Chaos On Tour von _miku-kun_ (~~True Lies~~) ================================================================================ Kapitel 4: Guten Tag, lieber Zettel! ------------------------------------ Kapitel 4. Es regnete, als sie nach zwei Stunden endlich in Paris gelandet und demnach ziemlich erschöpft waren. Alles bis auf Bou. Dieser war – o Wunder – sofort eingeschlafen, nachdem er sich auf den weichen Sitz im Flugzeug niedergelassen hatte. Da Miku neben ihm gesessen hatte, war der Flug für ihn recht ereignislos und langweilig verlaufen. Mit Kanon oder Teruki hatte er nicht sprechen können, da sie zwei Reihen hinter ihnen gesessen hatten. In der Eingangshalle angekommen stellten sie erleichtert fest, dass sie nicht auf ihre Fahrgelegenheit warten mussten. Im Gegenteil. Sie wurden sogar ungeduldig erwartet. Miku, Kanon, Teruki und Bou gingen mit großen Schritten und den Koffern in der Hand auf ihren Manager zu. Dieser begrüßte sie, fragte sie kurz über den Ablauf des Fluges aus. Draußen angekommen setzten sie hastig ihre Kapuze auf den Kopf, denn mittlerweile goss es wie aus Eimern. Über Pfützen springen rannten sie so schnell sie konnten zu, Parkplatz und eilten zu dem kleinen roten Tourbus. Erst, als er im Auto saß, setzte Miku die Kapuze wieder ab und schüttelte sein Haar, das trotz der Kopfbedeckung etwas nass geworden war. „Hey!“, rief Kanon entrüsten und wich, so weit es möglich war, zurück. „Ich bin schon nass genug.“ „Gomen.“ Miku hörte auf, lehnte sich zurück. Die Fahrt verlief recht schweigsam, denn Miku, Kanon und Teruki hatten in den letzten Tagen kaum Schlaf gehabt, und wenn, dann nur für ein paar Stunden. Miku war sehr froh, als sie an ihrem Hotel angekommen waren und er den Bus endlich verlassen konnte, denn er hätte es nicht mehr länger da drin aushalten können. Der Störenfried hieß mal wieder Bou. Der Gitarrist hatte nämlich keine Sekunde still auf seinem Platz sitzen können und hatte ihn zudem mit irgendeinem Mist zugetextet. Miku hatte sich stark zusammenreißen müssen, um ihn nicht lauthals anzuschreien, er solle doch endlich mal die Klappe halten, da er keine Lust hatte, dass Bous Laune erneut ihren Tiefpunkt erreichte. „In einer halben Stunde erwarte ich euch wieder hier“, rief der Manager ihnen noch nach, während sie mit ihrem Gepäck die Treppe zum Hotel hochstiegen. „Ja, ja“, murrte Kanon schlecht gelaunt und öffnete die Glastür. Sie traten ein. „Er ist ja so nett zu uns. Man könnte fast meinen, er hat Spaß daran zuzusehen, wie wir wegen Schlafmangel allmählich zugrunde gehen.“ „Ach, Kanon. Jetzt fängst du ja auch schon genau so an wie Bou.“ „Was soll das denn heißen?“, fuhr Kanon Teruki wütend an. „Na, das, was es heißt“, gab der Drummer trocken zurück. „Bou redet ja pausenlos von Schlaf und wie müde er immer ist, und wenn nicht, dann schläft er.“ „Genau. Und ich steh dazu, dass ich viel Schlaf brauche.“ Bou grinste. „Im Gegensatz zu dir.“ Um den Giftblicken des Bassisten zu entkommen, eilte er an die Empfangstheke und fragte nach ihren Zimmernummern. Miku, der Bou nachgesehen hatte, spürte, wie jemand an seinem Ärmel zupfte und drehte sich zu Kanon um. „Sag mal“, fing dieser langsam an. „Auf wessen Seite stehst du eigentlich? Auf der Seite dieser...verräterischen Freunde, oder auf meiner?“ Verräterische Freunde? Doch da Kanon ihn eindringlich ansah, antwortete er hastig: „Auf deiner natürlich.“ Kanon lächelte und wandte sich den anderen zu, die schon auf dem Weg nach oben waren. Als ob ich etwas anderes sagen würde, wenn ich so bedrohlich angestarrt werde, dachte Miku, schüttelte leicht verwirrt den Kopf und eilte ihnen hinterher. „Nein.“ „Doch.“ „Nein.“ „Doch!“ „Nein!“ „Jetzt komm schon.“ „Ich will aber nicht!“ „Entweder gehen wir alle oder keiner.“ „Dann habt ihr Pech gehabt.“ „Wieso willst du denn nicht?“ „Weil...“ Bou stockte. „Na los. Sag’s.“ „Weil...ich Höhenangst habe!“ Stille. Miku und Kanon, die beide am Fenster gelehnt standen, warfen sich heimlich Blicke zu. Sie hatten das ganze Gespräch belustigt verfolgt, denn es war schon immer eine Sensation gewesen, wenn sich Teruki und Bou stritten. Es geschah nämlich so gut wie nie, da beide aus einem unerklärlich Grund Respekt und Achtung voreinander hatten. Doch wenn sie sich miteinander anlegten, dann für irgendeine dämliche Kleinigkeit. So wie diese hier. Kanon hatte nämlich die Idee geäußert, morgen auf den Eifelturm zu steigen, da morgen ihr erster freier Tag war. Teruki war davon sehr begeistert gewesen und hatte versucht Bou umzustimmen, was jedoch in diesem Streit geendet war. „Aber was sollen wir denn jetzt machen?“, fragte Teruki verzweifelt Miku und Kanon. Der Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern. „Entweder bleibt er unten oder er kommt mit nach oben. So einfach ist das. Ich möchte nämlich auf alle Fälle da hoch.“ „Ich auch.“ Bou seufzte, ging auf ihn zu, und zog den etwas verdutzten Miku zur anderen Seite des Backstage-Raumes. Der Blondschopf stellte sich direkt vor Miku, dessen Hände festhaltend. Mit großen Augen schaute er von unten zu ihm herauf. Er sprach mit leiser Stimme. „Miku?“ „Hai?“ „Ich möchte so gerne auf den Eifelturm, aber ich habe Angst. Außerdem möchte ich dir nicht den Tag versauen.“ „Und wenn ich dir verspreche, dass ich nicht von deiner Seite weichen werde und auf die aufpasse?“ Bou grinste. „Das ist natürlich etwas anderes.“ Miku blickte zu Teruki und Kanon, die das Geschehen neugierig verfolgt, aber kein Wort verstanden hatten. „Er kommt mit.“ „Prima“, riefen Kanon und Teruki begeistert. Die Tür ging auf. Miku, Bou, Kanon und Teruki wandten sich dem Manager zu. „Die Autogrammstunde fängt gleich an.“ Teruki nickte. „Gut. Wir kommen.“ Die Mitglieder von AnCafe liefen ihrem Manager folgsam hinterher. „He, Kanon“, flüsterte Miku und zupfte dem Bassisten am Ärmel. „Was gibt’s, Miku?“ „Ich will morgen, bevor wir da hochsteigen aber noch shoppen gehen.“ „Miku!“, rief Kanon erschrocken. Teruki und Bou drehten sich verwirrt um. „Was ist?“, fragte der Sänger ungläubig, der nicht verstehen konnte, warum er jetzt angeschrien worden war. „Wir wissen doch alle genau sehr du Shoppen liebst“, erklärte Kanon und zog Miku weiter den Flur entlang. „Außerdem habe ich das sowieso schon für morgen eingeplant – nur für dich.“ „Arigatou, Kanon!“ Miku umarmte ihn freudig. Kanon ließ ihn kurz gewähren, schob ihn dann jedoch zur Seite. „Nicht, dass Bou noch eifersüchtig wird.“ „Ach was.“ Miku lächelte. „So schnell wird er nicht eifersüchtig.“ Doch innerlich war er sich dessen nicht mehr so ganz sicher. „Wenn du meinst“, entgegnete Kanon leise und schaute den auf einmal menschenleeren Flur herunter. „Gut, Problem gelöst. Wenn Bou das nicht gesehen hat, dann kann er auch nicht eifersüchtig werden. Aber sie hätten zumindest auf uns warten können.“ Er packte Miku an der Hand und zog ihn murrend weiter. „Kanon, denkst du etwa, sie fangen ohne uns an?“, gab Miku zu Bedenken. „Nee, aber ich traue denen so einiges zu.“ Der Vocal seufzte nur und ließ sich einfach mitziehen. Er konnte es kaum erwarten, dass der heutige Tag endlich vorbei war. Vor allem wollte er endlich mal auf andere Gedanken kommen. Die Sache in dem Taxi beschäftigte ihn nämlich immer noch. Aber am Meisten freute er sich auf die Shopping-Tour. Ob er wohl etwas für Bou finden würde? „Ich glaube, hier müssen wir rein.“ Kanon öffnete eine dunkle Holztür und zog Miku hinter sich hinein. Röhrenlampen über ihnen erhellten den in schwarz gestrichenen, großen Raum und die auf einer kleinen Anhöhe zusätzlich angebrachten Stehlampen sorgten dafür, dass alle von AnCafe auch perfekt beleuchtet wurden, wenn sie am Tisch saßen. Der lange Tisch aus hellem Holz stand mit vier hintereinander aufgereihten Stühlen auf der Anhöhe. Für jeden lag bereits jeweils ein Stift zur Verfügung. An der anderen Seite des Raumes, dem Signierdesk gegenüber, war der Verkaufsstand aufgestellt worden, an dem die Fans, bevor sie nach vorne zu AnCafe traten, die Möglichkeit hatten, ein Poster von AnCafe zu kaufen. Später würden dort auch die T-Shirts dieser Tour angeboten werden. Doch auf das alles konnte Miku nur einen flüchtigen Blick werfen, denn Kanon zog ihn weiter zu Teruki und Bou, die sich mit dem Manager neben der Anhöhe unterhalten hatten und nun, abgelenkt vom Öffnen der Tür, zu den Nachzüglern blickten. „Wo ward ihr denn so lange“, fragte Teruki ungeduldig. „Wir mussten etwas klären.“ Kanon grinste. „Seid ihr denn jetzt fertig mit klären?“ bou sprach leise, blickte sie dabei nicht an. „Hai.“ Miku starrte ihn verwirrt an. Was war denn nun schon wieder los? „Dann kannst du Kanons Hand ja jetzt loslassen.“ Miku und Kanon sahen sich erschrocken an und ließen blitzschnell die Hand des anderen los. Miku errötete leicht. „Gomen, Bou. Ich...nein, ich meine...Kanon hat...“, versuchte er stockend zu erklären, bemerkte jedoch Kanons Blick und verstummte. „Miku hat Recht. Ich habe seine Hand genommen, und nicht andersherum. Also kein Grund eifersüchtig zu werden.“ Kanon grinste frech. „Ach, und warum hast du sie die ganze Zeit über festgehalten?“, schrie Bou. Kanon erklärte es ihm, doch das resultierte nur darin, dass er lauthals schimpfend als Lügner abgestempelt wurde. „Jetzt krieg dich doch mal wieder ein“, rief Kanon ärgerlich, der es nun gar nicht mehr witzig fand. „Ich soll mich beruhigen? Wer läuft denn hier Händchen haltend durch die Gegend, obwohl Mikus Hand mir gehört!“ „Bou, ich habe es dir doch -“ „Ich glaube dir aber nicht!“ „Ach, und warum glaubst du mir nicht, wenn ich fragen darf?“ Bou stöhnte und verdrehte entnervt die Augen. „Das weißt du doch ganz genau.“ Kanons Kopf schwirrte. Was meinte Bou nur damit? Doch dann fiel es ihm wieder ein und er schlug sich mit der Hand auf die Stirn. „Bou, komm mal mit!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, griff er nach dem Ärmel des Gitarristen und zog ihn aus dem Raum hinaus. Miku und Teruki starrten ihnen verwirrt nach. Auch der Manager, der das alles mitverfolgt hatte, fragte sich, was denn nun schon wieder los gewesen war. Doch im Gegensatz zu den anderen hatte er noch weniger als gar nichts verstanden, denn er konnte ja nicht wissen, in welcher Beziehung Bou und Miku zueinander standen. Teruki seufzte, stieg auf die Anhöhe und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Er würde gleich der Erste sein, der seine Unterschrift verteilen würde. „Hoffentlich beeilen sie sich.“ Miku nickte nur. Hatten Kanon und Bou ihm denn nicht noch vor einigen Stunden versprochen, sich nicht mehr zu streiten? Und was hatten die zwei für ein Geheimnis? War das vielleicht auch der Grund für ihre ständigen Streitereinen? Miku war verwirrt, und verletzt zugleich. Er hatte, seit er nun mit Bou und Kanon befreunden war, mit ihnen über alles reden können. Es war ungewohnt zu wissen, dass es etwas gab, über das die beiden nicht mit ihm gesprochen hatten. Aber genau genommen bin ich auch nicht besser als Kanon und Bou, dachte Miku leise seufzend und setzte sich auf einen der noch freien Stühle, wobei er einen Platz zwischen sich und Teruki frei ließ. Lustlos nahm er den schwarzen Edding vor sich in seine rechte Hand und spielte mit ihm herum. Dabei sang er leise Rinne No Tsumi. Ich verschweige denen ja schon seit Wochen etwas...Wieso schaffe ich es einfach nicht und sage es ihnen endlich? Zumindest Bou muss es wissen...Aber ich traue mich nicht! Was, wenn er mich dann nicht mehr mag und mich fallen lässt? Sein Gedankengang wurde vom Öffnen der Tür unterbrochen und sein Gesang verstummte. „Können wir dann jetzt endlich anfangen?“, fragte Teruki Kanon und Bou, die sich ausdruckslos – aber immerhin friedlich – auf ihre Plätze setzten. Bou, der zwischen Teruki und Miku hockte, nickte zustimmend. Der Manager gab einige Japanern noch letzte Anweisungen, dann öffnete einer die große Tür und verschwand. „He, Miku“, murmelte Bou. „Was ist?“ „Sehe ich gut aus?“ Miku lächelte. „Du siehst doch immer klasse aus.“ Sein Herz klopfte, als Bou, ihn mit seinen großen Rehaugen ansehend, unter dem Tisch nach seiner Hand griff. Miku umfasst die kleinen zierlichen Finger des Gitarristen und strich sanft über dessen Handrücken. Bou beugte sich mit dem Kopf weiter zu Miku und flüsterte ihm leise ins Ohr: „Schön, dass ich dich mal wieder lächeln sehe.“ Er setze sich wieder gerade hin und ließ Mikus Hand wieder los, denn die erste Gruppe aufgebrachter Fans war eingetreten. Beim Anblick AnCafe’s blieben die Fans, offenbar erschrocken, stehen. Ein Mädchen fing an zu kreischen. Andere wiederum starrten sie an, als wären sie Götter oder von einem anderen Planeten. Miku, Kanon, Teruki und Bou lächelten sie einladend an, doch noch traute sich keiner zu ihnen an den Signierdesk. Langsam fingen die Fans an, mit zittrigen Händen CDs oder andere Merchandise-Artikel von AnCafe aus ihren Taschen hervorzuholen. Zwei von ihnen traten an den Verkaufsstand, um eines der großen Poster zu ergattern. Miku glaubte zu wissen, warum sich keiner nach vorne wagte. In dem weißen Licht von den vielen Lampen über und hinter ihnen sitzend sahen sie anders aus als auf Fotos oder in Musikvideos. Sie waren nämlich alle viel kleiner und zierlicher. Doch Miku mochte sich auf Fotos immer, denn auf denen wirkten seine Augen viel kleiner. Zufrieden stellte er fest, dass ein Mädchen zaghaft nach vorne zu Teruki trat. Der Drummer begrüßte sie lächelnd mit einem englischen „Hello“, während sie ihm das Booklet eines Albums reichte, auf dem er auch sofort unterschrieb und es zu Bou schob. Er gab dem Mädchen die Hand und bedankte sich freundlich mit einem „Arigatou“. Strahlend ging sie weiter zu Bou und sofort nahm der nächste Fans ihren Platz vor Teruki ein. Die Übrigen aus der Gruppe stellten sich dahinter. Offenbar hatten sie nun alle die Gewissheit. dass ihre Stars ihnen nichts Böses taten. Miku lächelte jedes Mal freundlich und kaum war die erste Gruppe durch, schon kam die nächste. Während Miku Autogramme verteilte, immer brav grinste und sich bedankte, hatte er Zeit, über das eben Gesagte von Bou nachzudenken. Nach einer Weiler stellte er erschreckend fest, wie unnyappy seine Gedanken doch waren und beschloss, sie niederzuschreiben, sobald er hier fertig war. Es hatte ihn schon immer beruhigt, wenn er seine Ängste, Sorgen, Hoffnungen und Träume aufschreiben konnte. Meistens hatte er sich den nächstsbesten Zettel geschnappt und drauf losgeschrieben. Dabei hatte er den Zettel als eine Art Freund benutzt, mit dem er über alles „reden“ konnte. Doch wo sollte er hier einen herbekommen? Er wollte den Manager fragen gehen, nachdem die Autogrammstunde zu Ende war, doch dieser war wie vom Erdboden verschluckt. Miku suchte die ganze Konzerthalle an, nach draußen traute er sich nicht. Schließlich fragte er einfach den Tontechniker, der in dem Raum, wo sie in ein paar Stunden auf der Bühne stehen würden, am Mischpult stand. Doch dieser konnte ihm auch nichts zu Schreiben geben. Aber er gab nicht auf, fragte jeden, den er traf. Dann kam der Vocal darauf, dass er ja auch zur Rezeption gehen könnte, denn dort brauchte man ständig Zettel. Und tatsächlich. Keine zwei Minuten später lief Miku mit Zettel und Stift in der Hand den Flur zum Backstageroom entlang. Plötzlich blieb er stehen, seufzte, machte kehrt und ging in die entgegengesetzte Richtung. Grübelnd blieb er hinter der nächsten Ecke stehen und lehnte sich an die Wand. Wo finde ich hier nur einen Ort, wo ich ungestört schreiben kann? Miku hörte, wie hinter ihm eine Tür geöffnet wurde, und drehte sich um. Eine Frau, offenbar eine Putzfrau, kam ihm entgegen, nickte ihm freundlich zu und verschwand wieder. Aus reiner Neugierde ging Miku zu der Tür, aus der sie hinausgekommen war und spähte in den sich dahinter befindenden Raum. Das ist es! Schnell betrat er den kleinen Raum und schloss die Tür hinter sich. Regale säumten die Wände, in denen jede Menge Wasch- und Putzmittel standen. Direkt der Tür gegenüber war ein Fenster. Miku öffnete es und spähte hinaus. Es hatte aufgehört zu regnen und er musste fast die Augen zukneifen, so sehr blendete die Sonne, und von Fans war weit und breit nichts zu sehen. Trotz, dass er sich im ersten Stock befand, hockte er sich auf die breite Fensterbank, lehnte sich an den Rahmen und zog seine Beine an. Eine kalte Brise ließ ihn erzittern, während er den Block, den man ihm gegeben hatte, auf seine Beine legte und fing an zu schreiben. Guten Tag, lieber Zettel! Ich bin’s, Akiharu, oder besser gesagt, Miku, der Sänger von AnCafe. Ich hoffe, es ist dir recht, wenn ich dich mit meinen Sorgen und Ängsten zuschreibe. Aber wie soll ich es sonst machen? Mit Kanon und Teruki möchte ich nicht reden, sonst machen sie sich nur unnötig Sorgen um mich. Und Bou? Dem möchte ich nicht noch mehr zu Last fallen. Er hat schon so viel für mich getan, dass ich gar nicht mehr weiß, wie ich ihm dafür danken soll. Aber ich finde es süß von ihm, dass er sich immer noch Sorgen um mich macht, wegen dem, was heute morgen passiert ist. Ist aber irgendwie auch kein Wunder. Ich glaube, seitdem habe ich kein einziges Mal gelächelt. Du musst wissen, ich bin eigentlich ein glücklicher Mensch. Einer, der immer nyappy ist. Aber seit einigen Wochen…ich weiß auch nicht. Vielleicht liegt es an dem Krach, den ich momentan mit meinen Eltern habe, oder aber daran, dass sich Bou und Kanon ständig streiten müssen. Können sie sich nicht einfach vertragen? Ich halte es einfach nicht mehr aus! Und was haben die zwei für ein Geheimnis voreinander? Es ist zum Verzweifeln. Bou ist heute sogar richtig ausgerastet, nur weil Kanon meine Hand festgehalten hatte. Okay, ich kann Bou etwas verstehen, aber muss er Kanon dann gleich so anschreien? Ich weiß nicht, was mit mir los ist, denn in den letzten Tagen habe ich Kanon fast genau so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie Bou. Gut, er ist mein bester Freund, aber ich bin mit Bou zusammen! Ist Bou vielleicht eifersüchtig auf die gute Beziehung zwischen mir und Kanon? Ach, ich weiß es nicht… Aber wenn das mit den Streitereien so weitergeht, sehe ich schwarz für unsere Band. Unser Zusammenhalt leidet ja schon unter der Beziehung zwischen Bou und mir. Ich weiß doch genau, dass Kanon und Teruki Schwule auf den Tod nicht ausstehen können. Sie haben es zwar nicht gesagt, doch ihre „Verbote“, die sie aufgestellt haben, sprechen für sich. Ich darf Bou zum Beispiel nicht in deren Gegenwart küssen! Das klingt absurd, oder? Ist aber so…leider. Bei der Autogrammstunde ist mir sogar ein ganz entsetzlicher Gedanke gekommen und ich habe mich echt zusammenreißen müssen, um nicht vor den Fans in tränen auszubrechen. Wenn das die ganze restliche Tour über so bleibt mit den Streithälsen, dann trete ich aus der Band aus! Ich habe einfach keinen Bock mehr auf die Band…ich habe keinen Bock auf gar nichts… Es tut einfach zu sehr weh, wenn der eigene Freund und der beste…beste, beste Freund nur noch am Streiten sind. Ich traue mich jetzt nicht einmal mehr, mit Bou über meine Eltern zu reden. Will er das überhaupt hören? Ich habe Angst, dass er von mir nicht mit so etwas vollgejammert werden möchte. Was soll ich denn nur machen? Ich muss es endlich jemandem erzählen, ich weiß einfach nicht mehr weiter. Momentan fühle ich mich, als ob ich nie wieder nyappy sein könnte… Miku brach erschrocken ab, denn irgendjemand hatte die Tür geöffnet. Er entdeckte Bous Blondschopf, der ihn zunächst nur irritiert ansah, doch dann wich Entsetzen in seinen Blick und er stürmte auf Miku zu. Bou packte ihn an den Schultern und zog ihn von der Fensterbank herunter. „Bou, was soll das?“, rief Miku erschrocken. Bou schloss das Fenster und drehte sich zu ihm um. „Ich möchte nicht, dass du aus dem ersten Stock fällst und dir den Hals brichst, oder dir sogar noch eine Erkältung einfängst.“ „Aber ich bin doch kein kleines Kind mehr“, gab Miku schmollend zurück. „Ich kann auf mich selbst aufpassen.“ „Das weiß ich. Aber erklär du ruhig den Fans, dass wir nicht mehr auftreten können, weil unser ach so geliebter Sänger leider krank geworden ist.“ Bou grinste und auch Miku musste lächeln. „Danke, dass du die Sorge hast, dass ich heute nicht singen könnte. Du denkst wohl immer erst an die Fans und nicht an mich, deinen Freund, oder?“ Bou lachte. „Du weißt, wie ich das gemeint habe. Komm her.“ Miku ging auf ihn zu und wurde von Bou in die Arme genommen. Doch statt ihn ebenfalls zu umarmen, legte er seine Hand, in der er nicht den Block hielt, auf die Hüfte des Blondschopfes und küsste ihn sanft. Bou erwiderte, in den Kuss hineingrinsend, und drückte den Vocal stärker an sich. Nach einer Weile löste sich der Blondschopf, behielt Miku jedoch in seinen Armen. „Was machst du hier eigentlich?“, fragte er leise. „Ich habe dich überall gesucht.“ „Gomen, Bou. Ich - “ Bou hatte ihm einen Finger auf die Lippen gelegt, um ihn zum Schweigen zu bringen. Er musterte ihn. „Du musst dich nicht immer für jede Kleinigkeit bei mir entschuldigen.“ „Gomen, Bou…“ „Siehst du? Das meine ich.“ Miku lächelte verlegen. „Also gut. Ich werde versuchen, mich zu bessern.“ Bou nickte. „Und jetzt verrate mir doch endlich mal, was du hier tust.“ „Ähm…nichts“, log Miku schnell. „Miku!“ „Ich habe nur über einen neuen Song nachgedacht. Das ist alles.“ „Und an solchen…Orten denkst du nach.“ Miku nickte. Er fühlte sich nicht ganz wohl dabei, Bou angelogen zu haben, doch die Wahrheit konnte er ja schlecht erzählen. „Zeig doch mal, was du bisher geschrieben hast.“ Bou wollte nach dem Block in Mikus Hand greifen, doch dieser hatte den Block schon schützend hinter seinen Rücken gehalten. Bou blickte ihn irritiert an. „Darf ich nicht?“ Miku schüttelte den Kopf. „Wieso denn nicht?“, maulte Bou beleidigt, der einfach nicht verstehen konnte, wie Miku ihm etwas verheimlichen wollte - was er nämlich sonst nicht tat. „Weil es noch nicht fertig ist.“ „Das ist doch kein Grund!“ „Doch.“ „Nein.“ „Doch.“ „Nein.“ „Bou? „Miku?“ „Wir fangen gerade an uns zu streiten.“ „Ist mir klar.“ „Wir haben uns noch nie gestritten.“ „Ist mir auch klar.“ Schweigend sahen sie sich an. Plötzlich prusteten sie los. „Sag bloß, du hättest dich wirklich mit mir gestritten“, rief Miku lachend. „Wie könnte ich mich mit dir nur streiten?“ Auch Bou lachte lauthals. Nach einer Weile hatten sich beide wieder beruhigt und sie atmeten tief durch. „Wir sind gar nicht in der Lage, uns zu streiten“, meinte Bou grinsend. Miku nickte. „Warum hast du mich eigentlich gesucht?“ „Ich wollte nur wissen, wo du bist. Kanon und Teruki vermissen dich auch schon.“ „Jetzt hast du mich ja gefunden.“ „Hai.“ „Und was machst du jetzt?“ Miku lächelte. „Dich wieder mit zu den anderen nehmen. Ich mag das nicht, wenn du so ganz alleine bist.“ Miku seufzte. „Na gut.“ Er riss den beschriebenen Zettel vom Block, faltete ihn und steckte ihn in die Hosentasche. Den Block ließ er einfach auf der Fensterbank zurück. Ich werde ihn später zurückbringen… Bou ergriff Mikus rechte Hand und gemeinsam kehrten sie in den Backstageroom zurück. Kanon hatte mal wieder sein Handy hervorgezogen und spielte irgendetwas. Teruki hockte neben ihm und sah ihm zu. Beide blickten auf, als Bou mit Miku im Schlepptau eintrat. „Da ist ja wieder unser Sänger“, sagte der Schwarzhaarige freudig. Teruki sah ihn nur fragend an. „Wo warst du?“ Miku setzte sich neben dem Drummer auf die breite Couch, Bou ließ sich im Schneidersitz auf dem niedrigen Tisch nieder. „Ich war - “ „In der Besenkammer“, antwortete der Blondschopf für Miku und riskierte dafür einen erbosten Blick des Vocals. „In der Besenkammer?“ Teruki beäugte stirnrunzelnd Miku. „Was hast du denn da gemacht?“ „Geschrieben. Außerdem war das keine Besenkammer, nur…eine - “ „Besenkammer“, schloss Bou. „Ach, Miku. Jetzt gib es doch endlich zu!“ „Was soll ich zugeben?“ „Du hast doch schon immer ein großes Geheimnis daraus gemacht, wo du die Lyrics schreibst.“ Kanon grinste breit. „Jetzt wissen wir es.“ Miku seufzte nur. Eigentlich hatte er es ihnen nie verraten, weil er es etwas….ungewöhnlich fand. Doch warum sollte er ihnen das mit der Besenkammer abstreiten? Kanon wandte sich seinem Spiel zu und auch Terukis dunkles Augenpaar wanderte wieder auf die kleine Bildfläche. Miku und Bou sahen sich an und verdrehten genervt die Augen. Es war schon fast normal, wenn Kanon und Teruki beieinander hockten und irgendein Spiel auf dem Handy oder auf Terukis PSP zockten. Konsolenspiele, vor allem RPGs, waren nach der Musik ihr zweitgrößtes Hobby. Miku streckte gähnend seine Beide, schloss die Augen und träumte. Sollten sie doch spielen. Dann hatte er wenigstens vor dem Konzert noch etwas Zeit, den Schlaf nachzuholen, der er heute Morgen verpasst hatte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)