Julia und die Räuber von gruener_lauch (Räuber saufen Blut, jawoll! X3) ================================================================================ Prolog: Gen-Katzen und Geschichten-Allerlei ------------------------------------------- Das Jahr 3016. Die Welt wurde von diversen Katastrophen heimgesucht und nur einige wenige Ruinen und alte Schriften erinnerten noch an die einstige Hochkultur der Menschen. Die Zivilisation hatte sich zurück entwickelt: es gab kaum Elektrizität, die Menschen lebten in alten Holz- und Lehmhäusern und der Feudalismus hielt wieder Einkehr. Die Kluft zwischen Arm und reich war riesig, es gab praktisch keine Mittelständischen. Entweder man hatte Geld, oder man war ein Nichts. Die Städte, in sofern man sie als solche bezeichnen konnte, waren umgeben von riesigen Slums, während im Inneren große Herrenhäuser einen krassen Kontrast bildeten. Doch obwohl die Zeiten schlecht waren, gab es Leute, die jeden Morgen voller Zuversicht und Abenteuerlust in den Tag starteten. So die kleine zehnjährige Chabi, die an einem diesigen Morgen durch die schlammigen Straßen von Plantor rannte. Im Frühling kamen immer die Händler um ihre Waren zu verkaufen, die sie aus den entlegensten Ecken des Reiches mitgebracht hatten. Einige begannen bereits, die ersten Artikel zu plazieren. Dem Mädchen wanderte ein schmales Grinsen über ihr rundliches Gesicht. Sie freute sich immer, wenn die Händler kamen, aber nicht, wegen der Geschenke, die ihr Vater ihr dann für gewöhnlich zu kaufen pflegte, sonder wegen der Geschichten, die die Männer von ihren Reisen mitbrachten und dann abends im Schankhaus zur Belustigung aller verbreiteten. Chabi konnte es kaum erwarten, sich die neuesten Abenteuer und Legenden anzuhören. Noch gedankenversunken bog Chabi um die nächste Ecke und krachte promt mit etwas Weichem zusammen. Vor Schreck kniff sie als sie viel die Augen zusammen und konnte nur noch erfühlen, dass es sich um etwas Pelziges handelte. Als sie Ihre Augen öffnete konnte sie durch den Nebel erst nichts erkennen, doch dann sah sie, wie sich ein dunkler Schatten vom Boden erhob. Die Gestalt bewegte sich leicht taumelnd auf sie zu. Starr vor Angst blieb die Kleine am Boden sitzen. Als es näher kam, stellte sie fest, dass es sich um irgend ein Tier handeln musste – ein ziemlich großes Tier. Mit riesigen Tatzen trottete es auf sie zu und erst als ihre Nasenspitzen nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt waren blieb es stehen, um das zitternde Mädchen mit seinen Gelben Augen anzustarren. Jetzt erst konnte Chabi erkennen, dass es eine riesige Katze war. Ihr weiches Fell schimmerte rostrot in der Morgendämmerung und als sie ihr Maul öffnete glänzten ihre langen, spitzen Fangzähne, als wären sie gerade frisch poliert worden. Das Tier stand majestätisch vor ihr und sie hatte das Gefühl, dass es ihr etwas sagen wollte, doch bevor das Mädchen etwas tun konnte, schrak die Riesenkatze auf, sah kurz hintersich und sprintete dann in eine entlegene Gasse davon. Bevor die Blonde sich fragen konnte, was so eben geschehen war, hörte sie auch schon näherkommendes Fußgetrappel. Es waren ihre Freunde Elias, Tibor und Mienchen. Sie gehörten einer kleinen Jugendgang an, von denen es hier so viele gab, wie Sand am Meer. „Chabi!!“ „Chabi, ist dir etwas passiert?“ „Nein, nein, mir geht es gut.“, antwortete die immer noch am Boden Sitzende ihre besorgten Freunden. Elias war der größte der drei und Anführer der Gang. Er war stets wie ein großer Bruder für alle. Nun stand er in der Straße, seinen Blick in die Ferne gerichtet. Nachdem die die anderen beiden ihrer Freundin aufgeholfen hatten, fragte er sie: „Was war das?“ „Was meinst du?“, stellte Chabi als Gegenfrage, denn sie war gerade etwas zu verwirrt um seien immer recht kurz angebundenen Ausführungen folgen zu können. „Dieses ... DING, das da gerade weggelaufen ist, als wir kamen“ Stimmt! Da war ja gerade noch etwas gewesen. Das plötzliche Auftauchen ihrer Freunde hatte Chabi so durcheinander gebracht, dass sie ihr erschreckendes Erlebnis beinahe vergessen hätte, aber sie wollte nicht zugeben, dass Angst gehabt hatte, denn auch sie war in dieser Gang, doch es gab einige Leute, die sie nicht sonderlich mochten und so hatte Chabi immer damit zu kämpfen, ihren Platz zu behalten. „Ach, das war nur eine Katze. Ich bin versehentlich in sie hinein gerannt.“ Elias sah ihr jetzt direkt in die Augen, fast so, wie es dieses Tier gerade getan hatte. „NUR eine Katze? Willst du mich verarschen? Das Vieh hatte eine Risthöhe von mindestens fünfzig Zentimetern!“, blaffte er sie entrüstet an. „Dann war es eben einen große Katze“, gab Chabi leicht zynisch zurück. Sie mochte es nicht, so angemeckert zu werden – schon gar nicht zum frühen Morgen. Ihr war durchaus bewusst, dass der Junge sich nur Sorgen um sie gemacht hatte, aber das war kein Grund in so einen Ton zu verfallen. Immerhin hatte sie ja nicht mal gelogen. Es war wirklich eine Katze gewesen! Gut, vielleicht war sie etwas größer als normale Katzen, aber es gab öfter schon Gerüchte, dass früher, als die Menschen auf der Höhe ihrer Kultur waren, seltsame Experimente und der gleichen durchgeführt hatten und dass es immer noch einige Nachwirkungen davon gäbe. Vielleicht war die arme Miez ja einfach nur ein genverseuchtes Opfer? „Schon gut, schon gut.“, beschwichtigte der Anführer sie, denn er wusste genau, was ihr eben nicht in den Kram gepasst hatte. „Tut mir Leid.“ „Hey Boss“, meldete sich Tibor dann erstmals zu Wort. „Sollten wir nicht langsam gehen? Die anderen warten sicher schon. Es wird Ärger geben, wenn du wieder zu spät kommst.“ Tatsächlich war es so, dass Elias durchaus ein großartiger Anführer war, allerdings immer schon ein Problem mit der Pünktlichkeit hatte. „Ja, du hast recht.“ So machten sie sich auf, um in ihr Hauptquartier zu gehen. Am äußeren Rande der Stadt gab es ein paar Ruinen aus der Goldenen Zeit. Es musste früher einmal wahnsinnig große Gebäude gegeben haben. Hier lagen zwar nur noch Bruchteile, aber man konnte deutlich erkennen, dass jedes dieser Häuser mindestens hundert Meter hoch gewesen sein musste. Inmitten dieser Trümmer sammelte sich eine Gruppe von etwa 70 Kindern aller Altersklassen. Einmal in der Woche tauschten sie Neuhigkeiten aus, um vielleicht etwas interessantes zu entdecken oder irgendwo etwas ergattern zu können. Ein paar Leute starrten die soeben Angekommenen verblüfft an. Elias war etwas verunsichert und fragte Tibor, was hier los sei, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. Chabi konnte sich ein Kichern nicht verkneifen, denn sie wusste genau, warum alle so baff waren. Ein großer schlaksiger Kerl mir einer braunen Zottelmähne kam auf sie zugelaufen und sah Elias besorgt an. „Ist irgendetwas schlimmes passiert? ... O-oder sollen wir einen Arzt rufen?“ Der Anführer verstand die Welt nicht mehr. „Nein! Wieso?! Was ist denn nur los????“ Alle schauten sich ob dieser eigentümlichen Situation kurz an, bis einer das Wort ergriff und laut rief: „Du bist zwei Minuten zu früh, Boss!“ „Eh... was?“, jetzt war es endgültig um seinen Verstand geschehen. Er stand nun völlig verständnislos in der tobenden Menge. Alle lachten und wirre Stimmen riefen wild umher. „Das müssen wir feiern!“ „Der Boss muss einen ausgeben!“ Irgendjemand fing an etwas zu singen, doch es war unverständlich, da alle anderen ihn übertönten. Etwa eine halbe Stunde später saßen alle gemütlich beisammen und unterhielten sich. Tatsächlich hatten ein paar Gangmitglieder es geschafft in der kurzen Zeit einen Wirt zu beklauen und ein ganzes Fass Wein anzuschleppen. Einer der Jungs lag schon benommen in einer Ecke. „Willst du sie wirklich so viel trinken lassen, Boss?“, fragte Mienchen besorgt. Sie war so zu sagen die gute Seele des Hauses. „Immerhin sind wir noch Kinder. Ich glaube nicht, dass das so gut ist...“ „Ach was lass sie doch! Die werden's schon merken, wenn ihnen morgen der Schädel brummt!“ Elias lachte dümmlich und wandte sich dann wieder einem Gespräch mit Tibor zu. „Das wird er auch“, flüsterte Chabi ihrer Freundin zu. „Der ist doch selber sternhagelvoll!“ Beide Mädchen lachten und amüsierten sich damit, sich vorzustellen, wie morgen früh alle aufwachten und sich an den merkwürdigsten Orten wieder fanden. Chabi überlegte sogar, ob sie nicht einigen Jungs dabei helfen sollte, sich an derartige Orte zu begeben, doch Mienchen trieb ihr diesen Gedanken schnell wieder aus. Gegen Mittag erinnerten sich ein ein paar kluge Köpfe – also genauer gesagt Tibor – daran, weshalb sie sich überhaupt getroffen hatten. Doch die Meisten hatten nichts besonderes zu berichten. Das war nicht weiter verwunderlich, denn sie hatten die kalten Wintermonate gerade erst hinter sich gelassen und erst wenn die Tage wieder wärmer wurden gab es viele neue Dinge zu entdecken. Manchmal tauchten nach einem Winter auch völlig neue Sachen auf, als hätte der Schnee sie mitgebracht und die Sonne sie letztlich freigelegt. Ein paar Mädchen erzählten, dass die alte Gertrud schwer krank geworden war und vermutlich bald das zeitliche segnen würde. „Hm, da könnte man sicher was holen... aber besonders spannend an. Und ethisch gesehen ist es vollkommen inkorrekt.“, gab Tibor enttäuscht von so wenig Ausbeute zu bedenken. „Aber wenn wir warten bis sie tot ist, holt sich jemand anders ihren Kram.“ Sie diskutierten ein wenig darüber, ob es vertretbar sei, die arme Frau einfach zu beklauen. Irgendwann wandten sie sich dann aber wieder den Neuigkeiten zu. „Ich habe heute morgen schon die ersten Händler gesehen! Sie sind in diesem Jahr recht früh dran, aber heute Abend werden sie es sich sicher in der Schenke gut gehen lassen.“ Die Gesichter hellten sich auf, einige horchten genauer hin. Chabi war nicht die einzige, die die Geschichten der Reisenden liebte. Jeder hier mochte sie – sogar Tibor. Auch wenn er so desinteressiert tat, wusste sie, dass er sich mit kaum etwas lieber die Zeit vertrieb als damit, alte Legenden zu zerpflücken und brauchbare Informationen heraus zu filtern. Elias schaute sich um, um sich des bekundeten Interesses seiner Kumpanen zu versichern. Als diese ihm begeistert zunickten rief er laut aus „Gut! Dann treffen wir uns heute Abend nach Sonnenuntergang in dem alten Schankhaus!“ „YEEEEAAAAH!!!!“ Alle jubelten ihm zu. Sie alberten noch eine ganze Weile herum bis der Pulk sich allmählig aufzulösen begann. Viele der Kinder mussten ihre Eltern bei der Feldarbeit und dergleichen helfen, andere unterstützten ihre Familien bei den Hauseigenen Geschäften oder halfen in kleineren Betrieben aus, um Geld dazu zuverdienen. Chabi musste das nicht tun und das war außergewöhnlich. Doch sie behielt es für sich, da es zu großes Aufsehen erregen würde und am Ende käme noch ihr kleines Geheimnis ans Licht. Das konnte sie nicht riskieren! So entschuldigte sie sich ebenfalls irgendwann bei den anderen unter dem Vorwand ihren Pflichten nachgehen zu müssen und entfernte sich. Anfangs ging sie noch recht gemächlich ihres Weges, wurde aber irgendwann immer schneller und bog dann um viele verwirrende Ecken, schlich durch verzweigte Gassen und schlüpfte durch Löcher in Zäunen und Wänden, sodass es selbst dem gerissensten Verfolger kaum gelungen wäre ihr zu folgen. Durch ihre vielen Umwege brauchte sie eine ganze Weile, um nach Hause zu gelangen, doch endlich stand sie vor einer riesigen Mauer inmitten der Stadt. Sie war weiß angestrichen und rote Ziegel ragten von ihr herunter. Dieser Wall war für einer kleines Mädchen wie Chabi viel zu hoch gewesen, als dass sie hätte darüber klettern können, doch das musste sie gar nicht. Sie hatte einmal (mehr oder weniger zufällig) erfahren, dass es aufgrund widriger Beschaffenheit des Bodens ein paar Stellen an der Mauer befanden, an denen sie nicht wie üblich anderthalb Meter in den Boden ragte. Diese Information hatte Chabi sich zu nutze gemacht und in einer dunklen Ecke, die durch einen großen Fliederbusch kaum einsehbar war, unter der Mauer ein Loch durchgegraben, welches sie nach der Durchquerung mit leichtem Kies auffüllte, sodass man es von außen nicht erkennen konnte. Sie sah sich kurz um und begann dann zügig ihren Durchgang frei zubuddeln. Schon nach etwa einer knappen Minute konnte die fix hindurch schlüpfen und es wieder verschließen. Unauffällig schlich sie sich durch den wunderschön gestalteten Garten. Überall war grüner Rasen, auf dem kleine Gänseblümchen wuchsen. Hier und da blühte ein Löwenzahn und bei genauerem Hinsehen konnte man kleine Krokusse sprießen sehen. Es war, als wäre man in einer ganz anderen Welt gelandet. Doch Chabi hatte keine Zeit, sich an dieser Blütenpracht zu ergötzen, denn wenn sie von einer der Wachen erwischt werden würde, gäbe es ziehmlichen Ärger. Doch wieder einmal schaffte sie es ohne Probleme bis zu einem kleinen Ausläufer des palastartigen Hauses, welcher als Waschküche diente, zu kommen, ohne gesehen zu werden. Drinnen wuselte gerade einer rundliche Frau hin und her und schien etwas zurecht zu legen. Chabi versteckte sich hinter einem Stapel Holzscheite und wartete, bis die Frau verschwunden war. Dann begab sie sich schleunigst in eine kleine Kammer in der ein brünettes Mädchen bereits auf sie wartete. „Du hast ganz schön lang gebraucht! Ich warte bestimmt schon über eine halbe Stunde hier!“ Es war das Dienstmädchen Gabriella. Sie war ein paar Jahre älter als Chabi, allerdings immernoch genau so groß wie sie. „Hannelore hat die ganze Zeit in der Küche gearbeitet, ich konnte nicht eher hinein.“ „Schon gut. Jetzt zieh dich rasch um, sonst bekommen wieder beide kräftig Ärger!“ Das Mädchen tat wie ihr geheißen und innerhalb kürzester Zeit war sie wie verwandelt. Sie trug jetzt ein zartrosa Kleid aus Seide. Ein Perlenreif hielt ihr langes, glattes blondes Haar zurück, kleine goldene Kettchen baumelten an ihren Handgelenken herunter, die von glatten Satinhandschuhen überzogen waren und ihre kleine Füße steckten in edlen Schnürschuhen. Die Lumpen, die sie vorher getragen hatte, verstecke Gabriella hinter einem Berg Kisten. Nun, fertig verpackt für diese andere Welt, schritt Chabi erhobenen Hauptes durch die mit rotem Teppich ausgelegten Gänge des Palastes. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)