in der Hand hielt. Er hatte es wohl vorhin ganz in Gedanken mitgenommen. „Ooh“, sagte er und starrte mit großen Augen auf das Sandwich. Das letzte Mal, dass er etwas gegessen hatte, war gegen ein Uhr morgens gewesen. „Möchtest du?“, bot Tomoe an und hielt es ihm hin. Rick ergriff es dankbar. „Ich liebe dich, Tomoe…“, sagte er kauend, und nach wenigen Bissen war das Sandwich verschwunden. „Unterschreiben Sie bitte hier.“ Die Standesbeamtin sah zu, wie die vier zum Altar kamen und unterzeichneten, kontrollierte ihre Ausweise und nahm das Formular wieder entgegen. „Jetzt bekomme ich noch eine Bearbeitungsgebühr von zwanzig Dollar von Ihnen, und dann können wir auch schon beginnen.“ Nachdem Phil bezahlt hatte, fragte ihn die Standesbeamtin: „Phil Lloyd, wollen Sie mit dem hier neben Ihnen stehenden Richard Coldman die Ehe eingehen? Dann antworten Sie mit ‚Ja’.“ „Ja, ich will!“, sagte Phil und strahlte dabei, was für ihn ungewöhnlich war, denn er zeigte eher selten Gefühlsregungen. „Ich frage Sie, Richard Coldman, wollen Sie mit Phil Lloyd die Ehe eingehen? Dann antworten Sie mit ‚Ja’.“ Rick kniff müde die Augen zusammen. Er war gar nicht ganz bei sich. Hatte diese Frau ihn eben gefragt, ob er eine Ehe eingehen wolle? Und wieso stand Phil neben ihm, hielt zärtlich seine Hand und strahlte ihn so glückselig an? Wozu sollte er ‚Ja’ sagen? Egal. „Ja“, sagte Rick. „Sie dürfen jetzt die Ringe tauschen und sich küssen.“ „Was für Ringe?“, fragte Rick. „Die Eheringe.“ „Wo soll ich so plötzlich Eheringe herhaben?“ Tomoe zog sich seinen Ring vom Finger und reichte ihn Phil. „Ihr könnt unsere geliehen haben.“ Kurokawa zögerte kurz, bevor er Rick seinen Ring in die Hand drückte. „Aber gleich wiedergeben!“ „Ja, ja“, murmelte Rick. Phil steckte ihm Tomoes Ring an den kleinen Finger. An den Ringfinger passte er nicht, dafür war er zu schmal. Da Rick von sich aus keine Anstalten machte, ihm auch einen Ring anzustecken, tat er es selbst. Auch hier musste der kleine Finger herhalten. Kaum war das geschehen, legte Phil seinen linken Arm um Rick Taille, fasste mit der rechten Hand an dessen Hinterkopf und riss Rick förmlich an sich. Willig öffnete Rick seine Lippen und gab sich Phils Kuss hin. Es war schon seltsam, wenn sie sich küssten, übernahm stets Phil die Führung. ‚Wenn er doch beim Sex auch mal so rangehen würde…’, dachte Rick. Hätte er gewusst, was ihm noch bevorstand, wären seine Gedanken sicherlich andere gewesen. Als Phil wieder von ihm abließ, sagte die Standesbeamtin zu den beiden: „Kraft meines Amtes erkläre ich diese Ehe hiermit für gültig.“ „Was?“, fragte Rick verständnislos. „Sie sind jetzt verheiratet. Herzlichen Glückwunsch.“ Rick schüttelte nur mit dem Kopf. Er musste sich wohl verhört haben. Aber eines wusste er, dieser Ring an seinem kleinen Finger störte ihn ziemlich! Er zog ihn sich ab und legte ihn auf den Altar. Tomoe nahm ihn an sich, und auch Kurokawa ließ sich den Ring von Phil wiedergeben. „Ich bin müde“, murrte Rick. „Ich gehe wieder ins Bett… Komm mit, Phil!“ Tomoe und Kurokawa sahen dem Paar nach, wie es die Kapelle verließ. Sie konnten einfach nicht fassen, was sich gerade vor ihren Augen abgespielt hatte. Rick und Phil hatten tatsächlich geheiratet! „Würden Sie dies hier bitte Mr. und Mr. Coldman geben?“, fragte die Standesbeamtin und hielt ihnen die Durchschrift des Formulars hin. „Gerne“, antwortete Kurokawa und nahm es entgegen. „Äh, was haben Sie gesagt? Mr. und Mr. Coldman?“, wunderte sich Tomoe. Sie nickte und zeigte auf eine Stelle auf dem Formular. „Mr. Phil Coldman hat angegeben, mit der Eheschließung den Nachnamen seines Gatten anzunehmen.“ „Oh.“ Mehr konnte Tomoe dazu nicht sagen. „Wollen wir jetzt zurück in den Speisesaal gehen?“, fragte er seinen Mann. „Ja.“ „Was war denn los?“, wollte Soichi von seinem Bruder wissen. Er hatte die erste Tasse Kaffee soeben getrunken und wartete nun darauf, dass die zweite abkühlte. Morinaga, der nicht begreifen konnte, wie man nach so einer Nacht starken schwarzen Kaffee herunterbekommen konnte, nippte nur hin und wieder an seinem Mineralwasser, in dem er sich eine Vitamin C-Tablette aufgelöst hatte. „Rick und Phil haben geheiratet!“, freute sich Tomoe und setzte sich neben Kurokawa an ihren Tisch. „Was?!“, fragten Soichi und Morinaga gleichzeitig. „Rick war total betrunken“, erzählte Tomoe weiter. „Ich glaube, er hat gar nicht mitgekriegt, was abgelaufen ist. Bestimmt hat er morgen wieder alles vergessen. Und Kurokawa und ich waren die Trauzeugen! Toll, was?“ „Ja“, meinte Morinaga. Tomoe sah sich um. „Wo sind Vater und Wang hin?“ „Die sind nach oben gegangen und packen“, antwortete Soichi. „Als ihr weg wart, hat Vater einen Anruf von seinem Kollegen aus Äthiopien gekriegt. Er war ganz aufgeregt. Die haben da irgendetwas gefunden, und er wird dort gebraucht. Er und Wang wollen gleich zum Flughafen und nach Addis Abeba fliegen.“ „Und Kanako?“, fragte Tomoe. „Mit der fliegen Tetsuhiro und ich heute Abend nach Japan zurück.“ „Kurokawa und ich fliegen erst Dienstag. Zusammen mit Rick und Phil.“ „Wo sind die beiden überhaupt?“, fragte Morinaga. „Auch nach oben gegangen. Rick wollte schlafen“, sagte Tomoe und aß das zweite Sandwich, das auf seinem Teller lag. Müde sank Rick auf das Bett. Dass er sich vor ein paar Minuten noch in der Kapelle befunden hatte, war schon wieder aus seinem Gedächtnis verschwunden. „Ist das hell… Zieh mal die Vorhänge zu.“ Phil schloss die Tür von ihrem Zimmer ab und verdunkelte wie gewünscht die Fenster. „So ist es besser. Oh, mein Magen… Es war ein Fehler, dieses fettige Sandwich zu essen…“ „Du hast dich an dein Versprechen gehalten“, sagte Phil und meinte damit Ricks Zusage, ihn zu heiraten, „also halte ich mich auch an meins.“ Er begann ohne Umschweife, seinem Mann die Hose auszuziehen. „Was machst du da?“ „Ich halte mich an mein Versprechen.“ Als Ricks Unterkörper entblößt war und er nun noch in seinem schwarzen Hemd vor ihm lag, zog Phil sich auch aus. „Wenn es wehtut, sag es mir. Ich höre dann sofort auf.“ Rick wusste nicht so recht, was er dazu sagen sollte, als Phil eine Tube und ein Kondom aus der Schublade des Nachtschranks nahm und sich neben ihn setzte. Sicher würde er gleich wieder auf ihm liegen, sich im Schneckentempo vor und zurück bewegen und ihn dabei wie immer zu Tode langweilen. Nur wunderte es ihn, dass Phil von sich aus aktiv werden wollte. Normalerweise musste er ihn immer dazu überreden. Er legte sich ein wenig bequemer hin, ergriff mit zwei Fingern den Ring in Phils linker Brustwarze und zog ihn daran näher zu sich. „Wenn du das schon machen willst, dann sorge dafür, dass ich nicht dabei einschlafe.“ „Das wird nicht passieren“, versicherte Phil und platzierte sich auf ihm. Seine langen dunkelbraunen Haare hingen Rick ins Gesicht, als er ihn zu küssen begann. Dann unterbrach er den Kuss und fragte: „Bist du bereit?“ Rick breitete seine Beine noch etwas weiter unter ihm aus. „Ja. Fang an.“ Und das tat Phil auch. Zuerst war es für Rick ganz normal, und er wollte sich schon bei Phil über die schwachen Bewegungen beschweren, aber dann legte dieser an Tempo zu. „Ja!“, entfuhr es ihm, und er legte seine Arme und Beine um den Oberen. Phil, ermutigt durch das „Ja!“ und die Umarmung, fing wieder an, ihn zu küssen. Dabei wurde er in seinen Bewegungen immer schneller, und Rick klammerte sich noch fester an ihn. Diesem war, als würde er träumen. War das wirklich Phil? Phil, der sonst immer übertrieben vorsichtig war? Er konnte es also doch! Und er war nicht nur gut, er war besser, als jeder andere zuvor. Phil kam ihm in diesem Augenblick absolut perfekt vor. Aber jetzt merkte Rick, wie es langsam zuviel wurde. Phil hatte vorher gemeint, er solle Bescheid geben, wenn es anfing, wehzutun. Doch wenn er es ihm sagte, würde Phil aufhören und es vielleicht nie wieder tun. „Geht es noch?“, fragte Phil, als er seinen verkrampften Gesichtsausdruck bemerkte. „Ja! Hör nicht auf!“, forderte Rick und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Das war gar nicht so leicht, denn jetzt hatte er wirklich Schmerzen. „Au!“, rutschte es ihm heraus. Sofort stoppte Phil. „Hab ich gesagt, dass du aufhören sollst? Mach weiter!“, wies Rick ihn an, und Phil tat, was er wollte. Er war nicht mehr ganz so übereifrig wie zuvor, und Ricks entspanntes Gesicht zeigte ihm, dass er das richtige Tempo gefunden hatte. Ein weiterer Schrei entwich Rick, kein schmerzvoller, sondern einer der Erleichterung. Stumm wie immer folgte auch Phil. Er gab dabei nie einen Laut von sich. Rick drehte den Kopf zur Seite und leckte sich erschöpft über seine trockenen Lippen. „Phil?“ „Ja?“, antwortete dieser und fürchtete, wieder einmal nicht Ricks Erwartungen entsprochen zu haben. Er erhob sich von ihm und machte sich auf seine Beschwerde gefasst. Halbnackt und alle viere von sich gestreckt, lag Rick auf dem Bett und sah ihn an. „Das war… der beste Sex… den ich je hatte… ah…“ In nüchternem Zustand hätte er diesen Satz wohl kaum zu Phil gesagt. „Wirklich?“, fragte Phil, und dabei war wieder dieses Glänzen in seinen Augen. Rick hatte Schmerzen gehabt, das hatte er genau gemerkt. Und trotzdem hatte er es ausgehalten. Das konnte nichts anderes bedeuten, als dass Rick ihn genauso liebte! „Wirklich.“ „Oh, Rick… ich liebe dich!“ „Ich…“ „Ja?“ „Ich glaube, ich sollte mal duschen…“ Er wollte aufstehen, doch Phil sagte: „Warte. Wir sind noch nicht fertig.“ Und damit nahm er Ricks Hände in seine und legte sie an das Kopfende. Dieser wusste sofort, was er plante. „Du willst mich fesseln?“ „Darf ich?“ Rick tat so, als müsse er überlegen. Aber es gab nichts zu überlegen, er wollte Phil lediglich ein bisschen zappeln lassen. „Ja, du darfst“, erlaubte er es ihm schließlich. „Ist das Schloss in Ordnung?“ „Hab ich saubergemacht.“ Phil legte ihm die Handschellen um und ließ beide Seiten einrasten. Schwungvoll warf er seine Haare zurück, nahm ein Haargummi vom Nachtschrank und band sie sich zu einem Pferdeschwanz zusammen. Dann fasste er neben das Bett, zog erneut die Schublade auf und holte etwas heraus. Ricks Augen weiteten sich, als er sah, was der andere in der Hand hielt. „Phil…?“ „Du tust das auch mit mir, wenn du mich gefesselt hast. Also tue ich das jetzt auch.“ „Aber… aber ich habe nicht diese komischen Vorlieben, die du hast!“ „Du sagst sonst immer, dass du es magst.“ „Wenn ich das mit dir mache! Ja! Aber nicht, wenn du das machst!“ „Das kannst du erst hinterher wissen. Schließlich hast du es noch nie ausprobiert“, sagte Phil stur und hörte sich dabei fast wie Rick bei seinem Gespräch mit Isogai an. Es gab nur wenige Situationen, in denen Phil an dem festhielt, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Aber wenn es soweit war, schaffte nicht einmal Rick es, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. „Also, ich weiß nicht, ob…“, startete Rick einen letzten Versuch. „Es wird dir gefallen“, beharrte Phil. „War das ein Schrei?“ Soichi sah nach oben. „Ja! Klang wie Rick“, sagte Tomoe beunruhigt. „Na, dann macht es ja nichts“, meinte Soichi kalt. Die beiden standen mit ihren Männern in der Hotelhalle. „Wir sollten jetzt auch packen“, sagte Soichi zu Morinaga. „Sonst wird uns nachher die Zeit zu knapp. Kurz nach zehn geht unser Flugzeug. Ich sage auch Kanako Bescheid, damit sie ihre Sachen zusammensucht.“ Als die beiden wenig später in ihrem Zimmer standen, nahm Morinaga seinen Mann liebevoll in die Arme. Der Koffer war bereits geschlossen und der Reißverschluss der Reisetasche zuzogen. „Weißt du, auch wenn die Umstände, durch die wir hierher gekommen sind, nicht schön waren, ist doch letztendlich alles gut ausgegangen.“ Soichi lehnte sich erschöpft an ihn und erwiderte die Umarmung. „Wenn du mit ‚gut ausgegangen’ fürchterliche Kopfschmerzen und Übelkeit meinst…“ Er spürte, wie Morinaga ihn sanft auf seinen Kopf küsste. „Jetzt besser?“ Er küsste ihn noch mal. „Etwas“, sagte Soichi und musste unwillkürlich lächeln. „Wo tut es noch weh?“, hauchte Morinaga und schob ihn sanft zum Bett. „In deinem Bauch?“ „Ja.“ Soichi legte sich auf das Bett und zog sein Hemd etwas hoch. Gerade so viel, dass sein Bauchnabel zu sehen war. „Hier.“ Morinaga näherte sich, schob das Hemd noch ein Stück weiter nach oben und berührte mit seinen weichen Lippen die heiße Haut. Genüsslich streckte sich Soichi unter seinen Küssen auf dem Bett aus. „Besser?“, fragte Morinaga wieder, fasste unter das Hemd und ließ die Spitze seines Zeigefingers über eine von Soichis Brustwarzen streifen. „Ja… ah…“ In dem Moment wurde die Tür aufgerissen und Kanako stand vor ihnen. „Ich bin fertig! Hab alles gepackt!“ Dann starrte sie ihren Bruder an, der rot anlief und wiederum sie anstarrte. „Es… ist nicht so, wie du denkst, Kanako!“, versuchte sich Soichi herauszureden und schubste Morinaga zur Seite. „Keine Sorge, es braucht dir nicht peinlich zu sein! Papa hat mir erklärt, wie ihr das ihr macht.“ „Wovon redest du denn?! Wir machen doch gar nicht…“ „Ist doch in Ordnung! Jetzt weiß ich auch endlich, was die in meiner Klasse meinten, als sie mich gefragt haben, wer von euch die Frau ist.“ „Wie bitte?!“ „Ich dachte, die wollten wissen, wer von euch den Haushalt macht. Also habe ich gesagt, Morinaga ist die Frau. Aber Papa hat mir erklärt, was die wirklich meinten. Und er hat gesagt, wenn sie mich noch mal fragen, soll ich sagen, dass du die Frau bist.“ „Was hat er?!“ „Also, macht ruhig weiter! Tschüß!“ Sie winkte ihnen fröhlich zu und lief auf den Flur. „Verdammt!“, fluchte Soichi und sah seiner kleinen Schwester nach. „Das ist wieder typisch mein Vater! Anstatt, dass er ihr diese Vorurteile ausredet, bestärkt er sie auch noch darin! Was soll ich denn jetzt machen?“ Morinaga stand auf, schloss die Tür, drehte den Schlüssel um und kam zurück ins Bett. „Das, was sie gesagt hat. Weitermachen…“ Mehr als zwei Wochen waren vergangen, und die beiden arbeiteten wie gewohnt in ihrem Labor. Der Alltag war wieder eingekehrt. „Was ist das für ein wirres Zeug, das Tomoe mir geschrieben hat?“ Soichi überflog noch einmal die E-Mail, die er heute Morgen erhalten hatte. Er hatte sie sich ausgedruckt und das Blatt mit in die Universität genommen, weil er hoffte, vielleicht im Laufe des Tages einen tieferen Sinn darin entdecken zu können: „Hallo großer Bruder! Phil hat wieder angefangen zu studieren und will bald den Abschluss machen. Rick ist total sauer auf ihn. Ich weiß nicht, warum. Weißt du, warum? Er war schon so, als wir nach Los Angeles zurückgeflogen sind. Ich habe Rick gefragt, ob es wegen der Hochzeit ist. Aber er sagt, er weiß nichts von einer Hochzeit. Ich schätze, es ist wegen des Studiums. Weil Phil jetzt weniger Zeit für ihn hat. Ich glaube, er liebt Phil, obwohl er das nicht zugeben will. Kurokawa hat letztens zu Phil gesagt, dass er sich von Rick nicht so schlecht behandeln lassen soll. Aber Rick hat Kurokawa gesagt, er soll sich da raushalten. Kurokawa und ich wollen bald in die Flitterwochen fahren. Rick hat mir erzählt, dass Phil ihm manchmal das Frühstück ans Bett bringt und dabei nur eine Schürze trägt und sonst nichts. Ich habe Kurokawa am Wochenende auch so das Frühstück gebracht. Das war witzig. Macht ihr das auch? Ich überlege, ob ich den Namen Kurokawa annehmen soll. Phil hat eins von seinen Bildern für 6000 Dollar verkauft! Davon hat er ganz teure Eheringe gekauft. Rick weigert sich aber, einen zu tragen. Vom restlichen Geld will Phil mit ihm in die Flitterwochen fahren. Kurokawa glaubt, dass Isogai schwul ist. Rick glaubt das auch. Ich glaube das nicht. Glaubst du das? Fahrt ihr auch in die Flitterwochen? Phil ist aus seiner Wohnung ausgezogen und bei Rick eingezogen. Aber Rick hat ihn gleich wieder rausgeschmissen. Jetzt schläft er in seinem Atelier. Aber das ist nicht beheizt. Deswegen hat er sich schon erkältet. Ich habe gesehen, dass ich ein paar graue Haare bekommen habe! Kurokawa hat ja auch ganz viele graue Haare. Seit Rick und Phil verheiratet sind, ist Rick noch nicht wieder fremdgegangen. Ich habe mir die Haare gefärbt. Sie sind jetzt insgesamt etwas dunkler als vorher. Rick hat mir dabei geholfen. Ich will nachher noch mal mit Rick reden, damit er Phil erlaubt, wenigstens in seiner Wohnung zu übernachten. Schade, dass ich nicht zu Kanakos Geburtstag kommen konnte! Ich habe Phil das Foto gezeigt, das sie mir gemailt hat. Das, wo das Pferd drauf ist, das Vater ihr zum Geburtstag geschenkt hat. Phil kennt sich ja mit Pferden aus. Viele Grüße! Auch von Kurokawa! Ich schreib bald wieder.“ Ärgerlich zerriss Soichi das Papier und warf es in den Mülleimer. „Schwachsinn“, brummte er. „War wahrscheinlich wieder betrunken, als er das geschrieben hat.“ „Das sagt der Richtige“, merkte sein Mann an, dessen Handy gerade klingelte. Soichi warf ihm einen eisigen Blick zu. Dieser hielt sich nun das Handy ans Ohr. „Ja?“ „Tetsuhiro?“ „Ah, Mutter“, sagte der Angesprochene knapp. „Was ist das für eine Überweisung?“ „Überweisung?“, fragte er mit gespieltem Unwissen. „Eine hohe, ja, eine riesige Summe von einem gewissen Tatsumi Soichi. Dein Vater hat es eben auf unserem Kontoauszug gesehen.“ „Ist es angekommen? Gut. Es sind die gesamten Studiengebühren, die ihr und Masakis Eltern für mich ausgelegt habt. Und sämtliche Mietkosten für meine alte Wohnung. Plus Nebenkosten.“ „Dieser Mann, mit dem du lebst, ist er kriminell? Woher hat ein Student soviel Geld?“ „Mein Ehemann ist nicht kriminell. Ein Student ist er auch schon lange nicht mehr. Und von ihm kommt die Überweisung auch nicht. Sie kommt von seinem Vater. Er hat den gleichen Namen.“ „Wir wollen das Geld nicht! Wir überweisen es ihm zurück. Oder dir.“ „Das wird nicht gehen. Wir haben unsere Banken veranlasst, keine Überweisungen von eurem Konto anzunehmen. Behaltet das Geld, und werdet glücklich damit. Ich will es nicht haben.“ „Ich verstehe nicht, wieso du uns das ganze Geld schenkst!“ „Wir schenken euch das Geld nicht. Es ist eine Rückzahlung.“ „Wir werden das Geld jedenfalls nicht behalten! Und wenn wir es verbrennen müssen!“ „Da hätte ich einen besseren Vorschlag. Spendet es doch den Yomanata-Brüdern.“ „Wem?“ „Frag am besten deine Freunde. Masakis Eltern meine ich. Die wissen schon, was gemeint ist.“ Er hörte, wie seine Mutter noch empört Luft in den Hörer blies, bevor sie auflegte. „Deine Mutter?“, fragte Soichi, ohne von seinem Mikroskop aufzusehen. „Ja. Du, ich bin wirklich froh, das Geld los zu sein. Ich hätte mich ihnen gegenüber sonst immer verpflichtet gefühlt.“ „Ja, ja“, machte Soichi und hörte sich dabei aus irgendeinem Grund ziemlich verstimmt an. „Dein Vater ist einfach ein Schatz!“ Er hatte es zuerst nicht gewollt, aber dann hatte Soichi seinem Vater schließlich doch die ganze Geschichte mit dem Geld von seinen und Masakis Eltern erzählt. Tatsumi hatte keinen Moment gezögert, und nachdem sie die Summe genau ausgerechnet hatten, hatte er die Überweisung aufgegeben. „Jetzt wissen meine Eltern, dass ich nicht mehr auf sie angewiesen bin. Damit habe ich sie am meisten getroffen. Oh, ich freue mich schon darauf, wenn sie in den nächsten Tagen die Anzeige in ihrer Dorfzeitung lesen.“ Er grinste. Sein Schwiegervater hatte ihm nicht nur das Geld gegeben, er hatte sich auch mit den Eltern von Tanaka, der ehemaligen Klassenkameradin seines Bruders, in Verbindung gesetzt. Weil Tatsumi nie lange überlegte und lieber gleich zur Tat schritt, hatte er ihnen das alte Gebäude, in dem sich früher die Diskothek befunden hatte, abgekauft. Er war jetzt dabei, es renovieren zu lassen, denn die Neueröffnung sollte schon in weniger als einem Monat stattfinden. Ein Pächter, der die Disco betreiben würde, war ebenfalls gefunden. Und eine ganzseitige Anzeige in allen Zeitungen der umliegenden Ortschaften war geschaltet. Auf einem regenbogenfarbigen Hintergrund würde neben einem Anfahrtsplan die kurze aber aussagekräftige Ankündigung stehen: „Wahre Liebe gibt es nur unter Männern – Besuche den exklusiven ‚Club Morinaga’ – Der neue angesagte Gay-Treff auf dem Lande – Eröffnung am 2. April!“ Schwere Schritte näherten sich vom Flur her. Die Person hielt vor dem Labor an, wartete kurz und trat dann ohne anzuklopfen ein. Es war Professor Suzuki. „Morinaga? Morinaga!“, wiederholte er, als keiner der beiden reagierte. „Antworten Sie, wenn Sie angesprochen werden!“ Tetsuhiro sah sich um. „Soichi?“ „Ja?“ „Siehst du hier jemanden mit dem Namen Morinaga?“ Suchend blickte sich Soichi im Labor um. „Nein.“ Der Professor starrte die beiden mit offenem Mund an. „Was…? Sagen Sie nicht, dass Sie das mit dem Schild draußen ernst meinen!“ Seit dem Morgen hing auf dem Flur neben der Labortür ein kleines Schild, auf dem die Namen der Personen eingetragen waren, die das Labor zurzeit benutzten: Dr. Tatsumi Soichi und Tatsumi Tetsuhiro. „Hören Sie, Morinaga! Ich verlange, dass Sie auf der Stelle wieder das alte Schild dort anbringen! Haben Sie mich verstanden? Sie sind schließlich dazu verpflichtet, Ihren richtigen Namen anzugeben.“ „Das ist mein richtiger Name. Ich habe ihn Anfang der Woche ändern lassen. Ganz offiziell und mit sofortiger Wirkung.“ „Und aus welchem Grund haben Sie das gemacht?“ „Ich habe mich entschieden, den Namen meines Ehemannes anzunehmen.“ „Ihres…“ Er sah von Tetsuhiro zu Soichi. „Sie haben doch nicht etwa…?“ Ein Blick auf die Hände der beiden genügte als Antwort, denn dort waren jetzt andere Ringe, als vor ihrer Reise nach Amerika. Zuerst wollte er fragen „Und? Wer von Ihnen hat das Brautkleid getragen?“, verkniff es sich dann aber doch. „Das sieht Ihnen wieder ähnlich! Das haben Sie doch nur gemacht, weil Sie mir eins auswischen wollen! Geben Sie’s ruhig zu!“ „Bilden Sie sich nur nichts ein“, sagte Soichi übertrieben gelassen. „Man heiratet aus Liebe und nicht, um andere zu ärgern.“ „Und was“, der Professor knallte zwei zusammengeheftete Blätter auf den Labortisch, „hat es bitte hiermit auf sich?“ „Steht doch drauf“, antwortete Soichi knapp. „Ein Antrag für die Neubildung der lesbisch-schwulen Studentenverbindung. Es fehlt nur noch Ihre Unterschrift.“ „Ich weiß, was draufsteht!“, polterte Suzuki los. „Wenn ich mich richtig erinnere, waren Sie es doch, der für die Auflösung dieser Gruppe gesorgt hat!“ „Ja. Aber jetzt habe ich es mir anders überlegt.“ „Wollen Sie sich wieder profilieren, ja? Warum sonst sind Sie und Morinaga… oder Tatsumi… ach, Sie bringen mich völlig durcheinander! Also, warum sind Sie beide als Gründungsmitglieder angegeben? Und vor allem, was soll mein Name da?“ Er zeigte auf den dritten Namen, der bei den Gründungsmitgliedern eingetragen war. „Nun, es macht sich immer gut, wenn jemand vom Lehrerstab in einer Stundentenverbindung Mitglied ist. Das verleiht dem Ganzen gleich einen offiziellen Charakter.“ „Aber warum ich? Warum nicht Professor Yamura? Oder Professor Wakada? Die ist bei solchen Themen eher… liberal eingestellt.“ Tetsuhiro legte liebevoll einen Arm um Soichis Taille. „Weil wir Sie persönlich gerne dabei haben möchten.“ „Das können Sie vergessen!“ „An Ihrer Stelle würde ich es mir überlegen, den Antrag zu zerreißen“, sagte Soichi, denn sein Vorgesetzter hatte genau das vor. Er nahm sein Handy, tippte etwas ein und hielt Suzuki das Display hin. „Oder soll Ihre Frau erfahren, dass Sie sich auf Hawaii mit Ihrer Geliebten herumgetrieben haben?“ Der Professor wurde bleich, als er die Telefonnummer seiner Frau vor sich sah. Soichi drückte ihm einen Kugelschreiber in die Hand und zeigte auf eine leere Stelle auf der zweiten Seite. „Dort unterschreiben.“ „Sie…!“ Wütend stampfte der Professor auf. Am liebsten hätte er diesen fürchterlichen Tatsumi von der Uni geworfen! Aber wenn er das tat, würde der Kerl mit Sicherheit seine Drohung wahr machen und seiner Frau alles erzählen, was er auf Hawaii gesehen hatte. Nein, er konnte nichts tun. Die zwei hatten ihn in der Hand. „Also gut! Sie kriegen Ihren Willen! Ich unterschreibe. Aber nur unter einer Bedingung!“ „Und die wäre?“, fragte Soichi. „Kein Wort zu meiner Frau!“ „Einverstanden.“ „Schwören Sie!“ „Von mir aus. Ich schwöre.“ „Sie auch!“, forderte er von Tetsuhiro. „Ich schwöre“, antwortete dieser. Der Professor setzte nach einem letzten Zögern seine unleserliche Unterschrift auf den Antrag. „So, wenn Sie uns jetzt bitte weiterarbeiten lassen würden?“ Tetsuhiro öffnete die Tür. „Wir haben nämlich noch zu tun.“ Suzuki steckte den Antrag ein und verließ wortlos das Labor. Soichi ging wieder zum Labortisch zurück. „Und schöne Grüße an Ihre Frau, Su-Su“, flüsterte er, bevor die Tür zufiel. „Das haben wir gut gemacht“, sagte Tetsuhiro und lachte siegreich. Wieder traf ihn ein eisiger Blick von Soichi. Er, der während der Anwesenheit des Professors noch gelächelt hatte, sah jetzt alles andere als freundlich aus. „Glaub nur nicht, dass alles wieder in Ordnung ist! Ich war gerade nur so nett, weil Suzuki hier war!“ „Bist du etwa immer noch böse?“ „Und ob ich das bin!“ „Aber Rick hat uns das doch geschenkt, damit wir es benutzen. Wäre es dir lieber, ich würde es als Dekoration in irgendeine Vitrine stellen? Komm schon, es hat dir doch so gut gefallen.“ Soichi wurde rot. „Es hat mir überhaupt nicht gefallen! Und dass du mich vorher auch noch mit Handschellen gefesselt hast, war einfach nur feige von dir!“ „Mit den Handschellen warst du einverstanden. Und mit dem anderen auch. Gegen deinen Willen hätte ich das nicht gemacht, das weißt du doch.“ „Ich habe mich nur darauf eingelassen, weil du mich vorher betrunken gemacht hast! Wäre ich nüchtern gewesen, hätte ich dem niemals zugestimmt!“ „Selbst schuld, wenn du zuviel trinkst.“ „Sei ruhig!“ Um nicht weiter darüber reden zu müssen, wies er ihn an: „Geh, und hol mir einen Kaffee!“ Tetsuhiro drehte sich lächelnd um und verließ das Labor. Soichi sah noch ein paar Sekunden auf die Tür, durch die er verschwunden war, dann wandte er sich wieder seinem Mikroskop zu. Ende Ich fand es passend, die Geschichte im Labor enden zu lassen. XD Das ist im Manga ja auch immer so. Was war bloß in der Schublade??? X3 Wir werden es nie erfahren… XD Da die Hochzeiten in den USA stattgefunden haben, waren sie im westlichen und nicht im traditionellen japanischen Stil. Auch deswegen, weil ich mich mit japanischen Hochzeiten noch weniger auskenne, als mit westlichen. ^^’’’ In Teil 2 hatte ich den Polterabend völlig vergessen… ^^’’’ Also habe ich den hier noch rückblickend mit eingebaut. Wäre der Polterabend in Teil 2, wäre er zwischen der Ankunft auf dem Flughafen von San Francisco und der Szene, in der Soichi und Morinaga sich auf dem Hinterhof herumtreiben. Passt also einigermaßen. XD Ich gehe davon aus, dass man in den USA nicht einfach so hingehen und mal eben schnell heiraten kann, wie Phil und Rick es getan haben (außer vielleicht in Las Vegas?). Auch nicht, dass Vater Tatsumi in ca. zwei Wochen 1. seinen Job in Afrika erledigt hat, 2. die Geldmenge locker gemacht hat und 3. die Disco gekauft, einen Pächter gefunden und alles andere in die Wege geleitet hat. XD Wenn mir noch was einfallen sollte, kann ich ja noch ein Kapitel schreiben, in dem die drei Ehepaare (alle gemeinsam?) in die Flitterwochen fahren. ^__^ Kapitel 12: RICK & PHIL-SPECIAL: The Men I Love ----------------------------------------------- Autor: DJ Vierauge Titel: „RICK & PHIL-SPECIAL: THE MEN I LOVE“ (Extra-Story zu „Das Tatsumi-Gen“) Serie: Fanfiction zu den Serien „Verliebter Tyrann“ und „Küss mich, Student!“ von Hinako Takanaga Pairings: Phil x Rick, Steven x Rick, Rick x Phil; Kurokawa + Tomoe, Rick + Tomoe, Soichi + Tetsuhiro Genre/Warnungen: Shounen-ai/Yaoi, Lime, Romantik, Waff/Fluff, etwas Drama, etwas Humor, evtl. leicht OOC (Rick, und vermutlich auch Phil?), OC, Language (ein paar wenige englische Worte) Rating: ab 16 Jahren Disclaimer: Alle Personen sind das Eigentum von Hinako Takanaga. Ausnahmen sind Jamal Rahim, die Blumenhändlerin, Steven und Ricks Vater, die ich dazu erfunden habe. Ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte. Zusatz-Warnungen: Ungeschützter Geschlechtsverkehr kann Folgen haben! Rauchen im Stall ist gefährlich! Alkohol trinken ist schädlich! Nicht nachmachen! ^_^ Anmerkung: In diesem Kapitel ist es genau umgekehrt: In den kursiv geschriebenen Sätzen wird Japanisch gesprochen. INHALT: Da Phil so stark erkältet ist, lässt Rick ihn für ein paar Tage bei sich wohnen. Ob die beiden sich nun endlich näher kommen? Es sei nur soviel gesagt: Es werden Tränen fließen… (Tipp: Dieses Kapitel schließt ungefähr da an, wo das vorangegangene aufgehört hat. Zum besseren Verständnis empfehle ich, noch einmal die wirre E-Mail zu lesen, die Tomoe am Schluss des letzten Kapitels an Soichi geschickt hat: Kapitel 11/Seite 10/letzter Absatz) Rick ging die Treppe zum Atelier hoch. Es war im Dachgeschoss eines renovierungsbedürftigen Wohnblocks. Phil teilte sich das Atelier mit zwei befreundeten Malern. Im Gegensatz zu diesen verließ er es aber nicht abends, sondern blieb über Nacht. Er hatte keine Wohnung mehr. Diese war ihm vor einiger Zeit fristlos gekündigt worden, und er war vor etwas mehr als einer Woche dort ausgezogen. Sein gesamter Besitz befand sich nun in einem Berg von Umzugskartons, die in einer Ecke des Ateliers aufgestapelt waren. Schon auf dem letzten Treppenabsatz stieg Rick der Geruch von Ölfarbe in die Nase. Als er oben an die Tür klopfte, von der der alte graue Lack abblätterte, antwortete ihm eine verschnupfte Stimme: „Herein.“ Rick trat ein und hielt erst einmal die Luft an. „Hallo Rick“, begrüßte Phil ihn lächelnd. Im gelblichen Licht einer von der Decke hängenden Glühbirne stand er vor einer großen Staffelei. Draußen war es längst dunkel geworden. „Schön, dass du mich besuchst.“ „Wie hältst du es hier bloß aus? Lüfte mal!“ „Aber dann wird es noch kälter. Ich friere so schon.“ Phil trug einen dicken schwarzen Rollkragenpullover und hatte sich zusätzlich einen Schal um den Hals gewickelt. „Egal“, sagte Rick und ging zu einem der großen Fenster, um es zu öffnen. „Hier muss dringend Sauerstoff rein, sonst erstickst du.“ „Gut. Wenn du meinst…“ Seine sonst so sanfte Stimme war heiser und kratzig. Rick sah sich in dem Raum um. In einer Ecke lagen ein paar große alt aussehende Wolldecken übereinander. „Schläfst du da etwa?“, fragte er ungläubig. „Ja.“ „Und da wunderst du dich, wenn du dich erkältest!“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Es war wirklich kalt hier drin, und die Luft, die von draußen hereinströmte kühlte den Raum noch weiter ab. Das Wetter war schon seit Tagen so schlecht. Normalerweise war es im März um einige Grad wärmer. „Warum nimmst du dir keine Wohnung? Oder ein Zimmer?“ „Hab auf die Schnelle nichts gefunden“, sagte Phil mit klappernden Zähnen. „Das kann man ja nicht mit ansehen“, meinte Rick bei seinem Anblick und schloss das Fenster wieder. „Möchtest du etwas trinken? Ich mache dir gerne einen Tee oder Kaffee.“ Phil deutete auf den kleinen 2-Platten-Herd, der auf dem Fußboden unter einem Waschbecken stand. „Du wirst gar nichts machen“, sagte Rick entschlossen. „Pack ein paar Sachen zusammen. Du kommst jetzt mit mir mit.“ „Sachen?“ „Pullover, Hosen, Unterwäsche. Was man halt so braucht.“ Phil nickte und wollte sich daran machen, die Sachen in eine große Tragetasche zu packen. Doch als er einen der Kartons öffnete, brach er in einen heftigen Hustenanfall aus. Eilig lief Rick zu ihm. „Mist, das hört sich ja echt schlimm an“, sagte er, als es nach einer Weile besser geworden war. „Und deine Haut ist ganz heiß. Seit wann ist das so?“ „Seit gestern“, antwortete Phil. „Ich habe es heute morgen kaum zur Uni geschafft.“ Er setzte sich auf den Holzboden und lehnte sich gegen den Kartonberg. Seine Stimme war jetzt noch kratziger als zuvor. Rick nahm die Tasche vom Boden und begann, einige Kleidungsstücke aus dem Karton hineinzulegen. Phils Rasierapparat, der auf einer Ablage über dem Waschbecken lag, tat er auch noch dazu. Das Zahnputzzeug konnte da bleiben. Davon hatte er bei sich zuhause ein zweites Set, da Phil des Öfteren bei ihm übernachtete. „Hast du irgendwas dagegen genommen?“ „Nein.“ Phil stand auf und ging zu seiner Schlafstätte. Mit einem Stapel Bücher, der dort gelegen hatte, kam er zurück und wollte ihn oben in die Tasche packen. „Die Bücher kannst du hier lassen“, sagte Rick. „Die brauche ich aber für die Uni. Ich habe bald wieder Prüfungen.“ „Was du brauchst, sind Schlaf und Erholung. In deinem Zustand kannst du in den nächsten Tagen sowieso nicht zur Uni. Außerdem macht es nichts, wenn du ein paar Tage nicht da bist.“ Er nahm ihm den Stapel ab und stellte ihn auf den Boden. „Okay, ich hab alles. Zieh deine Jacke an und komm mit.“ „Wohin gehen wir?“, fragte Phil, nachdem sie den Wohnblock verlassen hatten und den Fußweg entlang gingen. „Zu dir?“ „Ja, zu mir“, antwortete Rick gleichgültig. „Bist du immer noch böse auf mich?“ Phil spielte auf das an, was er in San Francisco mit ihm gemacht hatte, nachdem er ihn mit seinem Einverständnis ans Bett gefesselt hatte. „Ich habe doch sofort aufgehört.“ „Du hattest ja noch nicht mal richtig angefangen.“ Rick sah in sein schuldbewusstes Gesicht. „Schon gut. Ich bin dir nicht mehr böse. Ich hatte es dir ja erlaubt. Aber ich war einfach nicht in der Stimmung für so was.“ „Danke“, sagte Phil erleichtert. „Ich liebe dich.“ „Ja, ja“, sagte Rick nur. Er würde Phil nicht erzählen, dass dieser es Tomoe zu verdanken hatte, dass er ihn aus seinem kalten Atelier herausgeholt hatte. Vor einer Stunde war Tomoe bei ihm gewesen und hatte ihm wegen Phil ins Gewissen geredet. Und wie so oft war er dem Charme seines Freundes erlegen und hatte eingewilligt, Phil wenigstens für ein paar Tage bei sich wohnen zu lassen. Im Gegenzug hatte Rick ihn darum gebeten, seinen defekten Videorecorder zu reparieren, und Tomoe, der in solchen technischen Dingen sehr versiert war, hatte das Gerät gleich mitgenommen. Beim Gedanken an Tomoe erschien ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht. Phil entging das nicht. „Hast du dich mit Tomoe getroffen?“ „Was? Woher weißt du das?“ „So lächelst du nur, wenn du mit Tomoe zusammen bist.“ „Ich liebe ihn nun mal!“, gab Rick zurück. „Ich weiß“, sagte Phil. „Und? Bist du gar nicht eifersüchtig?“, fragte Rick schnippisch. Ihm war klar, dass es Phil jedes Mal einen Stich versetzte, wenn er so verliebt von Tomoe sprach. Auch, wenn Phil es sich nicht anmerken ließ. „Nein. Ich finde es nur schade, dass du dich ausgerechnet in Tomoe verliebt hast. Er will ja nichts von dir.“ „Und wenn er was von mir wollte, wäre das dann besser?“ „Ja. Es würde dich bestimmt glücklich machen.“ „Aber dich nicht“, setzte Rick nach. „Doch. Wenn du glücklich bist, bin ich es auch“, sagte Phil selbstlos. Schweigend gingen sie nun weiter. Zwischendurch blieb Phil immer wieder stehen, weil er stark husten musste. Bis zu Ricks Apartment war es jedoch nicht weit. Dort angekommen zeigte Rick gleich auf die offene Schlafzimmertür. „Ins Bett.“ „Okay.“ „Oder willst du erst duschen?“ Phil zuckte schwach mit den Schultern. „Was dir lieber ist. Wenn du möchtest, dass ich vor dem Sex erst dusche, mache ich das natürlich.“ „Wer hat was von Sex gesagt?!“ „Ich dachte, du hättest mich deswegen hergeholt.“ Seit sie aus San Francisco zurückgekehrt waren, hatte Rick ihn alle paar Tage zu sich in die Wohnung geholt, wo die beiden miteinander geschlafen hatten. „Du bist hier, weil du krank bist! Und weil ich nicht will, dass aus deiner Erkältung eine Lungenentzündung wird und du meinetwegen stirbst, weil ich dich auf deinem Dachboden gelassen habe.“ „Ach so.“ Bibbernd ging Phil ins Schlafzimmer. Er stieg aus seinen Sachen und legte sie fein säuberlich über eine Stuhllehne. „Du kannst von mir aus ein paar Tage bleiben. Bis es dir wieder gut geht“, fügte Rick, der ihm gefolgt war, hinzu. Trotz seiner Krankheit strahlte Phil ihn nun an. „Danke.“ „Aber wirklich nur, bis es dir wieder besser geht! Dann suchst du dir eine eigene Wohnung!“ Rick nahm einen Schlafanzug aus der Tasche und warf ihn auf das Bett. „Vielleicht wäre es doch besser, du würdest erstmal heiß duschen. Du zitterst ja am ganzen Körper.“ Er nahm eine zweite Decke oben aus dem Kleiderschrank und breitete sie über der Bettdecke aus. Während Phil folgsam ins Badezimmer ging, rief Rick ihm nach: „Ich gehe noch mal runter zur Apotheke und hole dir was. Kommst du solange ohne mich klar?“ „Ja.“ „In Ordnung. Ich bin gleich wieder da.“ Als Rick eine Viertelstunde später wiederkam, lag Phil schon im Bett. Er hatte sich ein Handtuch auf das Kopfkissen gelegt, damit es von den langen frisch gewaschenen Haaren nicht durchnässt wurde. Rick stellte ein Paket Papiertaschentücher für Phils verschnupfte Nase und drei kleine Packungen auf den Nachtschrank. Er hielt dem Kranken ein Glas Wasser hin. „Du nimmst von den beiden hier jeweils zwei Tabletten. Wenn du heute Nacht wach wirst, nimmst du noch mal was.“ Phil tat, was er gesagt hatte und sah zu der dritten Packung hin. „Das ist gegen den Husten“, erklärte Rick. „Damit reibst du dir die Brust und den Rücken ein. Oder, nein, lass mich das besser machen. Setz dich hin.“ Nachdem er den nach Eukalyptus riechenden Balsam auf Phils Oberkörper verteilt hatte, sagte er: „Ruh dich aus, und versuch, ein wenig zu schlafen. Und wenn du dich morgen immer noch so fühlst, gehst du zum Arzt. Die Apothekerin hat mir auch noch einen Kräutertee mitgegeben. Ich gieße ihn dir gleich auf.“ Dankbar sah Phil ihn an und lehnte sich in das warme Bett zurück. „Du bist wirklich sehr lieb. Die anderen denken immer, du wärest nie nett zu mir. Aber das stimmt nicht.“ „Die anderen?“ „Tomoe, Mitsugu, Tetsuhiro, Soichi…“ „Ach, lass die doch reden“, meinte Rick. Sowohl er als auch Phil nannten Kurokawa schon seit einiger Zeit bei dessen Vornamen. Rick hatte es sich eines Tages angewöhnt, und Phil hatte sich bald angeschlossen. Der Auslöser war gewesen, dass Rick sich darüber amüsiert hatte, dass Tomoe Kurokawa nie „Mitsugu“ nannte. Selbst dann nicht, als sich die beiden miteinander verlobt hatten. Rick hatte damals bei einem Besuch bei Tomoe zuhause gemeint: „Sprich es doch einmal aus. Sag ‚Mitsugu’. ‚Mi-tsu-gu’.“ Daraufhin war Tomoe errötet und hatte nur den Kopf geschüttelt. „Aber ich kann es doch auch“, hatte Rick weitergemacht. „Mitsugu. Siehst du? Es ist ganz einfach!“ In dem Moment war Kurokawa hereingekommen, und Rick hatte ihn fröhlich mit „Hi Mitsugu!“ begrüßt, was Tomoe noch röter hatte werden lassen. Und weil Rick es liebte, Tomoe so rot zu sehen, hatte er von da an nur noch „Mitsugu“ zu dessen Verlobten gesagt. „In meiner Hosentasche ist mein Portemonnaie. Nimm dir das Geld für alles raus“, sagte Phil. „Nein“, war Ricks ablehnende Antwort. Er wollte es nicht zugeben, aber er fühlte sich schuldig, weil es Phil so schlecht ging. Schließlich war er es gewesen, der ihn nach nur einem Tag wieder vor die Tür gesetzt hatte, als Phil vor eineinhalb Wochen bei ihm eingezogen war. „So teuer war das nicht“, meinte er leise, machte das Licht aus und verließ das Schlafzimmer. Ein paar Minuten später kam er mit einem gefüllten Becher, über dessen Rand das Papierschild des Teebeutels hing, wieder und stellte ihn auf den Nachtschrank. „Muss noch etwas ziehen“, meinte er knapp und ging ins Wohnzimmer. In den nächsten beiden Stunden, in denen er sich durch ein Buch für sein Studium arbeitete, hörte er Phil von Zeit zu Zeit husten, niesen oder sich die Nase putzen. Irgendwann hörte es aber auf, und Phil schien endlich eingeschlafen zu sein. Da er noch nicht müde war, setzte Rick sich vor den Fernseher und schaltete durch die Programme. Trotzdem dauerte es nicht lange, bis ihm die Augen fast zufielen. Also stellte er das Gerät wieder aus und ging ebenfalls ins Schlafzimmer. Um Phil nicht aufzuwecken, machte Rick nur die kleine Lampe neben dem Bett an und zog sich leise aus. Das nasse Handtuch war auf den Boden gefallen. Phil lag auf der Seite, hatte die Decke halb über den Kopf gezogen, und nur sein Gesicht und die linke Hand waren zu sehen. Er schlief tief und fest. Im Schein der Lampe sah Rick den glänzenden Ehering an Phils Ringfinger. Nachdem er eine Weile darauf gestarrt hatte, setzte er sich vorsichtig auf den Bettrand und griff nach seiner Hose, die er zuvor auf den Boden geworfen hatte. Tief unten in der Hosentasche war das Gegenstück zu dem Ring. Obwohl er ihn noch nie anprobiert hatte, trug er ihn fast immer bei sich. Phil ahnte nichts davon. Rick fasste sich an den Hals. Dort hing die Kette mit dem halben Goldherz und dem eingravierten „Tomoe“ darauf. Als er seinem geliebten japanischen Freund auf der Hochzeitsfeier die andere Hälfte des Anhängers geschenkt hatte, hatte er sich seinen Teil der Kette ebenfalls umgehängt und seitdem nicht wieder abgelegt. Sogar, als Phil nach ihrer eigenen Hochzeit mit ihm geschlafen hatte, war sie an seinem Hals gewesen. Gedankenverloren bewegte Rick den Ehering, den Phil ihm geschenkt hatte, zwischen Daumen und Zeigefinger. Er war von der Form her schlicht gearbeitet und glänzte silbern. Fünf winzige glasklare Steine, die wie Diamanten aussahen, schmückten die glatte Oberfläche. ‚Glassteine’, dachte Rick. ‚Hat bestimmt nicht mehr als hundert Dollar gekostet. Silber ist ja nicht so teuer.’ Er hielt das Schmuckstück unter die Lampe, um das kleine „Phil Lloyd“ und das Hochzeitsdatum auf der Innenseite besser lesen zu können. Ob er ihn einmal anprobieren sollte? Phil schlief ja und bekam nichts mit. Etwas zögerlich schob er ihn sich auf den Ringfinger der linken Hand. Über das erste Gelenk ging er leicht. Beim zweiten war es ein wenig schwieriger, aber er bekam es hin. Ja, er passte. Wieder hielt er ihn unter die Lampe. Der Steinbesatz glitzerte, und Rick fragte sich, ob der Ring nicht etwas zu auffällig sei. Phil drehte sich im Schlaf. Schnell wollte Rick sich den Ring abziehen, um ihn wieder in der Hosentasche verschwinden zu lassen, doch das Gelenk war im Weg. „Mist!“, fluchte er unterdrückt. „Geh ab, du verdammtes Ding!“ Aber so sehr er es auch versuchte, der Ring ließ sich nicht vom Finger herunterbringen. „Rick?“, krächzte Phil leise. „Was ist?“ „Schlaf weiter“, flüsterte Rick zurück und legte sich mit unter die Bettdecke. Geschwächt setzte sich Phil ein wenig auf, hustete wieder kräftig und räusperte sich danach ein paar Mal. Rick fielen die Medikamente ein. Er nahm vier Tabletten aus den Packungen und drückte sie Phil in die Hand. Der Tee und das Wasserglas von vorhin waren leer. Also ging er mit dem Glas in die Küche und füllte es wieder auf. Als er zurückkehrte und es Phil gab, sah dieser erstaunt auf seine Hand. „Du trägst ja den Ring“, stellte er fest. „Ja, aber das heißt nichts! Ich habe ihn nur nicht wieder abgekriegt.“ „Das macht doch nichts. Er muss ja auch nicht wieder ab“, fand Phil. Er spülte die Tabletten hinunter, und währenddessen rieb ihm sein Mann noch einmal die Brust ein. Da Rick den Balsam jetzt an den Händen hatte, versuchte er mit dessen Hilfe erneut, den Ring über das Gelenk zu bewegen. Doch es wollte immer noch nicht klappen. Phil beobachtete ihn dabei. Dann lehnte er sich über ihn, zog die Nachtschrankschublade auf und nahm eine Tube heraus. „Versuch es doch hiermit“, sagte er und hielt sie Rick hin. „Ich denke, du willst, dass ich den Ring trage. Warum hilfst du mir dann, ihn abzubekommen?“ Rick öffnete die Tube und probierte mit einem Tropfen daraus zum dritten Mal, den Ring vom Finger zu lösen. „Ja!“, rief er. Endlich war es ihm gelungen. Mit einem Tuch wischte er den Ring ab und legte ihn auf den Nachtschrank und die Tube zurück in die Schublade. „Das war eine gute Idee. Wer hätte gedacht, dass das auch dafür zu gebrauchen ist!“ Ein wenig traurig sah Phil auf den Ring. „Warum willst du ihn nicht tragen? Gefällt er dir nicht?“ „Es ist nicht so, dass er mir nicht gefällt“, antwortete Rick ausweichend und stellte das Licht aus. „Schlaf jetzt.“ Er zog sich seine Hälfte der Decke über den Körper und spürte, wie Phil sich an seinen Rücken kuschelte. Das war ein schönes Gefühl. „Schlaf gut, Rick.“ „Gute Nacht…“ Das monotone Piepen des Weckers riss Rick aus seinen Träumen. Die Augen noch geschlossen, tastete er nach dem Verursacher des Geräuschs und stellte das Piepen aus. Während er nun langsam wach wurde, fiel ihm ein, dass er gestern Phil zu sich geholt hatte. Hoffentlich hatte ihn der Wecker nicht wach gemacht. Er drehte sich um, aber er war allein im Bett. Dann war Phil vermutlich im Bad. Müde sah er zum Fenster. Das Rollo war ein Stück hochgezogen und das Fenster einen Spaltbreit geöffnet. Der Duft von Frühstück wehte ihm entgegen. ‚Die Nachbarn’, dachte er und wollte gerade aufstehen, um sich selbst auch etwas zu essen zu machen. Da kam Phil durch die Tür. In seinen Händen hielt er ein voll gepacktes Tablett, und der Frühstücksgeruch im Zimmer wurde gleich intensiver. „Guten Morgen, Rick!“, begrüßte er ihn strahlend. Er stellte das Tablett auf dem Bett ab und gab seinem Mann einen zarten Kuss. „Morgen…“, sagte Rick überrascht. „Wieso hast du Frühstück gemacht?“ „Ich konnte nicht mehr schlafen. Also bin ich aufgestanden und habe welches gemacht. Ich dachte, du freust dich.“ „Ja, tu ich ja… Aber geht es dir denn schon wieder gut? Du hättest doch liegen bleiben können.“ „Es ist viel besser geworden. Die Tabletten haben sehr gut geholfen.“ Er setzte sich mit aufs Bett. Wie so oft, wenn er seinem Mann das Frühstück im Bett servierte, trug er außer einer Küchenschürze nichts anderes. „Ich kann zwar noch nichts riechen, und meine Lunge und mein Kopf tun auch noch weh, aber ansonsten geht es mir gut.“ Rick gähnte und besah sich das Tablett, auf dem gleich zwei Teller mit dampfendem Essen standen. Auf einem war ein großer Pfannkuchen mit Ahornsirup, auf dem anderen zwei Scheiben frisch geröstetes Toastbrot und ein Spiegelei. Aus einem Becher mit Kaffee stieg ebenfalls leichter Dampf auf. „Das ist ja sehr lieb von dir, aber du musst dich doch nicht gleich wieder überanstrengen. Ich hätte uns auch was zu essen machen können.“ „Aber ich mache das gerne. Es war keine große Anstrengung.“ „Na gut. Danke“, sagte Rick, setzte sich hin und begann zu essen. Für einen kurzen Moment blieb sein Blick an Phils Oberarm haften. Das Tattoo, das er sich in San Francisco hatte stechen lassen, war inzwischen gut verheilt. „Ich habe dir auch eine Lunchbox für die Uni zurechtgemacht.“ „Hm, hm“, meinte Rick mit vollem Mund. Es sollte wohl „Danke“ heißen. Phil nahm sich ein Stück Pfannkuchen vom Teller und aß mit. Als Rick einen Schluck Kaffee getrunken hatte, sagte er: „Zieh die Schürze aus. Männer in Schürzen sehen albern aus.“ „Das hat meine Mom früher auch immer gesagt. Sie hat mich auch immer aus der Küche gescheucht, wenn ich ihr dort helfen wollte.“ „Wieso das denn? Normalerweise wollen Mütter doch immer, dass man ihnen in der Küche hilft.“ Rick erinnerte sich daran, wie seine Mutter ihm in seiner Kindheit oft den Abwasch und andere ungeliebte Hausarbeit aufgehalst hatte. „Sie hat immer gesagt, dass ein Mann nichts in der Küche zu suchen hat.“ „Da ist sie sicher todtraurig, dass ihr Sohn nun doch dort gelandet ist, was?“, fragte Rick ironisch. „Nein, eigentlich nicht. Ich habe ihr gesagt, dass ich jetzt mit dir verheiratet bin. Und dabei habe ich erwähnt, dass ich wohl das Kochen übernehmen werde, wenn wir erst einmal zusammengezogen sind. Allerdings habe ich ihr auch erklärt, dass ich ebenfalls kochen würde, wenn ich mit einer Frau zusammen wäre. Solche Dinge haben nichts mit dem Geschlecht zu tun.“ Rick stellte den Kaffeebecher ab. „Du hast ihr gesagt, dass wir geheiratet haben? Wann?“ „Gleich, nachdem wir aus San Francisco zurückgekehrt sind. Dad habe ich es auch gesagt.“ „Und wie haben sie reagiert?“, fragte Rick skeptisch. Er wusste, dass Phils Eltern, die ländlich auf einer abgelegenen Ranch lebten, mitunter recht altmodische Ansichten vertraten. „Erst waren sie ein wenig traurig.“ „War ja klar. Sie haben wohl insgeheim immer noch gehofft, dass du irgendwann eine Frau heiraten, mit ihr Kinder kriegen und den Hof übernehmen würdest.“ „Nein. Sie waren traurig, weil wir sie nicht eingeladen hatten. Sie wären gerne dabei gewesen. Aber ich habe ihnen gesagt, dass es eine spontane Entscheidung war und keine Zeit blieb, jemanden einzuladen.“ „Soll das heißen, sie finden es okay, dass du mich geheiratet hast? Sie waren doch sonst immer gegen unsere Beziehung.“ „Sie waren dagegen, weil wir ein Paar waren, ohne miteinander verheiratet zu sein. Jetzt, wo wir es sind, sind sie damit einverstanden. Mom meinte, wenn der Staat unsere Partnerschaft gutheißt, wird es schon in Ordnung sein.“ „Ah ja…“ Rick hatte seine Eltern noch nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass er Phil geheiratet hatte. Nicht etwa, weil seine Eltern nicht damit einverstanden gewesen wären. Im Gegenteil, sie kannten Phil seit knapp drei Jahren, verstanden sich blendend mit ihm und luden ihn auch stets zusammen mit ihrem Sohn zu sich nachhause ein, wenn es etwas zu feiern gab. Sie ahnten nicht, dass die Beziehung zwischen den beiden bis vor wenigen Wochen eigentlich gar keine richtige gewesen war. Der Grund, dass er ihnen nichts von seiner Heirat gesagt hatte, war, dass er sich selbst noch nicht sicher war, ob diese Ehe überhaupt eine Zukunft haben würde. Phil stand nun auf, legte die Schürze ab und nahm sich frische Sachen aus der Tasche, die sie gestern mitgenommen hatten. „Willst du nicht auch aufstehen? Du kommst sonst zu spät zur Uni.“ „Ja, ja, gleich…“, sagte Rick und sah zur Seite. Die Art, wie Phil sich eben die Schürze ausgezogen hatte und nun nackt im Zimmer stand, hatte seinen Körper gegen seinen Willen auf diesen Anblick reagieren lassen. Es war schon ein paar Tage her, seit sie das letzte Mal miteinander geschlafen hatten. Kein Wunder, dass er nun Verlangen in sich aufkommen spürte. Da Phil nichts davon merken sollte, zog er die Bettdecke ein Stück höher. Noch einmal beugte sich dieser zu der Tasche hinunter, um nach weiterer Kleidung zu suchen, was Rick das Blut heiß ins Gesicht trieb. „Zieh dich endlich an!“, sagte er laut. „Es ist sehr ungesund, hier die ganze Zeit nackt herumzulaufen. Du bist schließlich immer noch erkältet.“ Phil drehte sich zu ihm um. Ein kurzer Blick genügte, und er wusste, warum Rick von ihm verlangte, sich anzuziehen. Er legte die Sachen auf die Tasche und ging entschlossen zurück zum Bett. „Nein!“ Rick sprang förmlich aus dem Bett, bevor der andere bei ihm war. Jetzt war es auch egal, wenn Phil alles sah. „Ich mache das gleich selber unter der Dusche.“ „Aber ich kann doch…“ „Du bist krank! Und ich habe eben schon gesagt, du sollst dich nicht überanstrengen! Ich will nicht daran schuld sein, wenn deine Erkältung schlimmer wird!“ Er wollte zur Schlafzimmertür gehen, doch Phil schnitt ihm den Weg ab und ließ sich vor ihm auf die Knie fallen. Mit großen bittenden Augen sah er Rick an und befeuchtete sich mit der Zungenspitze verführerisch langsam die Lippen. „Darf ich? Bitte“, hauchte er, und seine ungewohnt raue Stimme klang dabei überaus sinnlich. Wie hätte Rick da ablehnen können? „Verdammt, ja“, antwortete er ganz automatisch, obwohl er eigentlich „Nein“ hatte sagen wollen. Aber jetzt war es zu spät, seine Antwort noch einmal zu korrigieren, denn Phil hatte schon angefangen. Genießerisch seufzend schloss Rick die Augen und überließ sich ihm. Und dann, Rick wusste selbst nicht genau warum, stellte er sich vor, dass es nicht Phil, sondern Tomoe sei, der da vor ihm kniete und ihn liebevoll verwöhnte. „Mmh…“, machte er lang gezogen und streichelte Phil ein paar Mal über den Kopf. „Oh Darling, yeah…!“ Im ersten Moment durchfuhr Phil ein Gefühl des Glücks. Doch die Erkenntnis, dass nicht er gemeint war, sondern ein anderer, folgte unmittelbar. Rick nannte ihn nie „Darling“. So redete er mit Tomoe, und auch Tetsuhiro hatte er so genannt. Wahrscheinlich war er in Gedanken gerade bei einem der beiden. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, machte Phil unbekümmert weiter. Es störte ihn nicht, dass Rick an jemand anderen dachte. Solange er nur bei ihm sein durfte, war alles andere egal. Natürlich wäre es ihm lieber gewesen, wenn Rick ihm die gleiche bedingungslose Liebe entgegen gebracht hätte, wie er es bei ihm tat. Doch daran war nun mal nichts zu ändern. Es war in Ordnung, so wie es war. „Ja, Phil!“, rief Rick bald darauf und gab so dem anderen zu verstehen, dass er wieder ganz bei ihm war. „Danke“, sagte Phil. „Seit wir zurück aus San Francisco sind, hast du es mich nicht machen lassen.“ „Ja? War mir gar nicht so bewusst“, meinte Rick. Aber es stimmte natürlich nicht. Er hatte Phil absichtlich nicht alles tun lassen, was dieser wollte. Er hatte ihn auch nie den passiven Part übernehmen lassen, wenn sie miteinander geschlafen hatten. Obwohl er genau wusste, dass Phil es viel lieber hatte, wenn dieser sich ihm hingeben und Rick die volle Kontrolle überlassen konnte. Rick war, bis er ihn gestern in seinem Atelier abgeholt hatte, schlicht und ergreifend sauer auf ihn gewesen. Einmal war es wegen dieser Sache, die Phil kurz nach ihrer Hochzeit mit ihm gemacht hatte. Eigentlich hatte er keinen Grund dazu, Phil deswegen einen Vorwurf zu machen. Dieser hatte es ja nicht gegen seinen Willen getan, sondern vorher von Rick die Erlaubnis dazu erhalten. Ohne sein Einverständnis wäre er nie soweit gegangen. Aber Rick war betrunken gewesen, und das hatte Phil ausgenutzt. Der zweite Grund für Ricks schlechte Laune war die Hochzeit selbst, zu der Phil ihn gedrängt hatte. Und auch das war nur möglich gewesen, weil Rick unter Alkoholeinfluss gestanden hatte. Tomoe hatte das schon ganz richtig erkannt. Er hatte ihn ja darauf angesprochen, ob Rick deswegen verstimmt gewesen sei, was er aber abgestritten hatte. Mehr als das. Er hatte zudem abgestritten, Phil überhaupt geheiratet zu haben, so sehr missfiel ihm diese Hochzeit, an die er sich zu allem Überfluss nicht einmal mehr erinnern konnte. Noch vor dem Rückflug nach Los Angeles hatte er Phil klipp und klar auf den Kopf zu gesagt, dass er sich eigentlich schon am Abend vor der Hochzeit von ihm hatte trennen wollen. Er hatte ihm ausdrücklich klargemacht, dass er ihn nicht liebe und nur mit ihm zusammen war, weil Phil ihm nach dem Valentinstag so zugesetzt hatte, wieder eine Beziehung mit ihm einzugehen. Für Phil war das keineswegs eine Überraschung gewesen. Er hatte immer gewusst, dass Rick ihn nicht liebte. Auch, wenn er sich manchmal das Gegenteil einzureden versuchte. Das Nächstliegende wäre natürlich gewesen, dass Rick umgehend die Scheidung eingereicht hätte. Oder dass er sich erst einmal von Phil abgewendet, sich von ihm getrennt hätte. Das war bisher jedoch nicht geschehen. Und warum war es nicht geschehen? Weil die neue Art, wie Phil nach ihrer Hochzeit mit ihm geschlafen hatte, Rick so beeindruckt hatte, dass er auch in Zukunft nicht darauf verzichten wollte. Es war der Inbegriff der Perfektion gewesen. Aber wegen all der Punkte, in denen er sich über Phil geärgert hatte, hatte Rick das Bedürfnis gehabt, es ihm heimzuzahlen. Und das hatte er dann auch getan, indem er ihm im Bett nicht seinen Willen gelassen hatte. Doch jetzt hatte genug davon. Er war nicht so ein nachtragender Mensch wie etwa Soichi. Außerdem war es ihm zu mühsam, ständig böse auf Phil zu sein. Wieder streichelte er ihm über die Haare. „Ich bin dann mal in der Dusche“, meinte er, drehte sich um und ging ins Bad. Nachdem er fertig war und sich angezogen hatte, sagte Rick: „Ich gehe jetzt zur Uni. Ich rufe nachher deinen Professor an und sage, dass du den Rest der Woche nicht kommst.“ „Danke.“ „Und bleib ja im Bett, verstanden? Oder leg dich meinetwegen aufs Sofa und guck Fernsehen. Oder mach Videospiele. Aber lösch mir bloß nicht meine Spielstände!“ Er nickte zu der Spielkonsole hinüber, die er am Wochenende angeschlossen hatte. Das Gerät war zwar schon rund zwanzig Jahre alt, aber Rick hatte eine Vorliebe für diese alten Spiele. „Und komm mir nicht auf die Idee, hier irgendwas im Haushalt zu machen oder aufzuräumen, klar? Ich will, dass du dich erholst.“ Phil nickte. „Ja, natürlich.“ Dass er das Geschirr abgespült hatte, während Rick unter der Dusche gewesen war, erwähnte er lieber nicht. „Im Kühlschrank ist genug zu essen, wenn du Hunger hast. Im Tiefkühlfach ist auch noch was. Ich werde dich nicht anrufen und fragen, wie es dir geht, weil ich dich nicht aufwecken will, falls du schläfst. Wenn du willst, kannst du mich heute Mittag anrufen. Dann bin ich in der Mensa und esse.“ „Alles klar. Mach ich.“ „Ruf aber nur an, wenn du wach bist! Ich will nicht, dass du dir extra den Wecker stellst!“ „Ja, ja.“ Rick steckte den Schlüssel zum Atelier ein und öffnete die Wohnungstür. „Ich bringe auf dem Rückweg noch welche von deinen Klamotten mit“, sagte er im Hinausgehen. „Warte“, sagte Phil und eilte zu ihm. Er nahm ihn sanft in die Arme und drückte ihm einen liebevollen Kuss auf die Lippen. „Bis heute Abend, Darling.“ Unter dem hellen Braun seiner Haut schien Rick ein wenig rot zu werden. „Das wollte ich schon immer mal zu dir sagen.“ „Bis heute Abend“, sagte Rick, trat hinaus auf den Flur und machte die Tür hinter sich zu. Rick saß in der Mensa und war, nachdem er die Hälfte seiner Portion gegessen hatte, schon satt. Das Lunchpaket, dessen Inhalt er zwei Stunden vorher verspeist hatte, war so üppig gewesen, dass er jetzt keinen Hunger mehr hatte. Und das, obwohl er der festen Überzeugung gewesen war, dass das vegetarische Essen, das Phil ihm mitgegeben hatte, gar nicht satt machen könne. Die Ellenbogen auf dem Tisch und den Kopf in die Hände gestützt trank er mit einem Strohhalm ein paar Schlucke Kakao aus dem Glas vor sich. Aber auch dafür war nicht mehr viel Platz im Magen. Abwesend pustete er Luft durch den Halm in das halbvolle Glas, sodass sich Blasen auf der Oberfläche bildeten und teilweise über den Rand quollen. Die Studenten am Nebentisch sahen amüsiert zu ihm herüber, doch er bekam nichts davon mit. „Hey, Coldman!“, rief jemand. Rick sah auf. Es war Jamal Rahim, ein guter Bekannter, der ebenfalls an dieser Universität studierte. „Hi Rahim. Wieder im Lande?“ „Ja, seit Montag. War wieder mal toll in Marokko. Meine Großeltern hätten mich am liebsten dabehalten. Und?“ „Was, und?“ „Ist es wahr, was man so hört?“ „Keine Ahnung, wovon du redest“, sagte Rick, ahnte aber, worum es ging. „Nein? Ich habe gehört, dass ein gewisser Rick Coldman einen gewissen Phil Lloyd geheiratet haben soll.“ Rick stand schnell auf und legte einen Finger auf die Lippen. „Woher weißt du das?“, fragte er flüsternd. „Hat Phil dir das gesagt?“ „Dann ist es echt wahr?“ Jamal schüttelte ihm beglückwünschend die Hand. „Nein, von Lloyd weiß ich es nicht. Mir ist dein kleiner Japaner, mit dem du immer zusammen bist, über den Weg gelaufen. Der mit der Schlaumeier-Brille.“ „Tomoe…“, brummte Rick. „Und ich habe ihm extra gesagt, dass er den Mund halten soll! Weiß außer dir noch jemand davon?“ „Ich habe es ein paar Freunden erzählt. War das falsch?“ „Na toll“, sagte Rick bissig und setzte sich wieder. „Ich wollte, dass das nicht groß herumgetratscht wird. Jetzt weiß bald jeder hier auf der Uni, dass ich von den über drei Milliarden Männern auf der Welt ausgerechnet Phil geheiratet habe!“ Endlich bemerkte er die Reste der Kakaoblasen, die auf dem Tisch gelandet waren und wischte sie mit einer Serviette weg. „Du klingst ja nicht sehr begeistert. Was stimmt denn nicht mit ihm? Behandelt er dich irgendwie schlecht?“ „Nein, im Gegenteil. Er liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Heute Morgen hat er mir mal wieder das Frühstück ans Bett gebracht. Obwohl er total erkältet ist. Und danach hat er mir… warte mal, das muss ja nicht jeder hören.“ Jamal beugte sich neugierig zu Rick hinunter, und der flüsterte ihm leise zu, was Phil nach dem Aufstehen mit ihm gemacht hatte. „Das macht er freiwillig?“, fragte Jamal fassungslos. „Natürlich! Denkst du, ich zwinge ihn dazu? Nein. Ich bin ein Gentleman.“ „Wow. Du hast es gut, Coldman! So was würde meine Freundin garantiert nie machen. Die meint, wenn ein Mann das von einer Frau verlangt, sei das frauenfeindlich. Und dabei habe ich es gar nicht verlangt.“ „Kann sein“, meinte Rick. „Kenn mich mit Frauen nicht aus. Willst du dich nicht setzen?“ „Danke, nein, hab nicht soviel Zeit. Also, es muss doch irgendwas geben, was dich an ihm stört.“ Rick brauchte nicht lange zu überlegen. „Ja, eine Sache. Er ist nicht Tomoe.“ „Das ist alles?“ „Hm… nein. Es gibt da noch so ein paar Kleinigkeiten. Eigentlich passen wir gar nicht zusammen.“ „Und warum bist du dann überhaupt mit ihm zusammen? Und sogar mit ihm verheiratet? Ich meine, dann kannst du dich doch genauso gut wieder scheiden lassen. Oder die Ehe annullieren lassen. Was hält dich denn bei ihm?“ Achselzuckend meinte Rick: „Er ist gut im Bett. Der Beste.“ Mit leicht zusammengekniffenen Augen sah Jamal ihn an. „Weiß er, dass du nur deswegen mit ihm zusammen bist?“ „Klar weiß er das. Ich mache ihm nichts vor.“ Da klingelte Ricks Handy, und er ging dran. „Ich bin’s“, meldete sich der Anrufer, bevor Rick etwas sagen konnte. „Hi Phil. Wie geht es dir?“ „Danke, gut.“ „Hast du noch mal die Tabletten genommen?“ „Ja“, antwortete Phil. „Von dem Tee habe ich auch noch ein paar Tassen getrunken.“ „Gut. Ich habe vorhin deinen Professor angerufen und gesagt, dass du frühestens Montag wieder da bist. Er lässt dir schöne Grüße und gute Besserung ausrichten.“ „Vielen Dank. Rick, hättest du etwas dagegen, wenn ich kurz einkaufen ginge?“ „Ja, das habe ich! Bleib zuhause und leg dich hin! Wenn du was brauchst, bringe ich es dir auf dem Rückweg mit. Was willst du denn haben?“ „Fliesenreiniger.“ „Fliesenreiniger?“, wiederholte Rick. „Ja. Die Flasche ist leer.“ „Hast du den etwa benutzt? Ich habe dir doch gesagt, du sollst im Bett bleiben und dich ausruhen!“ „Ich weiß. Aber als du weg warst und ich mit dem Duschen fertig war, habe ich hinterher noch schnell die Dusche saubergemacht.“ „Die hättest du auch einfach so lassen können!“ „Dann wären aber an den Wänden Kalkablagerungen von den Wassertropfen zurückgeblieben.“ „Als ob du in deinem Zustand keine anderen Sorgen hättest! Es hätte auch gereicht, einmal mit dem Handtuch nachzuwischen. War das alles, oder hast du noch mehr geputzt?“ „Weil ich gerade dabei war, habe ich das restliche Bad auch noch saubergemacht. Danach war ich aber ziemlich müde und habe mich wieder ins Bett gelegt. Das Bett habe ich übrigens auch neu bezogen.“ Rick unterdrückte einen missmutigen Seufzer. „Mach dir bitte keine Sorgen“, beruhigte Phil ihn. „Ich habe mich nicht übernommen.“ „Na schön.“ „Wann kommst du nachhause?“ „Ah, vermisst du mich schon?“ „Ja“, war Phils ehrliche Antwort. „Ich bin gegen fünf zurück.“ „Also noch viereinhalb Stunden… Sag mal, hast du deinen Ring mitgenommen? Auf dem Nachtschrank liegt er nicht mehr.“ „Ja, ich hab ihn hier.“ „Gut. Ich dachte schon, er wäre verloren gegangen.“ „Ist er nicht.“ „Dann trägst du ihn jetzt also doch?“, fragte Phil. Rick fasste in die Tasche seiner Jeans und nahm den Ring heraus. „Nein. Ich habe ihn in der Hosentasche.“ Er warf ihn spielerisch in die Luft und fing ihn wieder auf. „Pass bitte auf, dass du ihn nicht verlierst. Er ist schließlich ein Symbol unserer ewigen Liebe.“ „Ewige Liebe…“ Ein wenig geringschätzig sah Rick auf den silbernen Ring. „Weißt du, Tomoe und Tetsuhiro und die Männer der beiden haben goldene Eheringe. Wenn du mich wirklich so liebst, warum kriege ich dann nur einen Silberring? Du hättest ruhig ein bisschen tiefer in die Tasche greifen können. Vor allem, nachdem du neulich 6000 Dollar für dein Bild bekommen hast.“ „Aber das ist Platin, kein Silber.“ „Platin?!“, rief Rick laut, und die Studenten an den umliegenden Tischen drehten sich zu ihm um. Auch Jamal, der sich inzwischen doch dazugesetzt hatte, horchte interessiert auf. „Also… wenn das Platin ist, dann sind die Steine wohl auch nicht aus Glas?“, fragte Rick vorsichtig. „Brillanten. Hochfeines Weiß, lupenrein, 0,05 Karat. Eingefasst in Platin 960.“ „Aha“, meinte Rick, der nicht ganz verstand, wovon Phil redete. Aber es hörte sich teuer an. „Und… der Preis?“ „2750 Dollar. Es sind außerdem Designerstücke.“ Beinahe wäre Rick der Ring aus der Hand gefallen. „Sag das noch mal. Du hast 2750 Dollar für die Ringe ausgegeben?!“ Wieder hatte er so laut gesprochen, dass sich weitere Studenten in seine Richtung drehten. Einige standen von ihren Plätzen auf und traten näher, um das wertvolle Stück aus der Nähe zu betrachten. „Dann sind ja von dem ganzen Geld nur noch… äh… 3250 Dollar übrig!“ „Nein, 500. Die Ringe haben pro Stück soviel gekostet. Der Juwelier wollte erst 6120 für beide haben, aber ich konnte ihn auf 5500 runterhandeln. Der Ring ist also eigentlich 3060 Dollar wert.“ Rick starrte auf das runde Metall in seiner Handinnenfläche. Über 3000 Dollar. Und er hatte den Ring die ganze Zeit über einfach in seiner Hosentasche gehabt. Einmal hatte er ihn sogar nach dem Sport im Umkleideraum vergessen. Er war schon an der Ausgangstür der Sporthalle gewesen, als ihm die Putzfrau nachgelaufen war und ihm den Ring zurückgegeben hatte. Es war kaum zu fassen, dass er tatsächlich so viel wert war. Rick, der meistens knapp bei Kasse war, hatte schon von Kindesbeinen an nie viel Geld zur Verfügung gehabt. Seine Mutter arbeitete als Verkäuferin in einem Convenience Store und hielt so die Familie finanziell einigermaßen über Wasser. Und sein Vater, der aufgrund einer Verletzung, die er sich als Jugendlicher zugezogen hatte, arbeitsunfähig war, bekam nur eine kleine Rente von wenigen hundert Dollar im Monat. „Bist du noch dran?“, fragte Phil. „Ja… Moment…“ Rick legte das Handy auf den Tisch und steckte sich den Ring an. So konnte er ihn auf keinen Fall verlieren. Er hielt das Handy wieder ans Ohr. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass er soviel wert ist?“ „Ich dachte, das wäre nicht so wichtig. Und du hast ja auch nicht danach gefragt. Aber Tomoe hat mich gefragt, und ihm habe ich es gesagt.“ Einen Augenblick schwieg Rick. Dann sagte er leise: „Danke.“ Er hatte sich nämlich bisher noch nicht bei Phil dafür bedankt. „Ich… muss gleich zurück in die Vorlesung. Wie gesagt, um fünf bin ich zurück. Bye.“ „Bye-bye!“, verabschiedete sich Phil. Mit offenem Mund sah Jamal Rick an. „Coldman, du spinnst.“ „Was?“ „Lass mich mal aufzählen. Er bringt dir das Frühstück ans Bett. Und wo wir schon vom Bett reden, da ist er auch der Beste, wie du sagst. Und er macht das“, Jamal grinste, „was meine Freundin nie im Leben machen würde. Und hast du nicht mal erzählt, dass er bei dir bleibt, obwohl du dauernd fremdgehst? Dann putzt er dir die Wohnung. Er kauft dir diesen teuren Ring. So, wie es sich eben anhörte, zählt er die Stunden, bis du nachhause kommst. Kurz gesagt, er vergöttert dich. Also was um alles in der Welt hast du an ihm auszusetzen? Der Mann ist perfekt!“ „Ja, das ist er“, musste Rick zugeben. „Ich weiß.“ Und während er über die Worte seines Bekannten nachdachte und dabei wieder von seinem Kakao trank, ertönte die Glocke, und Jamal verabschiedete sich eilig. Auf dem Nachhauseweg kam Rick an mehreren Verkaufsständen vorbei, die entlang der Straße aufgebaut waren. An einem wurden Blumen angeboten, und ein Mann und eine Frau, ungefähr in seinem Alter, standen davor. Der Mann bezahlte und drückte seiner Freundin einen Strauß Rosen in die Hand, woraufhin sie ihm glücklich um den Hals fiel und ihn abküsste. Händchen haltend und lachend gingen sie an Rick vorbei, der ihnen erst nachsah und dann seine Augen auf den Blumenstand richtete. „Treten Sie nur näher“, forderte die ältere Frau, der der Stand gehörte, ihn freundlich auf. Etwas unsicher kam Rick der Aufforderung nach. Ob er ihm wirklich einen kaufen sollte? Das hatte er noch nie gemacht. Gut, er hatte seiner Mutter zwei oder dreimal einen Blumenstrauß zum Muttertag geschenkt. Aber Phil? Verstohlen streifte sein Blick den Ring an seinem Finger. Er konnte es immer noch fassen, dass Phil fast 3000 Dollar dafür ausgegeben hatte. Wenn man die Sachen, die er gestern in der Apotheke gekauft hatte, einmal außen vor ließ, waren die Handschellen das letzte Geschenk gewesen, das er Phil gemacht hatte. Und für die hatte er nicht einmal etwas bezahlen müssen. Sein Bekannter vom FBI hatte sie ihm gegeben, nachdem diese dort ausgemustert und durch neue ersetzt worden waren. Wieder sah er auf die Sträuße. Es waren so viele verschiedene Blumen in so vielen verschiedenen Farben. Welchen sollte er da nur nehmen? Und – sollte er überhaupt einen nehmen? Er dachte an Tomoes strahlendes Gesicht, als Kurokawa ihm neulich Blumen mitgebracht hatte. Rote Rosen waren es gewesen. „Für welchen Anlass soll es denn sein?“, fragte die Verkäuferin, die merkte, dass Rick sich mit der Entscheidung schwer tat. „Für Ihren Freund?“ Sie hatte das Paar schon öfter an ihrem Stand vorbeigehen sehen. „Ja“, meinte Rick leise, obwohl die Bezeichnung „Freund“ ja eigentlich nicht mehr stimmte. Zielsicher griff sie in die Blumenmenge und überreichte Rick einen Strauß aus fünfzehn dunkelroten Rosen, die von großen Blättern umgeben waren. Er glich dem, den Tomoe bekommen hatte. Skeptisch drehte Rick den Strauß in seiner Hand. Ob er ihm gefallen würde? Eine Rosenranke war es ja auch, die sich Phil auf den Arm hatte tätowieren lassen. Die nächste Kundin war inzwischen dabei, sich etwas auszusuchen. Endlich gab Rick sich einen Ruck, holte sein Portemonnaie hervor und bezahlte die 19,95 Dollar. „Vielen Dank“, sagte die Verkäuferin und nahm den Strauß noch einmal kurz entgegen. Mit einem scharfen Messer schnitt sie die Stiele unten ein kleines Stück ab, wickelte eine schützende Hülle aus Papier um die Rosen und gab sie Rick zurück. „Da wird sich der junge Mann aber freuen!“ „Bestimmt. Danke“, sagte Rick, verabschiedete sich und ging weiter. Als der Stand außer Sichtweite war, wurde ihm erst richtig bewusst, was er gerade getan hatte. Irgendwie war es ihm jetzt peinlich, dass er Phil diese Blumen gekauft hatte. Bei Tomoe wäre es etwas anderes gewesen. Er überlegte, ob er sie nicht lieber diesem schenken sollte. Aber heute würde er ihn wohl nicht mehr treffen, und morgen wären die Blumen vielleicht nicht mehr so frisch. Na gut, dann bekam Phil sie eben doch. Es war ja auch nur, weil er gerade krank war. Der angenehme Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee erfüllte die Wohnung, als Rick um halb sechs nachhause kam. Auch nach Kuchen roch es leicht, und aus der Stereoanlage erklang ruhige Musik. „Bin wieder da!“ Er legte die verpackten Blumen und die Post, die er zuvor aus dem Briefkasten genommen hatte, auf einer schmalen Kommode neben der Tür ab. Mit der Kaffeekanne in der Hand kam Phil aus der Küche. „Hallo Rick!“ Er stellte sie auf den Wohnzimmertisch, auf dem sich unter anderem schon zwei Teller mit Kuchen, zwei Tassen und eine brennende Kerze befanden. „Hattest du einen harten Tag?“, fragte er und küsste ihn zur Begrüßung auf die Wange. Er nahm Rick die Tasche ab, die mit ein paar Sachen aus seinem Atelier voll gestopft war. Dabei sah er erfreut, dass sein Mann wieder seinen Ehering trug. Erschöpft ließ sich Rick auf die Couch fallen und lehnte den Kopf zurück. „Diese verdammte Vorlesung! Der Professor hat kein Ende gefunden.“ Ihm fiel ein, dass er auf dem Rückweg nicht mehr an den Fliesenreiniger gedacht hatte. Aber der war jetzt unwichtig. „Schöne Grüße von Pierre und Pascal“, sagte er. Das waren die Namen der beiden Maler, mit denen sich Phil das Atelier teilte. Rick war ihnen dort begegnet, als er die Sachen abgeholt hatte. „Danke. Du hast Blumen gekauft?“, fragte Phil und nahm den Strauß von der Kommode. „Wie? Ach so. Ja. Kannst du ins Wasser stellen“, sagte Rick beiläufig. Vorsichtig entfernte Phil das dünne Papier und atmete den süßen Duft der Rosen ein. Inzwischen konnte er wieder ein bisschen riechen. „Sie sind wirklich schön.“ Er lächelte Rick an. „Tomoe freut sich bestimmt sehr darüber.“ „Die sind für dich“, murmelte Rick unterdrückt. „Für mich?“, fragte Phil nach, der das, was er gerade gehört hatte, nicht glauben konnte. „Ja, für dich. Da im Schrank sind Vasen. Nimm dir eine raus.“ Phil suchte eine passende Vase aus, ging damit in die Küche und füllte Wasser hinein. Er kam zurück, stellte die Vase mit den Rosen auf den Tisch und setzte sich neben Rick. „Versteh das nicht falsch! Du bist erkältet, und ich habe dir zur Aufmunterung Blumen mitgebracht“, stellte Rick wenig glaubhaft klar. „Da ist nichts dabei.“ „Natürlich. Ich danke dir“, sagte Phil sanft lächelnd. Er wusste, dass Rick nicht die Wahrheit sagte, ließ sich aber nicht anmerken, dass er ihn durchschaut hatte. „Ich liebe dich.“ Zärtlich legte er die Fingerspitzen an seine Wange und gab ihm einen Kuss. Wie von selbst öffnete Rick seine Lippen und gab ihm damit zu verstehen, dass er mehr als nur einen flüchtigen Kuss von ihm wollte. Seine andere Hand legte er in Ricks Nacken und drang mit der Zunge leicht in ihn ein. Ricks Mund kam ihm ein wenig kühler vor als sonst. Oder war er es, dessen Körper heißer war? „Du hast Fieber“, sagte Rick, den Kuss unterbrechend. „Nur etwas erhöhte Temperatur. Das ist normal zum Abend hin.“ „Gestern Abend hattest du das nicht. Willst du nicht doch besser zu einem Arzt gehen?“ „Nein“, antwortete Phil, den es wirklich rührte, dass Rick sich solche Sorgen um ihn machte. „Ich habe mich heute gut erholt. Mir geht es schon viel besser als gestern. Und du wirst sehen, morgen oder übermorgen bin ich wieder gesund.“ Er schenkte ihnen beiden Kaffee ein und reichte Rick seine Tasse, in die er zuvor Milch und Zucker getan hatte. „Hier. Der wird dir gut tun.“ „Danke“, sagte Rick, pustete zur Abkühlung in die Tasse und nahm ein paar kleine Schlucke. „Ah, genau das, was ich jetzt brauche!“ Der Kaffee war wirklich gut. Nicht zu stark, nicht zu schwach. Die Zuckermenge stimmte aufs Gramm, und auch die zugefügte Milch war richtig abgemessen. „Sehr gut.“ In einer Schale neben der Kerze glühte schon die ganze Zeit ein kleines Stück Kohle vor sich hin. Phil gab nun zwei Körnchen aus einem Glas mit der Aufschrift „Weihrauch – Liebeszauber-Mischung“ hinzu und legte einen Deckel mit mehreren Löchern auf die Schale. Sogleich stiegen dünne Rauchfäden dadurch auf und gaben den wohligen Geruch des Harzes frei. Mit seiner Kaffeetasse in der Hand lehnte er sich an Ricks Seite, und der strich ihm, den Blick gedankenverloren auf den Rauch gerichtet, durch die Haare. Eine Weile saßen die beiden einfach nur da und hörten der entspannenden Musik zu. Rick bemerkte, dass Phil in der letzten Zeit öfter gelächelt hatte als sonst. Für gewöhnlich hatte er sein Pokerface aufgesetzt, sodass man nicht erkennen konnte, was er wirklich fühlte. Er kannte Phil nun schon fast drei Jahre, aber er wusste immer noch nicht genau, ob dieser sich absichtlich verschloss oder ob es einfach ein Teil seiner Persönlichkeit war. Verglich man ihn mit Tomoe, so hätten die Unterschiede nicht extremer ausfallen können. Tomoe wurde, wenn ihn etwas in Aufregung versetzte, entweder tief rot oder furchtbar nervös, er fing an zu heulen oder freute sich wie ein kleines Kind. Bei Phil hingegen war das strahlende Lächeln, das er seit ihrer Hochzeit des Öfteren gezeigt hatte, das Höchstmaß an Euphorie, das bei ihm möglich war. „Wirklich sehr gut“, meinte Rick noch einmal, als er den Kaffee ausgetrunken hatte. Dann fing er an, den Kuchen zu essen. „Woher hast du den? Ich hatte doch keinen hier, oder?“ „Tomoe hat ihn mitgebracht.“ Ricks Miene hellte sich auf. „Tomoe war hier?“ „Ja. Er hat die DVD zurückgebracht, die du ihm am Valentinstag geliehen hattest.“ Er zeigte auf die Ablage neben dem Fernseher, auf der die DVD lag. „Ich soll dir schöne Grüße von ihm bestellen.“ „Mein Tomoe war hier, und ich war nicht da“, seufzte Rick. „Zu dumm!“ „Er sagte noch, dass er gestern Abend deinen Videorecorder repariert hat.“ „Hat er ihn wieder hingekriegt?“ „Fast. Irgendwas stimmt mit den Tonköpfen nicht. Da muss noch mal ran. Aber er meinte, er bekommt den Rest auch hin.“ „Super!“, freute sich Rick. „Tomoe ist wirklich ein Genie!“ „Ich hätte ihn dir auch reparieren können. Warum hast du mich nicht gefragt?“ „Weil du krank bist.“ Phil schmiegte sich noch näher an ihn. „Du bist so lieb…“ „Wollte Tomoe sonst noch was?“, fragte Rick und ignorierte die Worte, die Phil gesagt hatte. „Er hat ein paar Reiseprospekte für uns hier gelassen. Mitsugu und er überlegen noch, wo sie ihre Hochzeitsreise verbringen wollen. Und wir beide wissen ja auch noch nicht, wo wir…“ „Zeig mal her“, unterbrach Rick ihn, nahm den Stapel Prospekte vom Tisch und sah ihn durch. „Hawaii… Dominikanische Republik… Sri Lanka… Paris… Kreuzfahrt… Schloss Neuschwanstein, ha, typisch Japaner!“ „Kanako hat mir geschrieben“, sagte Phil, der zwei Stunden zuvor seine E-Mails über Ricks Computer abgerufen hatte. „Ich habe dir die Mail ausgedruckt.“ Er deutete auf ein Blatt, das ebenfalls auf dem Tisch lag. „Wahrscheinlich hat sie nur wieder was von ihrem Pferd geschrieben“, meinte Rick gelangweilt. „Sie hat auch ein neues Foto mitgeschickt. Tetsuhiro ist mit drauf. Ich dachte, du würdest dich darüber freuen.“ Rick packte die Prospekte zurück und schnappte sich das Blatt. Das Foto war im Stall aufgenommen worden. Es zeigte Kanako auf ihrem Rappen, der viel zu groß für das zierliche Mädchen zu sein schien. Davor stand Tetsuhiro und neben ihm, mit einer dicken qualmenden Zigarre im Mundwinkel, Soichi. „Wieso stehen eigentlich alle kleinen Mädchen auf Pferde? Ich begreife das nicht. Meine Cousine Rebecca ist genauso drauf. Hey, vielleicht sollte ich sie und Kanako mal miteinander bekannt machen. Dann können sich die Kleinen den ganzen Tag Pferde-E-Mails schreiben“, sagte er in einem Ton, als würde er über Sechsjährige sprechen und nicht über zwei fünfzehnjährige Mädchen. „Leite die Mail doch einfach an Becci weiter.“ „Gerne. Weißt du, Pferde sind wundervolle Tiere“, sagte Phil schwärmerisch. „Ich habe früher oft stundenlange Ausritte unternommen. Das wäre bestimmt auch etwas für dich. Wollen wir beide nicht einmal zu meinen Eltern auf die Ranch fahren? Du warst noch nie dort.“ „Ich soll zu dir nachhause?“ „Nein. Mein Zuhause“, Phils ohnehin schon sanft blickende Augen nahmen einen noch sanfteren Ausdruck an, „ist hier bei dir.“ Rick bemühte sich, nicht zu lange in die verliebten tiefblauen Augen seines Mannes zu sehen und murmelte nur: „Danke fürs Ausdrucken.“ „Ist das nicht ein bildschöner Hengst?“, fragte Phil, auf das Foto sehend. „Ja…“ Ricks Blick verweilte kurz auf Tetsuhiros Gesicht. „Ein toller Hengst.“ Er legte das Blatt wieder auf den Tisch, erhob sich und ging zur Kommode neben der Tür. „Wo wir gerade von Fotos sprechen…“ Rick nahm ein großes Schwarzweiß-Bild aus der Kommode. „Hier, das wollte ich dir noch zeigen. Ich habe es vor ein paar Tagen wieder gefunden, als ich nach etwas gesucht habe.“ Er gab Phil das Foto. Es zeigte eine junge Frau, eher noch ein Mädchen, mit langer platinblonder Dauerwelle. Ihre Haut wirkte weiß wie die einer Porzellanpuppe, was durch die fehlenden Farben auf der Fotografie noch verstärkt wurde. Neben ihr stand ein hoch gewachsener dunkelhäutiger Mann. Er trug das Kostüm eines altägyptischen Pharaos und war ein paar Jahre älter als sie. Im Hintergrund war ein Teil eines Zirkuszelts zu sehen. „Deine Großeltern“, sagte Phil. „Ja. Das ist das einzige Foto, das ich von meinem Großvater habe. Grandma war damals gerade sechzehn geworden.“ „Er sieht dir sehr ähnlich“, sagte Phil. „Die gleichen schönen Augen, die langen Wimpern, sein Lächeln.“ Er hatte ihn bisher nur aus Erzählungen von Ricks Großmutter gekannt. Sie hatte sich in den schönen Artisten verliebt, doch dieser war wenige Tage, nachdem das Foto entstanden sein musste, mit seinem Zirkus weiter gezogen. Ihn hatte sie nie wieder gesehen. Wahrscheinlich hatte er keine Ahnung davon gehabt, dass sie von ihm schwanger gewesen war. Und neun Monate später war dann Ricks Mutter geboren worden. Rick legte das Foto zurück in die Kommode und widmete sich der Post. „Werbung“, meinte er und warf den ersten Brief beiseite. „Rechnung…“ Er hielt inne und starrte auf die beiden anderen Briefe, die nicht an ihn, sondern an Phil adressiert waren. „Wieso kommt deine Post bei mir an?“ „Ich habe mich umgemeldet“, antwortete Phil, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. „Wieso?!“ „Als ich letzte Woche aus meiner alten Wohnung ausgezogen bin, musste ich einen neuen Wohnsitz angeben, sonst hätte ich als obdachlos gegolten. Und da ich ja bei dir eingezogen war, habe ich diese Adresse hier angegeben.“ „Heißt das, wir wohnen jetzt offiziell zusammen?“ „Ja. Ich sagte doch gerade, mein Zuhause ist hier.“ „Warum hast du mir nichts davon erzählt?! Oder mich wenigstens gefragt, ob es mir recht ist? Das ist schließlich meine Wohnung!“, regte sich Rick auf. „Du hast doch gesagt, du willst, dass ich meine Entscheidungen alleine treffe und dich nicht bei allem frage.“ „Ja, ja! Wenn es um Kleinigkeiten geht. Aber doch nicht bei solchen wichtigen Sachen! Und außerdem will ich nicht mit dir zusammenleben!“ „Überleg doch bitte. Es bringt viele steuerliche Vorteile, wenn wir als verheiratetes Paar zusammenleben“, sagte Phil. „Mich interessieren im Moment keine steuerlichen Vor- oder Nachteile! Die Wohnung ist auch viel zu klein für uns beide.“ „Wäre eine größere Wohnung denn okay? Ich zahle natürlich die Hälfte der Miete, jetzt, wo wir zusammenwohnen.“ „Wie wär’s mit der ganzen?“, gab Rick zurück. Phil nickte. „Wenn du das möchtest?“ „Im Ernst?“, fragte Rick, obwohl es ihn eigentlich nicht überraschte, dass er darauf eingegangen war. „Ja“, bestätigte Phil. Ohne das Thema weiter zu vertiefen, warf Rick die beiden Briefe auf das Sofa. „Deine Post.“ Phil las kurz die Absender, legte dann den dünnen Brief auf den Tisch und riss den dicken Umschlag auf. „Ah, der neue Katalog“, meinte er und fing an, darin zu blättern. Rick warf einen Blick auf das Titelblatt, auf dem ein dickes „Nur für Erwachsene!“ prangte und sah mit in den Katalog. „Das muss ich Tomoe mal zeigen. Der arme Kleine kriegt glatt einen Schock fürs Leben! Ich wette, er weiß nicht mal, dass es so etwas überhaupt gibt. Du hättest mal hören sollen, wie sein Bruder losgekreischt hat, als er gesehen hat, was wir im Hotel so alles in unserer Schublade hatten.“ „Das hast du Soichi gezeigt?“, fragte Phil ohne aufzusehen. „Klar. Tetsuhiro auch. Übrigens hat er mir geschrieben, dass er unsere Geschenke schon an Soichi ausprobiert hat.“ Rick grinste schadenfroh. „Und Soichi hat es gefallen. Auch, wenn er es am nächsten Tag abgestritten hat.“ „So?“ Noch immer sah Phil nicht auf. „Dir hat es ja nicht gefallen.“ „Ich sagte doch gestern schon, dass ich nicht in der Stimmung war! Ich… ich mache uns mal was zu essen“, lenkte er ab. „Hab ich schon gemacht. Steht auf dem Herd. Gemüsepfanne mit Reis. Es muss nur noch einmal aufgewärmt werden.“ Wortlos verschwand Rick in der Küche. Ein paar Minuten verstrichen, und dann klingelte es an der Tür. Da in der Küche die Dunstabzugshaube lief, hatte Rick nichts davon mitbekommen. Auf seinen dicken Socken ging Phil zur Tür und öffnete. „Hi!“, sagte der Mann, der davor stand. Er war Anfang zwanzig und von oben bis unten schwarz gekleidet. Dadurch hob sich der leuchtend rot gefärbte Irokesen-Haarschnitt, den er mit Haarspray in die richtige Form gebracht hatte, besonders ab. Der Rest des Kopfes war kahl rasiert. Er war noch ein Stück blasser als Phil, und in seinem Gesicht und den Ohren befanden sich weit über zehn Piercings. „Ich bin Steven. Du musst Phil sein.“ „Ja, bin ich. Hallo.“ Bei seinem Anblick musste Phil an einen der schwarzen Hähne denken, die auf der elterlichen Ranch lebten. „Ist Rick da?“ Phil nickte. „Rick? Du hast Besuch!“, rief er in Richtung Küche, woraufhin Rick herangeeilt kam. „Hey, Steve! Sorry, ich hab dich nicht gehört. Ich war in der Küche.“ „Hi Rick!“ Steven legte einen Arm um Ricks Taille und drückte ihm einen mehr als nur freundschaftlichen Kuss auf den Mund. „Kein Problem. Dein Bruder hat mir schon aufgemacht.“ „Mein Bruder?“, wunderte sich Rick. „Ihr seht euch gar nicht ähnlich. Seid ihr Halbgeschwister?“ „Ich bin nicht Ricks Bruder“, sagte Phil und hielt seine Hand hoch, sodass Steven den Ring sehen konnte. „Ich bin sein Ehemann.“ „Oh…“ Peinlich berührt lief Steven rot an und suchte nach den richtigen Worten. „Tja… ich war zufällig in der Gegend und wollte nur fragen, wie es Rick so geht…“ „Bemühe dich nicht, eine Ausrede zu finden. Phil weiß, dass ich nichts von Treue halte.“ Erleichtert atmete Steven auf. „Okay. Ich wusste gar nicht, dass du geheiratet hast.“ „Jetzt weißt du es ja. Wie kommst du darauf, dass Phil mein Bruder ist?“ Steven zeigte auf das Namensschild unter der Türklingel. „Weil hier ‚Richard Coldman und Phil Coldman’ steht.“ „Was?“ Rick trat auf den Flur hinaus und nahm das Schild in Augenschein. Dann warf er Phil einen bösen Blick zu. „Wann hast du das gemacht?“ „Heute Vormittag, als du weg warst. Ich dachte, wenn ich hier wohne, kann auch mein Name an der Tür stehen.“ „Wieso steht Ricks ganzer Name da und deiner nur abgekürzt?“, fragte Steven, bevor die beiden anfangen konnten zu streiten. „Müsste da nicht ‚Phillip Coldman’ stehen?“ „Das ist keine Abkürzung. Ich heiße Phil.“ „Also, das habe ich ja noch nie gehört, dass jemand…“ „So, genug diskutiert. Komm rein“, schnitt Rick Steven genervt das Wort ab und schloss die Tür hinter ihm. Dieser sah sich im Wohnzimmer um. „Mensch, bei euch sieht es ja wirklich aus wie bei einem richtigen Ehepaar! Kerze auf dem Tisch, Rosen, Kaffee und Kuchen…“ „Wir sind ein richtiges Ehepaar“, sagte Phil. „Das war nicht abwertend gemeint“, verteidigte sich Steven schnell. „Ich hätte es nur nie für möglich gehalten, dass Rick jemals heiratet.“ „Glaub mir“, sagte Rick, „ich auch nicht.“ Wieder legte Steven einen Arm um ihn. „Du hattest unser Date wohl vergessen, was?“ „Ja, total. Ich hatte so viel um die Ohren, und dann ist da auch noch Phils Erkältung. Ich hab echt nicht mehr dran gedacht.“ „Wollen wir lieber zu mir gehen? Haben wir ja sonst auch immer so gemacht.“ „Nein, lass mal“, meinte Rick. „Wir bleiben hier.“ „Möchtest du ein Stück Kuchen?“, bot Phil höflich an. „Oder einen Kaffee mittrinken?“ „Kaffee? Klar, warum nicht. Hätte zwar lieber ’n Bier, aber was soll’s…“ Steven schlenderte zum Sofa. Mit einem Seitenblick auf den Katalog fragte er: „Steht ihr etwa auf dieses Zeug?“ Dann meinte er zu Rick: „Davon hast du mir noch nie etwas erzählt.“ Phil sah zu Boden. Das alles klang ja ganz so, als ob die beiden sich schon länger kennen würden. „Ich hole dir eine Tasse“, sagte er leise, ging in die Küche und lehnte die Tür hinter sich an. „Na, der hat ja die Ruhe weg“, merkte Steven an, sodass Phil ihn gerade noch hörte. Kaum war er alleine mit Rick, raunte er diesem zu: „Du bist so verdammt heiß! Unser letztes Mal ist wie lange her? Einen Monat?“ „Kommt wohl hin…“ Gierig schob er eine Hand unter Ricks Hemd und fing an, ihn am Hals zu küssen. „Ich halt’s keine Minute länger aus. Los, wo ist dein Schlafzimmer? Da?“ Er sah zu einer der Türen hin. „Ja, aber wolltest du nicht erst einen Kaffee…“ „Den kann ich auch hinterher trinken. Oder wollen wir auf deinen Mann warten und es zu dritt machen? Wäre mir auch recht.“ „Phil schläft nur mit mir“, lehnte Rick ab. Er hörte, wie in der Küche die Dunstabzugshaube abgestellt wurde. „Gut, dann nur wir beide. Los, komm endlich!“ Steven nahm Ricks Hand und drängte ihn ins Schlafzimmer. Da Rick nicht hundertprozentig überzeugt zu sein schien und etwas widerwillig mitging, flüsterte er ihm noch zu: „Keine Sorge, ich bring dich schon in Fahrt!“ Phil kam gerade noch rechtzeitig aus der Küche, um zu sehen, wie die Tür hinter den beiden zufiel. Der dabei entstandene Luftzug war so stark, dass er die Flamme der Kerze ausblies. Mit der Kaffeetasse in der Hand blieb er einen Moment stehen, um das Gesehene zu verarbeiten. Vor ein paar Minuten hatten Rick und er noch gemütlich auf dem Sofa gesessen. Jetzt war er mit diesem Steven verschwunden, und es war klar, was die beiden vorhatten. Nein, er würde nicht einschreiten und die beiden stören. Oder eifersüchtig werden. Er hatte es Rick vor ihrer Hochzeit versprochen, und er würde sich daran halten. Richtig eifersüchtig war er zwar nie gewesen, aber er hatte Rick oft Vorwürfe wegen seiner zahlreichen Affären gemacht. Langsam ging er zum Tisch und stellte die Tasse ab. Der andere Brief lag noch immer dort. Im Zimmer nebenan war das Geräusch des Lattenrosts zu hören, das unter dem Gewicht der beiden Männer knarrend nachgab. Mit dem Brieföffner, der auf der Kommode lag, schnitt er den Umschlag auf, faltete den Brief auseinander und überflog ihn. Aus dem Schlafzimmer vernahm er, wie Rick schmerzhaft aufstöhnte, ja, fast schon schrie und Steven daraufhin etwas Entschuldigendes sagte. Seufzend faltete er den Brief wieder zusammen und steckte ihn zurück in Umschlag. Noch einmal hörte er Ricks Stimme, diesmal weniger schmerzhaft, aber immer noch alles andere als entspannt. Phil löschte das Kohlestück im Räuchergefäß, stellte die Stereoanlage aus und ging zur Garderobe, um sich Schuhe und Jacke anzuziehen. Er schlang sich seinen Schal um den Hals, steckte den Brief ein und verließ das Apartment. Die Zähne zusammengebissen bemühte sich Rick, nicht noch einmal aufzuschreien. Vorne übergebeugt kniete er auf der Matratze, stützte sich auf den Ellenbogen ab und starrte auf das Kopfende des Bettes vor sich. Die Kette mit dem „Tomoe“-Anhänger baumelte von seinem Hals, und die kleinen Brillanten des Eherings funkelten schwach. Es war das erste Mal seit der Hochzeit, dass er sich von jemand anderem als Phil berühren ließ. ‚Warum tue ich das hier eigentlich?’, fragte er sich innerlich, denn es war nicht so wie bei seinen früheren Treffen mit Steven. Er hatte kein bisschen Lust, und es tat einfach nur weh. Als Phil nach ihrer Hochzeit erstmals wirklich aus sich herausgegangen war, hatte es zuerst auch wehgetan, und die anderen gemeinsamen Nächte danach waren anfangs auch etwas schmerzhaft gewesen. Doch inzwischen wusste Phil genau, welches Tempo Rick wollte. Stevens große Hände hielten ihn fest an den Hüften gepackt und verkrampften sich, als dieser nun zum zweiten Mal einen befriedigten Schrei ausstieß, während es bei ihm selbst noch nicht ein einziges Mal soweit war. „Was ist denn heute los mit dir?“, fragte Steven außer Atem und legte sich neben Rick. „Ist es, weil dein Kerl nebenan ist?“ Ohne etwas zu sagen, schüttelte Rick den Kopf und ließ sich langsam auf den Bauch sinken. „Oder hab ich dir wehgetan?“ „Ach, merkst du das jetzt auch schon?!“, fuhr Rick ihn an. „Hey, ich hab’s genauso gemacht wie immer!“, rechtfertigte sich Steven. „Gib nicht mir die Schuld, wenn dir jetzt was wehtut!“ Etwas angesäuert stand er vom Bett auf und ging zurück ins Wohnzimmer. „Sieht so aus, als hätten wir deinen Mann nun doch vergrault“, stellte er fest und schloss sich seine Hose. Er hatte sich vorher nicht die Mühe gemacht, sich ganz auszuziehen. „Wieso?“ „Er ist nicht mehr da.“ Sich ebenfalls den Reißverschluss hochziehend, kam Rick hinzu. „Dieser Idiot“, brummte er und blickte zur Garderobe. Die Jacke und der Schal waren weg, die Schuhe auch. Der Atelier-Schlüssel war noch da. Aber das musste nichts heißen. Um diese Zeit waren Pierre und Pascal für gewöhnlich noch dort und würden Phil sicher reinlassen. „Und ich habe ihm extra noch gesagt, dass er nicht rausgehen soll, so erkältet, wie er ist! Und Fieber hatte er vorhin auch.“ „Also, verübeln kann ich’s ihm nicht“, meinte Steven und setzte sich breitbeinig aufs Sofa. „Hast du keine Milch da?“, fragte er, während er sich Kaffee eingoss und gleichzeitig ein großes Stück Kuchen in den Mund schob. „Im Kühlschrank.“ Steven nahm die halb gefüllte Tasse mit in die Küche, wo er sich den Kaffee mit der gleichen Menge Milch verdünnte. „Vielleicht ist er zum Atelier gegangen, hat sein Motorrad geholt und ist zu Tomoe gefahren“, überlegte Rick und zog sich sein Hemd über. „Ruf ihn doch auf dem Handy an.“ „Er hat keins.“ Steven lachte auf. „Jeder hat ein Handy.“ „Phil nicht!“ „Ziemlicher Hinterwäldler, was?“ Er nahm den letzten Schluck, stellte die leere Tasse auf den Küchentisch und kam zu Rick zurück. „Na ja, wenigstens war der Kaffee gut. Wollen wir noch zu mir gehen? Oder wie wär’s, wenn wir in ein paar Clubs…“ „Hau einfach ab, okay?“ „Was?“, fragte Steven, erschrocken über Ricks harten Ton. „Du sollst abhauen!“, wiederholte Rick entschieden. „Verzieh dich, und komm nicht wieder! Da ist die Tür!“ „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ „Und ob. Verschwinde!“ Rick öffnete die Wohnungstür. „Machst du jetzt plötzlich einen auf feste Beziehung oder was? Das nimmt dir sowieso keiner ab! Alle wissen, dass Rick Coldman mit jedem ins Bett springt, der nicht bei drei auf den Bäumen ist!“ „Und? Was geht dich das an? Das ist allein meine Sache!“ Steven schüttelte leicht den Kopf, noch immer in der Hoffnung, dass das alles nur eine Laune von Rick war, die wieder vorübergehen würde. „Soll das heißen, das war’s?“ Mit einem Kopfnicken deutete Rick erneut zur Tür. „Weißt du was? Du kannst mich mal!“, fauchte Steven ihm beim Hinausgehen zu. „Auf so einen zickigen Typen kann ich gut verzichten!“ „Und ich erst recht!“, antwortete Rick und knallte die Tür zu. Die Wohnung kam ihm schrecklich leer vor, jetzt, wo auch noch Steven weg war. Am besten, so überlegte er, wäre es sicher, wenn nach unten ginge und nachsah, ob er Phil irgendwo fand. Aber er hatte immer noch leichte Schmerzen, und in diesem Zustand würde er es nicht weit bringen. Langsam legte er sich auf das Sofa. Und dann wurde es ihm bewusst. Er machte sich tatsächlich Gedanken darüber, wohin Phil verschwunden war! Noch vor einem Monat wäre er froh gewesen, Phil mal für eine Weile los zu sein. Jetzt war es endlich soweit, aber er fühlte sich überhaupt nicht gut dabei. Dazu kam, dass er wegen Steven ein schlechtes Gewissen hatte. Nein, so unfreundlich hätte er wirklich nicht zu ihm sein müssen. Es war sonst auch gar nicht seine Art, sich so zu benehmen. Schließlich hieß er nicht Soichi, bei dem ein solches Verhalten an der Tagesordnung war. Eilig vertrieb er jeden Gedanken an Steven aus seinem Kopf. Er wollte gerade nach dem Telefonhörer greifen, um Pierre anzurufen, für den Fall, das Phil dort auftauchte, als er den Schlüssel in der Tür hörte. Mit beneidenswerter Gelassenheit kam Phil herein, stieg aus seinen Schuhen, hängte die Jacke an einen Garderobenhaken und legte den Schal darüber. „Wo warst du?“ So gut es ging, versuchte Rick, ruhig zu klingen. In diesem Augenblick kam es ihm geradezu lächerlich vor, dass er einen Moment lang geglaubt hatte, Phil sei auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Ausgerechnet Phil, der natürlich nie freiwillig von seiner Seite gewichen wäre. „Ich war kurz spazieren. Ich musste über etwas nachdenken. Hier.“ Er griff in die Jackentasche und holte zwei Zettel heraus. „Als ich am Zeitungsstand vorbeigekommen bin, habe ich uns Lotterielose für die Ziehung heute Abend gekauft. Eins für dich und eins für mich.“ „Lose?!“ Nun war Rick vollends aus dem Konzept gebracht. „Steven kam mir auf der Straße entgegen“, sagte Phil und setzte sich zu ihm. „Er sah ziemlich wütend aus. Hattet ihr Streit?“ „Kann man so sagen.“ „Und? Wie war er?“, kam Phil ohne Umschweife zur Sache. „Hatte ihn besser in Erinnerung.“ Rick legte sich etwas bequemer hin. „Au…“ „Hat er dir wehgetan?“ „Was ist das für eine Frage? Du hast doch gehört, dass ich geschrieen habe, oder?“ „Ja.“ Mit fiebrig glänzenden Augen sah Phil ihn an. „Dann hat es dir also nicht gefallen?“ „Natürlich nicht! Ich bin nicht so ein Masochist wie du.“ Rick wandte den Blick ab. Einerseits rechnete er es Phil hoch an, dass er sie vorhin nicht gestört hatte. Andererseits konnte er nicht verstehen, wieso Phil nach seinem Schrei nichts unternommen hatte. Wenigstens an die Tür klopfen und kurz fragen, ob alles in Ordnung sei, hätte er doch können. Aber nein, Phil war einfach weggegangen. War es nicht damals in Japan so ähnlich gewesen? An einem sonnigen Tag hatte er mit Tomoe im Park gesessen, beobachtet von Phil, Kurokawa und Isogai. Und als er Tomoe dann geküsst hatte, war Kurokawa nicht davor zurückgeschreckt, mit einem gewaltigen Fußtritt auf ihn loszugehen. Auch da hatte Phil nicht eingegriffen. Gut, zu dem Zeitpunkt waren sie kein Paar gewesen. Aber jetzt waren sie eines. Konnte man nicht von seinem Partner erwarten, dass er einem in so einer Situation half? Wie es aussah, nicht. Tröstend griff Phil nach seiner Hand. „Dein Herz rast ja…“, sagte er, als er den beschleunigten Puls spürte. „Nur, weil ich mich über Steve geärgert habe.“ „Warum hast du ihm nicht einfach gesagt, dass er aufhören soll? Mir sagst du es ja auch, wenn es dir zuviel wird.“ Rick antwortete ihm nicht. Er war Phil knappe drei Wochen vollkommen treu gewesen. Eine kurze Zeit, sollte man denken. Für Ricks Verhältnisse jedoch kam es einem rekordverdächtig langen Zeitraum gleich. Und als er gestern auf dem Weg zur Universität Steven begegnet war, hatte er die Gelegenheit wahrgenommen und sich mit ihm für heute verabredet. Aber jetzt fragte er sich, warum er das eigentlich getan hatte. Schließlich bekam er von Phil alles, was er wollte. Kein anderer Mann konnte da mit ihm mithalten. Vermutlich – das musste sich Rick eingestehen – nicht einmal Tomoe. Hatte er womöglich nur aus Gewohnheit mit Steven geschlafen? Weil er sich eingeredet hatte, dass er neben Phil noch andere Männer brauchte? Er hatte vorhin ja genau gespürt, dass er eigentlich gar kein Verlangen nach Steven gehabt hatte. Und trotzdem hatte er ihn nicht gebeten, aufzuhören. Etwa, weil er sich damit eingestanden hätte, dass ihm Phil als Partner ausreichte? Nein, das konnte doch nicht sein… Rick fühlte, wie sein Herzschlag noch schneller wurde. Das alles konnte nur an Steven liegen. Es musste so sein! Sobald Phil wieder gesund war, würde er es mit anderen Männern probieren, nahm Rick sich vor. Dann würde er ja sehen, dass alles so war wie immer. „Seid ihr zusammen?“, fragte Phil nach einer Weile. „Nein. Wir haben uns Anfang Dezember im ‚Challengers’ kennen gelernt und uns seitdem ein paar Mal getroffen.“ Phil erinnerte sich, wie er Rick im letzten Jahr spontan eingeladen hatte, mit ihm einen Kurzurlaub für ein paar Tage oder eine Woche zu verbringen. Das war um den 20. Dezember herum gewesen. Doch ohne einen Grund zu nennen, hatte Rick abgelehnt. Das war Phil schon damals seltsam vorgekommen. Schließlich hatte Rick ihn wenige Tage zuvor regelrecht bekniet, ihn zu einer Feier mit seiner Familie zu begleiten, was Phil natürlich liebend gern getan hatte. Rick hatte nämlich eine sehr aufdringliche Tante, die ihn stets mit irgendwelchen Frauen verkuppeln wollte, wenn sie ihn bei Familienfesten alleine antraf und in ihre Finger bekam. Sie weigerte sich einzusehen, dass ihr Neffe kein Interesse an Frauen hatte. Indem er aber jedes Mal Phil mitbrachte und als seinen über alles geliebten Freund präsentierte, direkt vor ihren Augen mit ihm flirtete und Händchen hielt, blieb er von ihren Kuppelversuchen halbwegs verschont. Phil wusste natürlich, dass Rick den Verliebten nur spielte. Und eigentlich war es ja seine eigene Idee gewesen, Ricks Tante auf diese Weise auf Abstand zu halten. Auf Phils Wunsch hin hatten sie dieses Theater einige Monate zuvor das erste Mal ausprobiert, und da es so gut geklappt hatte, war es schnell zur Gewohnheit geworden. Es war nicht so, dass Phil deswegen eine Art Gegenleistung von ihm verlangt hätte. Aber die Stimmung zwischen ihnen beiden war auf diesem Fest so harmonisch gewesen, dass Phil gerne ein paar weitere Tage nur mit ihm allein verbracht hätte. Nach der Absage war Rick dann ganz plötzlich ohne Phil verreist. Doch Phil hatte seine Urlaubspläne trotzdem umgesetzt. Er hatte kurzerhand einen Last Minute Flug nach Crescent City im Norden Kaliforniens gebucht und war von dort aus weiter zu seinen Eltern gefahren, wo er bis Januar geblieben war. „Ende Dezember, warst du da bei ihm?“, sprach er endlich seine Vermutung aus. Langsam zog Rick seine Hand zurück. Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, dass Phil sie die ganze Zeit gehalten hatte. „Ja. Ich bin mit ihm übers Wochenende weggefahren.“ Und mit hörbar schlechtem Gewissen fügte er hinzu: „Aber er hatte mich vor dir gefragt!“ „Liebst du ihn?“ „Nein.“ Er tastete nach der Herzkette an seinem Hals. „Ich liebe Tomoe.“ Dann sah er zum Wohnzimmertisch, auf dem nach wie vor das Foto lag, das Kanako geschickt hatte. „Und ich mag Tetsuhiro.“ Er ließ die Kette los und berührte flüchtig seinen Ehering. Ja, früher… Da hatte er auch Phil geliebt. Oder war wenigstens in ihn verliebt gewesen. Er hatte es ihm gesagt, öfter sogar. Aber die Liebe war so schnell verflogen, wie sie gekommen war, und er hatte sich von Phil getrennt. Erst, als dieser ihm nach Japan gefolgt war, waren sie sich wieder näher gekommen. Es war an dem Tag gewesen, den er mit Tomoe im Park verbracht hatte. Nach der Attacke von Kurokawa war er mit Phil in seine Wohnung zurückgekehrt und hatte sich noch ein bisschen mit ihm gestritten. Am Abend war es Phil dann irgendwie gelungen, mit ihm im Bett zu landen. Für Rick war das eine einmalige Sache gewesen, ein unbedeutender Zeitvertreib. Ein kleiner Trost, der ihn für einen Augenblick lang die herbe Niederlage im Kampf um Tomoe hatte vergessen lassen. Doch Phil hatte danach geglaubt, dass es von da an wieder so zwischen ihnen werden würde wie früher. Natürlich hatte er ihn nicht in dem Glauben gelassen und ihm klargemacht, dass er keine Beziehung mit ihm wollte. Dass er unehrlich zu ihm gewesen wäre, konnte Rick sich wirklich nicht vorwerfen. Er hatte ihm keine falschen Hoffnungen gemacht. Trotzdem war Phil erst Monate später zusammen mit ihm nach Amerika zurückgeflogen. Und bis dahin war es, entgegen Ricks Vorsätzen, nicht bei dem einen Mal geblieben. Zuhause angekommen, hatten sich ihre Wege zunächst wieder getrennt, aber auch das war nur von kurzer Dauer gewesen. Phil hatte ständig seine Nähe gesucht, und so war irgendwann doch wieder eine Art Beziehung entstanden. Phil atmete tief durch. Er hatte natürlich gesehen, wie Ricks Finger den Ring gestreift hatten. Nun wartete er darauf, dass er weiter sprach. Doch das passierte nicht. „Hast du Hunger?“, fragte er schließlich. Geistesabwesend nickte Rick. „Du kannst ruhig liegen bleiben. Ich hole uns das Essen her“, sagte Phil und stand auf, um in die Küche zu gehen. „Ich habe mit Steve Schluss gemacht.“ Phil blieb stehen. Er drehte sich um und sah Rick an. „Es war sowieso nichts Ernstes zwischen mir und ihm“, sagte Rick. „Ich brauche ihn nicht mehr.“ „Okay.“ Mit diesem einen nüchternen Wort war für Phil die Sache erledigt, und er holte das Essen. Nachdem sie im Wohnzimmer zu Abend gegessen hatten, stellte Rick den Fernseher und die Spielkonsole an. Er musste zwar noch jede Menge für sein Studium lernen, aber jetzt wollte er sich erst einmal etwas ablenken. Verwundert sah auf den Bildschirm. „Hey! Du hast meinen Highscore geknackt! Und Tomoe auch.“ „Als er vorhin hier war, haben wir ein paar Runden gezockt.“ „Ja, das sehe ich.“ An erster bis fünfter Stelle war der Name „Phil“ eingetragen, mit einigem Abstand auf Platz sechs und sieben „Tomoe“ und auf acht und neun wieder „Phil“. Sein eigener Name stand weit abgeschlagen auf der Zehn. „Du bist besser als Tomoe.“ Auf Phils Gesicht erschien wieder das Lächeln, das er in den letzten Wochen so oft gezeigt hatte. Dass Rick jemals so etwas zu ihm sagen würde… „Wie habt ihr das gemacht? Habt ihr geschummelt?“ „Nein, das war ganz einfach.“ Rick drückte Phil, der wieder neben ihm auf dem Sofa saß, den Controller in die Hand. „Das will ich sehen.“ Ruhig und konzentriert spielte sich Phil durch die Level. Es schien ihn auch nicht zu stören, dass Rick den Kopf in seinen Schoß gelegt hatte und dem Spielverlauf zusah. Dadurch konnte er den Controller zwar nicht besonders gut halten, aber Ricks Nähe machte das wieder wett. Die Punkteanzeige stieg und stieg, und als am Ende „Game over“ eingeblendet wurde, hatte er seinen eigenen Highscore überboten. Er wollte gerade „Phil“ eingeben, als Rick ihm den Controller wegnahm und stattdessen seinen eigenen Namen eintrug. „Platz 1: Rick“, sagte dieser zufrieden, speicherte das Spiel ab und stellte die Konsole, die vor ihm auf dem Tisch stand, aus. Jetzt hatte er keine Lust mehr zu spielen. „Als du vorhin wiedergekommen bist, hast du gesagt, dass du draußen über etwas nachdenken musstest. Worüber?“ „Über das hier.“ Phil zeigte auf den dünnen Briefumschlag, den er zusammen mit den Losen auf den Tisch gelegt hatte. „Sie haben mir eine Stelle im Amerikanischen Institut für experimentelle Molekularphysik angeboten.“ Damit konnte Rick nicht wirklich etwas anfangen, verzichtete aber darauf, es Phil noch einmal wiederholen zu lassen. „Und wo ist dieses Institut?“ „In Miami.“ „Aha.“ „Ich werde ablehnen.“ „Wieso?“ „Weil ich nicht von dir verlangen kann, dass du mitkommst. Du müsstest dann von Tomoe weg. Das kann ich dir nicht zumuten. Ich weiß ja, wie sehr du ihn liebst.“ „Und wenn du alleine gehst?“, schlug Rick vor, obwohl er genau wusste, wie die Antwort ausfallen würde. „Die zahlen dir bestimmt ein gutes Gehalt.“ „Ohne dich gehe ich nicht.“ Liebevoll streichelte Phil ihm über die Haare. „Außer, du willst, dass ich gehe.“ „Nein…“, sagte Rick leise. „Davon abgesehen, möchte ich dort nicht arbeiten. Mir genügt es, wenn ich weiterhin als Künstler mein Geld verdienen kann. In den letzten Jahren habe ich gut davon leben können, und ich habe eigentlich nicht vor, das zu ändern. Vor allem kann ich mir so meine Arbeitszeit selbst einteilen und habe mehr Zeit für dich. Ich habe das ganze Studium nur gemacht, weil meine Eltern es so wollten.“ „Ja, und deswegen waren sie auch nicht gut auf mich zu sprechen, nachdem du es meinetwegen hast sausen lassen.“ „Dafür sind sie dir jetzt umso dankbarer, dass du mich überredet hast, den Abschluss nachzuholen.“ „Ich? Also, eigentlich war es ja Tomoes Vater.“ „Du hattest aber keine Einwände, dass ich weiterstudiere.“ „Als ob du meine Erlaubnis bräuchtest!“ „Weißt du, am liebsten würde ich das machen, was du heute Morgen zu mir gesagt hast“, meinte Phil. „Heute Morgen hab ich ’ne Menge zu dir gesagt.“ „Du sagtest, meine Eltern hätten wahrscheinlich von mir erwartet, dass ich heirate und die Ranch übernehme. Nun, geheiratet habe ich.“ Rick setzte sich auf. „Vergiss es! Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich mit dir auf diesen Bauernhof ziehe? Ich habe mich da heute Morgen geirrt. Es kann gar nicht sein, dass sie wollen, dass du zurückkommst. Sonst hätten sie wohl kaum darauf bestanden, dass du Physik studierst. Dann hätten sie dich Landwirtschaft oder so etwas in der Richtung studieren lassen.“ „Zuerst wollten sie das auch. Aber Dad kennt einen Professor, der ihn solange überredet hat, bis Mom und er sich letztendlich dafür entschieden haben.“ „Dich hat wohl keiner gefragt, was?“ „Nicht wirklich. Im Nachhinein bin ich aber doch froh, dass mich meine Eltern hierher nach L. A. geschickt haben. Sonst wäre ich dir nie begegnet.“ Wieder streichelte Phil ihm über die Haare. „Auch, wenn ich es später nicht beruflich nutzen sollte, werde ich das mit dem Studium jetzt durchziehen.“ „Mach das. Ich muss auch noch was für die Uni lernen“, sagte Rick und verließ das Sofa. Den Abend verbrachte Rick also mit Lernen. Phil hatte es sich mit einer Decke auf dem Sofa gemütlich gemacht, sah sich im Fernsehen einen herzzerreißenden indischen Liebesfilm an und trank hin und wieder etwas von seinem Kräutertee. Rick, der Phils Begeisterung für diese Filme nicht nachvollziehen konnte, hatte Phils Vorschlag dankend abgelehnt, ihn sich mit ihm zusammen anzusehen. Ihm hatte schon der Anblick des Titels gereicht, um zu wissen, dass das kein Film für ihn war: „Wo meine Liebe ist, da ist mein Herz“. Nachdem der Film über zwei Stunden gelaufen war, verfolgten sie während einer Werbeunterbrechung die Ziehung der Lottozahlen im Fernsehen, und Phil gewann tatsächlich knappe neunzig Dollar. Rick ging leer aus. „Was machst du mit dem Geld?“, fragte er. „Wir könnten uns etwas bestellen“, meinte Phil und sah auf den Katalog. „Oder ich gebe dir das Geld. Dann kannst du Tomoe etwas Schönes davon kaufen.“ „Hm…“, machte Rick, den es allmählich zu nerven begann, dass Phil anscheinend der Meinung war, dass für ihn nur Tomoe zählte. Aber war das ein Wunder? Schließlich schwärmte er bei jeder Gelegenheit von ihm. Da musste Phil ja denken, dass es außer Tomoe niemanden gab, der ihm etwas bedeutete. Leise seufzte Phil. „Aber egal, wie viel Geld ich dir geben würde, deinen größten Wunsch könnte ich dir damit trotzdem nicht erfüllen.“ „Und der wäre?“ „Dass aus dir und Tomoe ein Paar wird.“ „Okay, jetzt reicht’s.“ Rick stand von seinem Sessel auf. „Hör auf, immer nur von Tomoe zu reden!“ „Wieso denn?“, fragte Phil verwundert. „Du denkst doch die ganze Zeit an ihn. Heute Morgen auch. Oder hast du an Tetsuhiro gedacht?“ Rick verschränkte die Arme. Phil hatte es also gemerkt. „Ja, ich habe an Tomoe gedacht.“ „Ich habe kein Problem damit“, beruhigte Phil ihn. Er stand auch auf, fasste um Rick herum und legte seine Hände an dessen Rücken. „Hast du nur an ihn gedacht, oder hast du dir richtig vorgestellt, ich sei er?“ „Hab nur kurz an ihn gedacht“, log Rick, denn er hatte sich ja wirklich Tomoe vorgestellt. Er ließ die Arme sinken, woraufhin Phil ihn etwas näher an sich heran zog. „Soll ich mal so tun, als ob ich Tomoe wäre?“ Belustigt lachte Rick auf. „Du? Wie soll das denn gehen? Tomoe ist klein und niedlich, und du bist… völlig anders.“ „Du wirst sehen, dass ich es kann.“ „Ach ja?“, fragte Rick lächelnd. „Also gut. Mach es.“ Phil nahm seine Arme zurück und fasste sich mit einer Hand verschämt an den Mund. Mit gesenktem Kopf sah er Rick von unten an. „Rick… Wenn Kurokawa erfährt, dass ich bei dir bin, wird er bestimmt furchtbar böse“, imitierte er Tomoes hohe kindliche Stimme, die bei Aufregung immer etwas zitterte. Sogar das leicht Weinerliche bekam er hin. Damit es echter klang, hatte er Japanisch gesprochen. Nur den kratzigen Unterton, den die Erkältung seiner Stimme verliehen hatte, konnte er nicht überspielen. „Das machst du verdammt gut…“, musste Rick zugeben. Phil hörte sich tatsächlich fast wie Tomoe an. Wobei das Kratzige eher an Soichis Raucherstimme erinnerte. Er streckte eine Hand aus und streichelte ihm über den Kopf. Das hatte er vor ein paar Tagen bei Tomoe genauso gemacht, als er ihm beim Haare färben geholfen hatte. Dabei hatte er festgestellt, dass Tomoe eine unglaublich empfindliche Kopfhaut besaß. Er hatte jedes Mal aufgestöhnt, als Rick bestimmte Stellen hinter seinen Ohren und im Nacken berührt hatte. Und jedes Mal war Kurokawa daraufhin ins Bad gekommen, um nachzusehen, was Rick dort mit seinem Mann anstellte. Am Ende war Kurokawa ganz im Bad geblieben und hatte gewartet, bis die beiden mit dem Färben fertig gewesen waren. „Mein süßer kleiner Tomoe. Mitsugu wird nichts erfahren“, sagte Rick ebenfalls auf Japanisch, da er sich mit Tomoe meistens in dessen Sprache unterhielt. Seine Hand glitt Phils Hinterkopf hinunter und verweilte in seinem Nacken. „Nicht, Rick“, hauchte Phil mit Tomoe-Stimme. „Nur Kurokawa darf mich so berühren.“ „Magst du es denn nicht, wenn ich dich berühre? Tomoe…“ Er näherte sich mit dem Gesicht Phil, der so tat, als wehre er ihn leicht ab, und küsste ihn sanft mit geschlossenem Mund. „Sind meine Berührungen nicht viel schöner als Mitsugus?“, fragte er, und seine Lippen streiften dabei die von Phil. „Es ist nicht richtig, was wir tun…“, wich Phil ihm aus. Noch einmal küsste Rick ihn und drängte ihn dann, ähnlich wie Steven es vor ein paar Stunden mit ihm selbst gemacht hatte, ins Schlafzimmer. „Was hast du vor, Rick?“, fragte Phil voller Unschuld, nachdem Rick ihn auf das Bett gestoßen hatte. „Tja, was wohl…?“, antwortete Rick scheinheilig und machte sich daran, Phils Sachen auszuziehen. Als das erledigt war, entkleidete auch er sich. „Uncle Rick wird dir zeigen, was wahre Liebe ist.“ Eigentlich ging alles viel zu schnell. Wenn er Tomoe in der Realität jemals ins Bett gekriegt hätte, wäre es mit Sicherheit nicht in diesem Tempo vonstatten gegangen. Doch genau wie heute Morgen, sprach sein Körper auch jetzt wieder eine andere Sprache als sein Verstand. Während er bei Steven vorhin nur Lustlosigkeit verspürt hatte, war ihm jetzt, als lodere ein Feuer in ihm. Die Vorstellung, dass es wirklich Tomoe sei, der hier vor ihm lag, war ja auch einfach zu schön! Den Gedanken, dass es alleine Phil war, der seine Leidenschaft entflammt hatte, verdrängte er so gut es ging. Plötzlich musste er an dessen Erkältung denken. Diese hatte er ganz vergessen. „Ist es dir nicht zuviel?“, fragte er und unterbrach ihr Spiel damit kurz. „Nein, es ist gut. Lass uns einfach weitermachen. Ich will dich jetzt.“ „Und was ist mit deinem Film? Willst du ihn dir nicht erst zu Ende ansehen?“ „Er läuft noch drei Stunden.“ „Wir könnten den Rest aufnehmen.“ „Das geht nicht. Tomoe hat deinen Videorecorder.“ „Ach ja, Tomoe…“ Erneut begannen sie sich zu küssen, sanken gemeinsam auf das Laken, Phil mit dem Rücken nach unten, Rick auf ihm. Dieser griff nebenbei in den Nachtschrank, um die Tube herauszunehmen. Er legte sie neben das Kopfkissen und fasste zum zweiten Mal in die Schublade, suchte nach etwas, fand es aber nicht. „Oh, verdammt.“ Rick ließ von seinem Mann ab und warf einen Blick in das Fach. Er nahm seine Hose vom Fußboden und durchsuchte die Taschen. Auch ohne Ergebnis. „Das darf doch nicht wahr sein“, stöhnte er. „Ausgerechnet jetzt! Ich hab sonst immer welche dabei.“ Mitten auf dem Nachschrank lag noch die leere Kondomverpackung, die von dem Treffen mit Steven übrig geblieben war. „Wie’s aussieht, hab ich vorhin das letzte verbraucht.“ „Kein Problem“, meinte Phil. Enttäuscht ließ sich Rick neben ihn fallen. „Dann machen wir jetzt halt was anderes. Oder ich gehe schnell runter und kaufe welche.“ „Nein, ich meine, ich habe kein Problem damit, wenn wir es so tun.“ Rick machte eine verneinende Kopfbewegung. „Wir tun es nie so. Ich gehe schließlich auch noch mit anderen Männern ins Bett.“ „Was soll denn schon passieren?“ „Siehst du? Genau deswegen will ich nicht, dass du fremdgehst. Du achtest einfach nicht darauf, dich zu schützen.“ „Nur deswegen?“, fragte Phil. „Nicht, weil du mich für dich allein haben willst?“ Als Rick ihm eine Antwort schuldig blieb, sprach er weiter. „Aber ich will ja gar keinen anderen als dich. Und es kann wirklich nichts passieren. Du schützt dich doch immer, und ich bin dir treu.“ „Trotzdem…“ „Heute Morgen haben wir auch keins genommen.“ „Ja, aber das war…“ Schüchtern zur Seite blickend flüsterte Phil: „Du wolltest mir zeigen, was wahre Liebe ist, Rick.“ „Hör auf, Phil. Wenn du so redest, machst du es mir nur noch schwerer.“ „Ich bin nicht Phil, ich bin Tomoe.“ Er reichte Rick die Tube. „Das ist die Gelegenheit! Vielleicht hat Kurokawa schon herausgefunden, wo ich bin. Er könnte jederzeit hier auftauchen. Wir sollten uns beeilen.“ „Ach, komm. Tomoe würde nie so rangehen.“ Rick nahm die Tube entgegen. Nach einem langen Zögern öffnete er sie. „Nicht wahr, Tomoe?“ Er legte sich auf ihn und verstaute die wieder verschlossene Tube im Nachtschrank. Phil umarmte ihn, zog ihn ganz auf sich herunter. „Du hast recht. Ich weiß auch nicht, was mich das hat sagen lassen.“ Auffordernd legte er seine Beine um die Taille des anderen. Doch Rick war sich immer noch nicht sicher, ob sie das Richtige taten. „Noch kannst du zurück“, bot er an. „Sag mir, dass ich aufhören soll.“ „Nein. Tu es“, hauchte Phil in sein Ohr und ging dann wieder in Tomoes Rolle über. „Bitte!“ Überwältigt von Phils Schauspiel, wischte Rick den letzten Hauch von Vernunft beiseite. Kein Laut kam über Phils Lippen, als Rick ihm endlich wieder das gab, was er ihm rund drei lange Wochen vorenthalten hatte. Die Augen geschlossen, den Mund einen Spaltbreit geöffnet, lag er ein paar Sekunden da und genoss das Gefühl, so von Rick begehrt zu werden. Dann wurde seine Umarmung fester, und er passte sich dem Rhythmus des anderen an. Der Anhänger der Kette traf ein paar Mal sein Kinn, bis Rick es bemerkte und den Anhänger nach hinten auf seinen Rücken drehte. „Und… wie gefällt es dir, Tomoe? Bin ich besser… als Mitsugu?“ „Ich weiß nicht… Es ist ganz anders als mit Kurokawa…“, antwortete Phil, ihn mit Armen und Beinen fest umschlossen haltend. Als Rick gerade mit dem Gedanken spielte, eines der beiden Piercings auf der Brust vor sich zwischen die Zähne zu nehmen, die Stelle mit leichten Bissen zu reizen und mit der Zunge zu verwöhnen, sagte Phil leise: „Du brauchst dich nicht zurückzuhalten.“ Ihm war es nicht entgangen, dass Rick nicht mit vollem Körpereinsatz dabei war. „Ich halte mich nicht zurück. Ich kann nur nicht mehr“, antwortete Rick, der noch immer die Nachwirkungen von Stevens Besuch spürte. „Oh Rick… Du bist so gut… Hör nicht auf!“ Das war genau das, was Rick hören wollte. „Nein… Tomoe…“ Mit weiteren Küssen bedeckte er Phils Hals, die Schultern und dann wieder den Mund. „Wen liebst du… Tomoe? Mitsugu oder mich?“ Sanft tasteten sich Phils Fingerspitzen Ricks Nacken hoch und hinein in die Haare. „Ich liebe… Kurokawa.“ Fordernd presste Rick seine Lippen auf den Mund des anderen, küsste ihn leidenschaftlicher als zuvor und hörte erst auf, als ihnen beiden der Atem knapp wurde. „Wen liebst du?“, fragte er noch einmal. „Ich liebe…“, begann Phil, der jetzt merkte, dass Rick kurz davor war, fertig zu werden. „Ich liebe… dich! Ich liebe dich, Rick!“ „Oh, Tomoe… ich liebe dich!!“, stieß Rick aus, stöhnte dabei so laut, dass man es sicher in den anderen Wohnungen um sie herum hören konnte, und blieb dann heftig atmend auf Phil liegen. „Ich liebe dich…“ Beim letzten Satz war er wieder zurück ins Englische verfallen. Noch immer waren Phils Finger in den Haaren des Oberen. „Ich liebe dich auch, Rick.“ „Wir sind echt krank…“ Rick lachte auf. „So zu tun, als wärst du Tomoe… Erzähl ihm das bloß nie!“ „Werde ich nicht“, versprach Phil, Ricks Kopf streichelnd. „Wie war es für dich?“ Der Ausdruck in Phils Augen sagte alles. Um sich Gewissheit zu verschaffen, sah Rick an ihm herunter. Nein, für Phil war es nicht so erfüllend gewesen, wie für ihn selbst. Und er war daran schuld. Er hatte nicht darauf geachtet, Phil so zu berühren, dass dieser auch etwas davon hatte. „Es macht nichts.“ „Natürlich macht es was“, widersprach Rick, rückte ein wenig zum Ende des Bettes hin und wandte sich Phil Brustwarzen zu, wie er es vorhin schon vorgehabt hatte. Er hatte gerade die Zungenspitze durch einen der Ringe geschoben, als ihm der Anhänger der Kette wieder nach vorne rutschte. Er griff in seinen Nacken, um den Verschluss der störenden Kette zu öffnen. Doch ohne sein Zutun hatte er sie plötzlich in der Hand. Verwundert nahm er die Kette ab und sah sie an. Der Verschluss war noch zu. „Ist sie kaputt?“, fragte Phil. „Ja. Sie ist gerissen.“ Einen Augenblick lang sah Rick auf die Kette, legte sie dann neben das Bett und widmete seine Aufmerksamkeit wieder Phil. Mit der Spitze seiner Zunge fuhr er die Konturen des Tattoos nach, das Herz, die Rosenranke, den Schriftzug mit seinem Namen. Er hörte Phil laut einatmen. „Magst du das?“ „Ja…“ Seine Zunge glitt über den gezeichneten Pfeil in der Mitte des Bildes. „Wie fühlt es sich an?“ „Ah…“ Phil war, als würde Elektrizität durch seinen Körper hindurchgejagt. „Das kann ich nicht beschreiben. Die Haut ist zwar verheilt, aber sie fühlt sich dort trotzdem noch anders an. Du müsstest dich schon selbst tätowieren lassen, um es herauszufinden.“ „Ich? Nie im Leben. Ich bin nicht scharf auf irgendwelche Schmerzen.“ Rick ließ nun seine Lippen über die breite Brust des anderen streifen, leckte an seinem Bauch hinunter, bis er das Piercing im Bauchnabel erreicht hatte. Anfang Januar hatte Phil es sich in Crescent City stechen lassen. „Was war schlimmer? Das Tätowieren oder das Piercen?“ „Schwer zu sagen. Richtig schlimm fand ich eigentlich beides nicht. Die Piercings gehen ja immer sehr schnell. Du musst es doch wissen. Du hast ja auch welche.“ „Ja, Ohrringe. Das war nicht so schlimm.“ Sanft fasste Rick an den Oberschenkel des anderen und streichelte langsam die Außenseite. „Du hast dich ziemlich in meine Hand gekrallt, damals im Piercingstudio“, erinnerte sich Phil. Als sie sich kennen gelernt hatten, waren sie zusammen dort hingegangen. Er hatte sich einen kleinen Metallstab durch die rechte Augenbraue stechen lassen, und Rick, der nicht als Feigling dastehen wollte, hatte sich auf beiden Seiten Stecker in die Ohrläppchen einsetzen lassen. Das hatte Rick dann auch gereicht, und bis zum heutigen Tag hatte er kein weiteres Mal so ein Studio betreten. Seine Hand war inzwischen auf der Innenseite des Schenkels angelangt. Er berührte noch einmal mit dem Mund den Bauchnabel, und dann tat er das mit Phil, was dieser am Morgen bei ihm getan hatte. Die ganze Zeit über gab Phil keinen Laut von sich. Erst, als Rick sich danach an seine Seite schmiegte, und Phil mit seinen Fingern durch dessen Haare streifte, ließ er einen leisen zufriedenen Seufzer hören. Gleichmäßig senkte sich der Brustkorb neben seiner Wange auf und ab, während Rick ganz in Gedanken die zerrissene Kette auf dem Nachtschrank betrachtete. Das Herz glänzte im Schein der Lampe. Er liebte Tomoe wirklich. Auch, wenn dieser ihm die Liebe nicht zurückgab. Im Grunde war er in der gleichen Situation wie Phil, der ihn liebte, ohne zurückgeliebt zu werden. So war es doch, oder? Wieder kam Rick etwas in den Sinn, was er heute und in den Tagen zuvor schon öfter gedacht hatte. Aber das konnte nicht sein. Unmöglich. Er konnte sich doch nicht in Phil verliebt haben? Nein, nur weil er Phil auf einmal treu war – von dem heutigen Besuch mit Steven einmal abgesehen – musste das noch lange nichts heißen. Als sie ihre erste Beziehung miteinander gehabt hatten, war Rick ihm schließlich auch nicht treu gewesen. Obwohl er zu der Zeit wirklich bis über beide Ohren in Phil verliebt gewesen war. Einen Unterschied zu früher gab es aber. Damals hatte Rick ihm nicht treu sein wollen. Das hatte er ihm auch gleich zu Anfang ihrer Beziehung gesagt. Doch nach der alles andere überragenden Hochzeitsnacht war sein Jagdtrieb auf andere plötzlich von heute auf morgen versiegt. Und das bereitete ihm noch mehr Kopfzerbrechen als die Frage, ob er dabei war, sich wieder in Phil zu verlieben. „Es ist alles so anders, seit wir geheiratet haben“, sagte Rick unvermittelt. „Ja“, stimmte Phil traurig zu. „Jetzt, wo ich wieder studiere, habe ich kaum noch Zeit für dich.“ „Das meine ich doch gar nicht!“ „Sondern?“ „Ach, weiß ich selber nicht…“, murrte Rick. „Irgendwas ist anders, und jetzt weiß ich nicht mehr, was überhaupt mit mir los ist.“ Er setzte sich auf und sah Phil geradeheraus an. „Ich habe die ganze Zeit gedacht, dass unsere Beziehung rein sexuell wäre. Die Beziehung, die wir jetzt haben, meine ich. Nicht unsere erste. Wir waren danach zwar wieder zusammen, aber ich habe dich nicht mehr geliebt, und ich hatte immer andere Männer nebenbei.“ „Das weiß ich doch. Ich habe dir auch gesagt, dass ich mit beidem keine Probleme habe.“ „Aber jetzt ist alles anders! Du hast irgendwas mit mir gemacht, irgendwas in mir verändert, und jetzt interessiere ich mich plötzlich nicht mehr für andere Männer. Das ist doch nicht normal!“ „Rick…“ Phil setzte sich ebenfalls auf. „Wir sind noch nicht einmal drei Wochen verheiratet. Das kommt bestimmt wieder. Und wenn nicht, ist es auch kein Weltuntergang.“ „Für mich wäre es aber einer!“ Rick fasste sich an den Kopf, als wollte er sich die Haare raufen. „Ich muss das in den nächsten Tagen abklären, sonst habe ich keine Ruhe!“ „Rick? Du bist nicht gerne mit mir verheiratet, richtig?“ „Was soll denn die Frage jetzt?“ „Ich frage nur, weil ich genau weiß, dass du mich nicht liebst.“ Stöhnend ließ Rick die Arme wieder sinken. „Wie kommst du jetzt darauf?“ „Du hast es doch gerade gesagt.“ „Damals, meinte ich! Vor einem Monat, vor einem Jahr. Und davor in Japan.“ Phil rückte ein Stück näher zu ihm, nahm seine Hand. „Und heute?“ „Das ist es ja eben! Ich weiß es nicht! Du bist mir früher mit deiner Anhänglichkeit tierisch auf die Nerven gegangen. Und jetzt ist es so, dass es mir gar nichts mehr ausmacht, wenn du bei mir bist.“ „Bedeutet das, du magst es jetzt, wenn ich bei dir bin?“ „Das habe ich nicht gesagt! Ich habe nur gesagt, dass es mir nichts ausmacht.“ „Warum hast du mich denn dann rausgeschmissen, als ich bei dir einziehen wollte?“ „Weil ich nicht mit dir zusammenwohnen will. Wenn du für einen Tag oder ein Wochenende hier bist, ist es etwas anderes. Aber als du hier vor zehn Tagen mit gepackten Koffern ankamst, war mir das alles zuviel. Ich bin noch nicht soweit.“ „Ist gut. Ich werde mich bemühen, so schnell es geht, etwas Eigenes zu finden“, versprach Phil. „Und bis du bereit bist, werde ich auf dich warten.“ Er gähnte. „Ja, lass es uns langsam angehen. Ich muss erst einmal für mich selbst herausfinden, was ich will. Und du solltest dich jetzt am besten wieder hinlegen und schlafen“, meinte Rick und drückte ihn zurück auf die Matratze. „Du siehst nämlich verdammt müde aus.“ „Das bin ich auch. Legst du dich mit hin?“ „Gleich. Das kleine Abenteuer mit ‚Tomoe’ vorhin“, er konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, „hat mich ziemlich ins Schwitzen gebracht. Ich stelle mich mal kurz unter die Dusche.“ Auf dem Weg ins Bad kam Rick am Fernseher vorbei. Der Ton war abgestellt, und der Film lief noch. Er schaltete ihn aus und überlegte einen Moment. Ob er Tomoe anrufen sollte, damit dieser den Rest für ihn aufzeichnete? Er warf einen Blick auf die Uhr. Nein, jetzt konnte er ihn nicht mehr stören. Bestimmt hatte er es sich mit Kurokawa gemütlich gemacht und sah mit ihm zusammen fern. Oder tat sonst etwas Schönes. Andererseits war das natürlich erst recht ein Grund, anzurufen. Schließlich ließ er es aber doch sein und ging ins Bad. Während er duschte, dachte er darüber nach, dass Phil wirklich alles für ihn tat. Tomoe würde seine Wünsche wahrscheinlich nicht so ohne weiteres hinter denen von Rick zurückstellen. Phil aber tat es. Und er musste sich nicht einmal dazu überwinden, er ordnete sich Rick gerne unter. Wenn er da an Tomoes Bruder dachte… Dieser war das genaue Gegenteil von Phil. Soichi war dominant, laut und impulsiv. Er kommandierte seine Mitmenschen herum und erwartete, dass man jeder seiner Anweisungen widerspruchslos Folge leistete. Und wenn man nicht aufpasste, konnte es sein, dass man sich am Boden wieder fand, nachdem man von seiner Faust niedergestreckt worden war. Manchmal fragte Rick sich ernsthaft, wie Tetsuhiro es mit diesem Mann aushielt. Da war er mit Phil wirklich besser dran… Bis knapp über Hüften zugedeckt lag Phil schlafend im Bett, als Rick wieder zurück ins Schlafzimmer kam. Vorsichtig zog er die Decke ganz hoch und berührte ihn dabei kurz. Seine Haut war so heiß und im Gesicht gerötet, dass Rick sich Vorwürfe machte. Das alles musste Phil völlig überanstrengt haben. Hoffentlich würde es ihm morgen deswegen nicht schlechter gehen. Er machte das Licht in der Wohnung aus und legte sich zu ihm, ohne, dass Phil etwas davon mitbekam. Ricks Sorgen waren unberechtigt gewesen. Als die beiden am nächsten Morgen erwachten, machte Phil einen wesentlich besseren Eindruck als noch am Tag zuvor. Diesmal war er nicht vor Rick aufgestanden, um Frühstück zu machen, aber das holte er nach, während sein Mann im Bad war. Wieder aßen sie gemeinsam, und dann machte sich Rick auf den Weg zur Universität. Phil begleitete ihn ein Stück, kaufte drei verschiedene Tageszeitungen und kehrte nachhause zurück, wo er die Immobilien-Inserate durchkämmte, zusätzlich das Internet nach Wohnungs-Anzeigen durchsuchte und mit mehreren Maklern telefonierte. Am Abend, als Phil immer noch nicht das Gewünschte gefunden hatte, kam Rick nachhause. Nachdem sie sich begrüßt hatten, zeigte Phil resigniert auf die Zeitungen, die auf dem Tisch lagen. „Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer ist, eine passende Wohnung in L. A. zu finden.“ „Hier, für dich.“ Rick gab ihm etwas in die Hand. Eine DVD. „War gerade zufällig im Sonderangebot.“ „‚Wo meine Liebe ist, da ist mein Herz’“, las Phil den Titel. „Das ist die ungekürzte Version. Die, die gestern Abend lief, war um eine Stunde gekürzt.“ „Danke, Rick. Du bist so lieb.“ Strahlend umarmte Phil ihn. „Du machst mir dauernd Geschenke in letzter Zeit. Gestern die Blumen, heute der Film…“ „Sag mal, dir geht es doch jetzt wieder besser, oder?“ „Ja.“ „Dann kann ich dich heute Abend ruhig alleine lassen?“ Phil war klar, was er damit sagen wollte. „Ja, natürlich.“ Als Rick merkte, dass Phil ihn verstanden hatte, ging er in die Küche. „Ich esse nur schnell was, dann bin ich wieder weg.“ Er nahm sich etwas aus dem Kühlschrank. „Also… du darfst jetzt nicht glauben, dass ich dir die DVD nur gekauft habe, weil ich heute Abend weg will. Als Entschuldigung sozusagen. Ich hätte sie dir auch so gekauft.“ Phil trat neben ihn und drückte ihm lächelnd einen Kuss auf die Lippen. „Ich weiß.“ An diesem Abend und den folgenden setzte Rick sein Vorhaben in die Tat um. Er zog durch verschiedene Clubs und ließ sich Nacht für Nacht von einem anderen Mann mit nachhause nehmen. Einmal ging er sogar mit zweien mit. Aber es war nicht mehr so wie früher. In Gedanken zog er immer den Vergleich mit Phil, und jedes Mal schnitten die anderen Männer dabei schlechter ab. Ja, es schien tatsächlich so zu sein, wie er befürchtet hatte. Er hatte – zumindest im Moment – sein Interesse an allen Männern außer Phil verloren. Aber einen Mann gab es da ja noch. Und bei dem war es ganz sicher anders. „Ich habe eine Wohnung gefunden“, sagte Phil die Woche darauf. Bis auf einen leichten Husten, der mit jedem Tag besser wurde, war er wieder vollkommen genesen. „Vier Zimmer, Küche, Bad. Sie wird zwar erst in zwei Monaten frei, aber dann könnte ich sie gleich übernehmen.“ „In zwei Monaten erst? Und was willst du überhaupt in einer Vier-Zimmer-Wohnung? Die ist doch viel zu groß für dich.“ „Ich dachte, du würdest es dir vielleicht überlegen und mit einziehen. Die Wohnung ist in der Johnson Street.“ Rick horchte auf. Das war die Straße, in der auch Tomoe und Kurokawa wohnten. „Welche Nummer?“ „98. Die Wohnung ist im dritten Stock. Hinter dem Haus gibt es sogar einen kleinen Garten. Da können wir unser eigenes Gemüse anbauen.“ „Und ist das nicht zu weit weg von deinem Atelier?“ Rick versuchte, gleichgültig zu klingen, was ihm nicht wirklich gelang. 98 Johnson Street, das war genau neben Tomoes Wohnung. „Das ist kein Problem. Ich fahre mit dem Motorrad hin. Oder ich richte mir eines der Zimmer als Atelier ein. Da wäre nur noch eine Kleinigkeit.“ „Ja?“ „Die Miete ist zu hoch. Ich kann sie nicht alleine bezahlen. Und meine Eltern können auch nicht allzu viel beisteuern. Es ginge aber, wenn wir das Geld zusammenlegen würden. Für dich wäre es auch nicht mehr, als du für diese Wohnung hier an Miete bezahlst.“ „Okay, können wir so machen“, meinte Rick und musste sich beherrschen, nicht über das ganze Gesicht zu grinsen. Er würde Tomoes Nachbar werden! So nah hatte er nicht einmal in Tokyo bei ihm gewohnt. Damit war es also beschlossene Sache. Sie würden sich eine gemeinsame Wohnung nehmen. Phil wäre glücklich, weil er bei Rick sein würde, und Rick wäre glücklich, weil er bei Tomoe sein würde. Oder war es auch ein bisschen, weil er bei Phil sein würde? Während Rick noch darüber nachdachte, sagte Phil: „Du hast ganz schwarze Ringe um die Augen. Seit ein paar Tagen schon.“ „Ich hab kaum geschlafen in letzter Zeit.“ „Kein Wunder, wenn du jede Nacht durch die Clubs von L. A. ziehst. Vielleicht solltest du es nicht ganz so übertreiben.“ „Ja, da hast du wohl Recht. Heute Abend bleibe ich hier.“ Prüfend sah Rick in den Badezimmerspiegel. „Oh ja, richtig schwarz…“ Dann entdeckte er etwas anderes und zupfte sich an seinen Haaren herum. „Mist, man sieht schon wieder die Ansätze. Ich muss dringend nachfärben.“ „Lass sie doch einfach so“, meinte Phil. „Als wir uns kennen gelernt haben, hattest du auch dunkle Haare.“ „Ja, und du hattest kurze. So wie Tetsuhiro.“ „Möchtest du, dass ich sie mir wieder kurz schneiden lasse? Dann sehe ich Tetsuhiro ähnlicher.“ „Nein, ich will, dass du sie so lang lässt. Das steht dir besser als die kurzen Haare.“ Das Telefon klingelte. Da Rick noch mit seiner Frisur beschäftigt war, hob Phil den Hörer ab. „Phil Coldman.“ Er hörte, wie am anderen Ende ein Mann tief einatmete und nach ein paar Sekunden fragte: „Wie war das bitte?“ „Phil Coldman. Hallo Isaac“, begrüßte er den Anrufer, dessen Stimme er gleich erkannt hatte. „Hallo Phil… Okay. Ganz langsam. Wieso meldest du dich mit ‚Coldman’?“ „Ich habe Ricks Namen angenommen, als wir in San Francisco geheiratet haben.“ Rick, der aus dem Bad gekommen war, als er den Namen seines Vaters gehört hatte, keuchte entsetzt auf. So schnell wie möglich spurtete er zum Telefon und riss den Hörer an sich. „Hallo Dad…“, sagte er vorsichtig. „So, du bist also verheiratet“, meinte sein Vater. Die Enttäuschung in seiner Stimme war nicht zu überhören, und Rick wäre am liebsten in Grund und Boden versunken. „Dad…“ „Tja, jetzt weiß ich wirklich nicht, ob ich mich freuen soll oder nicht.“ „Ich wusste, dass es euch nicht recht sein würde!“ Phil legte tröstend einen Arm um seine Schultern und lauschte dem Gespräch. „Nicht recht?“, wiederholte Isaac. „Aber wie kommst du denn darauf? Es ist nur so, dass ich deiner Mutter jetzt hundert Dollar schulde.“ „Wieso?“ „Wir haben gewettet, ob ihr heiratet, wenn ihr schon mal in San Francisco seid.“ „Ihr habt was?!“ „Abby war fest davon überzeugt, und ich habe dagegen gewettet. Ich kenne doch unseren Sohn und weiß, dass er niemals freiwillig heiraten würde.“ „Das glaube ich jetzt einfach nicht… Ihr wettet auf meine Kosten?!“ „Was heißt hier, auf deine Kosten? Lass uns doch unseren Spaß. Rick, hast du wirklich geglaubt, wir würden etwas dagegen haben? Du weißt doch, dass Phil für uns alle längst ein Teil der Familie ist.“ Sie redeten noch ein paar Minuten miteinander, Phil erzählte von der Hochzeit, Rick von dem bevorstehenden Umzug, und dann legten sie auf. Tief durchatmend und mit klopfendem Herzen lehnte sich Rick an seinen Mann. „Wenigstens brauche ich mir jetzt keine Gedanken mehr darüber zu machen, wie ich es ihnen sage… Ach so, was wollte er eigentlich?“ Doch bevor Phil antworten konnte, klingelte das Telefon abermals. Diesmal ging Rick dran. „Coldman.“ Wieder war sein Vater am anderen Ende. „Jetzt habt ihr mich so durcheinander gebracht, dass ich vergesse habe zu fragen, ob ihr am Sonntag auch wirklich kommt. Deswegen hatte ich überhaupt angerufen.“ „Wieso? Was ist denn Sonntag?“, fragte Rick. „Der zwanzigste Hochzeitstag deiner Eltern“, antwortete Phil, der so nah neben ihm stand, dass er alles mithören konnte. „Genau“, bestätigte der Vater. „Wenigstens dein Gatte denkt daran. Ihr kommt doch?“ „Klar kommen wir. Phil geht es ja inzwischen wieder gut. Er war erkältet.“ „Ah, deswegen klang seine Stimme eben so anders. Ich hatte mich schon gewundert.“ „Hoffentlich wird meine werte Tante nun endlich Ruhe geben und mir nicht weiter ihre heiratswilligen Weiber aufschwatzen“, sagte Rick wenig charmant. „Ja, meine Schwester… Ich weiß, dass sie dich manchmal damit nervt.“ „Manchmal? Das ist untertrieben.“ „Sie meint es ja nur gut. Aber du hast schon Recht, jetzt wird sie wohl damit aufhören. Weißt du, sie hatte immer den Eindruck, dass du mit Phil nicht glücklich wärest. Und darum dachte sie, du solltest es mal mit einer Frau versuchen.“ „Sie wollte mich auch schon verheiraten, bevor sie Phil kennen gelernt hat.“ „Ja, das stimmt auch wieder. Stell dir vor, einmal hat sie mich gefragt, ob ihr beiden nur so tut, als ob ihr ein Paar wäret.“ Rick warf Phil einen kurzen Blick zu. „Wie sie nur auf so etwas kommt…“ „Tja, ich… oh, Moment“, unterbrach Isaac sich selbst. „da wird gerade ein Paket geliefert. Na endlich! Ich warte seit zwei Wochen darauf. Ich muss Schluss machen. Bis Sonntag!“ „Ja, bis Sonntag, bye!“ Besagter Sonntag war schon bald gekommen. Am Vormittag gegen zehn Uhr klingelte es beim Ehepaar Tatsumi Tomoe und Kurokawa Mitsugu an der Wohnungstür. Kurokawa öffnete. „Was hast du mit deinen Haaren gemacht?“, fragte er Rick irritiert und vergaß dabei ganz, ihn und Phil, die vor der Tür standen, zu begrüßen. Rick fuhr sich durchs Haar. Statt sie nachzublondieren hatte er sie in seine Naturfarbe zurückfärben lassen. Auch die blondierten Augenbrauen waren jetzt so dunkelbraun, wie sie ursprünglich gewesen waren. „Hatte Lust auf eine Veränderung.“ „Wenn du wegen deines Videorecorders hier bist, Tatsumi ist noch nicht damit fertig geworden.“ Während er das sagte, musterte Kurokawa Phil, der ebenfalls einen ungewöhnlichen Eindruck machte. Er hatte sich die Haare zurückgekämmt und zu einem Zopf gebunden. „Deswegen bin ich nicht gekommen. Wie wär’s, wenn du uns erstmal begrüßt und hereinbittest?“ Kurokawa ließ die beiden eintreten. „Bitte.“ Suchend sah sich Rick um. „Wo ist denn der Herr Gemahl?“ „Im Bad. Er müsste gleich fertig sein.“ Da kam Tomoe auch schon mit nacktem Oberkörper aus dem Badezimmer. Er trug nur eine Jeans und rieb sich die nassen Haare mit einem Handtuch trocken. „Oh, Tomoe!“, stieß Rick verliebt aus und eilte zu ihm. „Dass ich diesen Anblick noch erleben darf!“ „Wie seht ihr denn aus?“, erschrak Tomoe angesichts der schwarzen Anzüge, die die beiden Besucher trugen. „Ist jemand gestorben?“ „Das sind dieselben Anzüge, die wir auch bei eurer Hochzeit anhatten, Darling“, sagte Rick. „Es ist keiner gestorben. Wir sind auf dem Weg zu einer Familienfeier, und meine Eltern erwarten, dass ihr Sohn und sein Mann sich ordentlich anziehen.“ „Was feiert ihr…“ „Meine Eltern sind heute auf den Tag genau zwanzig Jahre miteinander verheiratet.“ „Oh, wie schön! Ihr habt ja heute auch euren Hochzeitstag. Euren einmonatigen“, sagte Tomoe zu Rick, denn dieser war seit heute ganze vier Wochen mit Phil verheiratet. Bei ihm und Kurokawa war es schon am Vortag so weit gewesen. „Ja, aber heute können wir ihn nicht feiern. Wir holen das nächste Woche nach, okay?“, fragte Rick. „Gerne.“ Tomoe sah auf einmal aus, als müsse er über etwas nachdenken. „Du wirst doch in einem Monat einundzwanzig. Dann…“ „Yes. Gut gerechnet, Tomoe.“ Rick stupste ihm freundschaftlich mit dem Zeigefinger auf die Nase. „Uncle Rick war schon auf der Welt, als seine Eltern geheiratet haben.“ Tomoe und sein Mann sahen sich skeptisch an. „Uncle Rick?“, wiederholte Kurokawa mit hochgezogener Augenbraue. Da gab Rick Phil ein kurzes Zeichen mit der Hand, und dieser hakte Kurokawa unter und nahm ihn mit in die Küche. „Sorry, Mitsugu, aber ich muss mit Tomoe etwas unter vier Augen besprechen.“, rief er Kurokawa, der gar nicht wusste, wie ihm geschah, nach. Er versicherte sich, dass die Küchentür geschlossen war, dann schob er Tomoe zum Sofa und setzte sich mit ihm hin. „Was ist denn? Und warum hast du dir die Haare gefärbt?“ Seit Tomoe den Recorder bei ihm zur Reparatur abgeholt hatte, hatte er Rick noch nicht wieder gesehen. „Nur so. Tomoe, Liebster, es geht um Glück oder Unglück. Du bist der einzige, der mir noch helfen kann!“ „Ja? Hat es was mit eurem Umzug zu tun? Du, ich finde es richtig toll, dass ihr nebenan einzieht. Das wird bestimmt lustig!“ „No, no, darum geht es doch gar nicht.“ Rick schüttelte den Kopf. „Weißt du, was mir aufgefallen ist?“ fragte Tomoe auf einmal. „Seit mein Bruder hier geheiratet hat, sagt er nichts Schlechtes mehr über Amerika.“ „Wen wundert’s? Uns Amerikaner lieben früher oder später alle“, sagte Rick selbstbewusst. „Na ja, ich weiß nicht, ob ‚lieben’ das richtige Wort…“ „Wir sind nett, friedlich, hilfsbereit…“, zählte Rick auf. „Das stimmt!“, pflichtete Tomoe bei. Kurokawa und er waren in den USA sehr freundlich aufgenommen worden. Sie hatten nette Nachbarn, mit denen sie sich prima verstanden und die ihnen besonders in der Anfangszeit oft geholfen hatten. „Aber wolltest du nicht über etwas Wichtiges mit mir reden?“ „Ja. Also, kurz und schmerzlos. Ich weiß nicht, wie oder wann es passiert ist. Aber es sieht ganz so aus, als ob ich…“ Rick überlegte, dann fing er den Satz noch einmal an. „Ich bin anscheinend auf dem besten Weg… mich in Phil zu verlieben!“ „Ich wusste es!“, rief Tomoe begeistert aus. „Ich habe immer gewusst, dass du ihn liebst! Außerdem ist es ganz normal, dass man sich liebt, wenn man verheiratet ist. Kurokawa und ich lieben uns ja auch.“ „Ich habe jetzt aber das Problem, dass ich nicht mehr auf andere Männer stehe! Es bedeutet mir überhaupt nichts mehr, mit jemand anderem als Phil ins Bett zu gehen. Ich hatte in den letzten Tagen sechs verschiedene Männer. Und da ist Phil noch nicht mal mitgerechnet.“ „Sechs?“, wiederholte Tomoe mit geweiteten Augen. „Ja. Aber es war langweilig. Es waren keine Gefühle da, nichts! Ich habe die ganze Zeit nur an Phil gedacht!“ „Und wieso findest du, dass das ein Problem ist? Wenn man verheiratet ist, will man doch nur den einen Partner und ist sich treu. Kurokawa und ich…“ „Ich will aber nicht treu sein! Ich bin nicht so wie ihr. Und deswegen brauche ich deine Hilfe! Ich wäre schon beruhigt, wenn ich wüsste, dass ich wenigstens für einen einzigen Mann außer Phil etwas empfinden könnte. Einen anderen… lieben könnte.“ Es fiel im schwer, diese Worte auszusprechen. Er war sich immer noch nicht ganz im Klaren darüber, was er eigentlich für Phil empfand. Richtige Liebe war es nicht, da war er sich ziemlich sicher. Aber es war auch nicht so, dass Phil ihm egal war. „Meinst du etwa mich?“, fragte Tomoe etwas ängstlich. „Natürlich meine ich dich. Du weißt doch, dass ich dich liebe, oder?“ „Ja, schon…“ „Um ganz sicher zu gehen, dass ich dich wirklich liebe, muss ich das nachprüfen.“ „Heißt das… du willst…“ Rick nickte. „Kurokawa!!“, rief Tomoe laut, woraufhin der Genannte gleich angestürmt kam. „Entschuldigung, ich konnte ihn nicht zurückhalten“, meldete sich jetzt das erste Mal Phil zu Wort. „Was machst du schon wieder mit Tatsumi?!“, schrie Kurokawa Rick an. „Nichts!!“, antwortete Rick in der gleichen Lautstärke. Dann sah er Tomoe verständnislos an. „Warum hast du denn bloß so geschrieen?“ „Ja, warum?“, wollte auch Kurokawa wissen. „Rick sagt, er will mit mir schlafen!“ „Das habe ich doch gar nicht gesagt!“, stellte Rick schnell klar, bevor Kurokawa einen Wutanfall kriegen konnte. „Ich wollte dich nur bitten, dass du mich küsst!“ „Dich… küssen?“ „Ja! Mehr nicht.“ „Mehr nicht!“, wiederholte Kurokawa in spöttischem Ton. Mit bittendem Blick nahm Rick Tomoes zarte Hände in seine. „Ich bin doch dein bester Freund. Da wirst du mir diesen kleinen Gefallen doch tun, ja?“ „Ich will nicht, dass du Tatsumi küsst!“, sagte Kurokawa bestimmt. „Ich denke, es ist das Beste, wenn du jetzt gehst!“ „Bitte, Tomoe!“, flehte Rick. Unentschlossen sah Tomoe von Rick zu Kurokawa und dann zu Phil, aus dessen Gesicht sich wie so oft nichts ablesen ließ. „Es ist gar nichts dabei“, versuchte es Rick weiter. „Es ist rein freundschaftlich. Ich werde ihn dir schon nicht ausspannen“, wandte er sich an Kurokawa. „Also… wenn es wirklich nur rein freundschaftlich ist…“, überlegte Tomoe, dem es wie immer schwer fiel, Rick einen Wunsch abzuschlagen, „und Kurokawa nichts dagegen hat… dann würde ich vielleicht…“ „Tatsumi, hör doch nicht auf ihn!“, ging Kurokawa dazwischen. „Das ist nur wieder einer seiner Tricks, um uns auseinander zu bringen!“ „Ich will euch nicht auseinander bringen“, sagte Rick. „Na gut, eigentlich will ich das schon, aber nicht heute. Pass auf, wir machen einen Deal. Wenn du mir jetzt erlaubst, Tomoe einmal zu küssen, dann verspreche ich dir, ihn danach für alle Ewigkeiten in Ruhe zu lassen. Du kennst mich doch. Ich fasse Tomoe ständig an, ich flirte dauernd mit ihm, ich versuche, ihn dir wegzuschnappen. Du hättest dann die absolute Garantie, dass ich das nie, nie, nie wieder machen würde. Okay?“ „Du… du brauchst mich jetzt gar nicht so mit deinen Wimpern anzuklimpern!“ Verunsichert sah Kurokawa zur Seite. „Die Nummer zieht bei mir nicht!“. „Bitte, Mitsugu“, kam nun Phil seinem Mann zu Hilfe. „Sieh doch, wie verzweifelt Rick ist.“ „Wieso unterstützt du ihn in dieser Sache eigentlich auch noch?“, fragte Kurokawa ihn. „Weil ich Rick liebe und alles für ihn tue.“ „Ich schwöre dir, Mitsugu, ich werde Tomoe danach nie wieder belästigen“, wiederholte Rick. „Ehrlich!“ Kopfschüttelnd fing Kurokawa an, im Zimmer auf und ab zu gehen. Er überlegte hin und her, und nach ungefähr einer Minute sagte er: „Also gut. Aber wir halten das vertraglich fest!“ Er holte einen Bogen Papier und einen Kugelschreiber und begann, etwas aufzuschreiben. „Das ist jetzt wirklich übertrieben“, meinte Rick. Kurokawa las vor, was er geschrieben hatte: „‚Ich, Richard Coldman, verpflichte mich, nach Erfüllung der Abmachung Tatsumi Tomoe niemals wieder zu belästigen, zu küssen oder mich ihm in sonst einer Weise sexuell zu nähern. Die Abmachung ist erfüllt, wenn Tatsumi Tomoe mich einmal geküsst hat.’“ Er reichte Rick den Vertrag und den Stift. Als Rick seine Unterschrift auf den Vertrag gesetzt hatte, ging Kurokawa zu einer Kommode, nahm ein Schriftstück aus einer Schublade und legte es vor Rick auf den Wohnzimmertisch. „Das ist die Verfassung der Vereinigten Staaten“, erklärte Kurokawa. „Zumindest eine Kopie davon. Tatsumi und ich haben sie von der Einwanderungsbehörde bekommen, als wir hierher gezogen sind. Darauf wirst du schwören.“ „Soll ich auch noch die Nationalhymne singen?“, fragte Rick sarkastisch. „Aber gut, du sollst deinen Willen haben.“ Er legte die linke Hand auf die Verfassung und fasste sich mit der rechten an die Brust. „Ich schwöre feierlich, dass ich mich an unseren Vertrag halten werde! So, zufrieden?“ „Ja.“ Erst jetzt fiel Kurokawa ein, dass er das Ganze einfach über Tomoes Kopf hinweg entschieden hatte. „Du bist doch damit einverstanden?“, fragte er ihn. „Ja, ja, natürlich!“, beruhigte Tomoe ihn. „Dann können wir ja jetzt endlich zur Sache kommen. Aber ihr müsst rausgehen!“, verlangte Rick. „Nein, besser noch, wir gehen ins Schlafzimmer. Ja, Tomoe, Darling?“ „Oh, nein! Ihr bleibt schön hier“, durchkreuzte Kurokawa seine Pläne. „Ich gehe mit Phil ins Schlafzimmer.“ Phil folgte ihm dorthin. Doch kaum war die Tür hinter ihnen zugefallen, stürmte Kurokawa auch schon mit Phil an der Hand wieder heraus. „Du hast nichts gesehen, klar?!“, rief Kurokawa panisch. „Verdammt, ist das peinlich…“ „Es braucht dir wirklich nicht peinlich zu sein. Rick und ich haben zuhause ganze Schubladen voll davon“, sagte Phil ruhig. „Gehen wir lieber zurück in die Küche…“ Wieder waren die beiden in der Küche verschwunden, und wieder war Rick mit Tomoe allein. Neugierig sah Rick ihn an. „Na, was gibt es denn Geheimnisvolles im Schlafzimmer?“ „Bitte, Rick, frag nicht danach!“ Wie Kurokawa war auch Tomoe tiefrot geworden. „Küss mich jetzt!“, lenkte er ab. „Gleich.“ Rick war etwas eingefallen, über das er in der Vergangenheit schön öfter nachgedacht hatte. „Warum… warum grinst du denn plötzlich so?“ „Ach“, Rick streichelte Tomoe liebevoll über die Wange, „ich frage mich nur gerade, ob du und Mitsugu euch auch mal abwechselt.“ „Wie, abwechseln?“ Das Grinsen wurde zu einem Lächeln. „Du bist so unschuldig. Richtig süß.“ „Aber was meinst du denn? Womit sollen wir uns abwechseln?“ „Im Bett, meine ich. Hast du Mitsugu schon mal flachgelegt?“, fragte Rick ganz direkt. „Was?!“ Tomoe, dessen Gesicht gerade wieder ein wenig heller geworden war, errötete erneut. „Und? Hast du?“ Mit fest zusammengekniffenen Augen schüttelte Tomoe den Kopf. „Das ist aber nicht normal“, sagte Rick fachmännisch. „Man wechselt sich ab. Das macht jeder.“ „Aber wir nicht! Ich will das auch gar nicht!!“, rief Tomoe, ohne zu merken, dass Rick ihn mal wieder auf den Arm nahm. Die Küchentür sprang auf, und wie vorhin kam Kurokawa angestürzt. „Tatsumi, was…“ „Nichts!“, sagte Rick. „Geh wieder zurück in deine Küche!“ Er sah, wie Phil Kurokawa zu sich zog und die Tür zumachte. „Willst du mich jetzt nicht endlich küssen?“, fragte Tomoe mit leicht zittriger Stimme. Doch Rick sah ihn nur verliebt an. „Warum zögerst du?“ „Du möchtest also, dass ich dich küsse?“ „Ja…“, hauchte Tomoe. Langsam hob Rick eine Hand und streichelte Tomoe noch einmal ganz sanft über die Wange. „Du bist so süß“, flüsterte er. „Du hast so schöne große Augen.“ „Danke, Rick. Aber…“ „Lass mich diesen Moment ein wenig genießen. Es ist das allerletzte Mal, dass ich dich so anfassen darf.“ Seine Finger berührten Tomoes weiche rosige Lippen und den Hals, wo er den Pulsschlag seines Herzens spürte. Dann näherte er sich ihm, und Tomoe schloss die Augen. Während die eine Hand, die zuvor noch an Tomoes Hals gewesen war, inzwischen an dessen nackter schmaler Brust angekommen war, legte sich die andere jetzt an dessen Hinterkopf und hielt ihn zärtlich fest. Endlich berührten Ricks Lippen die seines Gegenübers. Tomoes Herz ging schneller, und auch Ricks klopfte ihm bis zum Hals. Ohne Zwang, aber dennoch bestimmt, schob Rick mit seiner Zunge die Lippen des anderen auseinander und drang leicht in ihn vor. Als Tomoe, ob gewollt oder nicht, nun seinerseits seine Zunge bewegte und mit der Spitze davon die von Rick traf, zuckte dieser leicht zusammen. Diese winzige Berührung von Tomoe, sie hatte sich angefühlt, als ob ein Blitz in Ricks Körper gefahren wäre. Ein Blitz, der jetzt auch Rick die Röte ins Gesicht trieb, ohne, dass er sich dagegen wehren konnte. Und das war nicht das Einzige, was er in diesem Moment gerne vermieden hätte. Schon wieder war das Gleiche mit ihm geschehen, was auch vor über einer Woche passiert war, als Phil den Striptease mit der Schürze hingelegt hatte. Hastig brach Rick den Kuss ab. „Was hast du?“, fragte Tomoe unsicher. „Hast du jetzt den Beweis, dass du mich liebst?“ „Könnte man so sagen… ja.“ Bevor Rick näher darauf eingehen konnte, kam Kurokawa aus der Küche. „Seid ihr endlich fertig?“ „Ich glaube schon“, sagte Tomoe. „Kann ich mal kurz euer Bad benutzen?“, fragte Rick und stand auf. „Natürlich“, antwortete Kurokawa. Rot wie Tomoe, lief Rick zum Bad. „Soll ich mitkommen?“, fragte Phil, woraufhin Rick kaum merklich nickte. Tomoe und Kurokawa sahen sich etwas verwundert an, als die beiden miteinander ins Badezimmer eilten. „War es sehr schlimm?“, wollte Kurokawa von seinem Mann wissen und nahm dort Platz, wo vorher Rick gesessen hatte. „Nein, eigentlich nicht. Es war wirklich rein freundschaftlich. Genau, wie Rick es gesagt hat.“ „Dafür lässt er dich jetzt in Zukunft in Ruhe“, sagte Kurokawa, dem nun allmählich doch leichte Zweifel an dem Deal mit Rick kamen. Weshalb hatte er sich überhaupt darauf eingelassen? „Warum habe ich ihm nicht einfach verboten, dich zu küssen oder anzufassen…?“, fragte er sich leise. „Kurokawa…“, meinte Tomoe kleinlaut und nahm die Hand seines Mannes. Dieser sah Tomoe an und bemerkte mit Schrecken, dass zwei kleine Tränen in dessen Augen getreten waren. „Tatsumi… Ist es doch wegen Rick?“ Tomoe schniefte. „Ja…“ „Ich wusste es! Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass er dich küsst! Oh, ich bin so ein Idiot! Ich hätte…“ „Nein, deswegen ist es nicht. Er… hat etwas zu mir gesagt… Er sagte… dass ich…“ Er schniefte erneut. „Aber ich will das nicht machen!!“ „Was denn?“, fragte Kurokawa erschrocken, denn jetzt verstand er gar nichts mehr. „Er sagt… wenn man zusammen ist… muss man sich… sich… abwechseln!“ Die beiden Tränen lösten sich aus seinen Augen und liefen ihm links und rechts die Wangen hinunter. Im Gegensatz zu Tomoe verstand Kurokawa auf der Stelle, was mit „abwechseln“ gemeint war. „Ich will mich aber nicht mit dir… abwechseln! Bitte verlange das auch nicht von mir! Ich will das nicht!!“ Mit seinem Ärmel wischte Kurokawa dem Jüngeren die Tränen von den Wangen und nahm ihn tröstend in den Arm. „Tatsumi… Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Das werde ich garantiert niemals von dir verlangen!“ Langsam wurde Tomoe ruhiger, und kurz darauf öffnete sich die Badezimmertür, und Rick und Phil kamen wieder zu ihnen. „Wir wären dann fertig“, sagte Rick und ging zur Wohnungstür. „Tomoe?“ „Ja?“, fragte dieser. „Danke. Ich liebe dich.“ Rick lächelte erst ihn und dann Phil zufrieden an. „Komm, Darling!“ Verwirrt sah Tomoe ihn an. „Wohin soll ich mitkommen?“ „Oh, ich meinte nicht dich.“ Er winkte Phil zu sich. „Wir gehen dann mal. Bleibt ruhig sitzen, wir finden allein raus. Bye-bye!“ „Auf Wiedersehen“, verabschiedete sich auch Phil. „Bye-bye“, riefen Tomoe und Kurokawa ihnen leise nach. Kurokawa stand vom Sofa auf und ging ans Fenster. Er sah, wie die beiden unten aus dem Haus kamen und zu Phils Motorrad gingen, das in der Einfahrt stand. Tomoe stellte sich zu seinem Mann. Rick griff nach einem Helm, doch Phil sagte etwas zu ihm, woraufhin Rick den Helm auf das Motorrad zurücklegte. Dann gingen die zwei zum Nebengebäude, und die beiden Beobachter verloren sie aus dem Blick. „Vielleicht gehen sie rauf, um sich noch mal ihre neue Wohnung anzugucken?“, vermutete Tomoe. „Nein, dann wären sie doch vorne ins Haus gegangen“, meinte Kurokawa. „Komisch. Na, egal. Ich ziehe mir jetzt erstmal was Richtiges an“ Tomoe verschwand im Schlafzimmer. „Fängst du schon mal an, alles für heute Nachmittag einzupacken?“, rief er ihm von dort aus zu. „Ja, ja…“ Da sich unten auf der Einfahrt nichts mehr tat, kehrte Kurokawa dem Fenster bald den Rücken zu und machte sich daran, die Sachen für den geplanten Ausflug zusammenzusuchen. Quietschend öffnete sich das von Phil aufgestoßene Tor in dem hölzernen Zaun, der den kleinen Garten hinter dem Haus umgab. „Sieht ja alles ganz schön verrottet aus“, meinte Rick, als er sich umsah. Beim Besichtigen der Wohnung vor einigen Tagen war er nicht hier hinten gewesen. „Tritt doch ein“, forderte Phil ihn auf. Dann standen sie mitten im Garten, um alles in Augenschein zu nehmen. Ein einzelner verrosteter Gartenstuhl, bei dem die beiden vorderen Beine abgebrochen waren, lag schief im Gras. Die Büsche wucherten wild durcheinander und bedeckten fast alles, was früher wohl einmal ein gepflegter Rasen gewesen war. Überschattet wurde alles von zwei großen Bäumen, die ihre gewaltigen Äste wie riesige Arme über sie hielten. Obwohl die Sonne hoch am Himmel stand, war es hier dunkel wie in der Abenddämmerung. In einem Gebüsch hinter ihnen fing es plötzlich an zu rascheln, und Rick hätte es nicht überrascht, wenn ein Gespenst oder sonst etwas Unheimliches herausgekommen wäre. Stattdessen stand aber nur ein großer schwarzer Kater vor ihnen, der mindestens genauso erschrocken guckte wie Rick. Die Ränder seiner Ohren waren von Rissen durchzogen, die Spuren jahrelanger Revierkämpfe. In seinem Maul hielt eine Maus und ließ ein drohendes Knurren hören, als ob er befürchtete, Rick wolle sie ihm streitig machen. Um das Ganze noch gefährlicher wirken zu lassen, machte er einen runden Buckel und sträubte das Fell. Rick wollte das Tier gerade wegscheuchen, als dieses die offene Tür entdeckte und von selbst verschwand. Rick warf ihm einen angewiderten Blick nach. „Schreckliches Vieh!“ „Ich finde ihn ganz niedlich“, meinte Phil. „Ist er dir noch nie aufgefallen? Du bist doch so oft hier bei Tomoe. Ich habe ihn jedenfalls schon öfter gesehen. Auf der Ranch hatten wir auch immer Katzen.“ „Wir sind hier aber auf keiner Ranch. Wir sind mitten in L. A.. Und wenn du mit dem Gedanken spielst, dieses Riesenvieh zu behalten, kannst du das gleich abhaken! Das kommt mir unter keinen Umständen in die Wohnung!“ „In der Wohnung will ich ihn auch gar nicht haben. Aber hier im Garten kann er uns sehr nützlich sein. Mäuse können einem die ganze Ernte zerstören.“ „Da spricht der erfahrene Bauer…“ „Wenn wir hier erst einmal Gemüsebeete angelegt haben, werden wir dankbar sein, dass wir ihn haben.“ „Du redest so, als gehöre er schon längst zur Familie!“ „Zur Familie… Das hast du schön gesagt.“ Phil drückte ihm einen sanften Kuss auf die Wange. „Ein paar von den Büschen müssten natürlich weg. Und wenn die Äste der Bäume etwas gestutzt werden, kommt auch wieder Licht hierher.“ „Okay, nun hast du mir den Garten ja gezeigt. Können wir jetzt wieder gehen?“ „Moment noch. Du weißt nun also genau, dass du Tomoe liebst.“ „Ja.“ „Aber hast du das nicht vorher auch gewusst? Warum musstest du ihn unbedingt küssen?“ „Ich musste wissen, ob ich etwas spüre, wenn ich ihn küsse. Oder ob es so sein würde, wie mit den Männern vor einer Woche. Da habe ich nämlich gar nichts gespürt. Als ich sie im ‚Challengers’ und den anderen Clubs gesehen habe, dachte ich bei jedem einzelnen, dass es mit ihm klappen würde. Aber als wir uns näher gekommen sind, war das alles weg. Ich hatte nur noch dich im Kopf.“ „Und als du Tomoe vorhin geküsst hast, war es da auch so?“ „Nein. Da war nur er.“ Rick seufzte verliebt auf. „Es war wunderschön. Ich liebe ihn. Jetzt bin ich mir ganz sicher.“ Phil konnte sich nicht entscheiden, ob er sich für seinen Mann freuen oder darüber traurig sein sollte. „Und was ist mit mir?“ „Ich weiß immer noch nicht, ob ich in dich verliebt bin“, sagte Rick ehrlich. „Ich weiß nur, dass ich in letzter Zeit… gerne mit dir zusammen bin. Und ich liebe es, wenn du mit mir schläfst. Das liebe ich wirklich! Und es fühlt sich schön an, wenn du an meinem Rücken liegst, wenn ich einschlafe. Verdammt, ich klinge wie ein verliebter Teenager…“, fügte er leise hinzu. ‚Er ist gerne mit mir zusammen’, dachte Phil. ‚Vor kurzem hat er noch etwas anders gesagt.’ Er griff in seine Hosentasche und nahm ein kleines Kästchen heraus. „Was denn, noch ein Ring?“ „Nein.“ Phil öffnete das Kästchen. In ihm lag ein kleines goldenes Herz mit zwei dünnen goldenen Ketten daran. Es war genau das gleiche wie das, von dem Rick eine Hälfte Tomoe geschenkt hatte. Nur, das hier nicht „Tomoe“ und „Rick“ eingraviert war, sondern „Rick“ und „Phil“. „Ich habe es von dem Geld aus dem Gewinn gekauft. Möchtest du es haben?“ Unschlüssig zuckte Rick mit den Schultern. „Lass es uns gemeinsam durchbrechen“, sagte Phil. Er fasste die linke Hälfte mit Ricks Namen an, Rick die rechte. Es gab ein kaum hörbares Geräusch, als das Herz zerbrach, und dann hielt jeder der beiden eine Hälfte in der Hand. „Willst du zuerst?“, fragte Phil. „Ja.“ Rick nahm ihm den Anhänger aus der Hand. Er öffnete die Kette, legte sie Phil um den Hals und schloss den Verschluss. Dann gab er ihm den zweiten Teil des Herzens. Auch Phil öffnete die Kette, aber er legte sie Rick nicht gleich um. „Hast du den anderen Anhänger dabei?“, fragte er. Rick fasste sich nun seinerseits in die Hosentasche und nahm das halbe Goldherz mit der „Tomoe“-Aufschrift heraus. Seit die Kette gerissen war, trug er es dort bei sich. Phil nahm es und zog es mit auf die Kette auf. Aus den zwei Hälften war wieder ein ganzes Herz geworden. Links mit dem Namen „Tomoe“, rechts mit dem Namen „Phil“. Lächelnd legte er Rick die Kette um und schloss sie. „Alles Gute zum Hochzeitstag, Rick. Ich liebe dich.“ „Dir auch alles Gute zum Hochzeitstag“, sagte Rick und legte ihm auffordernd beide Arme locker auf die Schultern. „Darf ich dich küssen?“, flüsterte Phil. „Frag nicht immer! Mach es einfach, wenn du es willst.“ Und Phil kam der Aufforderung nach. Der Kuss fühlte sich für Rick einfach nur schön an. Ganz anders als der mit Tomoe, aber irgendetwas war doch gleich. Ja, das Gleiche war, dass sowohl Phil als auch Tomoe Menschen waren, die ihm viel bedeuteten. Dass er für beide starke Gefühle hatte, die er, was Phil betraf, noch nicht hundertprozentig einzuordnen wusste. Doch was machte diesen Kuss so anders? Vielleicht die Gewissheit, dass Phil einzig und allein ihm gehörte. Und die Gewissheit, dass Tomoe für ihn unerreichbar war. Rick spürte den Baumstamm hinter sich, gegen den Phil ihn gedrückt hatte. „Pass auf, mein Anzug“, sagte er, während sie vom Küssen verschnauften. „Hab ich jetzt was von der Rinde am Rücken?“ Phil begutachtete seine Rückseite. „Nein.“ „Hm…“, machte Rick, als er sich überlegend den Stamm ansah. „Hast du ein Messer dabei?“ „In der Werkzeugtasche am Motorrad.“ „Hol es mal her.“ Ohne zu fragen, was Rick damit wollte, ging Phil zu seinem Motorrad und kehrte einen Augenblick später mit einem Taschenmesser wieder. Rick setzte es an den Baum an, aber die Rinde war zu dick, um etwas hineinschnitzen zu können. „Bei dem müsste es gehen“, meinte Phil und zeigte auf einen kleines Bäumchen, das nahe am Zauntor stand. Der Stamm war so schmal, dass Rick Schwierigkeiten hatte, das in die Rinde zu ritzen, was er vorhatte. Aber am Ende war es ihm doch gelungen, und jetzt war der Baum mit einem „R + P“ verziert. „Eigentlich müsste noch ein Herz herum“, sagte Rick. „Und die Jahreszahl fehlt auch.“ „Gib mir das Messer.“ Mit den geschickten Händen eines Künstlers schnitt Phil vier Ziffern unter den beiden Buchstaben in die Rinde und vollendete das Bild mit einem herzförmigen Umriss. „Hoffentlich geht der Baum jetzt nicht ein“, befürchtete Rick. „Glaube ich nicht. Sieh mal, da unten haben Katzen ihre Krallen gewetzt. Und der Baum steht trotzdem noch.“ „Ich kann mir auch gut denken, welche Katze das war.“ Als wüsste er, dass von ihm die Rede war, schaute argwöhnisch der Kater um die Zaunecke. „Wenn er uns so anguckt, erinnert er mich total an Soichi“, sagte Rick. „Der hat auch so einen Blick drauf. Wir sollten ihn Soichi 2 nennen. Ja, er sieht aus wie Soichi in schwarz. Hm… schwarz…“, wiederholte er auf Japanisch. Kuro. „Wie in ‚Kurokawa’. Genau! Kuroichi, das ist es! So heißt er!“ „Findest du es nicht unhöflich, ihm einen Namen zu geben, den du aus den beiden Personen zusammengesetzt hast, die du am wenigsten leiden kannst?“ „Na und? Der Kater versteht das sowieso nicht. Komm, Kuroichi!“, lockte er. Doch der Kater machte nur fauchend einen Buckel und flüchtete. „Hör mal, Phil. Ich habe unsere Initialen da gerade nicht ohne Grund hineingeritzt. Ich glaube…“ Rick brach den Satz ab, sah zu Boden und dann durch die Äste hinauf in den Himmel. „Ich glaube“, begann er erneut und sah dabei Phil an, „dass ich jetzt wirklich bereit für eine Beziehung mit dir bin. Nicht nur so halbherzig, wie es bisher war. Ich will es noch einmal richtig mit dir versuchen. Ich habe einfach gemerkt, dass du mir wichtig bist und mir ausreichst. Nein, ihr“, verbesserte er sich. „Du und Tomoe. Ich werde dir aber keine Treueschwüre leisten, weil ich mich sowieso nicht daran halten kann. Und ich will es auch gar nicht. Im Moment habe ich kein Verlangen nach einem anderen, und ich werde es nicht darauf anlegen, jemanden kennen zu lernen. So wie die ganzen Männer letzte Woche. Aber wenn mir einer gefällt und es sich so ergibt, dann werde ich die Gelegenheit auch nutzen.“ Nach dem Kuss mit Tomoe hatte er ja die beruhigende Gewissheit, dass er nicht allein auf Phil fixiert war. „Ist das okay für dich?“ Phil, der ihn während dieser kurzen Rede die ganze Zeit mit einem glücklichen Lächeln angesehen hatte, nickte wortlos. „Klingt ganz schön verrückt, was? Erst eine Beziehung anzufangen, nachdem man schon geheiratet hat. Normalerweise läuft das umgekehrt.“ „Ist doch egal“, sagte Phil, der noch immer nicht fassen konnte, dass Rick all das tatsächlich gerade zu ihm gesagt hatte. „Und es macht dir wirklich nichts aus, dass ich Tomoe liebe?“ „Nein. Rick?“ „Ja?“ „Darf ich dich um einen Gefallen bitten?“ „Welchen?“ „Kannst du mir einmal sagen, dass du mich liebst? Auch, wenn du es nicht so meinst?“ „Phil…“ Rick atmete tief durch. „Wenn ich es sage, dann nur, wenn ich es auch so meine. Ansonsten wäre es eine Lüge. Und ich will dich nicht anlügen.“ „Es ist mir egal, ob du mich anlügst. Ich möchte es nur einmal aus deinem Mund hören. So wie früher, als wir das erste Mal zusammen waren.“ Nachdenklich wippte Rick auf den Zehenspitzen auf und ab. Phil bat ihn so selten um etwas. Er begnügte sich üblicherweise damit, Ricks Wünsche zu erfüllen. War es da nicht angemessen, ihm diesen kleinen Gefallen zu tun? „Okay. Phil, ich liebe dich“, sagte er. Zugegebenermaßen, ohne besonders viel Gefühl hineinzulegen. „Danke. Ich hoffe, eines Tages meinst du diese Worte wirklich so.“ Versonnen ließ Phil die beiden Anhänger an Ricks Hals durch seine Finger gleiten. „‚Tomoe’ und ‚Phil’. Das wären dann die Namen der Männer, die du liebst.“ „Die Männer, die ich liebe“, wiederholte Rick lächelnd. „Das könnte auch ein Titel von einem deiner indischen Filme sein.“ Er sah auf seine Armbanduhr. „Wenn wir noch länger hier stehen, fangen meine Eltern ohne uns an zu feiern. Lass uns jetzt fahren.“ Sie verließen den Garten wieder, Phil schloss das Tor, und dann gingen sie zurück zum Motorrad. Verschlafen streckte Tetsuhiro sich. Er war gerade wach geworden und hatte gemeint, Soichi irgendwo im Nebenzimmer fluchen zu hören. Auf Soichis Kopfkissen neben ihm lag die schneeweiße Katze und schlief. „Soichi?“, rief er. Der Angesprochene kam mit finsterem Blick zu ihm ins Schlafzimmer getrampelt, riss die Schranktür auf und fing an, wahllos Kleidungsstücke in einen Koffer zu stopfen, wobei die Hälfte davon daneben landete. „Sprich mich bloß nicht an! Ich bin so was von in Rage!!“ „Was…“ „Ich muss nach Amerika! Sofort! Ich muss Tomoe helfen!“ Erschrocken setzte sich Tetsuhiro im Bett auf. „Was ist denn passiert?“ Soichi holte sein Notebook aus dem Wohnzimmer und warf es vor Tetsuhiro auf die Bettdecke. „Da! Lies die E-Mail, die er mir geschrieben hat!“ Müde rieb sich Tetsuhiro die Augen und sah auf den Bildschirm. „Was soll ich denn da lesen? Ich sehe nur ein paar Fotos. Auf dem einem ist so eine komische Katze drauf. Auf dem anderen sind ein Mädchen und ein Mann, der sich als Ägypter verkleidet hat. Hm… kann es sein, dass der Typ irgendwie Rick ähnlich sieht? Und auf dem dritten… oh Mann, ist das Rick? Wie sieht der denn aus?“ „Was?“ Wütend warf Soichi einen Blick auf den Computer. Er löschte Tomoes E-Mail mit dem Betreff „Rick mit neuer Haarfarbe, Ricks Großeltern, der Kater von Rick und Phil“ und klickte die richtige Nachricht an. „Das ist sie.“ „‚Hallo Soichi’“, las Tetsuhiro. „‚heute Nachmittag waren Kurokawa und ich am Strand. Ich habe versucht, zu surfen. Aber das hat nicht gut geklappt. Außerdem war es total kalt! Und windig! Kurokawa kann auch nicht surfen. Phil kann gut surfen und Rick auch, aber die waren nicht da. Ich habe eine Sandburg…’“ „Lies das, was er am Schluss geschrieben hat!“, unterbrach Soichi ihn. „‚Heute Morgen waren Rick und Phil hier. Wusstest du, dass Rick eigentlich ganz dunkle Haare hat? Er hat sie sich jetzt dunkelbraun gefärbt. Kurokawa hat mit Rick einen Vertrag gemacht. Da steht drin, dass Rick mich küssen darf. Phil wollte das auch. Dann hat Rick mich geküsst. Kurokawa ist echt lieb. Er hat mich hinterher getröstet, weil ich geweint habe. Viele Grüße von Tomoe!’“ „Dieses Schwein von Kurokawa!“, fluchte Soichi und trat gegen den Koffer. „Jetzt hat der sich auch noch mit diesem Rick verbündet! Und dieser Phil macht auch noch mit! Aber der ist Rick ja sowieso hörig!“ „Jetzt beruhige dich doch mal!“, sagte Tetsuhiro gähnend. „Du hast bestimmt etwas missverstanden.“ „Ich wüsste nicht, was es da misszuverstehen gibt!“ „Hast du denn mal bei ihm angerufen?“ „Nein! Ich kläre das persönlich, wenn ich vor Ort bin!“ Aufgebracht steckte Soichi sich eine Zigarette an. „Aber du kannst doch nicht einfach so da hinfliegen und bei denen einfallen! Überleg doch mal. Kurokawa und Rick können sich auf den Tod nicht ausstehen. Glaubst du wirklich, die beiden hätten sich verbündet? Um Tomoe zu ärgern?“ „Bei diesem Kurokawa weiß man nie! Und Rick ist auch nicht besser!“ Mit diesen Worten verließ er das Schlafzimmer wieder. Da Soichi ganz offensichtlich nicht vorhatte, in Kalifornien anzurufen, griff Morinaga nach dem Telefon neben dem Bett. Er drückte eine Taste, wartete einen Moment, und dann hatte er Tomoe am anderen Ende dran. „Hallo Tomoe! Hier ist Tetsuhiro!“ „Oh, hallo! Schön, dass du anrufst! Wie geht’s euch?“ „Tomoe, dein Bruder ist ziemlich… nun, aufgewühlt wegen deiner E-Mail.“ „Die, die ich ihm letzte Woche geschickt habe? Hat er die erst jetzt gelesen? Habt ihr auch die andere gekriegt? Die mit den Fotos?“ „Ja. Mit unserer Internetverbindung stimmte irgendetwas nicht. Soichi hat die E-Mails erst vorhin bekommen.“ „Und wieso ist er aufgeregt? Weil ich surfen war? Macht er sich Sorgen deswegen? Es war gar nicht gefährlich. Ich hatte ja eine Schwimmweste an.“ „Nein, es ist mehr, weil du geweint hast, weil Rick dich geküsst hat.“ „Ach, das! Das hast du falsch verstanden“, sagte Tomoe und lachte. „Ich habe nur ein bisschen geweint wegen etwas, das Rick zu mir gesagt hat.“ Tetsuhiro wunderte sich ein wenig, weil Tomoe so übertrieben erheitert sprach. „Bist du betrunken?“ „Wer ist betrunken?“, fragte Soichi, der gerade wieder ins Zimmer gestampft kam. „Mit wem telefonierst du?“ „Mit deinem Bruder.“ Tetsuhiro gab ihm den Hörer. „Tomoe?“, rief Soichi besorgt und setzte sich auf die Bettkante. „Was hat dieser Kurokawa dir angetan?“ „Er hat mir gar nicht angetan.“ Wieder lachte Tomoe. „Entschuldige… Rick und ich haben wohl ein bisschen zu viel getrunken.“ „Rick? Wieso betrinkst du dich auch noch mit ihm, nach allem, was passiert ist?!“ „Er tat mir so leid! Er war so traurig, weil er mich nie wieder küssen darf.“ „Ich verstehe nicht…“ „Na, der Vertrag! Kurokawa hat doch mit ihm vereinbart, dass Rick mich nie wieder küssen darf. Er durfte mich nur einmal küssen. Willst du mit Rick sprechen? Er und Phil sind nämlich auch hier. Rick! Kommst du her?“ „Hey, Doc! Ist Tetsuhiro bei dir?“, kicherte Rick in den Hörer. Damit Tetsuhiro nichts sagen konnte, hielt Soichi ihm mit der freien Hand den Mund zu. „Nein, Tetsuhiro ist nicht hier!“ „Schade…“, sagte Rick enttäuscht. „Wait… ich gebe dir Tomoe wieder… Darling, hast du noch was von dem Kakao da?“ „Ja, neben dem Sofa“, antwortete Tomoe, der nun wieder am Apparat war. „Und? Was macht ihr so? Feiert ihr auch? Kurokawa und ich feiern gerade zusammen mit Rick und Phil ihren einmonatigen Hochzeitstag nach. Und unseren auch, weil wir… letzte Woche gar nicht… richtig gefeiert haben… Oh, jetzt habe ich Schluckauf… Ich glaube, ich habe… zuviel von den… belgischen Pralinen gegessen… die Phil in so einem Feinkostgeschäft… gekauft hat. Die waren… total teuer. Aber sehr lecker.“ „Wir hatten letztes Wochenende auch keine Zeit zum Feiern“, sagte Soichi, während sein Bruder anscheinend versuchte, mit Luftanhalten seinen Schluckauf loszuwerden. „Das haben wir gestern Abend im ‚Adamsite’ nachgeholt. Und zuhause haben wir noch ein bisschen weitergefeiert.“ „Oh, Engelchen…“ Hiroto kam langsam ins Schlafzimmer. Er hielt sich einen nassen Waschlappen zur Kühlung an den Kopf. „Was macht ihr denn hier für einen Lärm?“ Er ließ sich neben Tetsuhiro lang ausgestreckt aufs Bett fallen. Die Katze, die gerade das Kopfkissen verlassen hatte, kletterte auf seinen Bauch, wo sie sich zufrieden in sein Hemd krallte. „Nie wieder Alkohol…“ „Wie geht’s Yashiro?“, erkundigte sich Tetsuhiro bei seinem besten Freund. „Der schläft noch auf eurem Sofa…“, antwortete Hiroto. „Weißt du schon das Neueste?“, fragte Tomoe seinen Bruder. „Phil hat gestern und vorgestern zwei ganz wichtige Prüfungen bestanden. Nicht mehr lange, dann ist er Diplom-Physiker. Er war ja schon vor zwei Jahren oder so fast fertig. Aber damals hatte er das Studium abgebrochen. Wegen Rick. Du, Phil hat schon mit vierzehn angefangen zu studieren.“ „Aha“, warf Soichi uninteressiert ein. „Und sein Professor setzt sich jetzt dafür ein, dass er die restlichen Prüfungen so schnell wie möglich machen kann. Siehst du? Wir haben echt viel zu feiern!“, gluckste Tomoe beschwipst. Da hörte Soichi Kurokawas Stimme aus dem Hintergrund: „Lass das mit dem Blasen, Rick! Mensch, guck doch! Jetzt ist das alles auf dem Tisch! So eine Schweinerei…“ „Sorry, hab nicht aufgepasst“, hörte er daraufhin Rick sagen. „Mist, auf dem Teppich ist auch was gelandet“, schimpfte Kurokawa. „Ich hoffe nur, die Flecken gehen wieder raus…“ „Was macht ihr da eigentlich?!“, fragte Soichi in einem nicht gerade freundlich zu nennenden Ton. „Tut mir leid, ich muss da mal eben hin und was zum Aufwischen holen“, sagte Tomoe, ohne auf die Frage seines Bruders einzugehen. „Ruf morgen oder so noch mal an, ja?“ Dann klickte es in der Leitung, und nur noch ein Piepen war zu hören. Tetsuhiro, der einen Teil des Gesprächs mitbekommen hatte, meinte: „Du siehst, es ist alles in Ordnung.“ Soichi knallte den Hörer auf die Gabel und zog verbittert an seiner Zigarette. Kopfschüttelnd stand er auf und sah seinen Mann an. „Ich hatte noch keinen Kaffee heute.“ „Soll ich dir jetzt Kaffee kochen oder was? Mir geht’s total schlecht. Ich will liegen bleiben.“ „Kein Wunder. Nach der Nacht“, fügte Hiroto hinzu. „Dann koch du Kaffee!“, wies Soichi ihn an. „Hey, du kannst Hiroto nicht einfach zum Kaffeekochen abkommandieren!“, beschwerte sich Tetsuhiro. „Er ist unser Gast!“ „Wer soll das denn sonst machen? Du weigerst dich ja, Yashiro schläft, und ich kann das nicht. Und die Katze wird es wohl auch kaum können!“ Hiroto setzte das Tier neben sich und erhob sich vom Bett. „Ist gut. Ich mache eine Kanne.“ Tetsuhiro griff nach seinem Arm. „Nein. Du brauchst das wirklich nicht zu machen. Das wäre ja noch schöner!“ Er stand auch auf. „Ich mache Kaffee.“ „Aber Engelchen, bleib doch liegen, wenn es dir so schlecht geht!“ „Jetzt fangt nicht an zu streiten!“, mischte sich Soichi ein. „Am besten geht ihr beide in die Küche. Dann geht das auch schneller, und ich muss nicht so lange warten.“ Hiroto machte sich auf den Weg in die Küche, und Tetsuhiro folgte ihm. „Frühstück hatte ich auch noch keins.“ Tetsuhiro sah sich um. „Darf es sonst noch etwas sein?“, fragte er in beißendem Ton seinen Mann, der sich soeben auf dem Bett ausgebreitet hatte. Rauchend nickte Soichi hinüber zu dem Chaos vor dem Kleiderschrank. „Aufräumen könntest du auch noch. Aber das hat Zeit bis nachher.“ „Oh, sehr großzügig!“, gab Tetsuhiro zurück und ging dann zu Hiroto. Schnurrend legte sich die Katze auf Soichis Brust und starrte ihn aus ihren halbgeschlossenen bernsteinfarbenen Augen an. Soichi drückte den Rest der Zigarette im Aschenbecher neben dem Bett aus und fing an, die Katze zu streicheln. Ihre Augenlider schlossen sich immer mehr, und auch Soichi hatte Schwierigkeiten, die Augen offen zu halten. Eigentlich war er noch müde. Die wenigen Stunden Schlaf der letzten Nacht waren nicht genug gewesen. Er gähnte und sah zur Decke. Dann sah er wieder auf die Katze, die sich schon irgendwo zwischen Wachsein und Schlafen befand. Soichi sanken die Augenlider hinunter. „Engelchen! Jetzt sieh dir das an!“, rief Hiroto ein paar Minuten später. Tetsuhiro kam mit einer vollen Kaffeekanne und einer Tasse ins Schlafzimmer. „Na toll. Wir beeilen uns extra, und er schläft!“ Er wollte zum Bett gehen und Soichi wecken, aber Hiroto hielt ihn zurück. „Lass ihn bloß schlafen! Wir gehen jetzt schön zurück in die Küche und frühstücken gemütlich. Ja?“ Verärgert warf Tetsuhiro einen letzten Blick auf den Schlafenden und wandte sich dann seinem Freund zu. „Du hast Recht.“ Und ohne, dass Soichi etwas davon mitbekam, verließen die beiden das Zimmer, um zusammen mit dem inzwischen wach gewordenen Yashiro ein gemütliches Frühstück zu sich zu nehmen. Ende Wie ich’s gesagt habe: Es fließen Tränen! XD Das Ende des Kapitels passte ja nun gar nicht zum Rest. ^^’’’ So, so, Rick & Phil bestellen sich also was aus ’nem Katalog für Erwachsene? Da trifft bei Phil wohl das Sprichwort „Stille Wasser sind tief“ zu. XD Wobei wir ja nicht wissen, was das für ein Katalog ist. Da mögen ja ganz harmlose Sachen verkauft werden. Tja. Mysteriös… X3 Kakaoblasen machen macht Spaß… XD (@ FREISCHALTER/IN: Kurokawas "Lass das mit dem Blasen" bezieht sich natürlich darauf, dass Rick wieder mit nem Strohhalm Blasen in den Kakao pustet! XD ) Es ist übrigens beabsichtigt, dass „Uncle“ Rick Steven mit dem Spitznamen Steve anspricht. Ich habe also nicht das „n“ vergessen. ^_~ Und Rick und Jamal sprechen sich nicht etwa deswegen mit den Nachnamen an, weil sie sich nicht mögen, sondern weil Männer das halt (manchmal) so machen. ^_~ *lol* Sorry, Ricks Vater ist vom Typ her irgendwie genauso geworden wie Soichis Vater… ^^’’’ @ LESER/INNEN: Vielen Dank für die ganzen Kommentare zu dieser FF und die vielen Favos!! ^_________^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)