Tainted Love von Melora ================================================================================ Kapitel 4: Sweet dreams are made of this ---------------------------------------- Nun war er wieder in dieser Klasse gelandet, im Unterricht dieser fürchterlichen Hexe. Nicht dass er Angst vor ihr gehabt hätte - vor ihrer Macht - er wollte sich von diesem Weib nur nicht unterkriegen lassen. Sie bestrafte ihn für sein Verhalten - schön und gut - aber er würde sich das nicht bieten lassen. Dass sie ihn vor der ganzen Klasse lächerlich gemacht hatte, das würde sie ihm büßen und das auf seine Art und Weise. Shin würde ihr keinen einzigen Grund liefern, dass sie ihn noch einmal bestrafen könnte, so würde sie sich einen anderen Idioten suchen müssen. Trotzdem machte er nicht den Eindruck der glücklichste Mensch auf Erden zu sein. Wer aber Sawada kannte, wusste, dass dieser immer so war, demnach hatte er sich keinen Deut geändert. Sie stand an der Tafel und schwang die Hüften, er fand das hatte etwas von einer Gogo-Tänzerin, wahrscheinlich kam sie sich besonders toll vor. „Sawada!“ Er hörte sie seinen Namen sagen und fragte sich, wieso sie eigentlich immer ihn nach vorne holte, sie wusste doch, dass er der einzige Schüler war, der das Ganze ohne Anstrengung lösen konnte, warum nahm sie keinen anderen? Machte sie das nur, um ihn zu provozieren und ihre Macht zu demonstrieren? Gut… Dann sollte die Dame ihren Willen bekommen, aber er würde zurückschlagen… bei der erstbesten Gelegenheit. Er schien alles richtig zu machen, alles zu ihrer Zufriedenheit zu erledigen. Hausarbeiten, Mitarbeit im Unterricht, er wurde geradezu zu einem Musterschüler, sie musste etwas unternehmen… Als die Uhr zum Mittag schlug und sich die Schüler in der neu erbauten Caféteria tummelten, setzten sich drei Jungs gemeinsam an einen Tisch. „Ne, Shin… Ich kann nicht glauben, dass du das zulässt. Sie kommandiert dich herum und du tust, wie sie dir befielt.“ „Glaubst du, ich gebe auf, Uchi? Ich mache das auf meine Art. Die werden wir schon wieder los, ich lass mir was einfallen.“ Nicht nur Shin hatte abbekommen, Uchi und Kuma schien sie auch wenig zu mögen und hatte sie einmal die dreckigen Toiletten putzen lassen, ebenso wie sie Uchi eins mit ihrem Rohrstock übergezogen hatte, dabei hatte er nur seine Hausaufgaben nicht gemacht. Sie war ein grausames Stück, Shin fragte sich manchmal, ob die ein Mensch war oder eine Bestie, obgleich sie so lieblich aussah, als könne sie kein Wässerchen trüben. „Ich persönlich finde sie Furcht einflößender als Yankumi und die konnte echt böse werden…“ Kuma zuckte zusammen, er hätte dieses Thema niemals angeschnitten, Shin zuliebe. „Vergleiche die beiden nicht miteinander. Zwischen ihnen liegen Welten!“ stellte Shin zweifelsohne klar und warf Uchi einen verärgerten Blick zu. „Shin, kann es sein, dass du sie etwas zu sehr magst?“ Die Frage kam nicht ganz so plötzlich, Uchi hatte das Ganze schon eine Weile beobachtet und hatte mehr und mehr den Verdacht, dass Shin Yankumis Abgang gewaltig quälte. „Die Frage hat man mir schon mal gestellt…“ Er linste zu Kuma und trank seine Dose Kaffee, die er sich mitgebracht hatte, Appetit hatte er auch dieses Mal nicht, er aß meistens abends, wenn der ganze Stress vorüber war. Eine weitere Person schob Uchi etwas unsanft zur Seite, so dass das Tablett fast dabei vom Tisch fiel, dieser zwängte sich zwischen Uchi und Sawada, die sich gerade über Dinge unterhielten, wie sie andere bestimmt nichts angingen. Er hatte sein Tablett zwischen Uchis und Shins Arm abgestellt, wo der Tisch doch so klein war, dass kaum 3 Personen hier essen konnten. „Shin hat selbst zugegeben, dass er sie mag“, ein Grinsen war Noda gegeben, ja, er selbst war es gewesen, der Shin danach gefragt hatte und dieser hatte mit Ja, wahrscheinlich geantwortet Das Grinsen, welches Noda in seinem Gesicht hatte, sollte Shin wohl ärgern. „Gleich wird er noch rot!“ Der Rothaarige holte tief Luft. Warum musste er sich das geben? Wer konnte denn keiner Frau widerstehen? „Sagt die Jungfrau der Klasse… Lachhaft.“ Shin hatte es sich nicht verkneifen können. So oft er sich Frauen im Internet anschaute, Noda hatte doch keinerlei Erfahrungen, was Frauen anging, er war ein pubertierender Teeny. „Ach, und du hattest natürlich schon ein dutzend Freundinnen, was? So eiskalt wie du dich Mädchen gegenüber benimmst, das ist echt verdächtig. Lief da etwa was?“ Er stieß ihm mit dem Ellenbogen gegen die Wange, so dass Shin seinen Arm schnappte, er war verärgert über dieses Verhalten, was zum Henker wollte er? Streit suchen etwa? „Lass das, Noda!“ „Oh je, sie hat dich verlassen. Die einzige für die du dich jemals interessiert hast, hat kein Interesse an dir, du Superhecht!“ Es reichte, Shin war aufgesprungen und stand jetzt Noda gegenüber. „Halt den Mund, sei einfach ruhig, wenn aus deinem Mund nur Scheiß kommt!“ Zwar bemühte sich Shin, nett und friedlich zu bleiben, doch gegen Ende des Satzes sickerte langsam durch, wie wütend er war. Sie hatten eine raue Art miteinander zu reden, das war schon immer so gewesen, weshalb man sie auch immer wieder Abschaum nannte. „Ist das so? Kannst du die Wahrheit nicht verkraften?“ Noda ging einen Schritt auf Shin zu, so dass sich ihr Oberkörper fast berührte. „Du kannst sie eben doch nicht alle haben. Du bist ihr wie ein läufiger Hund nachgerannt, merkst es aber selbst nicht. Ich an ihrer Stelle hätte da auch die Schnauze voll.“ „Sprich nicht so von ihr!“ Shins Stimme war laut geworden und dann schlug er zu, seine Faust traf Noda am Kieferknochen und haute ihn von den Socken. Er schnappte ihn am Kragen und schüttelte ihn. „Ich dulde es nicht, dass du so von ihr sprichst!“ „Was du nicht duldest und was nicht ist kein Thema für mich, Sawada! Du spielst dich auf wie der Leader einer Gang, das stinkt mir!“ Nun war es Noda, der zurückschlug und schon befanden sich die beiden Jungs in einer regelrechten Schlägerei. Eine ganze Gruppe Jugendliche sprang auf und klatschte kräftig, sie waren im Nu umringt von Leuten und wurden angefeuert wie bei einem Boxkampf. Was nicht sofort auffiel… Es blieb bei diesem einen Schlag, den Noda austeilte und der hatte Shin kaum einen Kratzer beigebracht, während sein gegenüber immer mehr ausflippte und sich hochschaukeln ließ. Das ganze Treiben endete erst, als eine Lehrkraft in der Caféteria vorbei kam und die beiden voneinander trennte. „Nicht einmal untereinander gebt ihr Ruhe! Ins Klassenzimmer und zwar sofort!“ Es war ausgerechnet Kyoto, der die beiden trennte und dann wie zwei Verbrecher abführte. Ihre neue Klassenlehrerin wurde hinzugezogen, sie sollte die Beiden verhören. Beide schwiegen noch, darauf gefasst befragt zu werden, während Sawatari um sie herumlief, wie um seine Beute. Jedoch sah die Lehrerin, die nun anwesend war, nur Shin mit einem grimmigen Blick an, als wolle sie ihm etwas unterstellen. „So, ich höre, wer von euch hat angefangen?“ „Shin!“ Der Klassensprecher zuckte zusammen, so selbstverständlich sprach Noda es aus. „Er hat mich ganz ohne Grund einfach angegriffen, er ist gewalttätig!“ Kyoto blickte zur Seite, wo Frau Okawa stand und nickte. „Das sehe ich auch ohne dass sich Shin dazu noch äußern muss… Lass deinen Frust woanders aus, Sawada! Ich weiß, dass dir dein Halbjahreszeugnis nicht in den Kram gepasst hat, aber das ist noch lange kein Grund auszurasten. Zur Strafe wirst du nachsitzen… und zwar bei mir!“ Natürlich glaubte sie Noda, er schien ja ihr Liebling geworden zu sein. „Wie lächerlich“, machte sich Shin lustig und wandte den Blick von ihr ab. Es schien ihm, als hätte sie darauf gewartet, ihn bestrafen zu können, da er ihr ja keinen Grund gegeben hatte. „Noda, du kannst gehen…“ Wie ihm geheißen wurde, verließ Noda den Raum und Shin funkelte seine Lehrerin an, sie wusste garantiert, dass er es nicht gewesen war und behandelte ihn absichtlich so ungerecht. „Ich überlasse das Ihnen, greifen Sie hart durch.“ Kyoto warf Shin noch einmal verachtende Blicke zu, verließ dann aber ebenfalls den Raum, somit waren sie alleine. Natürlich sagte er das mit besonderer Betonung, laut ihm war Shin ja ein Satansbraten. Shins Blick sprach Bände, er war wütend, aber unterdrückte diese Wut vehement. „Vielleicht solltest du es mit Sport versuchen… Wenn du den Sportunterricht denn mal besuchen würdest. Dort kann man gut seinen Frust ablassen, aber ich fürchte du bist nicht ausgelastet. Keine Sorge, heute Abend wirst du müde ins Bett fallen, das wird ein langer Tag für dich, mein Kleiner.“ Sie grinste schief und hatte in der Tat die größte Freude an dieser Bestrafung. „Es muss schrecklich für dich gewesen sein, dass eure Klassenlehrerin gegangen ist. Man sagte mir, dass du ihr sehr nahe gestanden hast. Du musst sie sehr vermissen…“ Das halbherzige Lächeln in ihrem Gesicht, oder sollte er sagen hinterhältiges Lächeln, ließ ihn für einen Moment erstarren. Wer um alles in der Welt hatte ihr diese Dinge erzählt? Ob es Noda gewesen war, der ihn doch gerade absichtlich provoziert hatte, damit er ausrastete…? Ja, jetzt wurde es Shin bewusst, wie er in diese Falle getappt war, wie ein Anfänger. „Das geht dich nichts an, Okawa. Mein Verhältnis zu meiner ehemaligen Lehrerin ist alleine meine Sache, was auch immer Noda dir erzählt hat.“ „Die erste Liebe ist schmerzlich.“ Dem 18-jährigen wurde fast schlecht. Sie dachte zu wissen, was in ihm vorging, was? Und dann redete sie noch so, als würde sie sich um ihn sorgen. „Noda redet viel, wenn der Tag lang ist, man kann nie wissen, ob es nun die Wahrheit ist.“ „Oi oi, da muss ja ziemlich viel gewesen sein, wenn du dich aus der AFFÄRE ziehen möchtest. Die Kleine, die dein Herz erweicht hat, möchte ich gerne kennen lernen.“ Hatte sie das wirklich? Hatte Kumiko sein Herz erweicht und ihn verweichlicht? Es kam ihm beinahe so vor. Und den Verstand hatte sie ihm geraubt. Er wäre doch niemals auf so einen billigen Trick hineingefallen. Er hatte nicht nachgedacht. Kurz nach halb fünf saßen sie im Klassenzimmer, Stille herrschte seit bestimmt einer halben Stunde. Okawa schlug die Beine übereinander und korrigierte Tests. Ein Blick auf Sawada verriet der jungen Frau, dass er keine Anstalten machte, zu tun, was man ihm sagte. Er hatte sich mit verschränkten Armen hingesetzt. Nee, also darauf hatte er keinen Bock, man würde ja sehen, wer als erstes aufgab. Sie wollte bestimmt nicht mit ihm hier übernachten. Und er würde definitiv dieses Mal nicht tun, was man ihm sagte, immerhin traf ihn keine Schuld. Irgendwie hatte die Sache aber etwas Nostalgisches. Während er sich hier zu Tode langweilte musste er daran denken, was zwischen ihm und Minami wegen dessen Date vorgefallen war. Er hatte ihm befohlen sie nicht wieder zu sehen, jedoch nur, um ihn vor deren Freund zu beschützen und dann verlangte man von ihm, er solle ein Entschuldigungsschreiben verfassen. Er hatte es getan, um nicht von der Schule zu fliegen – aber dieses Mal, er wollte nicht klein bei geben. So wie er sie einschätzte, würde sie ihn schon nicht von der Schule werfen lassen, nein, sie hing auf ihre ironische Weise an ihm – weil sie ihn gerne piesackte. Nicht mit mir… An mir beißt du dir die Zähne aus, Schätzchen! Genau das dachte er sich und rutschte auf dem Stuhl hin und her. Ob sie wohl endlich aufgab? Man sah, wie sie ihre Sachen zusammen packte und ihre Tasche verschloss. „Willst du nicht bald mal mit Schreiben anfangen?“ „Sehe ich überhaupt nicht ein, ich wüsste nicht, wieso ich das sollte. Du weißt genauso gut wie ich, dass er angefangen hat.“ „Du kannst gerne hier übernachten, du kommst nicht eher hier raus, bis du dieses Schreiben verfasst hast, Sawada, aber ich werde jetzt gehen.“ Sie stand von ihrem Platz auf. Bitte was hatte sie gerade gesagt? Sie wollte gehen, aber er würde hier nicht rauskommen? „Moment mal, Sie können mich nicht hier einsperren!“ „Dich vermisst keiner, ich bin aufgeklärt, du hast deine eigene Wohnung, es macht also nichts, wenn du eine Nacht hier bleibst!“ Sie schritt zur Tür und Shin ging ihr nach, sogar packte er sie an ihrem Arm und zog sie zurück. „Ich bleibe ganz sicher nicht hier!“ „Ach nicht?“ Erneut musste er dieses hinterhältige Grinsen sehen, als sie sich herum gedreht hatte und wenig später spürte er etwas sehr Hartes in seiner Magengegend, sie hatte ihr Knie angehoben, wobei ihr Rock unappetitlich, wie er fand, hoch rutschte. „Fass mich nie wieder an, Sawada!“ Man hörte Schritte im Gang, so dass beide gehört wurden, aber ganz besonders die Worte, wie sie die Lehrerin förmlich ausspie in ihrer ganzen Grausamkeit, die ihre Stimme gerade ausstrahlte. Shin krümmte sich einen Moment, sie hatte ihm doch ordentlich ihr Knie spüren lassen. Für eine Frau hatte sie Kraft – wie Kumiko, doch diese hätte diese Kraft niemals auf diese Weise eingesetzt. Okawa packte ihn am Hinterkopf und zog ihn nah an sich heran. „Gegen mich kommst du nicht an!“ Ihr Atem streifte sein Gesicht und sie zog ihn so sehr zurück, dass sich sein Rücken wie ein Bogen formte. Die war nicht nur grausam, sie war sadistisch, ihr Grinsen, sie genoss es, ihn zu quälen. Aber wenn er sich nun wehrte, wer wusste schon, wo das endete? Sie würde es noch so drehen, als ob er sie attackiert hatte, also ließ er sich diese Quälereien gefallen. Sie waren alleine, so würde ihr Wort gegen seines stehen, natürlich würde man ihr glauben, er war nicht so dumm. „Vergiss das niemals.“ Die Hellbraunhaarige ließ ihn los, er keuchte einmal, und dann verschwand sie zur Tür hinaus und schloss ihn im Klassenzimmer ein, er konnte nicht glauben, dass sie soweit ging. Dachte sie, es würde ein Wunder geschehen? Selbst wenn er hier übernachtete, würde er nicht auf die Idee kommen, diesen scheiß Brief zu schreiben, sie konnte ihm den Buckel runterrutschen, er konnte wirklich sehr stur in seiner Art sein, wenn er etwas nicht wollte… Und sie löste diese Sturheit in ihm aus. Die Tür wurde geöffnet, erschrocken erblickte die Lehrerin den Schüler, welcher mit dem Kopf auf dem Tisch lag. Sie hatte sich vom Schulleiter den Schlüssel besorgt, da sie Licht gesehen hatte. Das abgeschlossene Klassenzimmer und Licht, sie hatte erst an einen Einbrecher gedacht, der vielleicht das Licht angelassen hatte, aber nun traf sie der Schlag. Sawada Shin – ausgebreitet auf seinem Tisch – um diese Uhrzeit. „Sawada-kun“, sie lief auf ihn zu - er schien zu schlafen. Sollte das heißen, er war die ganze Nacht hier gewesen – alleine? Ihre Sorge wurde immer größer. Eine Prügelei war eine Sache, aber dass diese Frau ihn womöglich hier eingesperrt hatte… sie fasste es einfach nicht, wie konnte sie so etwas tun? Shin machte eine schlimme Phase durch, schien ihr und diese Frau dachte nur an Bestrafungen, jemand musste ihm doch helfen. „Armer Shin, das kann ich mir nicht länger mit ansehen.“ Sie hatte sich neben ihn gesetzt und strich ihm durch die Haare, Fujiyama konnte nicht widerstehen. Er öffnete die Augen und als er diese Berührung spürte, blickte er zur Seite – Fujiyama. Er zuckte etwas zurück. Jetzt fing sie auch noch an ihn anzufassen, er hatte so schlecht geschlafen und stöhnte erst einmal genervt auf. „Warst du die ganze Nacht über im Klassenzimmer?“ „Ja“, kam knapp von ihm, „aber nicht freiwillig.“ „Willst du über dein Problem reden?“ Dass sie ihn das fragte wunderte ihn, aber es sah ihr eigentlich ähnlich. „Ich habe kein Problem, mir geht’s gut.“ Jetzt glaubte sie ihm erst recht kein Wort, selbst ein Blinder spürte, dass es Shin alles andere als gut ging. „Warum habt ihr euch geprügelt?“ „Noda hat mich provoziert.“ „Und da bist du sauer geworden?“ „Mhm...“ Er war noch müde, warum hatte sie ihn wecken müssen? Lieber hätte Shin noch ein bisschen geschlafen. Für einen Moment hatte er eben beim Aufwachen gedacht sie sei wieder hier bei ihm, nur um dann festzustellen, dass sich Fujiyama ihm genähert hatte und es nicht Kumiko war – er war kurz davor zu verzweifeln. Sie wusste wahrscheinlich nicht wie sehr er sich nach ihr verzehrte, wie sehr er sich wünschte, sie wäre einfach wieder hier – in seiner Nähe. Es musste noch nicht einmal etwas zwischen ihnen laufen, Hauptsache sie war wieder hier, seinetwegen auch als Lehrerin. Wenn er sie nur hätte sehen können… Aber er hätte das niemals ausgesprochen. Weder vor Kumiko, noch vor Kuma, oder sonst irgendwem, es war ihm fast peinlich, so zu fühlen. Dass er nun so deprimiert war, nur weil seine Lehrerin einfach gegangen war, das war doch wohl eine peinliche Sache, aber er träumte immer noch von ihr… Auch heute, immerhin hatte ihn die Situation an sie erinnert, wenn auch auf groteske Weise. Es läutete bereits zum Unterrichtsanfang, Shin fühlte sich von Fujiyama erlöst, dabei meinte sie es nur gut, das war ihm wohl bewusst. Ihre Aufmerksamkeit hatte keine tröstende Wirkung, die hatte, wenn überhaupt nur eine einzige Lehrerin, es tat ihm Leid für sie, wo sie sich so sehr bemühte, ihm beizustehen. Immer wieder hatte er ihr versichert, dass er klar kam und es ihm gut ging. Ihm zu glauben schien sie nicht, Shin hätte sich auch sehr gewundert, wenn sie so leicht klein bei geben würde. Er brauchte erst einmal frische Luft, die Nacht in diesem Klassenzimmer war nicht nur ungemütlich, sondern die Luft auch stickig gewesen, weshalb er nun auf das Dach ging – sein Platz quasi. Dort ließ er sich erst einmal gegen die Wand sinken und seufzte tief. Alleine zu sein, das brauchte er nun, selbst wenn er die Nacht über auch keine Gesellschaft gehabt hatte, aber die würde er ja nachher noch früh genug bekommen. „Shin, du bist schon anwesend, das ist ja schön“, hörte der Rothaarige zynische Worte, so dass er den Kopf zur Seite drehte und ein paar Jungs sah, die er nur vom Sehen kannte. Sie gingen ebenfalls auf diese Schule, waren aber keine Klassenkameraden. „Ach ja, ist es das?“ fragte er verwundert zurück, was wollten die eigentlich von ihm? „Schon lustig – jetzt kann dein Vater nicht mehr für gute Noten sorgen, was? Nun bricht der kleine Shin-chan ein, das geschieht dir so recht. Ich wusste sowieso immer, dass er die Lehrer besticht!“ „Nani?“ Seine Stimme klang tief und Furcht einflößend. So etwas musste er sich nun wirklich nicht sagen lassen. „Was sagst du da?“ Man hätte meinen können, dass Shins Aufstehen zu einem Kampf einläuten würde, er kniete nämlich im nächsten Moment schon, nur noch mit einem Bein und wollte gerade ganz aufstehen, als ihm eine Faust entgegen raste, seinen rechten Wangenknochen traf und ihn förmlich gegen die Wand schleuderte. Shin war nicht darauf gefasst, doch als er den nächsten Schlag versuchte abzuwehren, kamen diese Typen von allen Seiten. Zwei Fäuste von verschiedenen Seiten, vier Hände, die ihn festzuhalten versuchten – sie kamen von hinten und packten seine Arme, zerrten ihn von der Wand weg, krallten sich an ihm fest, während die anderen den wehrlosen Shin nun förmlich vermöbelten, sie schlugen auf ihn ein, es folgte ein Schlag nach dem anderen, sie versuchten ihn so zu treffen, dass es wirklich wehtat. So schlugen sie vor allem in den Magen und in die Mitte des Gesichtes. Seine Lungengegend wurde ebenfalls nicht verschont. Sie brachten ihn so weit, dass sie ihn loslassen konnten und er krampfhaft den Magen haltend zu Boden ging und dort entlang kroch, da er nun so schön da lag, traten sie ihm in die Seite und sogar einmal ins Gesicht. „So wollten wir dich schon immer mal sehen, Leader von 3-D!“ lachte einer gehässig und drückte seinen Schuh gegen Shins Wange, der wie ein geprügelter Hund das eine Auge zukniff. Hustend schleifte sich Shin zum Klassenzimmer, die Jungs hatten ordentlich ausgeteilt, so dass er sich doch noch den Magen hielt und dann die Türe öffnete. „Morgen…“ Irritiert starrte die Klasse auf ihren Klassensprecher, die Gesichter wichen Entsetzen. Er sah ziemlich wie ein geprügelter Hund aus. „Hast du dich schon wieder geprügelt, Sawada?“ warf man ihm mitleidslos zu, er dachte, er höre nicht richtig, dabei durfte ihn diese Aussage bei Okawa nicht wundern. „Nicht freiwillig“, so albern es klang, dass es einer gewagt hatte, ihn zu verdroschen, es war nichts als die Wahrheit. „Shin!“, wie von der Tarantel gestochen war nun Kuma aufgesprungen. Der Angesprochene kniff lediglich ein Auge zu und grinste dabei nun auch noch. „Da hat jemand was gegen mich, scheint mir, irgendwoher wussten die genau, wo sie mich finden…“ Es kam ganz leise von Shin, damit Noda es nicht mitbekam, den er natürlich als erstes verdächtigte, es war so klar wie Kloßbrühe, dass er ihn momentan wohl am meisten aus der Klasse verabscheute – von der Lehrerin ganz zu schweigen, die schienen sich ja sehr zu lieben. Natürlich blieb es Fujiyama nicht verborgen, was mit Shin passiert war, sie war nach wie vor besorgt, auch wenn Kumiko stets ihre Sorge zu dämpfen versucht hatte. Shin kam alleine klar, waren ihre Worte gewesen, doch irgendwie konnte Shizuka das nicht mehr glauben, sie glaubte, dass Shin eine schlimme Phase durchmachte und immer selbst zerstörerischer wurde, immerhin prügelte er sich fast täglich. Er war kein Schläger, das war der Lehrerin bewusst und doch kam er nun immer mehr wie einer rüber. Und diese neue Mathematik-Lehrerin hatte offensichtlich etwas gegen den Rothaarigen. Sie fand doch immer wieder ein Haar in der Suppe, für die sie den armen Shin bestrafen konnte, auch wenn er verprügelt worden wäre hätte sie ihm die Schuld daran gegeben. In der Mittagspause besuchte Fujiyama jedoch Yamaguchi, sie sollte sehen, wie besorgt sie wirklich war und persönlich das Problem mit ihr besprechen, weil es am Telefon ja nie geklappt hatte, da Kumiko sie versucht hatte abzuwimmeln. „Was ist los mit dir, Kumiko? Liegt es dir mittlerweile so wenig am Herzen, wie es deinen ehemaligen Schülern geht, seit du an einer neuen Schule unterrichtest?“ warf sie der Schwarzhaarigen nun vor, was diese total entsetzte. „Das ist unfair! Ich bin nur nicht mehr verantwortlich dafür, was sie tun, das ist alles! Und wie mir scheint, macht dir bloß Shin Sorgen.“ „Das sollte dich erstrecht interessieren, wenn der beste Schüler auf einmal nur noch Probleme macht“, seufzte Shizuka und trank einen Schluck ihres Kaffees. „Er ist ein Teenager, da hat man solche Phasen schon einmal“, innerlich erzitterte die 23-jährige, da sie fürchtete, dass alles ihre Schuld war. Shin schien regelrecht dagegen zu rebellieren, eine neue Lehrerin zu haben, er wollte sie dazu bringen, dass Yankumi zurück an die Shirokin kam, der war vielleicht raffiniert, aber dass er sich deswegen so vorbei benahm, sie glaubte es einfach nicht, sie hätte ihn wirklich für erwachsener gehalten. „Ach ja? Ich würde das nicht einfach so für eine Phase halten! Die Lehrerin ist scheußlich! Kuma macht sich auch schon Sorgen deswegen! Klar brauchen wir eine Lehrerin, die auch hart durchgreift, aber wie sie durchgreift, finde ich manchmal dann doch ziemlich überzogen! Neulich hat sie Shin im Klassenzimmer eingesperrt… Sie hat ihn nicht unter Kontrolle, auch wenn sie es versucht, er hat eben einen Dickschädel und lässt sich wenig sagen. Auf dich hat er bisher allerdings immer gehört, also bitte, sprich doch mal mit ihm! Ich bitte dich wirklich, es geht um die Zukunft einer deiner Schüler, du sagtest doch mal, dass sie immer deine Schüler sein werden…“ Es stimmte, genau das hatte Kumiko gesagt, sie konnte also im Grunde nicht wegsehen, das fiel auf die Dauer auf. „Na gut, ich rede mit ihm.“ Obwohl sie dachte, es würde zwecklos sein, er hatte ja ihre Entscheidung niemals auch nur ansatzweise gebilligt. Er würde eher weiter rebellieren, bis sie zurückkam. Sein Kampfeswille hätte sie normalerweise beeindruckt, aber momentan fand sie diesen mehr störend. Shin, du kannst was erleben! Du glaubst jawohl nicht, dass du mich so leicht beeinflussen kannst, nur indem du randalierst… Komm endlich mit den Umständen klar! Es ist wichtiger, dass du deinen Abschluss schaffst, als mir hinterherzutrauern… Das darf jawohl nicht wahr sein… Eine Tracht Prügel hättest du verdient… Es war eine absolute Fehlentscheidung, dir zu erlauben, von zu Hause wegzugehen. Dein Vater ist schließlich verantwortlich, doch anscheinend bekommt er nicht mit, was du treibst, oder er will es nicht mitbekommen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)