Trummscheit - Sweet Trummscheit von abgemeldet ================================================================================ Trumscheit, sweet Trumscheit [Einschub: 10 Möglichkeiten, wie ich mein Lieblingsinstrument zur Strecke bringe: 1. Ich versuche, es einfacherweise im Hotel liegen zu lassen... 2. Ich versuche, es unserem Merchandiser unterzujubeln, der das Ding dann verkaufen soll... 3. Ich versuche es, für Pumpe als einen Teil der Bühnenshow interessant zu machen, für die Rubrik "Dinge, die während des Abends abgefackelt werden"... 4. Ich versuche, es während eines Konzertes in die Menge zu werfen, andere werfen schließlich auch Sticks in die Masse... 5. Ich schenke es ahnungslosen Fans, die überglücklich damit nach Hause gehen werden... 6. Ich bugsiere dieses liebenswerte Instrument während des Einladens gekonnt unter dem Bushinterreifen, damit ich es wie einen Unfall aussehen lassen kann, wenn der Bus anfährt... 7. Feueräxte können plötzlich sehr interessant sein... 8. Ich versuche, es in einem letzten verzweifelten Moment aus dem Fenster zu werfen... 9. Ich könnte auch versuchen, den Bassisten von The Clash zu imitieren... 10. Ich könnte testen, wie lange ein Trumscheit schwimmen kann... ] Wir waren auf dem Weg ins Hotel. Ich saß auf meinem Platz im Bus und atmete erleichtert auf. Wieder war ein anstrengender Abend vorübergegangen. Die Fans waren begeistert gewesen. Nur noch ins Bett, dachte ich mir, als ich mich im Sitz zurücklehnte. Reiner ließ sich auf den Platz neben mir fallen, dann fuhr Carsten endlich los. Schön, dass das Hotel nicht weit entfernt war. Dunkle Häuser zogen an uns vorbei, als der Bus sich seinen Weg durch die Straßen bahnte. Morgen war zumindest mal länger schlafen angesagt. Nach einer viertel Stunde Fahrt kamen wir endlich bei unserer Übernachtungsmöglichkeit an. Freudig stiegen wir aus dem Bus aus. Ich konnte es kaum noch erwarten, endlich ins Bett zu schlüpfen. Wir betraten die Eingangshalle und holten unsere Schlüssel ab. Gerade als ich die Treppe in Richtung meines Zimmer betreten wollte, hielt Micha mich zurück. "Kay, wir haben dann noch ein kurzes Bandmeeting." Bandmeeting? Und das jetzt? "Ne Dusche ist vorher noch drin, oder?", fragte ich skeptisch. "Nee, klar, kannste.", meinte Micha nur, dann ging er zu Marco rüber. Etwas verwirrt machte ich mich mit meinem Koffer auf den Weg in mein Zimmer. Frisch geduscht und angezogen machte ich mich wieder auf den Weg nach unten. Was wohl so wichtig war, dass wir noch heute nacht ein Bandmeeting abhalten mussten? Die Setlist für morgen stand und die Instrumente waren sicher verstaut. Ich zuckte noch einmal mit den Schultern, dann drückte ich die Tür des Aufenthaltsraumes auf, den Micha vorhin gemeint hatte. Ein, zwei Sekunden stand ich verwundert da. Es war stockdunkel. Kein einziger Lichtstrahl kam ins Zimmer hinein. Plötzlich hatte ich ein komisches Gefühl in der Magengegend, das ganz bestimmt nicht vom letzen Essen herrührte. Pest oder Cholera, ich hatte keine andere Wahl und machte einen Schritt in den Raum. "Leute? Wo seid ihr?", fragte ich zögernd. Langsam tastete ich nach dem Lichtschalter. Als ich den Schalter unter meinen Fingern spürte, drückte ich mit einem Ruck darauf. Das Licht flammte auf. "ÜBERRASCHUNG!" Wie gebannt stand ich da und staunte erst einmal. Meine Bandkollegen und die Crew standen alle grinsend vor mir. Der Raum war festlich geschmückt und ein riesiges ´Happy Birthday´ baumelte von der Decke herunter. Selbst für einen Kuchen hatten die Jungs gesorgt: ein mit Schokolade glasierter Kuchen in Galgenform stand auf einem der Tische. "War Marcos Idee.", meinte Basti, der den Blick in Richtung Backwerk bemerkt hatte. "Äh, danke....", stotterte ich überwältigt. Zwar wirkte die Dekoration fast schon ein wenig kitschig, aber ich war von den Bemühungen meiner Kollegen wirklich gerührt. Durch die Tour hatte ich ganz vergessen, dass heute mein Geburtstag war. Nachdem die Jungs und der Rest mir gratuliert hatten, meinte das Einhorn mit einem Grinsen: "Und jetzt lasst uns erst mal den Kuchen vernichten, das Essen war ja mal wieder mau!" Ich lächelte zurück und ließ mich auf einen Stuhl nieder. Auch der Rest setzte sich und Micha schnitt den Kuchen an und verteilte die Stücke. Als wir mit Kaffee und Kuchen fertig waren, stand Micha auf. "Kay, weil du uns ja so lieb und teuer bist", fing er grinsend an, "ham wir ein Geschenk für dich. Es war nich leicht, aber wir ham wat gefunden, dass dir auf jeden Fall gefallen wird." Er ging in die Ecke und holte ein seltsam geformtes, großes Paket hervor. Jetzt wurde ich neugierig. Was es wohl war? Ich stand auf, um es entgegenzunehmen. "Leute, dat wär jarnich nötig gewesen!" Micha schüttelte den Kopf: "Nein, das Geschenk kommt vom Herzen." Was konnten die Jungs mir wohl so unbedingt schenken wollen? Der Rest saß erwartungsvoll grinsend am Tisch, darauf wartend, dass ich ihr Geschenk endlich öffnete. Rasch riss ich das Papier herunter und sah, was mir meine "lieben" Bandkollegen geschenkt hatten. Ein Trumscheit. Anscheinend musste ich einen sehr begeisterten Gesichtsausdruck gemacht haben, da die Jungs sofort in gackerndes Lachen verfielen. "Womit hab ick dieses wunderschöne Geschenk nur verdient?", fragte ich, das Ding in der einen Hand haltend, sarkastisch. Eine Antwort war den anderen in diesem Moment unmöglich vor lauter Lachen. Ich wartete. Aber allmählich wurde das Gelächter leiser. Na toll, langsam beruhigten sie sich. "Wir wollten dir dein Lieblingsinstrument doch nicht vorenthalten. Jetzt hat Py eines und du auch wieder!", brachte Boris endlich feixend hervor. Wie schön, dachte ich mir, sagte es aber nicht laut, wenn man solche Kollegen hatte, braucht man keine Feinde mehr! Bevor ich aber einen bösen Kommentar hervorbrachte, hatte Marco schon eine Sektflasche geöffnet und schenkte fleißig ein. Basti reichte die vollen Gläser weiter, bis schließlich jeder eines hatte. Gemeinsam stießen wir an: "Stößchen!" Nachdem alle ihre Gläser in einem Zug geleert hatten, schenkte Marco sofort fleißig nach. Die Stimmung wurde immer ausgelassener. Schließlich begannen Flex und Basti sich gegenseitig unter den Tisch zu trinken. Sie stachelten sich gegenseitig immer weiter an, angefeuert durch Boris, der sein hämisches Grinsen nicht mehr verstecken konnte. Die ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf die beiden und ich nutzte die Gelegenheit, um auf mein Zimmer zu verschwinden. Ich atmete auf und starrte an die Decke, als ich an diesem Morgen in meinem Hotelbett aufwachte. Wahrscheinlich war alles nur ein böser Traum gewesen und kein Trumscheit würde in diesem Raum stehen. Ich setzte mich auf und blickte mich um. Seufzend ließ ich mich wieder in die Kissen fallen. Verdammt, doch kein Alptraum. Unheilvoll stand das Ding in der Ecke und schien mich auszulachen. Dabei könnte ich heute ausnahmsweise einmal länger schlafen und im Bett liegen bleiben. Und der Rest der Kollegen hatte gestern noch eifrig gezecht, wahrscheinlich lagen sie noch im Bett und schlummerten selig. Vor allem Marco und Basti hatten ordentlich zugelangt. Ich musste bei dem Gedanken grinsen, was für einen Kater die beiden wohl haben würden, wenn sie aus ihren Betten krochen. Geschieht ihnen ganz recht. Dummerweise wusste ich auch, wen sie mit ihrem Gejammer auf die Nerven gehen würden. Langsam stand ich auf und bewegte mich ins Bad. Lieber stand ich früh auf, als noch länger mit diesem Mistding in einem Raum zu weilen. Ich wusch mich und ging dann zu meinem Koffer, um ein frisches Hemd zu suchen. Ob irgendwer schon beim Frühstück war? Wohl eher nicht. Umgezogen machte ich mich auf den Weg nach unten in den Speisesaal. Als ich den Esssaal betrat, musste ich feststellen, dass der Rest wirklich noch schlief. Nur Pumpe und Carsten saßen einsam und allein an einem Tisch. Ich holte mir einen Kaffee und setzte mich zu ihnen. Verschlafen, aber gut gelaunt begrüßte Pumpe mich: "Na, du Frühaufsteher, schon wach? Der Rest hat sich gestern noch gegenseitig unter den Tisch getrunken." War ja nix Neues. Carsten aß derweilen mit einer Begeisterung sein Rührei, die ich nicht nachvollziehen konnte. Frühstück auf Tour hatte immer etwas risikoreiches an sich... Ich zeigte auf Carstens Teller und meinte: "Ick geh kurz und besorg mir och watt zu essen.", und nahm Kurs auf das Büfett. Eine kurze Musterung der Auslage bestätigte meine Vorahnung. Es gab das Übliche wie immer: verbrannter Speck und Rühreier, trockene Stullen und Undefinierbares. Na ja, wie sagten wir so schön: Pest oder Cholera. Ich nahm mir etwas vom Rührei, das mir nach der "Fleischbeschau" schon wesentlich sympathischer vorkam und ging zurück zum Tisch. Mit einem Scheppern stellte ich den Teller auf dem Tisch ab und seufzte. Ehe einer der anderen etwas sagen konnte, marschierte ein grinsender Micha auf uns zu. "Morgen!" "Morgen.", grummelte ich zurück und setzte mich. "Was für eine Laus ist dir den über die Leber gekrochen?", fragte Micha immer noch grinsend. "Mieses Frühstück!", brummte ich. Der Sänger schnappte sich einen Stuhl und setzte sich verkehrt herum darauf. Die Arme stützte er auf die Stuhllehne. "Ick glaube allerdings, dass es ein paar Leute gibt, die heute kein Frühstück wollen.", meinte er beiläufig und zuckte mit den Schultern. Ich enthielt mich einer Meinung und nippte an meiner Tasse. "Na, egal.", äußerte das Einhorn und lachte: "Wir fahren dann um 11 Uhr los, pass auf, dass du nichts liegen lässt." "Ja, ja.", grummelte ich, schließlich war nicht ich berüchtigt dafür, mein halbes Hab und Gut im Hotel liegen zu lassen, ganz im Gegensatz zu jemand anderen. Außerdem, was sollte ich schon vergessen, den Trumscheit? Schlagartig ging mir ein Licht auf und zum ersten Mal an diesem Morgen lächelte ich. Micha schaute mich fragend an, aber das war mir egal. In aller Seelenruhe trank ich meinen Kaffee aus, verabschiedete mich von den anderen und machte mich auf den Weg in mein Zimmer. Oben angekommen, schloss ich hinter mir die Tür und lehnte mich erst einmal dagegen. Ich hatte einen Weg gefunden, das so innig geliebte Instrument loszuwerden. Ich verharrte noch kurz, dann begann ich, meine Sachen zu packen. Der Trumscheit wanderte entschlossen unters Bett. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon halb elf war. Ich sollte mich beeilen, damit ich so tun könnte, als seien meine Sachen schon eingeladen und die Nonnengeige sicher verpackt. Leise vor mich hinsummend machte ich mich mit meinen Tüten auf dem Weg nach unten. Situation gerettet, danke Micha! Als ich am Bus ankam, war die Crew schon vollzählig versammelt. Vadda und Carsten waren gerade dabei, die Instrumente einzuladen. Ich reichte Vadda meine Sachen. "Der Rest braucht noch, hm?", fragte er mich. Ich zuckte mit den Schultern und gesellte mich zu unseren Rauchern. Mein innerer Schweinehund lachte, aber so richtig beruhigt, dass ich das Ding losgeworden bin, würde ich erst sein, wenn wir hundert Kilometer entfernt waren. Dummerweise würden wir hier in der Nähe heute noch ein Konzert spielen. Spätestens dann würde es auffallen, dass der Trumscheit nicht mehr da war. Hoffentlich kam keiner auf den Gedanken, wir könnten noch einmal zurückfahren und ihn holen. Na ja, würde schon gut gehen. Ich zündete gerade meine Zigarette an und wollte etwas auf die Frage von Puck erwidern, als der Rest endlich kam. Nur Boris fehlte noch. Ich schaute zu, wie die anderen einstiegen und der letzte Rest des Gepäcks eingeladen wurde, rauchte noch schnell auf und wollte gerade in den Bus folgen, als Boris kam. Er reichte Carsten seinen Koffer, dann kam er direkt zu mir. Mit einem Grinsen im Gesicht meinte er: "Den hast du fast vergessen.", gab mir den Trumscheit und verschwand im Bus. Ich seufzte und folgte ihm mit dem Ding. Resigniert ließ ich mich auf einen Platz am Fenster fallen, dass ungeliebte Teil neben mir auf den Sitz bugsiert und begann in Gedanken versunken aus dem Bus zu schauen. Wenn ich keine andere Möglichkeit finde, ihn loszuwerden, muss ich das Ding heute Abend spielen, grummelte ich in Gedanken. Ich hasse es. Gibt es ein schlimmeres Instrument? Das Ding hat nur eine Saite, eine! Selbst aus einer Triangel lassen sich mehr Töne entlocken. Und sehr viel besser als eine knarrende Treppe klingt es auch nicht. Grimmig saß ich auf meinem Platz und sinnierte im Geiste darüber, wie ich das Mistding loswerden könnte. Weiter kam ich mit meinen Überlegungen nicht, da sich in diesem Moment Boris mit einem Grinsen neben mich fallen ließ, der Trumscheit wanderte umstandshalber auf meinen Schoß. Wenigstens konnte ich so meine mürrische Miene dahinter verstecken. Leider gab Pfeiffer nicht nach. Mit einem Gesicht, als ob gleich Bescherung wäre, saß er neben mir und textete mich zu. Viel bekam ich davon aber nicht mit, denn ich saß hinter der Nonnengeige und schmiedete einen neuen Plan, wie ich dieses verhasste Instrument endlich loswerden konnte. Ein paar Stunden und Überlegungen später kamen wir endlich zu unserer Ausfahrt. Carsten dirigierte den Bus gekonnt von der Autobahn hinunter und bahnte sich seinen Weg in Richtung Konzerthalle. Ich seufzte. Sehr viel Produktives war mir während der ganzen Fahrt leider nicht eingefallen. Wenigstens war Boris nach einer halben Stunde Dauerquasseln eingeschlafen. Ja ja, man sollte seine Nächte eben nicht durchzechen. Nachdem Carsten einen Kreisverkehr hinter sich gelassen hatte, war schon das erste Hinweisschild zu sehen, dass auf unser heutiges Konzert hinwies. Carsten parkte den Bus auf dem Parkplatz hinter der Halle. Noch lag alles wie ausgestorben da. Es tat gut, sich nach der langen Fahrt endlich mal wieder die Beine vertreten zu können und den ersten Nikotinschub seit der Abfahrt zu gönnen. Als alle ausgestiegen waren und die Starrheit der Glieder nachgelassen hatte, wurde mit dem Ausladen begonnen. Nachdem dies geschehen war, alles in der Halle verstaut und mit dem Aufbau begonnen wurde, hatte ich erneut eine Idee gefasst. Ich ging zu Puck, der schon dabei war, seinen Stand aufzubauen. Er stand gerade mit Marco da und die beiden blödelten herum. "Musst du nicht zum Soundcheck, Marco?", erkundigte ich mich mit metsüßer Stimme. Flex schaute mich an und fragte: "Bin wirklich schon ick an der Reihe?" "Denke schon." "Na ja, is ja egal. Dann geh ick mal eben. Wir sehen uns dann. Kay, Schnucki." Mit einem Wink verabschiedete sich Flex. Unser Merchandiser begann derweil, weiter T-Shirts auszupacken. "Puck, sag mal, könntest du mir vielleicht einen Gefallen tun?" Puck schaute erstaunt hoch. "Was denn?" "Ick hätte da was zu verkaufen und wollte dich fragen, ob du es nicht an deinem Stand tun könntest." "Und das wäre?" Ich zog den Trumscheit hinter meinen Rücken hervor. "Nee, vergiss es.", Puck schüttelte den Kopf, "Den hast du doch erst gestern von den Jungs geschenkt bekommen. Das kannst du doch nicht machen. Hasst du dieses Instrument so sehr?" "Puck, bitte......" Ich schaute ihn bittend an. "Nein!" "Warum nicht?" "Wenn die anderen das herausbekommen..." "Werden sie nicht." In diesem Moment legte sich eine Hand auf meine Schulter. Ich drehte mich um und blickte in Michas grinsendes Gesicht. "Was werden sie nicht?" Prima, wenn man Micha mal sucht, ist er nie da. Kann man ihn in dem einen Moment überhaupt nicht gebrauchen, ist der Mann wie ein Magnet. "Nichts. Is watt?" "Ja, du bist dran mit Soundcheck." "Schon?" "Ja, und jetzt beeil dich, Marco ist gleich fertig." Ich drehte mich wieder um und blickte Puck ein letztes Mal flehend an. Dieser schüttelte erneut den Kopf. Resigniert klemmte ich mir den Trumscheit so gut es ging unter den Arm und marschierte in Richtung Bühne. Wenigstens wartete da schon mein Bass auf mich, zumindest ein positiver Aspekt dieses Tages. Marco stand noch oben und ließ gerade die letzten paar Töne aus seinem Dudelsack, dann war auch er fertig. Mit einem Seufzer begab ich mich zu meinem Instrument und stellte den Trumscheit liebevoll neben den Ständer. Ich legte meinen Bass um und spielte ein paar Töne, damit Vadda glücklich war. Nach einer halben Stunde war das ganze Prozedere dann doch überstanden und ich konnte mich erneut der Beseitigung der Nonnengeige widmen. Die anderen gingen gerade zum Essen. Nur Pumpe war einzig und allein noch auf der Bühne und fummelte an den Becken von Reiner herum, die heute Abend wieder lichterloh brennen sollten. Mal schauen, vielleicht konnte man ihm für die Pyro-show noch andere Dinge schmackhaft machen. Ich packte das vermaledeite Instrument und ging zu ihm rüber. "Hey Pumpe." "Hi Kay." In seine Arbeit versunken blickte er nicht mal hoch. "Sag mal, wie hast du den Galgen eigentlich immer so schön zum Brennen gebracht?" "Brennspiritus.", skeptisch blickte er hoch: "Warum?" "Ach, sag mal, brauchst du nich noch zufällig watt für heute Abend? Es wär doch mal eine Abwechslung, wenn statt Reiners Sticks och mal watt anderes brennen würde." Pumpe kniff die Augen misstrauisch zusammen: "Was denn?" Ich hielt ihm den Trumscheit entgegen. "Kay... ?!" "Watt?" "Das ist nicht dein Ernst. Schäm dich. Die Jungs haben eine ganze Weile gebraucht, ihn aufzutreiben. Außerdem freuen sie sich schon so sehr darauf, dich heute Abend damit spielen zu sehen." Ich seufzte und brachte den Trumscheit schweigend zurück zu seinem Platz. Wäre auch zu schön gewesen. Na ja, ich könnte immer noch Reiner nachmachen und statt Sticks den Trumscheit in die Menge werfen. Oder ich verschenke ihn. Aber wer möchte schon so ein Teil haben? Auf der anderen Seite gibt es genügend abgedrehte Fans. Immer weiter sinnierend schloss ich mich letztendlich dem Rest beim Essen an, das ausgelassen wie immer von sich ging. Wir betraten die Bühne und das grelle Scheinwerferlicht blendete mich kurz. Basti und ich begannen das Intro zu spielen, alsbald fielen Marco, Boris, Reiner und Py ins Spiel ein. Kurz darauf fing Micha an zu singen. Das Publikum war begeistert. Ich ließ meinen Blick über die Menge streifen. Die Halle war voll bis ganz nach hinten. Der Abend begann vielversprechend, nur leider gab es eine Kleinigkeit, die dem Ganzen einen bitteren Beigeschmack gab: der Trumscheit. Das Instrument stand unheilvoll in der Ecke. Es schien keinen Weg dran vorbei zu geben. Ich würde es an diesem Abend spielen müssen. Noch blieb mir eine kurze Galgenfrist, aber ein Lied folgte nach dem anderen. Schließlich verkündete Micha, dass das Konzert vorbei war. Nur die Zugaben würden jetzt noch gespielt werden, und dann würde ich zu meinem verhassten Instrument greifen müssen. Wir verschwanden hinter dem Vorhang. Kurze Zeit später betraten wir erneut die Bühne, um die Zugaben zu spielen. Unser letztes Lied würde `Poc Vecem` sein, bei dem der Trumscheit zum Einsatz kommen würde. Ich seufzte. `Villeman og Magnhild` und `Herr Mannelig` zogen sich scheinbar unendlich in die Länge. Dann endlich war `Poc Vecem` dran; ich stellte meinen Bass zur Seite und nahm den Trumscheit. Ein gequältes Grinsen huschte über mein Gesicht. Flex begann, das Intro auf seiner Drehleier zu spielen. Als er es beendet hatte, fingen wir ebenfalls das Spielen an und Micha erhob seine Stimme. Das Publikum jubelte und tobte vor Begeisterung. Meine Stimmung hellte sich auf. Gleich war es soweit. Das Lied war zu Ende. Wir stellten uns auf, um uns von den Konzertbesuchern zu verabschieden. Reiner trat vor und warf seine Sticks in die Menge. Ich tat es ihm nach und hob den Trumscheit. Gerade als ich werfen wollte, hielt mich ein Gewissensbiss auf. Konnte ich es verantworten, einen armen Fan mit diesem Teil zu treffen? Es war etwas anderes, von einem kleinen Stock getroffen, als von einem etwa 30x20x150cm großen Instrument erschlagen zu werden. Ich ließ das Instrument sinken. Resigniert in Gedanken folgte ich dem Rest backstage. Mit dem Trumscheit bewaffnet machte ich mich auf den Weg nach vorne, um zum Puckstand zu gelangen. Auch der Rest war schon dort versammelt oder würde noch nachkommen. Ich müsste nur abwarten, bis sie wieder gegangen waren und irgendeinem der letzten Fans, die noch da waren, das Instrument unterjubeln. Dank überaus eifrigen Ordnern und der Tatsache, dass das Konzert seit einer halben Stunde schon vorbei war, waren nicht mehr viele Leute in der Vorhalle. Boris war wie immer von der üblichen Schar von Mädchen umringt und machte einen auf lieber, netter Spielmann, während Marco sich wieder großartig mit irgendwelchen anderen Mädchen, die anscheinend von Boris Charme verschont geblieben waren, unterhielt. Und da wurde behauptetet, dass Micha die Pheromonschleuder der Band sei. Auch der Rest schien sich gut zu amüsieren. Ich ging zu Puck, der es seltsamerweise geschafft hatte, irgendwoher Underberg zu organisieren und unterhielt mich mit ihm. Jetzt musste ich nur noch warten. Langsam, aber sicher, verschwanden die anderen wieder in Richtung Bus. Diverse Autogramme später war dann auch Marco plötzlich verschwunden. Ich löste mich von Pucks Stand und hetzte dem letzten Pärchen hinterher, das gerade die Halle verlassen wollte. "Stop! Wartet kurz. Wollt ihr diesen Trumscheit haben? Dat schenk ick euch!" Ich drückte dem verblüfften Typen das Instrument einfach in die Hand und ging. Ohne eine Reaktion abzuwarten, marschierte ich wieder zurück in Richtung Puck und riskierte einen Blick nach hinten. Das Pärchen stand immer noch fassungslos da und starrte die Nonnengeige an, wandte sich aber zum Gehen. Geschafft! Das Ding werde ich nie wieder sehen. Und Puck hatte von dem Szenario anscheinend nichts mitbekommen, da er zu sehr mit dem Einpacken der Sachen beschäftigt war. Ich verabschiedete mich noch schnell von ihm, dann machte ich mich selbst auf den Weg zum Bus. Besser hätte es gar nicht laufen können. Mit einem seligen Grinsen verließ ich gerade das Gebäude, als Marco rufend hinter mir auftauchte. Er winkte und kam näher. Und ich konnte meinen Augen nicht trauen. In der rechten Hand hielt er das Instrument, dass ich soeben so schön losgeworden war. "Hey, guck mal, das hatten da gerade so ein paar Fans. Keine Ahnung wieso, aber anscheinend wollten die dir dein Trumscheit klauen. Ick konnte das aber klären, hier hast du es wieder." Mit einem Grinsen gab er mir das Instrument. "Danke, Marco." Die Begeisterung schwang sichtlich in meiner Stimme mit, aber das schien Flex nicht zu stören. "Gern geschehen!" Immer noch grinsend ging er zum Bus und stieg ein. Ich konnte nicht anders und folgte ihm. Die Crew war gerade dabei, alles wieder einzuladen. Carsten versuchte gerade Anweisungen zu geben, welches Instrument wo zuerst eingeladen werden sollte und ich stand daneben. Dann zog der Hinterreifen des Busses meine Aufmerksamkeit auf sich. Was, wenn der geliebte Trumscheit beim Einladen so aus Versehen vergessen worden wäre und dann dummerweise beim Anfahren einfach überfahren wurde? Langsam entfernte ich mich vom Rest um möglichst unauffällig das Instrument unter den Hinterreifen zu bugsieren. Den anderen fiel das vor lauter Durcheinander nicht auf und mit einem Pfeifen machte ich daran, endlich in den Bus einzusteigen. Glücklich, das Ding jetzt doch schließlich losgeworden zu sein, saß ich auf meinem Platz und wartete darauf, dass wir endlich losfuhren. Das Beladen des Busses war abgeschlossen und alles war schon fertig, bloß fehlte seltsamerweise noch Py. Micha wollte gerade aussteigen und sehen, wo der Doktor denn bleibt, als Andre endlich einstieg. Statt sich einfach auf einen Platz zu setzen, kam er genau auf mich zu. Mit dem Trumscheit in der Hand. Irgendwie werde ich das Ding nicht los, es muss verflucht sein, schoss mir durch den Kopf. Nach einer viel zu langen Beteuerung von Pymonte, wie schade es doch gewesen wäre, wenn der Trumscheit durch Unachtsamkeit beim Einladen vergessen und überfahren worden wäre, war meine Stimmung wieder unten. Und erneut musste ich eine stundenlange Busfahrt ertragen, mit dem Instrument in viel zu naher Entfernung. Ich war glücklich, als wir endlich im Hotel ankamen und wollte schon wieder nur noch in mein Bett. Mit Basti machte ich mich gerade auf den Weg in mein Zimmer, als wir an einer Brandschutzaxt, die hinter Glas war, vorbeikamen. Mit einer neuen Faszination für dieses Gerät blieb ich davor stehen. Basti merkte das und blieb ebenfalls stehen. Er sah mich an. "Kay, warum guckste die Axt so interessiert an?" "Tu ick das?" "Ja." Fragend blickend stand er neben mir. Ich seufzte und warf meinen Plan, die Axt zur Verschönerung des Trumscheits zu benutzen, wieder über Bord. Aber so schnell würde ich nicht aufgeben, irgendwie würde ich ihn schon loswerden, komme was wolle. Mit diesem Gedanken spielend machte ich mich auf den Weg nach oben. Ich folgte der Treppe und kam schließlich in mein Zimmer. Meine Sachen legte ich auf das Bett, der Trumscheit folgte weniger sanft. Erst mal frische Luft schnappen. Als ich durch das Treppenhaus ging, war mir ein Schild mit der Aufschrift "Dachterrasse" aufgefallen. Nachdem ich mein Hotelzimmer hinter mir verschlossen hatte, ging ich die restlichen Treppen nach oben. Durch eine weiß gestrichene Tür betrat ich das Dach. Sanft strich der Wind über mein Gesicht. Ich ging zur Brüstung, lehnte mich darauf und betrachtete den Nachthimmel. Unwillkürlich musste ich nach unten blicken, als ich plötzlich von irgendwoher Gelächter hörte. Ging ganz schön weit runter, dachte ich mir, als ich die Leute betrachtete, die von hier oben so klein ausschauten. Wenn man da runterfallen würde... Ich musste grinsen. Rasch ging ich zurück in mein Zimmer und schnappte den Trumscheit. Leise und vorsichtig machte ich mich grinsend wieder auf den Weg zum Dach. Keiner der anderen war zu sehen, ich öffnete die Tür und ging freudig auf den Dachrand zu. Ich hob das Instrument über die Brüstung und lächelte. "Was tust du da?" Abrupt in meiner Absicht unterbrochen, zuckte ich zusammen und drehte mich halb um. Reiner stand vor mir und blickte den Trumscheit fassungslos an. "Kay?" "Äh..., ich kann dat erklären..." "Na, das will ick ouch hoffen." Reiner trat zu mir und nahm mir den Trumscheit aus der Hand. "Also... ick... äh... wollte dem Instrument nur die schöne Aussicht zeigen!" Mist, das nimmt er mir doch nie ab. Ich verfluchte mich innerlich. "Ja, und ick bin Mutter Theresa! Du wolltest ihn runterwerfen. Wie kannst du so etwas nur tun? Den ham wir doch mit soviel Mühe für dich ausgesucht. Ick bin wirklich enttäuscht von dir." Mit diesen Worten drehte sich Reiner um und ging. Seufzend drehte ich mich wieder um und blickte erneut in den dunklen Himmel. Das würde mir jetzt erst mal nachhängen. Am nächsten Morgen blickte ich trübselig zu, wie unsere Sachen wieder im Bus verstaut wurden. Auch der Trumscheit war darunter. Ob Reiner den anderen von meiner Aktion erzählt hatte? Wenn man vom Teufel spricht, kam er auf mich zu. Missgelaunt gesellte sich der Schlagzeuger zu mir. Wir schwiegen eine Weile, ehe er meinte: "Ick hab dem Rest nichts erzählt. Aber wehe, ich erwische dich noch einmal." Er ging zum Bus und ich folgte ihm. Freudlos ließ ich mich auf einen Sitz fallen und bald darauf fuhr Carsten los. Ich musste eingeschlafen sein, denn als der Bus abrupt bremste, standen wir vor Halle. Wir stiegen aus und begannen mit dem Ausladen. Eine geraume Weile schleppten wir unsere Sachen zwischen Bus und Konzerthalle hin und her. Resigniert packte ich grummelnd von neuem ein Bühnencase. Mir würde nichts anderes übrig bleiben, als mein verhasstes Instrument diesen Abend erneut zu spielen. Eine weitere Idee, das Instrument loszuwerden, war mir nicht eingefallen, außerdem würde mich Reiner definitiv im Auge behalten, das war mir klar. Ich machte mich auf den Weg in die Halle. Seufzend ließ ich das Case neben dem bereits aufgebauten Bühnenset fallen. Tino war gerade dabei, das Backdrop aufzuhängen. Jeder half mit, damit die Instrumente und die Bühne so bald wie möglich fertig sein würden. Eifrig liefen unsere Roadies hin und her und auch der Rest war eifrig bei der Sache. Selbst Boris und Marco trugen zusammen eine der schwereren Kisten. Ich ging zurück zum Bus, um den Trumscheit zu holen. Als ich wiederkam stand Micha vor der Bühne und sah zu, wie Pumpe die Pyro installierte. Seufzend wollte ich über die selbstgebaute Rampe auf die Bühne, als mir plötzlich die Nonnengeige aus der Hand glitt. Wie in Zeitlupe fiel das Instrument, ich konnte vor Schreck nichts tun. Micha und Pumpe, die gleich neben mir waren, sahen es ebenfalls. Mit einem unguten Krachen kam der Trumscheit am Boden auf und der Klangkörper zerfiel in seine Bestandteile. Mit heruntergeklapptem Mund stand ich auf der Rampe und starrte auf die kläglichen Überreste. Schon darauf gefasst, von Micha einen blöden Kommentar zu bekommen, blickte ich zu ihm hinüber. Pumpe schüttelte den Kopf, aber Micha lächelte nur leicht. Mein innerer Schweinehund lachte vor Freude, das unsägliche Instrument endlich los zu wissen. Bevor ich aber einen inneren Veitstanz aufführen konnte, war das Einhorn neben mir, klopfte auf meine Schulter und meinte nur: "Nicht traurig sein Kay, wir kaufen dir einen Neuen!" Mist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)