Ta Sho von Turbofreak (Wiedergeboren) ================================================================================ Kapitel 10: Intermezzo ---------------------- Hey, ihr lieben! Nachdem sich hier so seltsame Kommentare mehren, da würde noch mehr kommen, kommt da auch noch mehr ^^ Die vier müssen schließlich wieder mal nachhause kommen. Nur noch nicht jetzt. Aber lest selbst. Trotz der Entschuldigung von Colt blieb der Japaner eher verhalten. Die drei Männer setzten sich gemeinsam in den Aufenthaltsraum und gingen miteinander die Sternenkarten durch. Die Geschichtsaufzeichnungen waren in diesem Fall mehr als nur hilfreich, die Freunde konnten das angegriffene Gebiet auf wenige Stellen einschränken. Sie wussten, wo die ersten Angriffe stattfinden würden, sie kannten die Stelle, an der Nemesis‘ Kampfschiff auftauchen würde und das ermöglichte ihnen auch eine genaue Prognose über Jesse Blues Verbleib. Würde er wirklich versuchen, die erste Schlacht zugunsten der Outrider zu entscheiden, er wäre in der Nähe des Phantombosses. Colt verließ irgendwann die Lust am Taktieren und Jonglieren mit Strategien. Erschöpft ließ er die anderen beiden im Aufenthaltsraum über einer Sternenkarte sitzen und teilte ihnen mit: „Ich werde jetzt das machen, was unsere Prinzessin auch macht. Das soll bekanntlich helfen, wenn ihr wisst, was ich meine. Euch würde so ne Mütze voll Schönheitsschlaf jedenfalls nicht schaden.“ Die beiden verbliebenen warfen Colt noch einen irritierten Blick hinterher und wandten sich dann wieder der Sternenkarte zu. Es war nicht ungemütlich, wie die zwei über den Karten hingen und immer wieder mit dem Finger Wege nachzeichneten oder Stellen markierten. Aber es kam der Zeitpunkt, wo ihnen die Vorschläge ausgingen und sie nicht mehr recht weiter wussten. Saber schüttelte müde den Kopf und verschwand in der Küche, um sich etwas zu trinken zu holen, währenddessen faltete und rollte Fireball die Karten zusammen. Als Saber mit einem Tablett, darauf einer Teekanne, einer Zuckerdose und zwei Tassen, wieder in den Aufenthaltsraum kam, hatte sich Fireball schon eine bequeme Position gesucht. Der Wuschelkopf hatte die Beine auf die Sitzfläche gezogen und die Arme darum geschlungen. Der Kopf lag auf den Knien und regelmäßig wippte er vor und zurück, wie eine kleine Schaukel. Der Highlander sah sich das Bild genau an. Fireball wirkte, als würde er angestrengt über etwas nachdenken, dabei hatten sie beschlossen, für heute das Denken zu lassen. Zumindest, was die große Schlacht in zwei Tagen betraf. Mit einem skeptischen Blick stellte Saber das Tablett auf den niedrigen Tisch und teilte die Tassen aus. Dabei behielt er Fireball immer in den Augen. So ganz wollte ihm immer noch nicht gefallen, was er sah. Saber war sich vollkommen darüber im Klaren, dass alles miteinander momentan furchtbar schwierig war, sowohl für ihn als auch für die anderen. Schweigend goss er Tee in die Tasse und versuchte mit dem ebenso schweigsamen Piloten nur über Blicke zu kommunizieren. Aber das gelang nicht recht. Saber setzte sich, nahm seine Tasse in beide Hände und warf Fireball abermals einen Blick zu: „Hast du irgendwas?“ Der unerfahrene Spund rührte den Tee um und sah endlich zu Saber auf. Sein Blick war immer noch reichlich verunsichert, so ganz hatte die Entschuldigung von Colt nicht gefruchtet. Bedächtig legte er den Löffel nach dem Umrühren auf die Untertasse, dann rang er sich dazu durch. Es kostete Fireball viel Überwindung und er tat es nicht gerne: „Kann ich dich um etwas bitten, Richard?“ Einen Augenblick blieb Saber das Herz stehen. Lange schon nannte ihn außer seinen Eltern niemand mehr Richard. Saber war seit seiner Zeit bei der königlichen Leibgarde sein Deck- oder besser Spitzname geworden. Dem Schotten fielen, seit Fireball ihrem Gedächtnis auf die Sprünge geholfen hatte, allerhand Kleinigkeiten wieder ein, von denen er nun wusste, dass sie keine Einbildung waren. Es waren seine Erinnerungen an eine veränderte Zeit, an die Zeit, in die sie zurückkehren würden. „Was hast du auf dem Herzen, Fireball?“, richtig einordnen konnte der Säbelschwinger nicht, was Fireball im Augenblick wirklich bedrückte. In der Hinsicht hatte er gegen Fireballs Mauer immer schon schlechte Karten gehabt. Man merkte grundsätzlich, wenn etwas nicht in Ordnung war, aber was nicht stimmte, das wusste in der Regel nur Fireball selbst. Saber war sich sicher, nicht einmal April wusste, worüber ihr Captain sich manchmal den Kopf zerbrach. Fireball versuchte, seine Strähnen, die ihm immer wieder in die Stirn fielen, zu verbannen, bis er den Kampf schließlich als verloren betrachtete und aufgab. Er wusste nicht, wie er Saber sagen sollte, was er zu sagen hatte. Bestimmt würde er ihn für unfähig halten, aber war er das nicht ohnehin? Unfähig ein solch kleines Team, wie das ihre, unter Kontrolle zu behalten und Streit zu vermeiden. Lange Zeit war es gut gegangen, umsonst war Ramrod nicht das beste Team im Neuen Grenzland gewesen, aber hier war die Zeit gekommen, wo man es hinnehmen musste. Fireball hatte lernen müssen, dass Captain mehr als ein Titel war, es bedeutete nicht nur mehr Verantwortung. Darüber hatte er sich nie den Kopf zerbrochen, darüber hatte er bis zu dieser Mission auch nicht ernsthaft nachdenken müssen. Es hatte sich nie die Frage gestellt, ob sie dieser Herausforderung gewachsen waren. Ohnehin waren nie Zweifel diesbezüglich in den höheren Rängen des Oberkommandos laut geworden. Fireball hatte sich zu Beginn seiner Laufbahn hier einmal geschworen, er würde zum Wohle des Teams handeln. Nun, da es zwar persönliche Schwäche bedeutete und Versagen im Wortschatz eines Japaners, der noch nach dem alten Ehrenkodex erzogen worden war, nicht vorkam, fiel ihm dieser Schritt nicht besonders leicht. Aber er hielt es für sinnvoll. Seine braunen Augen glitten zu demjenigen hinüber, der eigentlich immer schon im Hintergrund darauf geachtet hatte, dass er keinen Blödsinn anstellte. Saber im Rücken zu haben war ein unglaublich beruhigendes Gefühl. Und nur, weil er ihm das nötige Vertrauen entgegen brachte, traute er sich: „Ich möchte, dass wir alle sicher und unversehrt nachhause kommen, Schwertschwinger. Dafür kann ich nicht garantieren. Deswegen bitte ich dich, übernimm du das Kommando auf dem Friedenswächter.“ Saber zog die Augenbrauen zusammen und musterte Fireball nachdenklich. Er musste erst einmal begreifen, was der junge Pilot eigentlich von ihm wollte. Er hatte seinen Wunsch zwar klar geäußert, das hatte Saber schon verstanden, aber das Warum blieb dem Schotten ein Rätsel. Gerade hatte sich doch alles wieder eingerenkt, weshalb sollte er den Schritt überhaupt noch setzen? „Und warum solltest du das nicht können?“, lieber einmal öfter nachgebohrt, als einmal zu wenig gefragt und dann die falsche Entscheidung getroffen. Nach dieser Devise versuchte Saber nun, schon zum wiederholten Male an diesem Tag, den tieferen Sinn und die Bedeutung mancher Worte seiner Freunde zu ergründen. Manchmal kam er in letzter Zeit einfach nicht auf Anhieb dahinter, was genau gespielt wurde. Der Schotte hatte nicht die Absicht, diesem Wunsch überhaupt nachzukommen. In seinen Augen stand der Captain der Einheit fest. Wohlgemerkt, endlich mal wieder für alle klar. Es wäre völlig falsch, wenn jetzt jemand anderes das Kommando auf Ramrod übernehmen würde. Außerdem war sich Saber mehr als nur sicher, dass Fireball das konnte. Der Schotte akzeptierte mit jeder Minute mehr die seltsamen Erinnerungen, die seine alte Wirklichkeit überdeckten. Sie gehörten zu dem neuen Weltbild, das sich in den letzten Wochen entwickelt hatte. Fireball war manchmal ein richtig unruhiger Geist, das schlug sich auch auf seine Bewegungen um. Saber kannte das nur zu gut. War der Hitzkopf dabei, Gedanken zu sortieren und überschlugen sich die Ereignisse, dann konnte man beobachten, wie Fireball von ruhig sitzen nicht mehr allzu viel hielt. Saber hätte schon fast zu schmunzeln angefangen, als er beobachten konnte, wie Fireball die Füße zum Schneidersitz auf der Couch verschränkte und die Unterarme auf die Knie legte, um so seinen Oberkörper abzustützen. Aber er konnte sich in letzter Sekunde noch ein Lächeln verkneifen, das hier war ein vertrauliches Gespräch zwischen ihm und dem Captain, der in dem, was er tat, im Augenblick verunsichert war. Völlig zu Unrecht, wie Saber fand, aber aufgrund der jüngsten Ereignisse völlig verständlich. Der Schotte war sich allerdings auch völlig darüber im Klaren, dass der schlimmste Teil der Reise noch auszustehen galt und deswegen war es angebracht, dem Energiebündel unterstützend unter die Arme zu greifen. Gemeinsam brachten sie das schon auf die Reihe. Immer wieder war Fireball froh über die ruhigen Gespräche, die er mit Saber führen konnte, wenn die anderen beiden im Bett waren. Er hatte den Schotten von Anfang an als Freund und helfende Hand empfunden, der immer im Hintergrund und für den Notfall da war. Das rechnete ihm der Japaner hoch an. Fireball fuhr sich wieder durch die Haare, während er Saber erklärte, weshalb er sich zu diesem Schritt entschlossen hatte. Es war nicht so, dass er sich darüber nicht wirklich selbst schon den Kopf zerbrochen hatte, aber in seinen Dickschädel konnte außer ihm niemand hinein sehen und so war ihm klar gewesen, dass Saber nicht nur die fertige Bitte, sondern auch die Gründe dafür wissen wollte. „Auf uns wird hier noch einiges zukommen, Saber. Wer etwas anderes behauptet, der lügt schlicht und ergreifend. Um wirklich sicher wieder nachhause zu kommen, brauchen wir das ganze Team auf der selben Seite. Das ist gerade nicht der Fall. Absolut nicht. Wir können uns im Ernstfall keine Diskussion leisten, genau darauf wird’s aber hinaus laufen, wenn ich etwas sage. Die lebenswichtige Zeit können wir uns sparen, wenn du das Kommando auf Ramrod übernimmst. Colt und April werden auf dich besser hören und ich hab damit keine Probleme.“ Die skeptische Augenbraue schoss noch weiter in die Höhe. Saber war eine solch kritische Betrachtung der Dinge von Fireball überhaupt nicht mehr gewöhnt. Langsam glaubte er, dass die Geschichte mit Captain Hikari und dem Dienst im Oberkommando dieser Zeit einen äußerst positiven Einfluss auf Fireball gehabt hatten. Er hatte vorher schon sehr gründlich abgewogen, was sie tun sollten, aber nun spielte da noch eine andere Komponente hinein. Fireball betrachtete manche Dinge viel selbstkritischer als noch vor ihrer Reise. „Okay, das ist mir schon klar“, Saber hob die Hand, zufrieden war er mit der Antwort absolut nicht. Noch einmal hakte er nach: „Und wieso solltest du nicht in der Lage dazu sein, uns da durch zu manövrieren? Das wird nicht die erste heikle Situation sein und bestimmt auch nicht die letzte.“ Fireball biss sich auf die Lippen. Lief er da etwa gerade gegen einen Fels an? Mit dem Kopf durch die Wand war ihm nichts Neues mehr, das hatte er in der Akademie zur Perfektion getrieben, aber gegen Saber zu argumentieren war immer wieder eine Herausforderung der ganz besonderen Art. Jetzt mussten gute Argumente her und am Besten noch welche, die dann alle Gegenargumente von Saber gleich vorweg ausschließen würden. „Das weiß ich. Wär ja auch ein Irrglaube, wenn wir immer Eitel Wonne Sonnenschein auf Ramrod hätten. Aber das hier“, Fireball senkte den Blick auf seine Tasse. Er überlegte kurz, wie er Saber seine Bedenken erklären sollte. Ihm war durchaus klar, dass sich der blonde Highlander nicht mit Nullachtfünfzehnnummern abspeisen ließ, dennoch war ihm in seiner Haut nicht übertrieben wohl. Nun suchte er den Blick des ehemaligen Geheimdienstagenten und gab offen zu: „Das hier übersteigt meine Fähigkeiten meilenweit. Saber, ich hab im Moment das Gefühl, egal was ich sage oder wie ich mich entscheide, es ist der falsche Weg. Wenn ich mich dazu entschließe, doch einzugreifen, dann sind das persönliche Beweggründe, die mir Colt dafür an den Kopf knallen wird. Bleiben wir aber untätig, kann ich mir anhören, dass ich Jesse die Möglichkeit gelassen habe, unsere Zukunft zu verändern. Der springende Punkt aber ist, dass ich mich nicht dazu in der Lage fühle, euch sicher und wohlbehalten nachhause zu bringen.“ Saber schickte gedanklich einen Fluch zu Colt hinüber. Hätte der Esel vielleicht mal fünf Minuten früher die Luft angehalten und aufgehört, Fireball schwach anzureden, dann hätte sich diese Unterhaltung hier wahrscheinlich niemals ereignet. Nun aber saß der Schotte hier und durfte ausbaden, was der Cowboy angerichtet hatte. Wie immer. Nur war es für einen Tadel von Colt eigentlich schon zu spät und so beschränkte sich Saber auf das halbe Hemd, das vor ihm auf der Couch saß und während seiner Abwesenheit augenscheinlich einen großen Teil seines Selbstvertrauens eingebüßt hatte. Saber hörte Fireball aufmerksam zu, er nickte hin und wieder, war aber immer noch nicht bereit, einfach seinen Segen für den Kuhhandel zu geben. Das konnte sich Fireball eigentlich schon seit dem ersten Satz in die Haare schmieren. Der Schotte war sich so sicher wie nie, dass ihr Captain auch dieses Hindernis überwinden würde. Und wenn er selbst Colt noch mal zur Seite nehmen musste! Leicht schmunzelte der Schotte: „Aber ich kann das, oder?“ „Im Moment ganz sicher besser als ich“, ob bittende Augen was helfen würden? Fireball glaubte zwar nicht daran, aber unversucht wollte er es auch nicht lassen. Seine größte Sorge war im Augenblick wirklich, wie er seine Freunde bloß wieder in ihre Zeit bringen sollte, ohne sie dabei noch weiter zu gefährden. Er hatte in den letzten Tagen schon gemerkt, dass er dazu nicht fähig war und dabei war es aber ruhig gewesen und nichts war passiert. April verhielt sich ihm gegenüber immer noch seltsam, auf der einen Seite wollte sie genauso gerne wie er, dass sie sich einfach nur im Arm lagen, aber auf der anderen Seite, die bei der Blondine wesentlich stärker ausgeprägt war, wollte sie ihn nur von Weitem sehen. Und Colt war alles andere als begeistert. Egal, worum es gerade ging, es brauchte nur einer von Fireballs Vorschlägen sein und Colt war automatisch dagegen. Saber hingegen hatte in den letzten Tagen mehr und mehr die Rolle des Captains angenommen und niemand hatte sich darüber beschwert. Es war eigentlich nur richtig und fair, es dabei zu belassen, wie Fireball fand. Alles andere würde zu Krach führen und damit auch potentielle Gefahr für die Freunde bedeuten. „Jetzt hör mir mal zu, Shinji“, Saber klang dabei nicht im Geringsten gereizt, eher väterlich und wie ein Berater. Saber spürte, wie sich das endlich real anfühlte und er nicht mehr dauernd glaubte, etwas liefe auf Ramrod total verkehrt. Er war ein Berater hier auf Ramrod, aber auch ein Freund. Und als solcher handelte er nun auch. Der blonde Highlander stellte seine Tasse auf den niedrigen Tisch und stand auf. Er umrundete die Sitzgarnitur und setzte sich schließlich neben Fireball auf die Lehne des Sofas. Mit ernstem Gesichtsausdruck legte er dem Hitzkopf die Hand auf die Schulter und beäugte ihn aufmerksam. Saber wusste, der junge Hikari war wie sein Vater. Daran bestand für Saber seit seinem ersten Zusammentreffen mit Captain Hikari kein Zweifel mehr. Die berufliche Zukunft von Fireball hatte Saber gesehen. Er musste nun nur den richtigen Weg einschlagen und ihn auch gehen. Saber grinste innerlich, der kleine Sturschädel brauchte nur einen Klaps in die richtige Richtung, dann würde er den Weg schon von alleine finden. Und nichts anderes machte der Schotte nun: „Du kannst mir ruhig glauben, wenn ich dir sage, dass du es kannst. Du weißt, dass sich unsere Zukunft massiv verändert hat und wir alle damit schwer zurecht kommen. Und mit wir meine ich vor allem April, Colt und mich. Dadurch, dass du mit den neuen und richtigen Erinnerungen quasi wieder zurück gekommen bist, hat sich für dich nichts verändert. Für uns aber sehr wohl. Shinji, wir hatten zum Einen plötzlich zwei ganz unterschiedliche Erinnerungen an manche Sachen und zum Anderen war es für uns vorher auch anders. Und du weißt doch, wie unser Colt auf alles reagiert, was neu ist oder sich verändert. Er sträubt sich und braucht ewig dafür. Glaub mir, in Zukunft wird wieder alles wie am Schnürchen laufen.“ Über Fireballs Gesicht huschte ein kurzes Lächeln: „Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht.“ Den Spruch konnte man bei Colt wirklich auf alles umwälzen. Und als hätte es Saber gewusst, hatte er Fireball damit von seinen Sorgen los geeist. Ein verschmitztes Schmunzeln war das Zeichen, dass es wieder bergauf ging. Saber nahm sich fest vor, Colt noch einmal am nächsten Morgen zur Seite zu nehmen und dem Bauern das Essen doch noch schmackhaft zu machen. Colt brauchte selbst nur ein paar rationale Worte und vielleicht half es ihm schon, wenn er mal eine Nacht darüber schlief. Apropos Schlaf. Bei dem Gedanken daran überfiel Saber die Müdigkeit. Er reckte sich, gähnte herzhaft und klopfte dem jungen Hikarispross auf die Schulter: „Lass uns schlafen gehen, morgen brüten wir mit April und Colt weiter. Die zwei haben sicher auch ein paar ganz interessante Ideen.“ Fireball nickte und stand auf. Saber hatte ihm tatsächlich einen Großteil seiner Angst nehmen können. Nur war da jetzt noch etwas anderes, das Fireball bestimmt in dieser Nacht nicht schlafen ließ, wenn er es dabei bewenden ließ. Der Pilot stapelte das Geschirr aufeinander und verließ damit den Raum: „Du hast bestimmt Recht, Säbelschwinger. Morgen Früh sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.“ „Nicht schon wieder“, entfuhr es Saber beinahe erschrocken. Einmal eine komplett veränderte Welt zu sehen und damit klar kommen zu müssen, das reichte dem Schotten für die nächsten paar Leben. Sie waren gerade erst dabei, ihre veränderten Bahnen einzuschlagen und alles neu zu ordnen, da wollte Saber eigentlich nicht mehr, dass sich wieder etwas änderte. Das konnte ihm – gelinde ausgedrückt – gestohlen bleiben. Er winkte mit einem leichten Lächeln ab und verließ ebenfalls den Aufenthaltsraum. Während er den Lichtschalter betätigte, flüsterte er Fireball zu: „Mir hat einmal gelangt.“ Kopfschüttelnd, aber vor allem schmunzelnd, verabschiedeten sich die beiden Männer auf dem Flur voneinander, bevor sich ihre Wege trennten. Fireball brachte noch das Teegeschirr in die Küche und Saber suchte nach einem langen Tag sein Quartier auf. Er freute sich auf ein bisschen Schlaf und er glaubte auch zu wissen, dass er heute Nacht wieder mal tief und fest, vor allem aber beruhigt, schlafen konnte. Sukzessive lösten sich ihre internen Probleme auf, bestimmt war bald wieder alles, wie Saber es in Erinnerung hatte. Mit dem Kopf schon zuhause zog sich Saber aus und schlüpfte ins Bett. So schön es auf Ramrod auch war, alleine zu schlafen konnte manchmal den Spaß ganz schön trüben. Vor allem dann, wenn man es gewohnt war, neben jemandem einzuschlafen. Saber drehte sich schwer seufzend zur Seite und kuschelte sich in seine Bettdecke. Bald, bald waren sie wieder zuhause. Ganz sicher. Colt lag auf dem Rücken, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und starrte die dunkle Decke an. Er war noch hellwach, als ihm das Zischen der Nachbartür verraten hatte, dass nun zumindest auch die anderen zwei schlafen gegangen waren. Es war ihm immer noch nicht geheuer. Aber es musste schon was an dem dran sein, was Saber an diesem Abend alles vom Stapel gelassen hatte. Colt hatte sich doch selbst in den letzten Tagen immer wieder dabei ertappt, dass er eigentlich gar nicht mehr wusste, woran er sich wirklich erinnerte und was er sich einbildete. Der Texaner schloss die Augen und konzentrierte sich. Wie war sein Leben bisher wirklich verlaufen? Er konnte sich daran erinnern, wie er mit sechzehn zum Rodeo wollte. Auch noch, dass er es dort gerade mal zwei Jahre ausgehalten hatte, weil ihm das Umhertingeln doch nicht so gefallen hatte, wie er sich das immer vorgestellt hatte. Seine Eltern waren bei seiner Abreise von den Outridern angegriffen und dabei getötet worden. Seither hegte er Groll und Hass gegen die Outrider. Aber wie war er eigentlich zu den Star Sheriffs gekommen? Dooley kam ihm in den Sinn. Er war Agent des Oberkommandos gewesen und ein exzellenter Scharfschütze. Colt hatte gegen ihn verloren, was auch keine Kunst war. Tim Dooley hatte jahrelange Erfahrung und Übung darin gehabt, er dagegen hatte lediglich oft zuhause in Texas nur rumgealbert und mit Freunden Dosen über die Weide tanzen lassen. Dooley war derjenige gewesen, der das Potential in ihm gesehen hatte und ihn unter seine Fittiche genommen hatte. Jetzt fiel es Colt wieder ein! Dooley hatte ihn geschoben und gedrängt, dem Oberkommando beizutreten und sich dort ordentlich ausbilden zu lassen. Irgendwann hatte Colt schließlich nachgegeben und er war eingetreten. Untergekommen war Colt zunächst in einer internen Sondereinheit, die aus dem Wehrdienst Geflohene oder Fahnenflüchtige Kavalleristen aufspürte. Colt war dank seiner guten Spürnase, seiner Treffsicherheit und seinem unsäglichen Gespür dafür wie geschaffen gewesen. April und den Säbelschwinger hatte er bis zu seiner Einberufung zu Ramrod nur vom Sehen gekannt, die beiden hatten ihren Dienst schließlich nach Vorschrift verrichtet. Colt fuhr im Bett hoch und saß kerzengerade. Natürlich! So war das gewesen! Mit einem lauten Plumpsen ließ er sich wieder ins Bett zurückfallen und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Der kleine Buggyfahrer hatte was ausgefressen gehabt und sich dann zu allem Überfluss nicht an den auferlegten Hausarrest gehalten. Colt fragte sich immer noch, wie so einer dann auch noch Captain einer solchen Einheit wurde. Aber zumindest war er nun wieder vollkommen im Bilde. Er hatte Fireball aus der Pampa geholt! Jetzt konnte er endlich einschlafen, hätte er dieses Geheimnis nicht gelüftet, er hätte wahrscheinlich die ganze Nacht kein Auge zugetan. Das war aber auch seltsam abgelaufen, damals. Er hatte schlecht geschlafen in den letzten Nächten. Obwohl er wusste, dass er nichts unversucht gelassen hatte, mit diesem Schicksal wollte er sich nun nicht mehr abfinden. Immer wieder wachte er mitten in der Nacht in seinem Zimmer auf und zerbrach sich den Kopf über die Zukunft. Es würde eine Zukunft ohne ihn sein, damit hatte sich Shinji längst abgefunden, aber auch ohne seinen Sohn. Er war nicht wieder aufgetaucht, er hatte diese Chance vertan. Kurzfristig hatte sich Shinji sogar überlegt, ob er nicht einfach wieder nachhause fahren sollte und das Übungsmanöver verschieben sollte, doch das hätte lediglich bedeutet, dass die Outrider Jarreds Königreich überrennen konnten. Shinji konnte seinem Schicksal nicht einfach davonlaufen. Und nun nahm er dafür sogar in Kauf, dass das Team der Star Sheriffs in der Zukunft anders besetzt wurde. Shinji hielt es in seinem Zimmer nicht mehr aus. Er schwang die Beine aus dem Bett und zog sich an. Der Captain brauchte endlich frische Luft. Nur mit einem Shirt und Shorts verließ er sein Zimmer und lief barfuß durch die Gänge ihrer Unterkunft. Er spürte den kalten Marmorboden unter seinen Fußsohlen. Doch das konnte ihn nicht beeindrucken. Zielstrebig verließ Shinji das Haus, nur um dann über die Parkanlage zu spazieren. Er fühlte die kantigen und eckigen Kieselsteine, das taunasse Gras, über das er lief. Immer, wenn Shinji die Gedanken plagten und er mit niemanden darüber sprechen konnte, wurde er unruhig und umtriebig. Und dieses Mal schien er gleich zu explodieren oder zu platzen. Er wusste nicht, wie lange er umhergegangen war, vielleicht hatte er Jarred einen Weg in seinen englischen Rasen getrampelt, aber das störte den Captain der Air Strike Base 1 nicht. Shinji hatte den Kopf immer noch nicht frei. Frustriert setzte sich der Japaner schließlich auf eine kunstvoll verzierte, steinerne Parkbank. Links und rechts hielten zwei Fabelwesen die Sitzfläche. Doch das war Shinji egal, und wenn er sich auf den Rücken eines Nilpferdes gesetzt hätte. Seufzend lehnte er sich zurück, legte den Kopf in den Nacken und sah in den sternenklaren Nachthimmel hinauf. Selten hatte er in der letzten Zeit den Blick zu den Sternen gehoben und nun, da er es tat, glitzerten Tränen in seinen Augen. Ganz bestimmt war die Ramrodcrew in der Nähe, es war fast so, als könnte er sie spüren. Sie waren sozusagen die Rückendeckung, sollte dieser Jesse Blue versuchen, die Zukunft noch gravierender zu ändern. Shinji blinzelte und wandte den Blick von den Sternen ab. Für ihn konnte die Zukunft nicht mehr schrecklicher verändert werden, als es der fremde Angreifer bereits getan hatte. Shinji hatte von den drei Freunden erfahren, wer sein Angreifer gewesen war und weshalb er auch für das Verschwinden seines Sohnes verantwortlich war. Wie kalt musste das Herz eines Menschen nur sein, um so etwas zu tun? Shinji wischte sich verstohlen über die Augen. Obwohl er von Saber und den anderen erfahren hatte, dass er niemals etwas von seinem Sohn wissen würde, wenn alles normal verlaufen wäre, tröstete ihn das nicht. Es tröstete den Piloten nicht im Geringsten darüber hinweg, dass er den Kurzen verloren hatte. Sein Sohn wäre in seine Fußstapfen getreten und hätte sich um Ai gekümmert. Shinji ließ seine Frau nun ganz alleine zurück. Er schniefte leise und wischte sich wieder über die Augen. Er hätte sich einen Sohn wie Fireball gewünscht. Dieser Gedanke zerriss ihm das Herz in der Brust, weil er nun wusste, dass der kleine Frechdachs sein Sohn gewesen wäre. Das tat weh. Wieso nur hatte er ihm misstraut und ihn nicht beschützt? Vorwürfe nagten an Shinji. Wieso nur hatte er diesen Angriff vor über einem Monat selbst abwehren müssen? Warum nur war er nicht nachhause gegangen? Diese Fragen quälten den erfahrenen Piloten. Und weil er sie alle nur mit Pflichterfüllung beantworten konnte, wurden die Vorwürfe noch lauter. Sein Sohn könnte noch hier sein, wenn er für ihn dagewesen wäre. „Geht es dir nicht gut, Captain?“, es war König Jarred, der auf seinem morgendlichen Spaziergang einen seiner Freunde entdeckt hatte. Er hatte ihn eine Weile beobachtet, weil er ihn nicht hatte stören wollen, aber als Jarred vermehrt so etwas wie Schluchzen gehört hatte, hielt es der Monarch für besser, wenn er nach dem Rechten sah. Ihm hatte das lachende Energiebündel seit seiner Ankunft schon nicht gefallen, weil vom ansteckenden Lachen des Piloten nichts mehr zu sehen gewesen war. Nun war sich Jarred nicht sicher, ob Shinji nicht doch etwas bedrückte. Schnell wischte sich Shinji über die Augen und schniefte noch einmal, ehe er zu dem frühen Besucher aufsah und log: „Guten Morgen, eure Hoheit. Du wirst lachen, aber ich bin erkältet und zum ersten Mal seit langem hab ich Sehnsucht nach meiner Frau.“ Jarred setzte sich. „Erkältet. So so“, beinahe schon verächtlich schüttelte er den Kopf. Der Pilot konnte sagen, was er wollte, das war ganz bestimmt nicht wahr. Aber es ging ihn nichts an. Dafür sahen sich der König und Shinji zu selten. Der Monarch hatte kaum Zeit, sein Land mal einen Tag zu verlassen und der Pilot kam höchstens einmal im Jahr zu Besuch oder für ein Manöver her. Schweigend blieb er neben Shinji sitzen und betrachtete mit ihm gemeinsam den Sonnenaufgang. Shinji würde vielleicht auch das etwas helfen. Der Japaner stützte den Kopf auf beiden Händen ab und seufzte bedrückt. Auch das noch. Ihm blieb nichts erspart, aber immerhin blieb Jarred so höflich und ließ ihn trotzdem in Ruhe. Shinji starrte den großen roten Ball an, der sich wie eine Feuerkugel über den Horizont schob und die Sterne verdrängte. Ob sein Sohn den Spitznamen Fireball daher hatte? Immerhin war der Junge eine Frohnatur gewesen, die seinesgleichen gesucht hatte und sie hatte Sorgen verdrängt, so wie die Sonne die düstere Nacht. Nach Sonnenaufgang stand Shinji endlich auf. Er zwinkerte dem Monarchen entgegen: „Es wird Zeit, königliche Hoheit. Es gilt heute noch einiges zu erledigen.“ Auch Jarred erhob sich ebenfalls. Er lächelte leicht: „Nicht vor dem Frühstück, Shinji.“ Die Gedanken an den schmächtigen, aber liebenswürdigen Piloten schwächten in den nächsten Tagen nicht ab. Immer wieder mischten sie sich mit den Erinnerungen an seine geliebte Frau. Shinji brauchte keine Fotos um an seine Frau zu denken. Er schloss dazu nur die Augen, dann sah er ihr Lächeln, ihre ebenholzweiße Haut und diese wunderschönen schwarzen Augen. Seine Ai lachte immerzu. Dieses Lächeln würde er vermissen. Dabei fühlte er sich auch ein bisschen schuldig, denn Shinji wusste, in nächster Zeit würde Ai keinen Grund mehr zu lachen haben. Er würde ihr die Tränen in die wundervollen Augen treiben, sie zum Weinen bringen. Es war eine Schande. Shinji fühlte sich unglaublich schlecht deswegen, seine Ai ahnte nichts von alledem. Und sie hatte keine Gelegenheit sich von ihm zu verabschieden. Hoffentlich brach es ihr nicht das Herz. Der Captain wunderte sich immer wieder über die Gedanken, die ihm in letzter Zeit durch den Kopf jagten. Nur deswegen, weil er von seinem frühzeitigen Ende erfahren hatte, machte er sich überhaupt diese Gedanken. Er würde dem Schicksal kein Schnippchen schlagen können, das hatte er aus Sabers und auch Colts Erzählungen heraushören können. Die Outrider würden mit einer Übermacht angreifen. Sie drehte sich im Halbschlaf auf die Seite und war wieder einmal dabei wach geworden. April weckte sich seit einigen Wochen selbst immer wieder in der Nacht, einfach nur, weil sie sich von einer Seite auf die andere drehte. Schläfrig und auch grummelnd schlug sie die Augen auf. Ihr war, als wäre jemand in ihrem Zimmer. Tatsächlich blinzelte sie im Grau des dunklen Zimmers in ein anderes schlafendes Gesicht. April tat das zunächst als Einbildung ab. In den letzten Wochen war diese Einbildung, Fireball wäre bei ihr, wohl so etwas wie eine Gewohnheit geworden. Sie war einsam gewesen, in den Nächten war es naturgemäß schlimmer gewesen als am Tag. April schloss die Augen und seufzte unterdrückt. Ihr Herz projizierte Gestalten in die Nacht. Dann war es auch noch die Gestalt, die sie schon so viele Tränen gekostet hatte. Die Blondine zog sich die Decke, die bei ihrem Wendemanöver im Bett verrutscht war, wieder über die Schultern. Ihr war im All ständig zu kalt, zumindest in der Nacht. Während sie sich die Decke wieder hinaufzog, wischte sie auch über die Matratze, auf der sie sich hin und her wälzte. Dabei erschrak sie beinahe zu Tode. Sie hatte etwas berührt, was nicht aus Baumwolle war. Alarmiert öffnete April ihre Augen und setzte sich auf. Was war das? Sie rutschte etwas nach hinten weg, im ersten Moment hatte sie nichts in der Dunkelheit erkennen können. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und irgendwie hatte sie plötzlich Angst. Denn ihr schoss durch den Kopf, dass es Jesse Blue sein könnte, der sie hier heimsuchte. Sie hatte in letzter Zeit oft von dem blauhaarigen Überläufer geträumt, wie er sie angefasst hatte und besitzen wollte. Niemand war da gewesen, der ihr auf dem Fest geholfen hätte und auch, wenn sich April den schwarzen Gürtel im Judo redlich verdient hatte und eine der besten gewesen war, sie war starr vor Angst wenn sie Jesse gegenüber stand. Er war bedrohlich und strahlte für die blonde Navigatorin alles aus, wovor sie sich fürchtete. Ihre Ängste bestätigten sich allerdings nicht. Als sich ihre Augen endlich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte sie, dass ihre Einbildung Wirklichkeit geworden war. Fireball hatte sich neben ihrem Bett auf den Fußboden gesetzt, als sie geschlafen hatte und über ihren Schlaf gewacht. Dabei war er ganz offenbar selbst eingeschlafen, denn sein Kopf lag auf der Matratze, während er sich irgendwie so auf dem Fußboden verdreht haben musste, dass er dort sitzen konnte. Ein kleines Lächeln huschte über Aprils Lippen. Er war schon süß irgendwie, dieser Wuschelkopf. In diesem Moment überkam sie ein seltsames Gefühl. Seltsam deswegen, weil sie es so intensiv noch nie erlebt hatte. April fühlte sich glücklich, geborgen und auch zufrieden. Seine bloße Anwesenheit war der Grund dafür, das wusste April. Sie hatte Fireball schon aufgegeben, doch sie hatten noch einmal Glück gehabt und auch, wenn April den Piloten seit geraumer Zeit auf Distanz hielt, so war seine Gegenwart immer noch das einzige, was sie glücklich machte. Nun saß er zusammengekauert auf dem Fußboden und schlief. April schüttelte leicht den Kopf, sie hatte ihr Herz schon frühzeitig an ihn verloren, das wurde ihr immer mehr klar. Sie krabbelte auf allen vieren zur Bettkante nach vor und blieb vor Fireball sitzen. Zärtlich strich sie ihm die störrischen Strähnen aus der Stirn. Was er hier wohl gewollt hatte? Hier bei ihr? April wollte ihn schlafen lassen, doch ihre Neugierde siegte schließlich. Mit dem Zeigefinger strich sie über seinen Nasenrücken, sanft und zärtlich, aber doch so, dass er es spürte. Dabei flüsterte sie: „Turbo? Bist du wach?“ Fireballs Nasenrücken kräuselte sich und er zog automatisch den Kopf nach hinten, als April ihn berührt hatte. Manche Dinge beherrschte der Hobbyrennfahrer im Schlaf. Aber er schlug auch die Augen auf. Saber war nicht der einzige an Bord, der einen verdammt leichten Schlaf momentan hatte. Die gesamte Crew konnte sich diesen Schuh anziehen. Auch Colt, obwohl dieser es niemals zugeben würde. „Hm“, das gemurmelte Brummen verriet deutlich, dass er noch nicht ganz wach war. Aber immerhin blinzelte sie schon ein Paar dunkler Augen an. April schmunzelte. Plötzlich waren alle Vorkommnisse der letzten Monate weit weg, fast so, als wären sie niemals geschehen. Sie wollte nur noch bei ihm sein. Diesem Wunsch war sie näher als jemals zuvor, wie April bemerkte. Während sie ihm nun mit der Handinnenfläche über die Wange fuhr, ihn zärtlich wachstreichelte, sprach sie ihn wieder an. April wusste, dass die Holzhammermethode bei Fireball nichts brachte. Da würde er maximal zum Morgenmuffel mutieren und den ganzen Tag schlechte Laune haben. Das hatte Colt öfter als einmal schon ausgetestet und sich dabei nur die ersten fünf Minuten köstlich amüsiert. „Fireball, du bist eingeschlafen. Komm, wach auf, du Früchtchen.“ Obwohl sie nur geflüstert hatte, war ihre Stimme voller Wärme und Zärtlichkeit gewesen. Sie versuchte, ihn mit ein bisschen Necken wach zu bekommen. April wusste selbst nicht, womit es zu tun hatte oder weshalb es so war, aber seit sie nun das erste Mal in sein schlafendes Gesicht gesehen hatte, knisterte die Luft. Eine herzliche Atmosphäre hüllte die beiden ein, die Dunkelheit der Nacht schien etwas frei zu lassen, was sich im Schutze dieser vier Wände wohl fühlte. April wusste mit einer eigenartigen Gewissheit, dass die folgenden Minuten oder vielleicht sogar Stunden etwas Besonderes würden. Da war sich Ramrods Pilot noch nicht ganz so sicher. Fireball kämpfte im Augenblick noch gegen den Schlaf an, der ihn gerade erst ereilt haben musste. Er hatte das Gefühl, vor zwei Minuten erst eingeschlafen zu sein und dementsprechend fertig war er auch noch. Gähnend rieb er sich die Augen und richtete seinen Oberkörper auf. Er war zwar noch nicht übertrieben klar im Kopf, aber Aprils warme und zärtliche Geste hatte er deutlich gespürt. Oh man, jeder Knochen meldete sich und beschwerte sich mit Schmerzen beim Strecken über die unmögliche Position, in der er eingenickt war. Er nahm von seiner Umgebung noch nicht allzu viel wahr, doch die Richtung, in der er die Blondine vermutete, konnte er erahnen. Fireball streckte eine Hand nach ihr aus und murmelte: „Ich bin wach, ich bin wach. Was ist denn?“ Nun kicherte die Blondine. Er war wirklich zu süß, wenn er nicht ganz da war. April griff nach seiner ausgestreckten Hand und erklärte ihm immer noch leise kichernd: „Du bist hier eingeschlafen, Fire. Ich frage mich, was du in meinem Zimmer wolltest.“ Er spürte ihre Finger, wie sie um seine Hand fassten. Langsam wurde Fireball wach und seine Gedanken klarer. Er war zu ihr ins Zimmer geschlichen, weil er nicht hatte schlafen können. Die letzten Tage über hatte er ihre Nähe schmerzlich vermisst, sich aber eingeredet, dass er selbst Schuld war, dass sie so abweisend zu ihm war. Schließlich war auch Colts Reaktion auf ihn ähnlich ausgefallen. Nur nachdem er mit Saber noch einmal darüber gesprochen hatte, war es immer quälender geworden. Fireball und April kannten sich, seit er sich für die Karriere beim Oberkommando entschieden hatte und Aprils Vater, Commander Eagle, ihn auch schon in der Akademie unter seine Fittiche genommen hatte. Seither war April seine ständige Begleiterin gewesen und hatte alles mit ihm zusammen durchgestanden. Er hatte ihre Zurückweisung nicht deuten können und deswegen war er in ihr Zimmer geschlichen. Doch April hatte schon geschlafen. Nun saß er hier und April war endlich wach und gesprächig. Fireball stand auf, stellte aber postwendend fest, dass ihm die Füße eingeschlafen waren und so beschränkte sich der junge Japaner lediglich darauf, sein Körpergewicht von seinen Beinen zu schieben und vorerst auf dem Boden sitzen zu bleiben. Fireball verschränkte die Arme auf der Matratze, legte sein Kinn darauf und sah April mit großen, treuherzigen Augen an: „Hab dich vermisst, Süße. Ich weiß, wir hatten die letzten Wochen so unsere Schwierigkeiten, aber trotzdem mag ich dich. Es fehlt mir etwas, wenn du nicht mit mir redest oder bei mir bist.“ Ihr Herz machte einen Satz und die Blondine war froh über die Dunkelheit, die ihre Verlegenheit versteckte. Sie senkte kurz den Blick, er brachte sie ganz durcheinander, wenn er sie mit diesen braunen Augen anguckte. Dieses warme Augenpaar. Oh ja, Ai hatte keinesfalls gelogen. April sah auf und musterte Fireball. Der Besuch bei seiner Mutter war ordentlich schief gegangen. Der verbohrte Sturschädel hatte zuvor drei Jahre nicht ein Wort mit seiner Mum gewechselt, hatte es sich aber auch nicht nehmen lassen, sie zu ihrem fünfzigsten Geburtstag zu besuchen. Das Fiasko war schon zu Beginn ihres Urlaubs perfekt gewesen, als Ai seine Freunde kennen lernen musste. April hatte allerdings doch, ebenso wie Saber und Colt, einen Draht zu Ai gefunden und schlussendlich waren auch Freunde von Ai wieder nachhause gefahren. Was Ai zu erzählen hatte, das war April anfangs zu viel des Guten gewesen. Sie hatte nicht glauben können, dass Captain Hikari und sein Sohn sich wie ein Ei dem anderen gleichen sollten. Nur was Ai über die dunklen Augen hatte berichten können, das hätte April in Tokio schon blindlings unterschreiben können. Mit einem wehmütigen Lächeln vergrub April ihre Hand in seinem Nacken, legte sich dabei auf den Bauch und konnte Fireball nun auf der selben Höhe ins Gesicht schauen. Hier, in dieser verrückten Zeit, hatte sie viel gelernt. Vater und Sohn waren nicht nur aus dem selben Holz geschnitzt, April war sich mittlerweile ganz sicher, sie teilten sich eine Seele. Einen Moment lang vergaß sie, wie schwer sie sich manchmal miteinander taten, und hauchte ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. Dabei murmelte sie: „Du Esel.“ „Wieso bin ich jetzt wieder ein Esel?“, Fireball verzog schmollend das Gesicht, schob aber gleichzeitig seinen Kopf weiter in Aprils Richtung. Dieser Kuss war ihm viel zu wenig gewesen. Wenn sie ihn schon einen Esel schimpfte, dann sollte sie auch einen Grund dafür haben. Fireball griff mit einer Hand in Aprils Nacken und hielt sie so fest. Beinahe schon stürmisch neigte er den Kopf etwas zur Seite und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Danach blickte ein Paar blitzender Augen zu ihr auf und der Schelm höchstpersönlich sprach aus ihm: „Etwa deswegen?“ Kichernd schüttelte April den Kopf: „Deswegen auch, ja.“ Sie war endlich wieder fröhlich. April hatte schon geglaubt, sie könnte nie wieder lachen und dass nichts mehr einen Sinn hätte. Aber so war es nicht. Fireball war endlich wieder hier, er war wieder ein lachendes Energiebündel und das tat der Blondine unheimlich gut. Sie ließ sich fröhlich kichernd auf den Rücken nieder und winkelte die Beine an. Es befreite sie, mit Fireball alleine zu sein. Egal, was auch alles geschehen war, ihren Gefühlen tat das alles keinen Abbruch. Im Gegenteil. Sie wurden wieder intensiver und zeigten sich in ihrem losgelösten Lachen. April war zwar dabei leise, weil sie niemanden in den anderen Zimmern wecken wollte, aber sie strahlte übers ganze Gesicht. Das konnte ruhig die ganze Welt sehen und auch hören. Fireball wagte es. Er kam zu ihr ins Bett gekrochen. Ihre Fröhlichkeit und ihre Unbeschwertheit steckten den Piloten an. Er hüllte die Blondine in ihre Bettdecke ein und schmunzelte: „Genauso gefällt mir das.“ Die beiden verfielen in ein neckisches Spiel, getrieben von ihrem jugendlichen Gemüt und der Ungezwungenheit des Moments. Während Fireball seine Gefährtin immer wieder zudecken wollte und sie endlich zum Schlafen bringen wollte, kroch April immer wieder aus ihrer Bettdecke hervor und neckte den Rennfahrer. Sie wussten nicht, wie lange sie sich diesem Fangenspiel hingaben. Beide vergaßen über diesem Spaß nicht nur die Zeit, sondern auch ihre Sorgen der letzten Zeit. April rückte Fireballs Welt mit jeder Minute wieder ins richtige Licht, in die richtige Lage und auch der junge Pilot brachte Aprils Realität wieder aus dem Abgrund hervor. Die Navigatorin wich einen von Fireballs Attacken geschickt aus und streckte ihm die Zunge heraus: „Fang mich doch, wenn du kannst.“ Im nächsten Augenblick schossen zwei Hände auf April zu und packten sie an den Schultern. Ungestüm und mit zu viel Schwung hatte Fireball sie erwischt. April hatte damit nicht gerechnet, deswegen gab sie ohne Gegenwehr nach und landete postwendend auf dem Rücken. Der Pilot beugte sich über sie. Schwer atmend hob sich Aprils Brustkorb immer wieder. Plötzlich war der kindliche Spaß vorbei. April sah zu ihm auf, ihre großen Augen erkundeten seinen Körper aufmerksam. Auch Fireball spürte, dass aus dem unschuldigen Spiel Ernst geworden war. Etwas war zwischen ihnen, nur konnte der Japaner es nicht zuordnen. Seine Hände strichen über Aprils Schultern hinweg, über ihre Arme hinab und wechselten schließlich zu ihren Seiten hinüber. Fireball kniete neben der Blondine. Noch ehe er selbst verstand, was sich über die letzten Wochen und Monate schleichend entwickelt hatte und was nun passieren würde, senkte er den Kopf und küsste April. Dabei murmelte er: „Ich liebe dich, Süße.“ April erwiderte den Kuss. Zuerst nur zaghaft, dann aber ließ sie Fireball gewähren. Sie schlang ihre Arme um ihn, April wollte Fireball so nahe als möglich bei sich haben. Genießerisch schloss sie die Augen und gab sich dem hin, was da auf sie zukommen würde. Die Blondine nahm seinen Duft intensiv wahr, spürte und erforschte jeden Zentimeter seiner Haut unter ihren Händen und sie fühlte seine Wärme. Seine Berührungen jagten ihr tausende kleiner Schauer über die Haut und führten dazu, dass April alles andere vergaß. Bis auf eine Kleinigkeit, die sich in ihrem Kopf festgebissen hatte. Als sie begriff, was gleich geschehen würde, öffnete April die Augen und flehte ihn an: „Mach mich nicht zu einer von vielen. Bitte.“ Irritiert hielt Fireball inne. Er sah auf die Blondine hinab. Das Mädchen, das er so sehr begehrte und auch liebte. Sie lag unter ihm auf dem Rücken und schien gerade nicht mehr das zu wollen, was sie begonnen hatten. Fireball richtete sich leicht auf, damit er ihr offen ins Gesicht sehen konnte. Nichts wollte er lieber mit diesem engelsgleichen Wesen, als das, was er gerade begonnen hatte. Verzagt biss er sich auf die Lippen, weil er ihre Frage nicht zuordnen konnte. Er verstand sie schlicht und ergreifend nicht: „Zu einer von vielen? Wie meinst du das, Süße?“ April wagte es nicht, sich zu bewegen. Sie spürte seine forschenden Blicke auf ihr ruhen, und hörte seine verwirrte Stimme. Er verstand sie wirklich nicht. Mit zittrigen Fingern, weil April durchaus gefallen hatte, was sie taten, streichelte sie über seine nackte Brust. April schloss einen Moment lang die Augen. Sie wünschte sich so sehr, dass die Antwort von Fireball sie nicht enttäuschte. Doch er war in der Ausbildung schon ein Mädchenschwarm gewesen und von so vielen Mädchen und auch Freundinnen hatte sie gehört, dass er wie alle anderen eine Liste führte. Sie hatte Angst, dass Fireball im Endeffekt nicht anders als Jesse war. Es würde ihr das Herz brechen, aber sie wollte sich nicht auf einer endlosen Liste von Telefonnummern wieder finden. Nicht nur, weil sie zusammen arbeiteten, sondern auch und vor allem deswegen, weil sie ihn liebte und es nicht verkraften würde, wenn er sie nur einmal flachlegte und sie dann keines Blickes mehr würdigen würde. Er war etwas Besonderes für sie, sie wollte so etwas auch für ihn sein. Aber sie war sich nicht sicher. April hatte Angst, ihn gleich von sich schieben zu müssen, fand sich aber innerlich auch schon damit ab. In der Küche war es ja auch ähnlich gelaufen. „Ich möchte nicht zu einer von unzähligen Telefonnummern aus deinem schwarzen Buch werden. Bitte tu mir das nicht an.“ Fireball war bereits im Begriff gewesen, April irritiert loszulassen, doch dann erkannte er, dass das das Falsche wäre. Sie bangte um seine Zuneigung, und selbst wenn ihn ihre Worte nun durcheinanderwirbelten, so durfte er sie nicht einfach loslassen. Fireball beugte sich zu ihr hinab, kuschelte sich zu der Blondine und nahm sie in eine beschützende, liebevolle Umarmung. Niemals hätte er sie belügen können. Weswegen er ihr nun behutsam, vor allem aber ehrlich, die Bedenken nehmen wollte: „Ich habe doch gar kein solches Büchlein. Und selbst wenn, dann wäre es leer“, Fireball drängte sich noch näher an Aprils Körper und flüsterte: „Du bist die einzige für mich und ganz bestimmt nicht eine von vielen. Süße, glaub mir bitte.“ Erleichtert drehte sich April in seine zärtliche Umarmung und zu ihm herum. Sie drängte sich ebenfalls an seinen Körper, wollte ihn so nahe wie möglich bei sich haben. In diesem Moment glaubte April ihm und dachte nicht an später. April gab sich ihren Gefühlen für den Wuschelkopf hin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)