Ju-On: The Grudge - Kidzukai von abgemeldet (13 kurze Kapitel) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Nerima ist ein Stadtteil in Tokyo. Früher, so erinnert sich Haruki, war es ein sehr belebtes Viertel; Märkte, Parties, Drogen, Sex, es gab dort einfach alles. Seit einiger Zeit allerdings, bietet Nerima das widersprüchliche Bild einer Großstadt, in der der Frieden eines südjapanischen Bauerndorfes zu Hause ist. Die breiten Straßen, die gezeichnet sind von jahrealten Schlaglöchernwirken angesichts des winzigen Verkehrsaufkommens hier geradezu lächerlich. Die Ampeln waren seit Ewigkeiten nicht mehr in Betrieb - warum auch, für die paar Male am Tag, an denen hier zufällig mehrere Autos die selbe Kreuzung passieren? Es wirkt, als wäre Nerima für das Leben zu groß geworden. Grundstücke und Immobilien bekommt man hier nachgeschmissen. “Komm schon, Kaito.” “Jaja...” Kaito, der ein paar Meter hinter seinem Kumpel stehen geblieben war und nun aufholt, ist schon eher ein typischer Physikstudent, als Haruki: Unreine Haut, schiefe Zähne, dicke Brille. Er wohnt weiter im Zentrum Tokyos, kriegt allerdings von dem Leben dort wenig mit, da er sich die Nächte mit Bewegungsgleichungen und Halbwertzeiten radioaktiver Massen um die Ohren schlägt. Über Frauen hatte er sich noch nie Gedanken gemacht. Momentan gibt es einfach wichtigeres. “Und Gefällt es dir?” fragt Haruki. “Hm, also ich muß schon sagen...” Kaito weiß nicht, was er antworten soll. Er hat nach einem ruhigeren Plätzchen innerhalb Tokyos ausschau gehalten und findet es toll, daß Haruki einige Ideen mit einbringt. Er würde sich ja ganz wohl hier fühlen, aber da war dieses Gefühl ... “Was mußt Du sagen?” “Naja, es ist schon das, was ich mir vorstelle.” ... auf diese Art von Gefühl hat er noch nie viel gegeben, da es sich grundsätzlich aus falsch herausgestellt hat. Aber das hier war stärker ... “Na, das hört sich ja nicht gerade begeistert an. Was hast du denn? Ruhig, und doch im Zentrum. Und ich wette, wenn du hier ein Haus betrittst, küßt du am selben Tag noch eine wunderschöne Frau.” ... wenn er hier wohnen sollte, dann müßte dieses Gefühl schnell nachlassen... “Ich weiß nicht. Ich möchte mich noch etwas umsehen.” murmelt Kaito. ... die ganzen leeren Häuser; irgendetwas kann doch hier nicht stimmen ... Kapitel 2: ----------- Kasuo Akio hatte es mit letzter Kraft nach Hause geschafft, und sich in eine Ecke gekauert. Überall im Haus brennt Licht. “Hält Geister fern” dachte er sich. Seine Frau kommt in die Tür. “Was ist los mit dir, Akio-kun?” “Laß mich in Ruhe!” “Du spinnst schon wieder. Sprich nicht so mit mir!” “Entschuldige, ich muß nachdenken. Morgen erzähle ich dir alles.” “Gut. Ich gehe schon ins Bett.” Keine Antwort. Immernoch drehen sich seine Gedanken um das eine Thema: Wie komme ich da nur wieder heraus? ... Ju-On ... ... ausgesendet von jemandem, der mit großer Trauer oder Wut gestorben ist... ... heftet sich an den Ort des Todes ... ... wer immer sich dort aufhält, wird auch verflucht ... ... heftet sich an den Ort des Todes? Natürlich, wenn der Ort, an den er sich heftet... Ein Blick auf die Uhr. “Vielleicht habe ich Glück.” Er springt auf, und hechtet zum Telefon. Die Nummer kennt er auswendig. “Geh ran,” murmelt er. “Los!” Die Begrüßung überrascht ihn, aber darauf kann er nicht achten. “Nein, ich bins!” “Jajaja. Das Haus kann abgerissen werden, die Statik ist geprüft, Alles ist in Ordnung.” Er weiß nicht, wie schlecht er lügt. “Machen Sie das bitte noch, es geht ja schnell.” “Ja, ich warte.” Kapitel 3: ----------- “Laß mich in Ruhe,” pfiff er seinem Sohn zu, der sofort wortlos wegrannte, und die Gedanken des Mannes versanken wieder in dem kleinen Buch. Nervös kaute Takeo an seinen Fingernägeln. Sein Gesicht war verzerrt vor Wahnsinn, und seine Atmung war flach und schnell. Man könnte meinen, er säße auf einem Nadelkissen. Sein Gesicht lag im Dunkeln, sonst hätte man sehen können, wie grün es ist. In seiner Hose spürte er eine Erektion. Er zitterte, als er wieder auf die schlechte Skizze eines Männerkopfes sah, um das lauter Herzen in roter Tinte prangten. Er blätterte um und las weiter: “Heute habe ich ihn wieder in der Uni gesehen, er hatte etwas verwuschelte Haare, das war so süß. Später, als er durch die Reihen gegangen ist, hat er mich kurz angesehen. Ob er mich am Duft erkannt hat? Leider habe ich heute erfahren, daß er eine Frau hat. Bin ich vom Unglück verfolgt? Oh, ich will ihn; hörst du, Peter? Ich will dich, nur dich! Bitte folge mir wieder in meine Gedanken, wenn ich ...” Diesen Satz wollte Takeo nicht zuende lesen. Er blätterte so hastig um, daß die Seite einriß. “Ich weiß, wo er wohnt! Endlich habe ich es geschafft, in die selbe U-Bahn zu kommen. Jetzt kenne ich sogar seine Telefonnummer. Ich habe ihn zwei mal angerufen, da hat seine Frau abgehoben, und einmal, da war er dran. Seine Stimme ist noch geiler am Telefon, auch wenn ich ihn dann nicht sehe. Ich vergehe vor Lust. Ich brauche nur an ihn zu denken und habe einen Orgasmus nach dem anderen. Ich habe ihm heute einen Strauß Blumen vor die Tür gelegt...” Takeo wußte, daß jedes Wort, das er in diesem Buch lesen würde, ihn mehr und mehr in den Wahnsinn treiben würde, aber er las, Abschnitt für Abschnitt, Seite, für Seite. Kapitel 4: ----------- Kiyoshi hatte sich in einen Schrank verkrochen und begonnen, heulend ein Vater-Unser nach dem Anderen zu flüstern, obwohl er kein Christ ist. Dann hatte er etwas gehört, und die Luft angehalten. “Nur keinen Laut”, denkt er sich. Er versucht das Zittern zu unterdrücken. Die Stille stimmt grotesk in die totale Dunkelheit in dem Schrank ein. Hat er sich das nur eingebildet? Kiyoshi ist körperlich schwach konditioniert und so zwingt sein Reflex ihn schnell wieder zum Ausatmen. Die körperliche Anstrengung hat ihn etwas beruhigt und ihn wieder zum klaren Denken befähigt. Er versucht seine Situation zu analysieren: Herr Kasuo hatte ihn in dieses Haus geschickt, um die Statik zu überprüfen. Er hatte sich im unteren Stockwerk von seinem Kollegen getrennt, um das Obere zu untersuchen. Dann war da dieses Scharren und Platschen in dem Zimmer am Ende des Ganges, und obwohl er wußte, daß er nicht sollte, ging er hin, und... Wieder ergriff ihn Panik; daran darf er jetzt auf keinen Fall denken. Jedenfalls muß der Schrank zu bleiben, wenn er nur den Hauch einer Chance haben will. Da war das Geräusch schon wieder. Es klingt, wie ein Röcheln, fast so, als würde jemand versuchen, den tiefsten Ton zu singen, zu dem seine Stimme fähig ist. “Wo kommt das her?” Er fingert zitternd nach seinem Feuerzeug. Eine Träne rinnt aus seinem rechten Auge. Er hyperventiliert, weil er weiß, daß er das, was auch immer der Schein seines Feuerzeuges gleich enthüllen wird, nicht sehen will. Langsam bringt er das Feuerzeug 20 cm vor sein Gesicht, wie ein Verurteilter auf dem Weg zum elektrischen Stuhl, der durch einen langsamen Gang sein Schicksal noch einige Sekunden hinauszögern will. “... Amen”, denkt er und zündet. Doch der Schrank ist leer, wie vorher. Sofort läßt er den Gasknopf los, und sitzt wieder in völliger Dunkelheit. Lange Minuten verstreichen. Das Röcheln ist immer noch da, aber es muß aus dem Zimmer kommen, aus dem er in den Schrank geflüchtet ist. “Was ist das nur?” Im Bewußtsein darüber, daß er ja nicht ewig hier drin bleiben könne, auch wenn er hier vorerst sicher ist, legt Kiyoshi seinen Finger auf die leichte Schiebetür. “Ich muß verrückt sein.” Er öffnet den Schrank einen Spalt. Dunkelblaues, fahles Licht dringt durch ihn hinein, in dem sich ein Schatten bewegt. “Ich begehe gerade meinen letzten Fehler.” ruft es in seinem Verstand. Er schiebt sein Auge hinter den Spalt. Der Angst in seinem Gesicht weicht das pure Entsetzen. “Oh nein, bitte, nur das nicht...” Vor seinen Augen kriecht ein in ein blutiges, weißes Nachthemd gehüllter, schlanker Frauenkörper im Staub des Zimmers. Ihre Bewegungen werden durch spastische Zuckungen gestört und ihr Haar hängt speckig ins Gesicht. Der Mund und die Augen sind weit aufgerissen, der Kopf hängt lose an den Schultern und schleift bisweilen auf dem Boden. Aus ihrer Richtung klingt das schreckliche Röcheln. Kiyoshi weiß, daß es das vernünftigste wäre, die Schranktür sofort wieder zuzuschieben, solange er unbemerkt ist, aber er kann seine Blicke nicht von diesem Wesen reißen, das sich dort vor ihm auf dem Boden windet, und ungelenk vorwärts arbeitet. “Bitte geh weg, laß mich hier raus.” denkt er. Eine durchdringend piepende Melodie zerreißt die angespannte Stille. Zu keinem klaren Gedanken mehr fähig, fingert er sein Mobiltelefon aus der Tasche und schlägt er auf die Tasten des Gerätes ein, bis es schweigt. Dann schaut er wieder aus dem Spalt. Die Frau ist wie in der Bewegung erstarrt und hat ihren Kopf, den sie nur mit großer Anstrengung halbwegs aufrecht halten zu können scheint, auf den Schrank zugedreht. Durch die langen schwarzen Haare sieht er in ein schneeweißes Gesicht, früher sichtbar schön, aber jetzt vom Hass entstellt. “Das war's.” Kiyoshi schreit aus voller Lunge, wie er beobachtet, wie sie sich unter größter Mühe zuckend aufrichtet, als wolle sie ihm dafür Anerkennung zollen, daß er sich so lange vor ihr hatte verstecken können, wie ihr Kopf aber aber wieder herab fällt, sie auf die Knie zwingt, auf denen sie unsicher Zentimeter für Zentimeter auf den Schrank zurutscht, und eine Hand nach dem verzweifelt um sein Leben schreienden Mann ausstreckt. Dann Stille. Kapitel 5: ----------- "Brauchen sie Hilfe?" fragt Kaito den ängstlichen, elegant gekleideten Mann, der vor dem Hauseingang steht und wie gebannt auf das Haus starrt. "Entschuldigung?" entgegnet er verschreckt und löst den Klammergriff von dem alten Eisentor. Die unerwartete Stille gibt den beiden Physikstudenten die Möglichkeit, die Todesschreie zu hören, die aus dem Haus dringen. Kaito reißt geistesgegenwärtig das Eisentor auf, rennt in das Haus und hört nicht mehr, wie ihm der Alte verzweifelt hinterherruft. “Bleiben Sie hier, gehen Sie nicht in das Haus!” “Wer sind Sie, und was geht hier vor?” fragt Haruki. Der Mann versucht sich zu fangen und stottert: “Mein Name ist Kasuo Akio, ich leite ein Abrißunternehmen. Man sagt, dieses Haus dort wäre verflucht und nun soll es abgerissen werden; ich habe zwei Statiker einer anderen Firma in das Haus geschickt, weil ich selbst nicht hinein wollte. Das war vor einer Stunde.” Erst jetzt schlug Kasuo das Gewissen. “Einer der beiden hat die ganze Zeit auf sein Telefon gesehen. Seine Frau erwartet jeden Moment ein Kind.” Die Schreie sind mittlerweile verstummt. “Sie Idiot! Wenn dieses Haus verflucht wäre, dann wäre es unverantwortlich, Menschen im Unwissen dort hineinzujagen, und wenn sie hören, daß jemand schreit, ist es unverantwortlich, hier stehen zu bleiben und nichts zu tun. Kommen Sie jetzt mit, Kasuo-san, vielleicht können wir noch jemandem helfen.” Kasuo antwortet nicht, schaut nur gebannt auf das Haus. “Dann bleiben Sie hier, Sie Feigling. Ich glaube nicht an Flüche.” schimpft Haruki und läuft Kaito hinterher. Kapitel 6: ----------- Der Schlüssel klickte fröhlich in der Tür, sie sprang auf. “Ich bin wieder zu Hause”, trällerte Kayako, und warf die Tür hinter sich zu. Es kam keine Antwort, aber das bemerkte sie nicht. Die 28-jährige Hausfrau warf mit einer jugendlichen Leichtigkeit und einem Lächeln auf dem Gesicht ihre Schuhe in die Ecke und schlüpfte in das letzte Paar Stoffschuhe, das noch auf dem Abtreter stand. Dann griff sie hinter ihren Kopf, schob ihren Zopf aus dem Haargummi und schüttelte ihre langen, schwarzen Haare durch. Mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen hopste sie die Treppe hinauf, und ins Badezimmer, um Wasser einzulassen. Danach schlenderte sie auf ihr Zimmer zu. Es würde heute genau so sein, wie immer: Zuerst würde sie das Tagebuch aus seinem Versteck holen, um all das festhalten, was sie heute erlebt hatte. Dann würde sie das Foto aus dem hinteren Teil des Buches nehmen, und damit ins Badezimmer... Sie wollte durch die Tür gehen, mußte aber ihren Gang bremsen, indem sie sich am Türrahmen festhielt. Das hübsche Lächeln fiel schwer wie ein Sack Zement aus ihrem Gesicht. In ihrem Zimmer wartete das nervliche Wrack des Mannes auf sie, den sie vor einigen Jahren geheiratet hatte und klammerte sich an ein kleines, handgeschriebenes Buch. Seine Kleidung war durchgeschwitzt und in aus seinem Gesicht konnte Kayako genau lesen, was jetzt passieren sollte. Er streckte seine Hand nach ihr aus und stieß mit dem Kopf gegen die Deckenlampe, wie er beschleunigte – egal. Kayako wollte fliehen, auf die Straße, schreien, war aber im Nachteil da sie sich erst umdrehen mußte, und so bekam Takeo sie an der Bluse zu fassen. Sie zog und warf sich hin und her, sodaß er einige Male fast die Kontrolle über sie verlor. Gleichzeitig entwickelte sie eine solche Kraft, daß sie in dem Gerangel ihren Mann fast bis zur Treppe mitzerrte. Dort gab er auf, warf sie mit voller Wucht zu Boden und versetzte ihr zwei schwere Tritte. Ein Wutanfall überkam ihn, aber er wollte sich mit seiner Frau Zeit lassen und so entlud er ihn gröhlend an den Wänden, bis er merkte, daß der sich Körper, den er mit seinen Füßen fixieren wollte, wieder fortbewegte, und die Treppe herunterkriechen wollte. Der Mann fing sich und nahm den Fuß von dem Rücken des weißen Oberkleides. Kayako witterte Hoffnung, wie sie merkte, daß ihr Mann sie gewähren ließ. Sie wußte, wenn sie sich jetzt aufzurichten versuchte, würde er wieder angreifen. Also blieb sie unten, und versuchte schluchzend auf den Händen, die Treppe herunterzurobben. Nach neun Stufen kam der kleine Absatz und es ging nach links weiter. Sie drehte sich um. Takeo folgte nun langsam. Die Erniedrigung, vor ihrem Mann zu kriechen, nahm Kayako in Kauf, wenn sie dadurch ihr Leben retten konnte. Obwohl sie wußte, daß er sie nur quälen will, spürte sie noch eine Überlebenschance und kletterte die letzten fünf Stufen hinab, immer zwischen den Füßen ihres Mannes. Als er Merkte, daß sie die Haustür ansteuerte, bückte er sich und griff sie bei den Haaren. Kayako schrie. Er zog ihren Kopf zu sich heran und nahm ihn dann zwischen beide Hände. Kurz konnte sich die Frau noch wehren, dann ließen ihre Halsmuskeln nach. Ein häßliches Knacken drang durch das Haus. Die Luft, die sie für den nächsten Schrei gesammelt hatte, entwich durch die verdrehte Luftröhre in einem gluckernden Röcheln. Sie lebte noch. Die Schmerzen waren unvorstellbar. Ihr Mann hielt ihren Kopf so, daß sie zufällig genau unter das Geländer sehen konnte, wo ihr Sohn saß, und sich unsicher an zwei Stangen festklammerte. Dann trübte sich ihr Blick. Takeo verharrte am Ende seiner Bewegung, um für eine Minute sein Werk zu betrachten, auch wenn in ihm noch immer unermeßliche Wut tobte. Er bemerkte in Kayakos totem Gesicht einen seltsam entsetzten Gesichtsausdruck, der auf eine eigenartige Weise nicht in diese Situation passen wollte. Er folgte ihrem Blick, drehte sich um und sah seinen Sohn Toshio. “Bastard”, dachte er, sprang auf und hechtete die Treppen hoch. Oben angekommen war sein Sohn schon geflohen. Langsam schlich der Mann durch das Obergeschoß, durchsuchte ein Zimmer nach dem Anderen und fand seinen Sohn schließlich zusammen mit seiner Katze im Schrank seines Arbeitszimmers. Er packte beide. Obwohl der Junge nach Leibeskräften strampelte und schrie, konnte er sich nicht dagegen wehren, ins Badezimmer gezerrt zu werden. Kapitel 7: ----------- Im Oberen Stockwerk des kleinen Hauses hängen in den Fensten weiße, dünne Vorhänge. Kasuos Blick hatte sich an einer Efeuranke entlanggehangen die an einer Ecke des Hauses über den Balkon auf ein Fenster zuwuchs, auf dem er sich festgefroren Hatte, und je genauer er dort hinsieht umso enger zieht sich seine Lunge. Im Fenster war der Vorhang leicht zur Seite geschoben, sodaß eine kleine Lücke entstanden war. Den Blick in das Zimmer hinter dem Vorhang verwehrte ein dichter Schopf schwarzer Haare. Zwischen zwei Haarsträhnen blickte ein weit aufgerissenes Auge ihm direkt ins Gesicht. In diesem Moment kommt Kaito aus dem Haus. Sein Gesicht ist mit tiefen Kratzern versehrt. Schimpfend steuert er auf Kasuo zu: “Verdammtes Katzenbiest. Hätte mir wohl denken müssen, daß in diesem Chaos irgendwas widerliches lebt. Stimmt schon, was die Leute sagen: Schwarze Katzen bringen Unglück. So ein aggressives ...” Kaito hatte den Kopf gehoben und sah in Kasuos verängstigte Augen. “Was ist mit Ihnen?” Kapitel 8: ----------- Wenn ein Mensch aufgrund größten Zorns stirbt, dann bleibt dieses Gefühl am Ort des Todes zurück und wird ein Teil davon. Jedes Lebewesen, das sich an diesem Ort aufhält, ist von Stund' an zum Tode verflucht. Ist man einmal in den Griff von Ju-On geraten, dann gibt es kein Entkommen mehr. Kapitel 9: ----------- Haruki hatte sich durch einen Haufen von Gerümpel und Klopapier auf der Treppe voran gekämpft und hatte den Fuß gerade auf die letzte Stufe gestellt als er plötzlich die selbe Art von Furcht spürte, die er gerade noch in Kasuo gespürt hatte. Daß er nicht an Flüche glaubte, war tatsächlich nicht gelogen, es hatte ihn auch nicht gestört, daß es hier drin offensichtlich dunkler war als draußen, und die Treppe beim hinaufgehen laut geknarrt hat, aber im Resumée der heutigen Ereignisse entschied er für sich: irgendetwas war ist nicht in Ordnung. “Bitte, laß es nicht mehr knarren ...”, dachte er, hob seinen Fuß von der vorletzten Stufe, setzte die Zehenspitzen auf dem Teppich in der oberen Etage ab und biß die Zähne zusammen. Langsam verlagerte er das Gewicht nach vorne. Als spottete sie über seine Gedanken, ging ein laut krachendes Ächzen durch das alte Holz der Treppe. “Verdammt.” Er schüttelte das Klopapier von seinem anderen Fuß ab, zog nach und stand endlich oben. Die Tür neben ihm stand ein wenig offen: Das Badezimmer. Er ging hinein. Durch das Milchglasfenster strömte ein kaltes Licht. Sein Blick fiel auf die Wanne, in der so trübes Wasser stand, daß man keinen Zentimeter tief sehen konnte. Er kniete sich über sie. In ihr schwammen halblange schwarze Haare. Er wollte eines herausfischen, nur um sich selbst seinen Mut zu beweisen. Er streckte drei Finger aus und ließ sie dicht über dem Haar schweben, so nah, daß er die Wärme des Wassers spürte. Er war hochkonzentriert, fixierte das Haar mit beiden Augen. Seine Finger tauchten in das Wasser ein. Dann zuckte er zurück: Von unten hörte er eine schreiende Katze, dann die fluchende Stimme seines Kommilitons Kaito, dann eine knallende Tür. Durch leises Lachen versuchte er, sich von seiner Angst abzulenken, stand auf, verließ das Badezimmer und schloß die Tür. Er versuchte, zu orten, aus welchem Raum die Schreie gekommen sein mußten. Er entschied sich für einen Raum am Ende des Ganges. In einem Trümmerhaufen von Unordnung erkannte er das ehemalige Arbeitszimmer eines Mannes. Vor einem offenen Schrank hockte ein kleiner Junge und schaute auf das Display eines Mobiltelefons, das auf dem Boden lag. Haruki erschrak. “Was machst du denn hier?” Der Junge reagierte nicht, sah weiter wie apathisch auf das Handy. “Hast du hier so geschrien?” Natürlich wußte Haruki, daß diese Frage unsinnig war – er hatte die Schreie selbst gehört, das waren keine Kinderschreie gewesen. Der Junge hob seinen Kopf und sah mit glasigen Augen an dem Mann herauf. “Wie heißt du?” Als er die Hoffnung, nur ein Wort aus dem Kind herauszubekommen schon fast aufgegeben hatte, öffnete der Junge plötzlich langsam seinen Mund, dann holte er Luft Luft und sagte langsam: “Toshio.” “Toshio.” wiederholte Haruki. Er wollte noch nie mit Kindern zu tun haben, aber dies war das erste Mal in seinem Leben, daß ihm ein Kind scheinbar vertraute. Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken und hockte sich neben ihn. “Und wo wohnst du?” Der Junge wendete den Blick wieder auf das Telefon. “Was hast du denn da?” Haruki griff nach dem Gerät. Er drückte auf einen Knopf um die Displaybeleuchtung zu aktivieren. “Neue Kurznachricht erhalten” las er. Er drückte den Knopf unter dem Menüpunkt “Anzeigen.” “Ein Junge! Absender: Schatzi.” Er las die unverständliche Nachricht wieder und wieder, bis der Akkusparmodus die Displaybeleuchtung wieder abschaltete. Gedankenverloren legte er das Handy wieder auf den Boden und wendete sich wieder dem Jungen zu. Er streckte eine Hand aus, um dem Jungen die Haare aus dem Gesicht zu streichen, doch der zuckte zurück. Haruki ließ seine Hand wieder sinken. “Haruki! Haruki, komm da sofort raus!” hörte er von draußen Kaito rufen. “Haruki-san, das Haus ist gefährlich!” rief die Stimme Kasuos. Er wollte sich das Vertrauen des Jungen nicht sofort wieder verspielen und überlegte nun, wie er am geschicktesten vorgehen könnte, den Jungen aus diesem Haus zu bringen. “Willst du zurück zu deiner Mama?” Er antwortete wieder nicht, aber er hob seinen Kopf wie auf ein Stichwort und sah hinter Haruki, gerade als wäre seine Mutter die ganze Zeit hier im Raum gewesen - direkt hinter ihm. Kapitel 10: ------------ Ayumi sieht gähnend auf ihre Armbanduhr. 15 Geburten in einer Schicht sind der helle Wahnsinn. Und bei keiner einzigen war der Vater dabei. Arbeit, findet sie, ist kein Grund, den schönsten Tag in seinem Leben, den der Geburt des eigenen Kindes zu verschnarchen. Einige dieser Drückeberger hatten heute nur per SMS von diesem nebensächlichen Ereignis erfahren. Die dickliche Frau sitzt in einem gepolsterten Stuhl und kämpft gegen die Müdigkeit. So ruhig war es im Schlafraum der Babys schon lange nicht mehr. Eigentlich schreit durchgängig mindestens ein Kind, aber heute... Da fallen Ayumi die Augen zu, und der Kopf sinkt in den Nacken. Ihr Schnarchen läßt sie kurz darauf wieder aufwachen. Ein weiterer Blick auf die Armbanduhr. “Verdammt, noch eine Stunde – eine endlose Stunde. Womit habe ich diesen Job nur verdient?”. Träge und in Selbstmitleid schwelgend erhebt sie sich von ihrem Sitz und schüttelt sich, um den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen. Mit halb geöffneten Lidern schlurft sie an den Betten vorbei und wirft ab und zu ein Auge auf die schlafenden Kinder, entdeckt aber nichts Auffälliges. Daß es in diesem Raum schon immer viel zu dunkel war, um in den Holzkästen überhaupt etwas zu erkennen, war noch nie jemandem in den Sinn gekommen; auch Ayumi nicht. Sie richtet ihren Blick wieder nach vorne. Plötzlich ist sie hellwach. Einige Meter vor ihr ist ein kleiner Junge aus der Reihe getreten und starrt sie an. Sie weicht einen Schritt zurück. Der Junge ist mindestens zwei, drei Jahre alt; viel zu alt für die Geburtsstation. Er ist völlig nackt und von seiner pergamentweißen Haut am Ganzen Körper heben sich nur die Augen und Lippen ab, die seltsam schwarz verfärbt sind. Auf seinem Arm hält er eine schwarze Katze. Ayumi hatte vor kurzem erst für ihre Frauengruppe zu dem Thema "Männliche Aggression" einen Artikel aus einer Boulevardzeitung recherchiert demzufolge in Tokio ein Mann in einem Anfall von Wahnsinn seine Frau und seinen Sohn und danach sich selbst getötet haben soll. Nach diesem Artikel ist dieser Junge, der da gerade vor ihr steht, seit mehreren Jahren tot. "Wie bist du hier hereingekommen?" sagt sie um Haltung bemüht. Wie als Antwort reißt der Junge seinen Mund auf und stößt wie aus immens großen Lungen ein breites, nicht enden wollendes Miauen aus. Ayumi will fliehen, fällt aber vor Schreck nach hinten über und wirft drei Kinderbetten um. Eine Sekunde lang sind ihre Augen auf die reglosen Fleischbündel gefesselt, die aus ihnen herausrollen, dann besinnt sie sich der Gefahr und wendet sich wieder dem miauenden Jungen zu. Der steht noch da, aber ohne die Katze. "Bitte hör auf!" ruft die Frau, und als komme er ihrer Bitte nach, schließt der Junge seinen schwarzen Mund. Einige atemlose Sekunden vergehen. Sie traut der Ruhe nicht. Irgendwo im schummerigen Licht sieht sie einen kleinen Schatten huschen. Hastig dreht sie sich um. Die Babies auf dem Boden hatten angefangen, sich zu bewegen. Ihre großen Köpfe glotzen in Ayumis schweißnasses Gesicht. Auch aus den anderen Betten hört sie Bewegung, schauen Köpfe und Hände hervor. Sie will aufspringen, doch da spürt sie schon zwei Tatzen im Nacken. Kapitel 11: ------------ Haruki steht außer Atem vor der Haustür hinter der er noch immer die lautstarken Aufforderungen Kaitos hört, das Haus so schnell wie möglich zu verlassen. Es ist eigentlich nur noch ein kleiner Schritt in die Freiheit, aber kurz vor dem Ziel hatte ein grelles Fiepsen und ein übermächtiger Kopfschmerz ihn in die Knie gezwungen. Er hatte in Sachbüchern viel über Onryou-Mythen gelesen, Geister, die hier auf der Erde nach Rache suchen, die sie niemals finden sollten. Einige schwache Menschen scheinen diese Gruselgeschichten ja tatsächlich ernst zu nehmen und sich davon beeindrucken zu lassen, aber in Harukis sachlicher Realität hatte solch ein Unsinn keinen Platz gehabt. Seine wurde im innersten von ganz festen, strikten Gesetzen zusammengehalten, auf die er sich zeitlebens immer verlassen konnte. Aber was er in den letzten 60 Sekunden gesehen hatte, hatte sein bewährtes Weltbild aus uraltem Stein binnen weniger Augenblicke zum Einsturz gebracht. Vor seinen inneren Augen begann der der lang vertraute Horizont, der so zuverlässig den Blick auf scheinbare Lügen verwehrt hatte, langsam zu bröckeln und alldas, was er so lang verleugnen konnte lag nun sichtbar und aufdringlich vor ihm und grinste ihn hämisch an, als wollte es ihn auslachen, weil er sich zeitlebens mit irrelevantem Kleinkram beschäftigt hatte. "Haruki, mach, daß du da raus kommst!" Die energischen Rufe seines Kollegen reißen ihn aus seinen Gedanken. Er zieht an der Tür, doch die bewegt sich um keinen Millimeter, das eiserne Schloß klappert auch nicht, es ist als würde jemand die Tür von außen blockieren. Wieder wallt Panik in ihm auf. "Laßt mich raus!" Sein wildes Trommeln gegen die Tür übertönt die Rufe der beiden Männer von außen. Ein Klicken von hinten läßt ihn endlich umfahren. Die Tür oben direkt vor der Treppe öffnet sich langsam. Haruki hält den Atem an und erwartet, daß irgendjemand heraustritt, der sie aufdrückt, aber es erscheint niemand. Der untere Teil der Tür wird von dem Treppengeländer berdeckt. Die Stille gibt den Rufen der Männer von draußen Platz: “Haruki, es gibt einen Hinterausgang!” Hinterausgang – das klingt vernünftig. Er will losstürzen, bleibt aber sofort wieder stehen, als er merkt, daß oben hinter dem Geländer ein weißer, blutiger Arm hervorgeschnellt war, der nach der obersten Treppenstufe greift, dann kontrahiert und einen Schopf schwarzer langer Haare nach sich zieht. Dann folgt ein in Baufolie eingepackter Oberkörper, aus der sich ein zweiter Arm befreit und nach der zweiten Stufe greift. Der Körper biegt sich langsam zu den Stufen hin und die Haare geben Haruki den Blick auf ein blasses, blutverschmiertes Frauengesicht frei, dessen Augen ihn weit aufgerissen wie in unsäglicher Schmerzen anstarren. Haruki erstarrt. Er hört die Stimmen von draußen nicht mehr. Seine Blicke sind gefesselt auf die Kreatur, die da auf den Händen Stufe für Stufe die Treppe herunterklettert und die Beine polternd hinter sich herzieht. Da öffnet sie langsam den Mund als wollte sie einen markerschütternden Schrei ausstoßen, aber aus dem schwarzen, toten Loch kann sich lediglich ein leise würgendes, nasses Röcheln und ein Tropfen Blut befreien, der über ihre Wange läuft. Schlagartig wird Haruki klar, daß der Weg zum Rest des Hauses nun versperrt ist; die Vordertür bleibt als Fluchtmöglichkeit und einen Augenblick später fand er sich wieder schreiend vor dem alten Holzbrett, daß sich auf die größten Höllenqualen nicht bewegen läßt. Die panischen Schreie vermsichen sich mit den Rufen von draußen und dem jämmerlichen Röcheln aus der Kehle Kakyakos zu einer ohrenbetäubenden Kakophonie. Kapitel 12: ------------ Eine bedrückende Stille liegt plötzlich in der Luft. Die Schreie von innen waren verstummt, als hätte jemand einen Warnschuß abgegeben. Kasuo und Kaito stehen entgeistert vor der Tür, und zermartern sich das Gehirn, was in den letzten paar Sekunden innerhalb des kleinen Hauses passiert war, das von Außen so harmlos aussieht. “Ich will hier weg!” “Hören Sie endlich auf zu jammern, wie ein kleines Kind, Kasuo-san!” “Hier sind genug Leute gestorben, lassen sie uns wenigstens uns selbst in Sicherheit bringen!” Kasuo zerrt an Kaitos Jakett, aber er schläg seine Hand weg. “Durch Ihre Feigheit haben Sie das Unglück heraufbeschworen. Sie sind es meinem Freund schuldig, daß sie bis zum Ende versuchen, ihm zu helfen. Selbst wenn er tot ist, soll er nicht in diesem Haus ...” Ein Klopfen unterbricht den Streit der beiden Männer. In Kaito flammt ein kleiner Hoffnungsschimmer auf. “Haruki?” Kasuo weicht einen Schritt zurück. “Haruki, bist du das? Warum sagst du nichts?” Wieder nur klopfen. Kaito greift nach dem Griff, die Tür öffnet sich wie von alleine. Es war spät geworden, und die Sonne steht tief hinter dem Haus. Es hat den Anschein, als fiele durch den Türrahmen kein Sonnenlicht in das Haus, sondern die grünblaue Dunkelheit darin nach draußen. In all der Dunkelheit sieht Kaito seinen Freund auf der Seite liegen. Er hebt seinen Blick zu dem Mann in der Tür. “Haruki! Du hast mir einen furchtbaren Schrecken eingejagt. Gott sei Dank ist dir nichts passiert.” Kasuo steht mit gemischten Gefühlen hinter der Szene die sich da gerade abspielt. In diesem Moment hätte niemand besser als er das Gefühl beschreiben können, von der Schuld, zwei Menschen in den Tod gelockt zu haben, befreit worden zu sein – die Chancen, daß die beiden Anderen auch leben, bestehen ja noch. Es ist vorbei! Einen anderen Gedanken kann Kasuo jetzt nicht zulassen, weil er dieses Gefühl der Erleichterung erst in der letzten Minute richtig zu schätzen gelernt hat, jetzt, da er zusehen darf, wie Kaito seinen Freund, der noch immer ins leere starrend, schweißgebadet und stumm vor schreck und heftig atmend am Boden in dem fürchterlichen Haus liegt, unter die Seite greift und nach oben hebt, um ihm zu umarmen. Die folgenden Sekunden laufen vor seinem Auge wie in Zeitlupe ab: Harukis Oberkörper fällt in Katios Arme, sein Kopf verschwindet kurz hinter dem anderen, und dort, wo er wieder auftauchen sollte ... - diese Augen kennt er schon. Kasuo weicht einen Schritt zurück. “Ka ... Kaito-san...!” “Helfen Sie mir, ihn herauszutragen!” Als er nicht reagiert, wendet Kaito sich um. “Nun machen Sie schon!” Erst jetzt scheint er das Entsetzen in Kasuos Gesicht zu bemerken. Es sieht aus, als würde Kaito es mit seinem Gesicht kopieren wollen, und lautlos “nein” hauchen. Er umfaßt den Körper, der auf ihm lehnt, und hebt ihn langsam wieder an, als würde er ahnen, was nun kommt: Er schaut in das Gesicht einer Frau. Ihre Haut, ihre Augen – jeder Experte könnte ihm ohne Weiteres bestätigen, daß sie lange tot ist, dennoch lebt sie und schaut ihn mit gierigen Augen an. Er fällt nach hinten über und versucht, die Frau wegzutreten, aber bei ihrer zierlichen Figur wohnt ihr anscheinend unendliche Körperkraft inne. Sie wirft seine Beine beiseite, stemmt eine hand auf seinen Bauch, und nagelt ihn Fest. Er schreit und strampelt und schlägt nach ihr, aber es ist, als schlüge er auf einen Steinklotz. Kasuo beobachtet das grausame Schauspiel, wie die Gestalt den Mann auf dem Boden festhält, und sich an seinem Körper langsam heraufzieht. Er drückt sich mit dem Rücken an die Mauer, und arbeitet sich schritt für Schritt auf das Eisentor zu, um fliehen zu können. Die Frau beugt ihren Kopf über Kaitos und erstickt seine Schreie, indem sie ihre Lippen auf seine preßt. Sie schließt ihre Augen, seine öffnen sich weit, als wäre er in eiskaltes Wasser getaucht worden, und die Gliedmaßen, die sich eben noch gegen sie gewehrt haben, fallen leblos zur Seite. Die Stille ist drückend, wie das Gefühl von schlechtem Gewissen. In der makaberen Szene vor der Tür regt sich nichts mehr. Ein totes Paar, wie in Stein gehauen, wie in einem sinnlichen Augenblick eingefroren, und nie wieder aufgetaut. Sein Überlebenstrieb hält in ihm den wahnwitzigen Gedanken, die plötzliche Grabesstille wäre darin begründet, daß er nicht bemerkt wurde. Möglichst lautlos tastet er sich mit den Füßen auf das Eisentor in die Freiheit zu. “Nur das muß ich erreichen, dann ist alles vorbei.” Dabei läßt er die zwei Körper nicht aus den Augen. Heute hatte er gelernt, sich genau zu überlegen, wo erhinsieht. Er hat es fast geschafft. Da schlägt sie die Augen auf. Schon wieder dieser Blick. Schreiend wirft er sich um, und flieht durch das Tor. Kapitel 13: ------------ “Ja, Schatz, ich komme jetzt nach Hause. Bis gleich.” Der dickliche Mann legt auf, springt von seinem Bürostuhl auf und schlüpft in seinen Mantel. Da klingelt das Telefon schon wieder. Genervt geht er wieder zu dem Tisch legt eine Hand darauf und greift nach dem Hörer: “Laß mich endlich, ich hab' doch gesagt, daß ich komme.” Ein Schrecken macht sich in seinem Gesicht breit. “Oh, Sie sind das, guten Abend.” Der Mann lächelt verschmitzt, und verbeugt sich leicht. “Ich habe schon auf Sie gewartet. Ich wollte gerade ...” Er hört kurz zu, setzt sich dann hin; Das lächeln aus seinem Gesicht ist verschwunden. Er hat keine Wahl. Sein Finger trifft müde den Power-Knopf des Bildschirmes. Ein Klicken ertönt. “Ja, einen Moment bitte, der Monitor muß erst warmlaufen.” Seine Stimme klingt genervter. Langsam baut sich das Bild auf. Er gibt das Paßwort zur Datenbank ein. Piep. “Also gut, wo sagen Sie, steht das Gebäude?” “Chef?” “Sind sie noch dran?” Eine Störung in der Leitung hatte das Gespräch unterbrochen – es war nur noch ein komisches Rülpsgeräusch zu hören. Er wirft den Hörer wieder auf die Gabel und schaltet den Bildschirm wieder aus. “Feierabend für heute.” Er flieht aus dem Büro, bevor das Telefon nochmal klingeln sollte. Aber es sollte nicht nochmal klingeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)