Raziels erste Liebe von Mephiles (oder: kann ein Vampir überhaupt lieben?) ================================================================================ Kapitel 6: Familienleben ------------------------ Es dauert fast 3 Stunden, ehe Marie endlich aufwacht. Sie springt vom Altar, als sie neben sich ein merkwürdiges Geräusch vernimmt, das wie eine Säge klingt. Sie schaut verunsichert in die Richtung, aus der das Geräusch kommt: Direkt neben dem Altar! Sie schleicht vorsichtig dorthin als sie plötzlich ein überraschten Schrei loslässt und anfängt zu lachen. Das Geräusch kam von Raziel! Die lange Wartezeit hatte ihn selbst einnicken lassen. Das Geräusch war sein lautes Schnarchen! Sie schüttelte Raziel sanft wach. "Was...? Kain, ich will jetzt noch nicht Serafan jagen... nur 5 Minuten, ja?" murmelt Raziel verschlafen. "Ich bin doch nicht Kain! Ich bin Marie! Und jetzt wach auf, Raziel!" Marie lacht und schüttelt Raziel heftiger. Endlich öffnet er schläfrig die Augen. "Was...? Marie! Oh, entschuldige, ich wollte warten, bis du aufwachst, aber anscheinend bin ich selbst eingeschlafen..." entschuldigt sich Raziel und steht, sich müde die Augen reibend, auf. "Der arme Wald! Er hat dir doch gar nichts getan!" sagt Marie kichernd. "Hä? Wovon redest du?" - "Du hast im Schlaf einen ganzen Wald mit deinem Schnarchen abgeholzt!" sagt Marie und lacht. Raziel wird rot, was zu seiner blassen Haut nicht wirklich passen will, und Marie lacht noch mehr. Als sie sich endlich wieder einkriegt, fragt Raziel: "Möchtest du denn nicht deine Familie kennenlernen? Die anderen Vampire sind sicher neugierig und wollen deine Bekanntschaft machen. Sie hatten vor deiner Erschaffung schließlich nicht viel Zeit dafür. Draussen ist es bereits dunkel, und ich glaube kaum, dass du deine Jungvampirzeit die ganze Zeit hier verbringen willst!" - "Natürlich nicht! Los! Auf zu deinem Clan!" Marie ist richtig aufgeregt, denn sie hatte noch nie Raziels Clan sehen dürfen. Als Mensch wäre sie bei den Versuch sicherlich getötet worden. Raziel bringt sie leichten Schrittes zu Fuß zum Clan, da Marie das Fliegen immer noch nicht gemeistert hat. Marie sieht sich bereits auf dem Hinweg überall genaustens um, denn wenn sie - wie Raziel schon gesagt hatte - den Rest ihres nunmehr unsterblichen Lebens hier verbringen wird, muss sie sich die Umgebung ziemlich gut einprägen. Da sie sich auf unbekanntem Boden befindet, läuft Marie etwas langsam und ziemlich unsicher. Raziel hat dies natürlich sofort bemerkt und verringert seine Laufgeschwindigkeit daher etwas. "Keine Angst Marie. Du brauchst nicht unbedingt langsam machen. Du bist jetzt unsterblich, da hast du mehr als genügend Zeit, dir alles einzuprägen." - "Ich weiß, aber es ist dennoch ungewohnt für mich. Außerdem muss ich mich erst einmal an meine vampirische Wahrnehmung gewöhnen... mein Gehör, meine Augen und mein Geruchssinn scheinen förmlich zu rebellieren. Ich höre Geräusche, die ich noch nie gehört habe, rieche Dinge, deren Geruch ich gar nicht zuordnen kann und sehe die ganze Welt in neuem Glanz. Da muss ich mich erst dran gewöhnen, Master." sagt Marie schüchtern und schaut auf den Boden. Dann zuckt sie plötzlich auf. "Habe...habe ich dich grade... Master genannt?" fragt sie verwirrt. "Ja, Marie. Aber es braucht dich nicht zu beunruhigen. Viele Vampire nennen ihren Schöpfer 'Master'. Es ist also völlig normal." beruhigt Raziel sie. "Achso... und ich hatte schon befürchtet, es wäre schlimm, wenn ich dich Master nenne..." - "Tja, das ist der Respekt gegenüber dem Schöpfer, der in jedem Vampir sofort nach der Erschaffung verankert ist." erklärt Raziel. Da kommen die Beiden auch schon im Clan an. Marie geht langsamer und versteckt sich schüchtern hinter Raziels Rücken. "Nun komm schon, man kanns auch übertreiben, Marie!" sagt Raziel lachend. Marie hält sich dennoch weiterhin hinter Raziel versteckt. Er lässt sie gewähren. Viele seiner Kinder sehen neugierig zu Marie, als sie an ihnen vorübergehen. Manche begrüßen sie sogar mit einem freundlichen "Guten Abend". Raziel führt Marie durch den Clan und zeigt ihr alles. "Es wird sicherlich mehr als eine Nacht in Anspruch nehmen, dir alles zu zeigen." gab Raziel zu. "Aber ich denke, in etwa zwei-drei Tagen haben wir das wichtigste hinter uns. Er führt sie zur Ruhestätte, wo die die Vampire sich normalerweise zur Ruhe legen. Das Gebäude ist über und über mit Särgen voll gestellt. "Ähm... weiß man da noch überhaupt, welcher Sarg wem gehört?" fragte Marie unsicher, weil sie in dem ganzen Sargwirrwarr überhaupt keinen Überblick hatte. "Natürlich. Es mag schwieriger aussehen seinen Sarg zu finden als es auf den ersten Blick aussieht." antwortet Raziel lächelnd, und wie zum Beweis nennt er die Namen einiger Razielim und führt Marie immer ganz genau zu den Särgen. "Ich glaube kaum, dass ich mir das alles merken kann." wisperte Marie betroffen. "Das wirst du noch, ganz bestimmt. Jetzt, wo du ein Vampir bist, hast du ja genügend Zeit, dir alles in Ruhe anzusehen und einzuprägen. Komm. Lass uns weitergehen. Es gibt noch viele Dinge, die ich dir zeigen möchte." sagt Raziel lächelnd und führt Marie weiter durch den Clan, welcher Marie mit jedem Schritt größer vorkam. "Master, ich glaube es einfach nicht so recht, dass ich das alles irgendwann in und auswendig kenne..." - "Du denkst immer noch wie ein Sterblicher, Marie." stellte Raziel belustigt fest. "Du musst versuchen zu verstehen das die Zeit keinen Einfluss mehr auf dich hat. Vergiss nicht, du bist nun unsterblich!" Marie nickte schüchtern. Sie gab sich wirklich große mühe, nicht ständig wie ein Mensch zu denken. "Ich gebe zu, ein kleiner Anteil an sterblichem Verhalten ist durchaus nötig. Wenn man sich vor Menschen wie ein Vampir verhält, hilft einem selbst die beste Tarnung nicht viel." gab Raziel lächelnd zu verstehen. "Man muss also genau abwägen, wann man sich wie ein Vampir verhält und wann wie ein Sterblicher. Man braucht einen natürlichen Ausgleich zwischen menschlichen und vampirischem Verhalten." Raziel und Marie schreiten weiter durch Raziels riesigen Clan. Sie gehen an einem Gebäude vorbei, aber Raziel bleibt nicht stehen um zu erklären, was sich im Inneren befindet. Das wundert Marie. "Ähm... Master?" sprach Marie ihren Schöpfer an und blieb stehen. "Ja, was ist, Marie?" entgegnete Raziel fragend, blieb ebenfalls stehen und drehte sich zu Marie. Diese zeigte mit ihrem Finger auf das Gebäude und fragte: "Was ist das eigentlich für ein Gebäude?" Raziel lächelte. "Ach das. Im Inneren befindet sich der Metamophoseraum, wo sich die Vampire in Ruhe entwickeln können." erklärte er mit ruhiger Stimme. Aber Marie sah ihn nur mit noch verwirrterem Blick an. Wieder lächelte Raziel amüsiert. "Vampire entwickeln sich nicht beständig weiter, so wie Menschen, sondern fallen von Zeit zu Zeit in eine Art Schlaf, aus dem sie verwandelt wieder erwachen. Vampire, bei denen dies geschieht brauchen Ruhe und Sicherheit, sonst wird die Entwicklung abgebrochen oder gestört, sodass sie sich falsch entwickeln. Deshalb dieses Gebäude. Es darf nur von Vampiren betreten werden, die bald in ihren Metamorphose-Schlaf fallen. Anderen Vampiren ist der Zutritt verboten. Deshalb werde ich mit dir auch nicht hineingehen, um dir die Inneneinrichtung zu zeigen." versuchte Raziel nun näher zu erklären. Marie nickte. Sie verstand es zwar noch nicht so recht, aber sie war sich sicher, das diese Wissenslücke irgendwann gefüllt werden würde. "Aber Master, woher wissen die Vampire, wann sie sich entwickeln?" fragte sie weiter. Raziel seufzte, es war doch ziemlich nervig, ständig Fragen beantworten zu müssen. Dennoch antwortete er ihr: "Das ist eigentlich ganz einfach. Vampire, die sich bald entwickeln, werden reizbarer, und sie brauchen weitaus mehr Blut, um sich satt zu fühlen. Menschen mögen solche Dinge weniger auffallen, aber Vampire haben ein besonderes Gespühr für Veränderungen. Deshalb wissen sie oft ziemlich genau, wann der Metamorphose-Schlaf eintritt und bereiten sich dementsprechend vor." Erneut nickte Marie. Jetzt verstand sie schon weitaus mehr. Die Nacht war noch jung, und da Marie und Raziel einen mitunter ziemlich flotten Schritt hatten waren sie in ungefähr einer Stunde schon fast durch den ganzen Clan gelaufen. Folglich wusste Raziel zunächst nicht, was sie als Nächstes tun konnten, um die Nacht noch so gut wie möglich zu nutzen. Doch Marie hatte da schon eher eine Idee. Während ihrer 'Sightseeing-Tour' durch den Clan stieg nicht nur Raziels, sondern auch Maries Blutdurst an. Schließlich hatten beide heute noch nichts getrunken. Und so kam es, das Marie ihren Schöpfer schüchtern ansprach. "Master, ich habe Durst, ich würde gern trinken. Können wir nicht wieder zurück zum Erschaffungsgebäude gehen, damit du mir mein Opfer bringen kannst?" Raziel sah sie etwas entgeistert an, dann lächelte er keck. "Warum dir bringen, Marie? Wir könnten doch zusammen auf die Jagd gehen. Außerdem: nur weil du noch ein Neuling bist, muss das nicht heißen, das du nicht jagen kannst. Und Früher oder Später musst du ohnehin lernen, wie man jagt. Also gehen wir zusammen." Marie nickte nur schwach. Was sollte sie auch sonst tun, sie war schließlich auf Raziels Hilfe angewiesen. "Aber..." begann sie leise "Was ist mit der Verteidugungsmauer, den Serafan und dem Wassergraben? Ich glaube nicht, das wir daran vorbei kommen..." - "Mach dir da mal keine Sorgen!" entgegnete Raziel. "Wir fliegen einfach drüber." Marie sah zu Boden. "Aber... ich hab doch noch gar nicht das fliegen gemeistert..." gab sie schüchtern zu verstehen. "Stimmt daran habe ich gar nicht mehr gedacht..." meinte Raziel, und sein Blick wurde nachdenklich. Es musste doch einen Weg geben, wie sie beide rüberkamen, ohne in einen Kampf mit den Serafanen verwickelt zu werden. Dann ging Raziel ein Licht auf. "Ich habe eine Idee. Warum nehme ich dich nicht einfach auf den Rücken und fliege mit dir über die Verteidigungsmauer? Ich meine, wenn ich schon einen schweren, erwachsenen Sterblichen tragen kann, warum dann nicht eine junge Vampirin wie dich?" Marie Blick hellte sich auf. "Stimmt, Master!" Raziel lächelt überlegen und schon klettert Marie auf dessen Rücken. Raziel breitet seine Flügel aus und hebt ab. Er schwebt noch etwas über seinem Clan, dann fliegt er los in Richtung Zitadelle der Menschen. Unbemerkt von den Serafan, die eher auf Vampire auf dem 'Boden der Tatsachen' warteten, gleitete Raziel mit Marie auf seinem Rücken über die Verteidigungsmauer, wo er in einer dunklen, unbelebten Gasse landete... Hosted by Animexx e.V. 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