Western Spirits von collie ================================================================================ Kapitel 15: Where the Eagles fly -------------------------------- Where the Eagles fly Saber hing seinen Gedanken nach, wie seine Freunde auch. Je länger sie durch die schwarze Unendlichkeit des Weltraums glitten, desto schlimmer schien ihnen die Trennung von ihren Liebsten. Einmal mehr wünschten sie sich der Fall wäre abgeschlossen. Colt sehnte diesen Tag herbei. Zum einen, weil er es Dooley geschworen hatte, zum andern, weil er es kaum noch erwarten konnte Robin zum Altar zu führen. Fireball hoffte, dass dieser Fall nicht noch weitere Monate dauerte. Er wollte mit April diese Wohnung beziehen, für die sie immerhin schon Miete zahlten, damit ihnen dieses Prachtstück keiner wegschnappen konnte, und unbedingt dabei sein, wenn Charlene das Licht der Welt erblickte. Zwar spürte er ihre Bewegungen, wenn er die Hand auf den Bauch seiner Freundin legte, aber er wollte seine Tochter lieber im Arm halten und ihre kleinen Händchen, Füßchen, Öhrchen, kurz, das ganze kleine Wesen voller Stolz der Welt zeigen. Sie musste wunderschön sein. Sabers Gedanken gingen zurück in den Schlosspark, wo er sich von Chily verabschiedet hatte. Gleich hatte er sie nicht entdeckt, sondern erst nach ihr rufen müssen. Dann war sie wie eine Waldfee zwischen den Zweigen einer Trauerweide aufgetaucht, alles andere als glücklich darüber, dass er schon aufbrechen musste. Sie hatte ihn zu sich unter die Zweige des Baumes gezogen und ihm einen liebevollen Kuss auf den Mund gedrückt. Er kannte diese Art von Küssen, sie baten um mehr Zärtlichkeit. Das zarte Klopfen ihrer Zunge an seinen Lippen, die Bitte um Einlass, bedeutete noch mehr. Die Liebkosung erwiderte er gern, wurde angesteckt von ihrer Leidenschaft. Ihre Hände waren mit sanftem Druck über seinen Oberkörper gefahren und flink hatten sie sein Hemd aufgeknöpft. Er hatte ihr behutsam das Shirt über den Kopf gezogen und die BH-Träger von ihren Schultern gestrichen. Mit den Lippen war er über ihre Haut geglitten. Sie hatte sich genießend an den Baum gelehnt. Sein Hemd war zu Boden geflogen. Ungestüm hatte sie versucht den Gürtel seiner Hose zu öffnen. Zu ungestüm. Er hatte ihr helfen müssen. „Du wirst mir fehlen“, hatte sie gehaucht und dann liebevoll an der Beuge seines Halses gesogen. „Ich werde dich auch vermissen“, hatte er belegt zurückgegeben und ihren leichten Rock nach oben geschoben. Immer wieder hatten ihre Finger über seinen Oberkörper gestrichen und bebend hatte sie gewarnt. „Wehe ich finde auch nur einen Kratzer an dir, wenn du wieder zurück bist.“ – „Ich werde mich hüten“, hatte er ihr zugeraunt und sie mit sanfter Glut gegen den Stamm gepresst. „Und, was wirst du noch?“ hatte sie wissen wollen, während sie den Knopf seiner Hose geöffnet und ungeduldig am Reißverschluss gezerrt hatte. Wieder hatte er ihr geholfen. „Kannst du es nicht erwarten?“ Er war mit den Händen ihre Beine bis zu den Kniekehlen hinab gewandert, hatte sie hoch gehoben und sie erneut gegen den Stamm gedrückt. Sie hatte zerstreut den Kopf geschüttelt. „Komm bald wieder“, hatte sie dann geflüstert. „Versprochen.“ Wie er das Wort noch rausbrachte, wusste er nicht mehr, denn ihre Finger waren über seinen Rücken zur Hose geglitten, hatten sich unter den Stoff und diesen hinab geschoben. Unterdrückt hatte er in den Kuss geseufzt. Wenn er doch gar nicht erst gehen müsste … Dass Colt ihn die ganze Zeit beobachtet hatte, hatte Saber bei dieser Erinnerung nicht bemerkt. Jetzt riss ihn der Scharfschütze in die Gegenwart zurück. „Was ist eigentlich mit dir passiert, Säbelschwinger? Bist du rückwärts durch einen Stacheldrahtzaun geschlüpft?“ wollte er grinsend wissen. Weder der nicht so akkurat sitzende Hemdkragen, noch das strubblige Haar seines Vorgesetzten war dem Scout entgangen. Der fragte verwundert, beinahe ertappt: „Wie kommst du bitte auf so was?“ Das Grinsen wurde breiter. „Ich hab dich grad so betrachtet und entweder fängt dir Fireballs Stil zu gefallen an oder aber du hattest keinen Spiegel mehr zu Hand, “ entgegnete er und deutete leicht auf den Hinterkopf des Recken, der brav Zeugnis dafür ablegte. Irritiert fuhr der sich über die betreffende Stelle und brachte sie in Ordnung. „Schon besser. Nicht mehr ganz so chaotisch, “ bemerkte der Kuhhirte zufrieden. Zufrieden vor allem deshalb, weil er nun etwas hatte, womit er den Blonden aufziehen konnte. „Man könnte ja meinen, du wärst im Gebüsch verschwunden“, stichelte er prompt. Der Angesprochene schwieg. Es schien ihm nicht sonderlich klug, ausgerechnet Colt, dem selbsternannten Leibwächter der Hebamme, einen Ton über die Art des Abschiedes zu erzählen. „Na ja, wer weiß bei so einem Huhn wie Chily schon, wo man sie vor holen muss, um sich zu verabschieden, “ grübelte der Rennfahrer einfach. Amüsiert blinzelte der Cowboy zu ihm. „Die hat ihn eher da reingezogen“, fuhr der Lockenkopf mit den Neckereien fort. Skeptisch runzelte Fireball die Stirn. „Wie jetzt? Soll das heißen, das ist in fünf Minuten zu schaffen? Länger war er doch gar nicht weg, “ hakte er naiv nach. „Das geht auch in einer, “ lachte Colt fröhlich. „Für beide?“ Dümmlich schaute der Pilot zum Feuerleitstand. „Was fragst du mich? Das sollte dir wohl eher April beantworten, ob sie daran auch ihren Spaß hat, “ gab der darin Sitzende zurück und lehnte sich bequem in den Sattel. „Hey, ich muss nicht immer Tempo haben, “ verteidigte sich Fireball mit roten Ohren und blickte verlegen aus dem Fenster, als Colt auch noch vor Begeisterung in die Hände klatschte. „Toll, eine Turboschnecke!“ Da hatte er ja genügend Angriffsfläche um seine beiden Freunde ordentlich hoch zu nehmen. Irgendetwas musste ja Spaß bringen, wenn man schon auf die Verlobte verzichten musste. „Man lässt sich gewöhnlich auch Zeit, wenn man genießen will,“ ließ Saber verlauten, ermutigt durch den Umstand, dass Colt wohl klar war, was zwischen dem Schotten und der kleinen Hebamme geschehen war, der Highlander aber immer noch seinen Kopf auf den Schultern trug. „Dann war das bei dir heute Triebbefriedigung und hatte nichts mit Genießen zu tun“, stellte der fest und kratzte sich am Kopf. Dann ging ihm ein Licht auf. „Du hast mit meiner Chily ...“, rief er überrascht. „Wie kannst du nur?“ Innerlich schüttelte der Recke über sich selbst den Kopf. Warum hatte er nicht einfach den Mund gehalten? „Muss ich dich jetzt aufklären? Wo soll ich da anfangen, bei Bienchen und Blümchen?“ fragte er und rollte die Augen. Der Scharfschütze empörte sich augenblicklich über dieses indirekte Geständnis. „Du Kronleuchter, du! Vög ... Vergnügst dich mit meiner Chily und dann lässt du sie alleine?“ Fireball grinste schief. Das war schon seltsam in letzter Zeit. Früher konnte man höchstens ahnen, dass Saber Gefühle für ein Mädchen hatte. Er zeigte sie wenn, dann nur sehr selten, noch seltener als Colt oder er selbst. Doch seit Chily es geschafft hatte, sein Herz zu erobern, war nicht nur deutlich zu sehen, was der Recke für sie fühlte, sondern konnte man ihn problemlos intimer Zärtlichkeit überführen, was dem Guten höllisch unangenehm sein dürfte. Andererseits schien er irgendwie vollständig zu sein und rundum glücklich, weshalb der Pilot sich entschloss ihn zu verteidigen. „Selbiges hättest du mit Robin auch tun wollen, hättest du keine Zuschauer gehabt, Kumpel“, erinnerte er den Scharfschützen. „Wieso wirfst du mir immer vor, was du selber nicht besser machst?“ hakte der Blonde nach. „Weil du das mit meiner Chily machst!“ antwortete der Lockenkopf. „Soll ich es lieber mit Robin machen?“ Saber rollte genervt die Augen. Wenn es um die kleine Hebamme ging, konnte er wohl wirklich in Colts Augen so gar nichts richtig machen. Er musste sich und seiner Jolene eine Wohnung am anderen Ende der Stadt suchen. Weit, sehr weit weg von Colt, sonst würden sie keine ruhige Minute haben. Am besten ließen sich noch einen zweiten Telefonanschluss darein legen, dessen Nummer nur Colt bekommen würde. Dann wären sie immer vorgewarnt, wenn der Apparat klingelte, müssten sie nur antworten, wenn ihnen der Sinn danach stand. Faktisch nie. „Denk noch nicht mal dran!“ brummte Colt nun missmutig und Saber fragte sich, was er grad meinte, die letzt Aussage des Schotten oder seine Überlegungen. Da er die aber nicht ausgesprochen hatte und der Cowboy nicht Gedanken lesen konnte, war der Anschluss schnell gefunden. Saber warf einen Blick zu dem Scharfschützen, vorbei an dem Piloten, der unterdrückt grinste. „Du solltest mal lieber denken und mir dankbar sein. In solchen Momenten entstehen nämlich meistens Kinder, “ erklärte Saber dann. „Meine Chily kriegt keine Kinder!“ bestimmte Colt prompt, während Fireball fast an seinem Lachen erstickte. „Ich rede auch nicht von Jolene, sondern von Robin. Du hast doch selbst gesagt, dass du noch nicht Vater werden möchtest, “ bemerkte der Recke. „Ja, ich verzichte vorerst auf Vaterfreuden, “ bestätigte der Kuhhirte zuerst trocken, um dann gleich darauf knurrend zu mahnen. „Aber Chily wird trotzdem keine Mummy und schon gar nicht von dir!“ Als ob er das wirklich zu entscheiden hätte. „Wenn, dann wäre es jetzt schon passiert, “ stellte Saber trocken fest und linste kurz zu seinen Freunden. Wie er sich gedacht hatte, schaute sein Pilot gerade reichlich unbehaglich aus der Wäsche. Dieses Gespräch kratzte schließlich an seinem wunden Punkt. Zeit für den Schotten, das etwas gerade zu biegen. Es sollte nicht nach unterschwelligen Vorwürfen klingen. „Und nicht alle von uns denken so wie du, Colt.“ Prompt gab der zurück. „Ja, manche denken gar nicht.“ Der Recke nickte und wies auf den Scharfschützen. „Beispiel A.“ Der deutete auf den Rennfahrer. „Beispiel eins A.“ Der Typ war ein hoffnungsloser Fall, wie der Schotte kopfschüttelnd feststellte. „Taktgefühl gleich null. Du wirst es nie lernen, Colt.“ Genauso wenig war der Pilot begeistert von der Aussage des Kuhhirten. Er schielte zu Saber. „Darf ich ihn rauswerfen, Boss?“ fragte er. „Bitte“, gestatte der ohne zu zögern. Fireball erhob sich und rieb sich diabolisch die Hände. „Was hab ich denn jetzt schon wieder gemacht?“ Colt hob irritiert die Schultern. Dass er mal wieder treffsicher unter die Gürtellinie geschossen und das Versprechen vergessen hatte, sich mit seinen Äußerungen zurück zu halten, war ihm nicht bewusst. „Mit dem Denken ist es bei dir echt nicht weit her, Numero Uno“, grummelte Fireball und zog den Cowboy am Kragen aus der Satteleinheit. „He, was soll der Scheiß?“ protestierte der etwas geplättet. Das meinte sein kleiner Hombre doch nicht ernst. „Boss? Saber? Jetzt hilf mir doch mal, “ rief Colt überrascht. Der lehnte sich in seinem Sitz zurück. „Wieso?“ fragte er trocken und hob eine Braue. „Strafe muss sein“ erklärte Fireball ungerührt und schleifte den noch leicht hinkenden Scharfschützen durch die Kommandozentrale. „Hast du noch ein paar letzte große Worte, bevor ich dich rauswerfe, Kuhtreiber? Soll ich Robin noch was ausrichten? Oder Chily? Oder vielleicht meiner Freundin, die ein Kind bekommt, wovon du behauptest, wir würden nicht nachdenken?“ Bei dem letzten Satz funkelte der Japaner ihn böse an. Das ständige Rumhacken auf der unverhofften Schwangerschaft seiner Freundin ging ihm jedes Mal mehr an die Nieren. So dermaßen finster wie eben, war der Scharfschütze noch nie für einen unangebrachten Witz angeschaut worden. In seinem Oberstübchen ratterte es und er begriff verhältnismäßig schnell, dass er übers Ziel hinausgeschossen war. „Man, Matchbox. Seit wann kann man denn ernst nehmen, was ich sage,“ scherzte er leicht verlegen und wurde wieder losgelassen. „Auch wieder wahr“, brummte der zustimmend und drehte sich um. „Trotzdem kriegst du das nächste Mal Flugstunden von mir, versprochen.“ Damit war deutlich, dass die Geduld des werdenden Vater ihre Grenze erreicht hatte. Colt hatte es nicht beabsichtigt, aber es war geschehen. Einmal mehr verfluchte er gedanklich seine Unüberlegtheit. Betreten senkte er den Blick. „Es tut mir leid, Kleiner. Ich hätte die Klappe halten sollen, “ nuschelte er dem Piloten hinterher, der sich, die Worte schienbar ignorierend, wieder in sein Modul setzte. „Keine Angst, ich frag Jolene, ob sie dir dein Mundwerk zunähen kann, Kumpel.“ Auch Saber richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Flug und schaute zum Panorama-Fenster. „Jetzt erzähl mir nicht, dass du auch sauer bist.“ Hatte Colt die Grenze tatsächlich gleich zweimal übertreten? Das konnte doch nicht sein. Saber war doch viel geduldiger. „Noch nicht“, erwiderte der. „Also schlag ich vor, du hältst wirklich den Mund.“ Er lächelte leicht, als er die aufrichtige Reue in den Augen seines Scharfschützen sah. „So schlimm bin ich ja nun auch wieder nicht, “ murrte der und kehrte ebenfalls zu seinem Platz zurück. „Du bist nur manchmal Dauergast unter der Gürtellinie, wenn du weißt, was ich meine, Colt.“ Diesen Hinweis würgte der hinunter und weil er ihm, so berechtigt er auch war, nicht schmeckte, versuchte er das Thema abzulenken. „Jaja, Hauptsache ihr macht keine Fehler“, seufzte er. „Wer hat sich denn einfach nach Yuma verkrümelt, statt zu warten?“ – „Genau.“ Saber wandte sich seinem Computer zu und ging nicht weiter darauf ein. Der Rest des Fluges verlief wieder schweigend. Wieder hing jeder seinen Gedanken nach. Der Recke überlegte, ob es an dem vorbereiteten Plan noch Verbesserungen vorzunehmen waren. Fireball grummelte noch ein bisschen angesäuert vor sich hin um dann zu der Erkenntnis zu kommen, dass Colt einfach nur ein Elefant im Porzellanladen war. Der Scharfschütze gelangte zu der gleichen Feststellung und fragte sich, ob er es jemals schaffen würde, diese Eigenschaft abzulegen. Er verletzte seine Freunde schließlich nicht gern und hasste es, wenn sie sauer auf ihn waren. Natürlich mimte er nach außen den Unbeteiligten. Robin und Chily waren glücklicherweise nicht da, um ihn zu verraten. Das Gebiet um Pennyrile lag in Stille und Ruhe; der saftige Grasteppich, die dichten Wälder, die Endlosigkeit, die die schroffen Felswände empor und in den blauen Himmel kletterte, die Natur von ihrer schönsten Seite. Vogelgesang. Tiere, die durch den Forst streiften auf der Suche nach Futter, im Rudel oder einzeln. Die Nachtaktiven unter ihnen schliefen. Ein friedlicher Ort. Und unberührt. Oder doch nicht? Auf diesem schönen Flecken Erde sollte das Leben seinen gewohnten Gang nehmen. Männer jagen. Kinder spielen. Frauen ihrem vielfältigen Tagewerk nachgehen. Doch hier regten sich keine emsigen Hände, sprach niemand, sang und lachte kein Kind mit seiner Mutter. Die Stille war totenstill, Pennyrile menschenleer. Fast. Die Langboot-Häuser des Irokesenstammes schienen verlassen, doch auf eines traf es nicht zu. Die Krieger des Stammes hatten sich dorthin zurück gezogen um Wache zu halten. Noch immer war diese, ihre, Heimat in Gefahr und Frauen, Kinder und alte Männer im Schutze des Waldes und einer Einheit Starsheriffs verborgen. Nur die Männer und die Drei der Ramrodcrew waren geblieben um hoffentlich bald die Bedrohung endgültig abzuwenden. Der Tag schien lang. Spannung lag in der Luft. Bald würde etwas geschehen. Bald musste etwas geschehen. Lange würden die Outrider, Jean Claude und Maddox nicht der Versuchung widerstehen können Pennyrile und seine Mine zu erobern. Sie lag wie auf dem Präsentierteller. Eine Einladung und Falle zu gleich. Darauf einzugehen lohnte sich, da man Alkalit gewinnen konnte. Natürlich waren die Verbliebenen auf einen Angriff gefasst und entsprechend vorbereitet. Doch wie viel konnten drei Starsheriffs und Ramrod ausrichten, gegen ein wirkungsvolles Überfallkommando, wenn sie von Indianern und ihren altmodischen Waffen unterstützt wurden? Hatten sie überhaupt eine Chance? Der Tag verstrich ereignislos. Die Wachposten wechselten. Am Feuer fanden sich die Brüder Taima und Patamon ein. Colt gesellte sich zu ihnen, ebenso wie Saber und Fireball. Taima, der jüngere der Geschwister musterte seine neuen Kampfgenossen unverhohlen. Patamon holte, ohne das jemand sah woher, eine kleine Flöte hervor und begann zu spielen. Colt sang dazu. Gut, er versuchte es, wurde aber lautstark von Taima und dem Rennfahrer zum Schweigen gebracht. Der Recke wollte nicht singen. Als Fireball ansetzte, bekam er das gleiche zu hören, wie der Kuhhirte zuvor. Patamon hörte schließlich auf zu spielen, damit die Vier am Feuer sich nicht noch gegenseitig die Hälse umdrehten. Das sollte lieber der Feind versuchen. Neuerliches Schweigen kam auf, hielt aber nicht lange. Taima brach es. „Also Pallaton“, begann er an den Scharfschützen gewandt. „Was ist jetzt mit dir? Machst du aus Aiyana in diesem Leben noch eine ehrbare Frau?“ wollte er unverblümt wissen. Diese Frage war für ihn absolut logisch. Chily und Colt kannten sich von klein auf und für jeden war klar, dass die beiden einmal den Bund der Ehe eingehen würden. Es spielte keine Rolle, ob der Cowboy in seiner Jugend auch mit anderen Mädchen Erfahrungen gesammelt hatte. Eine gewisse Fixierung auf die Hebamme hatte es dabei immer gegeben und sich in Form eines, für sie kaum ertragbar, starken Beschützerinstinktes geäußert. Aber alles an dieser Frage löste bei Saber und Fireball höchste Verwunderung aus. „Pallaton? Gibt es hier auch eine Landschaft, die so heißt? Ich kenn den Pallaton im Bakonygebirge, “ ließ Fireball irritiert verlauten. Prompt brach Taima in ungeniertes, lautes Gelächter aus. Sein Bruder stieß ihn an. „Lass das“, mahnte er mit unterdrücktem Grinsen und fragte den Rennfahrer auf Colt deutend. „Hat er dir nicht gesagt, dass sie von uns andere Namen bekommen haben?“ – „Nein, das interessante Detail muss ihm wohl entfallen sein“, meinte der Schotte, verkniff sich aber ebenfalls das Schmunzeln. Ihm war schon klar gewesen, dass Pallaton ein Name war und nichts mit dem Balaton-See zu tun hatte. „Könnt ihr uns in die Geheimnisse einweihen?“ hakte er nach. Der Kuhhirte rollte die Augen. „So hört ihr mir zu“, beklagte der sich. „Ich sagte schon, dass Chilys Name Aiyana ist. Und ich werde Pallaton genannt. Sie ist die ewige Blume, ich der Krieger.“ Dass er es vor mittlerweile einem halben Jahr mal beiläufig erwähnt hatte, übersah er dabei ganz geflissentlich. „Du wirst auf Ewig unser Kuhtreiber bleiben“, neckte der Japaner mit einem leichten Zwinkern. „Klüger ist er ja nicht unbedingt“, spottete auch Taima sofort um gleich darauf auf seine ursprüngliche Frage zurück zu kommen. „Also, Pallaton, was ist nun?“ Der Gefragte hob die Schultern. „Was soll schon sein? Kommt Zeit, kommt Rat. In meinem Fall Robin, “ gab er lapidar zur Antwort. „Robin?“ Erstaunt sahen sich die beiden Krieger an. „Na ja, Aiyana musste ja irgendwann mal genug von ihm haben, “ stellte der jüngere der beiden dann trocken fest. „Ihr kennt Robin doch schon. Das zierliche, blonde und engelsgleiche Geschöpf, das mit Aiyana bei euch im Dorf gewohnt hat, “ erinnerte der Scharfschütze die Zwei. Die wussten, wer damit gemeint war, was aber Patamon noch mehr verwunderte. „Ich dachte, sie würde zu ihm gehören“, meinte er und deute auf Saber. Jetzt musste der Rennfahrer lachen. „Ihr seid keine guten Pfadfinder, Jungs, echt nicht. Zu ihm“ Das betonte er besonders. „gehört eure - wie nennt ihr sie noch gleich? - Ailene?“ Taima klappte ungläubig den Mund auf. „Zu ihm?“ Nicht weniger überrascht war sein älterer Bruder. „Aiyana?“ Schwer vorstellbar, dass ausgerechnet der Wildfang und dieser, doch eher, Musterknabe zusammen gefunden hatten. Aber so schien es eben zu sein. „Das lässt du einfach so zu?“ wollte Patamon dann wissen. „Ich werd da gar nicht lange gefragt“, brauste der Scharfschütz sofort auf und der Irokese musste grinsen. „Ich frag mich, wieso.“ Wenn es um die Hebamme ging, hatte er sich kein Stück geändert. „Bah“, spie der empört aus. „Fang du nicht auch noch an. Chily ist meine Aiyana, “ stellte Colt noch einmal entschieden für alle klar. „Meins, deins.“ Der Recke rollte die Augen. Davon hatte er langsam aber sicher genug. „Was soll das, Colt? Jolene gehört niemanden, “ berichtigte er die Aussage des Cowboys. Beeindruckt nickte Patamon ihm zu. „Die Einstellung gefällt mir.“ Bevor der Blonde allerdings davon ausgehen konnte, dass die Diskussion damit beendet und ein neues Gesprächsthema aufkam, wandte der Bruder des Kriegers mit erhobenem Finger ein. „Ja, aber so schnell bekommt er unsere Erlaubnis trotzdem nicht.“ Ein breites Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als auch Colt sich wieder zu schaltete. „Jetzt mal halblang mit den altersschwachen Maultieren! Da hab ich noch ein Wörtchen mitzureden, ob er sie überhaupt bekommt, “ betonte er gespielt entrüstet. „Ja, da hat er den Rat der Weisen um Erlaubnis zu bitten,“ stimmte Taima ihm zu. Die Drei nahmen sich zumindest das Recht, oder auch die Pflicht, heraus, sicher zu stellen, dass ihre langjährige Freundin in gute Hände kam. Saber wurde klar, dass er sich nun einem Verhör unterziehen musste, ob er wollte oder nicht. Die Irokesen schienen in dem Punkt nicht weniger hartnäckig als der Kuhhirte zu sein. Blieb nur zu hoffen, dass sie besser als der, wussten, wann dann mal wieder Schluss sein sollte. „Na, dann bitte mal, Saber. Ich bin gespannt, wie das aussieht, “ forderte Fireball den Schotten munter auf. So allzu oft hatte er das ja noch nicht gesehen. Genau genommen erst einmal, als sein Vorgesetzter die Hebamme dazu überredete hatte mit Robin zu April nach Yuma zu gehen. „Die Bitte braucht er vorläufig noch nicht stellen. Vorher müssen wir erst mal herausfinden, ob er wir ihm überhaupt Gehör schenken wollen. Also: Saber. Warum glaubst du, gut genug für Aiyana zu sein?“ Die Frage stellte Taima mit einem fiesen Grinsen. Der Schotte musste nun verdammt gute Antworten liefern, sonst hätte er drei hartnäckige Gegner, statt einem. „Darf das Aiyana nicht einfach selbst entscheiden, was sie möchte?“ gab er etwas verständnislos zurück, was sowohl ein gutes Ablenkungsmanöver war, als auch eine berechtigte Frage. Wieder nickte Patamon beeindruckt. Natürlich war es hauptsächlich ihre Entscheidung. Es gefiel ihm, dass der Blonde das auch so sah. „Und wenn sie sich mal für was anderes entscheidet, als das, was du möchtest?“ bohrte sein Bruder weiter. „Dann wird darüber diskutiert und gemeinsam eine Entscheidung getroffen, “ erhielt er postwendend zur Antwort. Was hatte der denn? Das war doch logisch, oder nicht? „Und wer trifft diese endgültige Entscheidung? Du?“ Taima ließ sich so schnell nicht davon abbringen. Eine Beziehung musste gleichberechtigt sein, aber das war nicht für jeden Mann selbstverständlich. „Die treffen wir zusammen, hab ich doch grad gesagt, oder?“ Saber Augenbraue zuckte hoch. „Also hat sie so viel Mitspracherecht wie du“, fasste der junge Krieger zusammen. „Wo wohnt ihr?“ setzte er dann sein Verhör fort. „Ja, hat sie.“ Der Recke seufzte unterdrück. „Wir wollten nach Yuma ziehen.“ Die Irokesen tauschten ungläubige Blicke. „In die Stadt? Damit ist sie einverstanden?“ Patamon runzelte die Stirn. „Stadtrand“, berichtigte der Schotte. „Ohne ihre Pferde?“ hakte Taima nach. Sprachen sie von der gleichen Frau? War Aiyana tatsächlich bereit, solche Kompromisse ein zu gehen? Das war früher für sie so absolut indiskutabel. Aber gut, Menschen änderten sich auch. „Mit Pferden“, entgegnete Saber verwunderte darüber, dass man daran Zweifel haben konnte. Was dachten die beiden von ihm? Dass er die freiheitsliebende Hebamme in eine winzige Ein-Raum-Wohnung mitten im Zentrum von Yuma und seinem stärksten City-Lärm einsperren würde? Es würde keinen Tag dauern, da hätte sie die Flucht angetreten. Patamon wandte sich nun an Fireball. „Wie viele Vorgängerinnen gibt es und wie redet er über sie?“ Perplex starrte der den Fragesteller an. „Nicht viele und gar nicht, “ antwortete er wahrheitsgemäß. „Zahlen bitte, “ drängte Taima. „Eine ist nicht viel. Zehn auch nicht unbedingt, aber pro Monat, Woche oder Tag ist dabei auch sehr interessant. Du verstehst?“ Der Japaner konnte sich nicht verkneifen an den Fingern abzuzählen um die beiden Neugierigen ein wenig zu schocken. „Ich weiß von einer, mit der er im Zirkus geliebäugelt hat. Aber da ist nie was gelaufen. Dann war doch diese Lilly, mit der er ein oder zweimal ausgegangen ist. Eine wäre da noch, aber das dürfte nur der ehrenwerte Säbelschwinger selbst wissen, “ rechnete er vor. „Also drei, wenn man so will, “ fasste er dann zusammen undschielte zu Colt. „Was meinst du, Viehhirte?“ Missmutig nickte der zustimmend. „Der lebte auf Sparflamme. Bis er Aiyana getroffen hat, “ brummte er. „Das ist ja wohl nicht dein Lebensstil, “ schnappte der Schotte düster und verschränkte die Arme vor der Brust. Etwas grantig musterte er seine Befrager über das Lagerfeuer hinweg. Das ging doch keinen was an. „Also bist du wohl eher das Gegenteil von Pallaton“, fasste Taima zusammen. „Schon mal was von asketischer Lebensweise gehört?“ Saber hatte sich nichts vorzuwerfen. Im Umgang mit Frauen war er immer respektvoll gewesen und sein Liebesleben hatte er dementsprechend auch nie ausgeplaudert. Den aufmerksamen Irokesen-Brüdern schien das zu gefallen. Sie hatten ihn bei jeder Frage mit Argusaugen beobachtet um jede Lüge, jedes Herausreden oder beschönigen sofort enttarnen zu können. Aber der Recke war ehrlich gewesen. Jetzt grinste er doch wieder leicht. In dem Gesicht des jüngeren Kriegers zeichnete sich der Schalk ab. „Na, hoffentlich hast du dabei nicht verlernt, wie man eine Frau glücklich macht“, meinte er rotzfrech und mit bedeutungsvollem Blick. Auf der Stelle schaltete sich Colt ein. „Der hat meine Aiyana gar nicht glücklich zu machen“, erklärte er entschieden, doch Patamon winkte träge ab. „Deine Besitzansprüche, wenn sie überhaupt vorhanden waren, sind ja wohl jetzt dahin. Du hast Robin. Und Aiyana ihn. Das hättest du dir früher überlegen müssen, “ gab er trocken zurück. „Colt war noch nie der große Denker, “ stichelte Fireball und erntete Zustimmung von dem älteren der beiden Brüder. „Nicht oberhalb der Gürtellinie.“ Der jüngere lehnte sich zufrieden zurück. „Also ich finde, Bruder, sie hat eine ganz brauchbare Wahl getroffen, “ grinste er. „Brauchbar? Recht viel besser könnt es Chily gar nicht treffen, “ schlug sich der Rennfahrer sofort für seinen Boss in die Bresche. Diese Abwertung konnte er nicht auf sich beruhen lassen. „Ach, warum nicht?“ hakte Patamon, halb belustigt über den Enthusiasmus, halb gespannt auf die Antwort, nach. Der Gefragte grinste spitzbübisch. „Alles ist besser als Colt.“ – „Warum dann ihn“ Taima beugte sich wieder vor und deute auf Saber. „und nicht dich?“ kratzte er so gleich an dem Punkt nach. „Der“ Colt wies nun auf den Rennfahrer. „läuft schon außerhalb des Rankings“, meinte er. „etwas unrund, aber naja. Was will man von einem Seifenkistenpiloten schon erwarten?“ fuhr er fort und grinste, zufrieden mit seiner kleine Retourkutsche. Patamon wurde still und schaute Saber an. Diese Angelegenheit konnte man nur halb ernst nehmen und die für ihn entscheidende Frage war noch nicht gestellt. „Wenn du an Aiyana denkst, was ist das erste, was dir einfällt?“ wollte er deshalb wissen. Eine gute Antwort darauf, und weder er noch Taima würden sich je ungefragt in diese Beziehung einmischen. Eine schlechte Antwort und die beiden würden, sobald sie das Gefühl hatten, etwas würde aus dem Ruder laufen. Der Recke schloss die Augen und hörte einen kurzen Moment in sich hinein. „Ihr gutes Herz, ihre grenzenlose Liebe, ihr Lächeln und ihre Unbeschwertheit“, antwortete er dann und den Kriegern entging nicht, dass dies eine Antwort aus tiefster Seele war. Höchst zufrieden lehnten sich nun beide zurück. Taima, der heute offensichtlich einen Clown gefrühstückt hatte, hatte aber noch eine Frage. „Und wann willst du aus ihr eine ehrbare Frau machen?“ Er unterdrückte ein Grinsen. Das war eher rhetorisch, aber der Schotte gab ehrlich Auskunft. „Ich weiß noch nicht.“ Wieder winkte Patamon mit seiner großen, schlanken Hand ab. „Wann auch immer, ich hoffe doch, wir sind zu diesem Fest eingeladen.“ Sein Bruder deutete auf Colt. „Wenn der dir Ärger macht, sag uns Bescheid. Wir wüssten da noch so ein zwei Sachen um ihn wieder zur Vernunft zu bringen.“ Fies blinzelte er zu dem Scharfschützen. „Sag sie mir, die kann ich auch gut gebrauchen“, bat der Rennfahrer augenzwinkernd. „Du brachst dazu Brennnesseln und freie Bahn“, erwiderte der Irokese mit bedeutungsvollem Räuspern, wobei er auf die Lendengegend wies. Während Fireball und Saber sich nun verwundert ansahen, erinnerte sich der Kuhhirte genau an diesen äußerst unangenehmen Vorfall. Hinun hatte ihn und die Brüder für ein paar Tage zu einer Wanderung durch die Wälder mitgenommen. Sie hatten sich unter allerlei Unsinn in einem Fluss gewaschen. Colt und Taima hatten mal wieder ihre Wettkämpfe im Kopf gehabt, in deren Folge der, vom Baden noch nackte, kleine Lockenkopf gestolpert und in einen Brennnesselstrauch gefallen war. Sein Körper hatte entsetzlich gebrannt und gejuckt, vor allem in dem Bereich, den später der Lendenschurz bedeckte. Das war wirklich eine fiese Sache gewesen. „Das erklärst du mir bei Gelegenheit mal genauer, wenn der“ Fireball zeigte mit dem Daumen auf den Kuhhirten. „nicht dabei ist.“ – „Der“, wies Colt auf sich selbst. „schießt nicht noch mal aus Versehen einen Pfeil auf deinen Hintern. Das nächste Mal wird das ein wohlgezielter Volltreffer, Taima, “ warnte er den alten Freund. „Bei der Trefferquote, die du in letzter Zeit an den Tag legst, schießt du meilenweit daneben, Kumpel, “ bemerkte Saber trocken. „Vor allem mit Pfeil und Bogen, “ ließ sich nun auch Patamon vernehmen. „Es war damals schon ein Wunder, das er überhaupt was getroffen hat, “ ergänzte er dann. „Ich glaub, er hat den Beruf verfehlt. Wir müssen demnächst aus dem Scharfschützen wohl einen Blindfisch machen, “ stichelte der Pilot. „Reiten konnte er auch ewig nicht, “ informierte Taima fröhlich. „Was der immer vom Pferd gefallen ist. Und vor allem Wie.“ Diese Neckereien auf Kosten des Cowboys fanden alle ganz lustig, bis auf den Betroffenen. „Ungewöhnliche Abstürze verursacht er heute auch noch. Bei jeder Gelegenheit, “ stellte der Blonde fest. Colt hatte genug. So massive Späße auf seine Kosten vertrug er nicht. Frustriert lehnte er sich zurück. „Das hat man nun davon, dass man als Kind auch nur was gelernt hat und sich als Freund um Leute einfach nur Sorgen macht“, grummelte er eingeschnappt. Wieso verstand ihn eigentlich keiner? „Du lernst immer noch“, erkannte Fireball amüsiert. „Das tun wir alle“, sagte Patamon versöhnlich um den Bogen nicht zu überspannen und den Freund nicht weiter zu verärgern. „Es ist nicht genug zu wissen, man muss es auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen, man muss es auch tun, “ zitierte Saber abschließend eine kleine Weisheit auf die hin leicht genickt wurde. Die Dunkelheit verhieß schon längst, dass man schlafen gehen sollte. Die nächste Wachablösung kam bestimmt. Im Morgengrauen. Also höchste Zeit noch etwas Energie zu tanken. Sie krochen in ihre Schlafstätten. In der Nacht hatte Regen eingesetzt, der am Morgen in Niesel übergegangen war. Die Luft war klamm, der Himmel grau und wolkenverhangen. Nebel hing in den Wiesen und Bäumen. Es wurde Herbst. Zwei Personen von gleicher Größe streiften durch die Dunstschwaden. Die schlanke, athletische des Cowboys, der seinen Hut weit in den Nacken geschoben hatte und mit festem Schritt voran ging, begleitet von der des Häuptlings, der stolz und gelassen neben ihm schritt. Hinuns wacher Blick galt den Wäldern genauso wie seinem Paten, dem er wie sein Großvater war. Colt hatte viel Achtung vor ihm. Mehr, als vor irgendwem sonst. Niemals zog er etwas ins Lächerliche, das der Häuptling sagte. Stattdessen hörte er aufmerksam zu und versucht umzusetzen und anzuwenden, einen erteilten Ratschlag zu befolgen. Eine Eigenschaft, die die Freunde des Scharfschützen manchmal vermissten. Vielleicht lag es daran, dass Hinun ein mystischer Name war und Zeit seines Lebens der Mann eine Mystik ausgestrahlt hatte, der Colt sich nicht entziehen konnte. Sie war Respekt einflößend. In der Stille des Forstes und der Undurchdringlichkeit des Nebels schien sie noch stärker zu wirken als normalerweise. Der Irokese schien sich dessen auch bewusst zu sein und nutze diese Wirkung, als er das Gespräch begann. „Es ist für dich langsam an der Zeit, loszulassen, Pallaton.“ Colt sah ihn einigermaßen überrascht an. Er hatte nicht mit einem Gespräch an diesem ruhigen Morgen gerechnet, noch weniger mit einem offenbar sehr ernsthaften. Dem Älteren nicht gleich folgen könnend hakte er nach. „Was loslassen?“ – „Deine Freunde, denn du bist in deiner Freundschaft sehr besitzergreifend“, antwortete Hinun ruhig. „Ich bin besitzergreifend?“ wiederholte Colt, wies mit dem Finger auf sich und machte reichlich erstaunte Augen. Ihm waren ja schon viele schlechte Eigenschaften nachgesagt worden, aber diese war noch nicht dabei. Der Häuptling nickte nur bedächtig. „Und bestimmend“, fügte er hinzu, so dass dem Scharfschützen der Kiefer ins Bodenlose klappte. Weder das eine, noch das andere wollte er sein. „Das trifft alle deine Freunde schon immer“, fuhr der Indianer fort. „Vor allem aber deine guten Freunde. Ich weiß, es fällt dir schwer und du willst nur das Beste für sie, aber lass ihnen die Freiheit für sich selbst zu entscheiden, was gut für sie ist. Ganz besonders, wenn sie dir nahe stehen.“ Wenn Hinun dies so sagte, dann stimmte es. Ob der Kuhhirte wollte oder nicht, diese Eigenschaften trafen auf ihn zu. „Aber sie entscheiden doch, was sie wollen. Ich werde ja nie um Erlaubnis gefragt. Vor allem Aiyana macht was sie will. So wie immer, “ versuchte der Cowboy abzuwiegeln. So hatte er nie werden wollen. „Siehst du. Weshalb denn auch? Es ist ihr Leben und sie wissen, was sie tun.“ Hinun setzte seinen Weg fort. Während er mit seinem Patensohn sprach, ließ er weder ihn, noch die Umgebung aus den Augen. Nichts entging seinem Blick. Unterdessen versuchte Colt weiter für sich abzustreiten, dass er besitzergreifend und bestimmend war, oder diesen Eigenschaften etwas Positives abzugewinnen. „Ach was. Da passiert doch ein Mist nach dem anderen, “ grummelte er vor sich hin. Eigentlich nicht für das Ohr des anderen bestimmt, aber da hatte er den Älteren unterschätzt. „Unverhofftes, ganz gleich in welcher Weise, geschieht immer. Das Schicksal lässt sich nicht lenken, nicht kontrollieren und bestimmen erst recht nicht. Achte die Meinung der andren, auch wenn sie nicht deiner entspricht, sonst engst du deine Freunde zu sehr ein und gibst ihnen das Gefühl, entmündigt worden zu sein, “ ließ der sich vernehmen und schenkte dem verwunderten Zuhörer einen warmen, mahnenden Blick. „Das kann ihnen irgendwann zu viel werden, Pallaton.“ Der senkte den Blick und kaute betroffen auf der Unterlippe. Das Lesen in den Köpfen anderer Menschen hatte Chily eindeutig von dem Stammesoberhaupt gelernt. „Sie sollten wissen, wie ich das meine“, murmelte der Scharfschütze. „Das tun sie. Sie haben auch Verständnis, aber auch das ist irgendwann am Ende. Pallaton, alles hält auch die beste Freundschaft nicht aus. Vor allem dann nicht, wenn sich der Freund in Lebensbereiche einmischt, die ihn wirklich nichts angehen. Wie würdest du dich fühlen, wenn dir Saber die Ehe zu Robin verbieten würde? Oder Fireball und April dir vorschreiben würden, wann du alt genug für Kinder bist?“ gab der Irokese zurück. Ruhig und gelassen, seine Stimme war warm und ernst. Genau die Tonlage, der Colt sich noch nie entziehen konnte. Sie brachte ihn dazu, aufmerksam zu lauschen und tief in sich zu gehen. Sie brachte ihn dazu, sie zwang ihn nicht. „Das ist doch was anderes. Erstens würden sie das nie tun und zweitens, “ versuchte er abzustreiten, aber während er sprach, fiel ihm selbst auf, wie unsinnig das klang. Er seufzte leicht. „Aber du tust es, Pallaton. Deine Freunde haben im Gegensatz zu dir diese Grenze erkannt und überschreiten sie nicht. Sie geben dir das Recht und die Freiheit, selbst zu entscheiden, was du willst. Sie reden dir nicht rein, aber sie werden dich immer in deinem Tun unterstützen. Das solltest du lernen.“ Hinun hatte das Gespräch der drei Starsheriffs und der beiden Irokesenbrüdern am Vorabend mitbekommen. Aufmerksam hatte er nicht nur die Worte, sondern auch die Mimik und Gestik aufgenommen. So hatte er genau erkannt, was in den Einzelnen vor sich ging. „Ich unterstütze sie doch auch. Aber ich werde doch sagen können, was ich denke. Deswegen helfe ich ihnen doch trotzdem, “ versuchte Colt noch einmal das Beste aus diesen Vorwürfen hervorzuheben. Der Häuptling unterdrückte ein Seufzen. Das war Pallaton. Nicht unbelehrbar, aber er tat sich eben schwer damit, etwas einzusehen, wenn es nicht zu seinen Gunsten war. „Du sagst nicht, was du denkst. Du sagst ihnen, wie du es an ihrer Stelle machen würdest, das ist ein wesentlicher Unterschied. Aber erst wenn man jeden Schmerz gespürt und alle Tränen geweint hat. Wenn sie Tropfen für Tropfen auf das Herz gefallen sind, dann kommt die Weisheit. Für jeden. Jeder Weg ist der richtige, solange man ihn mit sich selbst vereinbaren kann.“ Der Irokese zog den Umhang um seine Schultern etwas straffer. Die morgendliche nasse Kälte begann sich ihren Weg in die Knochen zu bahnen. „Aber wenn ich mich nicht einmischen würde, hätte zum Beispiel Aiyana früher in manchen Sachen viel mehr Ärger gehabt“, wehrte der Cowboy ab. Dass er seiner besten Freundin so nie die Chance gelassen hatte, das Gegenteil zu beweisen, ging ihm erst auf, als er den Satz beendet hatte. „Sie hatte aber auch viel Ärger deinetwegen“, lächelte der Ältere warm und ergänzte dann. „Aiyana kann sehr gut auf sich aufpassen, Pallaton. Sie ist eine selbständige, kluge junge Frau. Verbau ihr nicht ihre Chancen mit deinen vorgefassten Meinungen und Plänen für sie. Sie hat ohnehin schon gefunden, was sie glücklich macht.“ Auch das war ihm nicht entgangen. Er konnte sich noch gut an den Tag erinnern, als seine Patentochter mit der anderen jungen Frau, dieser Robin, hier Schutz gesucht hatte. Er erinnerte sich noch genau an den Glanz in ihren Augen, wenn von einem gewissen Saber Rider gesprochen wurde. Und eben jener hatte gestern Abend so viel Liebe in der Stimme gehabt, als er von Aiyana gesprochen hatte. Hinun lächelte versonnen. Aiyana Etu. Dieser Saber war die Sonne der ewigen Blume. „Ach komm schon, Hinun“, protestierte Colt und holte das Stammesoberhaupt aus seinen Gedanken zurück. „Wenn ich nicht aufgepasst hätte, wäre sie womöglich schon längst mit irgendeinem Hallodri wie mir verheiratet und hätte Saber nie kennen gelernt.“ Während seiner Abwesenheit hätte der Scharfschütze das nicht verhindern können, weshalb es seine einzige Sorge gewesen war, wenn er an seine Jugendfreundin gedacht hatte. Aber er wusste, dass seine Argumente nicht wirklich etwas taugten. Bei diesem Gespräch mit seinem Patenonkel konnte er nur das Wortgefecht verlieren. In späterer Folge, wenn er alles überdacht hatte, konnte er allerdings nur gewinnen. Hinun legte ihm die Hand auf die Schulter. Colt hob den Kopf und sah ihm fest ins Gesicht. Sehr ernst schloss der Häuptling die Unterhaltung nun ab. „Pallaton, ich rate dir dringend: Lass vergehen, was vergeht. Es vergeht, um wiederzukehren. Es altert, um sich zu verjüngen. Es trennt sich um sich inniger zu vereinen. Es stirbt um lebendiger zu werden. Lass los, Pallaton.“ Dann ließ er die Hand sinken und setzte seinen Streifzug durch den Wald fort. Colt folgte ihm, tief in Gedanken und Überlegungen. Hinuns Mystik hatte wieder ihre volle Wirkung entfaltet und ihn in seinen Bann gezogen. Die Ereignislosigkeit der nächsten beiden Tage, in denen man darauf wartete, dass der Feind in die Falle tappte, verbrachte Colt mit intensivem Brüten über die Worte des Häuptlings. Roland runzelte die Stirn, als er die Unterlagen auf der polierten Platte seines wuchtigen, antiken Schreibtisches durchsah. Draußen schob die Sonne die dichten Regenwolken fort und strahlte kräftig in sein Büro. Ganz so, als wollte sie seine Aufmerksamkeit auf dieses Schreiben, welches er nun zur Hand nahm, lenken. In den Vorbereitungen auf die Ankunft und den Schutz der drei jungen Frauen war ihm wohl entgangen, dass er einen neuen Chauffeur eingestellt hatte. Liam Max Liddow. Das war ja vollkommen in Vergessenheit geraten. Daran konnte er sich überhaupt nicht mehr erinnern. Aber die Unterschrift auf dem Blatt sah aus wie seine. Wo hatte er nur seinen Kopf gehabt, dass er in solch einer Situation neues Personal einstellte? Was wusste er, ob dieser Mann vertrauenswürdig war? Er wusste es nicht. Aber vorläufig konnte er ihm Martin Sole zur Seite stellen. Zur Einarbeitung. Dieser Chauffeur genoss sein Vertrauen und konnte den Neuen im Auge behalten. So etwas hatte ihm, Roland, nicht passieren dürfen. Nun konnte er nur noch das mögliche Risiko so gut es ging eindämmen. Sein Blick glitt vom Schreibtisch zum Fenster. Vier junge Frauen schlenderten in Richtung des frühherbstlichen, oder spätsommerlichen, Schlossparkes. Drei von ihnen versuchten nicht daran zu denken, dass sie sich Sorgen um ihre Freunde machten. Die Vierte im Bunde war die schwarzhaarige, glutäugige, zukünftige First Lady des Königreiches Jarr. Angelique, seine Verlobte, war eine elegante, ruhige Frau, in deren Augen dennoch ein gewisses Feuer loderte und die verrieten, dass sie gelegentlich aus ihrer ruhigen Fassade ausbrechen konnte, wann ihr die sporadisch überhebliche Art ihres Bräutigams zu viel wurde. Grundsätzlich war sie die duldsame Schönheit, die ihm den Rücken stärkte. Doch konnte sie ihm, wenn sie es für nötig hielt, hinter verschlossener Tür auch so gehörig die Leviten lesen, dass er meinte, er stünde vor seinem Vater. Jetzt war sie die Trösterin, die Robin, April und Chily aufmunterte und auf andere Gedanken brachte, wofür die drei wirklich ausgesprochen dankbar waren. Es war sehr interessant gewesen, was Angelique ihnen über das Anwesen erzählt hatte. Robin und April liebten Schlossbesichtigungen, die Hebamme jedoch hielt es in Räumen kaum aus und war sehr glücklich, als das Frauen-Quartett den Rundgang im Garten fortsetzte. „Also, der Park ist wirklich unheimlich schön“, schwärmte sie begeistert. „Da weiß man, wo der Hochadel wohnt“, erklärte auch April beeindruckt. „Ich könnte glatt alles vergessen.“ Chilys Augen glitten fasziniert glänzend über die prächtigen Blumen, Sträucher, Hecken und Bäume in einer Vielfalt, die sie nie erwartet hatte an einem Ort vorzufinden. „Dann fühlt ihr euch hier also wohl. Das freut mich, “ bemerkte die Verlobte des Kronprinzen zufrieden. Ihre größte Sorge war, dass sie ihren Gästen nicht genügend Zerstreuung und Erholung bieten konnte. Doch es schien ihr für den Moment gelungen zu sein. „Ja, es ist sehr leicht, hier auf andere Gedanken zu kommen“, antwortete Robin und fügte leiser hinzu. „Wenn auch nur bis zum Abend.“ Dies war leider Tatsache. So einfach es auch war, sich bei Tage abzulenken, so unbarmherzig schlug die Sehnsucht, Angst und Einsamkeit des Nächtens zu und brachte jede von ihnen um den Schlaf. Am schlimmsten traf dies April, die zudem noch unter der Schwangerschaft und den dadurch hervorgerufenen Gefühlsschwankungen litt. Auch jetzt schlug ihre Stimmung um. „Oder bis gerade eben“, murmelte sie und strich sich leicht über den Bauch, der in dem wärmenden Wollkleid noch wuchtiger wirkte, da es unterhalb der Brust weit und locker fiel. Ihre Hebamme hatte sie vor den kühlen, herbstlichen Winden gewarnt, die man noch nicht als solche wahrnahm und die deshalb so leicht zu einer Erkältung führen konnten. „Wie geht es ihr?“ fragte die nun und nickte leicht in Richtung der Wölbung. Traurig schaute April sie an. „Vermisst ihren Vater“, erwiderte sie. „So wie ich.“ Chily nickte verstehend. „Du musst ihr hin und wieder was vorsingen. Wenn die Mütter viel singen, werden die Kinder fröhlicher, “ meinte sie dann aufmunternd und überlegte laut. „Wie ging das Lied noch gleich.“ Sie legte den Finger auf den Mund legt und runzelte grüblerisch die Stirn. Dann zeichnete sich die Erinnerung in ihrem Gesicht ab und sie stimmte an. „Smile to me ... like the very first smile ... you are from heaven sent ... when you really sent ...” – „Ich hätte bei den Musikstunden nicht schwänzen sollen,“ lächelte die werdende Mutter. „... Laugh with me ... like the very first laugh ... you are from heaven sent ... when you really sent.” Angelique schaute die beiden verwundert an. Erst recht, als Robin mit einstimmte. „… speak to me … like the very first speak … you are from heaven sent … when you really sent …” Die Schwarzhaarige staunte nicht schlecht, freute sich aber über diese kleine Einlage. Dann verhaspelten sich die zwei und kicherten über den Unsinn, den sie zusammen gesungen hatten. Aber die Rechnung war aufgegangen. April wurde wieder etwas heiterer. „Baby, I am missing you …,“ begann sie ihrerseits und erhielt recht unerwartet von ihrer Gastgeberin gesangliche Unterstützung. „…. I want you by my side …“ Erstaunt tauschten die Lehrerin und die Geburtshelferin einen Blick und ganz leise flüsterte Chily in Robins Ohr. „Da waren wir aber besser.“ Tadelnd stupste April sie an. „Das haben wir gehört“, informierte sie leicht schelmisch. Prompt wurde die Angesprochene rot und verlegen, wie Colt, wenn er eines seiner berühmten Fettnäpfchen erwischte. „Aber es ist doch leider wahr“, wandte sich dessen Schulfreundin unbeholfen. „Das weiß ich auch“, grinste Ramrods Navigatorin. „Aber ich bin immer noch besser als Fireball“, betonte sie dann. „Niemand singt schlimmer als Colt“, behauptete Robin sogleich. „Habt ihr schon mal Saber gehört?“ hakte die Hebamme nach. „Roland kann niemand das Wasser reichen“, versicherte dessen Zukünftige. „So lange sie nur unter der Dusche krähen, wie alte Raben, die man von ihren Leiden erlösen sollte, geht es ja noch. Schlimm wird es, wenn sie etwas intus haben und in der Öffentlichkeit singen, “ stellte die Lehrerin sachlich fest. „Oder wie auch immer sie das nennen.“ Genauso nüchtern gab April Auskunft. „Das nennt man eher Grölen. Ganz gern wird das auf Siegesfeiern gemacht und zwar so lange, bis man keine Stimme mehr hat.“ Verständnisvoll nickten sich die Frauen zu. Ja, mit diesem Problem stand keine von ihnen allein da. „Und dieses Stadium zögert sich immer viel zu lange raus“, bestätigte Angelique. „Amen. Dean war in diesem Punkt ein besonders bemerkenswertes Exemplar. Er war ein genauso mieser Sänger, wie Liebhaber und konnte nie verstehen, wie ocj letzteres so sicher beurteilen konnte, “ berichtete Chily und ergänzte bedeutungsvoll grinsend, „nach zwei Minuten.“ Über die kleinen Unzulänglichkeiten ihre Männer zu spötteln, war wohl die beste Art, an sie zu denken ohne in Trübsinn zu versinken, weshalb dieses Gesprächsthema bis zum Abendessen anhielt. Robin und Chily erkundeten anschließend noch ein wenig das Anwesen, während April sich auf ihr Zimmer zurück zu. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, bald würde es Nacht sein. Die, für Colt wichtigsten, beiden Frauen spazierten an den Stallungen vorbei, schauten den Angestellten ein wenig bei der Arbeit zu und plauderten über Bedeutungslosigkeiten. Ganz gleich wie banal der Gesprächsstoff war, er war es wert besprochen zu werden um nicht vor Kummer zu vergehen. Wie Schatten folgten ihnen so diskret wie möglich zwei von Prinz Rolands Wachleuten. Die beiden jungen Frauen passierten die Garagen. Fireball würde ihnen sicher lang und breit erklären können, was für Fahrzeugtypen die beiden Limousinen davor waren, wie schnell sie fuhren, wie viel Hubraum, Motorleitung und der gleichen sie hatten. Das alles gewürzt mit dem Fazit, dass sie für die Rennstrecke nichts taugten. Sole und Liddow, die beiden Chauffeure prüften gerade Tank und Reifendruck. Beide grüßten freundlich, als sie die Frauen sahen. Robin erwiderte den Gruß, Chily blieb er im Hals stecken. Sie schaffte es noch die Hand zu heben um zu grüßen und ihren Schreck zu überspielen. Das Gefühl von Sicherheit war eben flöten gegangen, als sie Liddow in die Augen gesehen hatte. Die waren, das erste Wort, welches ihr einfiel war, berechnend. Dieser Mann tat alles nur aus Kalkül. Wenn er zu jemandem etwas Nettes sagte, dann nur um Pluspunkte bei demjenigen zu sammeln, aber nicht, weil er es so meinte. Ihm zu vertrauen hielt die Hebamme für einen Fehler. Außerdem hatte sie das Gefühl, der Fahrer starre die Lehrerin ein wenig zu lange an. Damit stand für Chily fest, dass etwas nicht stimmte. Rasch wandte sie sich wieder Robin zu und setzte das Gespräch fort. Über ihre Ahnung wollte sie nicht reden um die Verlobte ihres besten Freundes nicht zu beunruhigen. Genauso gut war es auch möglich, dass sie überempfindlich nach all den Vorfällen war. Doch zur Sicherheit würde sie mit dem Kronprinzen reden. Sicher war der Hebamme es nicht entgangen, was in Robin vorging. Das Gespür der Freundin musste ihr gesagt haben, wie hilflos sich die Lehrerin fühlte. Ihre Unsicherheit verbarg sie jedoch in dem sie besonders auf die werdende Mutter Acht gab. So lange sie sich darauf konzentrierte, war es zu ertragen. Doch so bald Robin allein war, war die Angst ihr Gesellschafter. Jetzt war sie allein auf ihrem Zimmer und blickte in den nächtlichen, von mattem Licht erhellten Hof. Keiner der drei Männer hätte sie zu Roland gebracht, wenn sie nicht davon überzeugt wären, dass ihre Herzdamen hier in Sicherheit wären. Doch ähnlich wie die Hebamme hatte auch Robin das Gefühl etwas wäre nicht in Ordnung. Der Eindruck beobachtet zu werden, kam nicht von ihren Bodyguards sondern aus dem Dunkel, in welches sie gerade schaute. Ganz sicher. Sie runzelte die Stirn. Oder lagen doch nur ihre Nerven blank? Der Fall war zermürbend für jeden von ihnen. Mit zittriger Hand löste Robin die Kordel am Vorhang und zog den schweren Stoff vor das Fenster. Sie sollte wohl besser versuchen zu schlafen. Vielleicht konnte sie das heute Nacht etwas besser, als in der zuvor. Die Lehrerin ging ins Bad um sich zu richten. Sie vermisste Colt und die Sicherheit, die er ihr gab. Ihr fehlte sein loses Mundwerk und sein keckes Grinsen, genauso, wie der Blick aus seinen blauen Augen, der sie zu streicheln schien. Wieso nur fühlte sie sich in letzter Zeit ohne ihn nur so unsicher. Wenn sie ihn nicht hatte zu einem Rodeo begleiten können, hatte er ihr doch auch gefehlt. Allein war sie auch da nicht gern gewesen, aber jetzt fühlte sie sich angreifbar. Sie schlüpfte unter die Decke, als wäre die ein Schutzschild. Wahrscheinlich lag das alles an diesem Fall. Zur gleichen Zeit klopfte Chily etwas verlegen an die Tür zu Prinz Rolands Salon. Verlegen deshalb, weil sie zu recht vorgerückter Stunde mit einem Anliegen bei ihm antrat, dass ihm seltsam vorkommen musste. Wer sie nicht kannte, das hatte sie gelernt, tat sich schwer damit auf ihre Intuition zu vertrauen, aber genau die war es, die sie nun hierher geführt hatte. Auf den verwunderten Ruf hin, trat sie ein. „Roland, kann ich Sie kurz sprechen, bitte.“ Doch sehr erstaunt schaute der seinen Gast an. „Was aben Sie auf dem Erzen, Miss Jolene?“ fragte er und erhob sich rasch von dem Sekretär, an dem er eben noch mit Schreibarbeiten beschäftigt war. Vorsichtig schob sie sich durch die Tür und schloss diese rasch. „Tja, ähm“, räusperte sie sich unsicher. „Wie jetzt?“ Die Verwirrung in seinem Gesicht blieb unverändert, weshalb sie sich entschied, direkt auszusprechen, was sie sagen wollte. „Also, ich fühl mich irgendwie nicht sicher. Als wäre Gefahr vor Ort.“ Dass der Kronprinz jetzt auch noch die Stirn in Falten legte, wunderte sie überhaupt nicht. Was sollte er denn von ihrem Auftritt halten? Mit einer Hand wies er einladend auf einen Sessel am Fenster und nahm selbst in dem gegenüberstehenden Platz. „Aber wesalb denn?“ wollte er wissen. Sie setzte sich und strich sich den Rock glatt. „Schwer zu sagen, ohne das es irgendwie albern klingt“, gestand sie, „aber ich hab das Gefühl, als würde jemand hinter meinem Rücken die Messer wetzen. Verstehen Sie?“ Eigentlich erwartete sie, dass er sie als übergeschnappt, neurotisch oder wichtigtuerisch abkanzeln würde, doch das blieb aus. Saber hatte wohlweißlich Roland von ihren Eingebungen in Kenntnis gesetzt und ihn gebeten, diese ernst zu nehmen, wie eigentümlich sie auch anmuten mögen. „Sie sind ier in Sischereit, werte Jolene. Meine Wachen werden Sie beschützen, “ versicherte ihr der Thronfolger sachlich. „Ich habe dies Gefühl aber immer, wenn Ihr Personal in der Nähe ist. Also, Ihre Chauffeure, “ entgegnete sie. „Saber sagte, ich könne Ihnen vertrauen und spüre, dass er Recht hat, deshalb sage ich Ihnen offen, auch wenn ich es nicht begründen kann, einer von denen ist nicht, nun ja, vertrauenswürdig.“ Verstehend nickte der Blaublütige. „Saber at eine gute Menschenkenntnis, Miss Jolene. Wenn er Ihnen vertraut, dann werde isch das auch tun. Ich werde meine Fahrer überwachen lassen, aber versprechen kann isch nischts.“ Auch wenn er sie nicht ausgelacht hatte, wie sie erleichtert feststellte, wagte sie kaum zu fragen. Sie kaute grüblerisch auf ihrer Unterlippe und entschied sich, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. „Können Sie die nicht irgendwie loswerden? In den Urlaub schicken oder so?“ hakte sie nach. Bedauernd schüttelte er den Kopf. „Das kann isch nischt, Miss Jolene. Es tut mir leid. Wir aben den zweiten Fahrer gerade erst eingestellt, er wird noch eingeschult. Aber ich verspreche Ihnen, dass wir ein Auge auf sie aben werden, “ antwortete er. Roland mochte als unnahbar gelten, zumindest bei seinen Gegnern, doch er war es nicht. Er hatte eine recht genaue Vorstellung davon, was in seinen Gästen vorgehen mochte, auch wenn er es nach außen hin zu ignorieren schien. Doch eben diese Ansicht hatte ihn dazu veranlasst, seine Verlobte in diese Angelegenheit einzubeziehen und mit dem nötigen weiblichen Feingefühl für Trost und Ablenkung zu sorgen. Er bedauerte ehrlich, dass er nicht mehr für die Hebamme tun konnte, doch würde er ihrer Bitte nachkommen, würde den möglichen Spitzel wissen lassen, dass er ihm auf der Spur war. Dieser würde seine Taktik ändern, was den Schutz der Frauen erschweren konnte. Oder aber er ließ den Eindruck entstehen einen vielleicht Unschuldigen auf dem Kicker zu haben. Beides konnte er sich nicht leisten. Ohne dass er diese Rechtfertigung aussprach, nickte die kleine Hebamme nun. „Danke.“ Dann stand sie auf und verließ den Raum. Gleich darauf griff Roland nach dem Haustelefon und sprach mit seinem ersten Wachmann. Taima und Patamon liefen mit Fackeln voraus und leuchteten den Weg ins Innere der Mine. Längst hatten die fünf die alten Schächte, in denen es elektrische Beleuchtung gab, hinter sich gelassen. Die Pfade, die sie nun beschritten, waren noch unbefestigt und führten tief in den Berg hinein. Der unebene Boden erschwerte das Vorankommen in dem kargen Licht. Die Wölbungen an den Wänden warfen Schatten. Das Gestein war feucht und kalt. Gelegentlich mussten sie sich ducken, so niedrig war der Gang. Teilweise pressten sie sich durch Engstellen. Schweigend und prüfend sahen Fireball und Colt sich um. Seit sie die Mine betreten hatten, suchten die beiden nach günstigen Punkten um Sprengstoff anzubringen. Sollte es hier Alkalit geben, würde es nie zu Tage gefördert werden. Saber, unterdessen, begutachtete den Fels. Er lief hinter Patamon und vor Taima. Seine Hände glitten über den Stein an der Decke und den Wänden um zu ertasten, ob sie das so wertvolle Gut in sich bargen. Eine Erschütterung an der richtigen Stelle, so schoss es ihm durch den Sinn, und nichts bliebe von ihnen übrig. Der Berg würde sie begraben. Aber die Gefahr, dass der Feind dafür in genau diesem Moment sorgen würde, war gering. Der Grund, weshalb noch kein Angriff erfolgt war, lag nicht nur in der offensichtlichen Falle, sonder auch in der Ungewissheit über den Schatz des Berges. Sicher würde der Gegner erst zu schlagen, wenn er sicher war, dass es hier etwas zu holen gab. Deshalb erkundeten sie nun das Innere des Felsen. Vor einer Wand blieb Patamon stehen. Der Pfad endete hier. Der Recke trat etwas näher. Im Schein der Fackel war zu erkennen, dass hier Gesteinsproben entnommen worden waren. Wie lange das her war, konnte er nicht sagen. Trotzdem war er sicher, dass es dreißig Jahre her war. Wären sich die Outrider ihrer Sache sicher, wäre Pennyrile längst angegriffen worden. Sein Blick fiel auf den Boden. Ein Brocken war dort vergessen worden. Er hob ihn auf. „Gehen wir“, sagte er. Die einzigen beiden Worte, die seit einer guten Stunde gesprochen worden waren. Sie machten sich auf den Rückweg. Ramrod würde ihnen erzählen, was es zu dem Stein wissenswertes zu erzählen gab. Sabers Computerkonsole verfügte über ein Gerät, mit dem er kleine Fundstücke einer Spektralanalyse unterziehen konnte. Was auf den ersten Blick wie ein zu klein geratener Scanner aussah, beinhaltete eine Waage und Taststrahlen, die in das zu untersuchende Objekt eindrangen und seine Zusammensetzung feststellten. Was nun auf diesem Instrument lag, mochte wie ein gewöhnlicher Stein aussehen, war jedoch zu leicht dafür. Die Daten, die der Computer über die Beschaffenheit ausspuckte, ließen die Miene des Recken ernst werden. Seinen Freunden entging das nicht. Dass er so lange kein Wort sagte, gefiel ihnen nicht. Er starrte aufmerksam auf die Ergebnisse und schien alles andere vergessen zu haben. „Blöde Frage“, begann Fireball deshalb. „Woran erkennt man jetzt, ob wir da Alkalit mitgenommen haben?“ wollte er ratlos wissen. „Zum einen an der Zusammensetzung da“, antwortete der Gefragte und deutete auf den Monitor. „Und zum anderen“ Er nahm das Bröckchen von dem Analysator, schob sich aus seiner Satteleinheit und zwischen den Kameraden hindurch und legte ihn auf den Boden. „daran.“ Damit trat er so weit von dem Stein weg, dass er ihn gerade noch mit der Hand erreichte und zündete ihn mit einem Feuerzeug an. Für die geringe Größe schoss doch eine beträchtliche Stichflamme in die Höhe und loderte heiß. „Ich hol den Feuerlöscher!“ Colt drehte auf dem Absatz um und wollte seinen Worten Taten folgen lassen, aber der Schotte hielt ihn zurück. „Bleib hier.“ Er zeigte auf das brennende Material. „Es ist gleich alles abgebrannt.“ Der beeindruckte Gesichtsausdruck des Rennfahrers verzog sich zu einem hämischen Grinsen. „Jaja, gebranntes Kind scheut das Feuer“, stichelte er mit bedeutungsvollem Blick auf den Scharfschützen. „Was hast du als Zwerg bloß zusammen gekokelt?“ Wie nah er damit der Wahrheit war, wollte Colt nicht enthüllen. „Ich will nur sicher gehen, dass er von dem Kiesel spricht und nicht von unserem Riesenbaby, “ behauptete er. „Siehst du, schon vorbei, “ informierte Saber und wies auf das Aschhäufchen, welches zurück geblieben war. „Fazit: In der Mine befindet sich Alkalit, “ fasste er zusammen und stand auf. „Und die gute Nachricht?“ hakte der Cowboy nach. „Noch wissen nur wir es“, bemerkte der Pilot trocken und verschränkte die Arme vor der Brust. „Lass mich raten: Noch ist das Wort mit der Betonung. Mal ernsthaft, allzu lange wird Jean-Claude nicht brauchen um dahinter zu kommen und dann verwandelt er mit Hilfe der Steinchen unsere beschauliche Dimension in einen Höllenschlund.“ Die Vorstellung missfiel nicht nur dem Kuhhirten. „Die Zeit wird knapp, Freunde“, bestätigte der Recke dessen Aussage. Grüblerisch fuhr er sich übers Kinn. „Die Mine ist nicht mehr gut in Schuss, es wäre leichtsinnig, dort jemanden als Köder hinein zu schicken. Aber vielleicht gehen die Outrider freiwillig voraus, “ überlegte er laut. „Und wann? Sollen wir ihnen eine Einladung schicken? Oder haben sie sich inzwischen wohl selber eingeladen?“ drängte Colt zu wissen. Der Fund und seine Auskünfte machten ihn unruhig. Mehr als irgendwann in seinem Leben, sah er alles in Gefahr, was ihm am Herzen lag. Ein äußerst unangenehmes Gefühl, ganz besonders, so lange er nicht wusste, wie er diese Bedrohung abwenden konnte. „Die haben sich garantiert eingeladen“ kommentierte Fireball und holte die Karte über das Bergwerk hervor. „Wie viele Eingänge hat die Mine noch mal?“ wollte er vom Kuhhirten wissen, während er den Plan auseinander faltete. „Laut den Aufzeichnungen die drei Hauptzugänge. Na, und einen kleinen Nebeneingang, “ gab der Gefragte zur Auskunft. „Macht summa summarum vier, “ bemerkte Saber und kam zu den beiden, die die Überdachung seiner Satteleinheit als Tisch zweckentfremdeten. „Alle Eingänge sind seit über 30 Jahren nicht mehr benutzt worden, die Gänge mindestens genauso lange nicht mehr gewartet worden, “ setzte er seine Gedankengänge fort. „Führen alle Stollen zusammen?“ fragte er Colt. „Nein, nur die drei Hauptschächte an fünf Punkten, dort, wo die Aufenthaltsräume untertags sind.“ Endlich hatte der Japaner die Karte ausgebreitet. „Der vierte Gang ist ja nicht verzeichnet“, fügte Colt hinzu und deutete auf die Aufzeichnung. „Wo führt der vierte lang? Kann man das irgendwie feststellen, Colt?“ bohrte der Blonde prompt und studierte die Übersicht. „Hab ich schon. Er führt von Nord nach Süd über den anderen Dreien lang, “ erklärte der Scharfschütze mit einem diabolischen Grinsen. „Oha.“ Der Recke hob erstaunt die Brauen. Dem Cowboy ging doch etwas Bestimmtes durch den Sinn. Auch Fireball runzelte die Stirn. „Seit wann denkst du vorausschauend, Numero Uno?“ Der hob die Schultern. „Bitte, dafür muss man nicht denken. Man muss nur neugierig genug sein um herausfinden zu wollen, wie sich ein paar Knallfrösche in den ersten drei Aufenthaltsräumen und dem kleinen Gang voll oberhalb wohl auswirken können, “ sprach der seine Überlegungen aus. „Ich sag doch, dass der zündelt, der alte Pyromane!“ neckte der Pilot und beugte sich wieder über den Plan. „Irgendeine Vorstellung davon, wie dick die Gesteinsdecke an den schmälsten Punkten ist, Viehtreiber?“ wollte er dann noch wissen. Genau wie Saber rechnete auch Fireball schon zusammen, wie viele Sprengkörper sie für diese Aktion wohl brauchen würden. „Tja, der Gang führt etwa da entlang“, erwiderte Colt und zeichnete mit einem Stift den Verlauf ein. Das Gehirn seines Vorgesetzten hatte augenblicklich eine dreidimensionale Vorstellung und überschlug ziemlich routiniert die entsprechenden Daten. „Also werden wir hier, hier und hier ein kleines Feuerwerk anbringen“, entgegnete er und kennzeichnete die Punkte mit einem andersfarbigen Stift. „Bin gespannt, wie das unter Tage wirkt“, meinte er, mit der gefassten Idee zufrieden. „Ich möchte dieses Schauspiel lieber von außen genießen“, ließ sich Colt vernehmen. „Also ich hätte dich gerne da drinnen eingesperrt. Als Strafe für deine dämlichen Sprüche sozusagen, “ neckte Fireball grinsend. Aber auch ohne sein Zwinkern hätte der Kuhhirte gewusst, dass es nicht ernst gemeint war. „Die Mühe mich da rein schleifen zu wollen, kannst du dir sparen. Hab genug Kiesel auf und an meine Birne gekriegt und hat doch nix geholfen, “ grinste er zurück. „Ein wahres Wort“ lachte Saber leise, konzentrierte sich aber gleich wieder auf den Ernst der Lage. „Bleibt nur noch die Frage, wie wir die Festtagsgeschenke da rein bringen? Der Stollen hat einen Ein- und Ausgang, oder endet er mitten unter Tage einfach?“ Die Antwort abwartend sah er seinen Scharfschützen an. „Jeder Eingang ist ein Ausgang, wenn man so will“, entgegnete der. „Einer oder zwei? Mehr wollte der Oberheld gar nicht wissen, “ stellte der Pilot klar. Weder er noch der Schotte hatten mit dieser Auskunft so richtig etwas anfangen können. Colt schüttelte leicht den Kopf. „Wenn die Mine drei Eingänge hat, hat sie auch gleich drei Ausgänge mit“, gab er zurück und ergänzte, um keine Zweifel zu lassen. „Du musst den Weg nur wieder zurücklaufen.“ Die Begeisterung, die er damit auslöste, kam der Freude über ein Todesurteil gleich. „Gott, das darf nicht wahr sein.“ Fireball rollte die Augen. Auch Saber schlug sich die Hand gegen die Stirn. „Also muss der Weihnachtsmann denselben Weg auch wieder zurücklaufen, nachdem er seine Geschenke verteilt hat“, stellte er fest. „Das find ich persönlich jetzt nicht so prickelnd, Freunde.“ Colt schien das jedoch, seltsamer Weise, beinahe lustig zu finden. „Colt reicht auch, Kleiner“, informierte er und knuffte Fireball leicht in die Seite, ehe er sich an seinen Boss wandte. „Und ich sagte doch schon, ich bin der Nikolaus.“ Die Metapher gefiel ihm. „Dann werde ich der nette Wichtel sein, der dir draußen alles vom Leibe hält und aufpasst, dass die Kinderlein dich nicht sehen. Und Rudolph holt uns dann ab, “ überlegte Saber und wies mit dem Daumen auf den Rennfahrer. Der Cowboy winkte ab. „Lass mal Rudolf da raus. Wir haben ja noch Donner und Blitzen. Die kleine, rote Leuchtkugel soll sich mal lieber um die Jungfrau Maria kümmern, “ argumentierte er doch ziemlich sachlich und erinnerte dabei daran, dass das jüngste Mitglied Vater wurde und sie außerdem auf die Unterstützung von Patamon, Taima sowie den anderen Kriegern des Stammes zählen konnten. Jedoch ließ sich der Japaner nicht so einfach abschieben. „Ich hätte gern den Schlitten vom Weihnachtsmann gezogen“, versicherte er. „Lass Rudi die Chance, sich zu beweisen.“ Er schaute dabei den Recken an, der schließlich die Entscheidung zu treffen hatte. Der war eindeutig Colts Ansicht. „Rudi kriegt seine Chance an anderen Stelle. Er sollte lieber dem Stern nach Bethlehem folgen, bevor er ihm vor den Augen tanzt, “ beschloss er. Nein, diesmal würde er seinen Piloten für die Rückendeckung brauchen. Da bestand die höhere Wahrscheinlichkeit, dass er heil zu April zurückkehrte und sich das Schicksal seiner Familie nicht wiederholte. Eine kurze Musterung seiner Freunde und der Rennfahrer konnte getrost davon ausgehen, dass die Entscheidung indiskutabel war. „Da sind sich Nikolaus und Giftzwerg mal wieder einig, was“, bemerkte er und lächelte unsicher. Die beiden tauschten einen Blick und wollten dann gleichzeitig wissen. „Wen nennst du hier Zwerg?“ Allerdings stellte Colt sich dabei auf die Zehenspitzen um zu unterstreichen, dass beide größer waren als er. „Rauft es euch aus.“ Der Gefragte hob die Schultern. „Bleibt der Schlitten beim Nikolaus und seinem Helferlein?“ wandte er sich wieder an die Vorbereitung für bevorstehende Auseinandersetzung. „Der Schlitten bleibt bei Rudi und den lieben Kleinen. Zumindest vorläufig, “ legte der Schotte fest, hoffte allerdings dabei, dass sie Ramrod nicht brauchen würden. „Wir haben ja schließlich noch andere Helferlein.“ Die Irokesen-Krieger und die Einheit, die noch zum Schutze der Frauen und Kinder bereit stand, würden mit viel Glück zur Verteidigung eines Angriffes ausreichen. Waren die Schächte erst mal gesprengt, würden sich die Phantomwesen ohnehin zurück ziehen und die nächste Auseinandersetzung konnte in einer, für den Stamm sicheren, Entfernung stattfinden und die Angelegenheit hoffentlich endgültig beenden. „Mann, ich hoffe, ihr wisst was ihr tut“, murmelte Fireball unbehaglich. Saber musste seinen Plan nicht bis in Detail erläutern. Seine Kameraden wussten auch so, worauf dies alles hinauslaufen sollte. Aber Colt und den Recken allein in einer so riskanten Unternehmung zu lassen, gefiel dem Japaner nicht. Als Rückendeckung konnte er zu spät kommen. Wie sollte er das dann Robin und Chily erklären. „Ich weiß es für uns beide“, gab der Blonde zurück und wies auf sich und den Scharfschützen. „Unwesentlich beruhigender“, brummte der Jüngste. „Dein Seelenheil verkommt dabei ja wohl eher zur Nebensache. Ich hol mir für meins erst mal einen Kaffee, “ versetzte der Cowboy in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete und verschwand in Richtung der Küche. „Nimm Kontakt zu der Truppe auf und sag ihnen Beschied, “ ordnete der Schotte an, ohne sich um die Bedenken seines Piloten zu kümmern. Dann folgte er Colt. „Rudi will auch Kaffee“, rief der ihm nach, wobei er ein wenig eingeschnappt klang, und setzte sich in sein Modul um Sabers Auftrag auszuführen. „Klar.“ Die Tür schloss sich hinter dem Blonden. Sehr wahrscheinlich, dass sich der werdende Vater mal wieder entmündigt vorkam, doch genau deshalb nahmen weder Saber noch Colt darauf Rücksicht. Eben weil der Japaner Vater wurde und ein Kind einen solchen brauchte. Sollte er, wenn es sein musste, für den Rest seines Lebens deswegen auf sie wütend sein. Das war es wert, wenn es bedeutete, dass er noch ein Leben vor sich hatte. Colt wusste ziemlich sicher, weshalb der Schotte ihm gefolgt war. Sie hatten lange genug dem Neuen Grenzland gedient und jeder im Team kannte den anderen sehr gut. Das war schließlich der Grund, weshalb ihre Freundschaft unter einander stärker war, als die meisten anderen. Das war auch der Grund, warum Saber nun hier war. In keiner, dem Scharfschützen bekannten, Freundschaft stand des Wohl des anderem so weit über dem eigenen wie in dieser. Saber lehnte sich nun neben Colt gegen die Anrichte, auf der der Kuhhirte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen machte. „Da fallen Weihnachten und Silvester auf denselben Tag“, begann er unverfänglich. Colt nickte. „Soll vorkommen.“ Er holte zwei Tassen aus dem Schrank. Als der Schotte eine dritte hinzu stellte, füllte der Scharfschütze noch Wasser und Kaffeepulver in die Maschine, mit einer Präzision, die ganz besonders für ihn unnatürlich war. „Colt, du musst das nicht tun“, versicherte der Blonde. „Doch, oder soll ich den Kaffee auf die Anrichte hier kippen?“ gab der zurück, als wüsste er nicht ganz genau, wovon sein Vorgesetzter sprach. „Ich rede nicht von den Tassen“, entgegnete der. „Sondern?“ Dass er die Antwort nicht wirklich hören wollte, verriet der Ton des Cowboys ziemlich deutlich. „Sondern davon, dass du nicht in den Stollen gehen musst“, antwortete Saber während er Milch und Zucker hervorholte. „Will ich aber“, beharrte der Scharfschütze und ließ Kaffeelöffel in die Tassen fallen. „Zum Weihnachtsmann und Geschenken gehört für mich so ein richtig guter Christstollen“, ergänzte er dabei. „Die Frau vom Weihnachtsmann wird nicht begeistert sein.“ Wieder lehnte sich Saber gegen die Arbeitsplatte. Die Kaffeemaschine zischte und blubberte vor sich hin. „Erstens hat er noch keine“, berichtigte der Kuhhirte. „Zweitens geht es nicht nur darum und drittens muss das Helferlein ja nicht petzen.“ Nun lehnte er sich ebenfalls an den Küchentisch. „Dann könnte es immer noch Rudolph rausrutschen.“ Mit dem Daumen wies der Schotte in Richtung der Kommandozentral und schüttelte den Kopf. „Jetzt mal im Ernst, Colt. Es ist verdammt gefährlich und riskant. Es gibt nur diesen einen Eingang zum Stollen und den musst du auch wieder zurückschaffen, “ versuchte er seinen Freund zu mahnen. „Und? Wo genau ist jetzt das Problem daran? Die Krücke schleppe ich schließlich seit zwei Wochen nicht mehr mit mir rum, “ informierte der unbeeindruckt. „Ist schon fast dein ganzes Leben her, wie?“ Gegen seinen Willen musste Saber schmunzeln. Das war typisch für den Cowboy. „Ich kann das genauso gut erledigen, Colt“, erinnerte er ihn dann. Der runzelte düster die Stirn. „Den Teufel wirst du tun“, entschied er. „Mal ganz abgesehen davon, dass du es nun wirklich nicht mehr nötig hast, den Helden zu spielen - wir wissen schließlich nun alle, dass du es bist - geht es für mich um sehr viele, sehr persönliche Dinge. Ich bin es dem ein oder anderen hier ganz einfach schuldig, “ erklärte er so bestimmt wie selten zuvor. Die Kaffeemaschine sprotzte die letzten Tropfen in die Kanne. „Ich kann dich wohl nicht umstimmen.“ Diese Einsicht gefiel dem Recken nicht. „Dann versprich mir wenigstens, dass du auf dich aufpasst und dir von mir helfen lässt“, versuchte er einen vernünftigen Kompromiss. „Ganz recht. Jeden weiteren Versuch mich umzustimmen, kannst du stecken lassen. Und natürlich, versprech ich dir aufzupassen. Versprechen kann sich schließlich jeder einmal, “ gab der Scharfschütze zurück und schenkte ein. „Wehe dir!“ Drohend hob der Schotte die Faust und hielt sie dem Freund unter die Nase. „Ich muss mir von Robin den Kopf runter reißen lassen, wenn du nicht mehr aus dem Stollen kommst, Kumpel, nicht du“, rief er dem ins Gedächtnis zurück. „Sei bitte nicht leichtsinnig, Colt“, fügte er dann leiser hinzu. Der drückte die geballte Hand zur Seite. „Wehe dir, du kümmerst dich nicht richtig um meine beiden, sollte etwas schief gehen. Dann komm ich aus der Hölle zurück und hol dich, “ warnte er seinerseits. „Mal bloß nicht den Teufel an die Wand.“ Saber hob die Brauen leicht tadelnd. „Wir wissen beide, dass die Gefahr besteht. Also, gib mir dein Wort, dass du für meine beiden da bist, “ beharrte der jedoch, was dem Recken noch mehr missfiel. Colt sprach, als würde er schon mit seinem Leben abschließen. „Das hast du doch sowieso“, seufzte er. „Aber so weit wird es nicht kommen, Colt. Das darf es nicht, “ beschwor er ihn dann eindringlich. „Wir werden sehen, auch wenn wir es nicht provozieren, “ schlug der das Gesagte in den Wind. Er wollte sich nicht anmerken lassen, wie mulmig ihm selbst bei dem Gedanken daran war. „Lass uns hoffen, dass es gut ausgeht“, schloss Saber das Thema und nahm die beiden Tassen von der Theke. Der Kuhhirte griff nach der dritten. „Dein Vertrauen in mich ist unglaublich“, bemerkte er kopfschüttelnd. „Kein Vertrauen, Colt. Wissen, “ grinste der Recke und verließ die Küche. Colt knurrte eine leise Verwünschung in die Tasse und nahm einen Schluck. An seine Schwächen und Fehler erinnert zu werden, mochte er nicht. Ohne, dass es ihm klar war, starrte er seinem Vorgesetzten nach. Der Schotte hatte doch nicht wirklich geglaubt, er könne ihn davon abhalten? So gut musste er seinen Scharfschützen doch kennen. Zumindest kannte der ihn gut genug um überzeugt zu sein, dass der Blonde ihn in der Mine nicht allein lassen würde. Saber hatte schließlich Robin versprochen auf Colt Acht zu geben. Also würde er das auch tun. In dem Punkt konnte der Recke einfach nicht anders. Genauso wenig wie Colt. Seine Eltern waren wegen dieser Mine gestorben. Ebenso Dooley und BooYeah. Seine beste Freundin war bedroht und angeschossen worden. Patamon, der treue Freund aus Kindertagen, hatte ebenfalls im Krankenhaus im Koma gelegen. Schlussendlich litt jeder, den der Cowboy kannte wegen Pennyrile. Jeder, der ihm nahe stand. Das musste ein Ende haben. Das musste er beenden. Denn sich in Zukunft nicht mehr so stark in das Leben und die Entscheidungen seiner Freunde einzumischen, wie er es sich nach dem Gespräch mit Hinun vorgenommen hatte, setzte voraus, dass sie am Leben blieben. Colt wusste, dass Robin sein Vorhaben auf keinen Fall billigen würde. Doch wie sollte er die Frau, die er über alles liebte, glücklich machen können, wenn er das Gefühl haben musste, nicht richtig auf sei aufpassen zu können, nicht wirklich ausnahmslos im Stande zu sein ALLES für sie zu tun. Und dieses Gefühl würde er für den Rest seines Lebens mit sich herumtragen, wenn er nicht diese Mine in die Luft jagte. Nein. Da konnte jeder reden, was er wollte. Er war überzeugt davon, dass er dies tun musste und nicht mal der Leibhaftige oder der Allmächtige würden ihn davon abhalten. Und für den Fall, dass etwas schief ginge, war Saber sicher zur Stelle. Unbewusst hatte der Cowboy ihn längst einkalkuliert. Die Waffen der Irokesen mochten altmodisch sein, aber sie hatten einen Ausgleich zu dieser Schwäche. Sie kannten ihre Heimat. Die dichten Wälder, der Berg, die Wiesen – all das war ihr Zuhause, weil es zwei sehr wesentliche Faktoren erfüllte. Es bot Nahrung und Schutz. Inzwischen wimmelte es im Dickicht von Fallen, die durchaus wirkungsvoll die waffentechnische Überlegenheit der Phantomwesen entkräften konnten und einen Kampf auf einen angeglichenen Level ermöglichten. Die Findigkeit der Indianer war bemerkenswert. Die Einheit der Starsheriffs war halbiert worden. Ein Teil blieb mit Ramrod zum Schutz und zur Rückendeckung bei den Frauen und den Kinder des Stammes. Der andere würde die Krieger in der Schlacht unterstützen. Zur Abenddämmerung hin bezogen alle ihre Posten. Robin wandte sich unruhig im Bett hin und her. Der Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen. Ihr jagte so vieles durch den Sinn, von dem sich nichts fassen oder aus dem Kopf verbannen ließ. Vor allem die Angst erfüllte sie wie die Dunkelheit das Zimmer. Schließlich schob sie die Bettdecke zurück und stand auf. Sie schaltete die Nachttischlampe an und sah sich um. Dann schlüpfte sie in eine Hose und zog eine Strickjacke über ihr Schlafshirt, welches eigentlich Colt gehörte. Sie musste aus diesem Raum. Ein kleiner, nächtlicher Spaziergang würde sie hoffentlich beruhigen. Verwundert blickte ihr Bodyguard sie an, als sie die Tür öffnete, folgte ihr aber wortlos wie ein Schatten. Robin hatte sich keine Gedanken gemacht, wohin sie wollte. Etwas überrascht registrierte sie, dass sie an den Stallungen vorbei zu den Garagen gelaufen war. Wieso? Weil ihr der Park in der Nacht noch unheimlicher gewesen wäre? Ja, das musste es sein. Aber unheimlich war auch das Geräusch, welches sie hinter sich vernahm. Sie drehte sich um. Da war niemand. Eben wollte sie ihren Weg fortsetzten, als ihr aufging, dass auch ihr Bodyguard nicht mehr da war. Hastig wandte sie sich erneut um und blickte in das Gesicht einer Person, das hier hätte gar nicht auftauchen dürfen. „Hi Robin“, sagte diese freundlich und lächelte im Halbdunkel kühl. „Überrascht?“ fragte die Gestalt dann, als die Lehrerin sie wie zur Salzsäule erstarrt anschaute. „Ich bin immer für Überraschungen zu haben.“ Das klang drohend. Instinktiv machte Robin einen Schritt zurück. Dann noch einen und noch einen. „Bleib doch, Süße.“ Die Person folgte ihr gelassen, während die Lehrerin immer hektischer zurück wich, unfähig zu schreien um auf sich aufmerksam zu machen. Der Schreck, der in sie gefahren war, erlaubte es ihr nicht. Das Knirschen ihrer Schuhe auf dem Boden verriet, dass außer ihr und ihrem Gegenüber wirklich keine Seele hier war. „Hab doch nicht so eine Angst. Ich bin doch nur hier um dir einen Gefallen zu tun und dich zu Colt zu bringen, “ beruhigte die Gestalt sie kühl. Jetzt breitete sich die Panik in jeder Faser von Robins Körper aus. Das war ganz und gar nicht gut. Sie musste hier weg. Schnell. Sie hätte hier nie herkommen dürfen. Nicht in der Nacht. Nicht in der Dunkelheit. Nicht ohne irgendjemand mit zu nehmen. Die Gestalt vor ihr lachte leise. Lachte böse. Mit dem nächsten Schritt stieß Robin gegen eine weitere Person. Eine kräftige Hand legte sich um ihren Mund. „Sch“, zischte ihr eine dunkle Stimme zu. „Schön brav sein. Dann wird alles gut.“ Sie fühlte ein Grinsen an ihrem Nacken. Die beiden Schatten nickten sich zu. Das Vorhaben war gelungen. Chily schoss aus dem Schlaf in die Höhe. Es war passiert! Das spürte sie. Sie sprang aus dem Bett und flog zur Tür. Ihr Leibwächter fuhr zusammen, als sie ihn erschrocken anstarrte. Nervös schaute sie sich im Gang um. Vor Aprils Zimmer stand deren Schatten. Ohne weiter zu überlegen, stürmte die Hebamme den Korridor entlang, eilte die Treppen hinauf in die Etage, auf der die Räume des Kronprinzen waren. Wild und aufgeregt hämmerte sie gegen dessen Schlafzimmertür. Ihr ratloser Bodyguard konnte sie nicht davon abhalten. Sie lärmte so lange, bis Roland völlig verschlafen und irritiert in den Flur trat. Mitternacht. Die Geisterstunde. Die Stunde der Phantomwesen. Rasch näherten sich ihre Gleiter der Mine. Die Scheinwerfer verrieten ihr Kommen, doch niemand schien es zu bemerken. In der Finsternis regte sich nichts. Lautlos schlich Patamon zu Sabers Schlafstatt. Noch ehe er ihn an der Schulter berühren konnte, zielte der Lauf dessen Blasters zwischen die Augen des Indianers. „Der Schlaf eine Kriegers, “ bemerkte der Irokese leise. „Es ist so weit, “ fügte er dann hinzu. Entschuldigend hob der Recke die Schultern und nickte. „Colt?“ Die Schwadron glitt ungehindert durch die Nacht. Die erste Hälfte hatte schon beinahe den Wald überflogen, als sich leise surrend ein Seil hinter ihnen spannte. So unerwartet tauchte es vor den Scheinwerfern auf, dass Bremsen nicht mehr möglich war. Die Piloten der Gleiter wurden aus den Sitzen gerissen. Ihre Gefährte flogen unkontrolliert weiter und zerschellten in lauten Detonationen an den Bäumen. Die vordere Gruppe setzte ihren Flug fort, während die anderen ihr Tempo drosselten um nicht das Schicksal der Unglücksraben zu teilen. Die Anzeige am Zeitzünder blinkte auf. Fünf Minuten. Dann begann sie runter zuzählen. Colt lief den Gang zurück. In dem faden Licht der altersschwachen Anlage und mit einem Fuß, der noch nicht ausgeheilt war, ein schwierigeres Unterfangen, als er erwartet hatte. Aber drüber konnte, durfte und wollte er sich nicht beklagen. Er hatte ohnehin keine Zeit dafür. Er musste den zweiten Aufenthaltsraum erreichen. Der unerwartete Angriff hatte für Verwirrung gesorgt. Die Schwadronenhälfte, die so überraschend von der vorderen Gruppe getrennt worden war, überflog nun, nach dem Gegner suchend, den Wald. Wie aus dem Nichts schwirrten Brandgeschosse durch die Luft und trafen Sicher die Fliegenden. Unter den Erschütterungen und den Feuersäulen der Explosionen wurde das Umfeld erhellt. Dort und da waren huschende Gestalten zu sehen. Das Feuer war eröffnet. Colt musste zu geben, dass er sich mit seiner Aufgabe übernommen hatte. Eben hatte er den zweiten Zünder aktiviert und hatte eine geschlagene Minute dafür gebraucht. Bis er den letzten platziert hatte, würde er eine weitere brauchen. Dann blieben im noch drei Minuten, ehe die erste Ladung hoch ging. Da er davon ausgehen konnte, dass er nicht einfach aus dem Schacht spazieren konnte, was ihm die Erschütterungen des Kampfes verrieten, waren drei Minuten verdammt wenig. Aber sollte er unter diesen Umständen darauf hoffen, dass Saber zur Stelle war? Wenn alles schief lief, würde sie beide es nicht rechtzeitig aus dem Stollen schaffen. Dann bleib nicht nur seine Robin, sondern auch seine Chily allein. Keine der beiden Varianten gefiel ihm sonderlich. Nein, der Recke musste sich um sie kümmern. Er durfte Colt auf keinen Fall helfen. Schon schlimm genug, wenn er es nicht schaffte. Aber er musste. Der Scharfschütze presste die Zähne zusammen und lief weiter durch den maroden Gang. Pfeile zischten durch die Nacht und trafen die Visiere der Helme. Die Outrider-Anzüge fielen leer zu Boden. Taima und Patamon waren hervorragende Schützen und mutig genug, die Gleiter zu kapern. Obwohl sie noch nie auf etwas vergleichbaren gesessen hatten, schafften es beide recht schnell mit der Steuerung klar zu kommen und die Einheit der Starsheriffs zu unterstützen, die versuchte, die erste Hälfte der Schwadron am Waldrand abzufangen. Dennoch gelang es einigen Phantomwesen sich der Mine zu nähern. Fireball saß unruhig in seiner Satteleinheit an Board von Ramrod. Von fernher hörte er die Kampfgeräusche. Ihm juckte es fürchterlich in den Fingern. Er wollte einschreiten, Colt und Saber zur Seite stehen, aber der hatte ausdrücklich befohlen, zu warten, bis der Rennfahrer gerufen wurde. Missmutig brummte er vor sich hin. Wenn der Schotte so sehr auf eine Anordnung und Folgeleistung bestand, wagte der Pilot nicht, sich zu widersetzen. Sein Boss betonte selten Kommandos so entschieden und daher dachte Fireball nicht eine Sekunde lang ernsthaft daran, diese zu missachten. Colt hatte den letzten Zünder aktiviert, als die Erschütterung einer Explosion nahe der Mine ihn zu Fall brachte. Rasch rappelte er sich auf und rannte den Gang entlang. Dieses letzte Stück des Weges war das längste. Sein Fuß schmerzte höllisch, weshalb er nicht so schnell voran kam, wie er wollte. Der Gedanke an die verbleibenden höchstens noch drei Minuten machten ihn hektisch. Das Licht flackerte und drohte zu erlöschen. Im Dunkel würde er noch schlechter vorwärtskommen. Dann fing sich die Verbindung wieder und er erkannte den Recken, der auf ihn zu lief. „Kennst du den Unterschied zwischen IN der Mine und VOR der Mine nicht?“ rief er wütend, als er begriff, was das nur bedeuten konnte. „Doch“, schrie Saber zurück. „Tot IN der Mine heißt, du bist schon beerdigt. Tot VOR der Mine heißt, wir tragen dich zu Grabe.“ Es war sicher gut, dass er sich in seinem Vorgesetzten nicht geirrt hatte, aber ihm ging noch immer durch den Kopf, dass Robin und Chily allein blieben, sollten der Blonde und der Lockenkopf es nicht rechtzeitig schaffen. „Scherzkeks! Du solltest VOR der Mine auf mich warten, und mir nicht IN der Mine entgegen kommen, “ grollte er. „Wo ist dein Rattenschwanz, der dir garantiert gefolgt ist?“ Kaum hatte er die Frage ausgesprochen, mussten sich beide vor Schüssen in Sicherheit bringen. „Hinter mir“, stellte der Recke trocken fest. Colt rollte die Augen. „Klasse einfach!“ Verstimmt zog er den Blaster aus dem Halfter, linste kurz aus seiner Deckung um die Lage abzuschätzen und schlug sich frustriert mit der Hand, in der er die Waffe hielt, gegen die Stirn. „Eine echte Denkernatur“, brummte er. „Hast du alle Zünder eingestellt?“ wollte der Recke wissen. In dem Chaos, das hier herrschte, war es möglich, dass der Scharfschütze das nicht geschafft hatte. Draußen tobte ein erbitterter Kampf, deren Auswirkungen bis in die Tiefen des Bergwerkes zu spüren waren. „Wie viel Zeit haben wir noch?“ hakte der Schotte nach, als Colt leicht genickt hatte. „Fünf Minuten?“ gab er ungenau zurück. „So Daumen mal Pi halt.“ – „Sehr schön“, kommentierte der Blonde wenig begeistert. Das konnte nur bedeuten, dass sie wesentlich weniger Zeit hatten. „Dann sehen wir mal zu, dass wir Beerdigung feiern“, schlug er sarkastisch vor, zielte auf zwei Wrangler, die sich näherten, und lief dann voraus. „Aber nicht unsere!“ Colt folgte ihm. „Natürlich nicht“, rief Saber und stieß Colt, der dicht hinter ihm rannte, zur Seite. „Aber nur, wenn du deine Deckung nicht vernachlässigst.“ Im nächsten Moment war es der Cowboy, der den Recken schubste um ihn vor den fallenden Schüssen zu schützen. „Das machst du doch auch ständig“, stellte er fest und schoss die Phantomwesen, die in die Mine eindrangen und auf sie zu stürmten ab, wie Tontauben. Der Schotte half ihm dabei. Jeder von ihnen war in einer Nische vor Treffern beschützt und schoss schnell und zielsicher daraus hervor. Die Lampen flackerten erneut und machten schwer zu erkennen, wie viele der Outrider auf sie zu kamen. Dann brach die Stromversorgung endgültig zusammen und die beiden nutzten diesen Umstand zu ihrem Vorteil. Im Gegensatz zu ihren Feinden blickten sie aus der Finsternis in ein wenig hellere Nacht, die immer wieder von Leuchtfeuer erhellt wurde. Währenddessen hatten die Phantomwesen absolute Schwärze vor sich. „Verdammt eng hier drin“, knurrte Colt und verließ seinen Unterschlupf. Auch Saber stürmte vorwärts. „Offensichtlich mögen die es kuschlig, wenn sie hier so nah kommen.“ Die beiden Wrangler vor ihm erkannten sein Schwert in der Dunkelheit zu spät und wurden in ihre Dimension zurück befördert. „Ich will aber nicht kuscheln“, rief Colt ihm zu und rannte einen Schergen um, da er ihn nicht rechtzeitig erkannt hatte. „Da kriegt man ja Platzangst“, fügte er dann noch hinzu. „Sagst du das auch zu Robin?“ fragte der Recke zurück und ließ einen Gegner über seine Schulter gegen die Wand stolpern. „Zu ihr sag ich was anderes“, grinste der Gefragte und ballerte sich weiter den Weg frei. „Gut, dann bin ich beruhigt.“ Saber warf einen Blick über die Schulter. Er verlor Colt bald, wenn der nicht schneller wurde. Aber mit dessen Hinkefuß war das nicht so einfach. Schon donnerte der erste Sprengsatz unter ihnen. Jetzt wurde es aber Zeit hier rauszukommen. „Willst du wissen, was ich zu Jolene sag?“ fragte er um den Freund ein wenig aufzustacheln. Vielleicht würde er dadurch sich noch einmal mobilisieren können. Tatsächlich legte der einen Zahn zu. „Verkneif es dir, sonst verfehl ich womöglich noch einen Outrider und erwisch stattdessen dich“, warnte er dabei. „Bei dem Tempo? Dann bin ich in Sicherheit, “ fuhr der Recke mit der Neckerei fort. „Vielleicht zieht Jolene dann wieder die Schulmädchenuniform für mich an.“ Prompt tobte der Scharfschütze hinter ihm. „Das macht sie nicht!!! Wie bist du denn drauf?“ Noch einmal beschleunigte er sein Tempo. „Noch nicht auf ihr, das ist mal sicher.“ Sabers Provokation war der nötige Antrieb und Colts krasser Beschützerinstinkt wirklich mal zu was gut. Immerhin schien es den Einheiten außerhalb zu gelingen, die Wrangler davon abzuhalten in die Mine zu gelangen. „Bah! Wenn ich dich erwische, dann gnade dir Gott, Kumpel!“ – „Dann mach mal Tempo. Wenn du in allen Dingen so lahm bist, tut Robin mir sehr leid, “ stichelte Saber munter weiter. „Jetzt mach aber mal halb lang! Sei froh, dass ich nicht so ein Schnellzünder bin, wie Fire, sonst stündest du alleine hier!“ Colt hatte ihn fast eingeholt. Dem Ausgang des Schachtes kamen sie schon näher. Dass die zweite Detonation sie wieder ins Straucheln brachte, war jedoch nicht so günstig für ihr Entkommen. „Rakete oder Rohrkrepierter. Du solltest irgendwo dazwischen liegen, sonst wird sie sich Ersatz und Akkus beschaffen, “ heizte Saber den Scharfschützen noch einmal an. Der schloss nun endgültig auf. „Noch ein Wort und ich verpass dir wirklich eine!“ drohte er wütend, aber der Blonde hatte erreicht was er wollte. „Nachher.“ Er packte Colt im Laufen an dessen linken Arm und legte so viel Kraft in den Stoß, wie er nur aufbringen konnte. Mit einem überraschten „Hey“ segelte der Cowboy aus dem Stollen, stürzte und rollte noch ein gutes Stück weiter aus dem Gefahrenbereich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)