Cas - Die Geschichte eines Irken von abgemeldet (...der aus dem Kollektiv ausgegliedert wurde) ================================================================================ Kapitel 9: Observatoren ----------------------- Leise wie ein Schatten lief ich geduckt an den Häuserwänden entlang, um einen günstigen Ort für die Überwachung zu finden und hasste mich dafür, dass ich noch immer große Befriedigung dabei empfand, behände, mit antrainierten Bewegungen die Nachtluft zu durchschneiden und mit geübten Blick die Umgebung zu sondieren. Schließlich ließ ich mich im Schutz der Dunkelheit neben einem Abfallbehälter nieder und ignorierte sowohl die üblen Gerüche als auch die nicht angenehmeren Geräusche, die daraus hervordrangen. Das mir gegenüber liegende Haus schien gut geeignet zu sein; es war nicht besonders groß und von meinem Standpunkt aus war der Eingang gut zu sehen, während ich selbst verborgen blieb, solange nicht jemand direkt über mich stolperte.Ich warf einen Blick nach oben. Der Zeitpunkt war günstig, denn nun verließen die meisten Wesen ihre Basis und die, die sich bei Tage nach draußen begaben, kamen zurück, sodass ich mir zumindest einen groben Eindruck davon machen konnte, was hier lebte. Außerdem waren die nachtaktiven Geschöpfe meistens die gefährlicheren, sodass ein nächtlicher Einstieg der taktisch günstigste war. Ich war froh darüber, während der Observation etwas Zeit zum Nachdenken zu haben. Mir bereitete es großes Unbehagen, mich in eine Situation zu begeben, deren Umstände deart gefährlich und unvorhersehbar waren, aber ich war bereits mehrmals die Alternativen durchgegangen, immer mit dem gleichen Ergebnis: Der einzige Weg, auf dem wir zumindest theorethisch auch wieder raus könnten, war der über die unteren Ebenen, das hieß, mindestens auf der sechsten Ebene, auf der die meisten Schutzeinheiten, Berichten nach, verbunden waren. Solch ein Zugang existierte auch durch die Kanäle, aber in denen wimmelte es überall von Lebewesen und ich wollte nicht zu denen gehören, die auf schmerzhafte Weise feststellen müssen, dass die Gerüchte um die amphibischen Kreaturen wahr waren. Auf dem anderen Weg bestand zumindest die Chance, lebend durchzukommen. Dennoch wäre mir die Kanalisation fast lieber gewesen, denn die Angst vor dem Ungewissen ist meist größer als die vor Gefahren, die man zumindest ansatzweise einschätzen kann- auch, wenn es unangemessen ist. Ich unterbrach meinen Gedankenstrom und verengte leicht die Augen, weil ich glaubte, eine Bewegung wahrgenommen zu haben. Einige Augenblicke starrte ich in die Dunkelheit, dann sah ich, wie tatsächlich etwas aus dem Haus...geschlurft kam. In dem Moment, als ich ein leises Grunzen vernahm, erkannte ich, dass es ein Yeti war, ein weißfelliges, großfüßiges Wesen ohne Hals oder erkennbare Segmente, das, solange man es nicht provozierte, ein recht umgängliches Wesen war. Ich lockerte meine Anspannung etwas. Nur mal angenommen, wir kämen tatsächlich in den Keller, wo Khan vermutlich gefangen war, wie sollten wir ihn da raus holen? Wodurch wurde er gesichert? Waren unsichtbare Barrieren errichtet worden oder vertraute Kubo darauf, dass einen auch ohne Fesseln dort unten nicht als der Tod erwartet? Was, wenn wir ihn gar nicht fanden, oder nur seine Leiche? Ich versuchte, Lösungen für verschiedene Szenarien zu finden, da es für mich undenkbar war, trotz Vorbereitungszeit, so gering sie auch ausfallen mag, ohne Strategien auf eine Mission zu gehen. Ich biss die Zähne zusammen, als meine noch nicht ganz verheilte Wunde schmerzhaft zu pochen begann. Wie soll ich in diesem Zustand gut kämpfen können?Es ist schon so schwer genug...doch wir müssen schnell handeln, mit jeder Einheit, die Leta zurück legt, nimmt die Wahrscheinlichkeit ab, dass Khan noch lebt...er könnte noch eine entscheidende Rolle spielen... Jäh erhöhte ich erneut meine Aufmerksamkeit, suchte die Gasse nach Lebewesen ab und nahm meine Antennen zur Hilfe. Da war eine Präsenz, die jedoch in meiner Wahrnehmung keine feste Gestalt annehmen wollte. Ich hielt den Atem an, was mir durchaus über einen langen Zeitraum möglich ist und spähte so intensiv in die Dunkelheit, dass ich glaubte, Löcher hinein zu bohren. Aber ich sah nichts. Schließlich begriff ich. Es war auch nichts: Direkt vor mir bewegte sich ein Schemen, eine der harmlosesten Kreaturen, die man hier finden konnte. Sie bestanden zwar aus fester Materie, zumindest schienen sie an die Erde gebunden zu sein und konnten nicht durch Objekte hindurch gleiten, doch waren sie in der Lage, die Farbe und Kontur ihrer Umgebung anzunehmen, egal, aus welchem Winkel man sie betrachtete- zumindest bei schlechten Sichtverhältnissen. Es war nur sehr wenig über sie bekannt, da sie sehr einzelgängerisch waren und Gesellschaft jeder Art mieden. Fasziniert betrachtete ich die nur durch einen Haarfeinen Umriss auszumachende Gestalt. Und dann verschwand er plötzlich. Ich blinzelte und suchte mit dem Blick die ganze Gasse ab, doch vermochte ich den Schemen nicht mehr ausfindig zu machen. Während meine Gedankengänge noch in diese und jene Richtung schweiften, um möglichst vielen Gefahren halbwegs angemessene Pläne entgegenstellen zu können, huschten noch viele Kreaturen an mir vorbei in oder aus dem Gebäude, doch waren keine besonders außergewöhnlichen dabei: eine Hiku, vieltentakliges Wesen, die sich unablässig bewegte, als würde sie in einer Flüssigkeit schwimmen und Lieder einer seltsamen, weichen Sprache sang, die schon viele Kreaturen derartig in den Bann gezogen hatte, dass sie nur noch hinter der Hiku hergelaufen waren und schließlich auf mysteriöse Weise verschwanden; ein kleines Rudel Dulsdm, vierbeinige Jäger ohne zusätzliche Gliedmaßen, hautbedeckt und mit einem Schweif aus empfindsamen Antennen, von denen sie auch mindestens drei an der Hinterseite des Kopfes hatten, der recht klein war, ebenso wie die Augen, doch hatten sie viele scharfe Zähne und selbst gebaute Krallen, wie die meinen, nätürlich, schließlich hatte ich sie ja einem von ihnen abgeluchst. Ein weiterer Drakk (sie schienen mich an diesem Tag zu verfolgen) und eine Zibet, ein Nachtwesen mit telekinetischen Fähigkeiten schnauften, beziehungsweise schlichen an mir vorbei. Irgendwann sah ich nach oben und bemerkte, dass der zweite Mond, der eine bläuliche Färbung hatte, gerade über dem Rand des Daches erschienen war. Ich richtete mich ächzend auf, klopfte das Gröbste an Dreck und Parasiten von meiner Kleidung und machte mich auf den Weg. Segg wartete schon ungeduldig in einem schattigen Hauseingang. „Da bist du ja endlich! Was hast du gemacht?!“, zischte er mir zu, sobald er mich erkannt hatte. Ich blieb überrascht stehen. „Der Mond ist doch gerade erst aufgegangen...“ „Wenn man auf dem Boden rumkriecht, vielleicht schon, aber für die aufrecht gehenden Kreaturen steht er schon länger am Himmel.“ Ich widerstand dem Drang, selbst noch einmal hinzuschauen und ärgerte mich über mich selbst. „Was...hast du beobachtet?“ Ein klickendes Geräusch entwich seiner Kehle. „Das Haus, das ich beobachtet habe, ist nicht gut. Da haust ein ganzes Rudel Boodie Nen und die sind tagaktiv.“ Meine Augen wurden schmal und meine Antennen zuckten. „Du hast recht. Das ist nicht gut.“ „Und bei dir?“ „Ich konnte nichts gefährliches ausmachen.“ Ich erwähnte den Schemen nicht, da Segg nicht an ihre Existenz glaubte und ich nicht wieder einen unnötigen Streit riskieren wollte, jetzt war keine Zeit für so etwas. Seine Flügel erschlafften ein wenig. „Dann...sollten wir also schnell handeln und...hinunter.“ „Ja.“ Ich ließ mir mein Unbehagen nicht anmerken und führte ihn zwischen den schmutzstarrenden Häusern zu dem Punkt, an dem wir zum vielleicht letzten Mal den Himmel von Leta sahen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)