Western Spirits von collie ================================================================================ Kapitel 3: N’oubliez jamais --------------------------- N’oubliez jamais „Einst sprach die Vernunft zum Herz: „Der Mensch kann froh sein, dass es mich gibt. Ich sage ihm immer, was für ihn richtig ist.“ – „Ja“, sagte das Herz. „Du meinst es nur gut und doch wirst du oft zum Werkzeug, mit dem die Menschen ihr eigenes Unglück schmieden.“ – „Das stimmt nicht“, entgegnete die Vernunft. „Ich bin es, der den Menschen viel Ärger erspart.“ – „Gelegentlich“, wandte das Herz ein. „Aber wenn es um Liebe geht, unterdrückst du mich. Du wirst zum Lügner, weil du dich oft von der Angst täuschen lässt. Ich kann nicht lügen. Ich zeige den Menschen, was gut für sie ist. Doch da sich die Menschen sehr oft von dir leiten lassen, hören sie meine Stimme nicht mehr.“ – „Und doch bewahre ich sie vor Enttäuschungen“, warf die Vernunft ein. „Da irrst du dich gewaltig“, widersprach das Herz. „Wenn du mich unterdrückst, ist der Mensch schon enttäuscht, denn du hast die Liebe erstickt, die ihn hätte glücklich machen können.“ Da wurde die Vernunft sehr traurig.“ „Ich kenne diese Geschichte“, meinte Saber. „Ich habe sie früher schon gehört.“ Auf Angel und Demon hatten er und Chily im Morgengrauen einen Ausritt unternommen. Sie war früh aufgewacht, weil sich nicht mehr schlafen konnte und hatte so lange an seine Zimmertür geklopft, bis sie ihn geweckt hatte. Der Grund war einfach der gewesen, dass sie nicht allein reiten wollte und davon ausging, Saber wäre zu höflich eine Frau, die so hartnäckig war, wieder fortzuschicken. Trotz seiner Müdigkeit hatte er bei dieser Erklärung schmunzeln müssen. Nach dem nächtlichen Regen war die Luft erfrischend kühl und machte ihn endgültig wach. Das Gras war noch nass und hin und wieder fielen Tropfen von den Blättern der Bäume. Die Strahlen der aufgehenden Sonne funkelten darin. Der Morgen war still und Saber bereute nicht, dass er ihrem Anliegen nachgegeben hatte und mit ihr durch den Wald trabte. „Ich weiß nicht, warum, “ erwiderte Chily nun, „aber irgendwie hast du mich an dieses Geschichte erinnert.“ Er antwortete nicht. Bis eben hatte er sie angesehen, jetzt schaute er ins Dickicht. Seine Miene verriet nicht, woran er dachte. „Ich hab wohl was falsches gesagt?“ hakte sie nach. „Nein“, gab er knapp zurück. Ihr Blick hing an ihm. „Du bist ein schlechter Lügner“, stellte sie fest. „Aber ich verzeih es dir. Irgendwas gefällt dir nicht, an dem, was ich gerade gesagt habe und ich vermute mal munter drauflos, dass dir Vernunft oder Pflichtgefühl oder Disziplin oder sowas mal als Schwäche vorgeworfen wurde. Als Fehler.“ Sie sagte das so schlicht daher, als hätte sie es nachgelesen. Der Recke konnte nichts darauf erwidern. Entweder log er sie dann an, oder gab zu, dass sie recht hatte. Beides brachte er nicht fertig. Zudem war es ihm unheimlich, dass sie ihn augenscheinlich problemlos durchschauen konnte. Eine Fremde? Wie war das möglich? „Okay“, meinte sie dann. „Ich hör schon auf. Reden wir nicht mehr davon. Sag mir lieber, woher du eine alte Indianergeschichte kennst.“ Sie lächelte ihm aufmunternd zu. „Von den Keschonie. Wie du und Colt hab auch ich mehrere Jahre die Sommerferien bei ihrem Stamm verbracht, “ erzählte er, dankbar dafür, dass sie sein Schweigen akzeptierte. Dann überquerten sie den Waldrand und standen am Ufer des Flusses. „Der Ohio-River. Ist es nicht wunderschön hier?“ Chilys Stimme klang verträumt. „Ja“, nickte er. Breit und spiegelglatt schmiegte sich der Strom wie ein silbrig blaues Band an seinen Bänken entlang. Unweit von ihnen verband eine schmale Holzbrücke die beiden Seiten miteinander. Rechts und links davon begrenzten Bojen den Badebereich. Sprungtürme, Rutschen und Türme der Wasserwacht verdeutlichten, dass man in diesem Teil unbedenklich schwimmen konnte. Chily sprang von Demons Rücken. „Komm“, rief sie Saber fröhlich zu und war schon fast auf der Brücke. „He, warte.“ Er folgte ihr, erreichte sie aber erst, als sie schon die Hälfte des Steges erreicht hatte. „Du bist …“ begann er. „Spontan?“ fragte sie. „Ich hätte sprunghaft gesagt“, gab er zurück. „Ich mache gern das, wonach mir gerade ist. Jetzt ist mir nach Schwimmen. Das Wasser lädt doch förmlich dazu ein, “ entgegnete sie munter. „Wir haben keine Badesachen dabei, “ informierte er erstaunt. „Na und, “ kam es unbeeindruckt zurück. Damit zog sie die Bluse aus der Hose. „Was tust du?“ Überrascht riss Saber die Augen auf. „Mich ausziehen“, entgegnete sie ganz selbstverständlich, streifte ihre Bluse ab und öffnete geübt den BH-Verschluss auf dem Rücken. Er wand sich mit hochrotem Kopf ab. „Sag mal“, stammelte er verlegen. „Was?“ lachte sie. „Erzähl jetzt nicht, dass du noch nie eine nackte Frau gesehen hast.“ Ehe er antworten konnte, platschte es. Zögernd wandt sich Saber zum Wasser und schaute auf die unruhige Fläche, dann tauchte Chily wieder auf. „Na, los“, prustete sie. „Rein mit dir. Das Wasser ist fantastisch.“ Sie schwamm auf der Stelle und wartete. Er zögerte. „Das meinst du jetzt nicht ernst, oder?“ – „Komm schon, oder du wirst mit Sachen baden gehen“, kicherte sie. „Ich bleibe lieber hier und bewundere das Panorama.“ Demonstrativ sah er zur anderen Seite des Flusses und damit ihr schelmisches Lächeln nicht mehr. Das gleichmäßige, sich entfernende Platschen verriet, dass sie zur Uferseite schwamm, an der die Pferde grasten. Sie war schon verrückt. Ständig lief sie barfuß, ritt ohne Sattel, bei Nacht oder im Morgengrauen und sprang nackt in irgendwelche Flüsse, weil ihr gerade danach war. Kam sie nicht auf den Gedanken, dass sie jemanden in Verlegenheit bringen konnte? Oder auf andere Ideen? Wieso geisterte sie ständig in seinem Kopf herum, als wäre es ihr eigener und kramte die Gedanken aus, die er nicht aussprechen wollte? Das Geräusch von nassen Füßen auf den Brettern holte ihn aus seinen Überlegungen. Weil man sich umdrehte, wenn sich jemand hinter einem näherte, tat auch Saber dies und blickte zu ihr. Sofort wand er sich wieder in die andere Richtung. Sie war ja unbekleidet. „Rein ins Wasser“, forderte sie ihn lachend auf. „Ich …“ suchte er nach einer Ausrede. „Hab keine Angst, dich mal fallen zu lassen“, hörte er sie sagen. Im nächsten Moment fiel Saber ins Wasser. Belebend kühle Wellen schlugen über ihm zusammen und er sank tief in eine stille Schwerelosigkeit. Dann trieb er wieder an die Oberfläche und tauchte auf. Sie hatte ihn einfach hineingestoßen. Ohne Vorwarnung. Neben ihm klatschte es. Dann sah er Chily auf sich zu kommen. „Hab dich gewarnt. Ausziehen, oder du gehst mit Sachen baden, “ gluckste sie quietsch vergnügt. „Was meinst du wird Colt mit dir machen, wenn er das erfährt?“ fragte der Recke, wenig erfreut über das unerwartete Bad. „Was meinst du wird er mit DIR machen, wenn er es erfährt?“ gab sie lachend zurück. „DAS wird er nicht erfahren,“ betonte der entschieden. „Was macht dich so sicher, dass Colt es nicht erfahren wird? Deine Sachen werden noch nass sein, wenn wir auf der Ranch ankommen und er ist sicher zum Frühstück wieder da. Er wird also fragen,“ erklärte sie immer noch amüsiert. „Man kann ja mal eine kleine Notlüge auspacken.“ Er schwamm auf der Stelle während sie ihn umkreiste. „Klar, weil du ein so überzeugender Lügner bist. Was willst du ihm erzählen? Dass du vom Pferd ins Wasser gefallen bist? Dazu reitest du viel zu gut,“ antwortete sie. „Zum Beispiel. Das ist den besten Reitern schon passiert,“ entgegnete er. „Ach komm. Das nimmt er dir auf keinen Fall ab,“ kam es unbeeindruckt von ihr zurück. „Wenn du ihn dabei so anguckst, ganz sicher nicht,“stellte er fest, noch immer leicht verstimmt. „Erwarte nicht von mir, dass ich mich vor ihm zusammen reißen kann. Wahrscheinlicher ist, dass ich mich bis dahin tot gelacht hab. Das wirst du dann auch begründen müssen,“ kicherte sie und zog weiter ihre Bahnen um ihn. „Ach, da fällt mir schon was ein.“ Jetzt hielt sie direkt vor ihm und grinste ihn breit an. „Ach ja, da bin ich jetzt aber gespannt...“ Erwartungsvoll sah sie ihn an. „Du musst es ja nicht herausfordern, dass ich Colt breit ins Gesicht lügen muss.“ Den gereizten Unterton konnte er nicht verhindern. „Du hättest dich ja nur ausziehen brauchen,“ warf sie zurück, hörte aber zu lachen auf. „Okay, ich glaub, ich bin dir mit der Aktion gewaltig auf die Zehen getreten. Tut mir leid,“ meinte sie dann aufrichtig. „Davon kannst du ausgehen,“ knurrte er. „Du kriegst von Colt nämlich nur halb so viel Ärger wie ich.“ Chily runzelte die Stirn. War der denn zu rational um an irgendwas Spaß haben zu können? „Da kennst du Bullet aber schlecht. Die Frage ist nur, wen von uns beiden er zu erst umbringt.“ Sie tauchte kurz hinter ihm vorbei und kam auf der anderen Seite wieder zum Vorschein. Jetzt schaute sie etwas betreten aus der nicht vorhandenen Wäsche, als sie sagte: „Ich hab halt gedacht, es würde dir mal ganz gut tun.“ Saber lächelte milde. „Schon okay. Jetzt ist es ohnehin zu spät.“ – „Wann hast du das letzte Mal so was gemacht. Du weißt schon, was Verrücktes,“ wollte sie dann wissen. „Du meinst etwas total Hirnverbranntes?“ fragte er grübelnd zurück. Sie nickte eifrig. „Etwas ganz beklopptes, bei dem man sich zweimal überlegt, ob man es zugibt.“ So wie sie ihn grad ansah, musste er grinsen. „Ich hab zwei Jahre lang Dienst mit den dreien da geschoben. Ist das bekloppt genug?“ gab er verschmitzt zurück. Nun lachte sie wieder fröhlich. „Für den Anfang nicht schlecht. Vor allem in Falle Colt. Na, komm. Lass uns rausgehen. Mir wird kalt.“ – „Kein Wunder. Trägst ja nicht mal ein Evakostüm,“ konterte er leichthin. „He, dass hab ich nur dir zu Liebe gemacht. Du wolltest doch das andere Tattoo sehen,“ entgegnete sie. „Das hab ich trotzdem noch nicht gesehen,“ informierte er schlicht. „Das ist ja wohl nicht meine Schuld, wenn du dich weg drehst,“ ließ sie auch diese Aussage nicht gelten. „Wo hast du es denn eigentlich?“ fragte der Recke dann. Das was er an Blicken auf sie erwischt hatte, hatte nicht gereicht um einen Blick darauf zu erhaschen. „Lass mich zu erst raus, dann siehst du es schon.“ Damit schwamm sie zum Ufer und stieg aus dem Wasser. Er sah wie es aus ihrem Haar über ihren Rücken lief. Oberhalb ihres Hinterteils prangten Engelsflügel, die rechts und links um ihre Taille zu führen schienen. Verlegen und mit rotem Kopf wand er sich ab. „Nett,“ stammelte er. „Nett? Oh man, du bist wohl schon lange nicht mehr mit einer Frau ausgegangen, dass du vergessen hast, dass ‚Nett‘ für Frauen ‚grottenhässlich‘ bedeutet,“ bemerkte sie, grinste aber dabei über ihre Schulter zu ihm. „Oh, dann... schön?“ Die Röte in seinem Gesicht wurde dunkler. „Okay, jetzt wären wir bei ‚Ansehnlich‘,“ gab sie belustigt zurück und schlüpfte in ihre Sachen. Er legte sich rittlings ins Wasser und schwamm ein paar Meter auf dem Rücken. Die Augen in den Himmel gerichtet, ließ er sich treiben. „Süß?“ schlug er vor. „Nur weiter so. Bald sind wir bei dem, was ich hören will,“ gluckste sie und warf sich ihre Bluse über. „Langsam gehen mir aber die Worte aus,“ rief er zurück. „Sexy vielleicht?“ Irgendwie war es entspannend. Der Himmel über ihm war endlos. Der Fluss trug ihn leicht. Einen Moment lang hatte er den Eindruck, die Zeit würde stünde still. „Perfekt. Du kannst ruhig wieder hersehen. Ich bin angezogen,“ hörte er sie rufen. „Gut.“ Einen Augenblick lang ließ er sich noch treiben, dann schwamm er ebenfalls ans Ufer zurück. „Langsam hätt ich mich in einer verbalen Zwickmühle befunden.“ Sie hatte ihn beobachtet. Also war ihre Vermutung richtig gewesen. Auch er brauchte das Gefühl, loslassen zu können. Aber sie sprach es nicht aus. Stattdessen machte sie ihm ein Kompliment. „Kann ich mir bei dir gar nicht vorstellen. Du siehst nicht aus, als wärst du dämlich.“ – „Bei dem Anblick fehlen selbst mir die Worte,“ seufzte er leicht. Sie hob die Augenbraue. „Bei meinem oder bei nackten Frauen im Allgemeinen?“ Er kratzte sich am Ohr. „Das überlass ich dir, wie es dir lieber ist.“ Seine Sachen hingen schwer an ihm, als er aus dem Wasser kam. Es verstimmte ihn wieder. „Toll, eine getaufte Maus ist weniger nass als ich,“ maulte er. „Das ist eine elegante Form mir nicht erzählen zu müssen, dass ich hässlich wie die Nacht bin. Aber als ein getauftes Mäuschen bist du immer noch süß,“ erklärte Chily heiter und trat auf Demon zu. „Mäuschen?“ Skeptisch hob er die Augenbraue. „Gefällt es dir nicht? Soll ich dich lieber Häschen nennen? Oder Bärchen?“ fragte sie um ihn zu necken, doch das schlug fehl. „Um Gottes Willen, Mädchen, bleib doch einfach bei Saber,“ enfuhr es ihm ungehalten. „Keine Tiernamen. Oder Mach es wie Colt und nenn mich Säbelschwinger, daran hab ich mich schon gewöhnt.“ Überrascht von seinem Ton hob sie die Schultern. „Ich bin aber nicht Colt. Ich werd dich ganz sicher nicht so nennen. Mir fällt schon noch ein Name für dich ein,“ schlug sie versöhnlich vor. Dann nahm sie Demon am Zügel und führte ihn in Richtung der Ranch. Unvermittelt wollte sie jetzt wissen. „Sag mal, vermisst du uns eigentlich?“ Seiner Verlegenheit, als sie ihn gefragt hatte, wie lange er schon nicht mehr ausgegangen war, nach zu urteilen, war er schon recht lange Single. „Bitte wie?“ fragte er irritiert zurück. „Uns Frauen? Vermisst du uns? Also, die Gegenwart von einer halt.“ Vorsichtig lugte sie über die Schulter zurück zu ihm „Sollte ich?“ gab er abweisend zurück. Innerlich zog er in Windeseile eine Mauer hoch. Dieses Mädchen da kam ihm zielsicher immer wieder näher, als er es ertragen konnte. Die letzte, die er nah an sich herangelassen hatte, hatte ihm das Herz aus der Brust gerissen. So bald würde ihm das nicht wieder passieren. „Ich weiß nicht,“ erwiderte sie etwas hilflos. „Vielleicht, solltest du. Du wirkst nicht gerade so, als wärst du übermäßig glücklich.“ Er wandt sich Angel zu. „Ich bin zufrieden,“ murmelte er, als er nach dem Zügel griff. „Zufrieden und glücklich ist nicht das gleiche. Aber ich merk schon, ich trete dir schon wieder zu nahe.“ Chily richtet ihren Blick wieder nach vorn auf den Weg. „Wenigstens kommst du selber drauf, dass ich darüber nicht reden will. Da kenn ich ganz andere Kaliber.“ Der Recke folgte ihr mit der Stute. „Tut mir leid. Ich denk halt, dass du jemand bist, den man ruhig kennen lernen sollte, weil er interessant ist. Deshalb frag ich,“ rechtfertigte sie sich ehrlich. „Oh, jetzt fühl ich mich aber geehrt.“ Er hatte sie eingeholt und lächelte ihr leicht über Demons Rücken zu. „Schön, wenigstens etwas erreicht.“ Geknickt strich sie die Mähne des Hengstes glatt. „Ein Tipp, Chily,“ setzte er an, als er merkte, dass sie stiller wurde. „Versuch nicht so offensichtlich an Infos zu kommen. Ihr Frauen seid doch sonst nicht so, dass ihr mit dem Vorschlaghammer kommt.“ Sie hob den Kopf und rollte die Augen. Wäre sie wie die anderen, wäre sie eine von vielen auf Colts Liste der Eroberungen. Sie war stolz darauf, dass man sie hinter vorgehaltener Hand auch „independent Lady“ nannte. „Jetzt freu ich mich auf Frühstück,“ erklärte er dann und hakte das Thema endgülig ab. Chily schwieg darauf nur. Wenn sie ihm so schnell, so oft und auch noch so empfindlich nahe getreten war, würde sie sich eben zurückhalten. Gary Willcox hatte ihm alles ruiniert. Diese miese, kleine Ratte. Aber er gab nicht auf. Über den letzten Vorfall mit diesen Blechsternen war inzwischen Gras gewachsen und seit Frieden war, existierte die Gruppe nicht mehr. Die zwei Hitzköpfe waren wieder in ihr Zivilistenleben zurückgekehrt. Sie dachten garantiert nicht mehr an ihn. Aber er hatte nicht vergessen. Seine Verbündeten hatte er auch noch. Wenn sein Plan gelang, winkte ihm viel Macht. Sie hatten schließlich noch immer einen Deal und Macht war immer von Vorteil. Sie kannte das zärtlich Saugen an ihrer Halsbeuge und wusste, was es bedeutete. Robin schlug die Augen auf. „Du kriegst nie genug“, flüsterte sie. „Nicht von dir“, murmelte Colt zurück und hauchte ihr einen Kuss auf die Stelle. Sie wandt sich zu ihm um. Er strich ihr eine Strähne aus der Stirn. Sie kuschelte sich an ihn. „Verrätst du mir, warum ich hierher kommen sollte?“ fragte sie. „Damit du meine Heimat kennenlernst“, gab er zurück und fuhr sanft die Konturen ihres Gesichtes nach. „Und um Chily endlich mal zu treffen“, fügte er hinzu. Robin lächelte. „Sie scheint die Leichtigkeit in Person zu sein“, erwiderte sie. Colt nickte und stupste ihr liebevoll auf die Nasenspitze. „Außerdem wollte ich dir vorschlagen, dass wir hier heiraten. Den Ort hatten wir noch nicht festgelegt, “ ergänzte er dann. „Stimmt. Hatten wir noch nicht. Warum willst du hier heiraten?“ – „Weil hier alles für mich angefangen hat. Bis auf den Eintritt bei den Starsheriffs hat jedes für mich wichtige Ereignis hier stattgefunden, “ erklärte er und setzte rasch hinzu. „Halt. Da war noch ein anderes wichtiges Erlebnis. Das war allerdings in Tranquility.“ Sie lächelte spitzbübisch. „Ach, welches denn?“ Er schaute sie erstaunt an. „Du kannst fragen. Der Tag, an dem wir uns kennen gelernt haben, “ entgegnete er mit leicht vorwurfsvollem Unterton. „Oh, den möchte ich lieber vergessen, “ neckte sie ihn. „Was?“ Er fuhr entsetzt in die Höhe. Sein Kopfkissen folgte ihm. „Kindskopf“, lachte Robin munter. „Oh du.“ Er beugte sich wieder über sie. „Das wird dir leid tun“, drohte er grinsend. „Heißt das, du willst auf der Ranch deiner Eltern feiern?“ fragte sie. Schlagartig verschwand sein Grinsen. „Nein“, antwortete er und suchte nach einer Begründung. Seine Reaktion verriet deutlich, dass sie eine empfindliche Stelle getroffen hatte. Irgendetwas an seiner Miene sagte ihr, dass es kein guter Zeitpunkt war, nach dem Warum zu fragen. „Wir sollten gucken, dass wir nicht zu spät zum Frühstück kommen“, sagte sie deshalb. Er nickte. „Sollten wir.“ Beim Frühstück erschien alles normal. Nichts wies auf Sabers überraschendes Bad hin. Er hatte es noch geschafft, sich zuvor umzuziehen. So saß an diesem Morgen eine fröhliche Runde beisammen. Donna Joe und Toto, Colt und Robin, Firaball und April sowie Saber und Chily. Letztere saß neben Toto, der seine MomChi für sich allein beanspruchte. „Wie ist er eigentlich auf MomChi gekommen?“ wollte Fireball wissen. „Das ist meine Schuld. Ich hab sie immer Mama Chily genannt. Weil er das aber nicht richtig aussprechen konnte, wurde MomChi daraus, “ begründete Donna Joe und sah schmunzelnd auf ihren Sohn, der von seinem Stuhl auf Chilys Schoss wechselte. Dort schmiegte er sich an sie. „Mama D, weißt du was?“ Donna Joe blickte ihn erwartungsvoll an. „Nein, Schatz. Was denn?“ fragte sie. „Wenn ich groß bin, werde ich mal Chily heiraten“, erklärte der Knirps die Idee, die ihm gerade gekommen war, als wäre es ein unabänderlicher Fakt. Colt hätte sich vor Lachen beinahe an seinem Orangensaft verschluckt und auch der Rest der Runde musste grölen. Unwillig runzelte der Zwerg die Stirn. „Warum lacht ihr?“ begehrte er auf. „Ich hab das so gemeint“, beharrte er und verschränkte beleidigt die Arme vor seiner Brust. Chily stupste ihn leicht an. „Ich schlag dir was vor, Schätzchen“, meinte sie lächelnd. „Wir warten noch ab bis du groß bist. Wenn du dann noch nichts Besseres gefunden hast und ich auch nicht, dann heiraten wir beide. Ist das ein Wort?“ Begeistert nickte er. „Das ist gut. Was Besseres als ich bin, findest du sowieso nicht, “ gab er selbstbewusst zur Antwort und löste eine neue Lachsalve aus. Diesmal verstimmte es ihn nicht. Er hatte schließlich das Wort seiner MomChi. „Das Ego hätte ich auch gern“, meinte Colt kichernd. „Bloß nicht. Deins reicht schon, “ versetzte Robin. „Ja, “ bestätigte der Rennfahrer glucksend. „Für drei von seiner Sorte.“ – „Wo wir schon beim Heiraten sind“, begann April und wand sich an das Brautpaar. „Wo soll denn die Hochzeit überhaupt stattfinden?“ Colt nahm noch einen Schluck Organgensaft und schaute seine Jugendfreundin an. „Darüber wollte ich noch mit deinen Eltern reden“, meinte er. Ihre Augen weiteten sich. „Ich hatte da nämlich an eure Ranch gedacht. Meinst du, sie haben was dagegen?“ Die Gefragte schluckte hart. Alarmiert hob der Cowboy die Brauen. „Sie sind, ähm, nicht da“, stammelte sie dann. „Wie meinst du das? Wann kommen sie denn zurück?“ wollte er wissen, weil er mit ihrer Antwort nichts anfangen konnte. Donna Joe öffnete ihren Mund um etwas zu sagen, doch Chilys Hand gebot ihr still zu sein. Alle blickten sie verwundert an, als sie dann noch Colt bat: „Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?“ Damit schob sie Toto wieder von ihrem Schoss zurück auf seinen Platz und stand auf. „Jetzt.“ Sie deutete mit dem Kopf in Richtung Tür. Gehorsam erhob der Kuhhirte sich ebenfalls und folgte ihr ins Nebenzimmer. „Hast du schon eine Vorstellung, wie dein Brautkleid aussehen soll?“ wechselte Donna Joe das Thema. Die übrigen stiegen darauf ein. Nur Saber, der der Tür am nächsten saß, spitzte die Ohren und hörte den Scharfschützen fragen. „Was ist mit deinen Eltern?“ Chily wand sich von ihm ab, presste die Hand auf ihre Stirn und tigerte vor ihm auf und ab. Es fiel ihr nicht leicht zu antworten. „Was?“ drängte er. „Wenn du auf der Adams Ranch feiern willst, musst du mich fragen“, erwiderte sie. Für Colt machte das keinen Sinn. „Warum? Würdest du bitte sagen, was Sache ist.“ Aus diesen Andeutungen wurde er nicht schlau. „Meine Eltern sind tot“, platzte Chily heraus. Dem Scharfschützen verschlug es die Sprache. Bestürzt musterte er seine Freundin, die, angesichts der Erinnerung daran, ein Zittern unterdrücken versuchte. Dann zog er sie in seine Arme. „Jolene“, flüsterte er und drückte sie innig. „Es tut mir leid für dich. Es tut mir leid, dass ich so plump danach gefragt hab und nicht schon viel früher mich nach ihnen erkundigt hab. Es tut mir leid, dass ich grade so unsensibel war und überhaupt manchmal ein Idiot bin.“ Das alles sagte er damit, als er sie mit ihrem richtigen Namen ansprach und mehr musste er auch nicht sagen. Sie verstand ihn und klammerte sich an ihm fest. Colt strich ihr übers Haar. „Wann?“ brachte er schließlich noch hervor. „Kurz nachdem du weg bist“, schniefte sie zurück. Er drückte sie noch fester an sich. Verdammt, er hätte bei ihr sein müssen. Was für ein Freund war er denn? Er hatte sie im Stich gelassen. „Mach dir keine Gedanken, Bullet“, murmelte sie auf seinen gedanklichen Vorwurf. „Ich weiß, warum du gegangen bist und mache dir keine Vorhaltung. Das wichtigste ist, dass du jetzt da bist.“ Saber hatte genug gehört. Offensichtlich las die rotbraun gesträhnte Blondine in jedermanns Gedanken, wie es ihr passte und die, die sie kannten, waren es wohl schon gewöhnt. Innerlich schüttelte der Recke über Colt den Kopf. Manchmal benahm er sich wirklich wie ein Elefant im Porzellanladen. Das lebhafte Gespräch, das in der Küche herrschte, wurde durch das Bimmeln des Telefons unterbrochen. „Ist für dich, Chily“, erkannte Donna Joe am Klingelton. Da der schnurrlose Apparat in der Küche lag, musste diese also zurück. Sie löste sich von Colt und atmete tief durch um ihre Fassung einigermaßen wieder herzustellen. Dann trat sie ein und nahm das Gespräch entgegen. „Adams.“ Was der Anrufer wollte, konnte keiner verstehen, doch Tonlage und Art der Antworten, die Colts Jugendfreundin gab, erregten die Aufmerksamkeit aller. Sie linste zur Küchentür. Der Scharfschütze stand hinter Saber. „Ja, der ist hier … Verstehe. … Hm, auch … Moment mal. Warum?“ Dann schwieg sie eine Weile und lauschte dem Anrufer aufmerksam. „Moment.“ Sie drückte sich an Colt und dem Recken aus dem Raum und verließ das Haus. Der Teil des Gespräches sollte nicht noch mehr Neugier erregen. Erwartungsvolle Gesichter blickten ihr entgegen, als sie etwa eine halbe Stunde später zurückkehrte. Das Telefon hatte sie im Wohnzimmer gelassen. „Wer war es denn?“ wollte Fireball wissen. „Äh … niemand, “ wich die Gefragte allzu offensichtlich aus. Irgendetwas an diesem Gespräch hatte sie aufgewühlt. „Ach komm, versuch nicht uns was vorzumachen. Hier sitzen zwei ehemalige und zwei noch Starsheriffs, “ entgegnete Fireball. „War das ein Drohanruf?“ bohrte er weiter. „Nein.“ Chily begann den Tisch abzudecken. Das Frühstück war inzwischen beendet worden. „Was war es dann?“ Der Rennfahrer blieb hartnäckig. „Kannst du dich heute um die Einkäufe kümmern?“ Mit dieser Frage an Donna Joe gerichtet, ignorierte sie ihn ganz klar und ließ keinen Zweifel daran, dass sie nicht bereit war Auskunft zu geben. Dennoch begann April vorsichtig. „Hör mal…“ – „Es geht dich nichts an, “ schnitt ihr Colts Jugendfreundin das Wort ab. „Okay.“ Der weibliche Starsheriff erhob sich brüsk und verließ den Raum. „Sehr höflich“, kommentierte ihr Freund, ehe er folgte. Diese seltsame Laune konnten beide überhaupt nicht nachvollziehen. „Colt, zeigst du mir ein bisschen die Stadt?“ Auch Robin hielt es für taktisch klüger zu gehen und Chily die Chance zu lassen, sich wieder zu beruhigen. Am gestrigen Tag hatte sie die ehemalige Number 1 gut genug kennengelernt um jetzt sicher, mit ihrer Menschenkenntnis, kombinieren zu können, dass etwas Schwerwiegendes vorgefallen war. Der Kuhhirte dachte ähnlich und ging auf die Ablenkungstaktik der Lehrerin ein. Donna Joe und Toto mussten ebenfalls aufbrechen und Saber wollte sich ihnen anschließen, da er genauso wenig wie Fireball und April verstand, was in die rotbraun gesträhnte Blondine gefahren war, doch sie rief ihn zurück. „ Was gibt es denn?“ fragte er sachlich. „Du musst ihn zurückrufen. Jetzt gleich, “ antwortete sie. Die Auskunft war so brauchbar, wie keine Auskunft. Sie hielt ihm ihren Unterarm hin, auf dem sie mit Kugelschreiber eine Telefonnummer gekritzelt hatte. „Er hat gesagt, du sollst ihn anrufen. Es wäre sehr wichtig, aber du darfst niemanden etwas sagen, “ fügte sie eindringlich hinzu. Saber zog sein Notizbuch aus der Hemdtasche. „Was hat wer mir denn so wichtiges mittzuteilen?“ – „Vermutlich noch mehr, als mir“, gab sie zur Antwort. „Kannst du mir wenigstens sagen, worum es geht“, seufzte er. „Es geht um Colt.“ In der Nacht zuvor … „Warum diese Geheimniskrämerei?“ Der ältere der beiden Männer trat auf den Wartenden zu. Die Bitte um ein Treffen mitten in der Nacht auf einem verlassenen Parkplatz der Autobahn vor Yuma mutete seltsam an. Aber er kannte den Aschblonden vor sich noch gut aus früheren Zeiten. Da war er ein guter Kämpfer gewesen. Hätte es dieses Missverständnis nicht gegeben, würde er auch heute noch Dienst tun. Doch es war anders gekommen und er stand noch immer auf der richtigen Seite. Jetzt antwortete er: „Weil alles andere zu gefährlich ist. Deshalb.“ Der ältere fuhr sich grüblerisch über den dunklen Vollbart. Es musste sehr wichtig sein, dass stand für ihn nun fest. Der Blonde warf ihm etwas zu. „Sehen Sie es sich genau an. Ich werde Unterstützung brauchen, “ gab er vage zu Auskunft. Der Bärtige fing den Datenträger auf und betrachtete ihn kurz. „Was ist darauf?“ wollte er wissen. „Sehen Sie selbst, dann werden Sie es erfahren und wissen, wessen Hilfe ich benötige. Ich melde mich morgen wieder.“ Damit wand sich der Blonde ab und verschwand in der Dunkelheit. Noch einmal warf der Bärtige einen Blick auf den Datenträger, dann schob er ihn in die Innentasche seiner Jacke und verließ den Treffpunkt ebenfalls. Dass Chily die Ranch von Donna Joe noch am gleichen Tag verließ und auf die ihrer Eltern zurückkehrte, begründete sie damit, die Bude wieder auf Vordermann bringen zu wollen, damit die Hochzeitsfeier dort stattfinden konnte. Auch Demon und Angel nahm sie mit, was die vier Freunde auf die Idee brachte, sie würde gänzlich ausziehen. Es hätte sie nicht gewundert, fände dies nicht so kurz nach dem Anruf statt. Fireball, Colt und April gewannen den Eindruck Chily flüchte vor irgendwem, auch wenn diese beteuerte, dem sei nicht so. Colt blieb vor allem deshalb skeptisch, weil sie ihm nichts über das Telefonat erzählte. Aber er würde auf seine Chily schon Acht geben. Er hatte sie einmal im Stich gelassen. Das würde er nie wieder tun. „Deine kleine Schulfreundin ist schon ein Fall für sich“, bemerkte Fireball, als er mit April im Arm neben Colt und Robin durch Tucson-City schlenderte. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie so zicken kann.“ Der Angesprochene warf ihm einen missbilligenden Blick zu. „Sie kann sich nicht nur nicht geschickt genug irgendwo wieder raus mogeln“, nahm Colt sie in Schutz, „deshalb wirkt es zickig.“ Robin versuchte das Thema zu wechseln. „Hat sie auch sicher nichts dagegen, dass wir auf ihrer Ranch feiern?“ fragte sie. „Nein, das hätte sie gesagt. Außerdem würde sie sie nicht herrichten, wenn sie wirklich ein Problem hätte.“ – „Dann sollten wir ihr damit helfen. Immerhin tut sie uns ja einen Gefallen, “ schlug die Lehrerin vor. „Genau das war mein Plan, “ stimmte der Scharfschütze seiner zukünftigen Frau zu. So konnte er schließlich in aller Ruhe über die kleine Freundin wachen. Die beiden Pärchen verbrachten den Rest des Tages in der Stadt. Sie hatten sich in ein Café gesetzt. April und Robin sprachen über die bevorstehende Trauung, während die Jungs über den ominösen Anrufer spekulierten. Nachdenklich bemerkte Colt: „Mir gefällt nicht, dass Chily ausgezogen ist.“ – „Ja, irgendwas ist faul,“ stimmte Fireball ihm zu. „Ich frag mich, was hier los ist,“ überlegte er laut. „Wenn ich nur mal rauskriegen würde, wer da angerufen hat.“ Colt klang frustriert und das Necken des Rennfahrers streute eher noch Salz in die Wunde. „Versuch es mal mit der Rückruftaste, wenn Chily nicht da ist,“ grinste er leicht. So ernst war der Vorschlag nicht gemeint, aber der Cowboy antwortete darauf: „Hab ich schon. Sie hat die Listen gelöscht.“ Anerkennend hob Fireball nun die Brauen. „Sie ist schlau,“ stellte er fest. „Ja, das Mädel ist clever,“ gestand Colt seufzend. Währenddessen klagte Robin: „Diese Sitzordnung wird mich noch umbringen.“ – „Das ist nicht einfach.“ Aprils Antwort war halbherzig, was daran lag, das der Starsheriff in ihr immer mit einem Ohr das Gespräch der Jungs verfolgte. „Hat Chily mal krumme Dinger gedreht?“ hörte sie ihren Freund gerade nachfragen. „Wie kommst du denn darauf, Matchbox? Wir reden hier von Chily. nur weil sie dir zickig vorkommt, heißt das nicht, dass sie ein böses Mädchen ist,“ entgegnete der Kuhhirte mit leicht tadelndem Blick. Fireball lehnte sich in seinem Stuhl zurück und begründete Colt, warum er nach Chilys weißer Weste gefragt hatte. „Sie ist deine Schulfreundin, Colt.“ Er schmunzelte breit. „Und gleich und gleich gesellt sich gern. Da würde mich bei Chily gar nichts wundern.“ Der Angesprochene beugte sich über den Tisch und grinste ebenfalls. „Hast du unseren Storys nicht richtig zu gehört? So gleich sind Chily und ich uns nicht,“ erinnerte er seinen Hombre. „Vor allem hat sie die schöneren Beine.“ Dann linster er kurz zu Robin rüber, die diese Aussage jedoch nicht mitbekommen hatte und grinste von einem Ohr zum anderen. „Ja, da ist sie gut gebaut. Wie auch oben rum.“ Prompt hob der Scharfschütze die Brauen. Wo hatte der denn hingeguckt? „Ich muss den Säbelschwinger davon abhalten, mit seinem Säbel zu rasseln, mach du mir nicht auch noch Ärger,“ mahnte er. „Auf die Idee komm ich alleine schon aus einem Grund nicht,“ erklärte Fireball und wies unauffällig auf seine Freundin, die davon genauso wenig bemerkt hatte wie Robin. „Und unser Säbelschwinger wird sich sicher hüten, sich bei Chily die Finger zu verbrennen,“ fügte er dann hinzu. „Das hoffe ich eigentlich für ihn. Aber so wie du das sagst, klingt es, als wäre meine Chily nicht gut genug für ihn.“ Colt war in diesem Punkt empfindlich. Er hielt Chily für die beste Frau, die ein Mann sich an seiner Seite wünschen konnte, wenn er Robin noch nicht kannte. „Meine Güte, was du schon wieder alles hörst. Tag und Nacht wären gleicher als Saber und Chily, so hab ich das gemeint,“ rechtfertigte sich der Rennfahrer. „Du hast sowieso nichts bei Chily zu melden, die sucht sich ihren Freund auch ohne dich aus, Kuhtreiber,“ grinste er dann ganz vieldeutig. Es war ja doch sehr offenkundig gewesen, dass Chily sich nichts sagen ließ. Währenddessen hatte Robin einen Schluck Kaffee genommen und unterdrückt geseufzt. „Ja, aber jetzt ist zu spät. Wir werden keinen mehr ausladen. Das alles wäre einfacher, wenn wir die letzte Zu- oder Absage auch noch hätten,“ setzte sie ihren Dialog mit April fort. „Wer fehlt euch denn noch?“ wollte diese verwundert wissen. Sie konnte sich nicht vorstellen, warum jemand so lange brauchte um zu entscheiden, ob er zu einer Hochzeit erschien oder nicht.“ – „Colts Freund Tim,“ erwiderte die Lehrerin. Auch sie konnte sich nicht erklären, warum er sich noch nicht gemeldet hatte. „Tim? Aber nicht Tim Dooley?“ Jetzt war der weibliche Starsheriff voll und ganz auf ihr Gespräch mit der zukünftigen Misses Willcox konzentriert. „Doch, genau der,“ bestättigte diese arglos. „Hm,“ überlegte April und legte die Stirn in Falten. „Der hat mir nicht ausgesehen, als würde er Colts Hochzeit verpassen wollen.“ Das passte irgendwie nicht ins Bild. „Für Colt war und ist er sehr wichtig,“ bekräftigte Robin auch diesmal. Dann wand sie sich an ihren Zukünftigen. „Hast du schon eine Antwort von Tim bekommen?“ fragte sie. Der griff liebevoll nach ihrer Hand und kommentiere die letzte Aussage seines Hombres bezüglich der Gegensätzlichkeit bei Paaren. „Gegensätze ziehen sich an. Sieht man ja an Robin und mir.“ Dann drehte er sich zu seiner besseren Hälfte und entgegnete der. „Nein, Süße, bis jetzt noch nicht. Zerbrich dir doch jetzt noch nicht den Kopf über die Sitzordnung. Du hast ja noch nicht mal die Ranch gesehen.“ – „Könnte es sein, dass Dooley wieder in Schwierigkeiten steckt?“ wollte April wissen. Noch immer versuchte sich die frühere Navigatorin von Ramrod einen Reim auf das alles zu machen und sprach nun eine mögliche, wenn ihr selbst auch unwahrscheinlich erscheinende, Theorie aus. „ Wenn das so wäre, würde das KOK sich wieder einschalten, so wie damals, und Saber würde etwas wissen,“ meinte Colt. Sein kleiner Hombre nickte. „Aber der hat nichts dergleichen erzählt. Er weiß ja auch, dass Dooley und Colt Freunde sind. Er hätte etwas gesagt.“ Die Blondine lehnte sich an die Schulter ihres Freundes. „Dann können wir nur abwarten. Ich hab nur grad gedacht, dass Dooley vielleicht der Anrufer von heut morgen war. Aber andereseits hätte Chily dann etwas gesagt.“ Nein, so ergab das nicht wirklich einen Sinn für sie. Diemal nickte Colt. „Sicher. Ich, für meinen Teil, tippe darauf, dass es dieser Dean war, der Chily heut morgen so einen Schreck eingejagt hat. Ich werde ihn ihm Auge behalten.“ Das schien ihm das einzig logische. „Dean? Der Typ, der ihr an der Scheune zu nahe gekommen ist?“ hakte Fireball nach. „Genau der. Das wird ihm noch leid tun, ihr solche Angst zu machen,“ versicherte der Scharfschütze grimmig. Chily hatte für heute nur noch Papierkram zu erledigen, den sie jedoch aufschob. Dafür begann sie zumindest Küche, Bad und ihre alten Zimmer auf der elterlichen Ranch zu säubern. Im ganzen Haus hatte sie die Vorhänge aufgezogen und die Fenster aufgerissen. Aus einer Laune heraus anschließend erst ihre Zimmer und das Bad gereinigt. Gerade war sie in den Küchenschrank unter der Spüle gekrabbelt um ihn auszuwischen. „Wie lange hat hier schon niemand mehr gewohnt?“ Vor Schreck stieß sie sich erst den Kopf, dann den Arm und das Knie an, ehe sie es schafte aus dem Schrank zu lugen. „Du?“ Der Besucher kam ihr etwas ungelegen. Nach den Ereignissen, des heutigen Tages, war sie recht aufgewühlt und sich sicher, dass ihr Dinge herausrutschen konnten, die sie nicht so meinte. Hoffentlich ging er bald, ehe sie ihm wieder auf die Füße treten konnte. Saber stand an der hinteren Küchentür im Rahmen gelehnt und sah sie amüsiert an. „Fünf Jahre“, antwortete sie dann, kroch zurück und fuhr mit der Arbeit fort. „Also seit dem Tod von Colts und deinen Eltern“, stellte er fest. „Hast du es hier nicht mehr ausgehalten?“ fragte er. „Vorschlag“, ertönte es aus dem Schrank. „Ich halte mich aus deinen Kopf raus und du dich aus meinem.“ – „Gut, entgegnete er schlicht und wollte dann wissen: „Hast du Hunger?“ Statt einer Antwort schoben sich erst ihre Beine, ihr Hinterteil und der Rücken und schließlich ihr Kopf aus dem Schrank. Der nasse Lappen flog in den Putzeimer und sie stand auf. „Ja, ich sterbe gleich.“ Er lächelte. „Dann bin ich wohl dein Lebensretter.“ Damit stellte er zwei Pizzaschachteln auf den Tisch. „Pizza mit?“ Sie hob die Brauen. „Salami und Thunfisch“, informierte er. Sie wusch sich die Hände und bestimmte: „Ich will Thunfisch.“ Dann lugte sie unter beide Deckel und verschwand mit der entsprechenden Pizza an ihm vorbei auf die hintere Veranda. „Hast du mit Ihm gesprochen?“ wollte sie wissen. „Ja“, antwortete Saber und setzte sich zu ihr. „Gut.“ Chily biss von einem Stück ab. „Hast du auch was zu trinken mitgebracht?“ An der Außenwand neben der Hintertür standen zwei Flaschen, auf die er nun wies. Sie langte nach einer davon, schraubte den Deckel runter und trank hastig. Sie aßen schweigend. Chilys Blick glitt über den Hof und sie hing ihren Gedanken nach. Der Recke musterte sie. Wieder war sie barfuß. Außer einem übergroßen Shirt und ihrer Unterwäsche hatte sie nichts mehr an. Der Tag war warm geworden. Die Kühle des Regens war mit der aufgehenden Sonne gewichen und sie hatte offensichtlich nicht mit Besuch gerechnet. Dessen ungeachtet, schien das bei ihr nicht unbedingt zu bedeuten, dass sie sich deshalb noch eine Hose angezogen hätte. Sie hatte es geschafft, ihr Haar zu zerzausen, obwohl es zu einem hohen Zopf zusammen gebunden war. Über den Staubfleck auf ihrer Nasenspitze musste er schmunzeln. „Was willst du eigentlich hier?“ fragte sie dann. „Hat Er dir nicht gesagt, dass Er heute vorbei kommt?“ fragte er zurück. „Doch, aber Er wollte sich mit mir allein treffen“, antwortete sie und sah Saber wissbegierig an. Was war der Grund für seine Anwesenheit? „Er hat mir gegenüber angedeutet, dass Er dich heute treffen will. Aber ich weiß noch immer nicht, was ich von der Geschichte halten soll. Da Colt von alledem noch nichts weiß, hielt ich für klüger, wenn wenigstens ich dabei bin, “ erläuterte er ihr. „Oh, aber du brauchst dir keine Sorgen um mich machen. Hab ja Winni da, “ entgegnete sie. Ihm war nicht aufgefallen, dass sie nicht allein war. „Wer ist Winni?“ Erstaunt sah er sich um. „Was ist Winni?“ korrigierte sie ihn, stand auf und brachte die Pizzaschachtel ins Haus. Neugierig folgte er ihr. Er stellte seinen Essenskarton zu ihrem auf die Anrichte und wollte ihr ins Wohnzimmer folgen, blieb aber an der Tür abrupt stehen und hob instinktiv die Arme, als er auf den Doppellauf einer Winchester blickte. „Das ist Winni“, erklärte sie grinsend. So lustig konnte er das nicht finden. „Nimm Winni runter bevor er mir ein Loch in den Bauch schießt“, verlangte er energisch. Sie senkte die Waffe. „Keine Bange. Das Schätzchen ist nicht schwanger, “ gab sie zurück. Mit zwei raschen Schritten war er bei ihr, riss ihr das Gewehr aus der Hand und prüfte das Magazin. „Nicht geladen“, bemerkte er. „Sagte ich doch.“ Unsanft nahm sie die Büchse wieder an sich. „Du musst mich ja für völlig bescheuert halten“, knurrte sie unfreundlich. „Lies es doch in meinem Kopf nach“, gab er spitz zurück. „Wozu? Dein Verhalten ist ja deutlich genug.“ Achtlos warf sie die Waffe auf einen nahe stehenden Sessel, aus dem prompt eine Staubwolke aufstieg, und verschwand in der Küche. „Es tut mir leid“, rief er ihr nach. „Aber mit Waffen kann man nicht vorsichtig genug sein. Das weißt du doch.“ Er fuhr sich durchs Haar. „Nur so zur Info“, kam es von ihr zurück. „Wenn ich wirklich so dämlich wäre, wie du mir grad das Gefühl gegeben hast, dass ich es wäre, hätte ich weder die Ausbildung zum Sani noch die zur Hebamme geschafft.“ – „Ich sagte doch schon, es tut mir leid. Was willst du denn noch hören?“ Er schüttelte frustriert den Kopf. Weiber. „Eigentlich gar nichts mehr. Wir haben beide gesagt, was wir zu sagen hatten, “ antwortete sie. „Bist du sicher?“ hakte Saber nach. „Sonst hätte ich es nicht gesagt. Vergiss eins nicht. Ich bin nicht deine Ex-Nuss.“ Innerlich verfluchte sie sich dafür. Das war genau das, was sie befürchtet hatte. Zu ärgerlich. Allerdings war richtig, dass Sincia und Chily hatten überhaupt gar nichts gemeinsam. Angefangen bei der Haarfarbe konnten sie kaum verschiedener sein. Die eine war introvertiert und brauchte ihren Partner täglich um sich. Die andere war extrovertiert und augenscheinlich unabhängig. Saber sah sich in dem großen Wohnzimmer um. Der Küchentür gegenüber befand sich die Treppe, die zum oberen Stockwerk führte. Daneben war eine Wand hochgezogen worden um einen kleinen extra Raum zu schaffen. Saloontüren trennten ihn vom Rest des Wohnraumes. Saber wollte gerade eintreten und sich die hauseigene Bar, die sich dort befand, näher ansehen, als er dumpfe Schritte von außen vernahm. Schritte von schweren Stiefeln. Gespannt horchte er auf das Geräusch. Sie näherten sich dem Hintereingang der Küche. Leise und rasch durchquerte er den Raum und presste sich an die Wand neben dem Kücheneingang. Vorsichtig spähte er hinein und sah Chily die Schränke schließen. Sie hatte offensichtlich nichts bemerkt. Dann schüttete sie das Putzwasser in den Ausguss und erstarrte. Wie aus dem Boden gewachsen stand ein Fremder in der Tür. Saber konnte ihn von seiner Position aus nicht sehen, aber der erschrockene Laut, den Chily von sich gab, reichte ihm. „Sehr unvorsichtig“, stellte der Fremde fest. Der Recke horchte auf. Die Stimmte erkannte er. Colt faltete die Einladung zu und steckte sie zurück in den Briefumschlag. „Unzustellbar. Empfänger nach unbekannt verzogen.“ Verdammt, wo steckte er nur? Im gesamten Neuen Grenzland gab es keinen Hinweis auf ihn. Das war zum aus der Haut fahren. Er wollte ihn bei seiner Hochzeit dabei haben. Wenn nicht er, wer dann sollte Trauzeuge werden. Schließlich war er dagewesen und hatte sich um ihn gekümmert, als Colt vor Rachegelüsten nicht mehr wusste, wohin. Er hatte ihn damals aufgefangen, darauf bestanden, dass der Cowboy seinen Schulabschluss nachholte und ihn im Schießen ausgebildet. Er hatte den Zorn des jungen Hitzkopfes in die richtigen Bahnen gelenkt, ihn auf Scharfschützenwettbewerbe mitgenommen und ihn alles gelehrt, was er wissen musste um ein guter Kopfgeldjäger zu werden. Ohne ihn wäre Colt heute nicht da, wo er war. Ganz sicher nicht. Er war der Vater gewesen, den der Kuhhirte verloren hatte. Als der Vaterersatz einmal selbst in Schwierigkeiten gesteckt hatte, konnte Colt ihm nicht helfen. Das wollte der Freund nicht. Wie sonst, als diesen Mann zu seinem Trauzeugen zu machen, konnte Colt ihm zeigen, wie dankbar er ihm war. Aber der war nicht aufzutreiben, wie vom Erdboden verschluckt. „Was heißt hier Greenhorn? Ich kann dir ja mal die Horchlappen von der Melone hauen, dann werden wir sehen, wer hier das Greenhorn ist,“ schrie der Halbstarke einen Mann an, der doppelt so alt und so breit war, wie er selbst. Der Spund hatte eine große Klappe und ließ sich nichts gefallen, so viel stand fest. Doch beides reichte nicht um zu verhindern, dass er am Ende des entstandenen Handgemenges durch das Fenster der Bar flog. Der Aufprall auf Asphalt und Scherben führte zu einigen Kratzern und schmerzte dem Ego mehr, als dem Körper. Der Grünschnabel kapierte nicht, dass es seinem Kontrahenten gleich war, ob der Gringo fair gepokert hatte oder nicht. Der Erfahrene hatte erkannt, er ihm das letzte Geld aus der Tasche ziehen konnte und hatte es auch getan. Jetzt stemmte der Spund sich auf Fäusten in die Höhe und verbiss sich krampfhaft die Tränen der Wut. Er war beim Kartenspiel und beim Kampf unterlegen gewesen. Seit gestern hatte er nichts mehr gegessen. Aus zehn Continentals, die er gefunden hatte, hatte er am Flipper dreißig machen können, doch die hatte er eben verloren. Wo er heute Nacht schlafen konnte, wusste er auch nicht. Verdammt, warum musste sein Leben nur so aus dem Ruder laufen? Was sollte er jetzt tun? Wo sollte er jetzt hin? Er konnte doch nicht mehr zurück. Mit leerem Magen ließ sich so schwer denken. „Erst denken, dann handeln.“ Mit diesen Worten trat ein Mann neben ihn, der ihm vorhin an der Bar gesessen und die Szene beobachtet hatte. Er war dem Jugendlichen deshalb aufgefallen, weil er als einziger ein rosafarbenes Getränk im Glas hatte und nicht den üblichen Fusel. Jetzt stand der Typ vor ihm, in seiner schlichten Bundfaltenhose, den dunklen Schuhen und einem Trenchcoat, aschblondes Haar, blassblaue Augen und eine Zigarette zwischen den schmalen Lippen. Er wirkte lässig, war aber ganz sicher nicht schön. Vor allem nach Auffassung des Teenagers nicht. Der knurrte jetzt: „Leck mich doch“, und stand endgültig auf. „Nein, danke.“ Der Rauchende ließ sich nicht beeindrucken. „Kein Bedarf. Aber was zu kauen könnte ich gebrauchen. Wie steht es mit dir?“ Der Magen des Bengels bekundete deutlich sein Interesse an dem Angebot, bevor der Hitzköpfige womöglich aus dummem Stolz heraus ablehnen konnte. „Alles klar. Komm mit Kleiner, “ grinst der Blondschopf schief und wand sich zum Gehen. „Was willst du eigentlich?“ – „Nur was essen und wenn du auch nur für einen Cent Grips unter deinem Lockenköpfen hast, nimmst du die Einladung an, “ erwiderte der Raucher und nahm einen letzten, kräftigen Zug von der Zigarette. „Ich brauch keine Hilfe, “ trotzte der Spund. „Hab ich gesehen. Jetzt setzt dich in Bewegung, bevor ich nachhelfe, Gringo.“ Der Zigarettenstummel flog knapp an dem braunen Locken vorbei. „Ich heiße Colt Willcox.“ Immerhin hatte er nur kaum merklich die Augen geschlossen, als die Kippe so haarscharf an ihm vorbeigeschnippt wurde. Der Blonde grinste leicht. „Timothy Dooley und jetzt mach.“ Er gab ihm ein Zeichen ihm zu folgen und weil der Hunger größer war als alles andere, trottete Colt hinter Dooley her. „Woran denkst du?“ Robins Frage holte ihn in die Gegenwart zurück. „An Tim,“ gab er leicht seufzend zurück. „Hat ihn die Einladung wieder nicht erreicht?“ wollte sie wissen und setzte sich auf den Schoss ihres Liebsten, der mit dem Stuhl ein Stück vom Tisch abrückte, damit sie besser sitzen konnte. „Nein. Er ist nach unbekannt verzogen,“ erwiderte Colt alles andere als begeistert. „Colt, ich fürchte, warum auch immer er nicht gefunden werden will, du wirst ihn nicht finden. Du solltest dir langsam Gedanken machen, ob du Fireball oder Saber fragtst.“ Der Cowboy wiegte den Kopf. Dieser Vorschlag war zwar angesichts Dooleys Unauffindbarkeit logisch, gefiel ihm aber nicht. „Das kann ich nicht,“ wehrte er ab. Robin sah ihn fragend an. „Sie sind beide meine Freunde. Es gibt keinen Unterschied zwischen ihnen,“ erläuterte er. Sie verstand, was er meinte. Beide zählten gleich viel für ihn. Einen von ihnen zum Trauzeugen zu machen, würde bedeuten, den anderen herabzusetzen, ihm zu vermitteln, dass er für Colt kein so guter Freund war. So sah es für ihn aus und deshalb brachte er es nicht fertig. Fireball und er teilten sehr viele Eigenschaften mit einander, waren sich sehr ähnlich und verstanden sich daher sehr gut. Obwohl das bei Saber anders war, schätzte Colt dessen Nachsicht mit den Launen des Scharfschützen und die Besonnenheit des Recken. Für den Kuhhirten gab es keinen besseren Vorgesetzten als Saber und keinen besseren Kameraden als Fireball. Er war sofort ohne zu fragen bereit, alles für sie zu tun und wenn es sein musste, auch seine Seele dem Teufel zu verpfänden, wenn es bedeutete, den beiden dadurch helfen zu können. Nein, sich zwischen Fireball und Saber zu entscheiden brachte Colt nicht zu Stande. „Dann könntest du immer noch beide fragen oder Chily,“ schlug Robin vor. Er lächelte ihr zu. „Vielleicht.“ An der Art wie er das sagte, erkannte die Lehrerin, dass er heute abend nicht mehr darüber reden wollte. Es hatte einen unangenehmen Beigeschmack. Allerdings war es sehr angenehm, sie auf dem Schoss sitzen zu haben. Sie war so wunderschön. Wie oft hatte er gedacht, dass ihm nichts Besseres hatte passieren können, als ihr über den Weg zu laufen. Er strich ihr sanft über den Rücken und zog sie in seine Arme. „Ich möchte nicht eine Minute hergeben, von der Zeit, die wir zusammen hatten. Nicht eine Minute, “ raunte er ihr zu. Sie legte ihre Arme um seinen Hals. „Ich auch nicht, Colt. Ich auch nicht.“ „So, da ist das Putzkommando für kleine Chily-Schoten,“ rief Colt munter, als er mit Robin, April und Fireball am nächsten Morgen bei der rotbraun gesträhnten Blondine aufwartete. „Danke, Bullet. Ich kann jede Hilfe brauchen,“ antwortete diese erfreut. „Ja, wir helfen gern. Normalerweise auch der Säbelschwinger, aber den haben wir nicht auftreiben können. Weiß der Teufel, wo der hin ist,“ meinte der Scharfschütze ein wenig säuerlich. „Habt ihr das gestern nicht mitbekommen? Der musste noch mal zum KOK. Ist mogen wieder da,“ gab Chily arglos zur Antwort und ließ die Vier ins Haus. „Wieso muss er dahin?“ fragte Fireball und sah sich neugierig in dem riesen Wohnzimmer um. „Das weiß ich nicht.“ Die Gefragte strich sich eine Strähne zurück und um nicht noch lügen zu müssen, begann sie, die Aufgaben zu verteilen. „Hört mal, Jungs. Ich brauch eure Hilfe beim Kisten schleppen. April? Robin? Darf ich euch das Putzen aufhalsen? Um die schmutzigen Vorhänge kümmere ich mich, sobald wir die Kisten sortiert und aufgeräumt haben.“ Die beiden nickten und machten sich an die Arbeit. Die Jungs folgen indes Colts Jugendfreundin in den oberen Stock. So wurde den ganzen Tag unter vielen Späßen gewischt, gewaschen und geschoben, was das Zeug hielt. Das Haus war riesig und nach all den Jahren, die es unbewohnt geblieben war, gab es wirklich viel zu tun. April und Robin nahmen die Vorhänge von den Fenstern und putzten die Schieben. Dann kam die Diskusion auf, ob die alten Teppiche flögen, bevor sie laufen lernten und Chily fand die Vorstellung vom fliegenden Teppich am besten. Ähnlich wie den Teppichen erging es auch den Polstermöbeln, die im Laufe der Zeit völlig eingestaubt waren. Die Jungs stellten alles erst auf den Hof und besorgten sich dann einen Transporter um es zu entsorgen. Chily schloss sich April und Robin beim putzen an. „Ach, April. Wegen gestern,“ begann sie. „Sorry, dass ich dich so angegangen bin. Es waren nur nicht ganz so erfreuliche Nachrichten und ich war etwas aufgeregt,“ fügte sie erklärend hinzu. Die Angesprochene machte eine wegwerfende Handbewegung und nickte leicht. „Vergessen wir das,“ entgegnete sie friedfertig. „Jetzt sollten wir aber ein paar neue Möbel besorgen,“ bog Chily das Thema in eine andere Richtung, bevor April noch irgendwelche Fragen stellen konnte. Kurz darauf fanden sich die drei Frauen in einem Möbelhaus wieder. „Jetzt musst du dir so viel Umstände wegen uns machen, Chily“ meinte Robin bedauernd. „Ach was. Früher oder später wäre es eh auf mich zu gekommen. Jetzt muss ich das alles wenigstens nicht allein machen,“ gab diese leichthin zurück. „Gibt es einen bestimmten Grund, warum du nicht mehr auf der Ranch deiner Eltern wohnst?“ wollte April wissen und wies fragend auf eine lederne Sitzgarnitur. „Den gleichen wie bei Colt.“ Chily begutachtete die Sitzgruppe. „Meine Eltern starben, kurz nachdem er gegangen war und ich hab es auch nicht mehr da ausgehalten. Also zog ich zu Donna Joe, die gerade Hilfe auf ihrer Ranch brauchte, weil sie mit Toto schwanger war,“ erzählte Chily auf die Frage hin. „Kann ich verstehen. Ich hab meine Mum verloren als ich elf war,“ gab der weibliche Starsheriff zu. „Aber ich hatte in der Situation wenigstens noch meinen Vater.“ Chily nickte, so wohl verstehend, als auch Zuspruch zu der ausgestellten Sitzgruppe. Die würde gut in die Ranch passen. Dann fiel ihr auf, wie Robin traurig auf einen Herzrahmen mit dem Bild eines jungen Paares, der zu Dekorationszwecken in einem Austellungsregal stand, schaute. „Er hat es bis heute nicht verwunden,“ stellte die Lehrerin leise fest. Warum hatte er nie mit ihr darüber geredet? Die Schulfreundin des Kuhhirten trat auf sie zu. „Aber du wirst ihm Zeit lassen und für ihn da sein, wenn er reden will. Nicht wahr?“ flüsterte sie der Braut zu. Etwas erschrocken fragte Robin sich, ob sie laut gedacht hatte, dann drehte sie sich zu Chily um. „Wird er denn reden?“ – „Ganz sicher,“ nickte diese überzeugt. Sie schlossen den Kaufvertrag über die Ledersofas ab und brachten das Bettzeug und die Vorhänge in die Reinigung. Als die Jungs von der Deponie zurück waren, trafen auch das Frauentrio wieder auf der Ranch ein. „Ich glaub, für heute reicht es mal. Machen wir was zum Abendessen,“ meinte Chily und verschwand mit April an der einen und Fireball an der anderen Hand in der Küche. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie so viel Zeug einfach wegwerfen kann,“ bemerkte Colt. Robin nahm seine Hand und lehnte sich an seine Schulter. „Manchmal ist es besser sich von vergangenem zu trennen,“ erwiderte sie leise. „Jeder auf seine Art.“ Er nickte. „Und jeder zu seiner Zeit.“ Beide hatten verstanden, was der andere eigentlich gemeint hatte. Colt musste sich mit der Vergangenheit auseinander setzten, war Robin überzeugt. Er hatte ihr zu verstehen gegeben, dass er noch nicht so weit war. Sie legte ihren Arm um seine Taille. Es tat gut zu spüren, dass sie da war. Saber kehrte spät in der Nacht zurück. Diesmal mit Steed, was zwei Gründe hatte. Erstens würde er ihn brauchen und zweitens hatte er ihm gefehlt. Mond und Sterne leuchteten ihm den Pfad zur Ranch. Das Wohnhaus lag im Dunkel. Kein Licht brannte in den Fenstern. Er würde sie wecken müssen. Das konnte ja lustig werden. Er stieg von Steeds Rücken und öffnete leise die Eingangstür. Das Wohnzimmer war durch das Mondlicht erhellt. Keine Vorhänge an den Fenstern, Polstermöbel und Teppiche fehlten, wie er unschwer erfassen konnte. Die Aktion „Hütte auf Vordermann bringen“ hatte also schon begonnen. Vorsichtig schlicht er zur Treppe und in den oberen Stock. Wo waren doch gleich ihre Zimmer? Aufs Geratewohl öffnete er eine Tür, die er für die Richtige hielt, und trat ein. Auch hier schien der Mond silbern herein und ließ den Raum und die Person gut erkennen. Hitze stieg ihm ins Gesicht, die nicht nur mit der Wärme im Zimmer zu tun hatte. Mein Gott, das hätte er sich ja denken können. Sie schlief unbekleidet, aber wenigstens auf der Seite, mit dem Rücken zu ihm. Im Schlaf hatte sie die Decke bis zur Hüfte hinab geschoben. Er unterdrückte ein Seufzen und berührte sie vorsichtig an der Schulter. „Chily? Chily, wach auf.“ Erschrocken setzte diese sich auf. Er wand sich ab. „Zieh dir was an und komm“, sagte er betont nüchtern. „ Wir müssen zum Treffpunkt.“ – „Hä?“ Schreck und Schlaftrunkenheit hatten sie verwirrt, dann erinnerte sie sich wieder. „Ach so.“ Er hörte sie aus dem Bett krabbeln und sich anziehen. „Ich bin so weit“, ließ sie sich vernehmen und trat zu ihm. Er nickte nur knapp und sie verließen rasch das Haus. „Weißt du, wo die Tankstelle ist, von der Er gesprochen hat?“ fragte der Recke an der Eingangstür. Sie schloss diese hinter sich. „Ja.“ Dann fiel ihr Blick auf das Robopferd. „Das ist also Steed“, bemerkte sie. „Genau. Wir werden ihn nehmen, weil er schneller ist.“ Damit machte Saber sich bereit ihr beim Aufsteigen behilflich zu sein. „Lass gut sein. Hilf mir nie, nur weil es sich so gehört, “ erklärte sie und schwang sich gekonnt auf Steeds Rücken. „Dann nicht.“ Er platzierte sich hinter ihr. Sie flogen durch die Nacht. Wäre Tucson-City bei Tag nicht so lebhaft, hätte der Recke es jetzt für eine Geisterstadt gehalten. Alles lag still und schlafend. Sie durchquerten das Zentrum, flogen Richtung Westen und ließen die Stadt hinter sich. Sie glitten noch einige Meilen über die Landstraße hinweg, dann gewahrten sie die verlassene Tankstelle. Klar und deutlich war sie zu erkennen, jedoch wies nichts daraufhin, dass dort jemand warten könnte. Sie ließen Steed an den beiden Zapfsäulen stehen und betraten den Verkaufsraum. Der Mond schien hell durch die großen Fenster, so dass sie problemlos feststellen konnten, dass hier schon ewig niemand mehr gewesen war. Sie durchsuchten die angrenzenden Räume und traten auf den Hinterhof ohne Ihn gefunden zu haben. Die Stille, die über der Tankstelle lag, behagte Chily nicht. Nicht nur, dass sie und Saber kein Wort seither mit einander gewechselt hatten, auch sonst war nur ihrer beider Atem zu vernehmen und das Knirschen ihrer Schritte auf dem sandigen Boden. Das Lagerhaus auf dem Hof, vor dem sie jetzt standen, wirkte düster und bedrohlich. „Gruselig“, bemerkte Chily. Saber ignorierte sie und schob vorsichtig den Riegel zurück. Die Tür schwang von selbst nach innen auf, ohne das der Recke dagegen gedrückt hatte, und schlug laut an die Wand. Chily fuhr zusammen. Das Echo, das der Schlag verursachte, ließ ahnen, dass der Raum leer war. Da er nur über vier kleine Fenster unterhalb des Daches verfügte, war es recht dunkel darin. „Hier.“ Saber drückte seiner Begleiterin eine Taschenlampe in die Hand und schaltete seine eigene ein. Er trat als erster in die Halle und prüfte rasch herum leuchtend, ob jemand anwesend war, dann gab er ihr ein Zeichen, dass sie ebenfalls herein kommen konnte. „Was riecht hier so komisch?“ fragte sie, als sich beide anschickten, den Raum näher zu untersuchen. Der ganze Raum roch muffig, aber jetzt stieg dem Recken noch ein kupferartiges Aroma in die Sinne. Er runzelte die Stirn und leuchtete die Wand links von der Tür ab. Chily tat dasselbe mit der Wand dem Eingang gegenüber. „Saber?“ Er wand sich zu ihr und leuchtete ebenfalls auf die Mauer. Im Schein ihrer Taschenlampen sahen sie etwas in bräunlicher Farbe auf dem Beton geschrieben stehen. „Willkommen zurück, Willcox. Du bist der Grund dafür“ las Saber vor. Während er die Wand näher in Augenschein nahm, glitt Chilys Lichtkegel vom R des letzten Wortes weiter. Eine braune Spur führte die Wand hinauf und zur Decke. Mit einem immer mulmiger werdenden Gefühl tastete sie sich mit der Taschenlampe die Decke entlang. Dann gefror ihr das Blut in den Adern. Die Flüssigkeit war verkrustet und hatte dieses kupferartige Aroma. „Blut“, stellte Saber leise fest. Wieder runzelte er die Stirn. Dann zerriss ein Schrei die Stille. Er fuhr herum. Chily stand starr vor Entsetzen etwa in der Mitte des Raumes. Die Taschenlampe in der Hand und ihr Blick waren auf die Zimmerdecke gerichtet. Sie war nicht fähig sich zu rühren, sich abzuwenden oder zu schreien aufzuhören und bei dem Anblick verstand der Recke genau, warum. Seine Lampe fiel zu Boden. Er packte die Schreiende bei den Schultern und zerrte sie ins Freie. „Chily!“ Sie verstummte endlich abrupt und starrte mit großen, vor Schock geweiteten Augen zu ihm hinauf. Dann klappte ihr Kopf nach vorn und sie übergab sich. Unter anderen Umständen hätte er sich darüber beschwert, dass es seine Schuhe traf, aber in dieser Situation hatte er andere Sorgen. Er strich Chily beruhigend übers Haar. Das war ein ekelerregender Anblick gewesen, bei dem sich selbst ihm ebenfalls der Magen drehte. Als Chilys Bauch keinen Inhalt mehr hergab, reichte er ihr ein Taschentuch. „‘tschuldige, “ murmelte sie ohne ihn anzusehen. „Schon okay. Kann ich dich kurz allein lassen?“ Er hielt sie noch immer bei den Schultern. Sie nickte mit gesenktem Kopf. Er entfernte sich ein paar Schritte von ihr und funkte Verstärkung vom ortsansässigen Sheriff an. Dann warf er noch einen kurzen Blick zu der rotbraun gesträhnten Blondine, die wie zur Salzsäule erstarrt noch immer am selben Fleck stand, und betrat die Halle wieder. „Willkommen zurück…“ Was hatte das zu bedeuten? Noch einmal ließ er den Lichtstrahl der Taschenlampe über Ihn gleiten. An Armen, Beinen und dem Hals war er an die Decke gebunden worden, sodass man ihn beim Eintreten gar nicht bemerken konnte. Die Seile führten von Flaschenzügen rechts und links von dem Körper durch Eisenringe auf der jeweils anderen Seite und endeten in Winden an der Wand rechts neben der Tür. Dort, wo Saber den Raum noch nicht untersucht hatte. Das Hemd des Toten war aufgeknöpft und jemand hatte ihm fachmännisch das Herz aus der Brust geschnitten. Die Narbe auf dessen Oberkörper wies daraufhin und die Tatsache, dass es ihm an der heraushängenden Zunge befestigt worden war. Die Wunde hatte nicht stark geblutet, konnte er erkennen. Also war diese Prozedur nach der Ermordung vorgenommen worden. Der Mord an sich hatte wohl auch woanders stattgefunden, denn hier wies nichts auf einen wahrscheinlichen Kampf hin. Das war ja krank. Jetzt begann auch Sabers Magen zu revoltieren. Er wand den Blick ab. Er vernahm ein Geräusch draußen und eilte ins Freie. Chily kauerte am Boden. Mit wenigen Schritten war er bei ihr. Sie zitterte am ganzen Körper. Chily bekam nur am Rande mit, dass der zuständige Sheriff mit einem forensischen Team eintraf und den Tatort unter die Lupe nahm. Saber wechselte ein paar Worte mit ihm und erläuterte die Sachlage. Der Sheriff nickte verstehend. Dann kehrten der Recke und Chily zur Adams Ranch zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)