Days of Horror von Mikito (Bomben auf der Christopher Street) ================================================================================ Kapitel 55: Montag - 31. Oktober -------------------------------- ~~~~ Apartment der MacLane’s ~~~~ Sara war endlich eingeschlafen. Dee setzte sich neben Ryo, der es sich auf der Couch bequem gemacht hatte. Sein Blick war diesmal nicht mehr ganz so schwer wie noch am Morgen, aber immer noch konnte Dee klar und deutlich sehen, dass Ryo sich weigern würde, sich ihm ganz zu öffnen. Was Ryo dort auch erlebt haben mochte, Dee wollte es nun auch gar nicht mehr in allen Details hören. Er würde zuhören, so wie er es ihm versprochen hatte, aber drängen, nein, das hatte er aufgegeben. Nun, wo Ryo dieses Tief überwunden hatte, musste es aufwärts gehen. Stück für Stück. Gemeinsam. Hin und wieder sackte Ryo zurück in die Zeit seiner Gefangenschaft, dann saß er da, blicklos, zuckte zusammen, wenn man ihn ansprach, und nach Meinung von Foster würde dieser Zustand so lange anhalten, bis Ryo das alles verarbeitet hatte. Monate, vielleicht auch Jahre. Aber ansonsten war Ryo fast der alte. Aber eben auch nur fast. „Möchtest du noch was trinken?“ fragte er ruhig. Am liebsten hätte er ihn an sich gezogen, aber er wollte auch nicht das entspannte Verhältnis, das im Augenblick zwischen ihnen herrschte, stören. „Nein...“ erklang es fast tonlos. Seine Gefühle hatte er wieder hinter seiner Mauer, die nur von Sara durchbrochen werden konnte, verborgen. Seine Tränen waren getrocknet, aber es hatte ihm gut getan, sich einmal gehen zu lassen. „Wie wäre es mit essen? Wir haben noch Suppe vom...“ „Nein, Dee. Ich möchte nichts,“ unterbrach er ihn und drehte sich dann etwas, so dass er Dee anblicken konnte. Seine Hände tasteten nach Dee’s, nahmen sie sanft in seine. Trauer schwang in seiner Stimme mit. Ärger und Frust, weil er einfach nicht mit dem, was passiert war, klarkam. „Ryo?“ fragte Dee leise, löste eine Hand aus dem lockeren Griff und legte sie seinem Mann an die Wange, koste mit dem Daumen über den Mundwinkel, den Nasenflügel und wieder zurück. Kurz schien es Dee, als würde sich Ryo in diese Liebkosung hinein flüchten. „Ich bin noch nicht... noch nicht bereit... Es ist... Ich kann einfach nicht...“ „Sht... Schatz. Du weißt, dass ich warten kann. Finde du deinen Frieden in dir... ich werde da sein, um dich aufzufangen...“ sagte er leise, beugte sich vor und legte seine Stirn sachte gegen Ryo’s. So langsam kam das alte Vertrauen zwischen ihnen auf. Schritt für Schritt musste er sich seinem Mann wieder annähern. Ihm zeigen, dass er nicht allein, nicht eingesperrt war. In manchen Stunden war es so wie jetzt, und dann wieder war es ganz anders. Dann zog er sich ganz zurück. Wich so einer Berührung wie eben jetzt einfach aus. Dee war sehr vorsichtig. Er wusste, dass er ihn schon einmal ins Nichts gestürzt hatte, ein weiteres Mal wollte er vermeiden. „Danke...“ hauchte Ryo. Wieder bahnten sich Tränen aus seinen dunklen Augen hervor und benetzten die Hand, die noch hauchzart auf seiner Wange ruhte. Doch anstatt sich von seinem Mann zu lösen, zog er ihn behutsam, ohne Zwang näher, bis er Ryo’s Kopf an seiner Schulter spürte. Ließ ihn fallen, fing ihn auf. Wusste, dass Worte mehr als genug gewechselt waren. Jetzt brauchte Ryo nur eins. Ruhe! Ruhe und nochmals Ruhe. Und so lange er konnte, würde er ihm diese auch gönnen. Nachdem Ryo in seinem Arm eingeschlafen war, trug er ihn ins Bett, deckte ihn mit einem kleinen wehmütigen Lächeln zu. „Du bist zwar frei, aber du bist noch nicht zurückgekommen, egal was du auch gesagt hast... noch nicht ganz, aber ein großer Teil...“ flüsterte er leise und wachte dann die gesamte Nacht über den Schlaf des Halbjapaners. Irgendwann musste er dann aber doch eingeschlafen sein, denn als er eine leichte Regung neben sich spürte, krabbelte ihre Tochter gerade über die Bettkante zu ihm auf die Seite. „Morgen, Dad... Daddy schläft noch,“ schnurrte sie und kuschelte sich an Dee’s Brust. „Morgen, Sonnenschein... lassen wir ihn noch schlafen.“ „Dad?“ „Mhmm... was denn?“ „Wird Daddy wieder gesund?“ Ein leises Schnauben, eine Art unwissendes Lächeln zeigte sich auf Dee’s Zügen, als er das blonde Haar seiner Tochter mit seinen Fingern durchfuhr. Zeit, er brauchte ein wenig Zeit, um sich eine Antwort zu überlegen. Schließlich wollte er ihr, so gut es ging, die Wahrheit sagen. Lügen würden sowieso nur alles schlimmer machen. „Ja, Nikkô. Dein Daddy wird wieder gesund... Gib ihm nur ein wenig Zeit,“ kam die Antwort dann nicht wie erwartet von ihrem Dad, sondern von ihrem Daddy. Sara drehte sich in Dee’s Armen. Ryo lag dicht neben seiner Tochter, nah bei Dee und das erste Mal zeigte sich ein Anflug eines kleinen Lächelns auf seinen Lippen. Noch nicht ganz, aber es war besser als dieser grimmige Zug, den er die letzten Monate über getragen hatte und der sich auch schon an den Mundwinkeln begonnen hatte, sich in Form von Falten dort niederzulassen. „Morgen, Daddy!“ „Morgen mein Sonnenschein. Dein Daddy...“ „Ryo?!“ unterbrach er ihn. Warum, war ihm nicht klar, aber er sah es in seinem Blick, dass er selbst nicht weiter gewusst hätte. „Dein Daddy, Schatz... du weißt doch, dass er lange weg war?“ Ryo hatte sich diese Frage schon oft gestellt, aber irgendwie war ihm schon klar, dass Sara wusste, was passiert war. Immerhin war sie aufgeweckt genug, um das alles wenigstens ein bisschen zu verstehen. Und wenn er Dee’s Worten Glauben schenkte, dann war es Sara gewesen, die ihm nach dem Unfall geholfen hatte, so rasch wieder auf die Beine zu kommen. „Ja. Dieser böse Mann, der auch mich...“ „Sara... Schatz. Warst du schon im Bad?“ unterbrach Dee erneut. Verdammt, das war die falsche Zeit dafür. Ryo war noch viel zu angegriffen. Doch es war zu spät, wie er sah. Jetzt war auf alle Fälle geklärt, woher Sara die schnelle Auffassungsgabe hatte. „Der auch dich entführt hat?“ vollendete Ryo den Satz, sah dabei aber fest auf Dee. „Ja. Und nein, ich war noch nicht im Bad... Darf ich denn nicht noch was hier bei euch bleiben und kuscheln?“ erbat sie sich mit ihrem Schmollmund, dem weder Dee noch Ryo widerstehen konnten. Doch diesmal war es was ernstes. „Nein, Sara. Bitte geh schon mal ins Bad,“ blieb Dee ruhig. Nachdem die Fünfjährige das Schlafzimmer verlassen hatte, dauerte es auch nicht länger, bis diese unheilvolle Frage gestellt wurde. „Wann wolltest du es mir sagen?“ „Es hat sich nicht...“ „Was? Nicht ergeben? Kuso! Dee. Sie ist auch meine Tochter. Dieser... Dieser...“ Ryo’s Kehle zog sich zu. Es war, als ob er erneut die Hände von diesem Kerl an seinem Hals fühlen würde, wie er ihm langsam die Luft abdrückte. „Ryo?“ Dee griff rüber und schüttelte seinen Mann, bis dieser wieder klar und sichtlich erleichtert atmen konnte. “Ich hätte es dir noch gesagt... aber du bist noch so schwach. Du hast doch mit dir selbst genug...“ Selbst in Dee’s Ohren klang diese Entschuldigung mehr als lahm. Aber ihm fiel einfach nichts besseres ein. Das hatte er wohl verbockt, mal wieder. Ryo hingegen, sein Herz pochte ihm laut in den Ohren, setze sich im Bett auf, schlug ein Bein unter und sah seinen Mann an. „Was weiß ich noch nicht? Was hat er ihr angetan?“ Nur zu gut waren diese Worte noch in seinem Gedächtnis. ‚Ich bringe dir deine Tochter, Schneewittchen, dann seid ihr beide aus dem Weg’. Schon damals war ihm nur bei dem Gedanken daran schlecht geworden, aber wie er nun so ganz nebenbei erfuhr, war diese Möglichkeit gar nicht so abwegig, wie er gehofft hatte. Dieser Bastard hatte seine Tochter angefasst. Dee sah wie mehr und mehr die Panik von Ryo Besitz ergriff, und so legte er beruhigend einen Arm auf dessen Schulter. „Ryo... Er hat ihr nichts getan. Beruhige dich, bitte.“ „Beruhigen... du hast ja keine Ahnung,“ fuhr er Dee an, wischte die Hand von seiner Schulter und stand auf. “Er hat mir damit gedroht, weißt du... nicht nur einmal. Mehrere Male hat er mir gesagt, dass er Sara zu mir bringen wollte, und was er alles mit ihr... mit ihr...“ Ryo versagte die Stimme und er sackte in die Knie, direkt vor dem Bett. Dee sprang sofort zu ihm, zog ihn in seine Arme, hielt ihn fest an sich, ließ ihn diesmal auch nicht los, als er sich wehrte. „Nicht... Ryo es ist vorbei. Sie haben ihn... er wird dir und Sara nichts mehr tun... nie wieder... hörst du... Es ist vorbei!“ Wie ein Sack Mehl erschlaffte Ryo in Dee’s Armen. Hemmungslos klammerte er sich an seinen Mann und erneut flossen Tränen. Immer wieder strich er ihm durch das Haar. „Wir haben eine ganz schlaue Tochter. Er hat einen Fehler gemacht, als er sich Sara geschnappt hat... von da an stand er unter Bewachung und wir haben dich gefunden...“ dass es so nicht ganz korrekt war, war Dee im Augenblick egal. Aber so wurde es ihm schließlich gesagt. Sara war der Schlüssel zur Verhaftung von Patrick McNear. ~~~~ In Black’s Büro ~~~~ Black thronte wie immer auch an diesem frühen Montag hinter seinem Schreibtisch, der ebenfalls wie gewohnt mit so wenig Papieren belegt war wie irgend möglich. Sein Laptop stand leuchtend in einer Ecke und wartete auf eine weitere Eingabe. Die Anfrage nach einem Begleiter blinkte unablässig und Black war sich nicht schlüssig, ob Steve Cotton bereits wieder zum Einsatz bereit war. Auch wenn einer seiner besten Männer ständig von sich sagte, dass er keine längere Ruhepause brauchte, glaubte Aaron noch nicht, dass Steve gerade diesem Kunden gewachsen war. Aber wie immer in so einem Fall bestand der Kunde auf Steve, der sich einen vorzüglichen Ruf hier erarbeitet hatte. Still war er und sehr verschwiegen, seine Ratschläge hatten meist Hand und Fuß, und so war es für den Chef dieser Branche eigentlich unmöglich, gerade diese Anfrage abzulehnen. Steve hatte nun auch schon über einige Monate geruht. Der Schutt vom Basra war komplett entfernt worden und nun stand schon der Rohbau wieder. Sie wollten es größer und besser aufziehen. Sie hatten sogar vorgehabt, im Keller einen Club zu eröffnen. Doch auch wenn dies zusätzliche Geldquellen gewesen wären, hätten sie wiederum mehr Personal gebraucht und das hätte dann wohl auch die Einnahmen wieder gefressen. Deswegen hatte Steven seinen Freund davon überzeugt, dies doch nicht zu tun. Und Tony hatte, wie die Kundschaft von Black, auf den Ratschlag von Steve gehört. Im April wollten sie die Neueröffnung vornehmen. Kurz hatten sie daran gedacht, ihr Geschäft auf die CS zu verlegen, weil es dort nicht nur ein, nein zwei freie Flächen geben würde, aber sie wollten ihr zukünftiges Glück nicht auf den Trümmern von anderen aufbauen. Nein, sie wollten dort weitermachen, wo sie auch ihre Liebe gefunden hatten. Nur zu gut konnte Black diese beiden verstehen. Er griff zum Telefon, drückte zwei Tasten und wartete. „Cotton!“ meldete sich Steve auch gleich nach dem ersten Klingeln. „Black hier. Ich habe einen Kunden für dich. Interessiert?“ „Klar. Wann?“ Das Aufseufzen und die Freude, dass er endlich wieder eingesetzt wurde, konnte Aaron sogar durch die nicht vorhandene Leitung spüren. „Morgen abend. 16 Uhr vor dem Grand.“ „Geht klar, Chef. Muss ich was wissen über den Kunden?“ „Nein. Du kennst ihn. Also dürfte es keine Überraschungen geben.“ „Gut, dann bin ich pünktlich.“ Black legte auf. Auf Steve konnte er sich verlassen. Es würde keine außerplanmäßigen Gefahren geben. „Stör ich?“ Ein Kopf lugte durch die Tür und schon folgte auch der Rest des Körpers. „Nein... Was kann ich für dich tun?“ „Immer der Geschäftsmann... Schalt mal einen Gang zurück, Aaron. Die Verhandlung, schon vergessen?“ „Ach je... Ja, die habe ich glatt vergessen.“ Er seufzte tief auf. Auf seinen Lover konnte er sich eben immer verlassen. „Um elf Uhr geht’s los... was meinst du, werden Ryo und Dee erscheinen?“ „Wenn ich Dee wäre, würde ich Ryo davon abraten. Aber wie ich den kenne, wird er Dee dazu bringen, ihn gehen zu lassen. Ich rechne mit allem.“ „Was meist du, bekommt er die Todesstrafe?“ „Hmm... ich wünschte es... Es wäre für Ryo gut, dann könnte er abschließen, statt ständig mit der Angst zu leben, dass sein Entführer irgendwann wieder freikommt. Aber sie haben ja auch noch die Leiche von diesem Broker... Ich denke schon, dass der Staatsanwalt klug genug ist, so vorzugehen. Aber wir werden sehen.“ ~~~~ Apartment der MacLane’s ~~~~ Ryo hatte Dee den gesamten Vormittag ignoriert. Auch als dieser sich erst spät getraut hatte, das Schlafzimmer zu verlassen. Schweigend hatte Ryo ihn nur angesehen. Nun versuchte Dee es erneut mit einem Gespräch, aber bevor Dee auch nur den Mund aufmachen konnte, hob Ryo die Hand. „Ich werde heute zu der Verhandlung gehen, versuch erst gar nicht, mich davon abzuhalten.“ Zu erfahren, dass Sara auch entführt worden war und fast zu einem Opfer geworden wäre, hatte neben dem kurzen Schock aber auch eine heilsame Wirkung als Nebeneffekt gehabt: Ryo’s Lebensgeister waren wieder wach. Obwohl er nun stinksauer auf Dee war, weil dieser ihm so etwas vorenthalten hatte, konnte er die Beweggründe seines Mannes jedoch verstehen. Zumal Ryo Sara in den letzten Tagen erlebt hatte. Sie schien mit der Entführung recht gut zurecht zu kommen. Jedenfalls schien sie seelisch keinen Schaden davongetragen zu haben. Und dies gab Ryo nun auch den Schub, seine Vergangenheit in dieser Sache nun ebenfalls anzugehen. Er musste seinem Peiniger gegenübertreten, sonst würde dieser Schatten für immer an ihm kleben bleiben. Er wusste ja, wer es war, hatte ihn an der Stimme erkannt. Aber gesehen hatte er ihn noch nie und er wusste, dass er es tun musste. „Ich werde es dir nicht ausreden, wenn du das meinst,“ gab Dee sein Einverständnis, denn alles andere wäre sowieso zum Scheitern verurteilt gewesen. „Lass uns gehen,“ sagte Dee und reichte Ryo seine Jacke. Er wusste, dass es im Augenblick sinnlos war, vernünftig mit Ryo zu sprechen. Aber vom Tisch war dieses Thema nicht. ~~~~ Gerichtgebäude ~~~~ Der Gerichtssaal füllte sich nur langsam, aber es gab ja auch kein öffentliches Publikum. Lediglich die Betroffenen erhielten in Begleitung von Bekannten und Freunden zutritt. Selbstverständlich gehörten dazu auch die Opfer der Bombenattentate, denn irgendwie hatte sich herumgesprochen, dass der Angeklagte im direkten Zusammenhang damit stand. Immerhin war fast sicher, so berichtete eine Zeitung aus unbestätigter Quelle, dass der Angeklagte McNear für die Bombe im bekannten Basra zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Der Rest musste draußen warten. Viel war für heute nicht anberaumt. Eigentlich nur die Vorverhandlung. Das erste Abtasten, wenn man so wollte. Die Verlesung der Anklageschrift, das Geständnis des Beschuldigten und die mögliche daraus resultierende Folge. Im üblichen ging es darin um die Haftstrafe, sollte sich der Angeklagte schuldig bekennen, im anderen Fall, um einen Termin für das Aussuchen der Geschworenen. Das meist einer langwierigen Angelegenheit gleichkam. Bevor man in das Gerichtsgebäude kam, wurde man auf Waffen kontrolliert. Dies galt überwiegend zum Schutz der Angeklagten, damit die Selbstjustiz, die vor zehn Jahren hier Überhand genommen hatte, eingedämmt wurde. Seit dieser Zeit waren keine Zeugen mehr verloren gegangen, sobald sie mal im Gerichtsgebäude waren, oder Angeklagte erschossen, erstochen oder gar angezündet worden. Ryo saß neben Dee. Sara hatten sie mal wieder bei Steve und Tony untergebracht. Sie musste zur Not aussagen. Auch der Staatsanwalt erwartete noch eine genaue Aussage von Ryo, die dieser ihm immer noch nicht gegeben hatte. Jedenfalls nicht die genaue detaillierte Aussage, auch wenn die erste vorläufig noch reichte. Doch sollte diese Verhandlung wirklich vor ein Geschworenengericht gehen, musste Ryo diese noch machen, so schwer sie ihm auch fallen sollte. Dee hatte es nicht geschafft, Ryo davon zu überzeugen, wenigstens einmal in der Woche einen Psychiater aufzusuchen, denn dieser war und blieb der festen Ansicht, dass ihm dies nichts bringen würde. Aber dafür hatte er ein neues Buch angefangen. Dort schrieb er stundenlang am Tag das auf, was er durchlebt hatte, jede Qual, die ihm zugefügt worden war. Aber auch seine Gedanken und Gefühle. Dee hatte ihm versprechen müssen, dieses Buch, das allein schon vom Aussehen dreimal so dick war wie Ryo’s übliche Tagebücher, nicht anzufassen, bis er die Erlaubnis hatte. Das hieß für den Dunkelhaarigen nichts anderes, als dass er es noch lesen durfte, bevor Ryo starb. Denn die anderen Bücher waren für ihn tabu, auch wenn er schon einige gelesen hatte. Doch das wusste Ryo. Eines Tages würde er dieses Buch lesen und dann würde er Ryo verstehen können, das wusste er tief in seinem Herzen, und bis zu diesem Augenblick würde er neben ihm sein und warten. Hinter Dee setzte sich Black in Begleitung von Mick. Kurz klopfte der Ryo auf die Schulter. Als dieser aufsah, konnten beide sehr wohl den Schmerz, die Wut und unterdrückte Rache in diesen dunklen Augen erblicken. Nur zu gut konnten sie ihm nachfühlen. Doch sagen taten sie nichts. Es war ihr Geheimnis und sie würden es behüten bis ins Grab. „Sara ist wohl wieder bei dem glücklichen Paar?“ versuchte Mick ein kurzes Gespräch anzufangen. Denn bis zur Eröffnung würde es noch eine Weile dauern. „Ja!“ Einsilbiger ging die Antwort von Ryo auch nicht mehr. „Jedenfalls ist ein Paar glücklich,“ schob Dee nach und blickte Ryo fast flehentlich an. Aaron zog Mick auf den unbequemen Stuhl zurück. „Lass die beiden... die haben Knatsch.“ Gerne hätte Ryo sich zu ihnen umgedreht und ihnen das, was er so nebenbei erfahren hatte, um die Ohren geknallt, aber nein, dann hätte er nach außen Gefühle zeigen müssen und er fürchtete um seine Barrikade, die ihn mühsam aufrecht hielt. Aus dem Richterbüro trat der Staatsanwalt. Powder sah Barclay, der gerade den Gang zu den MacLane’s entlang ging, und winkte ihn kurz zu sich. „Haben Sie ‚ihn’ gesehen?“ hörte Ross die Frage des Staatsanwaltes und blickte in die hintere Ecke des Gerichtssaales. „McCoy. Rob McCoy... Was macht der hier?!“ stellte der Commissioner diese recht einfach zu erklärende Frage. „Die rechte Hand von Goro. Vermutlich will er wissen, ob alles nach Plan läuft!“ murmelte Powder und richtete seine Krawatte, die etwas verrutscht schien. „Sie meinen?“ „Wir haben einen Deal. McNear wird strafmildernd verurteilt und dafür bekommen wir eine gute Verbindung zu Goro!“ „WAS?“ Gebremst brauste Barclay auf. Das konnte doch nicht wahr sein und davon erfuhr er erst jetzt? Gab es denn wirklich keine Gerechtigkeit mehr? “Das...“ „Ich weiß, es geht um einen ihrer Männer. Aber Sie sollten den Vorteil betrachten, Ross. Wir...“ „Ich sag Ihnen eins: mir ist mein Mitarbeiter wichtiger als so eine Verbindung. Sie enttäuschen mich, Powder. Sehr... Ich dachte, Sie wären ein Mann für die Gerechtigkeit.“ Powder blickte Barclay eine Weile stumm, aber auch mit malenden Wangenknochen an. „Sie irren sich in mir. Ich kämpfe für das Recht. Sie wissen so gut wie ich, dass wir der Korruption hinterherlaufen. Deswegen sehe ich in dieser Zustimmung einen Vorteil auf lange Sicht. Aber ich habe jetzt keine Zeit, um es Ihnen zu erklären. Vertrauen Sie mir, wie Sie es bisher immer getan haben, Ross.“ Doch davon war Barclay im Augenblick auf alle Fälle weit entfernt. Er fuhr sich durch sein blondes, kurzes Haar und drehte sich zu den MacLane’s herum. Sie rechneten mit ihm. Mit einem Schuldspruch. „Er wird sich schuldig bekennen. Er kommt ins Gefängnis und dennoch bekomme ich das, was ich will,“ hörte Barclay die Stimme von seiner Seite, drehte sich wieder zu dem Staatsanwalt. „Ich hoffe nur, Sie wissen, was Sie tun.“ Damit ging Ross und hockte sich weit genug von den MacLane’s und den anderen entfernt auf einen Stuhl. Ryo ließ keinen aus dem Auge, der mit diesem Fall zu tun hatte. Irgendwie hatte er ein merkwürdiges Gefühl. Gleich würde er seinem Peiniger gegenüber stehen. Diesmal ohne Maske. Er konnte ihm in das Gesicht blicken. Nicht nur auf die Lippen, die Augen, die ihn so angestarrt hatten. In denen er den blanken Hass gelesen hatte. Nun wusste er wenigstens, warum er so gehasst worden war. Wegen dem Mann neben sich. Wegen dem Mann neben ihm musste er all dies erleiden. Ein kurzer eisiger Schauer rann durch seine Muskeln und ließ ihn zittern, noch immer, obwohl dies schon seit Wochen zwischen ihnen erledigt war. „Alles in Ordnung, Ryo?“ hörte er auch gleich die besorgte Frage von seinem Mann. Ryo blickte lediglich auf die Hand, die sich auf seinen Unterarm gelegt hatte, dann hob er den Blick hoch zu den grünen Augen seines Mannes. “Lass mich los,“ sagte er fast tonlos. Dee tat ihm den Gefallen, denn er wollte keine Szene machen, nicht hier. Nur zu gerne hätten die Männer und Frauen in der Zuschauerreihe erfahren, was dort vorne zwischen Staatsanwalt und Commissioner zu solch einer heftigen Reaktion führte. „Ich möchte zu gerne wissen, was die beiden da vorne reden. Etwas scheint Ross nicht zu behagen,“ murmelte Chris, als er sich in Begleitung von Robin, der es endlich geschafft hatte, dass er ihn an seiner Seite akzeptierte, neben Aaron und Prescott auf den Stuhl sinken ließ. „Das erfahren wir noch früh genug... Mir gefällt es nicht,“ gab Black eine Antwort auf die indirekte Frage seines Bruders. „McCoy wird wohl der Inhalt dieser Unterhaltung sein,“ mutmaßte Mick und machte seinen Boss sowie die anderen auf den Mann in der Ecke aufmerksam. „Das ist nicht gut...!“ murmelte Black. „Jedenfalls nicht für McNear, würde ich mal tippen,“ antwortete Chris, der auch schon so einiges von diesem Mann gehört hatte. Alle, die Goro im Weg standen, oder die er für überflüssig hielt, verschwanden meist auf Nimmerwiedersehen. Keine Leichen, keine Spuren. Das war reine Profiarbeit. Das klang eindeutig nach McCoy. Aber bisher hatten sie halt nichts in der Hand gegen diese Bande, und wenn die weiter so sauber entsorgten, würden sie wohl auch nie etwas Brauchbares finden. „Da ist er,“ sagte Robin laut genug, dass selbst Ryo diese Worte hörte, und anstatt sich nach der Stimme umzudrehen, schaute er auf den Nebeneingang, wo ein etwa so großer Mann wie er selbst, nur mit schwarzen kurzen Haaren in das Gerichtszimmer geführt wurde. „Hrm...“ Ryo spürte, wie Angst ihn umfing, als er diesen Mann sah. Diese kalten Augen, die er nur durch die Ledermaske sehen konnte, blickten nun direkt auf ihn und sahen ihn genauso verhasst an wie gewohnt. Doch Ryo blieb äußerlich kühl, nur im Inneren wäre er am liebsten geflohen. Nicht nur aus diesem Raum. Weg. Weit weg. Doch er blieb sitzen. Meckerte diesmal auch nicht über die warme Hand, die sich auf seine verkrampfte legte. „Wollen wir gehen?“ Dee wusste, dass er ihn hier nicht raus bekam, aber einen Versuch wollte er doch unternehmen. Sein Blick blieb auf seinen Peiniger geheftet. Genau diese Augen würde er überall erkennen. Dieser Gang. Nicht schleichend, sondern konsequent, so als ob er noch ein Ziel hätte. Nein, dieser Mann würde sich nicht kampflos geschlagen geben. Dieser Mann, der ihn noch immer mit seinen braunen Augen fixierte, IHN, nicht Dee, wie er feststellte, fühlte sich als Sieger. Doch da irrte er sich. Ryo war sich sicher. Er musste einfach verlieren. Sonst würde er nie wieder er selbst werden. „Ryo?“ „Nein... es geht...“ sagte er fest und brach nicht den Blick, wartete darauf, dass sein Peiniger diesen zu erst senkte, und tatsächlich wandte dieser seinen Blick ab. Setzte sich dann auf den ihm zugedachten Stuhl, redete mit seinem Anwalt und trank einen Schluck aus dem bereit gestellten Glas Wasser. Nur zu gut war sich Patrick der Blicke, die von seinem Schneewittchen auf seinen Rücken geheftet wurden, bewusst. Am liebsten hätte er ihn überheblich angelächelt. Aber das würde er sich für nach seinem Sieg aufheben. Nachdem der Richter nicht sein Todesurteil verkündigen würde, sondern eine Gefängnisstrafe. Eine Strafe, die er nie gedachte, anzutreten. Gleich, nachdem er den Deal abgeschlossen hatte, hatte er telefoniert. Es war alles in die Wege geleitet worden. Sobald er ins Gefängnis überstellt werden sollte, würden ihn seine Freunde herausholen, und dann würde er nicht mehr diese Spielchen machen. Kaltblütig würde er Ryo und dieses kleine Biest umbringen, dann würde er Dee für sich nehmen. Selbst wenn er ihn zu Beginn fesseln musste. Aber er würde ihn für sich haben, für immer. Der eine Mann, der ruhig und irgendwie nicht hierher gehörend in der hintersten Reihe saß, war auch Patrick und seinem Anwalt aufgefallen. Beide wussten, wer es war. Und beide hatten dazu ihre eigenen Ideen. McNear rechnete fast damit, dass noch im Gerichtssaal eine Befreiungsaktion gestartet werden könnte. Während Justin Timber davon ausging, dass Rob McCoy nur aus einem einzigen Grund hier war: die Vorverhandlung zu beobachten und seinem Chef sogleich Bericht zu erstatten. Schließlich konnte ein Fehler von seiner Seite dazu führen, dass McNear sein Mundwerk noch weiter aufriss, als er es eh schon getan hatte. Dieser Deal war heikel, das wusste Timber. Denn wenn sie einen Maulwurf oder einen Kontaktmann in Goro’s Reich hineinschafften, dann könnte sich dieser eigentlich gleich einen Polizisten als Haustier halten. Nichts wäre mehr geheim und das war etwas, was Goro nicht mochte. Und genau das war der Punkt, weswegen Timber gleich, nachdem er mit dem Staatsanwalt einig geworden war, sofort den Mafiaboss informiert hatte. Nichts würde geschehen ohne die Einwilligung von Goro. Noch bevor McNear von dem Deal mit der Staatsanwaltschaft erfahren hatte, wussten Goro sowie McCoy, was Sache war. Noch zu gut hatte er das Telefongespräch im Ohr, und was daraus resultierte, saß nun praktisch gesehen hier am Tisch, oder wohl eher im Gerichtssaal. Ein Fehler von ihm konnte einigen das Leben kosten. Zumal Timber als einzigster bisher den Namen des Kontaktmannes kannte, den McNear sich in langer Kleinarbeit erarbeitet hatte. So eine Art Rückversicherung, bis er alles hier geklärt hatte. Doch dass dies problemlos ablaufen würde, da hatte Justin gar keine Bedenken. Nur die Anwesenheit von McCoy ließ ihn ein wenig aus der inneren Ruhe kommen. „Erheben Sie sich. Der ehrenwerte Richter Cohan hat den Vorsitz!“ erklang die feste energische Stimme des Gerichtsdieners. Ein Raunen und Rascheln erfüllte kurz den Raum, als der Richter den Saal betrat, sich auf seinem hohen Stuhl niederließ, bevor es erneut fest in dem Raum hallte. “Setzen Sie sich, bitte.“ „Wir verhandeln heute, am Montag dem 31. Oktober, den Fall ‚Der Staat New York gegen Patrick McNear’. Angeklagter, erheben Sie sich,“ las der Richter von der Akte vor sich vor. “Gerichtsdiener, würden Sie bitte die Anklageschrift verlesen.“ Ross war noch immer nicht mit dem einverstanden, was Powder da angezettelt hatte, dass ihm erst nun der Mann wirklich auffiel, als dieser vortrat und die Anklageschrift vorzulesen begann. „Das darf doch nicht...“ entfuhr es ihm. Was hatten die sich dabei gedacht, ausgerechnet diesen Mann diesem Prozess zuzuteilen. Hatte denn keiner von den Verantwortlichen hier die Akte gelesen? «Soll ich eingreifen? Das würde alles nur verzögern... warten wir einfach ab. Unternehmen kann er hier sowieso nichts,» machte sich Ross seine Gedanken. Während der Gerichtsdiener der Aufforderung nachkam, die Straftaten, die McNear zu Lasten gelegt wurden, der Reihe nach vorzulesen, wurde es wieder etwas lauter im Saal, weil nichts darauf hindeutete, dass er auch für die Bomben belangt wurde. Justin beugte sich zu Patrick rüber. Sprach wieder eindringlich mit ihm. Doch Patrick schüttelte ein ums andere Mal den Kopf. Das Gespräch hatten sie schon bei dem ersten Treffen gehabt und er hatte es kalt zurückgewiesen. Er war nicht schizophren und er war auch nicht unzurechnungsfähig. Das fehlte ihm noch, dass er auf so einen Anlass seines Anwaltes noch von einem Psychologen untersucht wurde. Da nahm er lieber einige Jahre im Knast in Kauf als eine lebenslange Verwahrung in einer Klapse. „Ruhe im Saal,“ klopfte der Richter mit seinem Hammer auf den dazugehörigen Pult, und schlagartig kehrte diese auch ein. „Angeklagter. Sie haben die Vorwürfe vernommen?“ „Ja, Euer Ehren,“ sagte Patrick McNear mit fester Stimme. Er fühlte sie schon, die Macht, die er auf die MacLane’s hatte, und die er gleich noch mehr ausleben konnte. „Würden Sie dem Gericht mitteilen, ob Sie sich schuldig oder nicht schuldig im Sinne der Anklage bekennen?“ „Euer Ehren?! Wenn ich kurz...“ erklang nun eine weichere Stimme im Raum, als sich McNear’s Anwalt zu Wort meldete. „Sie können gleich... Zuerst die Antwort des Angeklagten. Alles der Reihe nach.“ „Ich, Patrick McNear, bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage,“ sagte er mit fester Stimme. Das Raunen hinter ihm nahm merklich zu. Nur zu schade dass er sich nicht umdrehen konnte... Doch wer verbot es ihm denn? So drehte er den Kopf. Viel brauchte er nicht, um zu sehen, wie der Blonde der MacLane’s zusammensackte. Sein Gesicht hatte jede Farbe verloren und seine Hände krallten sich krampfhaft in Dee’s Jacke, der ihn noch hielt. „Bastard,“ hörte Dee den aufgebrachten Mick fluchen, auch dessen Begleiter entschlüpfte ein ähnliches Wort. „Ruhe!... Ruhe!...“ Zweimal erschallte das Hammerklopfen, bevor es wieder ruhiger wurde. „Angeklagter. Sie bekennen sich schuldig der Freiheitsberaubung von Sara und Randy MacLane. Ferner der schweren Körperverletzung an Randy MacLane. Außerdem geben Sie zu, einen Mann kaltblütig ermordet zu haben. Bleiben Sie bei ihrem Ausspruch?“ Dies musste der Richter erneut verlesen, damit es auch offiziell wurde. „Ja. Ich bleibe bei meiner Aussage. Bis auf den einen Punkt. MacLane hat den Kerl umgebracht. Nicht ich! Ansonsten bleibe ich bei schuldig!“ Ryo’s Hand suchte die von seinem Mann. Am liebsten wäre er aufgesprungen, hätte sich verteidigt, doch dazu fehlte ihm einfach die Kraft. Schon allein zu hören, wie dieser das ohne mit der Wimper zu zucken einfach bekannt gab, war unglaublich in Ryo’s Ohren. Der Mann vor ihm war einfach nur krank. Fast hätte Ryo Mitleid mit ihm empfunden, aber eben nur fast. Der Hass und die Verachtung für das, was er unter ihm erlitten hatte, prägte ihn. Würde ihn für den Rest seines Lebens belasten. Egal, was mit McNear auch geschehen mochte. In Ryo’s Gedanken würde er immer existieren. Cohan blickte in Powder’s Richtung und als dieser nickte, öffnet er den vor ihm liegenden Aktendeckel. Kurz versenkte er sich in seine Lektüre, bevor er seine Brille wieder auf den Pult legte. „Wie mir bereits von der Staatsanwaltschaft mitgeteilt wurde, haben Sie sich mit ihr verständigt. Obwohl ich mir ein härteres Urteil für Sie vorgesehen hätte, werde ich dieses Urteil als geltend ansehen. So fälle ich als oberstes Gericht und ohne Möglichkeit auf Berufung das Urteil: „Angeklagter, erheben Sie sich,“ sagte der Gerichtsdiener erneut, als der Richter seine Spannungspause einlegte. Ross wandte den Kopf in die Ecke, wo McCoy saß. Dieser schien mit dem Spruch alles andere als glücklich zu sein. Vermutlich waren seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet worden. Rasch blickte Barclay wieder nach vorne, um auch nichts zu verpassen. „...25 Jahre Gefängnis mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Anhand der Brutalität, die Sie an den Tag gelegt haben.“ „Das haben wir aber nicht vereinbart,“ knurrte Patrick zu seinem Anwalt, als er sich wieder auf seinen Stuhl fallen gelassen hatte. „Dafür ist es zu spät. Sie haben sich zweimal schuldig bekannt.“ Timber trank ein Schluck Wasser, welches auf dem Tisch bereit stand, und schob eines der Gläser wieder zu McNear. „Sie haben es gewusst... Sie Mistkerl...“ „Ich wollte es Ihnen eben sagen, aber Sie haben mich nicht gelassen,“ erklärte Timber in aller Ruhe. Er hatte nichts großes zu verlieren. “Trinken Sie.“ „Ich fass es nicht... Sie haben mich auflaufen lassen. Das werden Sie bereuen.“ Und genau das befürchtete Timber auch. Aber da stand er wohl nicht alleine da. Sein Blick glitt in die hintere Ecke zu McCoy und dieser nickte nur. Hätte Patrick anders reagiert, dann wäre noch ein Hauch einer Chance gewesen, aber so? Ihm blieb keine Wahl. Eigentlich war es eh schon zu spät. Alles war in die Wege geleitetet worden. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Am liebsten hätte er Timber angegangen, aber mitten in einer Verhandlung machte sich das nicht gut. Und was regte er sich überhaupt auf? Er würde schneller auf freiem Fuß sein als der Richter wohl zu Hause. Richter Cohan schlug mit dem Hammer noch einmal auf seinen Pult. „Die Verhandlung ist geschlossen. Führen Sie den Angeklagten ab.“ Timber erhob sich und packte gemächlich die Akten wieder in seine Tasche. Hob nur kurz den Blick, als die zwei Officer näher kamen. Patrick, der nun wieder seine Maske aufgesetzt hatte, lachte. Drehte sich zu den MacLane’s um. Lachte noch, als er die Handschellen hinter seinem Rücken einrasten spürte. Sah, wie Dee ihn abweisend anblickte, doch was ihm mehr gefiel, war der ängstliche und wohl auch noch immer leidende Blick von Ryo. Ja, den würde er nie mehr ganz verlieren. Er hatte ihn nicht gebrochen. Aber er hatte sein Zeichen auf Ryo hinterlassen. Ein Zeichen, das er nie mehr verlieren würde. Justin wandte den Blick von Patrick und sah zu Goro’s rechter Hand. Zuckte nur mit der Schulter. Dann sah er nur, wie dieser sich erhob. Seine Bewegungen glichen denen einer Schlange. Einfach, nicht zu viel, aber dennoch effizient. Roy McCoy stand einfach nur dort und nur, wenn man ihn genau kannte, konnte man das kurze Verziehen des Mundwinkels sehen. Gefolgt von einem knappen Nicken, das wohl auch nur einer als solches erkannte, der den Mann wirklich länger kannte, und das tat Timber. Meist war es der glatzköpfige McCoy, der sich bei den Gerichtsverhandlungen einfand. Auch wenn dieser einige Jahre Rechtswissenschaften studiert hatte, machte ihn das nicht zu einem anerkannten Anwalt, aber Goro vertraute ihm. Also nahm es Timber immer als gegeben hin. Irgendwie motivierte ihn die Anwesenheit von McCoy. Doch heute machte sie ihn nur nervös. Justin legte eine Hand auf die Schulter von Patrick und dieser zuckte kurz zusammen. Schaute seinen Anwalt groß an, bevor er wieder seinen Blick auf Ryo heftete. „Du gehörst mir... du weißt es nur noch nicht... Du gehörst mir...“ Lachend ließ er sich von den Officer zur Nebentür ziehen. Noch immer lachte er, bis es plötzlich ruhig wurde. Stille senkte sich über den Saal. Das Lachen verstimmte mitten im hellen, fast irrsinnig zu nennenden Ton. Der Nachhall des Schusses verklang im Gerichtssaal. Und alle Blicke flogen zu dem in grau gekleideten Mann, der seine Waffe langsam auf sich selbst richtete. Dass der Angeklagte langsam die Füße unter sich verlor und wie leblos zu Boden sank, bemerkten im eigenen Schock nur die beiden Officer, die ihn hinausführen sollten. „NEIN!“ brüllte Ryo und sprang auf, ehe die anderen überhaupt den ersten Schuss richtig verarbeitet hatten. Selbst Dee blickte nur sprachlos, als Ryo mit einem Satz über die Absperrung sprang, sich auf den Gerichtsdiener warf und ihm die Waffe aus der Hand schlug. „Tu das nicht...“ bat Ryo, obwohl er Cordalis nur zu gut verstehen konnte. Denn niemand anderes war der Mann, der das Lachen von McNear’s Lippen gelöscht hatte. Dee war der Mann vorhin schon bekannt vorgekommen, aber in der Uniform hatte er ihn nicht einordnen können. Kaum war Ryo bei dem Gerichtsdiener und drückte die Waffe runter, eilte bereits eine Wache durch den Fronteingang und eine weitere kam mit gezogener Waffe aus dem Nebenzimmer. Beide schienen den Herd der Unruhe zu suchen und als sie bemerkten, dass die Gefahr gebannt war, steckten sie die Waffen wieder ein. Mick blickte sofort, als der Schuss sich löste, in die Ecke, wo McCoy saß. Dieser stand zwar, aber war unbewaffnet. Jedenfalls konnte Mick nichts erkennen. Also richtete er den Blick wieder nach vorne. Wo Ryo den nun Unbewaffneten fast beschützend in den Armen hielt. „Schließen Sie die Türen. Lassen Sie keinen rein oder raus!“ forderte der Richter die Wachen sofort auf, den Schauplatz dieser Untat abzuriegeln. Unruhe erfasste die anderen Anwesenden, und erst als der Richter wieder auf den Pult klopfte, wurde es ruhiger. Justin Timber kniete neben dem niedergesunkenen Patrick McNear. Genauso wie eine der Wachen. Powder erhob sich gerade aus der knienden Position und blickte den Richter an. „Euer Ehren, der Angeklagte ist tot,“ verkündete er laut und schaute nun erst in die Richtung, wo der Mafiosi saß. McCoy hatte sich aber nicht vom Fleck bewegt. Nun saß er sichtlich entspannter als eben noch auf seinem Platz und hatte die Beine übereinander geschlagen. Fast so, als ob ihn das ganze nichts angehen würde. Leise erklang nun eine Stimme im Raum und ließ alle wieder zu dem Gerichtsdiener und den MacLane’s blicken. „Er hat meinen Freund umgebracht... ich konnte ihn nicht so davonkommen lassen... Er war alles, was ich hatte und er hat ihn mir genommen... Ein Leben für das andere... Ich bereue nichts... Gary verzeih, dass ich nicht bei dir war... aber bald bin ich mit dir vereint...“ sagte er in die Stille, die noch immer im Raum weilte. „Nein... glaub mir, Cordy... es lohnt sich zu leben...“ sagte Ryo leise und er meinte das so, wie er es sagte. Fast schien es so, als ob seine Augen nun klarer blicken würden. Erst dann kam Bewegung in alle anderen. Die zwei Officer sahen zum Staatsanwalt, zu Barclay, der auch hier bekannt war, und zum Schluss zum Richter. „Verhaften Sie...“ „Nein!“ rief Ryo und stemmte sich hoch. “Nein... Sie wissen nicht... Sie wissen nicht, was ich... wie... Er hat genug gelitten... Lassen Sie es nicht zu...“ Ryo’s Stimme wurde mit jedem Wort fester. Sein Schritt war noch wacklig von seinem raschen Eingreifen, und so war er sichtlich erleichtert, dass Dee plötzlich an seiner Seite auftauchte und ihn stützte. „Randy MacLane, Euer Ehren. Bitte hören Sie mich an, bevor Sie ihn verhaften. Er weiß, wie Gary Logan starb. Unter welchen Bedingungen. Ich kann es ihm nachfühlen. Hätte ich heute eine Waffe gehabt, dann hätte ich es hier genauso beendet... Bestrafen Sie nicht einen unschuldigen. Sie sagten eben selbst, dass Sie eine härtere Strafe vorgezogen hätten. Die einzige, die für Gerechtigkeit gesorgte hätte. Ich bin kein Befürworter der Todesstrafe, aber in so einem Fall...“ Cordalis Spalier trat neben Ryo. “Ich danke Ihnen für ihre Worte, und auch dafür, dass Wie bei ihm waren. Ich kann ihnen dafür nicht genug danken.“ Lange hatten sie im Krankenhaus miteinander gesprochen. Doch mit keinem Wort hatte Cordy, wie Logan ihn genannt hatte, verlauten lassen, wo er arbeitete, noch dass er sich mit der Absicht der Rache trug. „Richter?!“ meldete sich nun auch der Staatsanwalt zu Wort, trat vor zum Richtertisch. Hätte er geahnt, was er mit seinem Deal heraufbeschwören würde, dann hätte er es sich zweimal überlegt. Nun hatte er nichts in den Händen. Ross fiel auf, dass sich dieser Mann etwas träge bewegte. Fast so, als ob er Schmerzen hätte, doch von seinem Standpunkt aus konnte er das auch nicht genauer sagen. „Nun, Herr Staatsanwalt?“ Wenn er das Sagen haben würde, würde er einfach mal ein Auge zudrücken, aber er wollte erst sehen, was Powder zu dieser Sache sagen wollte. „Wenn Sie gestatten, würde ich gerne mit Ihnen und dem Herrn Anwalt in Ihrem Büro über das weitere Vorgehen sprechen,“ erklärte Powder und warf dem angesehenen und wohl auch älteren Anwalt einen Seitenblick zu. Dies hier vor allen Zeugen zu klären war nun wirklich nicht der richtige Weg. Es durfte kein Fehler passieren, sonst wäre das alles nur eine Farce. Richter Cohan nickte anerkennend zu den Worten des Staatsanwaltes und schlug dann mit seinem Hammer auf den Tisch. „Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Gerichtsdiener! Sie werden hier unter Aufsicht gestellt und warten. Die Türen werden geschlossen und keiner verlässt oder betritt den Saal, bis wir uns aus der Beratung wieder melden,“ verkündete er und erhob sich dann, um mit den beiden Anwälten die wenige Schritte entfernte Tür zu durchschreiten. Dahinter befand sich bereits sein Arbeitszimmer. Oder eher gesagt, das Zimmer, welches dem Richter in diesem Gerichtssaal zur Verfügung stand. Erst nachdem sich der distinguierte Richter, dessen dunkelblonder Haarkranz viel von seinem Kopf frei ließ, hinter dem imposanten Schreibtisch niedergelassen hatte, richtete er das Wort an Powder. „Nun, Herr Staatsanwalt! Was raten Sie in so einem Fall?“ „Ich verlange die Verhaftung von dem Gerichtsdiener und die Sicherstellung der Waffe!“ forderte Timber, der hier seine Ehre verteidigen musste. Schließlich war sein Klient erschossen worden, da konnte er nicht so einfach so dazu schweigen. „Herr Anwalt! Bitte! Ich werde auch Ihnen gleich Gehör schenken. Aber ich kann schon soweit vorweg greifen, um zu sagen, dass ich Ihre Ansicht teile.“ „Euer Ehren, ich weiß, dass es im Augenblick so ausschaut, als ob der Gerichtsdiener Spalier hier einen Mord begangen hat, aber wir sollten es auch aus dem Gesichtspunkt seiner momentanen Lage betrachten.“ „Lage? Sie meinen wohl Rache?!“ mischte sich Timber wieder in die Ausführung von Powder ein und erntete erneut einen Blick und eine erhobene Hand von Richter Cohan, der ihm Einhalt gebot. „Sie haben Recht, Herr Kollege! Spalier handelte aus Rache, das bestreite ich nicht.“ „Sie wussten davon?“ „Euer Ehren, wenn Sie gestatten, würde ich gerne meine Erklärung ausführen.“ Nachdem er einen Blick in die Runde geworfen hatte, ging er zur Tür, öffnete diese einen Spalt und erspähte genau den Mann, den er suchte. „Commissioner Ross... Würden sie bitte die Freundlichkeit haben und die Tatwaffe abliefern?“ bat er und wartete, bis Ross ihm diese aushändigte. Barclay hatte sich inzwischen die Leiche etwas näher angesehen. Etwas hatte ihn vorhin schon stutzig gemacht. Deswegen musste er sich einfach McNear’s Körpers anschauen. Als er die Jacke, die man über ihn gelegt hatte, entfernte und ihn sich anschaute, wusste er, was es gewesen war. Er bedeckte die Leiche wieder und ging, als er seinen Namen hörte, zum Staatsanwalt und reichte ihm die Tatwaffe. Kurz sprach er jedoch noch mit Powder, der ihm nickend zuhörte, und dann die Tür wieder schloss. Zweifel an der Tat bestanden nicht. Jeder im Gerichtssaal hatte gesehen, wie Spalier auf McNear anlegte und feuerte. Deswegen war es auch nicht unbedingt notwendig, Fingerabdrücke zu sichern. Dennoch berührte Powder die Waffe nur mit einem Tuch, um sicherzugehen. „Die Tatwaffe,“ erklärte er, nachdem die Tür wieder geschlossen war. Behielt sie aber weiterhin in der Hand. “Ich denke, dass ich nicht näher über die Hintergründe der Tat eingehen muss, da mir Detektiv MacLane schon alles vorweg genommen hat. Dennoch möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Spalier trotz seiner Bekanntschaft zu einem der Opfer von McNear hier seinen Dienst versehen konnte. Man könnte meinen, es sei ein Fehler in der Ermittlung geschehen, doch dem müsste ich sofort entgegentreten. Mir war bekannt, dass der hiesige Gerichtsdiener mit dem Opfer Gary Logan liiert war. Auch der Polizei war dies unlängst bekannt, weil sich Mr. Spalier auf dem Revier gemeldet hatte.“ „Kommen Sie zum Punkt,“ forderte Timber, der nicht gerade klug wurde aus den Ausführungen des Staatsanwaltes. „Mr. Spalier kam zu mir, als er hörte, dass dieser Fall verhandelt wurde, und bat mich darum, dass er seinen Job machen dürfte. Als Zuhörer hätte man ihm wohl den Eintritt verweigert. Aber als Gerichtsdiener konnte es keiner tun. Also stimmte ich zu.“ „Sie sind also mitschuldig am Tod von meinem Mandanten?!“ Zornig sprang Timber auf. “Euer Ehren...“ „Beruhigen Sie sich, Herr Anwalt.“ Powder hob die Dienstwaffe von Spalier hoch und zielte genau auf die Brust des aufgebrachten Anwalts, der ihn nur noch wütendender anstarrte. „Meine Herren. Das hier ist ein Gerichtssaal, wenn ich bitten dürfte. Legen Sie die Waffe nieder, Herr Staatsanwalt. Ich sagte...“ Powder drehte nur etwas den Arm und nahm nun den Richter ins Visier und diesmal zögerte er nicht, sondern drückte ab. Ein Schuss erhallte in dem kleinen Raum und wenige Sekunden später sackte der Richter auf seinem Sessel zusammen. Kaum war dies geschehen, flog auch schon die Tür zum Gerichtssaal auf und Barclay Ross kam mit gezückter Waffe hereingestürmt und zielte nach einem kurzen Rundblick auf den Staatsanwalt. Die zweite Tür, die, welche in das Gericht führte, flog ebenfalls auf und ein weiterer Wächter stürmte ins Büro des Richters. „Waffe fallen lassen!“ rief er auch schon. «Sind hier denn alle verrückt geworden?» schoss es Ross durch seinen Kopf, als er auf den nun wieder regenden Richter blickte. „Was!“ entfuhr es diesem, als er sich seine Vorderseite anschaute und nichts erkennen konnte. Eigentlich hätte er doch tot sein müssen. Powder hatte genau auf sein Herz gezielt und aus dieser Entfernung konnte er doch unmöglich daneben schießen. „Ich bin kein guter Schütze, Euer Ehren, das gebe ich gerne zu,“ erklärte der Staatsanwalt und legte langsam die Waffe auf die Schreibtischplatte. “Doch ich kann Ihnen versichern, dass ich näher stand als Spalier eben bei McNear.“ „Platzpatronen?!“ Timber fiel die Kinnlade herunter, als er nach der Waffe greifen wollte, hielt der Richter ihn jedoch davon ab. „Sie haben...“ „Es tut mir leid, Euer Ehren. Aber ich konnte Spalier nicht mit einer scharfen Waffe Dienst verrichten lassen. Gerade weil ich wusste, dass er auf Rache sinnen könnte. Verzeihen sie mir,“ bat er reumütig und senkte devot sein Haupt. Grinste aber dabei ein wenig fies zu dem Anwalt hinüber, der sich nun schwer auf den Sessel fallen ließ. «Verloren... nicht nur meinen Mandanten, sondern auch den Fall... und dabei hatte alles so schön gepasst...» „Aber wenn Spalier es nicht war, wer dann?!“ stellte Cohan wohl die wichtigste Frage des heutigen Tages. „Euer Ehren, wenn ich kurz dürfte?“ erbat sich der Commissioner das Wort, der nicht nur seine Waffe wieder eingesteckt hatte, sondern auch dem Wachmann ein Zeichen gab, dass dieser sich wieder entfernen konnte. „Commissioner?“ „Nun. Ich möchte ja hier keinem die Show stehlen. Aber der Angeklagte wurde nicht erschossen!“ Nach dieser Enthüllung schauten ihn erst einmal zwei Paar Augen neugierig an, das dritte schloss nur kurz die Lider, bevor er den Blick fest auf den Commissioner richtete. „Wie meinen? Wir haben alle den Schuss gehört!“ „Ja. Gehört. Aber wie der Herr Staatsanwalt eben so erfolgreich demonstriert hat, hat der Gerichtsdiener nur mit Platzpatronen geschossen. Was ich sagen möchte, um Sie nicht länger auf die Folter zu spannen: es gibt keine sichtbaren äußeren Verletzungen. Ich habe mir erlaubt, mir die Leiche von McNear anzuschauen. Aber es gibt weder eine Eintritts- noch eine Austrittswunde. Und wenn man aus dieser Distanz jemanden erschießt, glauben Sie mir, Euer Ehren, dann sollte doch mindestens Blut zu finden sein.“ „Kein Blut? Keine Wunde? Sind Sie sich sicher, Ross?!“ kam es vom Timber, der nun sichtbar verwirrt war. Irgendwie hatte wohl schon jeder gedacht, dass einer aus dem Zuschauerraum, genauer gesagt McCoy, was damit zu tun hatte. Aber da hatten sie sich wohl getäuscht. „Aber wenn McNear nicht erschossen wurde, wie wurde er dann umgebracht?!“ stellte Powder die wohl interessanteste Frage überhaupt. „Das wird wohl eine Obduktion klären.“ „Nun gut. Dann werden wir wohl dies in die Wege leiten. Meine Herren. Da nun alles so weit geklärt ist, sehe ich auch keine Veranlassung mehr, den Gerichtsdiener zu belangen. Jedenfalls nicht für Mord. Lassen Sie uns zurückgehen.“ Powder hockte sich auf seinen Platz, und Timber suchte seinen auf. McNear lag noch immer auf demselben Fleck, wo er zusammen gebrochen war. Nur hatte man inzwischen eine Jacke über dessen Antlitz ausgebreitet. Da die Wachen den Befehl hatten, niemanden rein oder raus zu lassen, konnte die Leiche noch nicht einmal weg gebracht werden. Spalier stand bewacht von zwei Männern an der Seite, wo normalerweise die Geschworenen ihren Sitz inne hatten. Doch er war nicht allein. Ryo und Dee waren bei ihm und würden ihm, egal was nun kommen sollte, beistehen. Der Richter klopfte mit dem Hammer auf den Tisch, während die beiden Anwälte ihn schweigend anblickten. „Das Gericht hat entschieden. Die vorgelegten Beweise zeigen eindeutig, dass Mr. Spalier die Absicht hatte, Mr. McNear zu töten. Doch anhand der Waffe, die von einem hiesigen Beamten sichergestellt wurde, ist es ihm unmöglich gewesen, diese Tat damit auszuführen.“ Wieder ging ein Raunen durch den Saal und alle Blicke richteten sich auf den Gerichtsdiener, der ungläubig zu dem Richter blickte. Er verstand nichts. Genauso wie wohl der Rest der Anwesenden. „Die sichergestellte Waffe war nur mit Platzpatronen geladen und demnach nicht tödlich. Dennoch bestand die Absicht, hier im Gericht einen Mord zu begehen und diese Tat werde ich ahnden. Sie werden mit sofortiger Wirkung Ihres Amtes enthoben und werden dem Gericht nie wieder unter die Augen treten.“ Spalier sackte zurück gegen die Verkleidung des Zeugenstandes. Aber wenn nicht er, wer hatte McNear denn dann getötet? Diese Frage stellten sich nun auch die anderen und wieder war ein Raunen zu hören, das nur durch drei weitere Hammerschläge unterbunden wurde. „Zum jetzigen Zeitpunkt können wir nicht genau feststellen, wie der Angeklagte Patrick McNear zu Tode kam. Bis dies bekannt ist, zieht sich das Gericht zurück. Die Verhandlung ist geschlossen.“ Der Richter schlug zum letzten Mal auf den Pult und erhob sich. Cordalis konnte es genauso wenig fassen wie die anderen. Ryo lehnte sich schwer gegen Dee, brauchte ihn als Stütze, er war fertig. Körperlich wie auch seelisch. „Es ist vorbei...“ hauchte Dee und nahm seinen Mann fest in den Arm. *** TBC Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)