Tainted Love von Melora ================================================================================ Prolog: In the rain ------------------- Regen – Nässe, weit und breit war nichts anderes zu sehen, als das Wasser, das sich auf den Wegen ausbreitete und in alle Richtungen floss. Es war ein kalter Sommertag – eigentlich war das Wetter eher herbstlich – es war weder heiß, noch schien die Sonne. Ganz urplötzlich war sie hinter grauen Wolken verschwunden und hatte die Bewohner sehr damit überrascht. Ein Schirm konnte einen nicht schützen, dafür war es viel zu windig und es regnete zu heftig. Der Wind glich einem Sturm, er ließ die Bäume sich biegen, sie beugten sich dem unbarmherzigen Sturm. Die Straßen waren nun regelrecht leer gefegt, als hätte der Sturm sie alle davon geweht. Platsch... Platsch... Das unaufhörliche Pritschen, das von den Schuhen des Jungen ausging, war zu hören, er sprintete nämlich, was das Zeug hielt, auch er war auf der Flucht vor dem Regen. Er hielt ein Buch in seinen Händen, welches der einzige Schutz war, den er aufzuweisen hatte. Es schützte seine Augen, so konnte er wenigstens sicherstellen, dass ihm das Mistwetter nicht komplett die Sicht raubte. Er hätte wahrlich überhaupt nichts mehr gesehen, doch verbesserte es seine Lage nicht unbedingt sehr – denn so rannte er einfach geradeaus, wusste aber längst nicht mehr, wo genau er sich befand. Er wollte sich nur schnell irgendwo unterstellen, wo der Regen nicht hinkam, dummerweise dauerte es nicht lange und er war bis auf die Knochen durchweicht. Er fröstelte leicht, jedoch war der Junge gut in Bewegung und spürte es nicht sofort, wie kalt ihm geworden war, doch konnte man eine leichte Gänsehaut sehen. Da er allerdings so wenig auf den Weg achtete und die Geräusche seines Rennens alles waren, was man vernahm, sah er auch nicht die junge Frau auf sich zukommen, ebenfalls rannte sie, doch war es die andere Richtung, die sie einnahm. Auch sie war nass bis auf die Knochen und das trotz eines Schirms, den sie fest umklammert hatte und der sich immer wieder nach außen bog und ihr fast wegflog. Der Wind brauste ihr ins Gesicht und der Regen hatte sich in ihre Haare gesetzt, sie klebten an ihrer Stirn. Plötzlich hörte man es krachen und sie wurde nach hinten geworfen, konnte sich aber geradeso noch fangen, der Schirm ging dabei mit einem Scheppern zu Boden und blieb dort liegen. Sie wollte ihn anfahren und entdeckte dann ihren Schüler, den sie um diese Zeit nicht hier erwartet hätte. Sein Anblick raubte ihr einen Moment den Atem. Sein dünnes, weißes Hemd, das er oft trug, klebte an seinem Körper und war durch die Nässe mittlerweile durchsichtig – sie sah alles bis auf seine Haut alles, als könne sie ihn durchblicken. „Shin… Was machst du um diese Zeit hier?“ Sie griff nach ihrem Schirm und stellte frustriert fest, dass er nun endgültig das Zeitliche gesegnet hatte. Er war hinüber, eindeutig – Kumiko gab ein Seufzen von sich. „B-Baka“, fuhr er sie an, griff nach ihrer Jacke und zerrte sie hinter sich her. Bevor sie sich versehen hatte, war der Junge losgelaufen und zerrte sie durch den so eiskalt wirkenden Regen. Sie spürte seinen Griff und fragte sich, was in seinem Dickschädel vor sich ging. War er ein bisschen besorgt, dass sie wieder krank werden könnte? Ein Schmunzeln war auf ihrem Gesicht zu erkennen bei dem Gedanken. Yamaguchi Kumiko… Gerade laufe ich mit einem meiner Schüler durch den Regen. Er macht den Anschein, als wolle er mich vor dem Regen schützen… Ja, Sawada Shin war schon immer ein verrückter Kerl, aber wie verrückt, das sollte mir erst an diesem Tag bewusst werden. Und das Schlimme – ich bin noch viel verrückter als er es je sein könnte… Kapitel 1: Lost mind -------------------- Es war so furchtbar kalt, auch als sie dem Regen entkommen war. Kumiko hatte sehr viel mehr an, als Shin, sie trug zumindest eine Jacke, während er nur ein einfaches Hemd trug. Dennoch hatte sie die Arme um ihren Körper geschlungen und zitterte am gesamten Körper. Wind und Wetter waren sie entkommen, doch nicht der Kälte. Die Frisur, die sie so gerne zum verwuscheln missbrauchte, hing einfach nur so runter, einige Strähnen klebten ihm im Gesicht. Ihre leichte Sommerjacke war schwer, wie er bemerkte, als er sie ihr auszog, sie hatte sich voll mit Wasser gezogen und hätte er sie zu Boden fallen lassen, dann wäre sie wie ein nasser Sack aufgekommen. Durch einen Blick auf ihre nun sehr nackten Arme sah Shin sofort, dass sie Gänsehaut hatte. Sofort lief er los und holte für sie beide Handtücher, so dass sie sich wenigstens trocken rubbeln konnten. Sie war ganz blass, so sehr schien sie zu frieren, ihr Körper wurde vor Schüttelfrost nur so erschüttert. „Hier, nimm das Handtuch“, meinte er, ernst wie eh und je schaute er sie an, er guckte sie fast nie anders an, selten schien er zu lächeln. Irgendwas musste dem Jungen fehlen, dass er es nie tat, aber wenn sie ihn fragte, bekam sie nie Antworten. Seine Lehrerin hatte aufgegeben, ihn zu fragen, aufgehört sich den Kopf zu zerbrechen darüber, ob er unglücklich war. Zumindest, wenn seine Freunde um ihn herum waren, war er es ganz sicher, auch wenn er Gefühle nur sehr spärlich zeigte. Das Handtuch nahm sie entgegen, nickte ihm zu. „Danke… Shin.“ Ja, so ist das… Er ist der einzige Schüler, den ich oft mit Vornamen anrede, jedoch meistens, wenn wir alleine sind. Woher das kommt? Er gibt mir manchmal das Gefühl mir zuzuhören, wo er doch mein Vertrauter ist. Obwohl Kuma uns längst durchschaut hat, längst weiß, dass ich aus einer Yakuza-Familie komme und er genauso dicht hält, wie Shin, verbindet mich mit diesem Schüler etwas Besonderes… Ich weiß nicht, woher es kommt, das Gefühl, dass er wichtiger für mich ist. Es ist eben einfach da. Ich würde wahrscheinlich einiges geben, wenn ich ihm erneut ein Lächeln entlocken könnte. Schon so oft hatte Yankumi versucht ihn mit etwas Ärgern zum Lächeln zu bringen, doch es zu versuchen war zwecklos, man konnte ihn auch schlecht dazu zwingen. Manchmal hatte sie große Angst, seit Fujiyama-Sensei ihr von ihrem Schüler, der Selbstmord begehen wollte, erzählt hatte, dass Shin ein ernsthaftes Problem haben könnte. Er sprach so selten über Probleme, eigentlich nie, man musste ihn zwingen, den Mund aufzumachen, und er liebte es alleine zu sein. Anders als alle anderen Jungs seiner Klasse interessierten ihn Mädchen wenig bis gar nicht. Was war los mit diesem Jungen? Wenn andere sich amüsierten, sich hübsche Frauen in Zeitschriften oder im Internet ansahen, saß er gelangweilt daneben. Etwas anderes als Gefahr schien ihn nicht zu interessieren, er machte den Anschein ein wenig selbstzerstörerisch zu sein. Woran das liegen konnte? Vielleicht war ihm einfach nur langweilig – dass er sich unterfordert fühlte, wusste sie. Er war alles, nur kein aufmerksamer Schüler. Er kam oft zu spät, schwänzte sogar Stunden und manchmal schlief er auch während ihres Unterrichts und doch hatte er stets die besten Noten. Noch nie hatte sie mehr als zwei Fehler in einem der Tests gefunden und selbst dann sagte er, dass es nicht sein konnte, dass er Fehler gemacht hatte – er hatte Selbstbewusstsein für zwei oder drei Leute. Solchen Menschen konnte wahrlich ein wenig langweilig sein. Kumiko rieb sich den Kopf trocken, ebenso wie er, zumindest versuchten sie es ein wenig, aber alles was helfen würde, war ein heißer Fön. Klatschnass war gar kein Ausdruck, alles klebte, dass es nur unangenehm sein konnte. Noch immer war sein Hemd so gut wie durchsichtig, er hätte es genauso gut ausziehen können, es hätte keinen Unterschied gemacht. Shin wohnte in einer Wohnung, die eigentlich viel zu groß für ihn war. Es hätten zwei Leute reingepasst, deswegen war auch so viel Platz in ihr. Sie befanden sich nun in dem Zimmer, in welchem sie schon einmal mit ihm gegessen hatte – Instantnudeln, weil sie nicht in der Lage war, ihm etwas Anständiges zu kochen. In einem sehr großen Schrank holte er einige Sachen raus, sie hätte nicht gedacht, dass er ihr auch etwas in die Hände drücken würde, aber genau so kam es. Ein viel zu großes T-Shirt war es, was er ihr gab und er lächelte. Kumiko sah ihn wie im falschen Film an. Shin hatte sie angelächelt, sehr hilfsbereit hatte er ausgesehen dabei. „Hier, das kannst du tragen, bis deine Klamotten wieder trocken sind, sonst wirst du wieder krank.“ Es war aufrichtige Sorge, ja, er hatte eindeutig die Sorge, dass sie wieder krank wurde. Ihm lag also so viel daran, dass es seiner Lehrerin gut ging? Wie kann ich mich so etwas Dämliches fragen? Er war der Baka, der mich rettete, als ich vom Dach zu fallen drohte, er war es, der mich aus der Gefangenschaft der Nekomatas befreite… Und ich habe mich noch nicht einmal dafür bedankt… Überwältigt von seiner momentanen Nettigkeit, die er selten an den Tag legte, lächelte sie und es rührte sie fast zu Tränen. „Wo… Wo kann ich mich umziehen?“ Shin zeigte nach rechts, wo es zum Badezimmer ging, sie nickte nur und verschwand dorthin, während er sich daran machte, das Hemd zu öffnen und das nasse Stück Stoff – mehr war es nämlich nicht – vom Körper entfernte. Auch darunter war er noch ordentlich feucht, so dass er erst einmal begann sich abzutrocknen, ehe er aus seiner Hose stieg und in eine andere schlüpfte. Kumiko war bewaffnet mit Shins T-Shirt und Handtüchern, sie trocknete sich von Kopf bis Fuß ab, so stand sie im Badezimmer recht leicht bekleidet und rubbelte und rubbelte, bis sie sich einigermaßen trocken anfühlte – kalt war der 23-jährigen allerdings auch danach noch. So kam sie mit dem T-Shirt, das bis zu den Oberschenkeln reichte und fragte sich, ob er nicht eine Hose hatte, die sie anziehen konnte, sie kam sich gerade furchtbar nackt vor. Als die Schwarzhaarige auf ihn stieß, hielt sie dann doch kurz die Luft an. Da stand er – nur in einer Hose und war noch immer dabei sich abzutrocknen. Nur für einen klitzekleinen Moment verspürte sie den Drang zurück ins Badezimmer zu flüchten. Die Gedanken nicht loswerdend und sich nicht dagegen wehren könnend, ihn anzustarren, wurde sie rot um die Nase. Es war ihr peinlich, was man deutlich erkannte. „Ne, Shin… Trocken bin ich jetzt wieder, aber mir ist immer noch kalt“, kam von ihr mit ihrer noch immer vorhandenen Verlegenheit und er drehte sich zu ihr herum, so dass sie ihn noch in seiner ganzen Männlichkeit sehen konnte, sie hätte am liebsten weggeguckt, aber sie schaffte es nicht, zu sehr faszinierte sie dieser Anblick. Mit dem Handtuch um den Hals ging er rüber zu seinem Schrank, wo er Bettwäsche und solche Sachen aufgewahrte und holte eine Decke hervor. „Vielleicht hilft dir das etwas weiter.“ Nun gut, sie hatte eher gemeint, eine Hose zu bekommen, aber eine warme Decke war ihr noch viel lieber, sie wickelte sie um sich herum und setzte sich in die Nähe des kleinen Tisches. Jetzt ging es ihr schon wesentlich besser. Noch immer lief er oben herum entblößt durch das Zimmer, so dass ihre Frage nicht weiter verwunderlich war. „Ist dir denn gar nicht kalt?“ „Nicht sehr.“ Im Gegensatz zu ihren Haaren waren seine nun wieder so gut wie trocken, ihre tropften nur nicht mehr und weil es warm im Zimmer war, war es nicht mehr so schlimm, sie waren eben noch ganz schön feucht. Nachdem Shin sich endlich ein T-Shirt übergezogen hatte begab er sich zu dem kleinen Herd und kochte Wasser auf. Etwas Tee konnte ihnen nun nicht schaden. Diesen ließ er eine Weile ziehen und sie saßen sich gegenüber. „Danke noch einmal. Mir ist auch schon viel wärmer.“ Shin saß ganz locker da, er wusste nur nicht so recht, was er nun mit ihr anstellen sollte, außer sie anzusehen und darauf zu warten, dass der Teekessel pfiff. Was sollte man schon mit seiner Lehrerin alleine machen? Alles, was ihm spontan einfallen würde, durfte er eigentlich nicht, also beließ er es dabei, sie anzusehen. Ihr wurde dadurch irgendwann unwohl, er schaute sie eine ganze Weile so an. Es war nicht das erste Mal, musste sie zugeben. Sie versuchte ebenfalls ihn nicht die ganze Zeit anzusehen. „Sag mal, Shin…“, fing sie an und guckte ihn mit einem scharfen Blick ins Gesicht, er zuckte fragend mit der Augenbraue, aber ehe sie noch etwas sagen konnte, fing der Teekessel so sehr an zu pfeifen, dass er ohnehin nichts verstanden hätte, was sie auch sagte. Er goss die heiße Flüssigkeit in eine Teekanne und stellte diese inmitten auf den Tisch. „Was wolltest du mich fragen, Yamaguchi?“ „Ach.. Mhm…“ Sollte sie ihn wirklich fragen? Es löste ein gewisses Schamgefühl bei ihr aus. „Warum interessieren dich Mädchen so wenig? Hat das einen bestimmten Grund?“ Beinahe hätte er vor Erstaunung gelacht, doch alles, was man in seinem Gesicht ablesen konnte, war ein wenig Belustigung. „Was wird das jetzt? Solche blöden Fragen stellt man mir nicht zum ersten Mal. So was beantworte ich nicht.“ „Es ist nicht normal. Kannst du es mir nicht erklären?“ Shin stand von seinem Platz auf. „dann erklär du mir mal, wieso du es immer noch nicht geschafft hast, deinem angebeteten Shinohara reinen Wein einzuschenken…“ Unter normalen Umständen wäre sie nun fuchsteufelswild geworden und hätte ihn angebrüllt, was ihn das anging. „Wozu?“ Ein bitteres Lächeln war der jungen Lehrerin gegeben, sie legte die Decke beiseite und stand auf, bevor sie ihm den Rücken zuwandte und sich auf die Fensterbank lehnte, um hinaus zu sehen. „Willst du nicht endlich erfahren, ob du eine Chance hättest? Ich würde das wissen wollen.“ Er musste sie nicht fragen, da konnte man nichts machen, er wusste, dass er keine Chance bei ihr hatte. Solange sie ihren Shinohara-Sensei liebte, konnte er sich ein Bein ausreißen oder sich auf den Kopf stellen und es würde nichts bringen. Unter normalen Umständen… hätte er welche gehabt? So ganz sicher war er sich nicht, denn sie schien ein Mensch zu sein, der nur aus Prinzipgefühl handelte. Und es widersprach ihren Prinzipien. „Ach, ich weiß es längst.“ Sie klang viel zu ruhig dafür, was sie ihm da gerade erzählte, das fand auch Shin, der sich ernsthaft fragte, ob sie etwas getan hatte, wovon er gar nichts wusste. „Ja und? Was hat er gesagt?“ Der Junge wäre froh, wenn dieser Kerl endlich mal ehrlich gewesen wäre. Dass er nicht so empfand, wie sie für ihn, das wusste der 18-jährige natürlich, er hatte ihn selbst gefragt und keine Antwort bekommen – das sagte alles. „Alles… ist… aus.“ Ihre Stimme klang monoton, so völlig ohne Gefühl, allmählich machte sie ihm Angst, was der Hauptgrund dafür war, dass er jetzt ebenfalls von seinem Platz aufstand und zum Fenster ging, ihr eine Hand auf die Schulter legte und damit ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie drehte sich halb zu ihm herum und sah ihn nur von der Seite an, blickte in seine hellbraunen Augen und schließlich hatte sie sich mit einem Ruck ganz herumgedreht und war nach vorne gefallen. An seinen Brustkorb, wo er sie schockiert und traurig zugleich musterte. „Wieso? Hat er dich abgelehnt?“ Vorsichtig legte er die Arme um seine Kumiko, auf diesen Moment hatte er gewartet, unfair von ihm vielleicht, aber er hatte den Tag, an dem sie abblitzte herbei gesehnt. Nicht, weil er sie nur für sich gerne hätte, sondern weil er die ganze Zeit gewusst hatte, dass diese Gefühel einseitig waren. Eine Antwort auf die Frage bekam er nicht, das einzige, was Shin in dem Moment zu spüren bekam, war unendliche Trauer und die dadurch hervorgerufenen Tränen, die wie kleine Wasserfälle über ihre Wangen flossen – ohne Aussicht auf Milderung. Nun drückte er sie fester gegen sich, er hielt sie so fest, dass man Angst haben musste, er würde ihr die Luft zum Atmen rauben. Verwundert über die Umarmung ihres Schülers kamen die Tränen noch viel heftiger, sie ließ ihnen freien Lauf, wusste sie doch, dass er sie immer verstanden hatte und immer würde. Sawada Shin… Ich bin total durchgeknallt… Verbotene Sachen ziehen mich manchmal ungemein an! Das was ich tue, man kann es verboten nennen, aber ich bin niemand, dem man etwas wirklich verbieten kann. Sie weinen zu sehen bringt mich fast um… Und sie weiß nicht, was sie mir damit antut. Und ich werde es auch nicht sagen. Ich behalte sie noch ein bisschen länger in meinen Armen. Die Minuten vergingen, als sie sich dann aber aus seinen Armen zu befreien versuchte und er sie los lassen musste, schien es ihm viel zu kurz gewesen zu sein. Die letzten Überreste ihrer Tränen wischte sie sich weg und zog ein wenig die Nase hoch. „Danke“, verließ erneut ihre Lippen und er nickte nur. „Ich habe die Frage beantwortet, nun beantworte bitte meine, ich bitte dich, Shin.“ Sie machte sich große Sorgen um ihn, dass er vielleicht nicht normal war und ihn da irgendetwas quälte, er sollte sich wenigstens ihr anvertrauen. „Sawada!“ kam in einem tiefen Ton von ihr, auch etwas ermahnend. „Egal, was es ist, ich werde es niemandem sagen…“ Was auch immer sie sich da zusammensponn, hinter sein Geheimnis würde sie nie kommen, sie war bekanntlich so was von verpeilt, wenn es um solche Dinge ging, und da sie nur Shinohara in ihrem Kopf hatte, übersah sie seine kleinen Zeichen jedes Mal. Er verspürte gerade die größte Lust, es ihr mitzuteilen, und zwar auf die ganz krasse Methode. Die Gedanken erschlugen ihn fast, weshalb Shin sie wieder an sich drückte, so fest, dass sie seinen Geruch direkt wahrnahm. Sie an sich gepresst, traf sie sein Blick mitten in die Seele, so tief blickte ihr dieser Junge in die Augen, sie war zur Salzsäule erstarrt. „Mich interessieren keine anderen…“ Gerade hatte er den Satz zu Ende gesprochen, da durchfuhr es sie wie ein Blitzschlag, der sie mitten in die Brust traf. Die Berührung seiner Lippen auf ihren, ihre Augen wurden riesig – ihn anstarrend, sah sie sein Gesicht so direkt vor sich, spürte seinen Atem, spürte seine Lippen, die so sehr nach Rauch schmeckten, dass sie einfach wusste, er hatte es getan. Aber das war nicht das Schlimmste an dieser Tat. Er zog sie in die Sache mit hinein. Sie fühlte sich schuldig, und doch musste sie zugeben, so schlecht fühlte es sich nicht an. Für diesen Gedanken verteufelte sie sich selbst. Ihr Schüler küsste sie gerade, und sie hatte das Bedürfnis, die Augen zu schließen, um das Gefühl dieses Kusses zu genießen, da derjenige, den sie die ganze Zeit geliebt hatte, für sie unerreichbar geworden war. Aber er war – bei Gott – ihr Schüler und nicht einmal volljährig. Ich kann nicht glauben, was hier passiert… Hilfe, nein… Bitte, lass das nur ein schlechter Traum sein… Trotz ihrer Zweifel und der Angst, schaffte sie es nicht, sich von ihm zu lösen, der sie so sehr gefangen genommen hatte, dass ihr das Herz beinah stehen blieb. War es das die ganze Zeit über? Wie lange schon? Wochen…? Monate? Seit sie ihn kannte, waren ihm Mädchen egal gewesen. War das ihre Schuld, dass er sich so abnormal entwickelt hatte? Dass es ihm danach strebte, seiner Lehrerin einen Kuss zu stehlen? Kapitel 2: Runaway love ----------------------- Trotz dieser schrecklichen Zweifel dauerte der Kuss eine ganze Weile an – viel zu lang eigentlich, um sich danach zu beschweren. Die junge Frau befand sich in einer Art Zwickmühle, ihr ganzer Körper zitterte. Nicht, dass ihr kalt war, ganz im Gegenteil, ihr war unglaublich warm. Am nicht vorhandenen Widerstand erfreute sich Shin, er hätte mit mehr davon gerechnet. Um nicht zu sagen, hatte er darauf spekuliert, dass sie ihm eine scheuerte und ihn dann anbrüllte. Als nichts dergleichen passierte, fand er das fast schon merkwürdig. Er war der Hoffnung erlegen, sie könnte etwas Spezielles für ihn empfinden. Und je länger er in den Genuss kam ihre süßen Lippen auf seinen zu spüren, umso mehr verfiel er diesem Gefühl, das wie auf seiner Haut brannte. Er wollte nicht mehr aufhören, schien es, und allmählich spürte man den Ernst der Lage. Sein Herz ganz nah bei sich zu spüren, da er sie so an sich drückte, verriet ihr es schlug immer schneller und aufgeregter gegen ihre Brust. Es ist furchtbar….. In dem Moment wurde es mir schmerzlich bewusst, welche Qual er durchgemacht haben musste, und weitere würden folgen… Seine Hände in ihrem Nacken, so dicht an dicht mit ihm zu stehen – wow, sie war fasziniert von diesem Gefühl – aber warum er? Shin hätte wahrscheinlich noch ewig so weitermachen können, selbst so ein einfacher Kuss, den sie es so arglos zuließ, erfüllte ihn doch irgendwo mit Stolz. Aber nicht nur das, es war, als würden all diese bisher versteckten Gefühle nun vollends hervorbrechen. Gerne hätte er diesem Verlangen nun nachgegeben… Und dennoch… Wie in Zeitlupe lösten sich seine Lippen von ihren, die eben noch so sehr an ihren gehaftet hatten und sein Blick traf sie direkt in die Augen, in ihre Seele. Jetzt musste sie verstanden haben, nur wie würde ihre Reaktion ausfallen? So ganz sicher war er sich da nicht. Wie sollte er das? Keiner konnte wissen, was sie davon halten würde, auch wenn es ihr gefallen hatte, das hatte es zweifellos, dieses Willige in ihren Lippen, er hatte es ganz deutlich gespürt. Da war auch egal, dass sie seine Lehrerin war. Ihr Blick - sie war so sprachlos, dass kein Wort über sie kam, während sie ihn einfach nur ansah. Fragend – hatte sie wirklich noch Fragen? „Du hast geraucht!“ Todernst, wie sie ihn gerade betrachtete, sprach sie diese Worte, die ihn zerstreuten. Wie sie nun dazu kam, diese Worte zu sagen, er verstand es nicht und sah sie dementsprechend überfordert an. Kein: Shin, hast du sie noch alle mich zu küssen? Kein: Das geht nicht! Schmink dir das schnell ab! Keine Ohrfeige für seine Dreistigkeit. Nein nur ein: Du hast geraucht! Er konnte es nicht fassen, war das nun wirklich alles, was dieser Frau dazu einfiel? Es war ein indirektes Liebesgeständnis gewesen - hatte er nicht gesagt, dass andere ihn nicht interessierten und sie anschließend geküsst? Und nun glotzte er sie einfach nur an. Sie war verrückt, ja, aber dieser Satz, es haute ihn doch sprichwörtlich von den Socken. Wurde das nun ein typisches Lehrer-Schüler-Gespräch – wenn ja – dann kotzte es ihn jetzt schon an. Wieso konnte sie nicht einfach sagen, was Sache war? Wieso versteckte sie sich hinter dieser Frage? Wusste sie nicht, wie sie darauf eingehen sollte? Wollte sie dieser Frage wirklich ausweichen, wie es in ihm darauf brannte, die Antwort zu erfahren. Er wollte wissen, was sie davon hielt und sie fragte ihn so etwas… „Wen interessiert das?“ Ein klein wenig wurde er pampig. „Mich interessiert das, Sawada!“ Wut fuhr in ihre Stimme, großartig, nun war sie wütend, dass er geraucht hatte – dabei war es weiß Gott nicht das erste Mal, dass sie das spitzgekriegt hatte. Wieso musste sie das nun so aufbauschen? Sie regte sich schrecklich auf, doch kein Wort bezüglich des Kusses. „Du bist minderjährig! Rück sie raus, SAWADA!“ Sie schüttelte ihn kräftig und hatte einen bedrohenden Blick aufgesetzt. Ihr Gesichtsausdruck, das war eigentlich die Kumiko, wie er sie mochte – Hauptsache sie fuhr schön aus der Haut, das zog ihn einfach magisch an. Jedes Mal, wenn sie sich so aufregte, musste er in sich hinein grinsen. Kumiko konnte gerade gar nicht mit ihm umgehen. Nie hätte sie gedacht, dass sie einem Schüler mal den Grund dafür geben würde, sie zu küssen – verrückt. Sie hatte doch nichts getan, absolut gar nichts, außer nett zu ihm sein. Reichte das am Ende dafür schon aus? Musste sie härter und grausamer mit ihren Schülern umgehen, oder was bitte? Sie konnte zu ihren Schülern doch nicht grausam sein… „Na fein“, antworte er, griff in die Hosentasche seiner nassen Hose und hielt ihr seine Zigaretten hin, dann hatte sie wenigstens keinen Grund mehr ihm auszuweichen. „Hier hast du sie… Bist du nun zufrieden?“ Ein mittelschweres Seufzen kam über ihn. Er tat das nicht, weil er Angst vor ihr hatte, sondern weil er dieses Zigarettenthema gerade doch sehr leid war. Er war es leid, dass sie so etwas Unwichtiges ansprach. Kumikos Blick war empört, sie riss ihm förmlich die Zigarettenpackung aus der Hand – halbleer. „Wie kann man in deinem Alter schon mit so etwas anfangen? Damit ruinierst du dir nicht nur die Gesundheit! Willst du jetzt schon süchtig werden? Wenn ich dich noch einmal damit erwische, kannst du was erleben!“ Nur deswegen war sie sauer, er könnte sie damit nun gut ärgern. „Das freut mich ungemein, dass das der einzige Grund für deine Wut ist. Dann heißt das ja, ich darf noch mal!“ Er war sich seiner Frechheit bewusst, aber alles, was ihm gerade einfiel, war sie reizen. „Nani?“ Ihr Blick durchbohrte ihn, ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Es tat ihm nicht Leid, das gesagt zu haben, auch wenn es ihn gerade wie ein Flegel rüberkommen ließ. Na ja, war er das nicht auch? „Na, das, was dich anscheinend ja nicht so groß zu stören schien, wie dass ich geraucht habe.“ Davor wegrennen brachte gar nichts, aber was sollte sie ihm sagen, ohne ihm damit wehzutun? Gut, es war Sawada Shin, den haute so schnell ja nichts um, aber trotzdem hatte sie Angst davor. Natürlich wollte er eine Antwort, die hätte sie sicher auch gewollt. „Das… Das kann nicht dein Ernst sein!“ Man sah die Angst in ihren Augen, so etwas hatte er bei ihr noch nie wirklich zu sehen bekommen. Es erschreckte den 18-jährigen beinahe. „Nein, natürlich nicht, es ist ein Scherz, was sonst?“ Shin veralberte sie ein kleines bisschen, lachte jedoch nicht, so dass man sofort bemerkte, wie gelogen es doch war. Ich küsse meine Lehrerin einfach so… Natürlich… Sehe ich aus, als wäre ich so unreif, dass ich so etwas machen würde? Frauen… Man spielte nicht mit den Gefühlen von Frauen, so ein herzloser Mistkerl war er doch gar nicht und gerade bei ihr hätte er so etwas nie getan. Hatte er sich eigentlich etwas erhofft? Tief in sich wusste er es. „Ich hoffe für dich, dass es nur halb so ernst war, wie ich befürchte – such dir eine Freundin in deinem Alter.“ „Wozu?“ Shin verstand sie nicht, wieso sollte er das tun? So einsam und verlassen konnte er gar nicht sein, um sich irgendeine zu nehmen. „Das werde ich ganz bestimmt nicht. Das wäre das Falscheste, was ich tun könnte. Sich in so etwas zu stürzen, um jemand anderen zu vergessen, den man verehrt, ist es das, was du uns beibringen willst? Ganz sicher nicht!“ Nee, so einer wollte er nicht werden. „DANN würde ich es mit dieser Person nicht ernst meinen, außerdem wäre das Selbstbetrug. Und es ist nicht so, dass ich es jetzt unbedingt brauche. Ich war noch nie so erpicht darauf. Und das werde ich auch nie sein. Weißt du auch, warum?“ Er sah Kumiko eindringlich an und forschte in ihren hübschen Augen, sie wusste die Antwort nicht. Wie so oft war er ihr überlegen, das Gefühl gefiel ihm. „Weil man so etwas nicht erzwingen kann, das weiß ich.“ Seine Worte machten sie doch sehr traurig, er versuchte es vielleicht, sie zu beruhigen, aber erfolgreich war er damit nicht. War es wirklich okay für ihn, immer an sie zu denken und sie als einzige Frau zu beachten? Ohne, dass er eine Gegenleistung bekam? Wollte er sie aus der Ferne ansehen und nur in seinen Träumen ihr Liebe schenken? Vielleicht dramatisierte sie das Ganze, weil man ihr so viele Horrorstorys über Schüler und Lehrerinnen erzählt hatte. Sie wollte ihm auch keine Hoffnungen machen und sah ihn nicht an, ihr Blick hatte nur etwas Nachdenkliches und Trauriges. Wenn sie ihm die Wahrheit sagen würde, er würde den Aussichten auf mehr verfallen. So sagte sie ihm nicht, wie gut sie es gefunden hatte, wie schön dieses Gefühl geliebt zu werden gewesen war. Kumiko hatte nun das Bedürfnis zu fliehen, dumm war nur, dass ihre Klamotten noch klatschnass waren. Sie hoffte, er hatte sie in den Trockner verfrachtet und sie waren somit bald trocken. Die Nacht hier verbringen, das wollte sie bei Gott nicht. In dem Punkt vertraute sie weder Shin, noch sich selbst wirklich. Sie war schon bei dem Kuss nicht in der Lage gewesen, sich großartig zu wehren. Der Schreckmoment war groß gewesen, aber dieses Gefühl, es war nicht zu beschreiben, so hatte sie noch keiner geküsst. Und dann ausgerechnet er… Nun sagte sie gar nichts mehr, sie war wohl noch immer geschockt von ihm. Es war wohl etwas sehr rabiat gewesen, sie einfach zu küssen. Manchmal war sie wie ein unschuldiges Mädchen. Er hätte mehr nachdenken sollen. „Shin, hör zu“, kam leise von ihr, ihre Miene dabei mehr apathisch. „Ich bin dir nicht böse deswegen. Du hast den Schmerz, den ich erfahren habe, ein wenig gemildert. Mehr aber auch nicht…“ Es war richtig so, das zu sagen. „Verstehe.“ Ja, und wie ich verstehe… Es ist deine Art zu sagen, dass du lieber weglaufen willst. Und deine Art mich zu schonen, das müsstest du nicht. Für gerade eben gebe ich vielleicht auf, aber nicht in Zukunft. Ich habe zu deutlich gespürt, dass da etwas zwischen uns ist, was wir bisher noch nicht verstehen. Ich weiß nicht, ob es dasselbe ist, wie ich es empfinde, wenn du von einem anderen sprichst. Aber da ist etwas. Und selbst wenn undefinierbar, er würde seine Chancen nicht als aussichtslos bezeichnen. Nein, er war sich ganz sicher, dass er sogar sehr große Chancen hatte, sie für sich zu erobern. So oft hatte sie diese Anzeichen gezeigt, wie wichtig er ihr war, und nun hatte sie den Kuss genossen. Doch der Schock würde erst noch kommen… Shin freute sich zu früh, wenn er dachte, dass das der Anfang einer Liebelei zwischen ihnen sein würde. Dass sie irgendwann von selbst zu ihm kam und klein bei gab… Nein, da sollte er sich ganz fürchterlich irren. Schon am nächsten Schultag, einem Montag, war es soweit, sie befanden sich gerade noch mitten im Biologieunterricht, gleich darauf würde Mathematik folgen. Shin lag wie immer eigentlich auf seinem Tisch und döste vor sich hin. Das, was der Lehrer erzählte, das würde er später nachlesen und damit hatte es sich. Er nahm den Stoff immer so tödlich langweilig durch, Unterricht war doch echt das Letzte. Wieso zuhören, wenn er so müde war, und es auch auf später vertagen konnte? Als es zum Unterrichtsende klingelte, öffnete er müde die Augen und wachte allmählich auf, mal wieder pünktlich zum Ende der Stunde, es war wie ein Ritual. Er stand von seinem Stuhl auf und verließ wie alle anderen das Klassenzimmer, um sich zu seinen Freunden in eine Ecke zu verziehen. Bis auf Minami waren alle seiner Freunde anwesend – gerade am futtern. Shin ließ sich auf einem der Bänke nieder und beobachtete sie, wie sie unbeschwert, wie sie nun einmal waren, sich ihr Essen zu Leibe führten. Er holte sich eine Cola raus, das reichte vorerst. Er hatte morgens nie irgendwie großartig Appetit, er schlief viel zu gerne und zu lange, als dass er ihn so bald entwickelt hätte. Von weitem hörte man schon Schritte, sie waren schnell – rennend kam die Person näher, Shin brauchte nicht den Kopf umzudrehen, um zu wissen, dass es Minami war, der wohl mit Neuigkeiten kam. „Shin!“ rief er nach ihm und er drehte nun doch den Kopf leicht zur Seite. Minami blieb heftig atmend vor ihm stehen, stützte sich auf den Beinen ab. „Es ist was schreckliches passiert!“ Was war es nun schon wieder? Eine Prügelei? Kudô machte Ärger…? An solche Sachen dachte der Klassensprecher, aber das, was wirklich passiert war, darauf wäre er in dem Moment nicht von selbst gekommen. „Yankumi… Sie will… Sie hat… Sie will aufhören!“ Shin fühlte sich wie mit einer Bratpfanne verdroschen, als Minami das sagte. Plötzlich konnte er an nichts anderes mehr denken: Sie will gehen. Einfach abhauen wollte sie, flüchten vor ihm. Seine Beine bewegten sich wie von selbst, er sprang auf und sprintete, was das Zeug hielt. Minami wollte die anderen dazu hinreißen, ebenfalls loszulaufen und herauszufinden, was nun wieder passiert war, doch Kuma schnappte ihn am Arm. „Warte…“ Verwirrt besah der Schmächtige den sehr Dickeren, der nur mit dem Kopf schüttelte und meinte: „Lass Shin-chan das alleine regeln…“ Keiner der Jungs verstand, was Kuma damit meinte, was wohl auch besser so war. Shin rannte zunächst durch den Flur bis zum Lehrerzimmer, er öffnete die Tür um einen Spalt und belauschte die Herrschaften. „Was hat Yamaguchi nur gebissen? Sie kann doch nicht von heute auf morgen einfach so kündigen! Wir haben nicht einmal Ausschau nach einem Ersatzlehrer gehalten“, hatte der Rektor gesagt. So, das war alles, was er zum Ausscheiden ihrer Lehrerin zu sagen hatte? Shin hatte das Bedürfnis, ihn an die Wand zu klatschen, wie eine Fliege, die einen schon seit langem nervte, weil sie um einen herumschwirrte. Doch, da Kumiko wohl schon gegangen war, entschied er sich, sie ihren Problemen zu überlassen und stattdessen erst einmal nach seiner Lehrerin zu suchen. So lief er wieder los, geradewegs aus dem Schulgebäude hinaus über die Straße, immer weiter diese entlang, so schnell Shins Füße ihn tragen konnten. Verdammt, was denkt die sich einfach aufzuhören? Das kann sie uns doch nicht antun? Ich will nicht zurück in den Schulalltagstrott! Es war die amüsanteste Zeit in meinem Leben! Trotzdem bereute er noch immer nicht, reinen Tisch mit ihr gemacht zu haben, er fand es nur unfair, einfach so abzuhauen, ohne ein Wort. So schnell gerannt war er schon lange nicht mehr, er hasste Sport und schwänzte die Unterrichtsstunden gerne, gerade weil ihn dieses ewige Rumlaufen so nervte. Sie wollten doch alle gemeinsam von der Schule abgehen, zusammen mit ihrer großartigen Lehrerin. Und nun wollte sie sie alle im Stich lassen? Glaub ja nicht, dass ich das so einfach geschehen lasse, Kumiko Yamaguchi, so leicht kommst du mir nicht davon! Aus der Ferne sah er sie, wie sie langsam vor sich hinschlenderte, bestimmt wollte sie es gar nicht, natürlich wollte sie es nicht, sie liebte ihren Job. Er erinnerte sich an das Gespräch, das er mit ihr gehabt hatte, sie hatte ihm den Grund dafür genannt, weshalb sie Lehrerin geworden war. Er war beeindruckt von ihr gewesen und hatte entschlossen, ihn nicht zu verraten. Alles Weitere war nach und nach gekommen. Sie war einfach eine großartige Person an sich, es war nicht in Worte zu fassen. Die Yakuza-Tochter war die einzige Lehrerin, die er jemals hatte akzeptieren können. „Kumikooo~“, rief er sie, noch immer rasend, sie reagierte nicht, das war nun ihr Pech, da er selbst bei dieser kurzen Entfernung weiter rannte und fast in sie hinein raste. Gestoppt wurde der Junge erst, als sein Körper gegen ihren prallte und sie beide fast hingefallen wären. Da Shin allerdings einen festen Stand hatte und seine Arme augenblicklich um ihren Körper geschlungen hatte, blieb ihnen das erspart. Kumiko fiel die Tasche runter und blieb am Boden liegen, sie war wie erstarrt, aber auch geschockt. Sein Griff hatte etwas Besitzergreifendes, sie dachte einen Moment daran, einen Schulterwurf zu machen, um ihn von sich zu kriegen, aber dann spürte sie dieses Zittern, das auch ihren Körper erfasste. „Lass los, Shin…“ bat sie ihn, noch mit ruhiger Stimme. „Nein!“ Er drückte sie fester. „Geh nicht…“ Ständig brachte sie ihn dazu, um etwas zu beten, er hasste es schrecklich, fühlte sich jedes Mal erbärmlich, auch damals als er seinen Vater beinahe angefleht hatte, ihn zur Shirokin gehen zu lassen, weil es die Schule war, zu der er nun einmal gehörte. „Bestraf mich, aber nicht die anderen, sie sind ohne dich aufgeschmissen!“ Er bat sie nicht darum, ihn nicht im Stich zu lassen, sie nicht zu verlassen, schließlich war diese Gefühle der Grund dafür, dass sie gehen wollte. „Ihr habt viel gelernt, nun braucht ihr mich nicht mehr.“ Es kam leise von ihr und er sah ihr nicht ins Gesicht, das sollte er auch nicht. Shin sollte nicht in ihre mit Tränen gefüllten Augen blicken. „Du hast es versprochen, du bleibst bis zum Schluss!“ „Lass mich jetzt los, Shin.“ „Nicht bevor du vernünftig wirst!“ „Das ist kindisch, Shin…“ Als kindisch empfand er sich nicht gerade, er trug die Verantwortung dafür, dass sie ihren geliebten Job schmeißen wollte – sie war doch gerne ihre Lehrerin. Dieses Opfer für ihn, das sollte sie nicht geben. „Meinetwegen bin ich kindisch, aber du… du bist ein Feigling, Yamaguchi! Du rennst vor deinem Schüler weg, das ist… das ist echt erbärmlich!“ Kumiko war wütend, einen Feigling ließ sie sich nicht gerne nennen, sie war nicht feige, sie tat es, damit er sich davon wieder erholen konnte, das ging schlecht, wenn sie sich fast jeden Tag sehen mussten, also packte sie seinen Arm und schleuderte ihn herum. „Es geht nicht anders! Sieh dich an, du bist wahnsinnig geworden! Läufst mir mitten im Unterricht hinterher. Sei nicht so ein Idiot! Genau das ist es, was ich befürchtet hatte! Dass du alles vergisst. Dass es dir wichtiger wäre bei mir zu sein, statt in der Schule, wo du wirklich hingehörst! Du bist Schüler, also mach, dass du zurück in die Schule kommst!“ Dieses Mal war sie wirklich grausam, absichtlich. Er durfte so etwas nicht tun, damit machte er sich seine Zukunft kaputt und ihre wahrscheinlich gleich mit, weil sie es nicht verhindert hatte. Ein Idiot war er also, ein Idiot! War es so idiotisch dem Menschen, den man liebte, hinterherzulaufen, weil dieser einen großen Fehler begehen würde? Shin war total außer Atem. „Oh ja, ein Schüler, dessen Kuss du genossen hast, und das weißt du, deswegen rennst du ja weg! Du hast Angst, du könntest dich am Ende in deinen Schüler verlieben und etwas Verbotenes tun! Ich verstehe vollkommen!“ Nun standen wir hier einander gegenüber und putzten uns gegenseitig runter. War das der Weg, den Liebende gehen mussten? War es uns vorbestimmt, dem anderen Schmerz und Leid zuzufügen? Zu diesem Zeitpunkt konnte ich das einfach nicht verstehen… ich spürte beim Blick in ihre Augen, dass sie genauso dachte. Dass sie genauso fühlte – für mich. Sie wollte genauso wie ich es zu diesem Zeitpunkt wollte. Sie wollte mir am liebsten in die Arme fallen… Doch sie tat es nicht, sie drehte sich herum, weg von ihm. „Mach dich nicht lächerlich, Sawada!“ Es fiel ihr schwer, doch dieser Satz, sie hatte ihn einmal von ihm gehört, als sie ihn gefragt hatte, ob die Möglichkeit bestand, dass er etwas für sie übrig hatte. Es war seine Antwort auf die Frage gewesen, auch wenn sie ein klein wenig gescherzt hatte. Doch diese kalten Worte, er hatte es gesagt, als würde er sich so etwas überhaupt nicht vorstellen können… Und dann stellte sich heraus, dass er Gefühle für seine Lehrerin hegte, wie man sie nicht haben durfte. Wütend wie sie war, setzte sie ihre Beine in Bewegung, in der Hoffnung, er würde ihr nicht nachlaufen. Shin sah ihr nach, noch immer wütend über ihre Entscheidung – er hatte hier kein Stück mitzureden und war einfach nur aufgebracht in diesem Moment. Zwischen den Zorn mischte sich aber auch ein Hauch von Trauer. Was wurde das? Würden sie sich nun ab sofort nie wieder sehen? Kapitel 3: A cruel streak ------------------------- Tief im Bewusstsein verankert lag dieses Ereignis. Heftiges Verlangen, er spürte es - immer noch. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er es vor sich. Diese Bereitwilligkeit, das Erwidern seines einerseits stürmischen, aber auch sanften Kusses. Nicht sein erster dieser Art - aber der erste, bei dem diese Gefühle bei ihm aufkamen. Dieser Kuss - Erinnerungen wachgerufen an diesem Tag, der für einen Moment glücklich sein bedeutete. Er wurde ihn nicht los. Seit Tagen kehrte nachts im Schlaf die Erinnerung zurück, er schien von nichts anderem mehr zu träumen - verrückt. Ja, es war total irrsinnig, noch nie in seinem Leben hatte ihn etwas Derartiges so lange und intensiv beschäftigt. Kaum zu glauben, dass sie ihn nun einfach so verlassen hatte... In seinen Träumen war alles perfekt, kein Wunder, immer nur erlebte er diesen Kuss, wieder und wieder. Die negativen Gefühle, wie er sie in sich hatte, erlebte er nicht des Nachts, sie kamen am Tag zurück, wenn die Nacht vorüber war und die Sonne bereits hoch am Horizont stand. Oft zog er sich die Decke einfach über den Kopf und schlief weiter, er wollte nicht zur Schule. Der Alltag, der ihn dann einholte, war schmerzlich. Kurz vor Neun war es nun und er machte sich nicht die Mühe sich zu beeilen, wieso auch? Er wusste ja, was ihn erwartete. Es war ungewöhnlich ruhig, wie der 18-jährige fand, der durch den Gang schritt – kurz vor dem Klassenzimmer angekommen. So still war es noch nie gewesen, es war geradezu gespenstisch, als wären die Schüler ausgeflogen. Vielleicht machte die ganze Klasse auch blau, das würde ihn nicht wundern. Trotzdem riss er neugierig die Tür auf und blickte hinein. Er rechnete nicht damit, jemanden zu entdecken und war dann doch sehr überrascht, oder mehr noch schockiert. Klasse 3-D und absolute Stille. Und er wusste auch gleich, warum das so war. Die Tische standen – bis auf einer – direkt vor der Lehrerin und das schien noch nicht zu reichen, seine Klassenkameraden hingen halb hechelnd über den Tischen und man hätte meinen können, sie würden kopfüber nach vorne fallen auf den Boden, da sie sich so sehr vorbeugten. Sein Blick schwang zur Seite, ohne dass der Junge den Kopf zu der Dame drehte, welche an der Tafel stand und ihren Namen an diese geschrieben hatte. Und auf einmal war ihm schlecht. „Okawa Chikage ist mein Name, ich bin die neue Mathematik-Lehrerin! Ich nehme an, du bist Sawada… Wie schön, dass du uns auch noch mit deinem Besuch beehrst!“ Sie schaute gerade auf die Uhr, da knallte die Tür wieder zu, allerdings ohne, dass der Schüler noch in der Tür stand. Ihre Augen wurden groß. Und was war das jetzt gewesen? So etwas unverschämtes aber auch. Wie konnte er es wagen, die Tür derart penetrant zuzuknallen? Noch nicht einmal guten Morgen hatte er sagen können. Ihr schwante Schreckliches – wenn der Klassensprecher schon so ein Verhalten an den Tag legte, wie war dann der Rest? Außer das typische pubertäre Verhalten hatte sie nichts an ihnen entdecken können. In einem Intelligenztest würden sie wohl alle durchfallen. Sie riss nun seinerseits die Tür auf und lugte hinaus. Er stand dort, als würde er auf besseres Wetter warten, das machte sie ja so sauer. Ihre Hand schnappte nach seiner Schuluniform und ehe er sich versehen hatte, zerrte sie ihn an dieser und wollte ihn wohl dazu zwingen, das Klassenzimmer zu betreten. Er hätte nicht gedacht, dass dieses Püppchen so etwas wagen würde. Mit einem Ruck hatte sie ihn reingezerrt und stieß ihn dann leicht von sich, was ihn aber kaum berührte. „Was zum Teufel wird das?“ „Hinsetzen und zwar sofort!“ raunzte sie ihn an, er bewegte sich nicht. Wieso sollte er auf so eine… ihm fehlten die Worte dazu, was sie war. Wie eine vernünftige Lehrerin sah sie nicht aus, mehr wie ein jähzorniges, aufgestyltes Girl, das geradezu einem Bordell hätte entsprungen sein können. In dem Aufzug würde sie bestimmt nichts von ihm bekommen und Respekt oder Beachtung als letztes. Unglaublich, was sich dieses Weib raus nahm. Was dachte sie, wen sie vor sich hatte? Er machte einen Schritt vorwärts, als hinter ihm ein teilweise schon klingender Schrei ertönte. „Shin! Bitte!“ Es war niemand anderes als Uchi, der ihn daran erinnerte, dass sie Frauen ja nicht schlugen. Und außer Shin schien ja jeder begeistert von der Frau zu sein. Man, sah er denn aus, als würde er Frauen schlagen? Er warf die Haare leicht zurück und meinte dann tonlos: „Ich bin kein Hund, also ist es zwecklos mir etwas zu befehlen… ich würde vorsichtiger sein .... es könnte sonst passieren, das deine Zeit an dieser Schule die reinste Qual wird, denn der Großteil hier hasst Lehrer.“ Kuma wagte es von seinem Platz aufzustehen und legte beide Hände auf Shins Schultern. „Komm, lass sie… Es ist ihr erster Tag und an dem bist du gleich zu spät gekommen, also sei nicht so ungehobelt…“ Er zog leicht die Schultern weg, er wollte gerade absolut nicht angefasst werden und dann ging er ohne ein weiteres Wort zu seinem Tisch und ließ sich gelangweilt auf dem Stuhl nieder, die Arme vor der Brust verschränkt wie ein bockiges Kind, jedenfalls wirkte es auf die Lehrerin so. ‚Na warte, Mistkröte, du wirst dein blaues Wunder erleben, so was dulde ich in meinem Unterricht nicht!’ Sie rollte ein Heft zusammen und stolzierte mit ihren viel zu hoch geratenen Absätzen auf den Schüler, der ganz abseits saß, heran und baute sich vor ihm auf. „Ich weiß nicht, welche missratene Lehrerin ihr vorher hattet, aber bei mir wird sich gerade hingesetzt!“ Er stöhnte auf. Die nahm ihr verdammtes Mundwerk verdammt voll, hatte sie noch keiner über diese Klasse aufgeklärt? Ein Wort von ihm und sie hatte die ganze Klasse gegen sich… Es war der reinste Boykott, er hatte keine Lust und wenn er keine Lust hatte auf jemanden, dann war das so. Diese Person konnte sich im Kreis drehen und sich jedes Haar einzeln ausreißen und er würde keinen Finger krumm machen. Deswegen grinste er ihr auch frech entgegen. „Was, wenn nicht?!“ Seine Augen funkelten ihr herausfordernd entgegen und er schien sie absichtlich zu provozieren. „Das möchtest du nicht wissen!“ Ein Lacher entfuhr ihm. Er sah sie an mit diesem provokativen Blick, der ihr durch Mark und Bein ging, sie rollte das Heft immer mehr zusammen und biss sich auf die Zähne. Sie fühlte sich von einem KIND veralbert. „Jetzt bin ich neugierig…“ Die Klasse beobachtete mit Unbehagen, was sich zwischen Shin und der neuen Lehrerin abspielte, er war oft ungehobelt und auch gelangweilt im Unterricht, aber so vorbei benommen hatte er sich bei noch keiner Frau. Nicht nur ein Schüler befürchtete, dass die Sache eskalieren würde. „Ich habe keine Angst vor dir, Kleiner, das hättest du vielleicht gerne. Man hat mich gleich vor dir kleinem Satansbraten gewarnt. Du magst anderen Angst einjagen, aber mir bestimmt nicht. Habe ich mich klar ausgedrückt?“ Er blickte zur Seite, beachtete sie nicht, immer noch dieses selbstgefällige Grinsen im Gesicht, was sie als noch viel ungehobelter empfand, als dass er frech zu ihr war. Dieses nicht beachtet werden, ließ sie schon beinahe aus der Haut fahren. „Ich rede mit dir, also antworte mir, verstanden?!“ Keine Antwort kam, er gähnte absichtlich total gelangweilt und ließ sich auf den Tisch sinken. „Also, so wie ich das sehe, wird es so nichts mit dem Unterricht, da kann ich mich ja noch eine Runde schlafen legen…“ Er ließ den Kopf auf die Arme fallen, Hauptsache er musste diese Ziege nicht sehen, da bevorzugte er noch Fujiyama, die war wenigstens nett zu ihnen. Und die hier dachte wohl sie sei der Boss höchstpersönlich, da konnte er nur lachen. Kein Lehrer hatte ihnen Befehle zu erteilen – na ja fast. Gott, warum musste er das machen? Noda seufzte tief, nun wurde er aber ziemlich kindisch, das war doch sonst nicht seine Art. Wollte er nun wirklich keinen anderen Lehrer mehr akzeptieren, warum kam er dann überhaupt her? Nur um hier einen auf ganz großer Macker zu machen? Er bevorzugte jedoch nichts dazu zu sagen. Die Frau wusste, wie man sich durchsetzte, irgendwie erinnerte sie ihn ja an Yankumis Art, die hätte Shin jetzt wahrscheinlich was erzählt. Wenn sie ihm nicht sogar eine rein geschlagen hätte dafür. „In meinem Unterricht wird nicht geschlafen!“ Nun war alles zu klein, sie holte aus und das Heft, welches sie zusammen gerollt hatte, traf Shins Kopf mehrmals auf direktem Weg. „Ich lasse mir von einem kleinen Satansbraten nicht auf der Nase rumtanzen! Raus hier! Raus! Hier hast du nichts verloren!“ Eben noch hatte sie ihn dazu gezwungen hier zu sein und nun wurde es ihr zu viel, er musste lachen. Jetzt wollte sie ihn wieder rausscheuchen, sie war wirklich witzig. Aber dieses Heft, was sie ihm um die Ohren schlug, das nervte ihn allmählich. Hatte sich ein Lehrer so aufzuführen, nur weil ihm ein Schüler aus der Reihe tanzte und nicht seinem Befehl folgte? Sie war genau so ein Lehrer, wie er sie am allermeisten hasste, seit er von der Mittelschule geflogen war, da er einen Lehrer geschlagen hatte. So packte er sie unsanft am Arm, in welchem sie das Heft hielt und zog sie runter. „Mich hat noch kein Lehrer ungestraft geschlagen!...“ Ihr Herz schlug auf einmal schnell. Bei den Horrorstorys, wie man sie ihr erzählt hatte, hatte sie für einen Moment wirklich das berühmte Herz in der Hose, es war so tief gerutscht, dass sie fürchtete, es zerbrach, wenn es zu Boden ging. „Und bei mir hat noch keiner ungestraft den Unterricht verweigert.“ „Shin, ich denke, es ist gut jetzt! Sie ist doch nur eine schwache Frau“, meinte Uchi mit einem lauten Stöhnen. „Du weißt doch, wie das immer endet.“ Es endete immer darin, dass sie als Abschaum dastanden und er machte ja gerade alles dafür, dass sie diesen Ruf nie loswurden. Dieser Uchi und Sawada schienen eng befreundet zu sein, ebenso dieser kleine Dicke, sie waren die einzigen, die es gerade gewagt hatten, ihn stoppen zu wollen, der Rest sagte kein Wort. Schwache Frau nannte man sie, sie würde denen schon zeigen, wer hier das Sagen hatte, und dass sie keinesfalls schwach war. „Ich sagte, dass ich dich hier nicht mehr sehen will! Und wenn du nicht augenblicklich das Klassenzimmer verlässt, mache ich es mit Gewalt!“ Die schaukelten sich ja gegenseitig hoch. Sie schienen beide nicht sonderlich gut gelaunt, und wenn er ehrlich war, benahm sich dieses Weibstück ganz schön vorbei. Shin hatte doch nur das Übliche getan, selbst Yankumi wäre nie so ausgerastet, nur weil er zu spät gekommen war und in ihrem Unterricht schlafen wollte. Jedenfalls war sie ihm kein Stück sympathisch, da schlug die Olle einfach seinen Freund, sie konnte von Glück reden, dass er so ein herzallerliebstes Gemüt hatte. Andere Leute hätten einfach zurück geschlagen, sie wusste gar nicht, was sie für ein Glück hatte, eine Frau zu sein. „Oh ja, Tag für Tag sagt man uns, Gewalt sei keine Lösung und plötzlich ist sie doch eine, was?“ Er klugscheißte eben gerne. Und die trieb ihn ja dazu. „Bei euch helfen nur Prügel!“ Und schon waren sie wieder beim berühmten Ruf, den sie schon seit eh und je hatten. Sie waren so schlecht, dass man sie sogar verprügeln durfte, weil sie es ja verdienten. Und als wenn die Worte nicht gereicht hätten, Shin hatte sie gerade los gelassen, da packte sie ihn in den Haaren und zog ihn quer durchs Klassenzimmer. So etwas hätte kein Mann bei ihm gewagt – jedenfalls verstand Kuma weshalb dieser Kyoto dieses Weibsstück hierher geholt hatte – weil er dachte sie kam mit ihnen missratenen Schülern gut zurecht. Und dass sie sich durchsetzte konnte man schon sagen, aber wie sie es tat – das gefiel ihm überhaupt nicht. Er sah nur dabei zu, wie Shin das mehr oder weniger mit sich machen ließ und dann draußen landete. Dachte sie eigentlich, dass sie damit durchkam? „Jetzt können wir endlich mit dem Unterricht anfangen.“ Sie seufzte schwer. Dieses Kind trieb sie beinahe in den Wahnsinn, noch nie hatte sie sich dazu gezwungen gefühlt, jemanden so anzupacken, weil er nicht hören wollte. Aber wer nicht hören wollte, musste eben fühlen. „Musste das sein?“ Uchi fand es nicht sehr witzig, dass jemand Shin an den Haaren durch die Gegend gezerrt hatte, geschweige denn diese Demütigung, die sie ihm damit beibrachte. „Geschieht ihm Recht, was benimmt er sich so?“ Noda schlug sein Mathematikbuch auf und wollte wohl gerade zum Musterschüler mutieren – er konnte sich auch vorstellen, warum das so war. Das war doch nun echt wieder typisch, hatte er nun wieder seine – wie kann ich am besten gegen Shin wettern-Phase? Er war ja so neidisch, hochkarätig. „Wie schön, dass das wenigstens eine Person im Raum erkannt hat.“ Gerade hob die Lehrerin besonders ab, immerhin hatte ihr ein Schüler beigepflichtet. Vielleicht gab’s hier doch noch Intelligenzbestien? Kaum zu glauben, dass dieser Sawada die besten Noten in der Klasse zu haben schien… Und sie glaubte, dass das noch spannend werden würde, so wie es ihr aussah, konnten Noda und Sawada gerade gar nicht miteinander, das würde sie ausnutzen. So wurde ihr hier sicher nicht langweilig, ja, es war die richtige Entscheidung, dieses Jobangebot anzunehmen… Als es zur Pause klingelte, suchten zwei Jungs ihren Freund, der sich verzogen hatte. Das hätten sie an seiner Stelle auch, zumal nun Sport anstand. Diese Stunden schwänzten sie sowieso regelmäßig. Dieses ewige Rumgerenne, nee, darauf hatten sie keine Lust. Auf dem Dach fanden sie Shin schließlich, er spielte gerade mit einer Coladose und legte sich dann förmlich Schlafen. Mit dem Heft direkt auf dem Gesicht hielt er die Sonne davon ab, ihn zu blenden. „Meine Güte, du verpennst noch deinen Verstand, Shin“, meinte Uchi und ließ dem anderen ein Stöhnen entfahren. „Was geht’s dich an?“ „Warum hast du so schlechte Laune?“ ’Blöde Frage, selten dämlich…’ dachte sich Kuma, ihm war glasklar, was hier los war. Sein Freund hatte keinen Bock auf eine andere Lehrerin und die kränkte ihn jawohl maßlos. „Du bist ja nicht an den Haaren zum Klassenzimmer rausgezerrt worden.“ „Die hat ganz schön Mut, so was zu tun.“ „Mut? Die hat einen Schatten.“ Shin war sich keinerlei Schuld bewusst, ja, er war ein bisschen frech zu ihr gewesen, er konnte nichts dafür, wenn die sich nicht im Griff hatte. „Und Spaß versteht sie schon mal gar nicht. Welchen Zirkus ist die bloß entsprungen? So was kann doch keine Lehrerin sein…“ Kuma ließ sich auf den Boden fallen, welcher geradezu wirkte, als würde er nachgeben und dann biss er voller Herzenslust in seinen Schokoriegel. „Ihr habt beide übertrieben. Sie hat mit Sicherheit Angst vor uns gehabt und ist deswegen so ausgeflippt.“ „Angst vor mir, wenn ich schlafe, oder wie?“ Es tat ihm ja Leid, aber er konnte diese Frau nur veralbern. In Shins Augen hatte sie einfach nur einen riesengroßen Knall. „Sie wollte sich bestimmt bloß behaupten und deswegen hat sie dich aus der Klasse gezerrt, um zu demonstrieren, wie überlegen sie uns doch ist.“ „Was für’n Unsinn soll das sein?“ Shin erhob sich, wieso musste er sich das anhören? Dieses bekloppte Weibsstück hatte ihn mit einem Heft verdroschen und dann an den Haaren durch das Klassenzimmer gezerrt und die fanden Entschuldigungen? „Versuch sie das nächste Mal nicht ganz so stark zu reizen, dann wird sie bestimmt auch nicht ausrasten.“ „Es gibt kein nächstes Mal, ich gehe bestimmt nicht in ihren Unterricht, die kann mich mal…“ Shin nahm sich seine Schultasche, er würde sich jetzt einen ruhigen Platz suchen, um sich noch mal aufs Ohr zu legen. Wie er gehört hatte, würden sie dieses Weib nun auch in Sport haben, das hätte ihm noch gefehlt. Nicht dass er überhaupt je zum Sport ging, aber darauf konnte er echt verzichten. Fujiyama und Sport war schlimm genug, aber dieses Weib und Sport? Nein, danke. Und Mathe fiel dann eben für ihn auch komplett weg, er würde zu den Prüfungen gehen, und sie ansonsten einfach ignorieren. „Das ist jawohl die Höhe!“ hörte man die neue Lehrerin sagen und Uchi zuckte zusammen, während Kuma einen Hustenanfall erlitt, da er sich an seinem Riegel verschluckt hatte vor lauter Schreck. „Und jetzt wollt ihr noch die Schule schwänzen, das kommt jawohl überhaupt nicht in die Tüte!“ Shin holte tief Luft. „Das kann man auch in einem weniger patzigen Ton sagen, wie wäre es mit BITTE?“ ~Klatsch~ Kuma fiel nun endgültig der Riegel komplett aus der Hand, als er sah, wie Shin eine Ohrfeige kassierte und gerade schaute, als könnte er es selber noch nicht fassen. „Du möchtest wohl unbedingt wieder von der Schule fliegen, oder? Ich an deiner Stelle wäre nicht so dumm! Und jetzt kommt ihr mit!“ Uchi und Kuma wurden geschnappt, wobei die Lehrerin ernsthafte Probleme hatte Kuma hinter sich her zu ziehen, er war einfach viel zu kräftig für die doch eher schmächtige Lehrerin. Shin hielt sich die Hand vor den Mund, es war so komisch, er konnte sich kaum zurück halten, besonders als Kuma sich dann einfach fallen ließ und sie ihn keinen Zentimeter mehr vom Fleck bekam. „Kuma hasst Sport, es gibt nichts, was ihn dazu zwingen kann, dahin zu gehen“, Shin grinste sich beinahe tot, während die Lehrerin wohl gleich wieder aus der Haut fahren würde, doch dann ließ sie Kuma los. „Das bleib eben da hocken, du Riesenbaby!“ Stattdessen nahm sie Shin am Kragen, was diesem weniger gefiel. Er schnappte nach ihrer Hand und löste sie von seiner Jacke. „Diesmal nicht an den Haaren, ja? Ich komme nicht mit, ich lehne es ab, mich von einer Gewalttätigen unterrichten zu lassen!“ Sie kotzte ihn an, die musste aus der Irrenanstalt ausgebrochen sein… Die Lehrerin seufzte und schien jetzt einsichtig zu werden. „Ich habe gehört, dass du sehr sportlich bist, aber trotzdem nie den Sportunterricht besuchst, genauso sollst du in jedem Fach unheimlich gute Noten haben. Wieso wirst du nicht einsichtig. Du bist es, der sich seine Zukunft verbaut… Ich meine es nur gut mit dir.“ Das waren ja ganz andere Töne. „Zehn Mal um den Platz rennen am frühen Morgen, nein Danke, darauf kann ich verzichten.“ „Es tut mir Leid, ich wollte dir nicht wehtun.“ Als wenn sie zwei Persönlichkeiten hatte, entschuldigte sie sich nun bei ihm und er stöhnte auf. Shin sah sie nicht an, er würde ihr nicht vergeben, was sie getan hatte. Da konnte sie sich tausend Mal bei ihm entschuldigen, er würde ihr keine Chance geben, so einer bestimmt nicht. Sie war das krasse Gegenteil von Kumiko, die nicht den Anschein gemacht hatte, gerne Leute zu terrorisieren. Sie hatte ihnen geglaubt, auch als sie gelogen hatten und diese Frau hier hatte sie im Grunde abgeschrieben. „Is’ mir egal.“ „Sawada! Ich bin wirklich enttäuscht, du als Klassensprecher solltest das nicht sagen, ich fürchte, du bist dieser Rolle nicht gewachsen.“ Uchi, als auch Kuma schauten einander an, was wollte sie damit bitte sagen. „Ein Klassensprecher sollte ein Vorbild sein, was bist du für ein Vorbild, wenn du die Schule schwänzt, so jemand ist wirklich nicht geeignet, selbst wenn du die besten Noten hast, wir werden sowieso mal sehen, wie lange das noch so sein wird.“ Sie würde ihm nun nicht hinterher rennen. Er würde sehen, was er davon hatte, wenn er ihren Unterricht schwänzte. „Ich fürchte, die Klasse sieht das ein wenig anders…“ Shin lächelte schadenfroh, seine Klasse hatte ihn stets als Klassensprecher respektiert, er war nicht so, wie viele dachten. Gewalt ausüben war für ihn kein Spaß, doch viele nahmen das an. Nur Kuma, Noda und Uchi waren wirklich eingeweiht, wobei sich Noda derweil zu einem kleinen Ekel zu entwickeln schien. Respektiert hatte man ihn in 3-D doch im Grunde nur, weil er als rausgeworfener Schüler, der einen Lehrer verprügelt hatte, hierher gekommen war. Aber den Schein wahrte er doch gerne, es konnte nicht schaden, wenn man etwas Angst vor ihm hatte. Ganze zwei Wochen erschien Shin nicht in den Mathematikstunden und auch wie gehabt nicht zum Sportunterricht. Es machte schon die Runde, dass er immer mehr fehlte und Fujiyama machte sich deswegen schon sorgen. Dass sie ausgerechnet mit ihren Sorgen zu Noda ging, war vielleicht ein Fehler, aber sie pflegte immer noch eine recht Enge Beziehung mit ihm. Antworten bekam sie jedoch nicht. Und als dann die Halbjahreszeugnisse anstanden, kam der große Schreck. Man würde es nicht für möglich halten, aber Shins Zeugnis war nicht so gut ausgefallen, wie sonst immer. Für seine Verhältnisse war es regelrecht mies und er fragte sich wirklich, wie dieses Miststück zu dieser Benotung kam… In einem Fach hatte sie ihm ein F gegeben, in Mathematik ein D. In Sport fiel er also durch… Das wunderte keinen, aber ein D in Mathematik, was hatte diese Lehrerin nur geritten? Als die Zeugnisse bekannt wurden, fühlte sich Fujiyama dazu verpflichtet Yamaguchi anzurufen. Ihr bester Schüler bekam ein D. Wenn da nicht etwas faul war? Was stimmte bloß nicht mit Shin? Sie machte sich große Sorgen um seine Zukunft und auch darum, dass er sich nun total hängen ließ. Das Ganze hatte angefangen, als Kumiko die Schule verlassen hatte. Bestimmt würde sie ihn ermutigen weiterzumachen… Kapitel 4: Sweet dreams are made of this ---------------------------------------- Nun war er wieder in dieser Klasse gelandet, im Unterricht dieser fürchterlichen Hexe. Nicht dass er Angst vor ihr gehabt hätte - vor ihrer Macht - er wollte sich von diesem Weib nur nicht unterkriegen lassen. Sie bestrafte ihn für sein Verhalten - schön und gut - aber er würde sich das nicht bieten lassen. Dass sie ihn vor der ganzen Klasse lächerlich gemacht hatte, das würde sie ihm büßen und das auf seine Art und Weise. Shin würde ihr keinen einzigen Grund liefern, dass sie ihn noch einmal bestrafen könnte, so würde sie sich einen anderen Idioten suchen müssen. Trotzdem machte er nicht den Eindruck der glücklichste Mensch auf Erden zu sein. Wer aber Sawada kannte, wusste, dass dieser immer so war, demnach hatte er sich keinen Deut geändert. Sie stand an der Tafel und schwang die Hüften, er fand das hatte etwas von einer Gogo-Tänzerin, wahrscheinlich kam sie sich besonders toll vor. „Sawada!“ Er hörte sie seinen Namen sagen und fragte sich, wieso sie eigentlich immer ihn nach vorne holte, sie wusste doch, dass er der einzige Schüler war, der das Ganze ohne Anstrengung lösen konnte, warum nahm sie keinen anderen? Machte sie das nur, um ihn zu provozieren und ihre Macht zu demonstrieren? Gut… Dann sollte die Dame ihren Willen bekommen, aber er würde zurückschlagen… bei der erstbesten Gelegenheit. Er schien alles richtig zu machen, alles zu ihrer Zufriedenheit zu erledigen. Hausarbeiten, Mitarbeit im Unterricht, er wurde geradezu zu einem Musterschüler, sie musste etwas unternehmen… Als die Uhr zum Mittag schlug und sich die Schüler in der neu erbauten Caféteria tummelten, setzten sich drei Jungs gemeinsam an einen Tisch. „Ne, Shin… Ich kann nicht glauben, dass du das zulässt. Sie kommandiert dich herum und du tust, wie sie dir befielt.“ „Glaubst du, ich gebe auf, Uchi? Ich mache das auf meine Art. Die werden wir schon wieder los, ich lass mir was einfallen.“ Nicht nur Shin hatte abbekommen, Uchi und Kuma schien sie auch wenig zu mögen und hatte sie einmal die dreckigen Toiletten putzen lassen, ebenso wie sie Uchi eins mit ihrem Rohrstock übergezogen hatte, dabei hatte er nur seine Hausaufgaben nicht gemacht. Sie war ein grausames Stück, Shin fragte sich manchmal, ob die ein Mensch war oder eine Bestie, obgleich sie so lieblich aussah, als könne sie kein Wässerchen trüben. „Ich persönlich finde sie Furcht einflößender als Yankumi und die konnte echt böse werden…“ Kuma zuckte zusammen, er hätte dieses Thema niemals angeschnitten, Shin zuliebe. „Vergleiche die beiden nicht miteinander. Zwischen ihnen liegen Welten!“ stellte Shin zweifelsohne klar und warf Uchi einen verärgerten Blick zu. „Shin, kann es sein, dass du sie etwas zu sehr magst?“ Die Frage kam nicht ganz so plötzlich, Uchi hatte das Ganze schon eine Weile beobachtet und hatte mehr und mehr den Verdacht, dass Shin Yankumis Abgang gewaltig quälte. „Die Frage hat man mir schon mal gestellt…“ Er linste zu Kuma und trank seine Dose Kaffee, die er sich mitgebracht hatte, Appetit hatte er auch dieses Mal nicht, er aß meistens abends, wenn der ganze Stress vorüber war. Eine weitere Person schob Uchi etwas unsanft zur Seite, so dass das Tablett fast dabei vom Tisch fiel, dieser zwängte sich zwischen Uchi und Sawada, die sich gerade über Dinge unterhielten, wie sie andere bestimmt nichts angingen. Er hatte sein Tablett zwischen Uchis und Shins Arm abgestellt, wo der Tisch doch so klein war, dass kaum 3 Personen hier essen konnten. „Shin hat selbst zugegeben, dass er sie mag“, ein Grinsen war Noda gegeben, ja, er selbst war es gewesen, der Shin danach gefragt hatte und dieser hatte mit Ja, wahrscheinlich geantwortet Das Grinsen, welches Noda in seinem Gesicht hatte, sollte Shin wohl ärgern. „Gleich wird er noch rot!“ Der Rothaarige holte tief Luft. Warum musste er sich das geben? Wer konnte denn keiner Frau widerstehen? „Sagt die Jungfrau der Klasse… Lachhaft.“ Shin hatte es sich nicht verkneifen können. So oft er sich Frauen im Internet anschaute, Noda hatte doch keinerlei Erfahrungen, was Frauen anging, er war ein pubertierender Teeny. „Ach, und du hattest natürlich schon ein dutzend Freundinnen, was? So eiskalt wie du dich Mädchen gegenüber benimmst, das ist echt verdächtig. Lief da etwa was?“ Er stieß ihm mit dem Ellenbogen gegen die Wange, so dass Shin seinen Arm schnappte, er war verärgert über dieses Verhalten, was zum Henker wollte er? Streit suchen etwa? „Lass das, Noda!“ „Oh je, sie hat dich verlassen. Die einzige für die du dich jemals interessiert hast, hat kein Interesse an dir, du Superhecht!“ Es reichte, Shin war aufgesprungen und stand jetzt Noda gegenüber. „Halt den Mund, sei einfach ruhig, wenn aus deinem Mund nur Scheiß kommt!“ Zwar bemühte sich Shin, nett und friedlich zu bleiben, doch gegen Ende des Satzes sickerte langsam durch, wie wütend er war. Sie hatten eine raue Art miteinander zu reden, das war schon immer so gewesen, weshalb man sie auch immer wieder Abschaum nannte. „Ist das so? Kannst du die Wahrheit nicht verkraften?“ Noda ging einen Schritt auf Shin zu, so dass sich ihr Oberkörper fast berührte. „Du kannst sie eben doch nicht alle haben. Du bist ihr wie ein läufiger Hund nachgerannt, merkst es aber selbst nicht. Ich an ihrer Stelle hätte da auch die Schnauze voll.“ „Sprich nicht so von ihr!“ Shins Stimme war laut geworden und dann schlug er zu, seine Faust traf Noda am Kieferknochen und haute ihn von den Socken. Er schnappte ihn am Kragen und schüttelte ihn. „Ich dulde es nicht, dass du so von ihr sprichst!“ „Was du nicht duldest und was nicht ist kein Thema für mich, Sawada! Du spielst dich auf wie der Leader einer Gang, das stinkt mir!“ Nun war es Noda, der zurückschlug und schon befanden sich die beiden Jungs in einer regelrechten Schlägerei. Eine ganze Gruppe Jugendliche sprang auf und klatschte kräftig, sie waren im Nu umringt von Leuten und wurden angefeuert wie bei einem Boxkampf. Was nicht sofort auffiel… Es blieb bei diesem einen Schlag, den Noda austeilte und der hatte Shin kaum einen Kratzer beigebracht, während sein gegenüber immer mehr ausflippte und sich hochschaukeln ließ. Das ganze Treiben endete erst, als eine Lehrkraft in der Caféteria vorbei kam und die beiden voneinander trennte. „Nicht einmal untereinander gebt ihr Ruhe! Ins Klassenzimmer und zwar sofort!“ Es war ausgerechnet Kyoto, der die beiden trennte und dann wie zwei Verbrecher abführte. Ihre neue Klassenlehrerin wurde hinzugezogen, sie sollte die Beiden verhören. Beide schwiegen noch, darauf gefasst befragt zu werden, während Sawatari um sie herumlief, wie um seine Beute. Jedoch sah die Lehrerin, die nun anwesend war, nur Shin mit einem grimmigen Blick an, als wolle sie ihm etwas unterstellen. „So, ich höre, wer von euch hat angefangen?“ „Shin!“ Der Klassensprecher zuckte zusammen, so selbstverständlich sprach Noda es aus. „Er hat mich ganz ohne Grund einfach angegriffen, er ist gewalttätig!“ Kyoto blickte zur Seite, wo Frau Okawa stand und nickte. „Das sehe ich auch ohne dass sich Shin dazu noch äußern muss… Lass deinen Frust woanders aus, Sawada! Ich weiß, dass dir dein Halbjahreszeugnis nicht in den Kram gepasst hat, aber das ist noch lange kein Grund auszurasten. Zur Strafe wirst du nachsitzen… und zwar bei mir!“ Natürlich glaubte sie Noda, er schien ja ihr Liebling geworden zu sein. „Wie lächerlich“, machte sich Shin lustig und wandte den Blick von ihr ab. Es schien ihm, als hätte sie darauf gewartet, ihn bestrafen zu können, da er ihr ja keinen Grund gegeben hatte. „Noda, du kannst gehen…“ Wie ihm geheißen wurde, verließ Noda den Raum und Shin funkelte seine Lehrerin an, sie wusste garantiert, dass er es nicht gewesen war und behandelte ihn absichtlich so ungerecht. „Ich überlasse das Ihnen, greifen Sie hart durch.“ Kyoto warf Shin noch einmal verachtende Blicke zu, verließ dann aber ebenfalls den Raum, somit waren sie alleine. Natürlich sagte er das mit besonderer Betonung, laut ihm war Shin ja ein Satansbraten. Shins Blick sprach Bände, er war wütend, aber unterdrückte diese Wut vehement. „Vielleicht solltest du es mit Sport versuchen… Wenn du den Sportunterricht denn mal besuchen würdest. Dort kann man gut seinen Frust ablassen, aber ich fürchte du bist nicht ausgelastet. Keine Sorge, heute Abend wirst du müde ins Bett fallen, das wird ein langer Tag für dich, mein Kleiner.“ Sie grinste schief und hatte in der Tat die größte Freude an dieser Bestrafung. „Es muss schrecklich für dich gewesen sein, dass eure Klassenlehrerin gegangen ist. Man sagte mir, dass du ihr sehr nahe gestanden hast. Du musst sie sehr vermissen…“ Das halbherzige Lächeln in ihrem Gesicht, oder sollte er sagen hinterhältiges Lächeln, ließ ihn für einen Moment erstarren. Wer um alles in der Welt hatte ihr diese Dinge erzählt? Ob es Noda gewesen war, der ihn doch gerade absichtlich provoziert hatte, damit er ausrastete…? Ja, jetzt wurde es Shin bewusst, wie er in diese Falle getappt war, wie ein Anfänger. „Das geht dich nichts an, Okawa. Mein Verhältnis zu meiner ehemaligen Lehrerin ist alleine meine Sache, was auch immer Noda dir erzählt hat.“ „Die erste Liebe ist schmerzlich.“ Dem 18-jährigen wurde fast schlecht. Sie dachte zu wissen, was in ihm vorging, was? Und dann redete sie noch so, als würde sie sich um ihn sorgen. „Noda redet viel, wenn der Tag lang ist, man kann nie wissen, ob es nun die Wahrheit ist.“ „Oi oi, da muss ja ziemlich viel gewesen sein, wenn du dich aus der AFFÄRE ziehen möchtest. Die Kleine, die dein Herz erweicht hat, möchte ich gerne kennen lernen.“ Hatte sie das wirklich? Hatte Kumiko sein Herz erweicht und ihn verweichlicht? Es kam ihm beinahe so vor. Und den Verstand hatte sie ihm geraubt. Er wäre doch niemals auf so einen billigen Trick hineingefallen. Er hatte nicht nachgedacht. Kurz nach halb fünf saßen sie im Klassenzimmer, Stille herrschte seit bestimmt einer halben Stunde. Okawa schlug die Beine übereinander und korrigierte Tests. Ein Blick auf Sawada verriet der jungen Frau, dass er keine Anstalten machte, zu tun, was man ihm sagte. Er hatte sich mit verschränkten Armen hingesetzt. Nee, also darauf hatte er keinen Bock, man würde ja sehen, wer als erstes aufgab. Sie wollte bestimmt nicht mit ihm hier übernachten. Und er würde definitiv dieses Mal nicht tun, was man ihm sagte, immerhin traf ihn keine Schuld. Irgendwie hatte die Sache aber etwas Nostalgisches. Während er sich hier zu Tode langweilte musste er daran denken, was zwischen ihm und Minami wegen dessen Date vorgefallen war. Er hatte ihm befohlen sie nicht wieder zu sehen, jedoch nur, um ihn vor deren Freund zu beschützen und dann verlangte man von ihm, er solle ein Entschuldigungsschreiben verfassen. Er hatte es getan, um nicht von der Schule zu fliegen – aber dieses Mal, er wollte nicht klein bei geben. So wie er sie einschätzte, würde sie ihn schon nicht von der Schule werfen lassen, nein, sie hing auf ihre ironische Weise an ihm – weil sie ihn gerne piesackte. Nicht mit mir… An mir beißt du dir die Zähne aus, Schätzchen! Genau das dachte er sich und rutschte auf dem Stuhl hin und her. Ob sie wohl endlich aufgab? Man sah, wie sie ihre Sachen zusammen packte und ihre Tasche verschloss. „Willst du nicht bald mal mit Schreiben anfangen?“ „Sehe ich überhaupt nicht ein, ich wüsste nicht, wieso ich das sollte. Du weißt genauso gut wie ich, dass er angefangen hat.“ „Du kannst gerne hier übernachten, du kommst nicht eher hier raus, bis du dieses Schreiben verfasst hast, Sawada, aber ich werde jetzt gehen.“ Sie stand von ihrem Platz auf. Bitte was hatte sie gerade gesagt? Sie wollte gehen, aber er würde hier nicht rauskommen? „Moment mal, Sie können mich nicht hier einsperren!“ „Dich vermisst keiner, ich bin aufgeklärt, du hast deine eigene Wohnung, es macht also nichts, wenn du eine Nacht hier bleibst!“ Sie schritt zur Tür und Shin ging ihr nach, sogar packte er sie an ihrem Arm und zog sie zurück. „Ich bleibe ganz sicher nicht hier!“ „Ach nicht?“ Erneut musste er dieses hinterhältige Grinsen sehen, als sie sich herum gedreht hatte und wenig später spürte er etwas sehr Hartes in seiner Magengegend, sie hatte ihr Knie angehoben, wobei ihr Rock unappetitlich, wie er fand, hoch rutschte. „Fass mich nie wieder an, Sawada!“ Man hörte Schritte im Gang, so dass beide gehört wurden, aber ganz besonders die Worte, wie sie die Lehrerin förmlich ausspie in ihrer ganzen Grausamkeit, die ihre Stimme gerade ausstrahlte. Shin krümmte sich einen Moment, sie hatte ihm doch ordentlich ihr Knie spüren lassen. Für eine Frau hatte sie Kraft – wie Kumiko, doch diese hätte diese Kraft niemals auf diese Weise eingesetzt. Okawa packte ihn am Hinterkopf und zog ihn nah an sich heran. „Gegen mich kommst du nicht an!“ Ihr Atem streifte sein Gesicht und sie zog ihn so sehr zurück, dass sich sein Rücken wie ein Bogen formte. Die war nicht nur grausam, sie war sadistisch, ihr Grinsen, sie genoss es, ihn zu quälen. Aber wenn er sich nun wehrte, wer wusste schon, wo das endete? Sie würde es noch so drehen, als ob er sie attackiert hatte, also ließ er sich diese Quälereien gefallen. Sie waren alleine, so würde ihr Wort gegen seines stehen, natürlich würde man ihr glauben, er war nicht so dumm. „Vergiss das niemals.“ Die Hellbraunhaarige ließ ihn los, er keuchte einmal, und dann verschwand sie zur Tür hinaus und schloss ihn im Klassenzimmer ein, er konnte nicht glauben, dass sie soweit ging. Dachte sie, es würde ein Wunder geschehen? Selbst wenn er hier übernachtete, würde er nicht auf die Idee kommen, diesen scheiß Brief zu schreiben, sie konnte ihm den Buckel runterrutschen, er konnte wirklich sehr stur in seiner Art sein, wenn er etwas nicht wollte… Und sie löste diese Sturheit in ihm aus. Die Tür wurde geöffnet, erschrocken erblickte die Lehrerin den Schüler, welcher mit dem Kopf auf dem Tisch lag. Sie hatte sich vom Schulleiter den Schlüssel besorgt, da sie Licht gesehen hatte. Das abgeschlossene Klassenzimmer und Licht, sie hatte erst an einen Einbrecher gedacht, der vielleicht das Licht angelassen hatte, aber nun traf sie der Schlag. Sawada Shin – ausgebreitet auf seinem Tisch – um diese Uhrzeit. „Sawada-kun“, sie lief auf ihn zu - er schien zu schlafen. Sollte das heißen, er war die ganze Nacht hier gewesen – alleine? Ihre Sorge wurde immer größer. Eine Prügelei war eine Sache, aber dass diese Frau ihn womöglich hier eingesperrt hatte… sie fasste es einfach nicht, wie konnte sie so etwas tun? Shin machte eine schlimme Phase durch, schien ihr und diese Frau dachte nur an Bestrafungen, jemand musste ihm doch helfen. „Armer Shin, das kann ich mir nicht länger mit ansehen.“ Sie hatte sich neben ihn gesetzt und strich ihm durch die Haare, Fujiyama konnte nicht widerstehen. Er öffnete die Augen und als er diese Berührung spürte, blickte er zur Seite – Fujiyama. Er zuckte etwas zurück. Jetzt fing sie auch noch an ihn anzufassen, er hatte so schlecht geschlafen und stöhnte erst einmal genervt auf. „Warst du die ganze Nacht über im Klassenzimmer?“ „Ja“, kam knapp von ihm, „aber nicht freiwillig.“ „Willst du über dein Problem reden?“ Dass sie ihn das fragte wunderte ihn, aber es sah ihr eigentlich ähnlich. „Ich habe kein Problem, mir geht’s gut.“ Jetzt glaubte sie ihm erst recht kein Wort, selbst ein Blinder spürte, dass es Shin alles andere als gut ging. „Warum habt ihr euch geprügelt?“ „Noda hat mich provoziert.“ „Und da bist du sauer geworden?“ „Mhm...“ Er war noch müde, warum hatte sie ihn wecken müssen? Lieber hätte Shin noch ein bisschen geschlafen. Für einen Moment hatte er eben beim Aufwachen gedacht sie sei wieder hier bei ihm, nur um dann festzustellen, dass sich Fujiyama ihm genähert hatte und es nicht Kumiko war – er war kurz davor zu verzweifeln. Sie wusste wahrscheinlich nicht wie sehr er sich nach ihr verzehrte, wie sehr er sich wünschte, sie wäre einfach wieder hier – in seiner Nähe. Es musste noch nicht einmal etwas zwischen ihnen laufen, Hauptsache sie war wieder hier, seinetwegen auch als Lehrerin. Wenn er sie nur hätte sehen können… Aber er hätte das niemals ausgesprochen. Weder vor Kumiko, noch vor Kuma, oder sonst irgendwem, es war ihm fast peinlich, so zu fühlen. Dass er nun so deprimiert war, nur weil seine Lehrerin einfach gegangen war, das war doch wohl eine peinliche Sache, aber er träumte immer noch von ihr… Auch heute, immerhin hatte ihn die Situation an sie erinnert, wenn auch auf groteske Weise. Es läutete bereits zum Unterrichtsanfang, Shin fühlte sich von Fujiyama erlöst, dabei meinte sie es nur gut, das war ihm wohl bewusst. Ihre Aufmerksamkeit hatte keine tröstende Wirkung, die hatte, wenn überhaupt nur eine einzige Lehrerin, es tat ihm Leid für sie, wo sie sich so sehr bemühte, ihm beizustehen. Immer wieder hatte er ihr versichert, dass er klar kam und es ihm gut ging. Ihm zu glauben schien sie nicht, Shin hätte sich auch sehr gewundert, wenn sie so leicht klein bei geben würde. Er brauchte erst einmal frische Luft, die Nacht in diesem Klassenzimmer war nicht nur ungemütlich, sondern die Luft auch stickig gewesen, weshalb er nun auf das Dach ging – sein Platz quasi. Dort ließ er sich erst einmal gegen die Wand sinken und seufzte tief. Alleine zu sein, das brauchte er nun, selbst wenn er die Nacht über auch keine Gesellschaft gehabt hatte, aber die würde er ja nachher noch früh genug bekommen. „Shin, du bist schon anwesend, das ist ja schön“, hörte der Rothaarige zynische Worte, so dass er den Kopf zur Seite drehte und ein paar Jungs sah, die er nur vom Sehen kannte. Sie gingen ebenfalls auf diese Schule, waren aber keine Klassenkameraden. „Ach ja, ist es das?“ fragte er verwundert zurück, was wollten die eigentlich von ihm? „Schon lustig – jetzt kann dein Vater nicht mehr für gute Noten sorgen, was? Nun bricht der kleine Shin-chan ein, das geschieht dir so recht. Ich wusste sowieso immer, dass er die Lehrer besticht!“ „Nani?“ Seine Stimme klang tief und Furcht einflößend. So etwas musste er sich nun wirklich nicht sagen lassen. „Was sagst du da?“ Man hätte meinen können, dass Shins Aufstehen zu einem Kampf einläuten würde, er kniete nämlich im nächsten Moment schon, nur noch mit einem Bein und wollte gerade ganz aufstehen, als ihm eine Faust entgegen raste, seinen rechten Wangenknochen traf und ihn förmlich gegen die Wand schleuderte. Shin war nicht darauf gefasst, doch als er den nächsten Schlag versuchte abzuwehren, kamen diese Typen von allen Seiten. Zwei Fäuste von verschiedenen Seiten, vier Hände, die ihn festzuhalten versuchten – sie kamen von hinten und packten seine Arme, zerrten ihn von der Wand weg, krallten sich an ihm fest, während die anderen den wehrlosen Shin nun förmlich vermöbelten, sie schlugen auf ihn ein, es folgte ein Schlag nach dem anderen, sie versuchten ihn so zu treffen, dass es wirklich wehtat. So schlugen sie vor allem in den Magen und in die Mitte des Gesichtes. Seine Lungengegend wurde ebenfalls nicht verschont. Sie brachten ihn so weit, dass sie ihn loslassen konnten und er krampfhaft den Magen haltend zu Boden ging und dort entlang kroch, da er nun so schön da lag, traten sie ihm in die Seite und sogar einmal ins Gesicht. „So wollten wir dich schon immer mal sehen, Leader von 3-D!“ lachte einer gehässig und drückte seinen Schuh gegen Shins Wange, der wie ein geprügelter Hund das eine Auge zukniff. Hustend schleifte sich Shin zum Klassenzimmer, die Jungs hatten ordentlich ausgeteilt, so dass er sich doch noch den Magen hielt und dann die Türe öffnete. „Morgen…“ Irritiert starrte die Klasse auf ihren Klassensprecher, die Gesichter wichen Entsetzen. Er sah ziemlich wie ein geprügelter Hund aus. „Hast du dich schon wieder geprügelt, Sawada?“ warf man ihm mitleidslos zu, er dachte, er höre nicht richtig, dabei durfte ihn diese Aussage bei Okawa nicht wundern. „Nicht freiwillig“, so albern es klang, dass es einer gewagt hatte, ihn zu verdroschen, es war nichts als die Wahrheit. „Shin!“, wie von der Tarantel gestochen war nun Kuma aufgesprungen. Der Angesprochene kniff lediglich ein Auge zu und grinste dabei nun auch noch. „Da hat jemand was gegen mich, scheint mir, irgendwoher wussten die genau, wo sie mich finden…“ Es kam ganz leise von Shin, damit Noda es nicht mitbekam, den er natürlich als erstes verdächtigte, es war so klar wie Kloßbrühe, dass er ihn momentan wohl am meisten aus der Klasse verabscheute – von der Lehrerin ganz zu schweigen, die schienen sich ja sehr zu lieben. Natürlich blieb es Fujiyama nicht verborgen, was mit Shin passiert war, sie war nach wie vor besorgt, auch wenn Kumiko stets ihre Sorge zu dämpfen versucht hatte. Shin kam alleine klar, waren ihre Worte gewesen, doch irgendwie konnte Shizuka das nicht mehr glauben, sie glaubte, dass Shin eine schlimme Phase durchmachte und immer selbst zerstörerischer wurde, immerhin prügelte er sich fast täglich. Er war kein Schläger, das war der Lehrerin bewusst und doch kam er nun immer mehr wie einer rüber. Und diese neue Mathematik-Lehrerin hatte offensichtlich etwas gegen den Rothaarigen. Sie fand doch immer wieder ein Haar in der Suppe, für die sie den armen Shin bestrafen konnte, auch wenn er verprügelt worden wäre hätte sie ihm die Schuld daran gegeben. In der Mittagspause besuchte Fujiyama jedoch Yamaguchi, sie sollte sehen, wie besorgt sie wirklich war und persönlich das Problem mit ihr besprechen, weil es am Telefon ja nie geklappt hatte, da Kumiko sie versucht hatte abzuwimmeln. „Was ist los mit dir, Kumiko? Liegt es dir mittlerweile so wenig am Herzen, wie es deinen ehemaligen Schülern geht, seit du an einer neuen Schule unterrichtest?“ warf sie der Schwarzhaarigen nun vor, was diese total entsetzte. „Das ist unfair! Ich bin nur nicht mehr verantwortlich dafür, was sie tun, das ist alles! Und wie mir scheint, macht dir bloß Shin Sorgen.“ „Das sollte dich erstrecht interessieren, wenn der beste Schüler auf einmal nur noch Probleme macht“, seufzte Shizuka und trank einen Schluck ihres Kaffees. „Er ist ein Teenager, da hat man solche Phasen schon einmal“, innerlich erzitterte die 23-jährige, da sie fürchtete, dass alles ihre Schuld war. Shin schien regelrecht dagegen zu rebellieren, eine neue Lehrerin zu haben, er wollte sie dazu bringen, dass Yankumi zurück an die Shirokin kam, der war vielleicht raffiniert, aber dass er sich deswegen so vorbei benahm, sie glaubte es einfach nicht, sie hätte ihn wirklich für erwachsener gehalten. „Ach ja? Ich würde das nicht einfach so für eine Phase halten! Die Lehrerin ist scheußlich! Kuma macht sich auch schon Sorgen deswegen! Klar brauchen wir eine Lehrerin, die auch hart durchgreift, aber wie sie durchgreift, finde ich manchmal dann doch ziemlich überzogen! Neulich hat sie Shin im Klassenzimmer eingesperrt… Sie hat ihn nicht unter Kontrolle, auch wenn sie es versucht, er hat eben einen Dickschädel und lässt sich wenig sagen. Auf dich hat er bisher allerdings immer gehört, also bitte, sprich doch mal mit ihm! Ich bitte dich wirklich, es geht um die Zukunft einer deiner Schüler, du sagtest doch mal, dass sie immer deine Schüler sein werden…“ Es stimmte, genau das hatte Kumiko gesagt, sie konnte also im Grunde nicht wegsehen, das fiel auf die Dauer auf. „Na gut, ich rede mit ihm.“ Obwohl sie dachte, es würde zwecklos sein, er hatte ja ihre Entscheidung niemals auch nur ansatzweise gebilligt. Er würde eher weiter rebellieren, bis sie zurückkam. Sein Kampfeswille hätte sie normalerweise beeindruckt, aber momentan fand sie diesen mehr störend. Shin, du kannst was erleben! Du glaubst jawohl nicht, dass du mich so leicht beeinflussen kannst, nur indem du randalierst… Komm endlich mit den Umständen klar! Es ist wichtiger, dass du deinen Abschluss schaffst, als mir hinterherzutrauern… Das darf jawohl nicht wahr sein… Eine Tracht Prügel hättest du verdient… Es war eine absolute Fehlentscheidung, dir zu erlauben, von zu Hause wegzugehen. Dein Vater ist schließlich verantwortlich, doch anscheinend bekommt er nicht mit, was du treibst, oder er will es nicht mitbekommen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)