Cas - Die Geschichte eines Irken von abgemeldet (...der aus dem Kollektiv ausgegliedert wurde) ================================================================================ Kapitel 1: Heimkehr ------------------- Heimkehr Es war dunkel, als ich durch die schmalen Gassen von Leta lief. Immer wieder blieb ich stehen, sah mich nach eventuellen Feinden um und schlüpfte um die nächste Ecke. Diese Nacht leuchteten zwei Monde über dem Planeten der Heimatlosen. Der Himmel konnte, wenn er so klar war wie heute Nacht, fast den Eindruck von Arglosigkeit erwecken. Ich erlaubte mir einen flüchtigen Blick nach oben, dann sah ich mich wieder um und kroch durch ein kaum sichtbares Loch in der Außenhülle eines Hauses unbekannter Architekten. Als ich schon ein gutes Stück vorangekommen war, sah ich ein feines Licht schimmern und hörte undeutliche Stimmen. Dann war ich kurz vor dem Ausgang. Ich holte tief Luft und betrat dann den Raum, in dem meine Mitbewohner eine Leuchtkugel in Gang gebracht hatten. Segg, der mit dem Rücken zu mir gestanden hatte, fuhr herum. Mir war außer ihm nie jemand seiner Art begegnet: Er war etwa eine Handbreit größer als ich, hatte einen recht kleinen Kopf und Augen von einem dunklen, sehr kalten Blau, während die Haut eine helle, beigefarbene Tönung hatte. Er hatte kräftige Beine und lange Mittelfußknochen, die Arme waren nicht dazu da, darauf zu laufen. Segg hatte gesagt, er sei ein Divi 543-2-96, aber nie eine nähere Erläuterung dazu abgegeben, was ich schweigend hinnahm. „Cas! Du stinkender Irke, wir warten schon die ganze Zeit!“ Er musterte mich von oben bis unten und sagte drohend: „Du hast doch nicht etwa vergessen, Essen zu besorgen?!“ Ich seufzte. „Ich habe es nicht vergessen. Aber gerade du solltest wissen, dass es für mich besonders schwer ist, Nahrungsmittel zu finden.“ Das stimmte. Ich war der einzige Irke auf Leta, einem Planeten, der einmal von einer fortschrittlichen Kultur bewohnt gewesen war. Es hieß, die Irken hätten sie zusammen mit anderen Völkern zerstört, aber das glaube ich nicht. Irken zerstören etwas – oder sie werden zerstört – aber sie machen keine gemeinsamen Angriffe mit anderen Völkern. Außerdem ist das schon Milliarden letalianische Jahre her, aber hier wird alles auf die Irken geschoben. Die Meisten hier kommen von Planeten, die von den Irken zerstört und dessen Volk von eben diesen versklavt worden waren. Ich wurde aus dem Kollektiv ausgegliedert – warum, ist hier nicht von Bedeutung. Aber mein Leben auf Leta war... schwierig. Manchmal überlegte ich wirklich, ob es nicht besser war, an einem gänzlich abgeschiedenen Ort wie der Milchstraße zu leben, oder einfach mein ID-Pak abzunehmen. Aber das lag nicht im Naturell eines Irken, ich ließ mich nicht von einem Haufen minderwertigen Kreaturen beeindrucken. Auch wenn dieser Haufen die Gesamtbevölkerung eines Planeten war, der innerhalb des Imperiums lag, wodurch ein unbemerktes Entkommen unmöglich war. „Du jämmerliche Kreatur, willst du etwa behaupten, ich hätte es leichter?“, fuhr Segg mich an und drückte mich mit der stumpfen Seite seiner Sense an die Wand, kaum dass ich mir den Staub von der Kleidung geklopft hatte. Seine Augen glühten und er hatte die Überreste seiner Flügel gespreizt, die zwar nicht zum Fliegen taugten, aber auf die meisten Lebensformen, die ein Gehirn hatten, sehr eindrucksvoll wirkten – auf mich aber nicht. Ich fuhr meine mechanischen Monbesdawa, eine recht primitive, vom Volk der Dulsdm erfundene Verlängerung der Finger in Form von Klingen, aus und schlug die Sense beiseite. „Ja, will ich.“, zischte ich. Segg knurrte. „Wie sollen wir gegen eine feindselige Welt ankommen, wenn wir untereinander streiten?“ „Wir wollen nicht gegen sie ankommen, wir wollen nur überleben und das können wir nicht, wenn dieser Irke nicht dazu in der Lage ist, Nahrung zu besorgen, Khan!“, fuhr Segg meinen zweiten Mitbewohner an. Khan war ein lächerlich ungeschütztes Wesen, er verweigerte jede Form von Panzerung oder Projektilwaffe. Der Körperbau war dem meinen recht ähnlich, doch hatte er eher gelbliche Haut und schwarze Fellbehaarung – allerdings nur auf dem Kopf, was ihm ein ziemlich absurdes Aussehen verlieh. Er hatte uns erklären wollen, woher er kam, aber wir hatten ihn unterbrochen. Auf Leta ist es ein ungeschriebenes Gesetz, nicht von seiner Heimat zu reden. Er war zwar nicht sehr intelligent, aber allein seine Anwesenheit hatte eine beruhigende Wirkung. Und er hatte etwas, das wir alle nicht hatten: Ich nannte es “ferne Dimensionen beschreiben“, Khan nannte es “Fantasie“. Er konnte Geschichten wie aus dem Nichts erzählen, die gar nicht seine Erlebnisse oder sein Wissen beschrieben. Er spann fremdartige Wesen und Landschaften vor unseren Augen in die Luft und lenkte uns von unserem Alltag ab – auf diesem Planeten eine großartige Gabe, weshalb wir Khan bei uns wohnen ließen und beschützten. Außerdem verfügte er über nützliche Kenntnisse der Heilung von Verletzungen. Er kämpfte mit Waffen, die wohl kurz nach dem Urknall erfunden worden waren: Zwei langen, schmalen Streifen aus Metall, die leicht gebogen waren und sehr scharf, aber in einem Gefecht mit Lasern wenig taugten. Segg jedoch war fasziniert von ihnen gewesen und hatte eine Klinge an seinen Arm montiert. Aber er hatte genug Hirn, um sich nicht auf sie als einzige Waffe zu verlassen. Er besaß außerdem eine kleine Sammlung von Ionenfetzern, eine beeindruckende Waffe, die man nach der Aktivierung allerdings schnell aus der eigenen Reichweite entfernen sollte. Ich nickte Khan zu und setzte mich vor die Glühkugel. „Hast du etwas gefunden, womit du dich besser tarnen kannst?“ Ich schüttelte den Kopf. „Abgesehen von den Sachen in den Hochsicherheitsläden, nichts. Wenn doch nur meine Statur anders wäre.“ Ich warf Khan einen Blick zu. „Nichts gegen dich.“ „Na super, das heißt dann wohl, dass wir weiterhin fasten müssen, wenn der Irkenkopf hier kein Essen holen kann!“ „Du denkst auch immer nur ans Essen, was?“ „Ich denke ans Überleben und ich bin nun mal kein stinkender Irke, der sich von Snacks ernähren kann!“ Ich zuckte zusammen. „Hör auf.“, sagte ich drohend. „Womit? Dich so zu nennen, dreckiger Irke?“ Ich sprang auf und stürzte mich auf ihn. Meine Krallen fuhren in seine Richtung, doch er blockte sie lachend mit seiner Klinge ab. Ich duckte mich unter seinem Gegenangriff durch und hörte seinen Aufschrei, als ich diesmal traf. Er zuckte zurück und betrachtete kurz die Wunde an seinem Bein, dann duckte er sich leicht, um sich im nächsten Moment auf mich zu stürzen, doch eine Klinge, die sich auf seinen Brustkorb gelegt hatte, hinderte ihn daran. Im gleichen Moment spürte auch ich einen Druck auf meiner Brust und sah nach unten. Khan stand zwischen uns, seine Arme mit den Klingen ausgestreckt, um uns auseinander zu halten. „Hört auf!“ Segg und ich sahen uns mit funkelnden Augen an, dann fuhr ich meine Monbesdawa ein und auch Segg klappte seine Sense zurück. Schweigend setzten wir uns an die Glühkugel, bis schließlich Khan und mit ihm auch Segg sich zu ihrer Ruhestätte begaben. Irken jedoch schlafen nicht. Ich begab mich hinaus in die erwachende Stadt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)