Die andere Frau von Yvaine ================================================================================ Kapitel 11: Kapitel 11 ---------------------- Niedergeschlagen ritt Andre zum Anwesen der Jarjayes. So hatte er sich seinen freien Tag nicht vorgestellt. Er konnte die Diskussion von eben immer noch nicht begreifen. Hatte sie das tatsächlich Ernst gemeint? Alles lief aus dem Ruder. War denn die Freundschaft überhaupt noch zu retten? Für einen kurzen Moment überlegte er, ob er kehrt machen und noch einen kleinen Abstecher zur nächsten Kneipe unternehmen sollte, um seine Sorgen im Alkohol zu ertränken. Schnell verwarf er den Gedanken wieder, er hatte in letzter Zeit allzu oft darauf zurückgegriffen wenn es ihm schlecht ging, oder er einfach nur eine Ablenkung wünschte um Oscar für eine paar Stunden zu vergessen. Er zwang sein Pferd zum Anhalten indem er die Zügel straffer anzog und stieg langsam, beinahe träge herunter. Lautlos stieg er die Treppen empor und betrat die große Empfangshalle der Jarjayes. Er hoffte darauf, niemandem zu begegnen am allerwenigsten seiner Großmutter. So sehr er sie auch liebte, war sie doch manchmal wie ein Holzhammer. Bei Oscar war sie einfühlsam und immer auf ihr Wohl bedacht und das schätzte er auch sehr an ihr. Aber wenn es ausnahmsweise mal ihn betraf, war sie weniger aufmunternd, im Gegenteil! Sie versuchte dann ihm soviel Arbeit wie möglich aufzuladen, damit er nicht auf falsche Gedanken kam. Sie war immer der Auffassung, je mehr man zu tun hatte umso weniger grübelt man über gewisse Dinge. Vielleicht hatte sie auch recht damit! Aber manchmal wäre er dankbar gewesen, wenn er sich hätte jemandem anvertrauen können, dafür war seine Großmutter der falsche Ansprechpartner. Für diesen Zweck hatte er jetzt Alain, der auf seine ruppige und unbeholfene Art und Weise ihm zu helfen versuchte, oder ihm wenigstens zuhörte wenn er deprimiert und am Boden zerstört war. Andre konnte sich noch gut an die Worte seiner Großmutter vor ein paar Jahren erinnern… Es war der Abend als Oscar in einem Kleid auf den Ball ging um dort mit Graf von Fersen zu tanzen. An dem Abend konnte er kaum die Augen von ihr lassen, so schön war sie. Noch nie zuvor hatte er sie in einem Kleid gesehen und mit hochgestecktem Haar. Wie eine richtige Frau sah sie aus, wunderschön und durch das tailliert geschnittene Kleid kam ihre zarte beinahe elfenhafte Gestalt besonders zur Geltung. Auch wenn sie sich noch nie Damenhaft gezeigt hatte, passte sie sich sofort der eleganten Kleidung an! Ihr lag es im Blut, nur war ihr das selbst nicht bewusst. Als Oscar in die Kutsche stieg um zum Ball zu fahren und Sophie sich die letzten Tränen erleichterter Freude, da sie die junge Frau endlich so weit hatte, das sie ein Kleid trug, aus den Augen wischte, betrachtete sie ihren Enkel skeptisch und voller Sorge, der wie im Rausch schien. Sophie legte sorgfältig ihr Taschentuch zusammen bevor sie es in ihre Rocktasche schob, rückte ihre Brille zurecht und trat nah an ihren Enkel heran, so dass er ihren Atem an seiner Wange spüren konnte. Sachte legte sie ihre Hand auf seinem Arm um ihn aus seiner Trance zu holen. Sorgenvoll blickte sie ihn an bevor sie sprach. “Schlag sie dir aus dem Kopf meine Junge, wir sind nicht wie sie”! Damit ließ sie ihn stehen! Diese Aussage reichte aus um ihn wieder in die Realität zurückzuholen. Die alte Dame wollte ihrem Enkel nicht verletzen, doch war ihr bewusst was sie mit ihren direkten Worten bewirken würde. Er musste sie sich aus dem Kopf schlagen, ein für allemal, niemals hätte ihre Verbindung auch nur die geringste Chance. Je eher er das begriff umso besser wäre es für ihn. Vielleicht hatte sie ja recht mit ihren Worten… Denn schließlich war sie eben auf dem Weg zu Graf von Fersen um mit ihm zu tanzen und wer weiß was an diesem Abend noch geschehen würde, worauf er keinen Einfluss hatte. André war klar, wenn er Oscar heute nicht mehr zu Gesicht bekam, würde er sie spätestens Morgen in der Kaserne antreffen. Er glaubte nicht daran, das ein normaler Umgang mit ihr noch möglich war. Vor dem Zusammentreffen fürchtete er sich. Wie würde sie wohl mit seinen Worten umgehen? Gedankenverloren ging Andre die Treppen hinauf in Richtung seines Zimmers. Es war ruhig im Haus, zu ruhig, keine Großmutter in der Nähe die aufgeregt durchs Haus wuselte, was wahrscheinlich an der großen Hitze lag. Scheinbar hatten sich alle zur Ruhe gelegt, oder sich zumindest an einen kühleren Ort verzogen. Alle. Außer Celeste, sie stand etwas abseits von ihm und lugte vorsichtig durch den Spalt ihrer Tür, er hatte sie nicht gesehen. Ihr klopfte das Herz bis zum Hals, als würde es jeden Augenblick aus ihrer Brust springen, das war ihre Chance, sie musste sie ergreifen. Er sah so niedergeschlagen aus, irgendetwas musste vorgefallen sein. War womöglich Oscar schuld daran? Celeste hoffte es sehr. Schnell lief sie zum Spiegel und warf einen prüfenden Blick hinein, strich sich eiligst ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und schob sie mit den Fingern sorgfältig hinter die Ohren. Drehte sich noch kurz hin und her, um zu überprüfen ob noch alles da saß, wo es sein sollte. »Perfekt« Eigentlich war sie recht zufrieden mit ihrem Aussehen. Sie hatte große Haselnussbraune Augen und ihr glattes schwarzes Haar hatte sie hoch gesteckt, so wie es sich für Dienstmädchen gehörte. Sie war sich ihrer Wirkung auf Männer durchaus bewusst. Es mangelte ihr nicht an Angeboten. Nur Celeste war sehr wählerisch, sie war sich zu schade dafür, sich an einen Mann zu verschwenden den sie nicht von Herzen liebte. Sie hatte keine Erfahrung mit Männern! Spielte aber mit ihnen wenn sich die Gelegenheit ergab. Forderte sie heraus um sie dann fallen zu lassen. Noch nie war sie verliebt. Andre dagegen, hatte es ihr sofort angetan. Sie ging wieder zur Tür, trat hinaus und schloss sie leise hinter sich. Das junge Mädchen raffte ihre Röcke und eilte die Stufen hinunter, ihr Weg führte sie geradewegs in die Küche, dort schaute sie sich neugierig um. Was war die beste Medizin für einen Mann, der so niedergeschlagen wirkte wie Andre? »Essen« Essen war das Allheilmittel, damit beglückte Frau, jeden Mann, das hoffte sie jedenfalls. In der Küche fand sich nichts, Sophie hatte alles vorsichtshalber weggeräumt bevor sich die Fliegen darauf stürzen konnten. Also schaute Celeste in die prall gefüllte Vorratskammer und wurde fündig, die Auswahl war dermaßen groß, dass ihr die Entscheidung schwerfiel. Daraufhin lud sie hier und da kleine Köstlichkeiten auf einen Teller. Von jedem ein bisschen was. Stibitzte noch einen der köstlichen Weine, die Sophie nur allzu gerne vor ihrem Enkel versteckte, und stellte es zufrieden auf einem Tablett ab. Schnell lief sie die Treppen wieder hinauf und klopfte an Andre´s Tür. Andre lag ausgestreckt auf seinem Bett und hielt die Augen geschlossen. Wieder und wieder durchlebte er die Szene von eben, wie ein immer wiederkehrender Albtraum. Egal ob er die Augen offen hielt oder geschlossen, das Geschehene schob sich unentwegt vor sein geistiges Auge. Er haderte mit sich, war er womöglich doch zu hart zu ihr gewesen? Nein. Er konnte es ihr nicht durchgehen lassen. Trotz allem war da noch die Angst, die ihn begleitete, dass sie ihn nie wieder so nah an sich heran ließ und er sie womöglich für immer verloren hatte. Das leise Klopfen an der Tür nahm er nicht war, erst als es beim zweiten Versuch energischer wurde, schreckte er hoch. Eigentlich hatte er gar keine Lust auf Gesellschaft und wollte lieber mit sich allein und seinem Elend bleiben. In seiner momentanen Verfassung wäre er sowieso kein guter Gesprächspartner. Er befürchtete, das seine Großmutter doch sein Kommen bemerkt hatte und ihn für gewisse Arbeiten im Haus einspannen wollte. Der junge Mann wollte schon fragen wer es ist um auf Nummer sicher zu gehen um sie eventuell abzuwimmeln. Als ob sich seine Großmutter davon abhalten ließe… Langsam wurde die Wartezeit für Celeste zu lange, ungeduldig tippte sie mit dem Fuß auf den Boden. Das Tablett versteckte sie vorsichtshalber schonmal hinter sich, es sollte schließlich eine kleine Überraschung sein. Ohne eine Antwort abzuwarten, schob sie mit ihrem Hinterteil die Tür auf und betrat sein Gemach. Noch immer saß er auf seinem Bett und sah sie verwundert an. Jetzt bereute sie es beinah, dass sie so hastig ohne abzuwarten einfach eingetreten war. „E..entschuldige bitte dass ich hier so hereinplatze“ stotterte sie verlegen. Unsicher darüber was er wohl von ihrer Dreistigkeit hielt, blickte sie sich unsicher in seinem Zimmer umher. Jetzt fanden ihre Augen seine und sie konnte nichts darin erkennen das er ihr Auftreten übel nahm. „Ich habe dich vorhin kommen sehen und wollte mich nur nach deinem Befinden erkundigen? Zaghaft lächelte sie ihn an. „Und… ich habe dir etwas zu essen mitgebracht.“ Vorsichtig zauberte sie das Tablett welches sie hinter ihrem Rücken versteckt hatte, hervor und hielt es ihm unter die Nase. Der Duft von Großmutters deftigem Braten und anderen Leckereien verteilte sich im Raum und verursachte ein dumpfes grummeln in Andrés Magengegend. Ihm war völlig entgangen, dass er schon seit Mittag nichts mehr Nahrhaftes zu sich genommen hatte und sich sein Magen schmerzhaft zusammen zog. „Du siehst hungrig aus, bemerkte Celeste freudig und zwinkerte ihm zu während sie geduldig seine Reaktion abwartete. Andre war hin und hergerissen ob er das Angebot annehmen sollte, denn so hatte er sich sein „Ich ertrinke im Selbstmitleid“ nicht vorgestellt. Unentschlossen musterte er sie und überlegte was er ihr antworten sollte. Einen Moment zu lang für Celeste, sie war von Natur aus, ein eher ungeduldiger Charakter. Sie drehte sich zum Tisch und stellte dort am Rande das Tablett ab, legte ihm das Besteck zurecht, goß ihm kühlen Wein ein und stellte ihm das Essen dort hin wo er sitzen sollte. Jetzt würde ihm nichts anderes übrig bleiben als diese Einladung anzunehmen, freute sich Celeste. „Macht es dir etwas aus, wenn ich dir für eine Weile Gesellschaft leiste? „Fragte sie ihn mutig. Andre fühlte sich ein wenig von ihr überrumpelt und dennoch musste er schmunzeln! Ihm wurde bewusst, dass er unlängst einen Riesenhunger verspürte, da kam das leckere Essen gerade recht und selbst ihre Gesellschaft konnte er sich vorstellen. Er schwang die Beine vom Bett, stand auf, ging zum Tisch und bot ihr höflicherweise den Stuhl gegenüber des Tisches an. Glücklich über seine Geste ließ Celeste sich nieder. Endlich konnte sie Zeit mit ihm verbringen. Sie unterhielten sich über die verschiedensten Dinge. Es war ein anregendes Gespräch über das André den Vorfall mit Oscar schneller vergaß, als er dachte. Das war besser als jeder Alkohol, die Ablenkung tat ihm gut. Celeste brachte frischen Wind in in sein gerade so trostloses Leben. Ihr unbekümmertes Wesen und ihre Fröhlichkeit wirkten ansteckend und lenkten ihn gekonnt von der blonden Schönheit ab, die er anbetete. André kratzte den letzten Bissen auf seinem Teller zusammen. “Was hältst du davon, wenn wir einen kleinen Ausritt machen? Er staunte selbst nicht schlecht, das er ihr diesen Vorschlag unterbreitete. Langsam schaute er von seinem Teller auf, während er sich den letzten Bissen in den Mund schob. Celeste´s Herz machte einen kleinen Freudensprung über diesen unerwarteten Vorschlag. Damit hatte sie nicht gerechnet. Ihre Augen strahlten bei der Vorstellung und ihre Wangen bekamen einen leichten Rotton. Er legte das Besteck sorgfältig auf den Teller und schob ihn beiseite. Entspannt lehnte er sich mit dem Rücken an die Stuhllehne. “Nun ja, du bist doch schon eine Weile hier und hast von der Gegend sicher noch nicht allzu viel zu Gesicht bekommen? Und so wie ich meine Großmutter kenne, lässt sie dir auch sicher nicht viel Zeit für solche Zertreuungen… stimmt´s? Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er an sie dachte. Für ihr Alter hatte sie das Haus und die Bediensteten wirklich sehr gut im Griff. “Wo du recht hast, hast du recht! Bis jetzt hatte sich die Gelegenheit tatsächlich noch nicht ergeben! Deine Großmutter hat mich dermaßen gut beschäftigt, das ich das Anwesen noch nicht verlassen habe.” Schmunzelte sie. “Gibt es etwas bestimmtes was du gern sehen möchtest?” Sah er sie fragend an. “ Ähm… sie machte eine kleine Pause und schaute auf das Bild hinter ihm bevor sie weitersprach. “…mich würde Paris interessieren! Man sagt, es sei die Stadt der Liebe und wunderschön” dabei sah sie ihn verträumt an. Andrés Miene verfinsterte sich. Das blieb Celeste nicht verborgen. “Was ist?”sie sah ihn fragend an. “Du hast gesagt ich kann es mir aussuchen?” Andre zuckte entschuldigend mit den Schultern. “Es tut mir leid Celeste ich fürchte das muss ich ablehnen. Paris ist nicht mehr wie früher, es ist zu gefährlich. Überall sind Aufstände und es herrscht Tumult in den Straßen, es wäre unverantwortlich dich dem auszusetzen!“ Celeste war gerührt über seine fürsorgliche Art, anscheinend war er wirklich besorgt um ihre Sicherheit. „Nun, dann muss ich mir doch etwas anderes einfallen lassen! Wenn du sagst, es ist zu gefährlich…! Nachdenklich tippte sie mit dem Zeigefinger an ihr Kinn und dachte angestrengt darüber nach, welche Sehenswürdigkeiten sie noch interessieren würde. „Aaaah, wie wäre es denn mit Versailles? Das sehe ich immer nur vom Anwesen aus, es ist viel zu weit weg um genaueres zu erkennen. Ich möchte es gerne mal aus der Nähe betrachten.“ Mit flehendem Blick sah sie ihn an! „Bitte Andrè schlag mir diesen Wunsch nicht ab!“ Andre stand vom Stuhl auf und verbeugte sich lachend vor Celeste. „Euer Wunsch sei mir Befehl Madmoiselle“ „Aber bedenke, dass wir uns das Schloss nur von außen anschauen können! Als Oscar noch zum Garderegiment gehörte, konnte ich dort ein und ausgehen wie es mir beliebte, dies ist nun nicht mehr möglich. Wie du weißt ist sie jetzt Oberbefehlshaber der Söldnertruppe und ich habe dadurch nichts mehr in Versailles verloren!“ Und da war er wieder der Gedanke an Oscar und der missratene Nachmittag am See. Schmerz spiegelte sich in seinem Gesicht wieder und der Wunsch alles Geschehene rückgängig zu machen. Aber das war nicht mehr möglich, einzig und allein die Flucht mit Celeste aus dem Hause der Jarjayes, weit weg von Oscar und allem was er mit ihr in Verbindung brachte, und wenn es nur für ein paar Stunden war. Er legte seine Stirn in Falten und das eben gerade noch vorhandene Lächeln war aus seinem Gesicht gewichen. Er starrte zum Fenster und flüsterte fast unhörbar. „Ich war sowieso nur der Diener einer Adligen!“ Betreten sah er zu Boden. Er verwarf die schlechten Gedanken wieder und die verletztenden Worte Oscars. Aber er wollte Celeste nicht seinen Schmerz spüren lassen und setzte darum wieder ein Lächeln auf. „Komm lass uns gehen, solange es noch hell ist.“ Celeste war seine Stimmung nicht entgangen und ihr war klar dass es mit Oscar zusammen hing. Sie würde alles dafür tun um ihn wieder aufzuheitern. Sie verschwand nochmals in ihrem Gemach um sich für den Ausritt umzuziehen, sie konnte ja schlecht in der Dienstmädchenkleidung einen privaten Ausritt unternehmen. Also kramte sie das schönste Kleid aus dem Schrank welches sie besaß und öffnete ihr hochgestecktes Haar, dass in leichten Wellen auf ihre Schultern herabfloss. In der Zwischenzeit ging Andre zu den Stallungen und sattelte sein Pferd. Als er gerade dabei war für Celeste eine Stute auszusuchen, tippte sie ihn vorsichtig von hinten an. Er drehte sich fragend zu ihr. Schüchtern sah sie ihn an und druckste etwas. „Verzeih, aber da gebe es ein kleines Problem….“ „Ja und welches? Fragte André sie neugierig. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie auf einem Pferd gesessen!“ Andre lächelte Celeste charmant an. „Na wenn es weiter nichts ist, dann reitest du eben mit auf meinem Pferd! Und für die Zukunft nehme ich mir vor, dir das Reiten beizubringen.“ Das wurde ja immer besser, dachte sich Celeste. Nicht nur, dass Andre mit ihr einen Ausflug unternehmen wollte, nein er wollte sich extra Zeit für sie nehmen um ihr Reitstunden zu geben. Andre stieg auf sein Pferd und zog Celeste sanft zu sich hoch. Er platzierte sie vor sich und hielt die Zügel fest. Langsam trabten sie aus dem Stall. Dies blieb nicht unbemerkt. Sophie stand nicht weit von ihnen entfernt und beobachtete Andre und das hübsche Zimmermädchen. In ihr keimte die Hoffnung, dass ihr Enkel sich womöglich von Oscar abgewandt und dafür Interesse für Celeste hegte. Sie konnte sich nicht vorstellen, selbst wenn Oscar seine Gefühle erwiderte, dass diese Verbindung gut geht. Der General wäre alles andere als begeistert und müsste sie aus dem Hause werfen um sein Ansehen und das seiner Familie zu schützen. Es wäre das beste für alle Beteiligten wenn sich Andre in eine andere Frau, verlieben würde. Andre war nicht im Geringsten bewusst was er mit seinem törrichten Verhalten anrichten würde. Auch wenn er nur aus seiner Sicht her, einen kleinen Ausritt mit dem Dienstmädchen unternahm. Er war sich nicht im Klaren darüber, welche Gefühle Oscar ihm mittlerweile entgegenbrachte und was er mit dieser kleine Geste Celeste gegenüber auslösen könnte. Mit einem Mal konnte er zwei Frauen gleichzeitig unglücklich machen, wenn das schief gehen sollte. Oscar ritt mit dem Wissen nach Hause, das sie wahrscheinlich eben die Freundschaft zu Andre zerstört hatte. Ob er sie noch liebte? Das war eher unwahrscheinlich! Noch immer brannten ihr die Tränen in den Augen, die sich ungehindert den Weg nach draußen bahnten. Auch wenn sie es aufs tiefste verabscheute, sich so schwach und entmutigt zu fühlen, sie konnte nicht leugnen dass ihre Gefühlsausbrüche denen sie immer häufiger erlag, auch etwas Gutes hatten, sie fühlte sich endlich richtig als Frau. Hasste es und genoss es gleichermaßen. Es machte sie lebendig! All das, was sie jahrelang versucht hatte zu verdrängen ließ sich nicht länger verleugnen. Sie wollte es auch nicht mehr unterdrücken, Oscar war es leid. Sie musste sich eingestehen dass selbst Männer Gefühle hatten und Liebe empfinden konnten. Andre war dafür das beste Beispiel. Wie konnte sie nur all die Jahre glauben dass ein Leben ohne Liebe lebenswert sei?! Sie zog leicht an den Zügeln um ihrer Stute zu signalisieren dass sie stehen bleiben sollte. Mit Wehmut betrachtete sie das Rot der untergehenden Sonne. Wäre der Nachmittag anders verlaufen, hätte sie diesen Anblick vermutlich mit Andre genießen können, wie so viele Male. Sie war sich nicht sicher ob es diese Momente jemals wieder geben würde. Es war noch immer sehr heiß und die Nacht würde wahrscheinlich drückend und schwül werden. Ihre Haut war erhitzt und brachte den Stoff ihrer Kleidung dazu unangenehm an ihr zu kleben, von der kurzen Erfrischung ihres Badeunfalls war nichts mehr zu spüren. Blonde Strähnen klebten auf ihrer Stirn und der Schweiß rann ihr übers Gesicht. Sie gab ihrem Pferd wieder die Sporen, sie war nicht mehr weit von ihrem Zuhause entfernt und sie sehnte sich danach sich etwas frisch zu machen und die Kleidung zu wechseln. Schon von weitem, konnte sie zwei Gestalten hintereinander sitzend auf einem Pferd erkennen. Ein Mann und eine Frau. Je näher sie kam umso mehr blieb ihr das Herz stehen, so sehr sie auch hoffte es sei jemand anderes, traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag. Andre saß auf seinem Pferd und nah an sich gepresst sah sie ihre Konkurrentin. Alles Blinzeln half nichts, an dem Bild was sich ihr bot änderte sich nichts. Eifersucht gepaart mit unaussprechlichem Hass stieg in ihr auf. Nicht auf ihn! Sie hatte eher das Gefühl sie müsste IHN vor ihr beschützen… Oscar war erfüllt von Unsicherheit, Angst und Sorge, darüber dass Andre das Kapitel Oscar hinter sich gelassen hatte um sein Herz für eine andere zu öffnen. Die Furcht davor, dass die Kleine ihn womöglich immer mehr für sich gewann übernahm in ihren Gedanken immer mehr die Oberhand. Aber so schnell? Celeste genoss Andre´s Nähe, so dicht an ihn gelehnt, seine Wärme in ihrem Rücken spürend. Sie konnte von Glück sprechen das er hinter ihr saß, sonst hätte er die verräterische Röte ihrer Wangen bemerkt. Ihr Herz stand regelrecht in Flammen. Sie kuschelte sich noch etwas näher an ihn, was Andre als beinahe unangenehm empfand. Sie war nett, witzig und erfrischend, aber lieber wäre er Oscar näher gekommen. Ihm war auch klar, dass ihre ganze Aufmachung ihm galt und er langsam mit seinem schlechten Gewissen haderte, ob das was er gerade tat richtig war. Unbewusst machte er Celeste Hoffnung, genau das was er eigentlich vermeiden wollte. Glücklicherweise kam Versaille immer näher und damit auch die Möglichkeit dieser erdrückenden Zweisamkeit zu entfliehen. Egal was Andre und Celeste taten, es blieb nicht unbemerkt, Oscar war Ihnen mit gebührendem Abstand gefolgt. Sie konnte nicht anders, sie musste wissen was die beiden vorhatten. Gemütlich setzte sich Andre´s Hengst in Bewegung. Oscar war zu weit weg um zu verstehen, worüber sich die beiden unterhielten, aber dieses ständige Gekicher von ihr und das heitere Lachen Andrés war fast unerträglich für ihr empfindsames Gehör. Das einzige Gemurmel, welches der Wind zu ihr herübertrug war das Wort „Versailles“. Daher vermutete Oscar, dass sie dort ihr Weg hinführte. “Wenn sie weiter in diesem Tempo reiten, werden sie vor morgen früh nicht da sein!“ dachte sie verächtlich. Im gemütlichen Schritttempo bewegten sie sich gemächlich vorwärts, bis Oscar etwas aus der Entfernung wahrnahm. Staub wirbelte auf, ein Reiter war zu sehen. Kurz hielt er bei Andre und Celeste, wechselte wenige Worte mit ihnen und verabschiedete sich. Je näher er kam umso deutlicher erkannte sie ihn. »Girodel« Aprupt blieb Oscar stehen. Sie bezweckte damit, den Abstand zwischen sich und Andre zu vergrößern, es sollte nicht den offensichtlichen Anschein erzeugen, als würde sie dem Pärchen folgen. Denn ihr war klar, das Girodel eventuell unangenehme Fragen stellen könnte. Freudestrahlend ritt er ihr entgegen, als er endlich erkannte wem er näher kam. Nach seinem Heiratsantrag, hatte er sie schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen. Vielleicht war das seine Chance ihr wiederholt seine Aufwartung zu machen. „Lady Oscar, welch ein Zufall euch hier zu begegnen!“ Begrüßte er sie überschwenglich. „Soeben bin ich Andre und einer unbekannten Schönen begegnet! Habt ihr die beiden nicht gesehen? Sie waren unmittelbar vor euch!?“ „Ich habe nicht darauf geachtet!“ antwortete sie knapp. In der Ferne konnte sie nur noch annähernd die Umrisse von Andre und Celeste erkennen, bevor diese gänzlich verschwanden. Der Graf schien belustigt und überrascht zugleich. Na sowas, ich wusste garnicht das Andre ein Mädchen hat, ist es denn etwas Ernstes?“ Bei seinen Worten musste sie schwer schlucken und ihre Miene verfinsterte sich. „Andre´s Privatleben geht mich nichts an! Warum fragt ihr ihn nicht selbst?“ antwortete sie ihm patzig. Etwas irritiert über ihre Gereiztheit, versuchte er das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. „Seid ihr auf dem Weg zur Königin?“ Fragte er unsicher und musterte sie eingehend. Seine Ausfragerei ging ihr langsam zu weit. Etwas schroffer als beabsichtigt, fuhr sie ihn ungeduldig an. „Ich wüsste nicht was euch das angeht, aber genau das hatte ich vor!“ log sie. Was hätte sie ihm auch erzählen sollen, also musste wohl oder übel eine kleine Notlüge her. Und wer weiß, vielleicht stattete sie der Königin tatsächlich noch einen kleinen Besuch ab… Der Graf ließ sich von ihrer ruppigen Art nicht aus dem Konzept bringen. Ihm war es überaus wichtig ihr nochmals mittzuteilen was ihn seit geraumer Zeit beschäftigte und ihm des Nachts den Schlaf raubte. Soviel Zeit musste er ihr wert sein. „Lady Oscar wie ihr wisst, bat ich euren Vater vor einiger Zeit um eure Hand…“ Girodel schien nervös, kleine Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Er wollte seine Worte mit Bedacht wählen, denn schließlich war ihm klar was davon abhing. “Es tut mir leid, wenn ich euch beim letzten Mal zu nahe gekommen bin oder euch mit meinen Gefühlen überrumpelt habe. Ich wollte euch nur damit zeigen, wie sehr ich euch achte und was ich für euch empfinde”! “Meine Liebe zu euch, ist trotz eurer Abweisung noch genauso groß. Ich bitte euch nochmals über meinen Antrag nachzudenken! Oscar verdrehte innerlich die Augen, sie mochte Girodel, aber als Mann an ihrer Seite konnte sie sich ihn weiß Gott nicht vorstellen. Sie war äußerst beunruhigt, Girodel hielt sie davon ab Andre und Celeste zu verfolgen, sie waren bereits außer Sichtweite. Sie musste ihn so schnell wie möglich loswerden. Selbst ihre Stute wurde unruhig, sie hatte eine feines Gespür für Oscars Empfindungen. Oscar konnte nicht länger hier herumstehen und dem Liebesgesäusel des Grafen zuhören. “Ihr kennt meine Antwort Girodel und nun entschuldigt mich!” fertigte sie ihn unwirsch ab. Mehr hatte sie nicht dazu zu sagen und damit ließ sie einen völlig verdutzten Grafen zurück der ihr mit offenen Mund hinterher starrte. Oscar war es egal was er von ihr dachte. Sie gab ihrem Pferd die Sporen, und ritt so schnell es nur ging Richtung Versailles in der Hoffnung Andre und Celeste noch einholen zu können. »Verdammt« fluchte Oscar lautstark, es konnte sie sowieso keiner hören. Bei dem Schleichgang den Andre und Celeste hingelegt hatten, müsste sie die beiden jungen Leute schon längst eingeholt haben! Aber sie blieben verschwunden…wie vom Erdboden verschluckt. Wo mochten sie nur sein? Und dass nur wegen Girodel! Sie hätte ihn in der Luft zerreisen können. Sie ritt weiter bis das Schloss vor ihr auftauchte. Unschlüssig in welche Richtung sie reiten sollte, überließ sie ihrer Stute die Enscheidung. Mehr als im Kreis reiten und dadurch eventuell Andre und das abtrünnige Dienstmädchen erwischen, auch wenn dabei ihre Tarnung aufflöge, nahm sie billigend in Kauf. Als Ausrede konnte sie immerhin die Königin als Grund nennen. Oscar wusste das André nicht ohne weiteres Zutritt gewährt wurde, wenn sie nicht bei ihm war. Also, und da war sie sich ziemlich sicher, konnten sie nur von außen den Palast betrachten. Es war schon eine geraume Zeit verstrichen und die Nacht brach herein! Oscar hatte bereits alles abgesucht. “Ohne Erfolg” Das Gebiet um Versailles war sehr groß, da konnte es ein leichtes sein, dass man sich verpasste. Niedergeschlagen und mit hängenden Schultern gab sie auf, auch wenn das nicht zu ihre Art war. Was würde es auch bringen im Dunkeln weiter zu suchen! Vielleicht waren sie auch schon längst wieder zum Anwesen zurückgekehrt. Wieder daheim brachte sie ihr treues und halb verdurstetes Pferd in den Stall, gab ihm Futter und Wasser und strich im sanft über die Nüstern bevor sie sich auf dem Weg zum Haus machte. Langsam schritt sie den Weg entlang, sie hatte keine Eile. Leise knirschten die Kieselsteine unter ihren Sohlen, sie leuchteten weiß im Mondschein. Kein Licht brannte mehr im Hause Jarjayes, alle waren bereits zu Bett gegangen. Es musste mittlerweile fast Mitternacht sein. So schnell war die Zeit vergangen. Leise schlich sie in ihr Zimmer um niemanden zu wecken. Sie zündete sich noch nicht mal eine Kerze an, das brauchte sie nicht, denn ihr Gemach wurde durch das Mondlicht genug erhellt. In dem großen Zimmer war es heiß und stickig, schnell öffnete sie die Terassentür um frische Luft herein zu lassen. Es war nicht mehr als eine leichte Brise die hereinwehte, dennoch besser als garnichts. Sophie hatte ihr eine Schüssel mit Wasser zum Waschen bereit gestellt. Die Haut war feucht durch die Wärme, die Haare klebten ihr am Rücken als sie sich die Bluse über dem Kopf schob. Sie war froh sich den Schweiß und Staub des Tages vom Körper waschen zu können. Das warme Wasser verschaffte ihr nicht wirklich eine Abkühlung. Am liebsten hätte sie sich nackt zu Bett begeben, doch das schickte sich nicht. Jedes Stückchen Stoff war bei dieser Schwüle einfach zu viel am Körper, also zog sie mürrisch ihr Nachtgewand an und obwohl es nicht typisch für sie war flocht sie sich ihre Haare zum Zopf. Das war einfach angenehmer zum Schlafen und Oscar machte das nur im Notfall wenn sie die Hitze nicht ertragen konnte. Oscar griff nach einem Apfel der in einer Schüssel auf dem Tisch stand. Es war das erste Essen seit Stunden und sollte vorerst das letzte bleiben. Nur mit Mühe konnte sie die abgebissenen Stücke hinunterwürgen. Sie verspürte keinen Hunger und der Vorfall vom Nachmittag nahm ihr den Appetit. Dennoch siegte die Vernunft und sie aß ihn auf, im Hinterkopf die mahnenden Worte Sophie`s, die sie immer maßregelte sie solle doch mehr essen. Plötzlich hörte sie das schlagen von Hufen, die sich dem Anwesen der Jarjayes näherten. Zwei Personen auf einem Pferd… Das konnte nur Andre und dieses Dienstmädchen sein, dachte sich Oscar während es langsam wieder in ihr hochkochte. Waren sie also doch nicht vor ihr heimgekehrt… Wo konnten sie nur so lange gewesen sein? Sie ging ein paar Schritte auf die geöffnete Tür der Veranda zu, nur soviel das sie beide gut erkennen konnte, aber selbst nicht entdeckt wurde. Andre stieg als erster von seinem Pferd herab, danach half er Celeste, während er sie mit seinen Händen an der Taille umfasste und sie sicher wieder am Boden absetzte. Noch immer lachten sie ausgelassen und alberten herum wie Teenager, wenn auch gedämpfter um niemanden zu wecken. Nimmt das denn nie eine Ende dachte Oscar erbost, die sich hinter dem Vorhang versteckt hielt. Sie schienen sehr vertraut miteinander. Nur mit dem was jetzt kam hatte sie auf keinen Fall gerechnet. Celeste sagte etwas zu Andre was sie nicht verstehen konnte, nahm seine Hand und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Das Mädchen verabschiedete sich eiligst und verschwand im Haus. Etwas verwirrt schaute Andre ihr nach und berührte die Stelle wo sie ihren Kuss platziert hatte. Oscar konnte seine Reaktion aus dieser Position nicht erkennen und es war ihr auch egal. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, dass was sie gesehen hatte in ihrem Kopf zu ordnen. Gefangen in ihrer Hoffnungslosigkeit nahm sie nur noch wahr wie Andre sein Pferd in den Stall führte um es dort zu versorgen. Ihr drehte sich der Magen um, am liebsten hätte sie den eben gegessen Apfel wieder ausgespuckt. Oscar konnte sich nicht länger auf den Beinen halten, sie versagten ihr den Dienst. Müde und ermattet ging sie zu ihrem Bett und ließ sich darauf nieder. Das Blut rauschte in Ihren Ohren. Was sollte sie nur tun? Das beste wäre, sie würde Celeste auf der Stelle aus dem Hause jagen, wie ein lästiges Insekt, welches man schnellstens entfernen wollte. Nur so einfach wie sie es sich vorstellte war es nicht. Es hing viel mehr davon ab. Für das Einstellen des Personals war für gewöhnlich ihre Mutter zuständig und der musste sie erstmal einen driftigen Grund nennen, warum sie dem neuen Dienstmädchen kündigen wollte. Bis jetzt verrichtete Celeste die ihr aufgetragenen Arbeiten zu ihrer vollsten Zufriedenheit. Sie konnte ja schlecht sagen das Andre sich mit ihr vergnügte. Dass Privatleben ihres Personals war für Madame Jarjayes tabu, nie hätte sie sich da eingemischt. Mal ganz abgesehen von dem Mangel an gutem Personal, welches zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur schwer zu finden war. Und da war auch noch Sophie, die Hilfe dringend benötigte. Oscar ließ sich in ihre weichen Kissen fallen und starrte mit ausgebreiteten Armen an die Decke. “Egal wie ich es drehe oder wende, ich finde einfach keine Lösung für dieses Problem…” Bitte vielmals um Entschuldigung für die lange Wartezeit! Das nächste Kapitel werde ich noch diesen Monat hochladen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)