Schattenkrieg von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 10: Gefangen -------------------- Die Tage zogen sich zäh und scheinbar endlos dahin, ohne dass sich auch nur eine winzigste Kleinigkeit am Tagesablauf der Agents änderte. Einzig und allein die künstliche Beleuchtung diktierte, wann es an der Oberfläche Tag und wann Nacht war. Hielt man sich in den Bereichen des Schiffes auf, in denen rund um die Uhr Licht brannte, konnte man leicht das Gefühl für Raum und Zeit verlieren. Mulder hasste diese Tatsache. Jeder von ihnen versuchte für sich, einen Weg durch diese tote Zeit zu finden und sich irgendwie zu beschäftigen. Aber er merkte, dass ihm die nötige Ruhe und Konzentration fehlte, um sich auch nur für irgendetwas zu begeistern. Anfangs hatte er versucht zusammen mit Scully die Möglichkeiten des Forschungsschiffes auszutesten, aber die Wege der Wissenschaft konnten ihn nicht lange fesseln. Zumal er es als ein Gräuel empfand, sich in den Räumlichkeiten aufzuhalten, die einen ungehinderten Blick durch dicke Panzerglasscheiben auf den sie umgebenden Ozean und dessen Bewohner erlaubten. Es machte ihm die Abwesenheit des Sonnenlichtes und das erdrückende Ausmaß des Wassers um sie herum viel zu deutlich und verstärkten sein Unwohlsein unnötig. Gibbs hingegen hielt sich den Großteil seiner Zeit auf der Brücke auf. Ob aus Misstrauen gegenüber des Captains oder aus welchen Beweggründen sonst konnte niemand so genau sagen. Er verfolgte den Kurs des U-Bootes schweigend und aufmerksam. Anfangs war es Kingsley sauer aufgestoßen, dass der NCIS-Agent so sehr darauf erpicht war, die Vorgänge auf dem Schiff zu verfolgen. Doch er hatte schnell einsehen müssen, dass er damit auf verlorenem Posten stand und Gibbs an jeder seiner Entscheidungen teilhaben lassen musste. Tatsächlich erhoffte dieser sich dadurch irgendwelche Hinweise auf die Ursache für das rätselhafte Verschwinden und Auftauchen der SeaCrawler zu entdecken. Er behielt jederzeit ein Auge auf den damaligen Kurs des Navy-Kreuzers und lies mancherorts den Meeresboden mit Hilfe des Sonars und der Kameras absuchen. Weshalb verschwieg er Kingsley und machte ihm unmissverständlich klar, dass ihn die Beweggründe des Agents nicht zu interessieren hatten. Das hätte beinah zu einer Eskalation des Streits geführt, da Kingsley auf seinen Rang als Captain des Schiffes pochte und drohte, die Mission abzubrechen. Doch Gibbs hatte ihn schlicht darauf hingewiesen, wer in diesem Spiel der Geldgeber war und mit was für Konsequenzen Kingsley zu rechnen hatte, sollte er das tun. Sowohl der NCIS als auch das FBI waren mittlerweile zu sehr in die sensiblen Geheimnisse des Captains eingeweiht, dass eine derartige Handlung einem wirtschaftlichen Selbstmord gleichkam. Einen Moment lang hatte es so ausgesehen, als wolle Kingsley seinen Anstand verlieren und Gibbs niederschlagen. Doch er beherrschte sich und wandte sich nur wortlos seinen bisherigen Aufgaben zu. Seitdem schwelte diese Disharmonie ständig knapp unterhalb einer erträglichen Grenze und führte zu einer allgemein anhaltenden gereizten Stimmung unter Deck. Diese Reise stand unter keinem guten Stern, Mulder hatte es gleich gewusst. Er hieß die Vorgehensweise des Senior-Agents nicht gut, schlug man jemanden doch schließlich nicht derart vor den Kopf, wenn man elementar von ihm abhängig war. Allerdings war ihm auch nur zu bewusst, dass sie gegenüber dem Captain und seiner Crew kein Wort über ihre Mission, und das was sie am Grunde des Ozeans suchten, fallen lassen durften. Nichtsdestotrotz hätte er an seiner Stelle versucht, mehr auf eine, wenn auch auf Geld basierende, Kooperation hinzuarbeiten. Diese Chance war nunmehr vertan. Allerdings konnte es auch schneller als erwartet geschehen, dass die Crew des U-Bootes doch noch in die Hintergründe ihres Auftrages eingeweiht werden musste. Sie hatten in der letzten halben Stunde den Punkt erreicht, an dem die SeaCrawler damals von den Bildschirmen verschwand und verweilten seitdem mehr oder weniger an einem Fleck. Gesetz dem Fall, sie wurden tatsächlich fündig, kamen sie nicht umhin, Kingsley und seinen Leuten von der Gefahr ihrer Fracht zu erzählen. Denn Neugierde konnte gefährlicher werden als gefährliches Wissen und zu unsachgemäßer Handhabung der Fracht führen. Was das bedeutete, mochte sich keiner der drei Agents wirklich vorstellen. Auf der Suche nach seiner Partnerin begab sich Mulder letzten Endes doch einmal mehr in die unteren Decks und auf den Weg zum Panoramaraum, wie er ihn gedanklich in Ermangelung eines besseren Wortes nannte. Schließlich hoffte er ebenso wie die andern, etwas zu finden, was Licht in die Dunkelheit um den Navy-Kreuzer bringen konnte. Und wenn dem so war, so wollte er auch dabei sein, wenn es soweit kam. Er öffnete das massive Metallschott, duckte sich geschmeidig unter der niedrigen Zarge hindurch und schaute sich suchend in dem für U-Boot-Verhältnisse recht weitläufigen Raum um. Er fand Scully in der Hocke kauernd vor dem großen Sichtfenster und wollte grade eine entsprechende Begrüßung rufen, als er ein Stück weiter hinten im Raum, an den Schaltpulten für die Außenanlagen, Gibbs gewahrte. Weshalb er daraufhin zögerte den Raum weiter zu betreten, konnte er sich selbst so recht nicht erklären. Doch er spürte, wie sich unterschwellig eine beißende Wut in seinem Bauch ausdehnte, die er so nicht kannte. Konnte er nicht ein einziges Mal allein mit Scully sein? Wann immer er sie suchte, der NCIS-Agent schien nie weit entfernt. Dass er ohnehin von der Gesamtsituation mehr als nur ein wenig gereizt war, machte die Lage nicht besser. Selbstverständlich hatte Gibbs Mulders steigenden Unwillen bemerkt und reagierte darauf, indem er zusehends versuchte, ihm und Scully ihren Freiraum zu lassen. Die gemeinsame Unterkunft nutzte er lediglich um zu schlafen. Doch das schürte Mulders Zorn auf wundersame Weise nur noch zusätzlich. Es ärgerte ihn, dass Gibbs derart reagierte und es nicht einfach sein ließ, seiner Partnerin nachzustellen. Leise schloss er das Schott hinter sich und blieb stehen wo er war. Weißleuchtende Scheinwerfer durchschnitten die Finsternis der Tiefsee und strichen unruhig über den zerklüfteten Meeresgrund. Doch außer entsetzt davonhuschenden Fischschwärmen und undeutlichen Schatten wesentlich größerer Wesen, konnten sie nichts enthüllen, was auch nur annähernd auf die verlorene Fracht der SeaCrawler hinweisen konnte. Das eintönige Geräusch des Sonars verstummte, als Gibbs es mit einem unwilligen Knurren ausschaltete, und das Schaltpult verließ. „Es ist zwecklos. Wir müssten schon verdammt viel Glück haben, um tatsächlich die Stelle zu erwischen, an der das Schiff wirklich...verschwand.“ Ihm war der Unwille, ein solches Szenario zu akzeptieren, deutlich anzuhören. „Und selbst wenn wir richtig sind, kann es sein, dass das Stückgut durch die hier herrschende Strömung bereits abgetrieben worden ist.“ Er stellte sich an Scullys Seite und blickte missmutig hinaus, beide Hände tief in den Hosentaschen vergraben. „Dann müssen wir entlang der Strömungsrichtung weitersuchen.“ Sie erhob sich aus der Hocke. „Wir können nicht riskieren, dass die Fracht hier am Meeresgrund zurückbleibt und möglicherweise irgendwann aufbricht. Wir könnten eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus dann noch unmöglich verhindern.“ Schweigend malte jeder für sich die Szenen einer solchen Katastrophe in seinen Geist. Gibbs konnte nicht verhindern, dass ihm ein Schauer über den Rücken lief. Das allein diese Möglichkeit vollkommen irreal erschien, ließ er mal dahingestellt. Die Vorstellung das es möglich sein könnte, reichte aus, um das normale Maß an Grauen zu übersteigen. „Aber welcher ist der richtige Weg?“ Er sagte es so leise, als würde er zu sich selbst sprechen. Doch Scully hatte die Worte sehr wohl vernommen. Sie wandte sich ihm zu und lächelte schwach. „Wenn es eine Antwort auf diese Frage gäbe, hätten Mulder und ich diesen Weg schon vor langer Zeit eingeschlagen. Es bleibt uns lediglich zu wählen, welchen der Wege wir am ehesten mit unserem Gewissen vereinbaren können.“ Sie schaute ihm in die eisblauen Augen und konnte darin den Wiederstreit sehen, der sich in ihm abspielen musste. Wenn sie den Kurs änderten, um nach der verschollenen Fracht der SeaCrawler zu suchen, würden sie kostbare Zeit verlieren, die für die entführten NCIS-Agents höchstwahrscheinlich lebenswichtig sein würde. Änderten sie den Kur nicht, stieg die Gefahr, dass die Fracht beschädigt oder durch Unbedarfte aufgefunden wurde, mit jeder verstreichenden Sekunde mehr. Behutsam strich sie eine widerspenstige Haarsträhne aus seiner Stirn. Wenn sie schon zu keiner eindeutigen Entscheidung finden konnte, wie sollte er es dann? „Jethro, es tut mir leid.“ Mit einem tiefen Seufzen wandte er sich von dem Sichtfenster ab und ging mehrere Schritte auf das Schott zu, ehe er den fast vollkommen im Schatten verborgenen Mulder bemerkte. Er blieb stehen und musterte den Jüngeren mit gerunzelter Stirn. „Mulder?“ Verstört huschte Scullys Blick von ihm zu Gibbs. Sie hatte nicht erwartet, ihren Partner hier anzutreffen. Hatte er diesen Raum doch bisher wie eine Katze das Wasser gemieden. Wie lange hatte er schon so still dort gestanden? „Störe ich zufällig?“ Der ungewohnte Sarkasmus in seiner Stimme traf sie wie eine Ohrfeige. Das war nicht der Mulder, den sie kannte. „Ist es zu einer Ihrer Angewohnheiten geworden, sich unaufgefordert anzuschleichen?“ Gibbs lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf sich und Scully atmete erleichtert auf, den anklagenden Blick Mulders nicht mehr auf sich spüren zu müssen. Die drei Agents blickten sich mit einer Mischung aus Überraschung und Unbehagen an und Mulder zog es vor, nicht auf die Frage zu antworten. Mein Gott, sie hatte ihn Jethro genannt! Das allein schien vollkommen auszureichen, um seine schwelende Wut noch mehr anzufachen. Seine Kiefer malten, als er sich versuchte zu beherrschen. „Ich bin davon ausgegangen, dass hier wissenschaftlich gearbeitet wird, und nicht...“ Er ließ den Satz unbeendet im Raum schweben und starrte trotzig zurück. Er war ganz und gar nicht in der Stimmung, Gibbs Art und Weise dieses Mal zu akzeptieren. Ganz im Gegenteil. „Reißen Sie sich zusammen, Mann!“ „Ich war nie bei den Marines und Sie sind nicht mein Gunnery, Agent Gibbs.“ „Mulder, verdammt was soll das?“ Gibbs hob beschwichtigend die Hände. Er war zwar verärgert über die Reaktion des FBI-Agents, konnte aber deutlich in dessen Augen das warnende Glitzern erkennen, dass er schon allzu häufig bei Menschen gesehen hatte, die unter großer seelischer Belastung standen. Und er wusste, dass der Aufenthalt auf einem U-Boot und das Leben in dessen beengten Räumen Menschen verändern konnten. Gefährlich verändern konnten. Hinzu kam noch, dass Scully ihm erst neulich gestanden hatte sich Sorgen um ihren Partner zu machen. Ernsthafte Sorgen. Und er war nicht erpicht allzu darauf, den zerrütteten Gefühlen Mulders Anlass zum Ausbrechen zu geben. Das war nun wirklich das Letzte, was sie gebrauchen konnten. Auf der anderen Seite war er jedoch auch nicht gewillt, seinen Platz auf Grund eines eifersüchtigen Partners zu räumen. Schließlich spielte sich dieser Part seines Lebens ganz deutlich im privaten Bereich ab, in dem Mulder nichts verloren hatte. „Sie wissen ganz genau was hier läuft.“ Mulder ging auf Gibbs zu, bis er nur noch eine handbreit von ihm entfernt war, und funkelte ihn an. „Sie spielen sich auf wie ein machtgieriger Usurpator, wollen alle Fäden in der Hand halten. Dabei haben Sie doch keine Ahnung, um was es hier überhaupt geht.“ Gibbs Blick verfinsterte sich. „Tue ich das? Vielleicht wäre es dann an der Zeit, dass ein vor blinder Eifersucht wirres Zeug redender FBI-Agent diesen Missstand beiseite räumt?“ Es war eine klare Herausforderung. Doch der Senior-Agent war es Leid, diese deutlich vorhandene Rivalität in ihrer derzeitigen Form weiterlaufen zu lassen. Sie musste offengelegt werden, um dann endgültig aus der Welt geräumt zu werden. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass Mulder so prompt auf diese Worte reagieren würde. Seine Faust zuckte vor und traf Gibbs unmittelbar unterhalb des linken Wangenknochens. Aus dem Gleichgewicht gebracht taumelte er mehrere Schritte zurück, versuchte aus Mulders Reichweite zu gelangen. Doch dieser setzte ihm mit einer überraschenden Schnelligkeit nach. Er hatte keine Chance dem erneuten Angriff zu begegnen und konnte sich nur noch an Mulder festklammern, so dass sie gemeinsam zu Boden gingen. Dort rangen sie verbissen mehrere kraftraubende Herzschläge miteinander, ehe es Gibbs gelang, den Jüngeren unter sich zu zwingen. „Hör auf damit, verdammt noch mal!“ Sie starrten sich kurze Zeit gegenseitig in die Augen, dann ließ Gibbs los und stand auf. Sein Atem ging flach und er wischte sich fahrig über die blutende Nase, fest davon überzeugt, Mulder zur Besinnung gebracht zu haben. Er irrte. Mulder fuhr aus der liegenden Position hoch und versuchte die Unaufmerksam des anderen zu nutzen, doch sein Vormarsch wurde jäh unterbrochen, als Scully in sein Blickfeld trat. „Mulder, hören Sie auf!“ Sie hatte das Geschehen mit weit aufgerissenen Augen beobachtet und versuchte nun zwischen die beiden Streitenden zu kommen, um diesen Unsinn zu beenden. Was zum Teufel war nur in ihren Partner gefahren, derart auszurasten? Einen kurzen Moment lang trafen sich ihre Augen und Scully erschrak ob des ungewöhnlichen Flackerns im Blick ihres Partners. Selten hatte sie ihn in einem solch emotional aufgewühlten Zustand gesehen. Dann schob er sie kurzerhand zur Seite und setzte seinen sinnlosen Angriff auf Gibbs fort. Er riss den Agent an der Schulter herum, stieß ihn rücklings gegen eines der Steuerpulte und hebelte ihn mit ungeahnter Kraft aus dem sicheren Stand. Haltlos stürzte auf die Konsole. Ein unterdrückter Schmerzenslaut kam über die Lippen des NCIS-Agents, als sich die unzähligen kleinen Tasten in seinen Rücken bohrten. Und der Schmerz nahm zu, als sich Mulders Körpergewicht auf seinen älteren Gegner verlagerte. „Du mieser Bastard, was sagst du jetzt? Wo ist deine große Schnauze jetzt, wo du unterlegen bist?“ Wütend funkelte Gibbs zu dem anderen Mann auf, unfähig auch nur einen Laut über die Lippen zu bekommen. Mulder hatte seinen Unterarm in unmissverständlicher Drohung gegen seine Kehle gedrängt und machte das Atmen zu einer mühsamen Qual. Seine Lungen reagierten bereits mit heftigem Stechen auf den unfreiwilligen Sauerstoffentzug. Vergebens versuchte er Mulder von sich herunter zu stemmen, der daraufhin den ausgeübten Druck nur noch verstärkte. Mit einem Ruck warf er ihn zurück auf die Schaltfläche, was Gibbs erneut unter Schmerzen aufstöhnen ließ. „Mulder, bitte!“ Scully ergriff den Arm ihres Partners, um ihn von Gibbs fortzuziehen. Doch der Blick, welchen er ihr daraufhin zuwarf, ließ sie bis ins Mark erschrecken und wieder von ihm zurückweichen. Hastig ließ sie ihn los, als hätte sie sich verbrannt. Ihre Gedanken überschlugen sich auf der Suche nach einem Ausweg. Sie war viel zu schwach, um sich dem wie toll rasenden Mulder in den Weg zu stellen. Und selbstverständlich war sie hier in keinster Weise bewaffnet. Mit aller Macht versuchte sie den Schreck zu überwinden, der sie innerlich zu lähmen schien. In dem Moment fuhr ein Ruck durch das Schiff, der das Licht zum Flackern brachte und die gesamte Konstruktion tief und durchdringend Ächtzen ließ. Jeder Einzelne an Bord hielt ob dieses unheimlichen Dröhnens verschreckt in seiner Tätigkeit inne. Nur wenige bange Herzschläge später folgte ein weiterer dumpfer Aufprall und das U-Boot bockte unwillig in den unsichtbaren Strömungen. „Was zum Teufel war das?“ All der Zorn, den er bis eben noch so deutlich in sich verspürt hatte, war schlagartig verflogen und Mulder richtete sich auf. Wie durch Geisterhand schien nun wieder Furcht in seinem Innern zu wachsen. Mit großen Augen starrte er durch das Panoramafenster nach draußen in die Dunkelheit. Das Wasser schien zu phosphoreszieren und zu wabern, so als würde es unmittelbar vor dem Siedepunkt stehen. Dann strich ein Licht durch die Dunkelheit auf sie zu und glitt über das Schiff hinweg. Dicht gefolgt von einem weiteren Leuchten. „Sind wir entdeckt worden?“ Gibbs rollte sich hustend von dem Schaltpult herunter und warf ebenfalls einen verschwommenen Blick nach draußen. Für den Augenblick war er einfach nur dankbar, wieder Sauerstoff in seine Lungen zu bekommen, doch das aktuelle Geschehen sorgte in der Tat dafür, dass die Auseinandersetzung zwischen den Agents erst einmal in den Hintergrund trat. Was hier gerade geschah war alles andere als normal. Mit zitternden Knien stand er auf und beobachtete eine Weile schweigend die Intervalle, in denen das schillernde Leuchten zurückkehrte. „Kein Schiff besitzt Scheinwerfer mit solcher Leuchtkraft, dass sie uns in diesen Tiefen mit ihnen erfassen könnten.“ Sie tauschten ratlose Blicke. „Auf die Brücke. Rasch!“ Sie folgten Gibbs ohne Widerworte durch die düsteren Gänge. Das Beben hatte aufgehört, aber die Angst blieb. Sollte ihnen hier unten etwas zustoßen, würde jede Hilfe zu spät kommen. Im Kontrollraum angelangt, fanden sie Kingsley bereits vollkommen aufgelöst vor den Steuerungen. Ein Blick genügte, um Gibbs in seiner Sorge zu bestätigen. Sie tauchten auf. „Kingsley, wir können jetzt unmöglich an die Oberfläche!“ Der Kapitän blitzte ihn zornig an. „Alles andere wäre Selbstmord, Agent Gibbs. Haben Sie gerade mitbekommen was da unten passiert ist? Wollen Sie, dass man uns nur noch tot vom Meeresgrund bergen kann?“ „Wir befinden uns in feindlichem Gebiet. Wenn die plötzlich ein unbekanntes U-Boot auf ihren Schirmen haben, werden wir die längste Zeit gelebt haben.“ Er zwang sich zur Ruhe. „Hören Sie, wir wissen nicht was uns da eben Wiederfahren ist. Es kann ein Naturphänomen gewesen sein. Aber genau so gut könnte es sich um feindlichen Kontakt gehandelt haben. Wenn wir ohne einen weiteren Gedanken an unsere Sicherheit auftauchen, womöglich noch direkt vor deren Nase...können Sie sich vorstellen was dann mit uns geschieht?“ Kingsley knurrte, verlangsamte allerdings die Geschwindigkeit, mit der sie der Wasseroberfläche entgegenstrebten. „Trotzdem sollten wir einen Blick riskieren. Ich habe sämtlichen Funkkontakt verloren und keine Verbindung mehr zu meinen Leuten in Afrika. Dafür empfangen wir auf Frequenzen, auf denen es gar keinen Funkverkehr mehr geben dürfte. Ein Naturphänomen?“ „Nein. Aber ein weiterer Grund vorsichtig zu sein.“ Nach einigem Zögern willigte der Kapitän ein. „In Ordnung. Ihr habt es gehört Jungs, wir tauchen auf Periskoptiefe auf. Wollen mal sehen, ob wir einen Blick riskieren können.“ Er warf Gibbs noch einen letzten Blick zu. „Das werden Sie mir wohl kaum verbieten, nicht wahr, Agent?“ Nein, dass würde er tatsächlich nicht. Es war brandgefährlich, aber anders würden sie nicht herausfinden können, was an der Oberfläche geschah. Eine drückende Stille legte sich über die Kommandozentrale, in der jeder Einzelne im Raum angespannt das Tiefenbarometer beobachtete. „Alle Maschinen auf Stopp, ich will keinen Mucks mehr hören!“ Kingsley griff über sich und zog die Spähmaske des Periskops zu sich herab. „Periskop ausfahren.“ Zuerst schien er nichts ungewöhnliches entdecken zu können, zumindest entspannte sich seine Körperhaltung sichtlich. Doch dann fuhr er mit einem unterdrückten Schreckensausruf von der Vorrichtung zurück. „Unmöglich!“ Seine geweiteten Augen richteten sich auf Gibbs und die beiden verwunderten FBI-Agenten. Als keine weitere Reaktion folgte, schob Gibbs ihn kurzerhand ganz zur Seite und warf seinerseits einen Blick durch das Auge. Es dauerte einen Moment, bis er das, was den Kapitän so erschreckt hatte, ebenfalls ins Blickfeld bekam. Sein Herz machte einen Satz und schien sich für einen winzigen Augenblick überschlagen zu wollen. Was er da betrachtete war ganz und gar unmöglich, Kingsley hatte Recht. Aber es war unverkennbar da. Hastig zog er das Periskop herum, ließ seinen Blick über die Geschützaufbauten des Kreuzers bis zum Bug gleiten und blieb wie gebannt an dem strahlend weißen Namenszug hängen. Fassungslos starrte er die SeaCrawler an. Wie um die Anwesenheit des Kriegsschiffes zu bestätigen, erscholl das unheilvolle Echo des Sonars im gesamten Schiff. Gibbs bekam eine Gänsehaut. Mit einem Ruck klappte er die Spähvorrichtung ein und rammte sie nach oben in ihre Halterung. „FEINDKONTAKT! Sofort abtauchen. SOFORT!“ Er packte den noch immer wie gelähmt dastehenden Kapitän am Kragen und schüttelte ihn unsanft aus der Starre. „Kingsley, wachen Sie auf! Wir brauchen Sie jetzt.“ Doch er Mann starrte ihn nur aus glasigen Augen an, als verstehe er nicht, was Gibbs von ihm wollte. „Verdammt.“ „Lassen Sie ihn! Er wird schon wieder zu sich kommen.“ Der junge Mann hinter dem Steuerpult versuchte sich in einem recht gequälten Lächeln. Gibbs hatte ihn bereits bei der Begrüßung an Kingsleys Seite bemerkt, so das er wohl auf diesem Schiff den Rang des 1.Offiziers innehaben würde, wäre es ein Kriegsschiff. Doch das waren sie nicht. Entsprechend hatten sie dem Sonar und den Torpedos des Navy-Kreuzers nichts entgegen zu setzen. „Einen Nottauchgang schaffe ich auch ohne ihn.“ Er begegnete den offenkundigen Zweifeln der drei Agents mit festem Blick. „Vertrauen Sie mir. Und jetzt sollten Sie zusehen, dass Sie in den Bug dieses Schiffes gelangen. Und zwar so schnell wie es Ihnen möglich ist. Los jetzt!“ Ohne auf eine weitere Aufforderung zu warten, drehten sie sich um und hasteten davon. Nur dass Mulder, der an erster Stelle lief, nicht allzu weit kam. An der ersten Weggabelung blieb er stehen und sah sich mit klopfendem Herzen um. „Verdammt, in welche Richtung?“ Scully, die bei seiner abrupten Bremsung unsanft gegen ihn gerannt war, schob ihn mit einem leisen Murmeln zur Seite und stürmte an ihm vorbei. „Folgen Sie mir! Und sehen Sie zu, dass Sie nicht den Anschluss verlieren.“ Entsetzt drehte sich Mulder zu dem NCIS-Agent hinter sich um. Es war alles so düster, die Gänge so eng und unübersichtlich, dass er keinen Schimmer hatte in welche Richtung er sich überhaupt bewegte. Und ständig hallte das Echo des Sonars durch das gesamte Schiff. Er konnte fühlen, wie ihm am ganzen Körper kalter Schweiß ausbrach. Warum war Scully nur weggerannt? Und warum konnte er sich nicht mehr bewegen? Gibbs verpasste ihm einen harten, doch wohl kalkulierten Schlag auf den Hinterkopf, so dass sich der unstet umherhuschende Blick des Jüngeren auf ihn richtete. „Mulder, durchatmen. Los, holen Sie tief Luft. Ja, so ist es gut. Und nun drehen Sie sich um und laufen los. Sie sehen den Gang vor sich? Gut. Nur immer geradeaus, ich werde direkt hinter Ihnen sein und Ihnen sagen, wenn wir abbiegen müssen.“ Er legte dem anderen beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Sie schaffen das.“ Dann schubste er ihn sanft an und scheuchte ihn den düsteren Gang hinunter, beinahe dankbar sich um den anderen Agent kümmern zu müssen. So konnte er seine eigenen Sorgen ausblenden und einen kühlen Kopf bewahren. Das Geräusch des Sonars war wirklich beängstigend und dass sie zur Zeit nur auf Notstrom fuhren verbesserte die Lage um keinen Deut. Der Rumpf des Schiffes begann sich in einem unangenehmen Winkel zu neigen und sie stolperten die Gänge eher entlang als dass sie liefen. Immer häufiger kamen sie viel zu schnell viel zu nahe an die Schotts heran, so dass sie das ein und andere Mal ungebremst mit den Zargen zusammenstießen. Der Druck auf den Ohren hatte ein schmerzhaftes Ausmaß angenommen, was sie verbissen zu ignorieren versuchten. Wie konnte dieses Schiff plötzlich so unmöglich lang sein? Dann endlich hatten sie den vordersten Raum erreicht und kauerten sich neben den Rest der Mannschaft zusammen. In vollkommener Stille, mit Ausnahme des gepressten, heftigen Atmens der letzten Läufer. Jetzt konnten sie nur noch stillhalten, abwarten und hoffen, dass das Kriegsschiff ihre Position nicht entdeckte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)