Die Geschichte des Blutwolfes - Painwolf von Seica (Wenn eine Welt am Abgrund steht...) ================================================================================ Kapitel 9: Ein Unglück folgt dem anderen I ------------------------------------------ - Der Notausgang Es dauerte fünf weitere Tage bis man ihr Heim wahrhaft Höhle nennen konnte. Anders als die Tage zuvor hatten sich diese viel kürzer und angenehmer angefühlt, weil die Wölfin regelmäßige Pausen eingelegt hatte in denen sie dem Jungwolf etwas beibrachte. Der Bau führte nun etwa zwei Meter unter dem Baum hindurch und teilte sich dort in zwei Gänge, der eine führte in den Schlafraum, der andere war momentan noch eine Sackgasse aber Naumi arbeitete daran. Die Graue hatte zuviel mitmachen müssen um nun einfach ein Loch zum Schlafen zu graben, das war der Grund für sie einen zweiten Ausgang anzulegen der an irgend einer versteckten Stelle enden sollte. Den Bau des Schlafraumes, der momentan noch sehr eng war hatte sie dafür erst einmal zur Seite gelegt. Die Wölfin schnaufte während sie ihre Krallen in die Erde hieb um den Tunnel zu verlängern. Draußen mochte der kalte Herbstwind wehen hier drinnen aber war es Windstill und relativ warm. Einen Tag lang arbeitete sie jetzt schon am Notausgang und von Zeit zu Zeit lief sie nach draußen um sich zu vergewissen, dass sie immer noch auf den Ginsterbusch zuhielt. Das Gestrüpp würde den perfekten Sichtschutz für das Loch bilden, was der Grund war weshalb sie sich gerade diese Stelle auserwählt hatte. Die dicken Wurzeln des Ahorns stabilisierten den Eingang, sowie die Höhlenwände und die Nähe des Teiches stellte einen guten Jagdgrund dar. Jedoch hatten sie beide am letzten Morgen miterleben müssen wie die Entenschar gen Süden davonzog, weshalb sie sich nach anderer Beute hatten umsehen müssen. - Die störrische Wurzel Die stumpfen Krallen der Wölfin stießen auf eine Wurzel. Sie versuchte sie zu durchreißen oder auch nur wegzuschieben, aber es mochte ihr nicht gelingen obwohl sie nicht sehr dick war. Immer wieder sprang die Wurzel in ihre alte Position zurück. Deshalb schnappte sie mit ihrem kräftigen Kiefer danach und zog daran bis sie endlich durchriss. Als ob sie sich rächen wollte warf die Wurzel mit einer Erdfontäne um sich, welche die Wölfin im Gesicht traf und ihr die Augen verklebte. Gereizt begann Naumi damit sich die Erde mit den Pfoten von der Schnauze zu wischen, bis sie hinter sich ein zögerndes Fiepen vernahm. - Der Moosteppich Hinter ihr im Tunnel saß der kleine Wolf und blickte sie fragend an. Die Graue wusste im ersten Moment nicht was er von ihr wollte. Sie wischte sich den restlichen Dreck aus den Augen und sah dann das Moos, welches vor den Pfoten des Weißen lag. "Du hast also welches gefunden. Das hast du toll gemacht", lobte sie ihren Schützling und anschließend schleckte sie ihm anerkennend über die Stirn. Es war das erste Mal gewesen, dass sie den Jungwolf allein losgeschickt hatte um eine Aufgabe zu erfüllen, bisher hatte sie immer zu große Angst um ihn gehabt, aber der Kleine hatte sich von Tag zu Tag mehr gelangweilt während sie gegraben hatte. Schwanzwedelnd und mit einem breiten Wolfslächeln auf den Lefzen blickte sie der kleine Wolf an. Er war stolz auf sich und freute sich endlich was zu tun zu haben. "Gibt es sonst noch was, das ich machen kann?" Fragte der Jungwolf aufgeregt woraufhin sich die Wölfin an ihm vorbei durch den Tunnel schob. "Komm mit", meinte sie knapp und bog gleich darauf in den Gang zum Schlafraum ab. Der kleine Wolf folgte ihr, das Moos nahm er mit. Fragend blickte er zuerst in den Kreisrunden Raum und dann in die meeresblauen Augen. "Leg das Moos da rein kleiner Wolf. Wenn du den Boden damit bedeckst haben wir bald ein weiches Nest." Der weiße Rüde strahlte über beide Backen. Er legte das Moos auf den Boden und trat es etwas breit. Es war ein kleiner Anfang, bestimmt würde es den ganzen Tag dauern bis der ganze Boden bedeckt war. "Das mach ich", rief er freudig und stürmte aus der Höhle hinaus um sich sofort an die Arbeit zu machen. Die Wölfin rief ihm noch nach er solle vorsichtig sein, war sich anschließend aber nicht sicher ob er sie noch gehört hatte. Ob sie wohl das richtige Tat indem sie ihn einfach so gehen ließ? Es war noch nicht einmal Dunkel. Eine Weile verharrte die Graue und überlegte, aber dann ging sie wieder zurück an ihre Arbeit. - Nagetiere Die Dämmerung hatte gerade eingesetzt als sich der graue Leib der Wölfin zwischen den Wurzeln hervorschob. Im Geäst des Ahorns saß die Amsel, welche sie schon seit den ersten Tag immer wieder besuchte. Vermutlich hatte der Vogel irgendwo in der Nähe sein Nest. Wie immer sang er sein monotones Lied von den Schatten. Die Ohren der Wölfin zuckten, während sie sich misstrauisch umsah. Der kleine Wolf war nicht in der Nähe, er war immer noch auf der Suche nach Moos. Als die Graue zuvor die Schlafstelle betrachtet hatte, war schon beinahe der ganze Boden mit der weichen Pflanze bedeckt gewesen. Naumi verließ die Höhle und lief tiefer in den Wald hinein. Sie lauschte und beschnüffelte den Waldboden bis sie gefunden hatte wonach sie suchte. Wie auf Kommando begann die Wölfin zu graben. In Windeseile schaufelte sie Erde weg, welche sofort im hohen Bogen durch die Luft flog. Dann schnappte ihr Fang in das somit entstandene Loch. Zum Vorschein kam eine dicke Waldmaus und nach weiteren Graben und zuschnappen wurde daraus eine ganze Waldmausfamilie. Nach etwa einer halben Stunde war Naumi fertig mit ihrer Jagd. Wenn sie noch länger weitermachen würde hätte sie die Mäuse auch gar nicht mehr tragen können. So gut es ging nahm sie die kleinen Nager in ihren Fang. Sie versuchte es sie nur an den Schwänzen zu packen, damit sie sie alle tragen konnte, aber sie musste dennoch ein paar zurücklassen. - Ich habe etwas gefunden! Als die Wölfin bei der Höhle ankam saß dort der kleine Wolf und wartete schon auf sie. Er sprang sofort auf, lief auf sie zu und tänzelte um sie herum, als er sie näherkommen sah. Die Graue hob den Fang reflexartig aus seiner Reichweite, legte die Beute aber dann doch vor ihm nieder. Der Jungwolf verschlang zwei der Mäuse ohne sich auch nur zu bedanken. Er schien es geradezu eilig zu haben. Naumi sah ihm verdutzt dabei zu, sie wollte warten bis der Kleine satt war, dazu kam es aber noch nicht. Der kleine Wolf ließ sich nicht einmal die Zeit richtig zu fressen. "Ich habe etwas gefunden", jubelte er, dann duckte er sich um sich für seinen Übermut zu entschuldigen, woraufhin die Wölfin ihm kurz eine Pfote auf die Schulter legte um ihn zum Ausreden aufzufordern. "Ich war gerade dabei Moos zu sammeln, da habe ich einen Stein gefunden, der wie ein Futternapf glänzt", erklärte er schnell, dann ging er ein paar Schritte in die Richtung in der sich sein Fund befand. "Komm mit", forderte er, legte dabei aber die Ohren respektvoll an. - Der Stein der wie ein Futternapf glänzt Die Wölfin folgte dem kleinen Wolf tiefer in den Wald hinein. Sie entfernten sich ein ganzes Stück von ihrer Höhle und auch von ihrem Jagdgebiet. Nach einer kurzen Weile passierten sie einen großen Felsen, der wie ein drohender Wachmann aus dem Boden ragte, daraufhin liefen sie einen Hügel hinab bis zu einem Rinnsal. Vom schlammigen Ufer her funkelte den beiden Wölfen ein Metallstück entgegen. Es war ein eiförmiger von Rillen durchzogener Gegenstand, der tief in der Erde steckte, sodass nur ein kleiner Teil von ihm sichtbar war. Naumi stutzte während der kleine Wolf mit einem Jubelschrei den Hügel hinab und auf den vermeidlichen Stein zudonnerte. Es dauerte eine Sekunde zu lange bis der Wölfin klar wurde, welche Gefahr von dem Gegenstand ausging. Ihr Warnruf erstickte zwischen den Baumriesen, aber ihre Pfoten trugen sie schneller voran, als ihr Ruf den Jungwolf hätte erreichen können. Sie stieß den Weißen zur Seite, konnte sich aber selbst nicht mehr stoppen wodurch sie mit der Pfote gegen das Eisenstück stieß. Zeitgleich wurde der alte Sprengkörper aktiviert und die entstandene Explosion riss ein tiefes Loch in den Boden, welches sich sofort mit schlammigen Wasser füllte. Der kleine Wolf hatte die Ohren angelegt. Er winselte und blickte verwirrt auf die Stelle wo eben noch der Stein gelegen hatte. Ihm war nichts passiert, außer das sich einige Schlammspritzer auf sein weißes Fell gelegt hatten. - Glück im Unglück Während die grünen Augen auf das gurgelnde Wasser in dem sich füllenden Loch fixiert waren, lag einige Meter weiter die Wölfin und rührte sich nicht. Da ertönte ein lautes Winseln, welches das des Jungwolfes übertönte, überrascht sah er auf und erblickte die Graue. Hastig lief er auf sie zu und stupste sie an. Naumi hatte Glück gehabt, die Explosion war nicht stark genug gewesen sie zu töten, vermutlich war die Feuchtigkeit durch die Mine gedrungen und hatte ihre Kraft gemindert. Schwerfällig öffnete sie ein Auge und zwang sich dem kleinen Wolf ein Lächeln zu schenken. Sofort verschleierte Blut, welches ihr über die Stirn herab rann ihr Sichtfeld. Alles in ihrem Körper tat ihr weh, jeder Muskel zog und fühlte sich an als ob er zum zerreißen gespannt wäre, obwohl sie ausgestreckt dalag. Aber von allem am meisten schmerzte ihr rechter Vorderlauf, der mit dem sie zuvor an die Mine gestoßen war. Die Wölfin stellte ihr herzergreifendes Winseln ein, als sie bemerkte wie sehr sie dem kleinen Wolf damit zusetzte. "Mir geht es gut, du brauchst dir keine Sorgen zu machen", flüsterte ihm die sanft-raue Stimme abgehakt zu. Aber der Jungwolf schüttelte nur den Kopf. "Du blutest überall", meinte er knapp und betroffen. Er zitterte am ganzen Körper und wusste nicht was er tun sollte. Die Graue blickte ihn aus einem Auge an. Was würde ihr Schützling tun wenn sie nicht mehr war? Was sollte das alles gebracht haben, wenn sie nun versagte? Es war ihre Entscheidung gewesen ihn zu retten, sie hätte es nicht tun müssen, ja sie hätte es nicht tun sollen denn es schadete ihr selbst am meisten. Und dennoch hatte sie sich dafür entschieden. Die Wölfin versuchte sich aufzustemmen, merkte aber sofort das ihr rechter Vorderlauf unbrauchbar war. Beinahe strauchelte sie auf dem schlammigen Untergrund, aber sie schaffte es doch zum Stehen zu kommen. Auf drei Beinen stand sie unsicher da und blickte auf ihren verletzten Lauf hinab. Der Anblick verschlug ihr fast den Atem, das Winseln des Rüden bestärkte dieses Gefühl nur noch. Haut und Fell hing in alle Richtungen und überall war Blut, als sie darüber leckte erkannte sie darunter den blanken Knochen. Naumi wunderte sich, dass es nicht mehr schmerzte. Es tat höllisch weh, das stand außer Frage, aber die Wunde wirkte eher so als ob sie dadurch eigentlich die Besinnung verlieren musste. Aber dem war nicht so und der Knochen selbst war unverletzt. Die Wölfin wollte erleichtert seufzen, aber es gelang ihr nicht. Sie brachte keinen Laut über die Lefzen, der kein Schmerzensschrei war. Der kleine Wolf saß im dreckigen Wasser und starrte sie unentwegt an, er schien geistig gar nicht anwesend zu sein. Als Naumi ihm einen Blick in ihre blauen Augen gewährte, rückte er hastig näher an sie heran und leckte ihr zärtlich das Blut von der Stirn. Den Lauf wollte er nicht berühren, da er Angst hatte er könnte ihr damit wehtun. - Die Ohnmacht kommt dann wenn es der Wille gestattet Keiner von beiden sagte etwas, als sie sich langsam den Hügel hinaufkämpften. Der Jungwolf zwang sich auf den Boden zu schauen, schaffte es aber nicht seinen Blick von der Grauen loszueisen. Als sie oben angelangt waren, wand er sich forschend herum. Er wollte alles im Auge haben, denn er hatte Angst jemand könnte die Wölfin in diesem Zustand angreifen. Naumi schleppte sich weiter, Schritt für Schritt, den wunden Lauf hielt sie dabei angewinkelt und wenn es dazu kam, dass er die Erde berührte so winselte sie leise. Es fiel ihr schwer mit drei Beinen voranzukommen und als sie den großen Felsen erreichte legte sie sich erstmal hin um sich ihre Wunden zu lecken. Der kleine Wolf setzte sich und sah sie schweigend an, nervös ließ er immer wieder den Blick über die Umgebung wandern. Seine Ohren zuckten erregt, aber er sagte nicht ein Wort. Als sich die Wölfin erhob stand der Jungwolf sogleich auf den Beinen, wartete aber geduldig bis sie an seiner Seite war. Gemeinsam schlichen sie weiter bis zurück zur Höhle. Auf dem Weg dorthin geschah nichts ungewöhnliches. Lediglich die Amsel gesellte sich irgendwann zu ihnen, verhielt sich aber ebenso ruhig wie die Wölfe. Bei ihrem Bau angelangt schob sich die Graue durch das enge Loch. Sie musste sich ducken und dennoch streifte ihr Rücken die Decke, was ihr einen Schmerzenslaut entgleiten ließ. Neben den Hügel war diese Stelle die schlimmste für sie, weil sie nicht den Platz hatte den sie gebraucht hätte um sich dreibeinig fortzubewegen. Endlich im Schlafraum angelangt fiel sie schlagartig in eine tiefe Ohnmacht und egal wieviele Worte der kleine Wolf an sie wand, egal wie laut er zu ihr sprach sie wachte nicht auf. - Ein langer aber wenig erholsamer Schlaf Die Wölfin schlief die ganze Nacht und den ganzen Vormittag lang. Sie lag einfach nur da und rührte sich nicht. Der Jungwolf hatte sich an ihre Brust gekuschelt und rührte sich ebensowenig. Sie wirkten wie zwei tote Leiber, eingeengt von Erde und Wurzeln. Als es Mittag wurde und aus der anhaltenden Dunkelheit in der Höhle ein mildes Dämmerlicht wurde öffneten sich die Augen des kleinen Wolfs und er schob sich etwas von der Fähe weg um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Naumi lag mit offenen Augen da und starrte an die Wand. So lange sie auch geschlafen hatte, er war so wenig erholsam gewesen wie sie geträumt hatte. Die Wölfin hätte erwartet von Alpträumen geplagt zu werden, aber sie konnte sich an keinen erinnern. Der Jungwolf hingegen wusste sehr wohl das er geträumt hatte. Immer noch hing die Erinnerung davon in seinen Gedanken, als wäre sie in ein Spinnennetz geraten und schaffte es nicht sich zu befreien. Sein Traum hatte von dem Tag gehandelt an dem sie geflohen waren. Die schleimige Öffnung in der seine Pfote steckte, die grauenvollen roten Schlieren, welche den Verwesungsgeruch darstellten, er hatte alles fühlen, alles riechen können. Anders als bei dem tatsächlichen Erlebnis war es ihm jedoch gelungen seine Augen zu öffnen und gesehen hatte er dann etwas gänzlich anderes. Die Erinnerungen hatten sich an genau dieser Stelle mit dem kürzlich erlebten verbunden. Seine Pfote steckte in der schlammigen Mulde in der der Stein gelegen war und die roten Schlieren verwandelten sich in das Blut Naumis. - Durst und Fieber Es war unheimlich warm im Schlafraum, gerade so, dass dem kleinen Wolf heiß wurde. Sein Blick lag auf der Wölfin die immer noch an die Wand starrte und sich nicht regte. Irgendwann trat seine Zunge aus dem Fang hervor und er begann zu hecheln. Da drehten sich die blauen Augen in seine Richtung und blickten ihn glasig an. Der Jungwolf ertrug den Blick dieser glasigen Augen nicht, aber er wagte auch nicht sich dagegen zu äußern, deshalb drängte er sich an die Graue heran und drückte seine Stirn gegen ihre Wange. "Kleiner Wolf", sprach die sanft-raue Stimme heißer und im ersten Moment glaubte der weiße Rüde sie sehe ihn nicht. "Kleiner Wolf, kannst du losgehen und mir etwas Wasser bringen, bitte?" Ihre Worten waren wie gehaucht. "Was ist mit dir?" Fragte der Jungwolf und seine Kehle fühlte sich trocken an. Er hatte seit Stunden nicht gesprochen und jetzt erst merkte er wie durstig er war. Aber wie sollte er Wasser holen? Es hatte doch keinen Körper und verschwand sofort wenn man es halten wollte. Die Wölfin versuchte ihm einen mütterlichen Blick zu schenken und ihm damit zu sagen, das alles in Ordnung sei, aber es gelang ihr nicht. Sie wollte ihn nicht beunruhigen aber sie wusste das der Wundbrand zum Fieber geführt hatte. "Wie soll ich das Wasser fangen?" Stellte der kleine Wolf eine zweite Frage als er merkte, dass sie die erste nicht beantworten würde. Er hatte die Ohren zurückgelegt und in seinem Blick lag Trauer. Die Graue leckte ihm beruhigend über die Stirn und stupste mit ihrer Nase die seine an. "Du musst dir etwas von dem Moos nehmen und es ins Wasser tunken, dann bringst du es mir ganz vorsichtig", erklärte die sanft-raue Stimme. Der kleine Wolf nickte und sagte dann noch einmal laut: "Ja, und ich bin gleich wieder zurück", er sprach die Worte aus, das er glaubte sie könnte ihn sonst missverstehen und sich Sorgen um ihn machen wenn er einfach verschwand. Naumi wand ihren Blick wieder der Wand zu und der Jungwolf konnte nicht umhin sie noch eine Weile anzustarren. Als die Wölfin die Augen schloss und ihren Kopf niederlegte schlüpfte er durch den Tunnel ins Freie und verschwand Richtung Teich. So schnell er konnte lief der kleine Wolf zu dem Wasserloch und auf den Weg dorthin riss er mit seinen kleinen Schneidezähnen etwas Moos von einem Baumstumpf. Dieses trug er bis an den Rand des Wassers und tunkte es ein, so wie es ihm gesagt worden war. Dabei bekam er Wasser in die Nase und musste niesen. Der Jungwolf zwang sich nicht zu schlucken während er das vollgesogene Moos zur Höhle zurücktrug. Bei der Wölfin angelangt reichte er ihr das Bündel und sie nahm es dankbar entgegen und drückte die Feuchtigkeit heraus bevor sie die Pflanze ausspuckte. Die milde Nässe war nur ein geringfügiger Trost, denn es war viel zu wenig als, dass es etwas gebracht hätte. Aus diesem Grund lief der kleine Wolf noch fünfmal hin und her bevor er sich erschöpft in das weiche Moos legte, das er den Tag zuvor gesammelt hatte. Ihm war nicht entgangen, das die Hitze, welche den Raum ausfüllte von ihr kam. Ihre Stirn war glühend heiß und das machte ihm große Sorgen, aber er wusste nicht was er dagegen tun konnte. Naumi war mittlerweile eingeschlafen, weshalb er die letzte Wasserration selbst getrunken hatte und nun ebenso die Augen schloss. - Verwesungsgeruch In der warmen Luft der Höhle entwickelte sich über den Nachmittag hinweg ein leichter Verwesungsgeruch, der die Wölfin schließlich aufweckte. Sie öffnete ihre Augen und blickte ziellos umher, denn sie hatte keine Orientierung und war verwirrt. In diesem Moment fühlte sie sich sehr einsam und schwach. Der Geruch machte sie nervös, aber sie konnte nicht orten von wo er kam. Das Fieber vernebelte ihr die Sinne und machte sie nun gänzlich hilflos. Durch das ängstliche Winseln, welches sie von sich gab wachte schließlich auch der Jungwolf auf, der eigentlich nur vorgehabt hatte etwas zu dösen. Bestürzt blickte er den grauen bebenden Leib neben sich an und begann selbst zu zittern. Woher sollte er nur wissen was in solchen Momenten zu tun war? Wenn doch Ratte hier wäre, ging es ihm durch den Kopf, denn er fühlte sich ebenso allein und hilflos wie Naumi. Es war gerade einmal eine Woche vergangen, seit er frei war, vielleicht etwas mehr und er hatte schon soviel gelernt, aber was er gegen die Hitze auf den Kopf der Grauen tun konnte wusste er dennoch nicht. Bibbernd erhob er sich und stellte sich in das Sichtfeld der blauen Augen. "Was soll ich tun?" Fragte er verzweifelt. Aber die Wölfin antwortete ihm nicht. "Wie kann ich dir helfen, wie bekomm ich das Warm weg?" Er setzte sich hin unfähig noch länger stehen zu bleiben. Ihm war nach weinen zumute, aber er wusste ja nicht einmal wie man weinte. Es war damals einfach passiert und danach hatte er sich viel besser gefühlt. Wenn er weinen würde, ganz viel weinen, dann hatte er vielleicht auch genug Wasser für die Wölfin und dann würde sie bald wieder gesund werden. "Was soll ich nur tun?" Fragte er wieder, aber abermals folgte keine Antwort. Der kleine Wolf blieb noch eine Weile sitzen, solange bis er sein eigenes Zittern überwunden hatte, dann sagte er so mutig wie er nur konnte: "Ich hole dir noch mehr Wasser", und verschwand im Höhlengang. Die Graue sprach nicht ein Wort als ihr der Jungwolf das Wasser brachte und sie wollte auch nicht trinken, der kleine Wolf aber redete auf sie ein und lief wieder und wieder um neues Wasser zu holen. Als er das dritte Mal zurückkam merkte er wie Naumi auf dem Moosbüschel das er zuvor gebracht hatte herumkaute und von da an trank sie ohne Zwischenfälle. Als die Amsel mit ihren Lied begann lief der kleine Wolf immer noch zwischen dem Teich und der Höhle hin und her. Erst als es zu dunkel geworden war um noch etwas zu sehen, ließ er es sein. Er fraß eine der Mäuse, die er nach dem Unfall der Grauen in den Höhlengang getragen hatte und legte zwei davon vor die Schnauze der Wölfin, dies getan schlief er erschöpft ein. - Die Stimme im Dunkeln Es musste etwa ein Uhr morgens sein als Naumi erwachte. Sie fühlte sich besser spürte aber immer noch die Trockenheit in ihrer Kehle. Der Verwesungsgeruch war nun direkt in ihrer Nase, aber das war es nicht was sie geweckt hatte. Die Schnauze der Grauen stupste die beiden Mäuse zögernd an. Eindeutig war die alte Beute für den Geruch verantwortlich, aber das hielt sie nicht davon ab die beiden Happen sogleich zu verschlingen um den gröbsten Hunger zu stillen. Ein Flüstern ging durch die Dunkelheit, ein Säuseln. Die Wölfin war sich sicher das dies nicht der Wind war, aber im ersten Augenblick konnte sie nichts verstehen. Sie blickte sich nach dem kleinen Wolf um der friedlich neben ihr schlief, zwar sah sie ihn nicht, aber sie fühlte wie sich der Leib im gleichmäßigen sanften Takt hob und senkte. Er war für die Geräusche nicht verantwortlich. Wieder folgte ein Säuseln und ein Flüstern. Die Fähe schloss die Augen und lauschte angestrengt. Ihre Wunde brannte fürchterlich und ihre Glieder schmerzten weil sie sich so lange nicht bewegt hatte. Da, wieder dasselbe Geräusch. Allmählich kristallisierten sich Worte heraus. Die Wölfin glaubte eine Stimme zu vernehmen, eine feine Stimme die von der Erdoberfläche herab an ihr Ohr drang. "Helfen...vergessen..." Die Worte waren kaum vernehmbar, aber Naumi war sich sicher, diese Botschaft vernommen zu haben. Aber wer wollte ihr helfen? Was meinte er mit vergessen? Es dauerte minutenlang bis die Wölfin endlich verstand und das Verstehen gelang ihr in genau dem Moment in dem sie es aufgab in die Nacht hinein zu lauschen. "Ich kann dir helfen, sofern du unsereins noch nicht vergessen hast", sprach die Stimme deutlich aus dem Dunkeln heraus und es schien als käme sie von Oben, von den Wänden und gleichzeitig aus ihrem Herzen. Wer spricht da? Durchglitt es die Gedanken der Wölfin, aber sie wagte nicht es in Worte zu formen, da sie angst hatte dies könne ihr erneute Schmerzen bereiten. "Also hast du uns bereits vergessen", sprach die Stimme und verstummte für eine lange Weile, welche Naumi beinahe in den Wahnsinn trieb. Spielte ihr das Fieber einen Streich? War sie schon so nahe am Tod, das sie sich Dinge einbildete? Oder war diese Stimme real und sie hatte mit ihrer gedanklichen Frage die einzige Chance zur Hilfe verspielt? - Der Schwur Wieder machte sich Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung im Körper der Wölfin breit. Ihre Schmerzen und das getrübte Glas vor ihrem Verstand ließen es nicht zu, dass sie klar denken konnte, sonst wäre ihr die Antwort viel schneller gekommen. Der Ahorn, fiel es ihr ein. Natürlich war es die Stimme des Baumes die sie vernahm, schließlich waren die Pflanzen ihr Element. Naumi hatte noch nicht oft mit den Pflanzen gesprochen, befehligt hatte sie sie noch seltener. Damals, als ihr Rudel ihr den Umgang mit ihren Element beigebracht hatte, hatte sie eine große Furcht und eine Schuld vor der Natur verspürt, weshalb sie sich selbst den Schwur auferlegt hatte es nur im Notfall zu verwenden. Die Wölfin wartete ab, aber die Stimme kam nicht wieder. Aus irgend einem Grund fiel ihr diese scheinbar bedeutungslose Wurzel ein, die sie vor einigen Tagen durchbissen hatte. Für den Moment schweifte Naumi ab und fragte sich wieviele Tage und Nächte wohl schon seit ihrem Unfall vergangen waren, dann aber kam sie wieder zum wesentlichen Punkt. Bestimmt war es so, dass der Ahorn es ihr nicht verzieh, dass sie ihm ein Leid zugefügt hatte. Die Wölfin senkte den Kopf und legte ihn betrübt auf ihre heile Pfote. Sie verspürte ein beißendes Schuldgefühl in ihren Glieder. Wenn ich meine Kraft eingesetzt hätte, so hätte ich die Wurzel befehligen müssen, wäre es denn wirklich besser gewesen sie zu zwingen? Die Frage, die sich die Fähe stellte blieb nicht ohne Antwort. "Es wäre angenehmer gewesen", säuselte die Stimme des Baumes, woraufhin Naumi den Kopf hob und in die Finsternis starrte. Es ist ihm lieber unterdrückt als leicht verletzt zu werden? Wieder mischte sich die Pflanze in ihre Gedanken ein. "Es hätte auch genügt wenn du gefragt hättest. Wer uns zwingt wird unseren Zorn spüren aber wer uns fragt mit dem kämpfen wir. Du darfst uns nicht als Waffe sehen die du nicht verwenden willst, du musst uns als einen Freund betrachten, der dich im Kampf unterstützt." Die Wölfin lauschte den Worten und schaffte es für einen kurzen Moment ihren Schmerz von seinem Thron zu stoßen. Immerzu hatte sie Angst verspürt ihr Element einzusetzen, sie hätte es nicht als Waffe bezeichnet, sondern vielmehr als eine Kraft derer sie sich nicht sicher war, ob sie sie beherrschen konnte. Aber wie der Ahorn gesagt hatte ging es gar nicht darum diese Fähigkeit zu beherrschen. Zum erstenmal spürte die Fähe eine Verbundenheit zu ihrem Element. In diesem Fall, sprach sie zu sich selbst, schwöre ich jede Pflanze zu bitten, wenn ich etwas von ihr brauche. - Der hölzerne Partner "Gut, so helfe ich dir", säuselte der Ahorn. Auf die Worte des Baumes hin konzentrierte sich Naumi auf ihre Kraft. Sie wusste das ihr hölzerner Partner nicht ohne zutun imstande war ihr zu helfen, das konnte nur sie mit ihrer Elementarkraft bewirken. Es kostete die Fähe eine große Menge ihrer Kraft genügend Energie aufzubringen um eine der Wurzeln wachsen zu lassen, bis die Spitze genau vor ihrer Schnauze in der Luft hing. Plötzlich war es so einfach zu wissen wie der Ahorn ihr helfen wollte und was sie zutun hatte. Das Element in ihr bewirkte, dass sie ein denkendes Wesen waren. Dies war auch der Grund weshalb die Stimme zum Teil aus ihrem Herzen gesprochen hatte, denn eigentlich hatte sie in ihrem Fieberanfall nichts anders getan als mit ihrem Inneren zu sprechen um eine Lösung zu finden. Die Wölfin ließ ihre Kraft in die Wurzeln des Baumes strömen, welcher das Wasser aus großer Tiefe heraufsog und in ihren Rachen gleiten ließ. Die Feuchtigkeit lief den Wurzelstrang entlang direkt in den Fang der Fähe und der Fluss versiegte erst als sie keinen Durst mehr verspürte. Naumi hatte viel getrunken und wieder fühlte sie die Schuld in ihrer Brust. "Bald kommt der Schnee", sprach der Ahorn. "Ich muss darauf acht geben, dass mein Stamm nicht so feucht ist, dass er gefriert." Das ungute Gefühl im Herzen der Grauen verschwand schlagartig und die verbrauchte Energie forderte ihren Tribut indem sie sogleich wieder einschlief. - Keine Beute mehr Der kleine Wolf hatte nichts von dem nächtlichen Gespräch mitbekommen. Natürlich nicht, denn die Stimme des Baumes konnte nur die Wölfin vernehmen und diese hatte keinen Laut von sich gegeben. Als er aufwachte wunderte er sich über die Wurzel, die über dem Kopf Naumis hing und einzelne Wasserperlen auf ihre Stirn tropfen ließ. Er ging zu ihr hin und befühlte mit der Nase ihren Kopf, dessen Temperatur sich endlich abgekühlt hatte, dann hielt er die Zunge unter die Wurzel und nahm ein paar der Tropfen zu sich. Ein beißender Hunger hatte sich in die Glieder des Jungwolfes geschlichen, weshalb er aus dem Schlafraum hinausschlüpfte um sich nach den Mäusen umzusehen. Es waren nur noch zwei von den kleinen Nagern übrig. Eigentlich wollte der kleine Wolf diese Naumi geben, denn er gab ihr immer zwei und beanspruchte selbst nur eine für sich, weil sie größer war als er, nun aber fraß er eine von den zweien, ganz langsam und schuldbewusst. Als er fertig war legte er die andere Maus vor die Schnauze der Wölfin. Nicht wissend was er nun tun sollte legte er sich wieder hin und betrachtete die Graue bis diese schließlich aufwachte. Er sah ihr dabei zu wie sie die Maus fraß und fühlte sich gleichzeitig einsam weil er schon so lange mit niemanden mehr gesprochen hatte. Die Wölfin, die sich über das Verhalten ihres Schützlings wunderte blickte ihn eine Minute aus wieder klaren blauen Augen an, bevor sie zu ihm sprach. "Du rationierst die Beute? Klug von dir", bemerkte sie und es fiel ihr auf wieviel besser es ihr plötzlich ging. Naumi wusste, dass das Element der Natur eines von denen war die man hauptsächlich zur Heilung einsetzte, aber sie hätte nicht gedacht das der Ahorn es fertig bringen würde ihr solch eine schnelle Besserung zu verschaffen. "Es ist nichts mehr da", kommentierte der kleine Wolf als Antwort und senkte betrübt den Kopf. Die Wölfin hatte alle Mühe ihre Bestürzung zu unterdrücken. Sie hatte so viele Mäuse herangetragen und schon waren keine mehr übrig. Eigentlich hätte sie es erwarten sollen, aber ein klares Denken war in den letzten Tagen nicht möglich gewesen. Was sollten sie nun tun? Das Fieber war gesunken, der Wundbrand so gut wie überstanden, nun konnte die eigentliche Heilung der Wunde einsetzen, aber bestimmt würde es noch dauern bis sie wieder jagen konnte. Bis dahin würden sie beide oder zumindest der Jungwolf verhungern. Von diesem Gedanken geplagt versuchte die Fähe sofort sich aufzurichten, woraufhin der kleine Wolf erschrocken zurückwich. Ein lautstarker Wehruf setzte ein und Naumi sank wieder in sich zusammen. Noch strengte es sie viel zu sehr an und was sollte es auch bringen? Auf drei Beinen war nicht gut zu jagen. "Es geht nicht, du musst für uns auf die Jagd gehen", sagte die sanft-raue Stimme und der kleine Wolf sah sie mit einem Ausdruck an den sie nicht deuten konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)