Western Spirits von collie ================================================================================ Kapitel 18: Bond as one II -------------------------- Endlich öffnete sich die Tür. Toto, in seiner besten Hose und einem hellgrünen Hemd, führte stolz seine MomChi herein. Nein, berichtete Saber sich gedanklich, eine Waldfee. Sie trug ein leicht grün schimmerndes Satin-Kleid, das vorn zwar ihre schlanken Knie blicken ließ, hinten jedoch zu einer Schleppe auslief. Vom schulterfreien Oberteil her schmiegte sich der Stoff an ihre zierliche Gestalt und brachte sie vollendet zu Geltung. Der transparente Stoff der Ärmel schimmerte ebenfalls grün, lief von den Bändern an den Oberarmen her auseinander, traf sich auf Höhe der Ellenbogen um dann wieder auseinander zu gehen. Feenflügel, schoss es Saber durch den Kopf. Sein Blick wanderte weiter hinauf zu ihrem Gesicht. Sie lächelte zärtlich. Ihr Haar fiel locker über die Schultern, war nur seitlich mit Blumenspangen nach oben gesteckt. Leicht schritt sie auf ihn zu, in schmalen Ballerinas, ließ sich an einer Hand von Toto führen und hielt in der anderen einen Straus aus Wildblumen. Ehe Saber seine Braut aus der Nähe bestaunen konnte, mahnte der Miniaturbrautführer ihn mit erhobenem Zeigefinger. „Du musst sie ganz viel lieb haben, sonst kannst du was erleben.“ Der Recke nickte. „Ich werde sie so viel lieb haben, wie ich kann“, entgegnete er. „Gut“, grinste der Zwerg höchst zufrieden und hockte sich auf die Bank in der ersten Reihe. Die vier Erwachsenen schmunzelten leicht. Saber nahm die Hand seiner Jolene, die vor Erregung leicht zitterte. Sie zweifelte doch nicht an ihrer Entscheidung? Ein leichter Druck ihrer Finger verriet ihm, dass sie es nicht tat. Leise begann die Musik zu spielen. Dass sie aus einer Anlage kam, weil in der Kürze der Zeit keine Musiker aufzutreiben waren, war Nebensache. Nicht aber die Zeremonie, die Reverant Steam nun begann. „Liebe Jolene, lieber Saber,“ Er sah beide warm an und blickte dann zur Trauzeugin und dem Brautführer. „liebe Donna Joe, lieber Toto, wir sind heute hier zusammen gekommen, weil ihr beide“ Wieder schaute er zu dem Paar vor dem Altar. „dem Ruf eurer Herzen gefolgt seid und den heiligen Bund der Ehe eingehen wollt. Eine Ehe sollte stets nur aus Liebe geschlossen werden und diese empfindet man durch das Herz. Liebe ist es die euch verbindet. Mehr braucht es nicht zum Glück. Denn die Liebe gibt euch Verständnis und Toleranz. Sie bedeutet nicht nur wegen eurer Stärken, sondern vor allem trotz eurer Schwächen zu einander zu stehen. Nur die Liebe. Paulus sagte es in seinem Brief an die Korinther: Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse, alle Erkenntnisse und hätte allen Glauben, so dass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich all mein Habe den Arme gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir es nichts nütze.“ Er machte eine leichte Pause und fuhr fort. „Ohne Liebe sind wir nichts. Ohne Liebe hättet ihr euch nicht gefunden. Ohne Liebe würdet ihr nicht diesen Weg gewählt haben und könntet das Glück nicht finden. Liebe ist es, die euch verbindet. Liebe ist Hingabe und Zugehörigkeit. Wie Ruth sagte: Wo du hingehst, da gehe ich auch hin. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Gott ist mein Gott und dein Volk ist mein Volk. Wo du stirbst, da sterbe ich auch. Da will auch ich begraben sein. Der Herr tue mir dies und das, doch nur der Tod wird mich und dich scheiden.“ Saber und Chily schauten sich an. Alles, was Steam sagte, entsprach dem, was sie fühlten. Jedes Mal, wenn einer der beiden den anderen ansah, fing der den Blick auf und erwiderte ihn lächelnd und beide vergaßen die Welt um sich. „… und darum frage ich nun“, hörten sie den Reverant nun und schauten ihn erwartungsvoll an. „Willst du, Jolene Adams, den hier anwesenden Saber Rider zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren, bis das der Tod euch scheidet?“ Sie setzte zur Antwort an. Ihre Stimme versagte unter dem Herzrasen. Verlegen senkte sie den Blick, ehe sie den Recken anschaute. Er lächelte noch immer warm. „Ja, ich will“, flüsterte sie. So leise, dass Steam es kaum hörte. Das breiter werdende Lächeln des Blonden bestätigte ihm, dass er sich nicht verhört hatte. Daher fuhr er fort: „ Und willst du, Saber Rider, die hier anwesende Jolene Adams zu deiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen, sie lieben und ehren, bis das der Tod euch scheidet?“ – „Ja, das will ich.“ Bei dieser Antwort ließ er sie nicht aus den Augen. Mit zitternden Händen tauschten sie die Ringe. Steam legte die Stolha darüber und seine Hand darauf um die Bindung zu segnen. „Was Gott zusammen gefügt hat, darf der Mensch nicht trennen.“ Das Paar schaute sich an. Lange, um zu begreifen, dass sie nun wirklich verheiratet waren. Es fühlte sich gut an. Einfach nur gut. Es gab ohnehin kein Wort um den Herzschlag, das Halten ihrer Hände oder die Blicke richtig, treffend zu beschreiben, um dem Ausdruck zu verleihen, was sie fühlten. Leicht stieß der Reverant den Schotten an. „Jetzt küss sie endlich“, raunte er und unterdrückte ein warmes Schmunzeln. Ein wenig so, als erwache er aus einer Trance, umfasste Saber Chilys Gesicht und hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Lippen, zog sie im nächsten Moment fest in seine Arme und küsste sie innig. Vor der Kapelle stiegen die beiden auf Demon und Angel, die entsprechend des Anlasses sorgfältig gestriegelt waren und deren Mähnen geflochtene Zöpfe zierten. Der Tag war frisch und golden, dörr der Teppich aus Laub, über den die Pferde ihre Reiter durch den Wald zu den Ufern des Ohio-Rivers trugen. Sie folgten dem Flusslauf in die entgegengesetzte Richtung, fort von Donna Joes und Chilys Ranch zu einer Urlaubssiedlung. Zu dieser Jahreszeit gab es dort wenige Gäste und war nicht schwer gewesen, eines der hölzernen Ferienhäuser zu mieten. Wann immer Sabers Blick zu Chily hinüber glitt, konnte er nur feststellen, wie wunderschön sie heute aussah. Ihr Blick schweifte froh umher. Er musterte sie, ihre entspannten Züge, ihre aufrechte Haltung, sah, wie sich ihre Schenkel an Demons Flanken pressten und sich ihre Hüften im Takt des Pferdes bewegten. „Wir sollten und vielleicht beeilen um ins Warme zu kommen, “ meinte er dann. Sie wandte ihren Kopf zu ihm, folgte seinem Blick, der immer noch auf ihren Hüften ruhte und grinste verstehend. „Der letzte schläft auf der Terrasse“, entgegnete sie heiter, verstärkte den Druck auf Demons Flanken und preschte los. Saber folgte ihr sofort. Die empfindlich kalte Nacht auf der Terrasse zu verbringen, statt in einem kuschligen, warmen Bett neben ihr – da brauchte er nicht zu überlegen. Ihr übermütiges Lachen war noch ein weiterer Ansporn. Er schloss zu ihr auf und überholte sie schließlich. So leicht ließ er sich nicht von ihr ausbooten. Chily hatte Mühe ihn wieder einzuholen. Als sie die Siedlung erreichten, musste sie aufgeben. Diesen Wettritt hatte er gewonnen. Er sprang von Angels Rücken und verschwand im Rezeptionsgebäude um die Schlüssel zu holen. „Du lässt mich doch nicht wirklich auf der Terrasse schlafen?“ fragte sie mit hilfloser Miene, als er wieder herauskam. Er hob unbestimmt die Schultern und unterdrückte ein Grinsen. Ihre Unterkunft lag direkt am Ufer des Ohio-Rivers. Von der vorderen Terrasse aus lief man direkt auf den Bootssteg zu. Chily glitt von Demon. Der Recke schloss die Tür auf und kam zu ihr. Liebevoll hob er sie auf die Arme und trug sie, wie es sich gehörte, über die Türschwelle. Sie grinste zufrieden. Hatte sie doch gewusst, dass er sie nicht draußen stehen lassen würde. „Also, so sieht es hier aus, “ bemerkte er und drehte sich mit ihr, so dass sie einen Blick auf die Kochnische, die Badezimmertür, die Couch vor dem flachen Tisch und den Fernseher und das Doppelbett hinter dem Raumteiler werfen konnte. Dann wandte er sich wieder zur Tür und schritt rasch über die Holzbohlen. „Jetzt weißt du, was dir entgeht“, grinste er frech, stellte die Perplexe auf der Terrasse ab und schloss die Tür von innen. „He, das ist jetzt nicht dein Ernst?“ rief sie verwundert. „Der letzte schläft auf der Terrasse“, erinnerte er sie durch das Holz. „Hey Manapi, das ist nicht fair“, klagte sie verunsichert und klopfte gegen die Tür. „Nicht fair ist, wenn meine Frau mir davon reiten will“, gab er zurück. „Ach komm, dass war nur Spaß. Lass mich rein, “ flehte sie und fürchtete, er könne sie tatsächlich hier stehen lassen. „Ich weiß nicht.“ Innen musste Saber sich das Lachen verkneifen. „Ich bin auch lieb“, versprach sie treuherzig. „Beweise“, forderte er. „Der Kilt steht dir. Du hast echt die Beine um sowas zu tragen, “ schmeichelte sie. Die Tür ging auf. Er schmunzelte schelmisch. „Ach wirklich?“ – „Ja.“ Wieder hob er sie über die Schwelle und stieß die Tür mit dem Fuß zu. „Und weiter?“ wollte er wissen. „Sei ja brav, sonst setz ich dich wieder raus“, drohte er lächelnd, als ihre Miene verriet, dass sie etwas Freches erwidern wollte. Gehorsam schmiegte sie sich an ihn. „Trägt man da eigentlich was darunter?“ fragte sie dann. Er stellte sie auf ihre Füße. „Schau nach.“ Grinsend schob sie ihre Hände unter den wolligen Stoff und tastete sich in die betreffende Region vor. „Och man, “ kam es enttäuscht von ihr und Saber brach nun endgültig in schallendes Gelächter aus. Jetzt grinste auch sie schelmisch. „Das kann ich auch ändern.“ Ehe sie ihm jedoch seine Shorts hinunter streifen konnte, hielt er ihre Hände fest. „Ladys First“, lächelte er dreist und ließ seine Finger unter dem Saum ihres Kleides verschwinden. „Sie sind unverschämt, Mr. Rider“, tat sie empört. „Wenn Sie es sagen, Mrs. Rider.“ Eine Chance noch ein Wort zu sprechen bekam sie jedoch nicht. Er versiegelte ihren Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss. Saber genoss es bei seiner Jolene zu liegen, sie mit Haut und Haar zu spüren. Besonders in den Momenten, wenn zwei zu einem wurden, konnte er glauben, dass alle Liebe im Universum nur für ihn bestimmt war. Nach diesem Gefühl hatte er sich immer gesehnt. Seine kleine Hebamme schenkte es ihm so oft und so viel sie konnte. Manchmal nur mit einem Augenaufschlag, einer lieben Umarmung oder durch eine sanfte Berührung. Dann wieder, in dem sie ihm seinen Kosenamen atemlos ans Ohr hauchte. Jetzt, da sie sich so nah an ihn schmiegte und selig schlief, dachte er daran, dass er dieses Gefühl nie wiederhergeben wollte. In der Geschichte der Familie Rider gab es keine Scheidung. Eine Ehe hielt ein Leben lang. Nicht alle davon waren glücklich, obwohl das Paar nach der Verlobung oft noch zwei Jahre zusammen gelebt hatte. Nach dieser Frist war jeder Rider vor den Altar getreten. Diese Tradition hatte Saber gebrochen. So ablehnend, wie seine Eltern auf die Hebamme reagiert hatten, so überzeugt war er davon, dass er mit ihr alt und glücklich werden würde. Auf keinen Fall hatte er sich vom Gegenteil überzeugen lassen. Er wollte es nicht hören. Er wusste, dass es nicht stimmte. Sachlich begründen konnte er es nicht. Er fühlte es. Deutlich. Chily bewegte sich in seinem Arm, murmelte ein verschlafenes „Manapi“. Er zog die Decke über ihre Schulter und strich behutsam eine Strähne zurück, die ihr auf die Lippen gerutscht war. Wie er diese Hochzeit den anderen erklären wollte, wusste er nicht. Es war nicht der Zeitpunkt, sich darüber Gedanken zu machen. Mit dem freien Arm schloss er seine Frau innig an seine Brust. Jetzt zählte gerade nur sie. Auch wenn Eagle Maddox für einen Intriganten hielt, das vorliegende Vernehmungsprotokoll musste er objektiv betrachten. Allerdings las es sich nicht so gut. Schon in den Berichten, die sowohl Saber, als auch Colt und Fireball pflichtbewusst zügig nachgereicht hatten, ging hervor, dass etwas an der Tankstelle nicht so abgelaufen war, wie es hätte sollen. Er trat zu dem Aktenschrank und holte die Mappe hervor, in der er die Reporte aufbewahrte. Noch einmal las er sie durch und verglich sie aufmerksam mit der Aussage Maddox. An einer Stelle waren die Aufzeichnungen etwas verschleiert. An eben jenem Punkt lüftete der Gefangene diesen Schleier. Den Punkt, an dem es um das Ableben der Verräterin Suzie ging. Die Berichte besagten lediglich, dass sie von Jean-Claude erschossen worden war. Maddox jedoch ergänzte dies in dem er aussagte, dass keiner der drei eingegriffen hatte. Eagle runzelte die Stirn. Sorgfältig suchte er alle Informationen zusammen, die auch die Verräterin betrafen. Wieder und wieder studierte er die Schriftstücke bis das Bild für ihn klar war. Suzie hatte Mandarin getötet, eine gute Freundin der Ramrodcrew, wie sie selbst auch einst eine war. Sie hatte diese Hebamme angeschossen, die die bester Freundin des Scharfschützen und zu dem noch mit dem Recken liiert war. Außerdem hatte Suzie auch die schwangere April direkt mit einer Waffe bedroht und damit auch das ungeborene Kind des Piloten. Völlig logisch für den Commander, wie viel Enttäuschung und Wut im Spiel gewesen sein musste. In dem Augenblick, als der grünhaarige Outrider-Kommandant seine Waffe auf die Verräterin gerichtet hatte, hatten die Jungs offensichtlich nicht eingegriffen, weil sie nur gefühlt hatten, dass sie ihre gerechte Strafe bekommen würde. Sie hatten als hintergangene, verletzte Freunde gehandelt, wo sie als Starsheriffs hätten handeln müssen. Eagle seufzte. Wie er es auch drehte und wendete, dass war nicht richtig. Nicht von der menschlichen Seite her und auch nicht aus der Sicht des KOK auf seine Angestellten. Die gerechte Strafe über Suzie zu verhängen lag in den Händen der Justiz. Da gab es nichts dran zu deuteln. Das musste ein Nachspiel für die drei geben. Ob er wollte oder nicht. Egal, wie zu getan er ihnen war, als Befehlshaber der Sektion West durfte er das weder ungeachtet noch ungeahndet lassen. Er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und erhob sich von seinem Stuhl. Dann verließ er rasch das Büro. Ihm war übel. Er brauchte frische Luft. Weder von Eagles aufkommenden Magengeschwüren, noch von dem Verschwinden des Recken und der Hebamme ahnte Colt etwas, als er frustriert den Hörer auflegte. Wieder hatte er versucht den Blonden oder Chily zu erreichen. Wieder hatte er nur den Anrufbeantworter dran. Nach drei missglückten Anläufen die beiden an den Apparat zu bekommen, hatte er nun eine Nachricht darauf gesprochen. Zwangsläufig, aber er fühlte sich unbehaglich dabei. Dabei hatte er sich das so nett überlegt. Jetzt, da der größte Umzugsstress vorbei war, wollte er seine Freunde zu einem gemütlichen Abendessen zu sich und Robin einladen, doch nur Fireball und April würden erscheinen. Colt kam nicht umhin zu glauben, dass der Schotte ganz einfach genug von ihm hatte und ganz bewusst nicht ans Telefon ging, so bald er die Nummer des Kuhhirten auf der Anzeige sah. Der Lockenkopf hatte nicht für möglich gehalten, dass sein Boss so sauer auf ihn war. Robin redete mit Engelszungen auf ihn ein um ihn vom Gegenteil zu überzeugen, doch damit tat sich ihr Zukünftiger schwer. Sein schlechtes Gewissen plagte ihn und ließ ihn nachts sogar unruhig schlafen. Die Lehrerin hoffte, dass die werdenden Eltern das vielleicht ändern konnten. Robin hatte für die entsprechende Atmosphäre gesorgt, während Colt den Kochlöffel geschwungen hatte. Mit viel Liebe zum Detail hatte sie das Esszimmer dekoriert, Kerzen aufgestellt, den Tisch gedeckt und ein winterliches Gesteck darauf platziert. Der Cowboy schaltet den Herd ab und füllte das Gemüse, die Beilage und den Braten in Schüsseln und auf eine Platte um. Gerade waren beide mit den Vorbereitungen fertig, als es an der Tür klingelte. Robin löschte das elektrische Licht, damit das der Kerzen seine volle Wirkung entfalten und alles in anheimelnde Wärme tauchen konnten. Colt öffnete die Tür. „Hallo, ihr zwei Schönen“, begrüßte er April mit einer Umarmung und knuffte Fireball freundschaftlich in den Oberarm. „Und du halt. Schön, dass wenigstens ihr beiden gekommen seid,“ fügte er hinzu. „Also, Viehtreiber, ich glaube, du bist Saber und Chily ein paar Takte zu viel auf die Nerven gegangen. Die sind wahrscheinlich ganz froh, wenn sie von dir mal nix hören und sehen müssen, “ gab der Rennfahrer grinsend zurück. „Na, ihr beiden.“ Lächelnd schob April sich in den Flur. „Wie geht es dir und der Kleinen?“ fragte Robin und ließ sich eine liebevolle Umarmung für das Paar ebenfalls nicht nehmen. „Gut. Nur dass ich Chily nicht erreichen kann, ist seltsam, “ erwiderte die Schwangere recht arglos. Dass Colt die Gesichtszüge entgleisten, sah niemand, denn er stand mit dem Rücken zu den dreien und schloss die Tür. „Das ist es wirklich. Wir haben sie und Saber auch nicht erreicht, “ entgegnete die Lehrerin leicht verwundert. „Ich glaube nicht, dass sie weggefahren sind. Das würde sie doch nicht tun, ohne mir Bescheid zu sagen, “ überlegte Ramrods ehemalige Navigatorin laut. Wie sie den Scharfschützen damit folterte, ahnte sie gar nicht. Für den waren diese Worte Salz auf seiner Wunde und ein Beweis mehr, dass er den Abwesenden ein schlechter Freund gewesen war. „Vielleicht, wenn es nur ein Kurztrip ist und sie sicher ist, dass dir in der Zeit nichts passieren kann“, dämmte Robin die Besorgnis der Freundin. „Jetzt lasst ihnen mal zwei Tage für sich“, schaltete sich Fireball ein. „Wird schon nichts passiert sein“, meinte er leicht. Dann waren die beiden eben weg. Was war dabei? „Es ist weder Sabers noch Chilys Art einfach zu verschwinden und keinem zu sagen wohin und warum, “ bemerkte Colt nun. „Bei deiner Fürsorge würd ich mir aber auch stark überlegen, ob ich dir überhaupt noch mal was sage, “ gab der Pilot zur Antwort und zwinkerte. Es war nicht böse gemeint, auch wenn man es so auslegen konnte. Für den Lockenkopf dennoch mehr Salz. „Jaja“, brummte der und entschied sich noch einmal das Esszimmer einer unsinnigen Prüfung zu unterziehen. „Jetzt kommt halt erst mal richtig rein.“ Robin trat ein Stück zur Seite, damit ihre Gäste sich von Jacken und Schuhen entledigen konnten. „Gerne.“ April schälte sich aus ihrem Mantel. Fireball half ihr fürsorglich aus den Schuhen, an die sie wegen des ständig anwachsenden Bauches nicht mehr so leicht heran kam. „Ich glaube, Colt ist mit Saber doch richtig aneinander geraten. Es wurmt ihn gewaltig, dass Saber nicht ans Telefon geht oder zurück ruft, “ erklärte die Lehrerin ihren Bräutigam, während sie schmunzelnd das Paar beobachtete. Es waren diese kleinen Gesten, die verrieten, wie sehr sie sich liebten. „Quatsch“, Fireball stellte die Schuhe zur Seite und winkte ab. „Mit Colt kann man gar nicht richtig aneinander geraten. Und mit Saber funktioniert das auch nicht richtig. Vielleicht ist er mit Chily ein paar Tage weggefahren, die Ruhe können beide brauchen, “ meinte er überzeugt. Da sah wer Gespenster, ganz eindeutig. „Haben sie nicht noch Demon und Angel in Tucson-City?“ fragte April und gab so eine ziemlich gute Erklärung für die Fehlenden. Robin hob die Schultern. „Nein, Fireball, ich glaube es ist ernst. Colt macht sich wirklich Gedanken, “ meinte sie dann. „Der denkt? Wo soll man das denn hinschreiben?“ staunte der Japaner scherzhaft und erntete einen tadelnden Blick von dessen Braut. „Na hör mal. Er überrennt einen vielleicht manchmal etwas unsanft mit dem, was er nur gut meint, aber er ist nicht dämlich.“ Aber während sie dies sagte, schwächte ihr Grinsen die Rüge. So Unrecht hatte der werdende Vater nicht. „Von dämlich hat auch keiner was gesagt, “ stellte der feixend klar. „Ein bisschen daneben vielleicht, aber dämlich glaub ich nicht.“ Justament öffnete der Cowboy die Tür zum Esszimmer. „Genug über mich gelästert. Schieb dir lieber was zwischen die Backen.“ Einladend wies er dabei auf den Raum. „So schlecht gefüttert sieht er doch nicht aus, oder?“ hakte April nach und kniff dem Vater ihres Kindes in die Wange. „Na ja, “ räusperte Colt sich übertrieben, aber amüsiert. Diese freundschaftlichen Neckereien taten ihm gut. „Dann muss er mehr essen, an meinen Kochkünsten liegt es nicht“, lachte die Blondine und nahm am Tisch Platz. „Macht sich der Kochkurs also bezahlt?“ grinste der Scharfschütze bekanntermaßen keck. Auch der Pilot setzte sich. „Sehe ich etwa so aus? Perfekt ist es noch nicht, aber irgendwann wird es schon essbar werden, “ lächelte er vielsagend. „Als ob du es besser könntest. Du lässt ja sogar Spiegeleier anbrennen, “ stichelte seine Freundin zurück und stieß ihm leicht den Ellenbogen in die Seite. „Aber nur die! Dass der kleine Flitzer da sonst nix anbrennen lässt, sieht man ja an dir, werte April.“ Auch Colt und Robin ließen sich auf Stühlen nieder. „Du bist unmöglich“, rügte sie ihn leicht und begann die Schüsseln herum zureichen, damit sich jeder bedienen konnte. „Ist doch wahr! Wie war das mit Claudia Firenza gleich nochmal?“ Dabei deutet der Lockenkopf mit der Gabel auf den Rennfahrer und grinste fies. Die Lehrerin horchte auf. Von einer Claudia hatte sie noch nie was gehört und mit verständlicher Neugier hakte sie nach: „Was war denn mit ihr?“ – „Ich hab keine Ahnung, wovon der redet“, tat der Japaner unschuldig und Robin hätte es geglaubt, hätte April nicht ein eifersüchtig angehauchtes „Ich schon“ hinterher geworfen. Damit hatte sie das Interesse der Braut des Scharfschützen erst recht geweckt. „Was war mit dieser Claudia?“ Es konnte nicht so belanglos sein, wie Fireball tat, wenn es der Schwangeren noch säuerlich aufstieß. „Sagen wir es so: Sie wollte seinen Kilometerstand rauffahren, “ grinste Colt breit. „Sie hat sich für meinen Red Fury interessiert und mehr nicht! Also Schluss jetzt! Dass du immer die alten Kamellen aufwärmen musst, ehrlich, “ wehrte der nun energisch ab. „Ich mag Karamell eben, “ erklärte der Kuhhirte schulterzuckend. „Schon mal den Ausdruck "doof wie Brot" gehört, Colt? Brot ist noch mal so intelligent wie du, “ brummte der Japaner missmutig. „Erstaunlich, wie du das feststellen kannst, du RennSEMMEL, “ warf Colt munter zurück und hatte die Lacher auf seiner Seite. „Wenigstens hab ich mehr Grips als du, “ behauptete sein kleiner Hombre dann. „Wie kommst du darauf?“ wollte der Kuhhirte wissen und schob sich die Gabel in den Mund. Die Retour-Kutsche folgte sogleich. Fireball kannte schließlich auch die ein oder andere Geschichte aus dem Leben des Kameraden. „Warst du mit Bonny-May eigentlich noch mal beim Squaredance?“ fragte er scheinheilig. Der Gefragte riss die Augen auf. „Damit ich danach wirklich den Winchester-Walzer tanze? Bist du verrückt?“ Prompt wollte auch hier Robin wissen: „Wer ist Bonny-May?“ Es klang etwas argwöhnisch, wie immer, wenn sie den Beweis bekam, was ihr Zukünftiger einst für ein Casanova war. „Ein hübsches, naives Ding, das wirklich gedacht hatte, bei Colt würde es beim Squaredance bleiben“, klärte der Rennfahrer mit einem ebenso fiesen Grinsen auf, wie Colt es zuvor zur Schau getragen hatte. Skeptisch schaute die Lehrerin nun den Scharfschützen an. „Wie viele Frauen hast du denn noch vor mir verschwiegen?“ – „Frag ihn lieber, wo er in seinem Leben schon überall war. In jedem Nest eine, vermute ich mal, “ stichelte der Kleine weiter. „Stimmt doch gar nicht, “ wehrte der Cowboy verlegen ab. Du lieber Himmel noch war er nicht verheiratet und ganz sicher wollte er nicht, dass Robin sich das noch mal anders überlegte. „Jedes zweite Nest reicht auch schon. Ich meine, dass du mir die kleineren Liebschaften verschwiegen hast, kann ich ja noch nachvollziehen. Aber die Frauen, die etwas Besonderes waren, hättest du ruhig erwähnen können, “ rügte sie verstimmt. „Das kommt ganz drauf an, wie man besonders definiert, nicht wahr, Colt?“ April schaute ihn amüsiert an. „Na besonders eben, “ antwortete der Scharfschütze hektisch und bekam tatsächlich etwas Angst. Seine Gäste würden ihn doch nicht um Kopf und Kragen reden wollen. Das konnte er doch sehr gut allein. „Chily ist das auch und trotzdem hab ich sie unter ziemlich blöden Umständen kennen gelernt“, meinte Robin. „Aber nachdem Chily mehr Schwester als Freundin für Colt ist, fällt sie wohl eindeutig aus der Regel raus, Robin“, schaltete sich Fireball auf die Seite des Kuhhirten. „Trotzdem ist es mir jedes Mal peinlich, wenn ich daran denke, wie die erste Begegnung gelaufen ist. Wäre sie nicht auf mich zu gekommen, würde ich vielleicht immer noch nicht mit ihr reden.“ Das behagte ihr tatsächlich noch immer nicht. Schließlich hatte sie in der Jugendfreundin ihres Bräutigams eine sehr wertvolle Freundin für sich selbst gefunden, die sie nicht mehr hergeben wollte. Der Gedanke daran, dass sie diese Freundschaft nie aufgebaut hätte, war seltsam unangenehm. „Saber redet auch nicht mit ihr, da bin ich mir ziemlich sicher“, erklärte der Pilot nun aufmunternd und mit zweideutigem Grinsen. „Sie versteht ihn auch ohne Worte“, nickte die Lehrerin. Vielleicht war Colt nun aus seiner Erklärungsnot bezüglich seiner früheren Liebeleien befreit, dafür in die nächste Unannehmlichkeit geschliddert. „Aber uns hätten sie ein paar Worte zukommen lassen können, damit wir wissen, wo sie sind oder ob was passiert ist“, kommentierte er besorgt. „Wenn du immer für zwei redest, wie sollen sie da zu Wort kommen?“ fragte der Japaner und nahm einen Schluck von dem Saft, den Robin ihm eingegossen hatte. „Das macht meine Sorgen auch nicht kleiner“, murrte der Lockenkopf. Das Gegenteil war der Fall. Er wusste, dass er zu sehr gegluckt hatte und ahnte, dass er die beiden fehlenden Freunde damit in die Flucht geschlagen hatte. „Ach was, der Säbelschwinger passt schon auf sie auf. Und wenn er sie ans Bett bindet, “ meinte Fireball munter. „Und das soll mir jetzt helfen?“ Die Augenbrauen des Scharfschützen hoben sich erst skeptisch, dann zogen sie sich zusammen. „Danke“, brummte er. „Das Bild bekomm ich jetzt nicht mehr aus meinem Kopf, wie die zwei Fesselspielchen machen. Pfui deibel.“ Er verzog das Gesicht. Dieser Vorstellung wollte er sich nun wirklich nicht hingeben. Zu allem Übel stimmte April nun auch noch an: „Komm hol das Lasso raus, wir spielen Cowboy und Indianer…“ Fireball setzte mit ein: „ … wir reiten um die Wette, ohne Rast und ohne Ruh …“ Dann fiel auch noch Robin mit ein. „… hast du mich umzingelt werde ich mich ergeben, bind mich an den Marterpfahl … komm hol das Lasso raus, so wie beim ersten Mal …“ Colt schaute düster von einem zum anderen, worüber die drei erst recht lachen mussten. Wenn der Scharfschütze Sticheleien austeilen konnte, musste er sie auch einstecken können und das Bild von Saber und Chily in seinem Hirn zu festigen, schien ihnen die gerechte Retour-Kutsche zu sein. „Vielleicht machen sie grad ja was verrückteres, als das“, schlug April dann glucksend vor. „In neun Monaten wissen wir mehr“, lachte Fireball. Sie schüttelte den Kopf. „Nicht, wenn sie zum Heiraten abgehauen sind, “ grinste sie. „Klingt irgendwie romantisch, “ lächelte die Lehrerin mild. „Das klingt total wahnsinnig!“ platzte Colt hervor. „Das machen die nicht?“ Mit großen, unsicheren Augen sah er sie nun an. „So verrückt, wie Chily ist?“ Die Schwangere hob die Schultern. „Würd Saber sogar ähnlich sehen. Er will immer der erste sein. Und da der Weg mit dem ersten Kind im Team bereits verbaut ist, kann er nur noch dir ein Schnippchen schlagen, Viehtreiber, “ pflichtete ihr Freund ihr bei. „Chily würde doch sowas nicht machen, ohne es mir zu sagen, “ beharrte Colt. Er hoffte zumindest darauf. Denn wenn sie es doch getan hätte, hätte er als Freund wirklich ganz gewaltig versagt. Er ließ den Kopf sinken. Der Gedanke bedrückte ihn mehr, als er sich anmerken lassen wollte. „Jeder lernt aus Fehlern, Kumpel. Eine Lehre aus dem ganzen Abenteuer ist für uns alle gewesen, dir nicht mehr allzu viel zu erzählen, “ sagte Fireball schlicht. Jetzt ließ der Lockenkopf auch noch die Schultern hängen. Das tat ihm weh. Dass er daran selbst Schuld war, wenn seine Freunde das so sahen, wusste er. Das war ja das unangenehme daran und dass er es auch noch gesagt bekam, war das allerschlimmste. Einen Moment herrschte Schweigen. Keiner hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Normalerweise hätte der Scharfschütze etwas flapsiges gekontert. Einen klareren Beweis für seine Veränderung gab es kaum. So sehr er auch wollte, er konnte das Statement seines kleinen Hombres nicht schlucken. Langsam schob er den Stuhl zurück und stand auf. Wie ein Häufchen Elend trottete er in die Küche. April und Robin schauten Fireball an. Ihre Blicke waren eine Aufforderung. „Sieh zu, dass du das klärst“, sagten sie damit und folgsam stand auch er auf. „Ich muss kurz was nachsehen, ja?“ Damit war er hinter Colt in de Küche verschwunden. Etwas ratlos schaute April Robin an. Das war eine, für den Cowboy völlig, unnormale Reaktion. „So kenn ich Colt gar nicht. Was ist los mit ihm?“ fragte sie verwundert. Dessen Braut seufzte leicht. „Colt hat Saber wohl gesagt, dass er sich für Chily freut und wundert sich gerade darüber, dass der das nicht hören will“, antwortete sie dann. „Verstehe. Nach den Sprüchen hätte er lieber gehört, dass Colt sich für ihn freut, “ verstand die Schwangere sofort. Die Lehrerin nickte. „Aber darauf ist er nicht gekommen und jetzt macht er sich Vorwürfe. Auch dir und Fireball gegenüber. Ihm ist wohl klar geworden, dass er mit seiner Fürsorge etwas zu weit gegangen ist.“ Ein warmes Lächeln umspielte ihren Mund dabei. Das war, wenn auch etwas anders, aber immer noch der Colt, in den sie sich verliebt hatte. Etwas unbeholfen eben, wenn es um Herzensangelegenheiten ging. „Den Hang dazu haben er und Chily gemeinsam, aber sie schraubt ihn intuitiv runter“, bemerkte die werdende Mutter mit dem Gedanken daran, wie sie selbst sich von der Hebamme gelegentlich überfahren gefühlt hatte. Die beiden trugen ihr Herz eindeutig am rechten Fleck, aber manchmal eben auch auf der Zunge und das konnte einen schon überfordern, wenn man es nicht gewohnt war. Bei Colt allerdings war April es gewohnt. So war er und so mochte sie ihn. Aber ihr Freund hatte oft genug das Gefühl gehabt, er müsse vor den älteren beiden Teammitgliedern beweisen, dass er ebenso Mann war wie sie, dass er ihnen ebenbürtig war. Dabei spielte mit hinein, dass Fireball der Jüngste im Bunde war und mit diesem Fakt schon immer ein wenig gehadert hatte. Oft genug hatte er sich von Colt deshalb aufziehen lassen. Für April war klar, dass weder der Scharfschütze, noch der Recke der Meinung waren, der Rennfahrer sein sozusagen nur ein halber Mann. Im Gegenteil, ganz bewusst hatten sie ihm Aufträge gegeben, die bewiesen hatten, dass sie ihm so einiges zutrauten. Man musste dabei nur an die Sache in Laremy denken. Gut, die beiden waren ihm gefolgt, aber sie hatten erst eingegriffen, als ihnen keine andere Wahl mehr geblieben war, wenn sie den Piloten und Freund nicht verlieren wollten. „Männer und Intuition? Was Colt gerade am meisten fürchtet, ist, dass sich seine Freunde vor ihm zurückziehen und Saber und Chily scheinen das auch wirklich zu tun, “ riss Robin sie nun aus ihren Gedanken. „Ehrlich gesagt, so taufrisch wie die beiden erst zusammen sind, wollen sie vielleicht wirklich nur etwas Zeit für sich allein. Und wer kann es ihnen verdenken, “ gab die Schwangere zurück und nahm einen Schluck aus ihrem Glas. „Keiner, “ seufzte Robin, „aber mach das mal Colt klar.“ Sie stützt ihre Ellenbogen auf der Tischplatte ab und flocht die Finger in einander. Dann legte sie den Kopf darauf. „Das überlasse ich Fireball. Die beiden sollten sich ohnehin mal aussprechen, “ entgegnete April und nickte leicht in Richtung der Küche. In der Küche hantierte Colt etwas sinnlos vor sich hin. Die letzte Aussage seines kleinen Hombres hatte einfach furchtbar gesessen und er musste seine Aufruhr eindämmen in dem er unsinniger Weise das Besteck in der Schublade sortierte. War er wirklich so ein mieser Freund? „Hey, ich hätte Lust auf ein Bierchen, ist noch eins da?“ mit dieser unschuldigen Frage machte sich Fireball bemerkbar. Wortlos öffnete Colt den Kühlschrank, holte eine Flasche hervor und drückte sie ihm in die Hand. Die Kühlschranktür schloss sich wieder. „Und du willst keins?“ wunderte sich der Pilot doch. Noch einmal öffnete Colt den Kühler, holte jedoch diesmal die Ramazotti-Flasche hervor und schenkte sich ein Saftglas zu Hälfte ein. Er stellte die Flasche ab, starrte einen Moment auf den braunen, dickflüssigen Inhalt des Glases und leerte es dann in einem Zug. Wieder goss er sich die gleiche Menge ins Glas und stellte die Flasche dahin zurück, wo er sie hergenommen hatte. „Hast du Magenbeschwerden? (Ich bin doch nicht etwa für Magengeschwüre verantwortlich?)“ fragte Fireball, der mit wachsender Besorgnis zugesehen hatte. Der Gefragte schüttelte den Kopf, nahm noch einen Schluck und brummte dann kurz: „Nö.“ Der Japaner nickte leicht. „Sag mal, “ begann er dann langsam, „hast du wirklich keine Idee, wo Saber und Chily hin sind? (Ich weiß grad nicht, wie ich anfangen soll, was nicht heißt, dass es mir nicht leid tut.)“ – „Keinen blassen (Ich weiß auch grad nicht, was ich eigentlich wirklich denke. Fühl mich halt grad wirklich mies.), “ kam es wiederum kurz angebunden zurück. „Die wissen schon was sie tun, keine Sorge (Nur ich halt manchmal nicht, vor allem rede ich bevor ich denke.), “ meinte Fireball und lehnte sich leicht gegen die Kante der Arbeitsplatte. „Ja, das tun sie (Ich bin da kein Stück besser als du.).“ Wenigstens bracht Colt jetzt einen vollständigen Satz zustande. „Na, also, warum denkst du dann überhaupt darüber nach? Die machen sich ein paar schöne Tage, verdiente wohlgemerkt (Mein schlechtes Gewissen erdrückt mich grad fast.), “ hakte er nach und sah zu, wie Colt das Besteck achtlos in die Lade warf, so dass darin nur noch mehr Unordnung herrschte als zuvor. „Ja, sicher verdient. (Mein schlechtes Gewissen bringt mich noch um.) Nur...“ Statt den Satz zu beenden, spülte der Lockenkopf ihn mit etwas Ramazotti runter. „Nur was? (Kannst du meine Entschuldigung jetzt bitte annehmen, bevor ich doch noch zu Kreuze krieche?) “ bohrte der Rennfahrer und drehte seine Bierfalsch unschlüssig in der Hand. „Es ist nicht ihre Art. Das ist alles. (Jetzt mach du dir mal keine Gedanken. Ich bin hier der, der Mist gebaut hat.)“ Damit lehnte sich Colt an die gegenüberliegende Arbeitsplatte. „Wird ja wohl Zeit, dass sie mal auf sich schauen (Merke: zuerst denken, dann reden.), “ murmelte Fireball und entschied sich doch mal an dem Getränk zu nippen. „Allerdings.“ Die Einsilbigkeit des Scharfschützen war recht anstrengend und ungewohnt. Irgendwie musste der Japaner ihn doch wieder in das altbekannte vorlaute Wesen von Freund zurückverwandeln können. Obwohl ihm klar war, dass dies so hundertprozentig nicht mehr gehen würde. Colts ganze Verhalten war ein Beweis dafür, dass er sich verändert hatte. „Was meinst du, sollen wir unsere Damen noch ein wenig tratschen lassen? (Man, bin ich froh, dass du mir das nicht krumm nimmst.)“ Er lächelte leicht. ‚Komm schon, Colt, sei wieder du. ‘ Das war ja nicht zum aushalten. „Ist wohl besser. Sind ja schon lang nicht mehr dazugekommen. (Natürlich nicht. Ich bin ja selber Schuld, dass ich sowas zuhören bekomme.)“ Gedanklich jubelte der Japaner über diese Antwort. Das war doch schon eher der Kuhhirte, wie er ihn kannte. „Dann erzähl mir mal, ob du schon einen Smoking für deine Hochzeit gefunden hast, oder ob du in dem Aufzug heiraten wirst?“ versuchte er nun das Gespräch endlich mal aufzubauen. Etwas verdattert blickte der Lockenkopf ihn an. „Ich hab da ganz andere Probleme (Ich hab die Kandidaten vergrault, die meine Trauzeugen werden sollten.)“, antwortete der dann. „Ach, ist die Braut jetzt die falsche, oder was? (Ich hab nie gesagt, dass ich es nicht mache.)“ bemerkte Fireball und hob die Brauen. „Nö. Ganz im Gegenteil. (Die ist die einzige, die noch nicht die Flucht angetreten hat.) Gehört ja schließlich noch mehr dazu. (Bist du sicher, dass du das willst? Für mich?) Weit mehr. (Nur Saber brauch ich wohl nicht fragen), “ ließ Colt verlauten, ehe er noch mal an seinem Glas nippte. „Ja, ewige Treue zum Beispiel. Davor dürftest du dich fürchten, wie ich dich kenne (Ach, Saber macht das schon. Der Recke kann ja sowieso nicht Nein sagen), “ schmunzelte der Rennfahrer leicht. „Tu ich keinen Meter (Der würde wohl lieber meine Grabrede halten.), “ behauptete der Heiratswillige sofort. „Klar, “ lachte sein Gesprächspartner leise, „und April ist vom heiligen Geist schwanger (Keine Bange, Saber macht das bestimmt.).“ Das halb gespielte Erstaunen war schon wieder die altbekannte Art des Kuhhirten. „Ist sie? (Glaubst du, dass wirklich, nach dem Blödsinn den ich angestellt hab?)“ Amüsiert schüttelte der Kleine den Kopf. ‚Typisch.‘ „Heilig bin ich nicht und Geist bin ich auch noch keiner (Das weiß ich sogar.)“, stellte er klar. „Wie auch immer, kalte Füße hab ich jedenfalls keine (Wenn du meinst. Tut mir leid, dass ich mich soweit in euer Leben eingemischt hab.)“ Noch etwas mehr des typischen Wesens schimmerte hindurch. „Und falls doch. Von mir kriegst du eine Wärmflasche (Du hast es doch bloß gut gemeint. Ein bisschen zu gut, aber immerhin.), “ beruhigte Fireball ihn. „Für jeden Fuß eine? (Ja, ich hab es nur gut gemeint und maßlos übertrieben. Ich hab mir halt Sorge gemacht. Hab euch halt lieb.)“ Verlegen kratzte sich Colt hinterm Ohr. „Na, ob ich so viele auftreiben kann, weiß ich zwar nicht, aber mal schauen, was sich machen lässt (Bist halt auch nur ein Freund und hey, ich bin froh, dass du dir um unser aller Wohl Gedanken machst.)“ grinste der werdende Vater aufrichtig. „Da bin ich aber beruhigt. (Hoffentlich sieht Saber das auch so. Hab eher das Gefühl, der redet nie wieder mit mir)“ Das Schmunzeln, das über Colt Gesicht huschte, war wieder etwas unsicher. „Du hast verdammtes Glück, Kumpel (Klar redet Saber wieder mit dir, dem ist nur grad mal alles zu viel geworden.)“, versicherte sein kleiner Hombre. „Hm, sieht wohl so aus. (Hoffentlich. Jedenfalls bin ich froh, dass du es mir nicht übel nimmst.), “ nickte der Scharfschütze und blinzelte seinen Freund prüfend an. „Das ist so, mein Lieber (Wir haben uns beide nicht mit Ruhm bekleckert, wieder mal.), “ erklärte der überzeugt. Colt senkte leicht den Kopf. „Hehe (Denken ist wohl echt nicht so unsere Stärke, aber du machst Fortschritte, Kleiner.)“, lachte er leicht und es beruhigte den Rennfahrer. Schön, dass alles ausgesprochen worden war. Zufrieden leerte er sein Bier in einem Zug. „So, ich glaub, jetzt kann ich das da drin wieder länger ertragen (Bin ja vernünftig geworden oder so.), “ meinte er dann munter. Auch Colt trank den Rest Ramazotti aus. „Ja, amen. (Bist du schon, Kumpel.), “ antwortete er, stellte das Glas in die Spüle, räumte die Flasche fort und knuffte Fireball schließlich kameradschaftlich in die Seite. Da wusste der Japaner sicher, dass alles wieder so war, wie es sein sollte. Nach diesem Abend war Colt zwar erleichtert, aber so endgültig von seiner Sorge befreit war er noch nicht. Die Sache mit dem Recken war noch immer nicht geklärt. Dem Cowboy war schon klar, dass sowohl Saber als auch Chily etwas Zeit für sich brauchten und, ähnlich wie zuvor April und Fireball, ließ er sie ihnen auch, aber die angeborene Ungeduld machte ihm das nicht leicht. Ganz besonders, als er erfuhr, dass April in der folgenden Woche wieder einen Termin bei der Hebamme hatte. Es kostete ihn einige Überwindung noch weitere zwei Wochen verstreichen zu lassen, dann kam er nicht länger gegen seine Natur an. Er war ganz einfach nicht der Mensch, der Dinge ungeklärt lassen konnte und die ganze Angelegenheit schrie jeden Tag mehr nach Aufklärung. Deshalb klingelte er am späten Samstagvormittag bei den beiden an der Tür. Das erste, was ihm auffiel, war das Türschild auf dem der Name Rider stand. Was ihn daran wunderte, konnte er im ersten Moment nicht wirklich sagen. Dann fiel ihm der Briefkasten auf. Fünf Umschläge schauten heraus und er zog sie schließlich raus und schaute sie neugierig durch. Saber hatte ihm geöffnet und wähnte Ärger, als er den Kuhhirten so sah. „Mr. Rider, Mr. Saber Rider, Mr. Rider, Mrs. Jolene Rider, Mr. Rider ..., ” las der Lockenkopf vor und stutzte. „Moment. Mrs. Jolene Rider? “ Hatte er sich verlesen? Aus dem Haus hörte er Chily rufen: „Hier, bei der Arbeit“ und Saber griff etwas zu rasch nach dem Umschlag. „Warte, ich bring ihn ihr.“ Aber Colt hielt den Brief fest, drehte ihn um und hielt das Anschriftenfeld vor die Nase des Recken. „Noch mal. Misses Rider?“ hakte der Scharfschütze perplex nach. „ Misses RIDER?“ Er buchstabierte den Nachnamen. „Hab ich was verschlafen?“ wollte er dann geplättet wissen. Saber seufzte leicht. So zu tun, als sei das alles normal, hatte wohl nichts gebracht. „Jolene?“ rief er ins Haus. Gleich würde Colt ganz sicher ganz viele und ganz berechtigte Fragen stellen. Das wollte der Recke jedoch nicht allein durchstehen müssen. Denn genauso sicher war er, dass ganz viel Kritik folgen würde. Chily war ziemlich schnell an seiner Seite. „Ähm. Krieg ich meinen Brief, Bullet?“ fragte sie unschuldig und schaute den Scharfschützen mit ihrem berühmten Blick an, der ihn in der Vergangenheit immer weich gemacht hatte. „Wann ist das denn passiert?“ fragte der entgeistert, wedelte mit dem Brief vor den beiden herum und wies dann auf den schmalen Goldring mit dem kleinen Smaragd an ihrem Finger. So ganz war nicht deutlich, wie seine Fassungslosigkeit zu werten war. Er war entweder wirklich nur das oder würde gleich aus der Haut fahren. „Vor drei Wochen“, gestand die Hebamme leise und verabschiedete sich schon mal gedanklich von ihrer irdischen Existenz. Ebenso Saber. Gleich würden sie beide das Zeitliche segnen. Oder doch nicht? Colt zog einen unglaublichen Schmollmund. „Und ich“, schniefte er gekünstelt. „durfte nicht dabei sein?“ Skeptisch rissen die beiden vor ihm die Augen auf. Die Hebamme stieß den Schotten leicht an. „Ich glaube, er nimmt Drogen. Der schreit ja gar nicht, “ versuchte sie eine Erklärung für diese Reaktion zu finden. Noch mal schniefte Colt, nicht weniger theatralisch: „Schade, Chily. Ich wäre so gerne bei der Hochzeit dabei gewesen.“ Dann fiel sein Blick auf den Recken und er stieß ihm freundschaftlich die Faust gegen die Schulter. „Gut gemacht, Mann!“ lobte er. Dem Blondschopf klappte erstaunt der Kiefer auf. „Ich glaube, du hast Recht“, raunte er seiner Frau zu. „Was denn?“ Jetzt war es an Colt die beiden verwundert anzusehen. Er freute sich doch wirklich. Hatte er doch tatsächlich, an dem Tag, an dem sich die vier Freunde in Tucson-City wiedergetroffen und er von der Trennung zwischen Saber und Sincia erfahren hatte, gedacht, dass seine Chily die bessere Partie für den Schwertschwinger wäre. Dass ihm der Gedanke später weniger gefallen hatte, ignorierte er dabei. Sein erstes Gefühl war schließlich offenkundig das richtige gewesen. „Colt, Bullet“, begann die Hebamme nun. „Ich kenn dich jetzt schon seit meiner Geburt. Womöglich auch schon viel länger und …“ Überfordert brach sie ab und versuchte es noch einmal. „Ich meine, ich habe geheiratet. Saber geheiratet. Ohne dir einen Ton zu sagen. Und du rastest nicht aus? Bist du sicher, dass es dir gut geht?“ Wenn man daran dachte, wie oft der Cowboy in ihr in der High-School die Dates vermasselt hatte, die ihm nicht für sie gepasst hatten, und sämtliche Aussagen über ihre Beziehung zum Recken in Betracht zog, war dies eine vollkommen berechtigte Frage. Das musste er zu geben. „Ich bin nicht sauer, echt nicht. Und ja, ich bin mir sicher, dass es mir gut geht, “ entgegnete er wahrheitsgemäß. „Ich wäre nur gern dabei gewesen, wenn aus meiner Chily-Schote, seine Jolene wird, “ fügte Colt noch hinzu und deutete dabei auf Saber. An den erstaunten Gesichtern des Paares änderte sich jedoch nicht wirklich was. Vorsichtig legte Chily ihrem Jugendfreund die Hand auf die Stirn. „Fieber hat er nicht“, stellte sie dann fest. Saber neigte den Kopf zur Seite und musterte seinen Scharfschützen eingehend. „Hast du in letzter Zeit was auf den Kopf gekriegt?“ wollte er dann wissen. „Gleich wissen wir es sicher“, flüsterte die Hebamme ihm zu und erklärte dann Colt. „Ich bin schwanger.“ Sogar recht überzeugend, dafür, dass sie gar nicht lügen konnte. Jetzt musste er ausrasten, ganz sicher. „Das ist zu viel“, entfuhr es dem erschrocken. Haltsuchend lehnte er sich gegen den Türrahmen. „Viel zu viel.“ Vor allem auf einmal. „Aha, alles noch beim Alten, “ bemerkte Saber trocken. War ja klar. „Ihr veräppelt mich, oder?“ hakte Colt nach. „Nein, er ist auf den „Du muss mich heiraten, weil ich von dir schwanger bin“-Trick reingefallen“, behauptete Chily, auch wenn es ihr schwer fiel ernst zu bleiben. Wäre der Scharfschütze nicht so geschockt, wäre ihm das auch aufgefallen. So brachte er nur ein verwundertes „Hä?“ hervor. „Das ist für unseren Boss doch kein Grund, oder doch?“ Der Ärmste war nun völlig überfordert. „Na hör mal, was glaubst du denn?“ fuhr der Schotte ihn empört an. Als ob Saber eine Frau im Stich lassen würde, so klang es für den jedenfalls. „Na dann! Ihr zwei wisst das sicher besser als ich, “ entgegnete der Lockenkopf nun. Doch die zwei konnten das alles nur noch weniger begreifen. „Der rastet immer noch nicht aus.“ Im höchsten Maße verwundert schaute Chily zu Saber hinauf. „Da muss bei der letzten Mission ein Schaden geblieben sein, anders kann ich mir das nicht erklären“, versuchte der das Rätsel zu lösen. Das war doch nicht Colt, der da vor ihnen stand. Nicht der, den sie kannten. „Okay. Lass uns das mal klar stellen, Bullet. Ja, wir zwei sind verheiratet. Und nein, ich bin nicht schwanger, “ informierte die Hebamme dann. Der wischte sich den imaginären Schweiß von der Stirn. „Puh.“ Verunsichert zupfte seine beste Freundin ihn am Ärmel. „Man kannst du mich nicht wenigstens anmotzen, weil ich geschwindelt hab? Bullet, du machst mir langsam Angst, “ gestand sie mit einer Miene, die dies unterstrich. „Okay, na dann, “ grinste er. „Kinder will ich vorerst keine hier sehen, in Ordnung?“ Der Schotte hob erstaunt die Brauen. Wo war die Bestimmtheit, das Gezeter und Gemotze? „Ist das alles?“ wollte er erstaunt wissen. Auch die Hebamme beschwerte sich. „Echt, man. Nicht so halbherzig.“ Da konnte einem ja wirklich angst und bange werden. Colt musste sich das Lachen verkneifen. „Mach mir ja keine Schande, Boss“, fuhr er in alter Manie den Schotten an. Zufrieden grinste der. „Okay.“ Das klang schon eher nach der Oberglucke. „Und du, Huhn.“ Jetzt stieß der Scharfschütze mit dem Zeigefinger Chily vor die Brust. „Mach mir Saber ja glücklich“, mahnte er dann. „Danke, jetzt geht es mir besser“, erklärte sie erleichtert. „Bitte“, lachte ihr Jugendfreund und zog sie gleich darauf in seine Arme. Innig drückte er sie an sich, musste der Freude über diese Nachricht Ausdruck verleihen. Natürlich missfiel ihm die Heimlichkeit dabei, aber die hatte er sich leider selber zu zuschreiben. „Meine Chily ist eine Ehefrau“, murmelte er in ihr Haar, dann nahm er liebevoll ihr Gesicht in seine Hände und betrachtete es eingehend. Ja, genauso glücklich hatte er sie immer sehen wollen. Was spielte also alles andere noch für eine Rolle? „Habt ihr wenigstens ein paar Fotos für mich?“ fragte er dann. Sie nickte, drückte ihm einen Kuss auf und verschwand um das Album zu holen. „Läufst du dann jetzt Amok?“ wollte der Recke vorsichtig wissen. So ganz traute er dem Frieden noch nicht und stellte sich gedanklich darauf ein, jetzt Bekanntschaft mit der Faust des Kuhhirten zu machen. „Wozu?“ Colt hob die Schultern. „Die hast du jetzt an der Backe kleben. Mich nur noch, wenn sie es sagt. Es liegt also an dir.“ Dass Colt die Beichte mit der heimlichen Heirat so gut weggesteckt hatte, ließ zumindest Chily hoffen, dass es Sabers Eltern ähnlich gehen würde. Der Recke sah das etwas realistischer und daher auch etwas weniger optimistisch. Nachdem Colt an diesem Tag die beiden verlassen hatte, klingelte noch der Mann einer Patientin Chilys an der Tür um für seine Frau etwas abzuholen. Er nutzte den Moment auch um mit der Hebamme über die Schwangerschaft zu reden. Es war das erste Kind, das das Paar erwartete und daher war er doch besorgt, darüber, ob alles in Ordnung war. Lange unterhielten sie sich, wie Saber mit einem Blick aus dem Fenster feststellte. Leise sprachen sie und hatten die Köpfe zusammen gesteckt. Wieso sie so ein Gespräch vor der Eingangstür ihrer Praxis führen musste, fragte sich der Schotte schon und fuhr sich unbewusst über die Narbe. Nach einer normalen Unterredung sah es ihm jedenfalls nicht aus. Entsprechend verstimmt fand ihn seine Frau vor, als sie ins Haus zurück kam. Er kapselte sich den Abend über von ihr ab, gab nur einsilbige Antworten auf ihre Fragen, wenn überhaupt. Ihre Gabe in seinem Kopf lesen zu können, brauchte sie kaum und wenn sie es tat, dann erschien ihr das, was sie las zu seltsam. Denn sie las Eifersucht und da sie ihm keinen Grund dafür gegeben hatte, ihrer Meinung nach, musste sie sich wohl verlesen haben. Als diese unterkühlte Atmosphäre auch noch am Vormittag des nächsten Tages vorherrschte, reichte es der guten Chily und ehe sich der Recke versah, fand er sich in einem herzhaften Streit mit ihr darüber. Völlig vergessend dabei, dass seine Eltern demnächst aufmarschieren würden. „Wenn das meine Frau wäre, würde ich ihrer Hebamme nicht in den Ausschnitt gucken“, grollte er laut genug, dass Eduard und Mary Rider dies auch vor der Haustür hören konnten. „Man, was du immer für Gespenster siehst“, schimpfte die Hebamme nicht minder leiser. „Der hat auf den Boden geguckt.“ – „Bis dahin hat dein Ausschnitt ja auch gereicht“, schnappte der Eifersüchtige prompt und außer Acht lassend, dass es nicht stimmte. Sie hatte einen Rollkragenpullover getragen. Frustriert wandte sie sich ab und marschierte in die Küche. Das Klingeln hörte sie nicht, während Saber richtig zusammen zuckte. „Mutter, Vater, guten Tag“, grüßte er nach dem Öffnen und versuchte sich wieder zu beruhigen. „Man könnte meinen, du gehst uns aus dem Weg, Junge“, meinte seine Mutter, als sie eintraten und ließ sich nicht anmerken, dass sie Zeugen der Auseinandersetzung geworden waren. „Deine Zeit für uns scheint immer weniger zu werden“, stellte auch sein Vater fest. Betreten senkte der Sohnemann den Blick. „Das tut mir leid.“ Waren seine Eltern eben noch davon ausgegangen, dass der Streit unterbrochen und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden war, wurden sie nun eines besseren belehrt. Chily kam schwungvoll aus der Küche zurück in die Diele gefegt. „Jetzt hör mal Saber, du bist …,“ rief sie und hielt erschrocken in Sprache und Bewegung inne, als sie seine Eltern sah. „Shit“, entfleuchte es ihrem Mund, als sie an der kaum merklichen Verlegenheit der beiden erkannte, dass die zumindest den letzten Teil des Zwistes mitbekommen haben mussten. Aber, dann war es nun auch vollends gleichgültig. „Also, ich bin NICHT Sinca. Ich hab gewartet und ich werde warten, “ brauste sie den Recken an, dreht sich auf dem Absatz um, um sogleich wieder herumzufahren. „Denk dran, Saber, an dem Feuer meiner Leidenschaft könntest du dich eher verbrennen, als das du in meiner Gegenwart erfrierst. Ich bin nicht so kalt, dass ich mir was oder wen nebenher hol, “ erinnerte sie ihn leidenschaftlich. Der Recke schluckte schwer und senkte den Kopf. Ob es ihm unangenehmer war, dass sie Recht hatte, oder den Disput vor seinen Eltern fortsetzte, wusste er selbst nicht. „Du verletzt ihn mit deiner Liebe, wie es scheint“, konnte Mary Rider nicht unterdrücken zu kommentieren, angesichts ihres geknickten Sohnes vor sich, der wieder unbewusst über die Narbe fuhr und wies leicht mit der Hand darauf. Für den Bruchteil einer Sekunde verschlug es der Hebamme die Sprache, dann kreischte sie auf. „Wie bitte, was?“ Das war ja einfach ungeheuerlich. „Meine liebe Mrs. Rider“, begann sie, sich deutlich zur Ruhe zwingend. „Ihr letzter Besuch hat gezeigt, dass Sie über Sincia noch weniger wissen als ich. Nämlich gar nichts. Und über mich wissen sie genauso viel. Was fällt Ihnen ein mir so etwas zu unterstellen? Mal abgesehen davon, dass das völlig daneben ist, ist ein Streit zwischen Saber und mir einzig unsere Sache und geht Sie gar nichts an.“ Gegen Ende wurde sie jedoch wieder lauter. „Das sehe ich anders. Saber ist schließlich mein Sohn …“ setzte die angefahrene an sich zu rechtfertigen, doch Chily in ihrem Temperament ließ sie nicht ausreden. „ … und alt genug Probleme allein zu lösen. Wenn Sie sich noch mal einmischen, sehe ich Sie gehen. Durch diese Tür.“ Dies unterstreichend wies sie mit der Hand auf die Eingangstür. Sabers Mutter konnte getrost davon ausgehen, dass die Aufgebrachte ihre Drohung wahr machte. In jeder anderen Situation hätte sie sich taktischer Weise zurück gehalten, doch hier ging es für sie um mehr. Um das, nämlich, worum es allen Müttern ging. Um ihren Sohn. Der stand schweigend und mit hängendem Kopf vor ihr und schien alles andere als glücklich. Der Grund dafür war diese, bisher doch recht zweifelhafte, mögliche Schwiegertochter. Die hatte ihm Grund zur Eifersucht gegeben – ein Zug, den Mary nicht von ihm kannte – oder zumindest seine Gefühle verletzt. Als Mutter konnte sie es nicht dabei belassen. Sie musste sich für ihren Jungen einsetzen. Gerade wollte sie ihrerseits die Hebamme in ihre Schranken verweisen, als sie die Hand ihres Mannes auf der Schulter spürte. „Mary, bitte fasse dich wieder“, sagte er leise. „Narben zeugen von den Kämpfen, die man gewonnen hat“, fügte er hinzu. Ihm war nicht entgangen, dass diese Szene etwas damit zu tun hatte. Saber hatte sich darüber gestrichen, also musste es so sein. Auch war Eduard Rider die Hingabe aufgefallen, die momentan in Chilys Wut steckte. Wenn sie mit der gleichen Leidenschaft seinen Sohn liebte, dann hatte der alles, was er brauchte. Eine gewisse Anerkennung lag in seinem Blick. Saber selbst hatte sich ebenfalls gerührt und seiner Angetrauten die Hand auf die Schulter gelegt. Hart schluckte die nun hinunter, was sie eben noch hatte aussprechen wollen. „Wir werden wohl erst mal gehen, damit ihr das Problem allein klären könnt“, versuchte der Senior zu vermitteln. Augenblicklich schnappte Chily. „Es gäbe kein Problem, hätte meine Vorgängerin nicht Manapis Herz durch den Fleischwolf gedreht und er selber beim letzten Einsatz besser auf sich aufgepasst hätte.“ Der Recke erntete einen tadelnden Blick, ehe sie ergänzte: „Wie er es mir versprochen hat.“ Jetzt war es an dem Gerügten sich zu verteidigen. Er rollte die Augen. „Willst du mir das ewig vorwerfen?“ fragte er sie verstimmt. „Wenn es unsere Ehe bis ans Lebensende belastet, werde ich es dir auf den Grabstein meißeln lassen“, verkündete Chily heftig. Der Blonde drehte sie an den Schultern herum, so dass sie sich direkt gegenüberstanden, und hielt sie auf Armeslänge von sich. „Die Narbe habe ich nicht aus purem Leichtsinn, sondern weil ich Colt geholfen habe, “ stellte er klar. Damit verpuffte ihr Zorn. „Ich weiß“, erwiderte sie ruhig und legte ihm sanft die die Hand auf die verletzte Wange. Liebekosend strich sie mit dem Daumen darüber. „Und trotzdem schämst du dich dafür“, bemerkte sie warm und schaute ihn zärtlich an. „Jolene …“ Hatte sie ihn wieder durchschaut. Er fasste nach ihrer Hand, die ihn streichelte und hielt sie fest. Die Hebamme schmiegte sich an ihn. „Dein Vater hat es doch gesagt, Manapi. Narben kommen von Kämpfen. Kämpfe kann man gewinnen oder verlieren. Aber du hast nicht verloren. Überhaupt nicht, “ erinnerte sie ihn mild. Ihre Worte, ihre Gesten waren wie Balsam auf dem wunden Ego das Schotten. Einmal mehr zeigte sie ihm, dass sie genau wusste, was er fühlte, ohne dass er es in Worte fassen musste. Er zog sie in seine Arme, hauchte ihr einen sanften Kuss aufs Haar. „Meine süße kleine Aiyana“, murmelte er dann leise. Dass sie nicht allein waren, hatte er völlig verdrängt. Viel zu gut tat ihm ihre Gegenwart gerade. Sein Vater schmunzelte leicht. „Er scheint gefunden zu haben, was er gesucht hat“, raunte er seiner Frau zu. Die blieb jedoch noch skeptisch. Es ging immerhin um ihren einzigen Sohn. „Was macht dich da so sicher?“ hakte sie nach. „Das, Mary.“ Eduard Rider deutete auf das Paar vor sich, das gerade den besten Beweis für die folgende Aussage antrat. „Unser Sohn vergisst alles um sich herum.“ Verstimmt verzog seine Frau das Gesicht. „Er vergisst sogar uns und wenn ich mich nicht verhört habe, dann grenzt er uns neuerdings auch aus seinem Leben aus“, entgegnete sie verstimmt. Chily hatte von Ehe gesprochen. Saber hatte nichts dagegen gesagt. An der Tür stand auch nur ein Name. Für Mary stand nun fest, dass die beiden verheiratet waren. Doch sie wusste nichts von einem solchen Vorhaben und seiner Ausführung. „Das macht er aus einem einzigen Grund, Misses Rider.“ Chily drehte ihren Kopf an Sabers Brust so, dass sie dessen Eltern wieder sah. Kritisch hob ihre Schwiegermutter die Brauen. „Und welcher könnte das wohl sein? Oh, ich sehe schon, “ antwortete sie gleich danach und fixierte Chily mit wenig freundlichen Blicken. „Wegen des massiven Einmischens in sein Leben, “ berichtigte diese sofort. „Das kann man ja nun gar nicht sagen. Ich bin seine Mutter und erfahre nicht mal, dass ihr geheiratet habt, “ empörte sich Mrs. Rider und wandte sich dann an ihren Sohn. „Saber, kannst du mir das erklären?“ Das erste Zusammentreffen war alles andere als gut verlaufen. Auch dieses schien schon fast den Bach runter zu sein. Doch genauso sehr wie beim ersten Mal war der Schotte bereit vor seinen Eltern um seine Jolene zu kämpfen. Jetzt ließ er demonstrativ einen Arm um ihre Schulter und nahm mit der freien ihre andere. „Weshalb habt ihr geheiratet? Doch nur, weil ihr euch liebt. Jolene und ich, wir lieben uns auch. Was spricht also dagegen?“ fragte er zurück. „Wenn ich mir das so ansehe“ Seine Mutter deutete auf die Frau in seinem Arm. „dann so einiges. Das kommt ja schon einer Kopfwäsche gleich. Du hättest früher nie etwas getan, ohne mit uns vorher darüber gesprochen zu haben. Ganz besonders in einer solchen Angelegenheit, “ entgegnete sie. Dass sie es noch immer nicht schaffte, die Hebamme beim Namen zu nennen, stieß ihm sauer auf. Zudem kam er sich gemaßregelt vor. „Mutter, ich bin erwachsen“, versetzte er patzig. „Das weiß ich. Mir war nur nicht bewusst, dass das bedeutet, dass deine Eltern nicht mehr zu deinem Leben gehören. Dann sollten wir auch tatsächlich wieder gehen. Was meinst du, Eduard?“ Schon wandte sie sich zum Gehen. „Saber?“ Ein Wort benötigte sein Vater um ihn aufzufordern etwas zu tun, sonst müsste sich der Senior das bis ans Lebensende anhören. Auch Chily stieß den Blonden leicht an. „Mach schon. Sie ist doch nur verstimmt, weil sie keine Chance hatte mich richtig kennen zu lernen und bei der Hochzeit anwesenden zu sein, “ las sie vor, was in dem Kopf seiner Frau Mama vor sich ging. Wieso staunte er da noch? Das war doch ihre Art. Seine Mutter hielt in der Bewegung inne, also hatte seine intuitive Ehefrau mal wieder recht. „Vater? Mutter? Lasst uns bei einer Tasse Tee noch mal in Ruhe darüber reden. Ich möchte das nicht zwischen Tür und Angel klären, “ lenkte Saber also ein und führte die beiden ins Wohnzimmer. Sie setzten sich auf den Sofas einander gegenüber. Jedes Paar auf einem, der flache Tisch wie Schutzwall dazwischen. „Ich weiß, ihr wart enttäuscht, nicht Sincia hier zu treffen. Aber wie ich euch schon erklärt habe, hat das einen ganz einfachen Grund, “ startete der Recke zur Erklärung. „Überrascht trifft es wohl eher, “ kommentierte sein Vater. „Geschockt noch besser, “ bemerkte seine Mutter. Chily biss sich leicht auf die Unterlippe. „Wenn es euch beiden schon so geht, dann werdet ihr wohl nachvollziehen können, wie ich mich gefühlt habe“, gab er zurück. Der Hinweis musste ihnen genügen. Er wollte ihnen nicht auch noch erzählen müssen, dass ihm ein anderer Mann die Tür geöffnet hatte. „Hast du denn gar nicht versucht, den Vorfall mit Sincia, zu klären?“ hakte Mary nach. Auch wenn die Hebamme die Berechtigung dieser Frage einsah, zog sie es vor zu gehen. Gegen die Nuss, wie sie ihre Vorgängerin nannte, hegte sie schon fast Mordgelüste dafür, dass sie den Schotten so verletzt hatte. „Ich mach uns mal den Tee.“ Damit hatte sie doch einen ziemlich guten Grund zu verschwinden. „Ich habe ihr geschrieben, sie angerufen, aber sie hat jeden Kontakt abgebrochen. Es tut mir leid, dass ich euch das nicht erzählt habe, aber ich wollte das zuerst mit mir selbst ausmachen, “ erläuterte der Recke, als sie den Raum verlassen hatte. Sein Vater nickte verstehend. Das konnte er gut nachvollziehen, da er selbst ebenso ungern über solche Dinge sprach. „Naja, wie das halt so ist, die Zeit vergeht und manche Dinge ändern sich“, wollte der Spross das ganze nun beenden, aber seine Mutter hatte noch ein paar Fragen. „Wie hängt das nun mit ... ihr ... zusammen? Ich meine ...“ Leicht ratlos brach sie ab. „Ihr Name ist Jolene, Mutter.“ Gerade konnte sich Saber einen genervten Seufzer verkneifen. „Colt hat uns in seine Heimat eingeladen, weil er dort seine Verlobung mit Robin bekannt geben wollte. Und da Jolene seine beste Freundin ist, haben wir uns dort kennen gelernt, “ berichtete er dann. „Eine Freundin von Colt.“ Mary wusste nicht, ob ihr das jetzt gefallen sollte. „Euer Scharfschütze? Der mit dem losen Mundwerk?“ hakte auch Eduard nach. „Hab ich euch Colt so beschrieben?“ Verlegen kratzte Saber sich am Kopf. Konnte das Bild von Jolene denn noch schlechter werden? „Wisst ihr, Jolene ist Hebamme, sehr bodenständig und …“ versuchte er das sogleich zu verbessern, schluckte aber die eigentliche Aussage mit hinunter. Prompt hakte seine Frau Mama dort nach. „Und was, mein Junge?“ Wie sollte er das nur richtig erklären? Verlegen schaute er auf den Boden. „Sie versteht mich“, entgegnete er schlicht. „Sie sieht mich nur an und weiß, was los ist, ohne dass ich etwas sage. Es sind Kleinigkeiten, aber gerade die machen Jolene zu jemand besonderen.“ Eduard Rider lächelte leicht in seinen Vollbart. „Kleinigkeiten sind niemals bedeutungslos“, gab er leichthin zurück. „Eduard bitte. Du hörst dich an, als wolltest du ihm für diesen ... Leichtsinn ... auch noch deinen Segen geben, “ staunte Mary. Sie war noch immer überfordert von der Situation, konnte nur noch schlecht in Worte fassen, was sie bewegte. Entsprechend unglücklich war ihre Wahl. „Ich verstehe nicht, was du gegen Jolene hast, Mutter. Weshalb versuchst du noch nicht einmal, sie näher kennen zu lernen?“ begehrte ihr Sohn verärgert auf. War zu fassen, dass sie sich so dagegenstellten? Für Saber jedenfalls nicht. Ehe er noch etwas sagen konnte, kam das Gesprächsthema mit einem Tablett, auf dem Teekanne und Tassen standen, wieder herein und las im Vorbeigehen wieder aus dem Kopf Marys vor: „Manapi, lass gut sein. Sie weiß doch nur noch nicht so recht, wie sie das alles werten soll. Sie hat dich immerhin unter ihrem Herzen getragen, da kannst du nicht erwarten, dass ihr jemals gleich wäre, was du tust.“ Nebenher stellte sie das Tablett auf dem Tisch ab und verteilte die Tassen. „Aber sie hört sich an wie Colt!“ erklärte ihr Manapi ungehalten. Da hatte der Kuhhirte wohl einmal zu viel reingeredet. „Mag sein, aber im Gegensatz zu ihm, hat sie das Recht dazu. Sie ist deine Mutter und sie wäre in meinen Augen eine schlechte, wenn sie kommentarlos alles geschehen lassen würde. Findest du nicht?“ Sie hockte sich wieder zu Saber aufs Sofa und sah ihn aufmunternd an. Es war ja schließlich nicht Mary Riders Schuld, dass der Scharfschütze die Oberglucke schlechthin war. Der Recke blieb jedoch uneinsichtig. Ihm waren die Debatten, die er führen musste, seit er seine Frau kannte, ganz einfach zu viel. „Es ist aber mein Leben, Jolene. Es ist mein Leben, das ich mit nur einem einzigen Menschen verbringen möchte, mit dem ich glücklich sein möchte, “ beharrte er an sie gewandt und auch vor seinen Eltern ließ er sich von dem Gesagten nicht abbringen. „Jolene hat mein Leben verändert. Sie hat mir gezeigt, dass Liebe nichts Einseitiges sein muss.“ Fest hatte er sie angesehen. Während die Hebamme von ihm abrückte und mit angezogenen Beine sich in die Sofaecke verzog, entgegnete seine Mutter: „Wenn Liebe einseitig ist, ist es keine Liebe.“ – „Du bist sehr scharfsinnig, Mutter. Denn nur ich habe für Sincia so etwas wie Liebe empfunden, sie nichts dergleichen für mich. Aber Jolene liebt mich. Sie steht mir bei, interessiert sich für mich und macht sich auch mal Sorgen um mich, “ versetzte der Blonde. Mit Unbehagen musste er feststellen, dass seine Frau die Distanz suchte. Behutsam griff er nach deren Hand, aber sie rührte sich nicht. „Vergiss bitte nicht, dass du mit deiner Mutter sprichst“, mahnte sein Vater ihn. Eduard Rider verstand seinen Sohn vollkommen, doch der Ton, den der eben angeschlagen hatte, war ganz einfach nicht angebracht. Wie immer, wenn er gemahnt wurde, senkte er betroffen den Blick. „Entschuldigung, Vater. Es tut mir leid, Mutter.“ Seufzend sah er von einem zum andern. Es schien, als hätte er sie jetzt alle drei gegen sich aufgebracht. „Ich habe in Jolene all das gefunden, was ich immer gesucht habe. Mein Leben ist endlich vollkommen, “ erklärte er dann ruhiger. „Das ist deutlich, Junge, und das freut uns für dich. Je mehr wir uns an diesen Umstand gewöhnen und deine Frau kennen lernen, desto mehr wird es uns freuen, “ nickte Eduard. „Es scheint, als kann zumindest Jolene uns verstehen. Wie wollt ihr es ihren Eltern erklären?“ Auch Mary bemühte sich um Fassung. „Ich habe keine mehr“, murmelte Chily und schlang die Arme um ihre Beine. „Oh, das tut mir leid, Jolene.“ Dass Mary ihre Schwiegertochter mit ihrem Namen ansprach hatte einen Grund. Die Erkenntnis, dass diese junge Frau vielleicht etwas aus der Reihe tanzte, aber eben doch die angenehme und verständnisvolle Partnerin war, die sie sich für ihren Sohn gewünscht hatte. Alle Zweifel und Bedenken daran hatte sie zerstreuen können, in dem sie einfach nur sie selbst geblieben war. Jetzt schüttelte die Hebamme leicht den Kopf. „So ist es eben“, antwortete sie tapfer. „Nur denke ich grad, ist meinem Manapi nicht klar, es für ein Segen ist, Eltern zu haben.“ Der Recke stand auf. Das freundschaftliche Band zwischen seiner Mutter und seiner Frau hatte sich unauffällig gesponnen und war ihm völlig entgangen. „Aus einem Segen kann manchmal auch ein Fluch werden“, brummte er und hatte noch immer den Vorwurf im Blick, als er seine Eltern ansah. „Es tut mir leid, dass ich euch enttäuscht habe, aber es war einzig meine Entscheidung. Vielleicht“ Er ging zur Tür. „ich sollte mal kurz etwas frische Luft schnappen. Ihr entschuldigt mich?“ Er war enttäuscht darüber, noch immer nicht ihr Wohlwollen zu haben und war in dem Augenblick zu verbockt um zu begreifen, dass er sich irrte. „Es war bitte schön unsere Entscheidung“, rief Chily ihm nach. „Aber Eltern behandelt man nicht so wie du gerade, man ist dankbar, dass man sie hat.“ Tränen stiegen ihr in die Augen, die sie nicht verhindern konnte. Sie hatte für so ziemlich alles Verständnis, nicht aber für sein Verhalten. Sie hatte ihre Eltern verloren und sich oft genug hilflos ohne sie gefühlt. Sie wusste, was ein solcher Verlust bedeutete und für sie war nicht nachvollziehbar, wieso er das nicht sah. „Ja, frische Luft ist eine gute Idee.“ Mary erhob sich und folgte ihrem Sohn. „Geht ruhig. Ich genieße meinen Tee, “ meinte ihr Mann und wartete, bis die Haustür hinter ihnen ins Schloss gefallen war. Dann stand er ebenfalls auf, umrundete den kleinen Tisch und nahm auf dem Sofa neben der Frau seines Sohnes Platz. „Sie vermissen Ihre Eltern, nicht wahr?“ begann er. Sie wischte sich leicht über die Augen. „Manchmal wie die Hölle“, schniefte sie. Noch eine Eigenschaft, die für sie sprach. Als ob sie sein Herz heute nicht schon im Sturm erobert hätte. „Wie kann er sich nur so benehmen?“ klagte sie dann Saber an. „Er benimmt sich wie ein verwöhntes Einzelkind. Saber ist es nicht gewöhnt, bei uns auf Widerstand zu stoßen, “ entgegnete Mr. Rider scherzhaft. „Das hab ich aber besser gemacht. Wir sind von Anfang an immer wieder mal aneinander gerasselt.“ Sie schniefte noch einmal, grinste aber leicht. „Sie und Saber?“ fragte er erstaunt und neigte den Kopf zur Seite. Es war schwer vorstellbar, wer da die Oberhand behielt. „Wie viele Vasen haben schon das Zeitliche gesegnet?“ wollte er deshalb wissen. „Keine. Aus dem Grund hab ich es eher mit Pfannen und Harken, “ erwiderte sie mit Gedanken an die Situationen. Sie schnitt eine leichte Grimasse. „Er ist manchmal so dumm, obwohl er so klug ist“, bekundete sie dann ihren Unmut. „Wie kommen Sie darauf, Jolene?“ – „Weil es so ist. Man sollte doch wissen, was man hat, wenn man es hat. Er hat so oft so gut von Ihnen gesprochen. Mir war so völlig zweifelsfrei klar, wie sehr er an Ihnen beiden hängt und jetzt redet er solch einen Unsinn. Das ist dumm. Er weiß es besser, als er gerade gesagt hat, “ erläuterte sie ihrem Schwiegervater. „Die Liebe lässt uns Dummes tun und sagen, “ bemerkte er und lächelte mild, als er ergänzte. „Das wiederum lässt mich nun darauf schließen, dass Saber tiefe Zuneigung für Sie empfindet.“ Wiederum verzog sie das Gesicht. „Wenn ich das an seinen Zweifeln messen kann, ist es beinahe schon wieder beängstigend“, grollte sie leise. Erst heute hatte Saber bewiesen, wie unsicher er war, was ihre Gefühle für ihn betraf. Aber sie kannte auch den Grund dafür und wusste, dass er es weniger wäre, würde er sie weniger lieben. „Ich hab ihn lieb“, flüsterte sie dann warm. „Er hat Zweifel? Den Eindruck hatte ich ganz und gar nicht. Unser Junge ist von dem, was er für Sie fühlt, überzeugt, “ stellte Eduard fest. Das war immerhin eine recht eindrucksvolle Vorstellung gewesen. Jetzt schaute die Hebamme ihn erstaunt an. „Also Papa Rider. Schon vergessen, weswegen er und ich uns bei der Ankunft in der Wolle hatten?“ erinnerte sie ihn. „Ich sagte, er ist sich seiner Gefühle sicher. Das ist ein Unterschied, Jolene, “ korrigierte er darauf. „Ihrer Gefühle ist er sich wohl nicht ganz so sicher. Obwohl ich mich gerade frage, weshalb?“ Unglücklich darüber hob sie die Schultern. „Das mag der Teufel wissen...“ Sie wusste es nicht. So wie sie vor ihm saß, konnte Sabers Vater kaum anders, als sie in den Arm zu nehmen. Er mochte sie. Sie hatte von heute an einen festen Platz in seinem Herzen. „Dann ist er wirklich ein Narr“, stimmte er ihr zu. Dieser Zuspruch tat ihr gut. Leicht lehnte sie sich an ihn und hob ermutigt den Kopf. „Und wer hat den erzogen?“ fragte sie mit schelmischem Grinsen. Er hob die Hände in die Höhe. „Ich war bei der königlichen Garde, Mary hat das alleine zu verantworten“, schwor er lachend. Mary fand das Ergebnis ihrer Erziehung am Zaun der Koppel stur sich ausschweigend vor. Saber drehte sich nicht zu ihr um, obgleich er gehört hatte, dass sie sich ihm näherte. Sie schüttelte leicht den Kopf. Ja, den Starrsinn kannte sie, die Miene dazu. So war er als kleiner Junge schon gewesen und hatte, wie so viele Kinder auch, auf diese Weise versucht, durchzusetzen, was er wollte. Genauso oft, wie sie nach gegeben hatte, war sie auch unnachgiebig gewesen. Das einzige Mal, dass er so derart verbissen trotzte, war gewesen, als er zu den Starsheriffs wollte. Sie hatte nicht nachgeben wollen, fürchtete, er könne eines Tages von einer Mission nicht mehr zurückkehren. Er hatte jedoch einen vollen Monat diese Miene zur Schau gestellt und am Ende hatte sie es nicht mehr ertragen. Für den idealistischen Spross war es ein Traum gewesen, dem KOK und dem Neuen Grenzland zu dienen und nach dem kein sachliches Argument geholfen hatte, hatte er auf Stur geschalten. Wenn sie ihn jetzt so betrachtete, konnte sie sicher sein, dass er auch seine heimlich Angetraute mit der gleichen Hingabe liebte, mit der er damals fort gewollt hatte. „Hast du vor für den Rest deines Lebens zu schweigen?“ fragte sie schließlich, weil er sie noch immer ignorierte. „Wenn es mich davor bewahrt, eine Enttäuschung nach der anderen zu erleben, dann ja“, schmollte er. „Verstehe. Weil dich die ganze Welt enttäuscht, “ murmelte sie. Ja, diese bockigen Antworten kannte sie von früher. „Die ganze Welt ist mir egal. Aber meine Freunde und meine Familie enttäuschen mich.“ Oh, Mary hatte gehofft, dass er diese Verbocktheit, die seit seiner Ausbildung zum Starsheriff verschwunden war, endgültig abgelegt hatte. Doch offensichtlich war es ein Wesenszug und daher nur schwer zu ändern. „Nun, was deine Freunde angeht, das kann ich nicht beurteilen, aber ich weiß, dass mein Sohn sich sehr verändert hat“, meinte sie dann. „Wie soll ich mich verändert haben?“ hakte er halbherzig nach. Eigentlich wollte er nur hören, dass sie seine Frau so akzeptierte und in die Familie aufnahm. „Für welche Frau wärst du bereit, dich gegen alle Regeln, Traditionen ... kurz, dich gegen die ganze Welt zu stellen? Für die, die du geheiratet hast? Oder gibt es noch eine?“ wollte sie wissen. „Nur für Jolene“, erklärte er knapp und fest. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du jemals Regeln gebrochen hättest, oder Traditionen. Beides hast du für sie getan. Willst du mir immer noch sagen, du hättest dich nicht verändert?“ Sie ließ ihn nicht aus den Augen. „Ich habe viele Regeln gebrochen, Mutter. Nur waren das nie eure Regeln. Es hat einen guten Grund, weshalb ich Jolene geheiratet habe, “ entgegnete er, drehte sich endlich zu ihr um und deutet aufs Haus. „Weil ich sie liebe. Ja, sie hat manchmal ein loses Mundwerk, aber was ist schon dabei. Jolene trägt ihr Herz auf der Zunge, aber sie weiß, was ich brauche, wonach ich mich sehne. Warum willst du das bloß nicht verstehen, Mutter?“ Und spätestens jetzt konnte sie auch sicher sein, dass er genau wusste, an was für eine Frau er sein Herz verschenkt hatte. „Was ich nicht verstehe, ist, warum ich nicht vor der Hochzeit noch eine Chance bekommen habe, sie richtig kennen zu lernen. Saber, glaubst du nicht, dass dein Vater sie nicht gern zum Altar geführt hätte?“ hakte sie sanft nach. „Als ihr sie kennen gelernt habt, wolltet ihr nichts von ihr wissen“, beharrte er, doch etwas Einsicht zeigte sich in seinen nächsten Worten. „Ja, ich hab euch nichts von ihr erzählt, aber ich dachte, ihr wärt Jolene gegenüber genauso aufgeschlossen, wie ihr es allen anderen Menschen auch seid. Aber das wart ihr nicht.“ Im letzten Satz schwang wieder bittere Enttäuschung darüber mit. „Du willst mir doch jetzt nicht weis machen, dass ihre Art für dich nicht gewöhnungsbedürftig war? Das ist sie wohl für jeden. Jolene hat ein sehr eigenes Wesen und nicht alle sind das gewöhnt oder kommen damit zu recht. Schon gar nicht im ersten Moment. Wir sind auch nur Menschen und waren im ersten Augenblick damit überfordert. Ich will nichts entschuldigen, mein Junge, ich will es nur erklären. Nach allem, was ich nun weiß, kann ich auch getrost zugeben, dass ich mich geirrt habe, “ berichtigte seine Mutter die Tatsachen ruhig. „Aber warum kannst du das nicht vor Jolene machen? Mutter, sie ist mir sehr wichtig, sonst hätte ich sie nicht geheiratet, “ murrte er unwillig, wie der Dreikäsehoch von einst. Sie presste die Lippen aufeinander um nicht zu lachen. „Hättest du es nicht vorgezogen zu gehen, hätte ich das tun können. Jetzt fühle ich mich eher dazu verpflichtet dafür zu sorgen, dass du dich bei deiner Frau entschuldigst, “ gab sie zurück, den Tadel in der Stimme, über den nur Mütter verfügen. „Keine Sorge, Mutter“, beschwichtigte er sie schon versöhnlicher gestimmt. „Jolene beruhigt sich wieder, wenn ich mich bei ihr entschuldigt habe. Sie weiß, wie viel mir eure Zustimmung bedeutet hätte und weshalb mir das alles nun schwer fällt, “ fügte er hinzu. „Ich könnte dir jetzt auch sagen, dass du dir das alles hättest ersparen können, wenn du mit der Hochzeit gewartet und uns alle vorher noch einmal zusammen gebracht hättest. Aber was bringt ein solcher Vorwurf?“ versetzte sie und er musste zugeben, dass sie nicht unrecht hatte. „Ich verstehe, was du mir damit sagen willst, Mutter.“ Endlich löste er sich vollends von der Koppel. „Ist der zweite Eindruck von Jolene denn besser als der erste?“ hakte er dann nach. Die Frage war wichtig für ihn. Gut, sie konnte nicht wissen, wie sehr ihm die Diskusionen mit Colt zu dem Thema zugesetzt hatten, aber auch ohne die war der Segen seiner Eltern auf dieser Verbindung sehr wichtig für ihn. „Ist es im Himmel schöner als in der Hölle?“ fragte sie lächelnd. „Man kann sich beides auf Erden holen“, schmunzelte er. „Was hältst du von einer weiteren Tasse Tee?“ Galant, ganz der Gentleman zu dem sie ihn erzogen hatte, hielt er ihr den Arm hin. Sie hakte sich bei ihm ein. „Unbedingt und vor allem bevor dein Vater und deine Angetraute die Chance haben sich endgültig gegen uns beide zu verbünden“, antwortete sie. „Diese Chance sollten wir ihnen wirklich nicht lassen, sonst beschließen die beiden demnächst noch, dass es Zeit für dich ist, Großmutter zu werden.“ Saber war erleichtert über ihren Zuspruch. „Und was hast du dagegen?“ fragte sie schelmisch das, was die meisten Mütter fragen würden, als sie, vertraut wie gewohnt, zum Haus zurückkehrten. „Ich will nicht schon wieder renovieren müssen“, gab er zurück. Davon hatte er wirklich genug. „Warum nicht. Es ist doch gelungen, “ lobte sie. „Aber mir reicht es langsam wieder mit den Farbeimern und den Umzugskartons. Wir haben schließlich auch Fireball und April beim Umzug geholfen, “ erklärte er. Nein, beim besten Willen. Er wollte sich erst mal mit seiner Frau einleben. Zeit wurde es schließlich langsam. „Dann kannst du ja nicht besser in Übung sein“, bemerkte sie, als er ihr die Tür auf hielt. „Ich bin Starsheriff, Mutter, und kein Handwerker“, wehrte er sich halbherzig gegen ein solches Unterfangen. „Beide bringen etwas in Ordnung“, entgegnete sie. „Und beide sind wichtig“, fügte Sabers Vater hinzu, als die beiden im Wohnzimmer ankamen. Der Senior saß wieder auf seinem ursprünglichen Platz. Chily hockte unverändert mit angezogenen Beinen, die Arme darum geschlungen, auf dem Sofa und schmollte offenkundig. „Lieber ein Degen als ein Hammer und das ist mein letztes Wort“, schmunzelte der Recke und kam zu der Hebamme auf die Couch. Schon wieder vergessend, dass seine Eltern anwesend waren, hauchte er ihr einen Kuss auf das Stückchen Nase, dass er erreichen konnte, ehe sie den Kopf ganz einzog. „Du musst mich lieb haben“, erinnerte er sie leise. Sie schüttelte den Kopf. „Nö“, wiedersprach sie. „Du musst mich lieb haben, das hast du Toto versprochen.“ – „Ich hab dich lieb. Nicht nur, weil ich es Toto versprochen hab.“ Wie süß sie murren konnte und doch war ihm nichts unangenehmer als das. So, wie sie sich zusammen gekauert hatte, war es schwer sein Gesicht an ihre Schulter zu betten. Er tat es, so gut es ging. „Es tut mir leid“, flüsterte er. Sie zog ihren Kopf noch etwas weiter ein. „Und was? Weißt du das überhaupt oder ist das grad nur Floskel?“ brummte sie zurück. Er hauchte ihr noch einen Kuss auf die Schulter und drückte sich an sie. „Es tut mir leid, wie ich mich gerade benommen habe. Ich war ungehalten. Ich habe nicht nachgedacht, “ rechtfertigte er sich. „Verzeih mir, Jolene.“ Sie verharrte in ihrer Position. „Du kannst wirklich froh sein, dass du die beiden hast“, prägte sie ihm ein. „Das bin ich“, versicherte er ihr und suchte unablässig ihre Nähe. Kaum etwas war schlimmer, als wenn sie ihm die kalte Schulter zeigte. „Und ich bin froh, eine Frau wie dich zu haben“, versuchte er sie wieder gnädig zu stimmen. „Glaub ich es dir mal.“ Endlich löste sie sich aus ihrer Haltung, hob die Arme leicht und fuhr ihm mit einer Hand über die Wange. „Du böses Manapi, “ schimpfte sie liebevoll. „Dein Manapi, “ gab er zurück und drückte seinen Kopf in ihre Handfläche. „Nö, meins ist immer lieb.“ Ihre Finger fuhren weiter bis zu seinem Ohr und zogen leicht daran. Notgedrungen folgte er mit einer Hand. Schön, sein Hörorgan war noch dran. „Autsch.“ Seine Beschwerde wurde mit einem Grinsen quittiert. „Sei froh, dass deine Eltern da sind, sonst wäre es ab“, ließ sie ihn wissen. „Wenn das so ist, bin ich jetzt erst recht froh, dass sie hier sind“, lächelte er zurück. „Nicht mehr böse sein, Jolene“, bat er noch einmal. Ihr Kopfschütteln hieß, dass sie es nicht mehr war. „Kuss drauf?“ fragte sie dann. „Kuss drauf“, erwiderte er und schürzte die Lippen. Inzwischen, dass wurde seinen Eltern klar, als sie die beiden lächelnd so beobachteten, hatten das Paar sich angewöhnt, jeden Streit auf diese Weise zu beenden. „Kuss drauf“, dann war alles wieder gut. Charles Eagle blickte auf die Stadt hinab. Der erste Tag im Dezember war kalt und grau. Das Leuchten hinter dem dunstigen Himmel ließ den Schluss zu, dass die Sonne schien. Doch so verborgen, dass ihre Strahlen kaum wärmen konnten. Deshalb klirrte die Luft leicht, die durch das angelehnte Fenster in sein Büro drang. Die Luft. Charles blieb gedanklich an dem Wort hängen. Die Luft konnte klirren und flirren, je nach Wetter. Es konnte etwas ahnungsvoll darin liegen oder knistern. Ersteres war positiv, letzteres nicht. Dann lag auch Spannung in der Luft. Das hieß Ärger. So wie es heute war. Die Luft klirrte leicht vor Kälte. Doch schien sie auch wie elektrisiert zu knistern. Wie unter Strom, unter Spannung, sinnierte er weiter. Warum konnte man eigentlich keine zusätzliche Sicherung einbauen, wenn man eine brauchte? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)