Twilight in the Shadow von hatchepsut ================================================================================ Kapitel 7: Erstes Buch eines Verräters -------------------------------------- Erstes Buch eines Verräters Langsam erwachte ich aus meinem traumlosen Schlaf. Wo war ich eigentlich? Das letzte woran ich mich erinnerte, waren die vermummten Krieger, die Atrieleges und mich angegriffen hatten. Ich rieb mir die Augen um endlich wieder klar sehen zu können. Alles war wie hinter einem unsichtbaren Schleier verborgen. „Na, ist unser kleiner Langschläfer endlich aufgewacht?“ Ruckartig drehte ich den Kopf und sprang auf. „He, nicht so doll. Immerhin warst du ziemlich lange weg getreten. Wir waren in der Zeit so freundlich über deinen stillen Schlaf zu wachen.“ Lautes Gelächter und meine eh schon miese Stimmung, sank auf den Nullpunkt, als ich mich in diesem Verließ umsah. Mit Atrieleges und mir waren vielleicht noch zwanzig andere Vampire und Menschen hier eingesperrt, was mich wunderte, denn wer sperrte Vampir und Menschen zusammen? Wer sperrte sie überhaupt ein? „Wo bin ich hier?“ Ich ließ meinen Blick weiter über den Haufen Vampire schweifen, die zu dem Kerl zu gehören schien, der mich geweckt hatte. Sie wahren nichts besonderes. Normale Vampire. Keine Krieger oder sonst jemand der mir gefährlich werden könnte. Das heißt bis auf den einen, der dort hinten an der Wand lehnte und mich aus den Augenwinkeln beobachtete. Hatte ich ihn nicht schon einmal gesehen? „Du weißt nicht wo du hier bist? Na Süßer, wo kommst du denn her?“ Er drehte sich zu seinen Leuten um. „Er weiß nicht wo er ist!“ Wieder lautes Gelächter. Ich verdrehte innerlich die Augen und begann nach Atrieleges zu suchen. „Du bist den Häschern der ‚Blutroten Rose’ in die Hände gefallen.“ Er sah mich an, als erwartete er eine Reaktion, als diese nicht kam fuhr er fort. „Das sind vampirische Händler, die Menschen und Vampire fangen und verkaufen. Das du so was nicht weißt.“ „Tut mir leid,“ meinte ich sarkastisch. „Ich war die letzten hundert Jahre mit was anderem beschäftigt!“ Endlich hatte ich Atrieleges gefunden. Er lag noch benommen am Boden. „Guter Witz. Die letzten hundert Jahre.“ Wieder fingen seine Leute an zu lachen. Seltsame Vampire. „Das war kein Witz.“ Knurrte ich, als ich Atrieleges nach schweren Verletzungen untersuchte. Aber anscheinend schlief er einfach nur noch. Ich richtete mich wieder auf und blickte in das interessierte Gesicht des Wortführers. „Kein Witz? Du willst mir erzählen, das du ein über hundert Jahre alter Vampir bist?“ Ich verdrehte wieder die Augen. Was war den daran so besonderes? Fast alle Vampire in Kains Legionen waren älter als hundert Jahre gewesen. „Ja und weiter?“ „Und weiter? Weißt du nicht wie selten man Vampire findet, die bereits älter sind als hundert Jahre?“ „Nein und es interessiert mich auch nicht. Hau einfach ab und las mich in Ruhe!“ „He Bürchschen, kein Grund unfreundlich zu sein, oder soll ich dir mal ein paar Manieren bei bringen?“ Er legte befehlend seine Hand auf meine Schulter und wollte mich zwingen mich herum zu drehen, aber da hatte er sich mit dem falschen Vampir angelegt. Ich richtete mich blitzartig auf, packte seine Hand, verdrehte sie ihm und stieß ihn in die Arme seiner Freunde. „Fass mich noch einmal an und ich brech dir sämtliche Knochen im Leib!“ Mit einem wütenden Fauchen drehte er sich um. „Du wagst es? Ich glaube du weißt nicht, mit wem du dich eben angelegt hast! Soll ich es dir und deinem komischen Menschenfreund mal erklären? Vielleicht würde es ihm ja gefallen, einer von uns zu werden?“ Er kam mit seinen Freunden näher und ich warf einen Blick zurück zu Atrieleges, der immer noch nicht das Bewusstsein wieder gefunden hatte. Eigentlich hatte ich vermeiden wollen, mich mit ihnen anzulegen, aber jetzt gab es wohl kein zurück mehr. „Na los Jungs, erteilen wir diesem Schönling doch mal eine Lektion!“ Lautes Gegröle folgte der Aufforderung ihres Anführers. Doch bevor dieser seinen ersten Schritt machen konnte, legte sich eine Hand auf seine Schulter. „Wenn ich du währe, würde ich das nicht tun.“ Es war der Vampir der uns schon die ganze Zeit beobachtet hatte. „Denn bevor du Hand an ihn legst, werde ich dich töten!“ Der Rädelsführer fuhr herum. „Was mischt du dich da ein? Was geht dich dieser wertlose Blutsauger an?“ „Erstens, würdest nicht du ihn, sondern er dich vernichten, zweitens ist dieser Vampir mehr wert als wir alle zusammen und drittens, solltest du ihm auch nur ein Haar krümmen möchte ich nicht in deiner Haut stecken.“ Unsicher schweifte der Blick des Wortführers zu mir und wieder zu dem Fremden. „Wieso?“ „Weil du dich dann vor einem wütenden Gott rechtfertigen musst!. Darum!“ „Kain? Der Gott Kain? Warum sollte er Interesse an einem gewöhnlichen Vampir haben?“ Aber der Fremde ignorierte ihn und trat auf mich zu. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn kannte, er kam mir zwar bekannt vor, doch während meiner langen Gefangenschaft hatte ich viele Gesichter vergessen. Aber wer auch immer er war, er musste mich kennen, was mir in diesem Moment absolut nicht recht war. Eigentlich hatte ich gehofft incongniot zu den Säulen reißen zu können, aber damit war es jetzt wohl zu Ende, den der Fremde kniete vor mir nieder. „Lange habe ich nach euch gesucht, Raziel. Erstgeborener Sohn Kains, erster Statthalter und oberster Heerführer der Streitmacht unsers Herren und Gebieters. Verzeiht, das ich euch erst jetzt finden konnte.“ Stille. Absolute Stille und alle Augen hatten sich auf mich und den Krieger gerichtet. „Ihr werdet euch nicht mehr an mich erinnern Herr. Mein Name ist Reag. Ich war einer der Generäle die unter euch, Meridian vor hundert Jahren angriffen. Ich bin froh euch gesund und wohlbehalten wieder zu sehen. Wir alle dachten, das ihr bei der Schlacht gefallen seid. Verzeiht unseren Fehler Herr.“ Und plötzlich erinnerte ich mich wieder. Natürlich, wie hatte meine Generäle nur vergessen können? „Doch, ich erinnere mich jetzt wieder dich, Reag. Auch ich freue mich dich wieder und wohlbehalten zu sehen. Steh bitte auf.“ Reag erhob sich, gefolgt von ungläubigen Blicken. „Soll das heißen, das dieser Kerl, der Statthalter Raziel ist? Der, der bei der Schlacht von Meridian gefallen sein soll?“ Reag fuhr herum. „Hast du eben nicht zugehört Vampir? Ja, genau den hast du hier vor dir, also weiche zurück und erweiße ihm den Respekt, der ihm gebührt!“ „Das werde ich nicht. Es heißt nämlich auch, dass Raziel die Vampire in dieser Schlacht an die Menschen verkauft hat.“ Reag sprang nach vorne. „Du wagst es? Herr Raziel hat die Vampire nicht verraten. Das wurde nie von seiner Göttlichkeit verkündet.“ „Aber angeblich soll es war sein. Das sagen zumindest die anderen Statthalter.“ „Die anderen Statthalter sind ... .“ Ich legte Reag die Hand auf die Schulter. „Lass es Reag. Du hast schon zuviel gesagt. Es ist mir egal, was die anderen sagen. Ich höre auf das was Kain sagt und solange er nicht glaubt, das ich ihn verraten habe, solange bin ich zufrieden. Denn wenn er es glauben würde, dann würde ich jetzt nicht mehr leben.“ Reag verbeugte sich. „Welch weiße Worte aus eurem Mund mein Herr. Verzeiht mir, ich habe vorschnell gehandelt.“ Ich winkte ab und beugte mich zu Atrieleges herunter, der langsam wieder zu sich kam. „He alter Freund, bei dir wieder alles in Ordnung?“ Er schüttelte den Kopf und setzte sich auf. „Wenn bei dir das Wort alles in Ordnung auch rasende Kopfschmerzen mit einbezieht, dann ja.“ Ich musste grinsen, als ich Atrieleges auf die Beine half. Seinen schwarzen Humor hatte er jedenfalls nicht verloren. „Verzeiht die Frage mein Herr, aber wieso reißt ihr mit einem Menschen?“ Reags Blick lag abschätzend auf Atrieleges. „Das ist eine lange Geschichte Reag, die ich nicht hier erzählen will. Aber ich verdanke Atrieleges mein Leben und deshalb begleitet er mich.“ Reag sah mich noch einmal lange an, dann wand er sich an meinen Freund und verbeugte sich. „Ich danke euch Herr, das ihr Herrn Raziel beschützt habt. Seit versichert, ich werde mein Möglichstes tun, um euer Leben zu retten, sollte es in Gefahr geraten.“ „Lass es gut sein Reag,“ meinte ich. „Im Moment bin ich werde Statthalter noch ein Heerführer. Ich bin einfach nur ein Vampir, der zu den Säulen pilgert Und genau so wollen wir uns auch verhalten. Aber es währe mir sehr recht, wenn du mir erzählen könntest, was damals bei Meridian passiert ist.“ „Sehr gerne.“ Wir setzten uns etwas abseits der anderen in eine Ecke des Raumes und Reag begann zu erzählen. Nachdem Dumah aus Meridian entkommen konnte, wurde der Angriff abgebrochen. Allerdings waren die Truppen von Malek, Melchiah und Zephon schon zu nah an der Stadtmauern und wurden ziemlich aufgerieben. Aber glücklicherweise schaffte die Hauptstreitmacht noch den Rückzug. Als später dann Kain mit der Nachhut eintraf wirkte er, seltsamerweise kein bisschen überrascht und nach einer langen Konferenz entschied er sich für den Rückzug. Allerdings weigerte er sich mich offiziell als Verräter zu verurteilen, da man dafür keine Beweiße hatte. „Als die Armeen dann zurück wahren rief Kain seine Statthalter zu sich und übertrug Turel die Befehlsgewalt über das Land. Von da an zeigte er sich nicht mehr den Truppen und kam auch nicht mehr aus seinem Thronsaal. Die einzigen die ihn noch zu Gesicht bekamen, waren seine Söhne und die Hohepristerin der Vampirjünger.“ Reag machte eine Pause. „Das heißt also, das Turel jetzt das Land regiert?“ Reag nickte. „Jetzt wundert mich fast gar nichts mehr. Deshalb, ist das Land so Führerlos. Turel geht die Regeln zu locker an.“ „Ja,“ stimmte Reag zu. „Aber nicht nur das. Einige Zeit nachdem sich Kain zurück gezogen hatte, übertrug sich Turel selbst euren Titel. Allerdings nicht eure Güter. Ich nehme an, dass er sich das nicht getraut hatte.“ Ich nickte. „Das passt zu Turel. Aber sag Reag, wie sieht es in meinem Schloss aus und wie geht es allen?“ „Eure Generäle sind euch alle nach wie vor treu ergeben und beschützen eure Schloss. Auch die Dienerschaft. Es ist fast so, als währt ihr immer noch dort. Vielleicht hatte Turel auch deshalb Angst sich eure Besitztümer zu übereignen, weil er einen Clankrieg befürchtete.“ „Es ist schön zu wissen, das ich wenigstens noch einen Ort habe, an den ich zurück kehren kann. Aber ich verstehe Kain nicht. Warum überlässt er Turel einfach so die Befehlsgewalt über sein Reich. Was bezweckt er damit?“ „Das kann ich euch leider auch nicht sagen Herr. Aber einige sagen, das er auf etwas wartet. Er soll auf seinem Thron sitzen und in die Ferne starren, als erwartete er, dass etwas bestimmtes passiert. Auf ein Zeichen, oder auf ein Ereignis.“ Ich überlegte. Kain war Niemand, der etwas Grundlos tat. Irgendetwas musste er wissen, was allen anderen entgangen war. Aber es stand mir nicht zu, die Dinge die Unser Gebieter tat in Frage zu stellen. Er wird seine Gründe haben, für das was er tut. „Sag mal Raziel, was ich dich schon länger mal Fragen wollte, diese Säulen, was genau sind sie eigentlich?“ Atrieleges sah mich fragend an. „Genau weiß das glaube ich Niemand. Aber eine alte Vampirlegende erzählt, dass sie das Gleichgewicht in Nosgoth beschützen. Sie sollen von einer uralten Rasse erbaut worden sein. Aber das sind alles nur Vermutungen. Es ist eines der vielen ungelösten Geheimnisse unseres Landes.“ „Was willst du eigentlich machen, wenn du wieder bei deinen Geschwistern bist? Ich meine, ihr scheint euch nicht besonderst gut zu verstehen.“ Da hatte Atrieleges allerdings recht. „Ich weiß es nicht. Als erstes werde ich Kain aufsuchen. Er wird dann über alles weitere Entscheiden.“ „Und du wirst dich jedem seiner Urteile beugen?“ Ich schaute zu Atrieleges. „Ja, das werde ich.“ „Selbst wenn er beschließen sollte, dass du doch ein Verräter bist und dich zum Tod verurteilt?“ Er blickte skeptisch zu mir herüber. „Selbst dann Atrieleges. Aber sei unbesorgt, sollte das der Fall sein, wird dich Reag zurück nach Meridian bringen und dich vor den anderen Vampiren beschützen.“ „Darum geht es doch gar nicht Raziel. Ich verstehe zwar, das du deinem Vater treu ergeben bist, aber das du eine endgültige Strafe so über dich ergehen lassen würdest, noch dazu wenn sie falsch ist, dass verstehe ich nicht.“ „Es ist auch für jemanden der Kain noch nie getroffen hat schwer zu verstehen. Aber ich habe Kain meine ewige Treue geschworen und diese geht über den Tod hinaus. Für einen Vampirgeneral kommt Verrat nicht in Frage. Allerdings, gibt es da auch ein paar ausnahmen.“ Reag sah mich fragend an, aber ich winkte ab. „Es tut mir leid Raziel. Aber das kann ich nicht verstehen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich Kain gerne kennen lernen möchte. Ein Vampir, dem eine solch bedingungslose Treue, von jemandem wie dir entgegengebracht wird, muss etwas ganz besonderes sein.“ „Unser Gebieter Kain ist etwas ganz besonderes. Allerdings glaube ich, dass mein Herr der einzige seiner Söhne ist, der ihm so treu ist. Ihr dürft nicht von meinem Herren auf seine Brüder schließen. Die sind alles andere als würdig.“ Reag sah zu Atrieleges. „Vampire, müsst ihr wissen, sind in erster Linie ihrem obersten Herren ergeben. Dies ist Kain. Aber es gibt auch einige, die stellen das wohl ihres persönlichen Herren über das des großen Gebieters. Dies sind dann meist die Generäle der einzelnen Clans.“ Atrieleges nickte. „Das ist ähnlich wie bei uns. Nur gibt es kaum Menschen, die ihrem Herrn so treu sind wie du oder Raziel.“ Auch Reag musste nicken. „Ich verstehe jetzt, warum mein Herr mit euch reißt, ihr seid ein außergewöhnlicher Mensch. Verzeiht, wenn ich am Anfang etwas grob war.“ „Es gibt nicht zu verzeihen Reag. Allerdings würde ich mich gerne noch etwas ausruhen. Ihr Beide habt euch bestimmt noch viel zu erzählen.“ Atrieleges stand auf und entfernte sich etwas. Reag schaute ihm nach. „Das wir mit den Menschen so viel gemeinsam haben.“ Reag schüttelte den Kopf. „Schon erstaunlich.“ Ich musste nicken. „Ja, dass hätte ich auch nicht gedacht, bis ich ihn kennen gelernt habe. Er ist aber auch ein untypischer Mensch. Allerdings glaube ich, dass unsere beider Rassen noch viel von einander lernen könnten. Aber das wird wohl nie geschehen.“ „Ja, immerhin sind Menschen und Vampire Todfeinde. Haltet ihr es wirklich für klug, ihn bis zu eurem Schloss mitzunehmen? Ihr bringt ihn dadurch in große Gefahr.“ „Ich weiß Reag. Aber es ist mir lieber, wenn wir zusammen reißen, als wenn er mir heimlich folgt. Und verbindet sehr viel und wir sind uns in vielen Dingen ähnlich. Nicht zuletzt hat er mich befreit und mir wieder beigebracht zu leben.“ Reag schaute mich verwirrt an. „Eine lange Geschichte, die ich dir erzählen werde, wenn wir zu Hause sind. Aber nun lass auch mich bitte noch etwas schlafen.“ „Ja, ich werde solange über euch wachen.“ Er stand auf und entfernte sich etwas von mir und ich musste unweigerlich lächeln. Es hatte gut getan jemanden zu treffen den ich noch von Früher her kannte und zu erfahren, das man noch etwas hatte, wohin man gehen konnte, machte die Heimkehr doch noch einmal viel schöner. Ich legte mich hin. Allerdings hatten wir über das Reden völlig vergessen in welcher Situation wir eigentlich waren. Immerhin waren wir Gefangene dieser komischen ‚Blutroten Rose’. Was auch immer das bedeutete und ich hatte keine Lust hier länger als nötig zu bleiben. Langsam dämmerte ich hinüber und meine letzten Gedanken beschäftigten sich mit der Frage einer möglichen Flucht, die dann aber alle hinter einen dunklen Vorhang zurück wichen. Ich erwachte mit einem unguten Gefühl, dass ich von meinen Träumen mit in die Realität nahm. Etwas musste geschehen sein, denn meine Mitgefangenen standen zusammen und unterhielten sich wild. Ich erhob mich langsam und versuchte mich auf ihre Worte zu konzentrieren, was mir seltsam schwer fiel. Irgendetwas musste hier in der Luft hängen, dass einen schlecht Gedanken fassen ließ. Ich schüttelte den Kopf und versuchte die Müdigkeit aus meinem Geist zu vertreiben, was mir auch leidlich gelang. Schließlich fühlte ich mich so fit, dass ich mich getraute aufzustehen, ohne gleich wieder umzufallen. Seltsam, so schwer fühlte sich mein Körper doch sonst nicht an. Verflucht, was war nur mit mir los? Seit ich diesen vermummten Gestallten in die Hände gefallen war, hatte ich ein fast unumgängliches Bedürfnis nach Schlaf. Und wenn es mir schon so ging, wie musste sich dann Atrieleges fühlen? Ich ging zu ihm hinüber und rüttelte ans einer Schulter, aber ohne Erfolg. Alles was ich erreichte, war dass er sich auf die andere Seite drehte. Erschöpft ließ ich mich wieder auf den Boden sinken. Himmel, was war das nur für ein ungutes Gefühl? „Herr, ist mit euch alles in Ordnung?“ Reag beugte sich zu mir herunter. „Nein, ich weiß auch nicht. Ich kann mich kaum auf denn Beinen halten.“ Ich griff mir an die Stirn um ein Schwindelgefühl zu unterdrücken. „Was ist geschehen während ich geschlafen habe?“ Reag drehte sich kurz zu den anderen herum. „Einer von den Kerlen hat der Wache gesteckt, das ihr hier seid und anscheinend hat sie ihn mit genommen. Und die anderen beraten sich jetzt, was sie machen sollen.“ Er schnaubte verächtlich. „Als ob sie irgendetwas machen könnten.“ „Wenn die Wachen bescheid wissen, dann werde ich wohl nicht mehr sehr lange hier sein.“ „Ihr habt recht Herr. Niemand würde es wagen, sie weiter eingesperrt zu lassen.“ Ich schüttelte den Kopf, was sich allerdings als Fehler erwies, denn sofort kehrten die Kopfschmerzen wieder. „Das mein ich nicht Reag. Du hast mir erzählt, das Turel momentan die Führungsfäden in Händen hält. Also wird er auch bei dieser Händlergruppe die Finger im Spiel haben und sollte das der Fall sein, werden sie es kaum riskieren, dass ich hier so unbeaufsichtigt mit anderen Gefangenen bleibe.“ Reag schaute mich ungläubig an. „Ihr glaubt doch nicht allen ernstes Herr, dass Turel es wagen würde euch etwas anzutun?“ „Genau das meine ich Reag. Selbst wenn die Möglichkeit besteht, dass mich Kain als Verräter verurteilt, warum ein Risiko eingehen? Niemand weiß dass ich hier bin, außer den Gefangenen in dieser Zelle. Und die sind schnell eliminiert. Er könnte mich ganz einfach verschwinden lassen und Niemand würde je auf den Gedanken kommen, dass ich die Schlacht von Meridian doch überlebt hätte. So würde ich es jedenfalls machen, wenn ich an Turels Stelle währe.“ Reag schaute betreten bei Seite. „Aber sei unbesorgt Reag. So leicht lass ich mich nicht töten.“ Er nickte. „Sie werden euch kein Haar krümmen Herr, dafür werde ich sorgen. Und wenn es mich das Leben kosten sollte.“ Ich sah zu ihm hoch. „Nein, dass wirst du nicht. Egal was passieren sollte du wirst dich nicht einmischen.“ „Aber Herr, dass könnt ihr doch nicht von mir verlangen!“ „Doch und du solltest wissen, dass ich mich nur sehr ungern wiederhole. Du wirst dich nicht einmischen, egal was passieren sollte.“ Reag zuckte zusammen. „Verzeiht..“ „Du wirst dich also weder einmischen, noch sonst irgendetwas zu meiner Person unternehmen.“ Reag nickte. „Sollten wir uns wirklich aus den Augen verlieren, will ich, dass du auf Atrieleges aufpasst. Versteh mich jetzt nicht falsch. Es ist keineswegs so, dass er Schutz bräuchte, er ist durchaus in der Lage sich selbst zu verteidigen. Aber hier sind wir auf dem Gebiet der Vampire und er ist somit praktisch Vogelfrei.“ „Was genau erwartet ihr von mir?“ „Du wirst versuchen mit ihm zu fliehen, auch wenn er sich dagegen wehren sollte. Bring ihn zu meiner Feste und wartet dort einen Monat auf mich. Solltest du bis dahin nichts von mir gehört haben, will ich, dass du ihn ohne Umwege und sicher nach Meridian zurück bringst. Notfalls mit Gewallt. Hast du das verstanden?“ „Ja Herr. Ich werde tun, was immer ihr mir aufragt.“ „Noch etwas Reag. Kein Wort von diesem Gespräch zu Atrieleges.“ „Ja.“ Mit diesem Wort stand Reag auf und entfernte sich. Ich blieb noch einen Augenblick sitzen und ließ meinen Blick schweifen. Was mochte dieses widerliche Loch wohl noch alles für Überraschungen in sich bergen? Viele konnten es ja nicht mehr sein. Das ich mich in dieser Hinsicht jedoch schwer getäuscht hatte, dass sollte ich kaum einen Tag später erfahren. Einer der anderen Gefangenen hatte mir gesagt, dass das Frühstück immer kurz nach Sonnenaufgang gebracht wurde und ich bat Reag mich noch vor Sonnenaufgang zu wecken. Was er auch machte. Danach trennten sich unsere Wege. Denn wenn wirklich Wachen kommen sollten um mich zu holen, wollte ich nicht, dass sie auf die Idee kommen könnten er hätte etwas mit mir zu tun. Atrieleges hatte die ganze Zeit geschlafen und allmählich machte ich mir doch Sorgen um ihn. Etwas konnte hier nicht stimmen. Selbst nach den gut neun Stunden schlaf, die ich gehabt haben musste, fühlte ich mich noch immer völlig müde und schläfrig. Wenn Reag mich nicht ab und zu im vorbei gehen geweckt hätte, währe ich wahrscheinlich wieder eingeschlafen. Aber endlich hörte ich in einiger Entfernung die Schritte der Wachen. Was mich allerdings nicht unbedingt beruhigte. Ich stand auf und stellte mich in eine schattige Ecke des Raumes, von denen es mehr als genug gab. Wenn diese Schritte, die ich da hörte nur die morgendliche Wache war, dann würde ich Turel die Füße küssen. Jemand trat an die Gittertür und sperrte sie auf. Und so schnell wie es die Breite der Tür nur zuließ stürmten mindestens zwanzig vermummte Wachen in den Raum und drängten die Gefangenen an die Wände. Dann betrat eine weiter Gestallt den Raum. Sie blickte sich aufmerksam um und musterte jeden Gefangenen. Aber meine Aufmerksamkeit wurde nicht von dieser sondern von einer anderen Gestallt angezogen, die sich im Schatten vor der Zelle aufhielt. Ich konnte sie nicht eindeutig erkennen, aber sie kam mir bekannt vor und seltsamerweise reagierte etwas in mir, mit einem bodenlosen Hass auf diese Gestallt. Wenn ich sie doch besser hätte sehen können! Schließlich versuchte ich das immer stärker werdende ungute Gefühl bei Seite zu schieben und konzentrierte mich wieder auf die Gestallt in der Mitte des Raumes. Schließlich schien sie es Müde geworden zu sein, die Gefangenen zu betrachten und begann zu sprechen. „Uns ist zu Ohren gekommen, dass sich unter denn Gefangenen der Verräter Raziel befinden soll. Wenn dies so ist, dann verlangen wir, das er sich umgehend stellt, oder wir werden sämtliche Vampire in diesem Raum töten.“ Ich wusste, was jetzt kommen würde, rührte mich aber trotzdem nicht von der Stelle, als sich fast alle Köpfe der Gefangenen in meine Richtung wandten. Der Wortführer folgte der Bewegung und starrte mich noch einen Augenblick an. Dann gab er zwei seiner Wachen einen Wink und sie kamen auf mich zu. Aber so weit, würde ich es nicht kommen lassen. Noch bevor sie mich erreichten löste ich mich von meinem Posten und trat ins Licht. Meine Augen lagen jedoch nicht auf der Gestallt vor mir, sondern auf der desjenigen, die sich außerhalb der Zelle aufhielt. Hatte ich mich eben getäuscht, oder war sie ein Stück zurück gewichen, als ich ins Licht getreten war? „Ich bin Raziel.“ Die Gestallt vor mir drehte sich um und schaute zu der anderen zurück. Diese setzte sich nun in Bewegung und kam auf mich zu. Und je näher sie mir kam um so größer wurde dieser Hass in mir, der geradezu aus den tiefsten Tiefen meiner Seele an die Oberfläche brodelte. Der vermummte Krieger stand nur noch einige Schritte von mir entfernt und ich musste all meine Willenskraft zusammen nehmen, um nicht auf ihn loszustürmen und ihm die Kapuze vom Kopf zu reißen. Statt dessen blieb ich aufrecht stehen und versuchte meine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen, was mir aber überhaupt nicht gelang. Je länger ich diese Gestallt anstarrte, um so sicherer war ich mir. Aber alles in mir sträubte sich und wünschte es sich gleichzeitig diesem einen Vampir zu begegnen. Die Gestallt hob die Hand an die Kapuze. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich jemals wieder sehen würde Raziel.“ Und im selben Moment wie die Stimme erklungen war. Im selben Moment, wie er sich die Kapuze vom Kopf zog. Im selben Moment war ich mir absolut sicher. Und doch konnte ich nicht anders, als einfach nur da zu stehen und ihn anzustarren. Diesen einen Vampir. Diesen einen Vampir, von dem ich mir nichts sehnlicher gewünscht hatte, als ihm noch einmal zu begegnen. Ein einziges Mal nur noch, um ihm alles heim zu zahlen. Ich war dem Hass schon in vielen Formen begegnet. Oft hatte ich mich auch selbst schon von ihm hin reißen lassen. Und oft hatte ich auch schon Gelegenheit gehabt dieses intensive Gefühl voll auszukosten. Aber nichts, absolut nichts hatte mich auf dieses eine Gefühl vorbereitet, das mich jetzt unwiderruflich überrannte. Diesen absoluten, bodenlosen Hass, der in mir aufstieg und innerhalb von Sekundenbruchteilen alle anderen Gefühle in mir auslöschte, bis ich nur noch dieses eine Gesicht vor mir sah. „Belock.“ Es war mir egal, ob ich sterben würde. Es war mir egal was passieren würde. Aber diesen Vampir würde ich töten. Jetzt! Ich fletschte die Zähne und sprang nach vorne. Belock hatte das erwartet und wich zur Seite aus, aber ich reagierte blitzschnell und änderte im Sprung meine Richtung, packte Belocks Arm und verdrehte ihn auf den Rücken. Mit der anderen Hand griff ich nach seiner Kehle und drückt ihn zu Boden. „Du verfluchter Verräter! Das du noch lebst freut mich! Denn nun hab ich Gelegenheit, mich für die Hölle zu bedanken!“ Ich drückte meine Krallen noch tiefer in sein Halsgewebe und spürte, wie sich Fasern von Knochen lösten. Ja, gleich war es vorbei. Gleich würde sein Genick brechen! Aber noch bevor ich das erhoffte Krachen hörte, wurde ich von mehreren Armen gepackt und zurück gerissen. Fäuste schlugen mir in den Magen und schickten mich auf den Boden. Und ein äußerst gezielter Schlag traf mich im Genick und ich verlor für kurze Zeit das Bewusstsein. Als ich wieder aufwachte, hatte mir eine Wache die Arme auf denn Rücken gedreht, dort festgekettet und drückte meinen Körper zu Boden. Ich schloss abermals die Augen und versuchte mich zu beruhigen, was mir, zu meiner eigenen Verwunderung auch gelang. Einen Augenblick später drang eine Stimme an mein Ohr. Eine Stimme, die mich ein Jahrhundert in meinen Träumen heimgesucht hatte. „Hast du dich jetzt wieder beruhigt Raziel? Können wir miteinander reden?“ Ich schlug die Augen auf und sah zu ihm hoch. „Was glaubst du hätten wir wohl noch miteinander zu bereden?“ Er gab der Wache einen Wink und sie ließ mich los, so das ich aufstehen konnte. Seltsamerweise hatte ich mich wirklich beruhigt und den Hass auf ein Minimum reduziert, so dass ich wenigstens wieder klar denken konnte. „Ich muss schon sagen, solch eine Begrüßung hatte ich nicht erwartet.“ Er versuchte zu lächeln, was ihm allerdings misslang. „Ich dachte mir zwar, dass sie nicht sehr herzlich ausfallen würde, aber dass du so ausrasten würdest, darauf war ich nicht vorbereitet.“ Ich hob böse meine Augen um ihm ins Gesicht zu sehen. „Was hast du denn erwartet?“ Knurrte ich. „Immerhin hast du mich an die Menschen verraten!“ Belock drehte sich zu mir um. „Mag sein, aber es war nie meine Absicht.“ „Nie deine Absicht?“ Fuhr ich auf. „Deinetwegen wurde ich fast zu Tode gefoltert, wobei du, wenn ich mich recht erinnere, auch Hand angelegt hast. Und dann über ein Jahrhundert lang lebendig begraben. Was glaubst du eigentlich was du mir noch antun kannst?“ Belock sah mich an und ich war mir fast sicher, in seinen Augen so etwas wie Bedauern zu lesen, als er einen Schritt auf mich zu machte. „Du verstehst mich nicht Raziel.“ Er kam noch einen Schritt näher und ich musste all meine Selbstbeherrschung aufbringe, um nicht vor ihm zurück zu weichen, als er die Hand hob und sie fast zärtlich auf meine Wange legte, mein Gesicht anhob und mir in die Augen blickte. Aus seiner Stimme war jedweder Ärger gewichen, als er fortfuhrt. „Es liegt mir nichts ferner, als dir weh zu tun. Bitte glaub mir das.“ Und noch bevor ich etwas darauf erwidern konnte spürte ich einen Stich, wie von einer Nadel in meinem Nacken und fast augenblicklich fielen mir die Augen zu und ich verlor die Besinnung. Alles was ich noch spürte, war das ich in den Armen des Vampirs zusammen brach, der mich durch die Hölle hatte gehen lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)