Red and Blue von Murtagh ================================================================================ Kapitel 5: How Can You Mend A Broken Heart (Part II) ---------------------------------------------------- Die Truppen unter ihnen marschierten in zügigem Tempo über die Ebene, dennoch hatte Eragon das Gefühl, dass sie sich nur quälend langsam fortbewegten. Genervt rutschte er in seinem Sattel hin und her und stöhnte immer wieder auf. Wenn du nicht bald aufhörst, auf meinem Rücken herumzuzappeln, werfe ich dich ab. erklang Saphiras schnippische Stimme in seinen Gedanken. Verzeihung, Mylady. erwiderte er trocken. Saphira lachte glucksend. Ich vergebe dir. Doch das ist das letzte Mal. sagte sie mit gespielter Strenge. Eragon versuchte zu lächeln, doch ihm war nicht wirklich danach zumute. Seit sie am Morgen aufgebrochen waren, fühlte er eine nervöse Anspannung in sich. Und das Gefühl wurde stärker und stärker. Es ging ihm einfach viel zu langsam! Er wusste, dass sich die unzähligen Krieger alle Mühe gaben und dass sie sich nur selbst schaden würden, wenn sie sich noch mehr beeilten. Es war schließlich niemandem geholfen, wenn ihr Heer völlig entkräftet auf die Truppen des Königs treffen würde... Dennoch hatte er immer wieder den quälenden Gedanken, dass sie sich trotz allem keinen Schritt vorwärts bewegten. Eragon schaute nach unten und ließ seinen Blick über die Soldaten am Boden schweifen. Der scheinbar endlose Strom ihrer Truppen reichte bis an den Horizont. Wie ein lebendig gewordener Fluß bewegte er sich über die grasbewachsenen Ebenen, ein Strom von Menschen, Tieren und Gefährten, der sich einer Lawine gleich scheinbar unaufhaltsam seinem Ziel näherte. Der Anblick jagte Eragon einen Schauer über den Rücken. Das war das größte Heer, dass er jemals gesehen hatte und es war in den letzten Wochen stetig größer geworden. Beinahe jeder Mann, jede Frau und jedes Kind wussten mittlerweile, dass die finale Schlacht gegen Galbatorix unmittelbar bevorstand und dieses Wissen hatte die Menschen scheinbar beflügelt. Von überall her stießen größere und kleinere Gruppen zu ihnen, manchmal aus Gegenden, von denen Eragon noch nie etwas gehört hatte. Sie alle kamen, um zu kämpfen. Und wenn sie ihre Truppen erst einmal mit denen vereinen würden, die Wochen zuvor die Stadt Gil'ead eingenommen hatten und nun ebenfalls auf dem Weg zur Hauptstadt des Reiches waren, würde ihre Anzahl noch einmal gewaltig steigen. Es war Eragon ein Rätsel, wie Nasuada, Orrin und die wenigen anderen Anführer dieses riesige Heer befehligen wollten. Andererseits war er sich sicher, dass das gemeinsame Ziel die tapferen Männer auf den richtigen Weg leiten und ihre Schwerter führen würde. Ziemlich beeindruckend, nicht wahr? meldete Saphira sich in seinem Kopf. Ja... stimmte Eragon ihr langsam zu. Ich hoffe nur, dass es genug sind. Saphira klang unsicher. Eragon wandte sich von den Soldaten ab und starrte nach vorne auf ihren Kopf. Was meinst du damit? Es sind tausende... nein, zehntausende! Saphira schüttelte ihren riesigen Kopf. Das mag sein. Aber Galbatorix wird uns mit ebensovielen Männern erwarten. Eragon dachte darüber nach. Es erschien ihm absurd. Soviele Menschen, soviele Krieger... überstiegen einfach seine Vorstellungskraft. Und dann waren da noch die quälenden Gedanken über... Eragon schüttelte den Kopf, versuchte, die Gedankenflut zurückzudrängen die seinen Verstand wieder einmal zu überschwemmen drohte. Doch wie so oft zuvor gelang es ihm nicht und die Erinnerungen bahnten sich unaufhaltsam ihren Weg durch seine Gedanken. Er krallte die behandschuhten Finger fester in die Lederriemen, mit denen er sich auf dem Rücken von Saphira hielt, und presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Als er zu seinem heimlichen Treffen mit seinem Bruder aufgebrochen war, hatte Eragon keinerlei Erwartungen gehabt. Zumindest keine die ihm bewusst gewesen waren, wie ihm heute klar war. Murtaghs Nachricht hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen und wildes Chaos in seinen Gedanken und Gefühlen hinterlassen. Nur eine Sache schien in diesen Momenten wichtig gewesen zu sein: Murtagh wollte ihn sehen. Und Eragon musste zu ihm. Erst viel später war ihm klar geworden, dass es viel mehr gab, was ihn aus dem Lager und zu seinem ehemaligen Mitstreiter getrieben hatte. Simple Neugier war sicher einer der Gründe gewesen, doch viel mehr als das waren es die unzähligen Fragen, die Eragon noch immer quälten. Die Fragen nach dem Wieso, wieso... wieso hatte Murtagh das getan, wieso war er zurückgekehrt, nach allem was der König ihm bereits angetan hatte, wieso hatte er sich gegen ihn, Eragon, gestellt, nach allem was sie zusammen durchgestanden hatten? Und wieso kam er zu ihm zurück, jetzt, wo beinahe alles zu spät war? Zuletzt war es wohl vor allem Hoffnung gewesen, die Eragon zu ihm geführt hatte. Die fast schon verzweifelte Hoffnung, dass Murtagh sich gegen den König und für den Widerstand entschieden hatte. Dass endlich alles wieder so werden würde wie vor so langer Zeit, dass sie zusammen kämpfen würden, wenn es sein musste bis zum Tod... Doch Murtagh hatte ihn enttäuscht, wieder einmal, und hatte sich von ihm abgewandt, vielleicht für immer. Das schmerzte Eragon mehr als jeder Vorwurf aus dem Mund des anderen es getan hätte. Und es machte ihm wieder einmal klar, dass die anderen möglicherweise recht hatten. Dass Murtagh das Vertrauen nicht wert war, dass Eragon noch immer in ihn setzte. Eragon biss sich so fest auf die Lippen dass er den kupfernen Geschmack seines eigenen Blutes auf der Zunge spürte. Erst durch diesen Schmerz gelang es ihm, die quälenden Gedanken in den Hintergrund zu schieben und sie wieder in die hintersten Ecken seines Verstandes zu verbannen. Sie führten ohnehin zu nichts, waren nur ein weiteres Hindernis auf seinem langen Weg. Und der einzige, der seine vielen Fragen wirklich beantworten könnte, würde wahrscheinlich nie wieder ein Wort mit ihm sprechen... Eragon schaute wieder nach unten und beobachtete den Strom von Menschen, der sich unter ihm bewegte. Er drehte sich im Sattel und versuchte erneut, ein Ende in ihm auszumachen, doch es gelang ihm nicht. Jede Minute drangen mehr Menschen auf die Ebenen vor, schmutzig braune Flecken auf dunkelgrünen Wiesen. Fast schien es, als würden sie aus der Begegnung von Himmel und Erde selbst geboren. Eragon lächelte schief über diesen absurden Gedanken. Er hat gesagt, dass wir ihn nicht wiedersehen. Die Worte verließen seinen Mund noch bevor er wirklich merkte, dass er sprach und er bereute sie sofort. Angestrengt und mit der wilden Hoffnung, dass Saphira ihn nicht gehört hatte, starrte Eragon weiter Richtung Horizont. Saphira tat ihm den Gefallen und sagte nichts. Dennoch konnte Eragon spüren, dass sie in Gedanken leicht zusammenzuckte. Er wandte sich von den Soldaten ab und starrte hilflos auf ihren geschuppten Hinterkopf. So sehr er auch Angst vor ihrer Reaktion hatte, ihr Schweigen schmerzte ihn mit einem Mal fast noch mehr. Vielleicht ist er... begann er zögernd, brach dann jedoch ab. Wieder begegnete ihm nur Schweigen. Ein Windstoss kam auf und wirbelte seine Haare durcheinander. Eragon schloss die Augen und atmete tief ein. Die Luft roch nach Erde, nach Rauch und hinterließ einen metallischen Geschmack auf seiner Zunge. Er kümmerte sich nicht darum, sondern sog sie tief ein, konzentrierte sich nur auf das Heben und Senken seiner Brust... Doch die Gedanken blieben. Die schrecklichen Gedanken, dass Galbatorix erfahren hatte, was Murtagh getan hatte. Und dass sein Bruder vielleicht längst tot war... Eragon hatte einmal gehört, dass man es spüren konnte, wenn jemandem, der einem sehr nahestand, etwas zustieß. Ob das auch auf ihn und Murtagh zutraf? Immerhin waren sie Halbbrüder! Würde er es spüren, wenn dem anderen etwas passierte? Oder hatten sie nicht genug Zeit miteinander verbracht, um eine solche Bindung zu entwickeln? Schließlich hatte Eragon ihn auch vorher nie gespürt, hatte nicht gewusst, dass er damals nicht gestorben war... Ein plötzliches Flackern am Rande seines Gesichtsfelds erregte seine Aufmerksamkeit. Ein helles Blitzen, tiefrot, irgendwo hinter den tief hängenden Wolken. Eragon blinzelte und starrte angestrengt auf die Stelle. Doch er sah nichts als Wolken. Hatte er sich das Blitzen nur eingebildet...? Hast du das gesehen? fragte er schnell und fuhr fort, den Himmel abzusuchen. Ja. antwortete Saphira grimmig und bestätigte seinen Fund damit. Er ist hier! rief Eragon. Er ist hier... Eragons Herz machte einen Sprung. Sein Bruder war hier! Er lebte! Und er war zurückgekehrt! Zurückgekehrt um... ~ Murtagh spürte die Anwesenheit des anderen Reiters schon, bevor er ihn sah und wünschte sich im nächsten Moment nichts mehr, als dass er sich entgegen aller Logik irrte. Doch das Schicksal spielte erneut sein Spiel mit ihm und so dauerte es nicht lange, bis er das strahlende Blau von Saphiras Schuppen am Himmel sehen konnte. Thorn reagierte sofort und tauchte nach oben in eine der tief hängenden Wolken ein. Eiskalte Nässe schlug über ihnen zusammen, aber Murtagh spürte sie kaum. Um möglichst lange unentdeckt zu bleiben waren Thorn und er in großer Höhe hergeflogen, höher als der Drache es normalerweise wagte wenn er seinen Reiter trug. Doch Murtagh hatte darauf bestanden, auch wenn er sich schon nach wenigen Minuten vor Kälte kaum noch rühren konnte und ihm das Atmen schwer fiel. So war ihm nichts anderes übrig geblieben als sich fest in seinen viel zu dünnen Umhang einzuwickeln, sich möglichst klein zu machen und darauf zu vertrauen, dass Thorn in der weißen Masse um sie herum den richtigen Weg finden würde. Und tatsächlich hatten sie es auf diese Weise bis tief in die feindlichen Reihen geschafft. Ein Angriff kam jedoch nicht infrage, denn auch wenn Murtagh es bis hierher geschafft hatte, seine eigenen Krieger waren weit weg. Und alleine würde selbst ein mächtiger Drachenreiter wie er den feindlichen Kämpfern unterliegen. Er war ohnehin aus anderen Gründen hier... Murtagh strich sich mit zitternden Fingern eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht und richtete sich auf. Seine von der Kälte steifen Muskeln wehrten sich heftig gegen die Bewegung, doch Murtagh ignorierte den Schmerz. Wenn er seinem Gegner gegenübertrat musste er im Vollbesitz seiner Kräfte sein. Leise murmelte er ein paar magische Worte und spürte eine plötzliche Welle von Wärme in seinem Körper, die jedoch von einer ebenso spürbaren Welle von Schwäche begleitet wurde. Es war ihm zuwider, seine magische Energie für so etwas zu verschwenden, doch ihm blieb keine andere Wahl. Thorn schien seine Entschlossenheit zu spüren, denn er spannte ebenfalls seine Muskeln an und stieg mit wenigen kräftigen Flügelschlägen nach oben. Murtagh schloss geblendet die Augen, als sie aus den Wolken hinaus schossen und das gleißende Licht der Sonne sie traf. Murtagh ließ seinen Augen einen Moment Zeit um sich an das plötzliche Licht zu gewöhnen, dann zog er mit einem Ruck sein Schwert Zar'roc. Seine Hand zitterte merklich und Murtagh ahnte, dass der Grund dafür nicht alleine die Kälte hier oben war. Eine erneute Flut von Gedanken und Gefühlen drohte ihn zu überschwemmen, doch Murtagh drängte sie mit aller Kraft, die er aufbringen konnte zurück. Er hatte einen Auftrag. Und dieses Mal würde er nicht scheitern. Es würde enden. Es musste enden! Los... sagte Murtagh schließlich und der rote Drache gehorchte. ~ Eragon streckte seinen Geist aus, so weit er konnte. Er musste mit Murtagh reden. Er musste ihm sagen, was er entdeckt hatte! Tatsächlich fand er ihn, auch wenn er ihn noch immer nicht sehen konnte. Und wie befürchtet stieß er gegen eine Mauer. Er versuchte es noch einmal, mit mehr Nachdruck, doch das Ergebnis blieb dasselbe. Murtagh stieß seine Präsens mit aller Kraft von sich. Er lässt mich nicht. sagte er zu Saphira. Verzweiflung stieg in ihm auf. Und Wut. Dieser verdammte Mistkerl macht es einem wirklich nicht leicht... dachte er düster. Alles in ihm brannte darauf, mit seinem Bruder zu sprechen und ihm von seiner Entdeckung zu berichten. Doch wieder einmal entzog Murtagh sich ihm und ließ ihn alleine mit seinen verzweifelten Hoffnungen... Sollen wir ihm folgen? fragte er Saphira, auch wenn er ihre Antwort bereits ahnte. Doch die blaue Drachendame überraschte ihn. Eragon entfuhr ein überraschtes Keuchen, als Saphira plötzlich den Kopf herumwarf und sich umdrehte. Sie streckte die himmelblauen Flügel beinahe senkrecht nach oben und ließ es zu, dass sie in rasantem Tempo nach unten sank. Eragon musste sich mit beiden Händen festkrallen um nicht den Halt zu verlieren oder vom starken Wind von ihrem Rücken gerissen zu werden. Was soll das, was tust du?! sandte er verwirrt, doch Saphira antwortete ihm nicht. Sie sanken immer tiefer und tiefer und wurden dabei immer schneller. Der Sog war mittlerweile so stark, dass er Eragon die Tränen in die Augen trieb. Irgendwann fing der Drache sich ruckartig ab. Eragon wurde auf ihren Rücken gepresst und stöhnte auf, als ein heftiger Schmerz seinen verkrampfen Körper durchfuhr. Erneut rief er sie in Gedanken, doch Saphira ignorierte ihn. Ihr Flug wurde ruhiger und Eragon konnte endlich wieder die Augen öffnen. Sie flogen jetzt direkt über dem sich stetig bewegenden Strom von Kriegern und folgten ihm langsam in entgegengesetzter Richtung. Eragon schaute sich verwirrt um, versuchte, einen Grund für Saphiras plötzliche Flucht zu finden, jedoch ohne Erfolg. Saphira, was... begann er zögernd, wurde aber sofort unterbrochen. Schau nach unten, Eragon. Saphiras Ton war ungewohnt befehlend. Eragon gehorchte und sah nach unten. Die Soldaten bewegten sich langsam, aber stetig. Sie flogen jetzt so tief, dass Eragon ihre Schritte hören konnte, ein stetes Stampfen und Klappern. Dunkel und unheilverkündend brachten die unzähligen Füße und Hufe den Boden zum Beben. Die Erde war aufgewühlt, teilweise sanken die Männer, Frauen und Pferde fast knietief in Erde und Staub ein. Doch auch das konnte sie nicht aufhalten. Eragon empfand plötzlich eine tiefe Bewunderung für die Soldaten. Er hatte sich schon so daran gewöhnt, stets auf dem Rücken seines Drachen zu sitzen, dass er manchmal vergaß, dass der größte Teil ihrer Soldaten zu Fuß ging und sich jeden Schritt hart erkämpfen musste. Eragon erinnerte sich an seine Ungeduld und schämte sich mit einem Mal dafür. Sieh es dir genau an. befahl Saphira erneut. Eragon ließ seinen Blick weiter wandern, die endlosen Reihen von Menschen und Tieren entlang. Einmal erblickte er sogar einige Urgals, die sich, schwere Äxte und Knüppel haltend, an der Seite der Soldaten bewegten. Wieso soll ich... Er blickte auf, schaute nach vorne, auf Saphiras Hinterkopf. Was soll das alles? Saphira knurrte. Tu' einfach was ich dir sage. Schau nach unten. Eragon gehorchte, wenn auch mit deutlichem Widerwillen. Doch was immer Saphira wollte dass er sah, er fand es nicht. Alles was er sah waren Soldaten, Krieger, herbeigeeilt aus allen Gegenden des Landes, zusammengeführt von ihrem gemeinsamen Hass auf den Tyrannen, der ihr Land an den Rand des Untergangs trieb. Ich weiß nicht, was du meinst, gab er schließlich zu und schaute wieder auf. Was immer Saphira vorhatte, es ermüdete ihn und machte ihn wütend. Wenn ich dich verärgert haben sollte, tut es mir leid. Aber ich muss jetzt zurück, ich bitte dich, ich muss... SIEH NACH UNTEN! Saphiras plötzlicher Zorn ließ Eragon erschrocken innehalten. Ihre Wut umfloss seinen Geist wie kochendes Wasser. Schau nach unten und sag mir was du siehst! Eragon musste wohl oder übel einsehen, dass er nichts tun konnte. Saphira war wütend auf ihn. Und auch wenn er den Grund dafür nicht kannte, wusste er doch, dass es manchmal besser war, sich dem Willen eines Drachen zu unterwerfen. Also schaute Eragon erneut nach unten. Überrascht bemerkte er einige Elfen zwischen den menschlichen Kriegern. Sie ritten auf hellen Rössern und stachen aus der schmutzig braunen Masse der Menschen heraus wie leuchtende Wesen aus einer fernen Traumwelt. Was siehst du? fragte Saphira erneut. Ich sehe... Soldaten. sagte Eragon. Gut. Was noch? Eragon starrte nach unten. Suchte. Nach einem Anhaltspunkt, nach etwas, was er übersehen haben könnte. Ich sehe Menschen. Und Urgals. Und Elfen. Pferde. Waffen. Saphira, wenn das ein Spiel ist, dazu haben wir jetzt keine Zeit, ich will... Was noch? fragte Saphira stoisch. Eragon schüttelte den Kopf. Dann drehte er sich erneut um, schaute nach hinten. Inzwischen waren sie so weit weg von der Spitze ihres Zuges, dass er die Kämpfer nicht mehr sehen konnte. Und Eragon wusste, wenn sie noch weiter flogen, würden sie irgendwann die glänzende Oberfläche des Leona Sees am Horizont erblicken. Was siehst du noch? Saphiras zornige Stimme holte ihn wieder zurück. Erneut ließ er seinen Blick über die Reihen schweifen. Doch das Bild blieb dasselbe. Ich... ich weiß es nicht. sagte er ungeduldig. Dieses Gespräch zerrte an seinen Nerven. Er war nicht hergekommen um Saphiras Rätsel zu lösen. Sie waren hier um in den Krieg zu ziehen. Er war hier um zu kämpfen. Verdammt, er war hier um Galbatorix zu stürzen! Und er war hier um... Doch, du weißt es, Eragon! Soldaten... wiederholte Eragon. Gut, konterte Saphira erneut. Was noch? Ich weiß es nicht. Ich sehe... verdammt, ich weiß es nicht! Eragon raufte sich verzweifelt die Haare. Saphira, was immer du mir sagen willst, ich verstehe es nicht! Ich sehe da unten nur Soldaten, ich sehe Menschen, ich sehe Elfen, ich sehe Urgals. Ich sehe Krieger der Varden, Soldaten aus Surda... Weiter. sagte Saphira nur. Ihr Ton war einen Hauch versöhnlicher geworden. Ich sehe... Eragon starrte weiter nach unten. Seine Augen weiteten sich überrascht, als sein Blick auf eine kleine Gruppe bekannter Gesichter stieß. Tatsächlich waren unter den Kriegern einige der Bewohner seines Heimatdorfes Carvahall. In den letzten Tagen vor ihrer Abreise hatte er sie kaum mehr zu Gesicht bekommen, war er doch selbst voll in die Vorbereitungen eingesponnen gewesen. Es war seltsam, sie hier zu sehen, inmitten unzähliger Krieger und Soldaten, und zu wissen, dass diese Menschen, die einmal seine ganze Welt waren, dabei waren in einen Krieg zu ziehen der alles übertreffen würde was sie in ihren bisherigen Leben erlebt hatten. Doch sie zeigten keinerlei Angst, keinerlei Zweifel, auch wenn sie sicher wussten, dass viele von ihnen diese Schlacht nicht überleben würden. Sie kämpften trotzdem, für ihre Zukunft, für ein neues Leben in ihrem Dorf, für ihre Söhne und Töchter, die es einmal besser haben sollten als sie selbst. Und langsam sickerte Erkenntnis in Eragons Verstand. Ja, Eragon, sagte Saphira und bestätigte damit seine Gedanken. Das ist es, was ich dir zeigen wollte. Eragon verstand. Diese Gefühle, die so klein schienen, diese Hoffnungen, die so dumm schienen, das war es, was diese Krieger, Freunde wie Fremde, hierher geführt hatte. Die sie kämpfen ließ, Seite an Seite. Aber ich weiß das alles doch, begann Eragon jetzt. Ich weiß wieso wir hier sind. Wieso wir kämpfen. Tust du das wirklich? fragte Saphira sofort. Eragon schaute verständnislos nach vorne, sein Blick traf eins ihrer Drachenaugen. Natürlich. Wir sind hier um den König zu stürzen, um Galbatorix zu töten! Saphira wandte sich wieder ab. Es dauerte einige Augenblicke ehe sie wieder sprach. Ja. Deswegen sind wir hier. Aber sag mir... Sie zögerte einen Moment. Sag mir, Eragon, wieso du all das so leichtfertig aufs Spiel setzt? Langsam begriff Eragon, worauf dieses Gespräch hinauslaufen sollte. Und es machte ihn wütend. Hast du mich deswegen hierher gebracht? fragte er finster und versuchte nicht einmal, seine aufkeimende Wut zu verbergen. Ja. bestätigte Saphira. Dann zögerte sie plötzlich. Ich weiß, ich tue dir unrecht. Ich habe dich die ganze Zeit unterstützt, bei allem was du getan hast. Doch... Erneut zögerte sie, schien sich ihrer Worte nicht mehr sicher zu sein. Doch ich kann nicht länger schweigen und zusehen wie du in dein Unglück rennst. Ich liebe dich, mein Kleiner, und deswegen muss ich dich davor beschützen. Vielleicht hat Arya recht. Du musst damit aufhören, ihm ... , Eragon, du... Nein! brauste Eragon auf. Er konnte seinen Zorn und seine Enttäuschung nicht länger verbergen. Die grausamen Gefühle fraßen sich durch seine Gedanken wie Säure. Wieso... sag mir wieso, Saphira! Die ganze Zeit warst du an meiner Seite und jetzt, wo wir so kurz davor stehen sie beide zu retten, sagst du mir, dass ich aufhören soll?! Ich tue das nur um dich zu schützen! widersprach Saphira. Ihrer Stimme haftete Verzweiflung an. Sieh dich doch an! Du bringst dich wegen ihm in Lebensgefahr! Eragon schwieg. Saphiras Worte machten ihn betroffener als er es zulassen wollte. Als er wieder sprach, fiel ihm jedes Wort unendlich schwer. Und was soll ich tun? Soll ich ...ihn aufgeben? Murtagh aufgeben? Ist es das was du willst? Saphira schwieg. Ich kann das nicht. Das kannst du nicht von mir verlangen. Eragons Augen begannen zu brennen. Langsam stieg der blaue Drache wieder höher. Eragon beobachtete wie die Menschen, Elfen, Zwerge, Urgals und Tiere unter ihnen langsam kleiner und kleiner wurden. Gleichzeitig wurde die Luft um ihn herum kühler, der Himmel immer stiller. Gerne hätte er etwas gesagt, doch er fand nicht die richtigen Worte. Er hasste es, mit Saphira zu streiten. Die blaue Drachendame bedeutete ihn mehr als alles andere, er liebte sie und es tat schrecklich weh sich von ihr zu entfernen, aus welchen Gründen auch immer. In der kurzen Zeit die sie sich erst kannten, hatten sie mehr erlebt als andere in ihrem ganzen Leben. Saphira war der Grund dafür, dass er sein altes Leben verloren hatte. Und sie hatte ihm dafür ein neues geschenkt, das größer war als alles, was er sich jemals hatte vorstellen können. Binnen kürzester Zeit hatte er sich von einem unschuldigen Bauernjungen zu einem mächtigen Krieger entwickelt, einem Kämpfer, der sein Leben für ein ganzes Land aufs Spiel setzte. Aber das konnte er nicht alleine tun... Ich weiß. sagte Saphira schließlich und beendete damit die kleine Ewigkeit des Schweigens. Beinahe bewegungslos glitt die Drachendame durch die Luft, ließ sich von den warmen Winden tragen. Erschöpft von dem anstrengenden Flug und dem anschließenden Streit ließ sich Eragon nach vorne auf Saphiras Hals sinken und streichelte mit beiden Händen über die kühlen Schuppen. Seine Gedanken verschmolzen mit denen Saphiras und machten jedes weitere Wort überflüssig. Er konnte ihre Sorge spüren, ihre Sorge um ihn, und er konnte sie verstehen, besser als ihm lieb war. Und genauso konnte er ihre bedingungslose Liebe spüren. Und wusste, dass sie ihm folgen würde, wohin auch immer sein Weg ihn führen würde. Es tut mir leid. murmelte er schließlich. Das muss es nicht, Eragon. Ich kenne dich, ich weiß was du denkst. Und wenn das der Weg ist für den du dich entschieden hast, werde ich das akzeptieren. Ich werde immer an deiner Seite sein. Eragon hatte das seltsame Gefühl, dass mehr hinter ihren Worten steckte. Doch sie gab ihm keine weiteren Erklärungen und er verwarf den Gedanken. Langsam richtete er sich wieder auf und versuchte, sich wieder auf sein Ziel zu konzentrieren. ~ Saphira drehte sich wieder, dieses Mal sanfter, und flog wieder zum Beginn des Zugs zurück. Auf dem Weg dorthin konnte Eragon irgendwann die Banner der Anführerin der Varden Nasuada in den endlosen Reihen unter sich erkennen. Auch Saphira hatte sie bemerkt. Wir sollten ihnen sagen, dass Murtagh und Thorn hier sind. Und dass Galbatorix uns mit ihm sicher einen Vorgeschmack auf seine Armee entgegen schickt. Du hast recht. nickte Eragon. Suchend glitt sein Blick über die Gruppe schwer gepanzerte Pferde und Krieger unter sich, die in fester Formation um ihre Anführerin herum verteilt waren. Von oben war es schwer, einzelne Personen zu erkennen, doch schließlich fand Eragon, wen er gesucht hatte. Die Anführerin des Magierzirkels der Varden ritt an Nasuadas Seite. Trianna. sprach er sie in Gedanken an. Sofort hob sie den Kopf und schaute nach oben. Schnell teilte ihr Eragon seinen Fund mit. Die Zauberin hörte ihm schweigend zu und wandte sich dann sofort an Nasuada. Eragon konnte ihr Gespräch nicht verstehen, ahnte aber dessen Verlauf, als Nasuada sich, begleitet von energischen Gesten, an ihre Begleiter wandte. Ein halbes Dutzend von ihnen wendete daraufhin die Pferde und preschte an den Reihen der Soldaten vorbei, zurück in Richtung Leona See. Als sie außer Sicht waren, trieb auch Nasuada ihr Pferd an und ritt, dicht gefolgt vom Rest ihrer Leibwache, nach vorne zur Spitze ihres Heers. Trianna blieb zurück und wandte sich wieder an Eragon. Nasuada wird sich mit den anderen Anführern besprechen. Wenn der Reiter hier ist, werden auch seine Soldaten nicht weit sein. Wir müssen uns auf den Angriff vorbereiten um ihnen zuvorzukommen. Eragon nickte und warf einen Blick in die Richtung in welcher er die Hauptstadt Uru'baen wähnte. Die trockenen Graslandschaften lagen verlassen vor ihm, doch Eragon wusste, dass sich das jeden Moment ändern konnte. Noch kann ich niemanden entdecken, sagte Eragon. Was soll ich tun? Nasuada wünscht, dass du den Reiter suchst. antwortete Trianna knapp. Eragon schluckte. Versuche, ihn zu uns zu bringen, fuhr sie fort. Ich werde die anderen zu mir rufen, gemeinsam können wir ihn überwältigen. Eragon schob die Frage, was sie dann tun würde, beiseite. Trianna ließ ihm ohnehin keine Möglichkeit der Antwort mehr, denn die Zauberin wendete bereits ihr Pferd und ritt im Galopp davon. Eragon sah ihr hinterher bis sie in der Masse verschwunden war, dann bedeutet er Saphira, ebenfalls loszufliegen. ~ Saphira flog so hoch, dass Eragon das Gefühl hatte, die grauen Wolken mit den Händen greifen zu können. Es war kalt hier oben und Eragon vergrub sich tiefer in seinem wollenen Umhang. Konzentriert ließ er seinen Blick über den Himmel wandern, entdeckte aber bis auf einige Vögel, deren plötzliches Auftauchen ihn stets zusammenzucken ließ, nichts. Langsam verließ ihn der Mut. Vielleicht hatten Murtagh und Thorn sich zurückgezogen nachdem sie von Saphira und ihm entdeckt worden waren? Inzwischen fanden sie sich fast an der Spitze ihres Heeres wieder. In der Ferne konnte Eragon bereits die ersten Spuren der nahen Hauptstadt erahnen. Die Straßen wurden breiter und fester, immer wieder gab es kleine Ansammlungen von niedrigen Gebäuden. Ihm entging auch nicht, dass sie seltsam verlassen schienen. Sicher hatten sich die Bewohner bereits vor Tagen in Sicherheit gebracht. Und wenn sie zurückkehrten, würde von ihren Häusern wahrscheinlich nur noch ein Häufchen Asche übrig sein... Plötzlich erklang ein lautes Brüllen, irgendwo hinter ihnen. Sofort drehte Eragon sich im Sattel herum und suchte mit zusammengekniffenen Augen den Himmel ab. Saphira reagierte ebenso schnell und drehte sich in der Luft, den Kopf in Richtung des Brüllens. Es wurde für einen Moment still, dann erklang es erneut. Es kommt näher. bemerkte Saphira knapp. Meinst du, er will uns angreifen? fragte Eragon unsicher. Er hatte das Brüllen sofort als Thorns erkannt. Saphira schüttelte den Kopf. Nein. Wenn er das gewollt hätte, hätte er sicher versucht, sich im Stillen an uns heranzuschleichen. Nicht, dass er das geschafft hätte... Eragon musste über ihre Worte lächeln, war sich jedoch nicht sicher, ob sie damit recht hatte. Aber er kannte Murtagh und wusste, dass sein Bruder ihn nicht feige von hinten angreifen würde. Erneut suchte er den Himmel ab, konnte die Quelle des Brüllens aber nicht ausmachen. Schließlich holte er tief Luft und rief so laut er konnte: „Murtagh! Ich weiß, dass du hier bist! Zeig dich!“ Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Wie ein Ungeheuer aus einem Alptraum brach der tiefrote Drache nur einen Moment später aus einer Wolke vor ihnen hervor, Murtagh auf seinem Rücken. Eragon hätte gerne sein Gesicht gesehen um zu erkennen was er vorhaben könnte, doch sein Bruder trug einen Helm und machte es Eragon damit unmöglich, ihn einzuschätzen. Eragon öffnete den Mund, wollte ihn ansprechen, doch ein weiteres gewaltiges Brüllen von Thorn erstickte jedes Wort. Ohne ein Wort von Murtagh stürzte sich der rote Drache auf Saphira und ihren Reiter, das Maul weit aufgerissen und die Reihen rasiermesserscharfer Zähne entblößend. Eragon fluchte lautlos, als Saphira sich mit einem eleganten Manöver unter dem Angriff hinweg duckte und ihrerseits zum Gegenangriff bereit machte. Was immer Murtagh vorhatte, dieses Mal schien er nicht zum reden gekommen zu sein. Wie zur Bestätigung seiner Gedanken zog der Reiter in der dunkel schimmernden Rüstung seine blutrote Klinge hervor und zog dann den Arm zurück, bereit, jederzeit mit der Klinge zuzustoßen. Beinahe automatisch zuckte auch Eragons Hand zum Griff seines Schwertes an seiner Seite, doch er zwang sich dazu, die Waffe stecken zu lassen. Er musste sich fest an die Lederriemen an Saphiras Sattel klammern, als sie einem erneuten Angriff Thorns auswich. Als die Drachen sich wieder ein Stück voneinander entfernten, versuchte Eragon erneut, den anderen Reiter anzusprechen. Laut rief er Murtaghs Namen, doch sein Bruder zeigte keinerlei Reaktion. Auch Thorn unterbrach seine Serie von Angriffen nicht und stürzte sich erneut auf Saphira. Saphira wich ihm aus, konterte ihrerseits blitzschnell und schleuderte dem roten Drachen einen gewaltigen Feuersturm entgegen. Eragon verschloss die Augen vor der plötzlichen Helligkeit und der Hitze ihres Feuers, öffnete sie aber sofort wieder, um einen schnellen Blick auf ihre Gegner zu werfen. Thorn hatte dem Strahl nur knapp ausweichen können und schleuderte Saphira nun sein eigenes Feuer entgegen. Für einen kurzen Moment verwandelten die beiden Drachen den Himmel in eine brennende Hölle und zwangen ihre Reiter dazu, ihre Gesichter hinter ihren Händen und Armen zu verbergen. Saphira wartete nicht ab bis die Flammen sich auflösten, sondern fiel nur Sekunden später über den anderen Drachen her. Mit einem gewaltigen Krachen prallten die beiden Drachen aufeinander. Saphira schlug mit ihren gewaltigen Krallen nach dem kleineren Drachen, der seinerseits versuchte, sie mit seinen Zähnen zu fassen zu kriegen. Eragon war so auf den Kampf der Drachen konzentriert, dass er die blanke Klinge erst sah, als sie ihn schon beinahe erreicht hatte. Mit einem erstickten Schrei warf er sich im Sattel zur Seite und wich Murtaghs Angriff damit nur knapp aus. Sofort zog er sein Schwert und suchte nach Murtagh. Saphira und Thorn stoben wieder auseinander und begannen, einander in weiten Kreisen zu umfliegen. Nun, da Thorn den Überraschungsmoment verloren hatte, wurde er vorsichtiger und versuchte, eine Lücke in Saphiras Deckung zu finden. Eragon nutzte die Gelegenheit, Saphiras Körper mit schnellen Blicken auf Verletzungen zu untersuchen. Trotz der brutalen Angriffe war Saphira allem Anschein nach unverletzt. Es geht mir gut, Kleiner, bestätigte sie kurz darauf. Er wird schon mehr auffahren müssen um mich zu beeindrucken. Eragon lächelte freudlos. Seine Erleichterung darüber, seinen Bruder lebend wiederzusehen, wich langsam hilfloser Wut. Unten am Boden bereiteten Trianna und die anderen Magier bereits den Angriff vor und Eragon wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb, wenn er Murtagh wirklich dazu bringen wollte, aufzugeben. Er seufzte tief. Wenn Murtagh nicht auf ihn hören wollte musste er ihn eben dazu zwingen... Los... sandte er an Saphira, die seinem Befehl sofort Folge leistete. Mit wenigen starken Flügelschlägen war sie über Thorn, dann stürzte sie sich, eine gewaltige Feuersalve vorausschickend, erneut auf den roten Drachen. Thorn warf sich zur Seite und wich ihrem Angriff aus. Er nutzte den Schwung seiner Bewegung, um sich herumzuwerfen und sich auf Saphira zu stürzen. Erneut prallten die Drachen aufeinander und die Wucht des Aufpralls war so heftig, dass es die beiden Reiter beinahe aus den Sätteln riss. Saphira schlug mit ihren Krallen nach dem anderen Drachen, doch der wich ihr im letzten Moment aus. So abgelenkt bemerkte Thorn ihren Schwanz erst, als dieser ihn mit voller Wucht traf und zur Seite schleuderte. Saphira setzte ihren Angriff mit brutaler Härte fort und stürzte sich mit weit aufgerissenem Maul auf ihren taumelnden Gegner. Thorn konnte nicht mehr ausweichen. Saphiras Zähne bohrten sich tief in seinen Hals und rissen eine schreckliche Wunde in sein Fleisch. Der rote Drache brüllte vor Schmerz und Wut auf und versuchte, sich aus Saphiras Biss heraus zu winden. Doch die Drachendame war stark. Immer tiefer und tiefer verbiss sie sich im Hals von Thorn. Tiefrotes Blut benetzte ihre blauen Schuppen, einige Spritzer landeten gar auf Eragons behandschuhten Händen. Es war ein schrecklicher Anblick. Der Gedanke, einen anderen Drachen zu töten widerte ihn zutiefst an, auch wenn er wusste, dass dies womöglich erst der Anfang war... Der Himmel schien erfüllt von Schreien der Wut und der Qual und Eragon wurde plötzlich klar, dass nicht nur der schwer verletzte Drache schrie, sondern auch sein Reiter. Murtagh riss sein Schwert nach oben und ließ es dann auf Eragon hinabsausen. Der konnte den Angriff abwehren, auch wenn die Stärke von Murtaghs Schlag seinen Arm taub werden ließ. Hastig zog Eragon sein Schwert zur Seite und konterte mit einem schwächeren, aber überraschenden Schlag. Hart traf die flache Seite der Klinge Murtaghs Helm und warf seinen Kopf zur Seite. Murtagh stieß einen erstickten Schrei aus und ließ Zar'roc beinahe fallen. Nur mühsam gelang es ihm, sich wieder aufzurichten. Scheinbar hatte Eragon ihn wirklich verletzt. Das sollte ihn erleichtern, aber stattdessen fühlte Eragon sich seltsam leer... „Gib auf!“ brüllte er laut und versuchte damit erneut, den schrecklichen Kampf zu beenden. Doch Murtagh schüttelte nur den Kopf. Saphira nahm all ihre Kraft zusammen und schleuderte den roten Drachen von sich. Thorn wich hilflos taumelnd vor ihr zurück und begann dann erneut, sie zu umkreisen. Nur Augenblicke später griff er wieder an, wenn auch mit deutlich weniger Kraft als zuvor. Saphira wehrte ihn mit einem weiteren Feuerstoss ab. Die Hitze trieb Eragon die Tränen in die Augen. Der rote Drache heulte auf, unterbrach seinen Angriff aber nicht. Saphira tauchte unter seinen Krallen hinweg und brachte sich so hinter Thorn. Sie drehte sich blitzschnell und packte den anderen Drachen erneut. Thorn versuchte, sich zu befreien und schlug mit Krallen und Schwanz nach ihr. Ein schmerzerfülltes Brüllen von Saphira verriet Eragon, dass einer seiner Schläge sie tatsächlich traf. Saphira spannte alle Muskeln an und schleuderte den roten Drachen und seinen Reiter erneut von sich. Thorn stürzte in rasantem Tempo unkontrolliert einige Dutzend Meter nach unten ehe es ihm gelang, sich abzufangen. Eragon erwartete, dass der andere Drache erneut versuchen würde sie anzugreifen, doch scheinbar waren seine Verletzungen schwerwiegender als Eragon geglaubt hatte. Thorn verharrte einen Moment reglos in der Luft, dann legte er die Flügel an und ließ sich weiter hinabsinken. Saphira wollte ihm folgen, doch Eragon hielt sie zurück. Unschlüssig blickte er seinen Gegnern hinterher, die mittlerweile den Boden fast erreicht hatten und in einer von Bäumen gesäumten Senke verschwanden. Saphira knurrte leise und Eragon konnte spüren, dass alles in ihr darauf brannte dem roten Drachen zu folgen und zu beenden, was sie angefangen hatte. Nur seinetwegen hielt sie sich zurück. Bist du verletzt? fragte Eragon, um Zeit zu schinden. Mach dir um mich keine Sorgen, erwiderte Saphira knurrend. Sie sind es, über die du nachdenken solltest! Eragon zögerte. „Vielleicht ist es eine Falle...“ murmelte er dann, auch wenn er selbst keine Sekunde daran glaubte. Murtagh würde Thorn nicht zum Landen raten wenn er es nicht für absolut notwendig halten würde. Dennoch wehrte sich etwas gegen ihm dagegen, den beiden zu folgen. Saphira hatte Thorn verletzt, wie schwer, das konnte Eragon nur raten. Dennoch würde das nicht gerade für ihn sprechen, wenn er wirklich versuchen wollte, mit Murtagh zu sprechen. Saphira schüttelte den gewaltigen Kopf und stieß ein halblautes Brüllen aus. Das glaube ich nicht. Ich habe ihn ziemlich schwer verletzt. Grimmiger Stolz hallte in ihren Worten wider. Also folgen wir ihnen? Und dann? Eragon hoffte, dass sie ihm die Entscheidung abnahm. Saphira jedoch schwieg, auch wenn Eragon spüren konnte wie ihre Gedanken rasten. Wir folgen ihnen. sagte sie schließlich und ging in den Sinkflug über. Das beantwortete Eragons Fragen nicht vollständig, gab ihm aber ein paar weitere wertvolle Momente um über eine Lösung nachzudenken. Denn wenn Murtagh nicht endlich bereit war mit ihm zu sprechen und ihn womöglich erneut angreifen würde... würde Eragon keine Wahl mehr bleiben. ~ Kurz darauf landete Saphira auf dem staubigen Boden unweit des bewaldeten Hügels, hinter dem Thorn und Murtagh gelandet waren. Eragon stieg steif von ihrem Rücken und streckte sich. Erst jetzt bemerkte er einen Schmerz am rechten Bein und schaute prüfend an sich hinab. Sein Hosenbein war blutverschmiert und an mehreren Stellen zerfetzt. Vorsichtig taste Eragon über die Muskeln und verzog schmerzhaft das Gesicht als seine Finger einen Schnitt fanden. Doch auch wenn es wehtat, die Verletzung war nicht schlimm und der Schnitt nicht tief. Alles in Ordnung? fragte Saphira und trat zu ihm. Ja, ist nur ein Kratzer. antwortete Eragon und machte zur Bestätigung ein paar vorsichtige Schritte. Dann steckte er sein Schwert zurück in die Scheide und drehte sich zu Saphira um. Bist du bereit? Er wusste, dass er die Frage nur stellte um Zeit zu schinden. Zeit, die sie eigentlich nicht hatten. Denn auch wenn ihr Kampf sie fort von den Soldaten geführt hatte, jeder Mann und jede Frau im Umkreis von Kilometern hatte ihr Duell am Himmel gesehen und nicht wenige von ihnen waren sicher bereits auf dem Weg zu ihnen. Saphira würdigte ihn keiner Antwort und Eragon schaffte es schließlich, den ersten Schritt zu tun. ~ Zusammen überquerten sie den Hügel, folgten dem leisen Knurren, das ihnen von der anderen Seite entgegenhallte. Vor ihnen senkte sich die trockene Wiese sanft in eine Art Kessel hinab. Ein paar niedrige Büsche hatten versucht, den Boden für sich zu erobern, waren in der Hitze aber zu braunen Skeletten verdorrt. Der Boden war sandig und aufgewühlt, dort, wo der rote Drache unsanft gelandet war. Thorn erblickte sie sofort und stieß ein wildes Fauchen aus. Eragon zögerte und blieb stehen, Saphira dicht hinter sich. Der rote Drache bot einen schrecklichen Anblick. Noch immer troff Blut aus der tiefen Bisswunde, die Saphira ihm beigebracht hatte. Bereits jetzt hatte sich auf dem Boden unter ihm eine rote Pfütze gebildet. Auch aus den zahlreichen anderen Wunden, die ihm Zähne, Krallen und Klinge zugefügt hatten, lief Blut und hinterließ ein seltsames Glänzen auf den ebenso roten Schuppen. Es tat Eragon weh, den Drachen so verletzt zu sehen, auch wenn es nicht sein eigener war. Murtagh, der neben seinem Drachen stand, schaute auf und blickte in Eragons Richtung. Sein verbeulter Helm lag neben ihm im trockenen Gras. So konnte Eragon zum ersten Mal das Ausmaß seiner Verletzungen sehen. Murtaghs gesamte linke Gesichtshälfte war blutüberströmt. Es war unmöglich zu sagen, wie schwer die Kopfwunde tatsächlich war, doch alleine der starke Blutverlust musste ihn deutlich geschwächt haben. Dennoch machte Eragon nicht den Fehler, den anderen Reiter zu unterschätzen. Auch verletzt ging noch immer Gefahr von ihm und seinem Gefährten aus und Eragon wusste aus eigener Erfahrung, dass Wut und Verzweiflung mitunter allen Schmerz vergessen machen konnten. Murtagh warf den Kopf zurück und musterte Eragon mit einem Blick, der unverhohlenen Hass zeigte. „Bist du hergekommen um mich zu töten? Ich muss dich enttäuschen, auch wenn du uns... geschwächt hast, solltest du dir nicht einbilden, dass du uns alleine besiegen könntest.“ „Ich bin nicht deswegen hier.“ widersprach Eragon mit ruhiger Stimme und ging ein paar Schritte weiter auf den Reiter und seinen Drachen zu. Thorns Krallen bohrten sich tiefer in den aufgewühlten Boden und sein verstümmelter Schwanz bewegte sich unruhig hin und her. Sein Reiter zog sein blutrotes Schwert Zar'roc und hob es drohend in Eragons Richtung. „Keinen Schritt näher.“ knurrte Murtagh drohend und Eragon blieb tatsächlich stehen. Jetzt, wo er seinen Bruder vor sich stehen sah und so endlich die Gelegenheit hatte mit ihm zu sprechen, wusste er plötzlich nicht, wie er beginnen sollte. Murtagh schien sein Zögern auf seine Weise zu deuten, denn er umfasste den Griff seines Schwertes fester und fixierte Eragon als erwarte er jede Sekunde, dass der ihn angreifen würde. Eragon schluckte, wohl wissend, dass er jedes seiner Worte sorgfältig wählen musste damit der andere ihm überhaupt lange genug zuhörte. „Ich habe einen Weg gefunden, dich zu befreien!“ sagte er schließlich. Und so schlicht sie auch waren, Murtaghs Gesicht verriet, dass er mit diesen Worten nicht gerechnet hatte. „Was soll dieses... Spiel, Reiter?“ zischte er heiser. In seine Stimme hatte sich ein Zittern geschlichen. Und Eragon entging auch nicht, dass Murtagh es vermied, ihn beim Namen zu nennen. „Ich habe einen Weg gefunden, dich zu befreien!“ wiederholte er und ging weiter auf Murtagh und seinen Drachen zu. Murtagh schüttelte langsam den Kopf, schien diese unbewusste Bewegung jedoch gar nicht wahrzunehmen. „Was... was redest du da?“ Eragon war so erleichtert darüber, dass Murtagh ihm tatsächlich zuhörte, dass er alle Vorsicht fallen ließ. Er ging weiter auf seinen Bruder zu und nahm nur am Rande wahr, dass dieser nicht weiter vor ihm zurückwich. „Es war schwer... sie hatte es fast vergessen, aber dann fiel es ihr wieder ein!“ Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus, ungeordnet, wirr. Er hoffte nur dass sein Bruder ihn verstand... „Es ist ein Zauber, ein uralter Zauber. Aber sie kannte ihn. Und er kann dich retten! Er wird dich verstecken, so dass dich niemand mehr finden kann, dass der König dich nicht mehr finden kann!“ Murtagh erbleichte. Langsam, als würde ihn jeder Schritt große Anstrengung kosten, kam er auf ihn zu, bis sie nur noch wenige Meter voneinander entfernt standen. Noch immer hielt er sein Schwert fest in der Hand. „Das kann nicht sein... “ Seine Stimme klang seltsam hoch. Eragons Stimme überschlug sich fast, als er Murtagh von seinem Treffen mit Angela erzählte und von dem Zauber, der ihn möglicherweise retten konnte. Murtagh hörte ihm schweigend zu, doch seine Augen waren so voller Unglauben und deutlichem Misstrauen, dass Eragon irgendwann abbrach. Murtagh starrte ihn an, wortlos, das Schwert noch immer erhoben. „Du lügst.“ presste er schließlich hervor. Eragon schüttelte den Kopf. „Nein, es ist die Wahrheit! Sie hat mir davon erzählt, damit ich dich retten kann. Bitte, ich...“ Er trat einen weiteren Schritt auf Murtagh zu, doch diesmal wich sein Bruder vor ihm zurück. „Du lügst!“ Murtagh schrie jetzt. Seine Hände zitterten mittlerweile so stark, dass es ihm kaum noch gelang, seine Klinge festzuhalten. „Wieso tust du das... wieso sagst du mir, dass ich mich nur selbst retten kann... und dann erzählst du mir das? Glaubst du wirklich, dass ich dir auch nur ein Wort glaube?!“ Eragon stöhnte angestrengt. Er wusste, dass es schwierig werden würde. Dennoch hatte er fast verzweifelt gehofft, dass sein Bruder ihm dieses eine Mal vertrauen würde. „Es ist ein alter Zauber. Er ist unglaublich mächtig. Die Worte... sie wollte sie mir nicht sagen, aber sie hat mir etwas gegeben...“ Eragon griff mit der freien Hand in den Lederbeutel an seinem Gürtel und ertastete bald das dünne Lederband. Langsam zog er die Kette hervor und streckte Murtagh die Hand entgegen. „Das hier. Es kann dir helfen. Bitte, nimm es an.“ Murtagh starrte einige Augenblicke wortlos auf die Kette auf Eragons Handfläche. Er machte keinerlei Anstalten, nach ihr zu greifen. „Wie... ich habe überall gesucht... wieso habe ich davon nie ein Wort gelesen?“ Eragon hob hilflos die Schultern. „Ich... ich weiß es nicht,“ begann er stotternd. Die Zweifel am Plan der seltsamen Hexe, die er in den letzten Tagen so sorgsam in die hintersten Ecken seines Verstandes verbannt hatte, drängten nun wieder mit aller Macht an die Oberfläche. Wie konnte er auch nur einen Augenblick erwarten, dass Murtagh ihm vertraute, wenn er selbst nicht wusste, was er ihm anbot und welche Folgen dies für seinen Bruder haben würde...?! Hoffnung keimte in ihm auf als Murtagh langsam auf ihn zukam, das Schwert leicht gesenkt, die Augen fest auf die Kette in seiner Hand gerichtet. Alleine diese Bewegung, dieser Blick, schienen die Rechtfertigung für alle Unsicherheiten und Risiken zu sein... Doch als Murtagh den Kopf hob und ihn ansah, erkannte Eragon, dass er sich geirrt hatte. Unglauben und Zweifel waren aus seinem Blick verschwunden, die Kälte zurückgekehrt. „Murtagh, bitte...“ versuchte er es wieder, doch Murtaghs eisiger Blick brachte ihn zu verstummen. Murtaghs Hand umfasste den Griff seines Schwertes fester als er langsam auf Eragon zuging. „Ich glaube dir kein Wort...“ begann er leise und Eragon konnte an seiner Stimme erkennen, dass er seinen Zorn nur mühsam zurückhalten konnte. „Und wieso sollte ich auch?“ fuhr Murtagh fort und lächelte kalt. „Damit du mir wieder unnötig Hoffnungen machst und mir dann die nächste Lügengeschichte auftischst? Ich lasse dieses Spiel nicht länger zu!“ „Es ist die Wahrheit.“ sagte Eragon ruhig, auch wenn er ahnte, dass Murtagh ihm nicht glauben würde. Der sah ihn einen Moment lang schweigend an, dann seufzte er. „Sei es wie es ist, es ist sowieso zu spät.“ Eragon schluckte. Murtaghs Worte klangen erschreckend endgültig. Der andere Reiter blieb schließlich wenige Schritte von ihm entfernt stehen und hob langsam seine Klinge. Sie waren sich so nah, dass die Spitze Eragons Brustpanzer fast berührte. „Ich gebe dir eine letzte Chance, Eragon.“ Aus Murtaghs Mund klang sein Name wie ein Fluch. „Begleite mich freiwillig in die Hauptstadt und ich verspreche, dass deinen Leuten kein Leid geschehen wird.“ Seine Worte waren so absurd, dass Eragon beinahe hysterisch aufgelacht hätte. Langsam wich er vor Murtagh zurück. „Ich werde nicht mit dir kommen. Niemals.“ „Dann werde ich dich zwingen.“ sagte Murtagh kalt. Eragon schüttelte den Kopf. „Ich werde nicht mit dir gehen. Und ich werde nicht gegen dich kämpfen.“ Um seine Worte zu unterstreichen trat er einen weiteren Schritt zurück. Murtaghs Lippen verzogen sich zu einem hässlichen Grinsen. „Mach dich nicht lächerlich. Wir beide wissen, dass dir keine andere Wahl bleibt. Du kämpfst oder du stirbst. Ich kann dich nicht gehen lassen, selbst wenn ich es wollte. Diesmal nicht. Er lässt mich nicht.“ Sein Blick bohrte sich in Eragons wie eine Klinge aus Eis. Eragon versuchte, die aufkeimende Angst herunterzuschlucken, doch sein Hals fühlte sich rau und trocken an. Die Welt um ihn herum schien sich seltsam zusammenzuziehen und von allen Seiten gegen ihn zu drängen. Das Atmen fiel ihm schwerer und schwerer. Was er auch versuchte, es gelang ihm nicht, den schrecklichen Kreislauf zu durchbrechen, der ihn und seinen Bruder gefangenhielt, sie wieder und wieder aufeinander hetzte und sie zwang, einander zu verletzten. Von Mal zu Mal wurden die Wunden tiefer, der Schmerz größer. Und am Ende würden sie einander vielleicht sogar töten. Und wofür...? Er schüttelte den Kopf und trat weiter zurück, an die Seite von Saphira, welche die ganze Zeit schweigend hinter ihm gestanden hatte. Ihre Anwesenheit machte ihm Mut, bestärkte ihn in seinem Entschluss. „Ich werde nicht mit dir gehen, Murtagh. Ich glaube daran, dass wir eine Wahl haben, wir beide. Ob du das wahrhaben willst oder nicht...“ Murtaghs Blick war unleserlich, doch er unterbrach ihn nicht. „Ich habe genug,“ fuhr Eragon fort. „Genug davon, gegen dich kämpfen zu müssen, wieder und wieder. Ich ertrage das nicht mehr.“ Den letzten Teil hatte er so leise gesagt, dass er nicht sicher war ob Murtagh ihn überhaupt gehört hatte. Dann standen sie da, still, schweigend, und sahen einander an. Zwei Männer, die ein Schicksal teilten, das sie beide kaum verstanden. Ein Schicksal, das sie hierher geführt hatte, in diese Zeit, an diesen Ort, und das Dinge von ihnen verlangte, die so weit weg waren von allem, was sie tun konnten oder wollten. Ein Schicksal, dem sie trotz allem nicht entrinnen konnten... Der Angriff kam so plötzlich, dass Eragon ihm gerade noch ausweichen konnte. Die rote Klinge verfehlte ihn nur knapp und zwang ihn dazu, sich mit einem fast schon verzweifelten Sprung in Sicherheit zu bringen. Eragon nutzte seinen Schwung für eine schnelle Drehung und zog mit einer fließenden Bewegung sein eigenes Schwert. Er machte ein paar schnelle Schritte zur Seite, brachte Abstand zwischen sich, Saphira und seinen Gegner. Er öffnete den Mund, doch Murtagh erstickte jeden Versuch, erneut mit ihm zu reden, im Keim und sprang erneut auf Eragon zu. Diesmal sah Eragon seinen Angriff kommen und brachte sich mit einer geschickten Drehung erneut außer Reichweite seines Bruders. Er hob sein Schwert vor den Körper, bereit, den nächsten Schlag abzuwehren. „Hör auf!“ rief er hilflos, auch wenn er ahnte, dass es sinnlos war. Tatsächlich reagierte Murtagh nur mit einer Serie weiterer brutaler Angriffe. Und auch wenn er verletzt war, waren seine Attacken noch immer stark und präzise. Die kurzen Pausen zwischen seinen Schlägen ließen Eragon kaum Zeit für einen Gedanken, geschweige denn ein Wort. Klirrend prallten die beiden Klingen aufeinander und brachten die beiden Kämpfer immer wieder so nah zusammen, dass Eragon das Blut riechen konnte, das auf Murtaghs Haut langsam trocknete. „Murtagh, ich bitte dich, hör auf damit!“ rief Eragon verzweifelt. Ein Flackern schlich sich in dessen Blick, verschwand aber sofort wieder, als er nur noch fester gegen Eragon drückte. Eragon spürte, dass der sandige Boden unter seinen Füßen langsam nachgab. „Bitte...!“ versuchte er erneut und Murtagh ließ tatsächlich von ihm ab. Kurz darauf zerstörte er Eragons Hoffnungen jedoch sofort wieder und setzte zu einem weiteren Angriff an. Mit einem lauten Brüllen riss er sein Schwert nach oben und zielte auf Eragons Gesicht. „Ich kann nicht aufhören...“ presste er gequält hervor. Es klang beinahe schon entschuldigend. Eragon warf sich zur Seite. Die rote Klinge zischte so nah an ihm vorbei, dass er den Luftzug auf seiner Haut spüren konnte. „Doch, du kannst. Wenn du es wirklich willst, dann kannst du dich dagegen wehren!“ „Ich kann nicht!“ schrie Murtagh und griff ihn sofort wieder an. Sein Schwert bewegte sich so schnell, dass es nur noch als verschwommene Bewegung in der Luft zu erkennen war. Eragon wich dem Hieb aus und konterte mit einem heftigen Gegenangriff. Murtagh drehte sich blitzschnell herum und schlug erneut zu, zielte auf Eragons Schwertarm. Doch Eragon hatte seinen Angriff vorausgesehen und wich zurück. Murtagh stieß einen zornigen Schrei aus. „Was soll das werden, Bruder? Sei kein Feigling und wehr' dich endlich!“ Eragon schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe dir gesagt, dass ich nicht gegen dich kämpfe.“ Murtagh starrte ihn an. In seine Augen hatte sich ein Ausdruck geschlichen, den Eragon mittlerweile nur allzu gut kannte: Verzweiflung. Verwirrt starrte er seinen Bruder an und wünschte sich wieder einmal, dass er in ihn hineinblicken könnte, erkennen könnte, was in ihm vorging. Eragon spürte, dass Murtagh den Kampf genauso wenig wollte wie er. Aber wieso wehrte er sich dann so gegen seine Hilfe? Wieso ließ er es zu, dass der König derart über ihn verfügte? Wieso... Ein erneuter Angriff von Murtagh riss Eragon aus seinen Gedanken. Er riss seine blaue Klinge nach oben und schlug Murtaghs Schwert zur Seite. Langsam erkannte er, dass Murtagh nicht aufhören würde. Was immer Eragon da vor wenigen Minuten noch in seinem Blick gesehen hatte, es war erloschen wie eine Kerzenflamme in einer stürmischen Nacht. Auch wenn sich alles in ihm dagegen wehrte, dass Murtagh möglicherweise recht hatte und er keine andere Wahl hatte als zu kämpfen... Eragon wartete Murtaghs nächsten Angriff ab, drehte sich dann plötzlich und griff seinerseits an. Murtagh schien von seinem plötzlichen Sinneswandel völlig überrumpelt und wich seinen ersten Schlägen mehr schlecht als recht aus. Ihre Klingen sprühten goldene Funken als sie aufeinander prallten. Eragon drückte mit aller Kraft gegen ihn und stellte mit Befriedigung fest, dass sein Bruder Mühe hatte, ihm zu widerstehen. Eragon versetzte ihm einen heftigen Stoß und bemerkte zufrieden, dass er Murtagh damit aus dem Gleichgewicht brachte. Sofort stürzte Eragon nach vorne und riss sein Schwert nach oben. Murtagh jedoch ließ sich zur Seite fallen und Eragons Schlag ging ins Leere. Sofort wirbelte Eragon herum, drehte sein Schwert und riss es erneut nach oben. Murtagh jedoch erwartete seinen Schlag. Die beiden Klingen prallten so hart aufeinander, dass Eragon zurückgeworfen wurde und versehentlich seine Hand öffnete. Sein Schwert flog ihm aus der Hand und landete einige Meter entfernt auf dem Boden. Murtagh reagierte sofort. Seine freie Hand schnellte nach vorne und schloss sich um Eragons Hals. Eragon keuchte erschrocken auf, versuchte, die eiserne Faust um seine Kehle wegzustoßen, doch Murtagh drückte unbarmherzig zu. Panische Angst breitete sich in Eragon aus. Er versuchte zu schreien, doch über seine Lippen drang nur ein atemloses Röcheln. Hilflos schlug er nach Murtagh, doch der begegnete seiner Gegenwehr mit einem kalten Lächeln und drückte nur noch fester zu. Weiße Flecken stahlen sich in Eragons Blickfeld und er wusste instinktiv, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Verzweifelt schrien seine Lungen nach Luft, doch die kam nicht. Er spürte, wie ihm heiße Tränen in die Augen stiegen, doch er hielt seinen Blick fest auf seinen Bruder gerichtet. Und tatsächlich schien etwas in seinem Blick Murtagh zu erreichen. Der Griff um seinen Hals lockerte sich etwas und erlaubte Eragon einen einzelnen, verzweifelten Atemzug. Seine Kehle brannte wie Feuer, als die Luft durch sie hindurchströhmte. „Bitte...“ stieß er mühsam hervor. Murtagh starrte ihn an und Eragon meinte, durch die weißen Blitze hindurch erneut dieses seltsame Flackern in seinem Blick zu sehen. Doch noch immer zögerte er, ließ ihn nicht los. Langsam verschwamm die Welt vor Eragons Augen. Er würde nicht mehr lange durchhalten... Ein markerschütterndes Brüllen ließ die beiden Kämpfer zusammenzucken. Saphira stieß sich vom Boden ab und stieg mehrere Meter in die Höhe. Dabei schlug sie so heftig mit den Flügeln, dass die beiden Reiter von den Windstößen von den Füßen gerissen wurden. Eragon prallte hart auf dem sandigen Boden auf und keuchte schmerzvoll. Der Druck um seinen Hals war verschwunden, aber noch immer hatte er das Gefühl zu ersticken. Sein Hals brannte wie Feuer und ihm war so schwindelig, dass er glaubte, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Schwerfällig erhob er sich und suchte nach Murtagh. Der hockte mehrere Meter entfernt von ihm. Den Blick fest auf Saphira gerichtet, richtete er sich langsam auf und hob Zar'roc. Eragon schluckte und versuchte, sich zu beruhigen. Doch die Schmerzen und der Schwindel ließen nur langsam nach. Entsetzt registrierte er, dass Saphira ihm womöglich das Leben gerettet hatte. Auch wenn alles in ihm sich gegen den Gedanken wehrte, dass Murtagh ihn wirklich getötet hätte... Taumelnd kam Eragon auf die Füße und breitete die Arme aus. „Saphira!“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Krächzen, doch sie verfehlte ihre Wirkung nicht. Saphira drehte sich zu ihm herum und war nur einen Moment später bei ihm. Sie senkte den Kopf bis er sich beinahe auf Augenhöhe mit Eragons befand und betrachtete ihn von oben bis unten. Mir geht es gut... sagte Eragon abwehrend, doch Saphira knurrte nur. Nein, tut es nicht. Und es ist meine Schuld. Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass er dir so nahe kommt! Ihr Atem war so heiß, dass er Eragons Gesicht zu verbrennen schien, doch er wandte sich nicht ab. Ich hab dich darum gebeten... bemerkte er schwach. Und ich hätte nicht auf dich hören dürfen! Saphira erhob sich und schaute über ihre Schulter zu Murtagh hinüber. Der stand noch immer dort, wo er nach Saphiras Attacke gelandet war und klopfte den Staub von seinem Umhang. Dieser Verräter hätte dich fast getötet! Dafür sollte ich ihn auf der Stelle in Stücke reißen! Nein...! krächzte Eragon und schlang die Arme um Saphiras Hals. Noch immer brannten ihr Zorn und auch ihre Angst wie flüssiges Feuer in ihr. Er wird mich nicht töten, er braucht mich lebend. Das war die Wahrheit. Zumindest hoffte Eragon das... Bitte... Saphira schwieg. Auch als Eragon sie losließ und ein paar Schritte in Murtaghs Richtung ging. Der begegnete ihm mit einem kalten Lächeln. „Hast du noch nicht genug?“ „Sei still.“ Eragon wünschte sich, seine Stimme würde nicht so furchtbar heiser klingen. Murtagh lachte auf: „Was denn... du willst mir Befehle erteilen? Für wen hältst du dich?!“ Herausfordernd streckte er seine Klinge in Eragons Richtung. „Deine letzte Chance, Bruder. Triff deine Entscheidung.“ Eragon straffte sich. „Das habe ich bereits. Und ich bitte dich noch einmal: hör auf damit!“ Sein Hals fühlte sich wund an, er schmeckte Blut. Murtagh rührte sich nicht. Eragon spürte eine Welle heißer Wut durch seinen Körper fließen. „Verflucht nochmal, ich versuche dir zu helfen!“ brüllte er so laut er noch konnte. „Ich will deine Hilfe nicht!“ schrie Murtagh zurück. Dann sprang er nach vorne, griff ihn mit immer schneller werdenden Schlägen an. Eragon wich seinen Angriffen mit geschickten Bewegungen aus und versuchte, in die Nähe seiner eigenen Klinge zu kommen, die noch immer im Staub lag. Murtagh schien seinen Blick zu bemerken, denn plötzlich unterbrach er sich und trat einen Schritt zurück. „Los,“ befahl er und deutete mit seiner eigenen Klinge auf Brisingr. “Nimm es.“ Eragon starrte ihn an. „Nimm dein Schwert!“ sagte Murtagh erneut, diesmal lauter. „Ich kämpfe nicht gegen einen Unbewaffneten!“ Diesmal gehorchte Eragon und hob sein Schwert auf. Das sonst so strahlende Metall war matt und schmutzig geworden. Langsam drehte er die Klinge in der Hand und betrachtete sie. Dann wirbelte er herum und stürzte sich mit einem wilden Schrei auf Murtagh. Ihre Klingen prallten heftig aufeinander, doch diesmal hielt Eragon dem Druck stand. Er machte einen schnellen Schritt nach vorne und ließ seine Klinge an der seines Bruders entlang nach unten gleiten. Plötzlich waren sie sich so nah, dass er Murtaghs heißen Atem auf seinem Gesicht spüren konnte. Der zögerte plötzlich und Eragon nutzte die kurze Schwäche sofort. Er drehte sich blitzschnell herum und riss sein Schwert zur Seite. Er traf Murtagh am Arm, durchstieß seine Rüstung und riss eine tiefe Wunde in sein Fleisch. Sein Bruder keuchte erschrocken auf und wich mehrere Schritte zurück. Er blickte auf die klaffende Wunde und schien erst langsam zu begreifen was passiert war. Eragon wusste, dass er Erleichterung fühlen sollte, Euphorie. Mit einer derartigen Verletzung würde Murtagh ihn nicht mehr besiegen können und er würde ihm nicht die Gelegenheit geben, sich zu heilen! Aber erneut fühlte er nur dumpfe Leere... Er schüttelte den Kopf und griff wieder an, seine Schläge schnell und präzise. Murtagh fiel es immer schwerer, seine Angriffe abzuwehren. Sein verletzter Arm hing schlaff an seiner Seite und zwang ihn dazu, sein Schwert mit nur noch einer Hand zu führen. Die rote Klinge erzitterte unter der Wucht von Eragons Schlägen. Eragon konnte jetzt immer öfter einen Treffer landen, wenn seine Rüstung Murtagh auch vor dem Schlimmsten bewahrte. „Hör endlich auf, du kannst mich nicht besiegen.“ presste Eragon zwischen zwei Schlägen hervor. Murtagh antwortete mit einem wütenden Brüllen und griff ihn wieder an. Eragon prallte zurück, wich Murtaghs zornigen Schlägen aber geschickt aus. Seine Wut ließ Murtagh unvorsichtig und leichtsinnig werden. Eragon traf ihn erneut und zerschlug den Panzer über seiner Brust. Murtagh wurde zurückgeworfen und Eragon setzte ihm sofort nach, fest entschlossen, den Kampf mit seinem nächsten Schlag zu beenden. Er war so auf seinen Angriff konzentriert, dass er nicht merkte, dass Murtaghs Zurückweichen nur eine Finte gewesen war. Murtagh fing sich im letzten Moment ab, rollte zur Seite und sprang wieder auf die Füße. Plötzlich war er hinter Eragon und rammte ihm einen Ellbogen in den Rücken. Eragon wurde nach vorne geschleudert und stürzte zu Boden. Murtagh lächelte grimmig und trat langsam auf ihn zu, siegessicher. Zu siegessicher... Eragon wartete, bis Murtagh direkt vor ihm stand, dann stieß er sich kraftvoll vom Boden ab und trat nach ihm. Er traf sein Schienbein mit voller Wucht und spürte, wie die Knochen bedrohlich knackten. Murtagh brüllte auf und fiel nach vorne. Im letzten Moment ließ er sein Schwert fallen und fing sich mit der unverletzten Hand ab. Sofort wollte er sich aufrichten, doch Eragon hob blitzschnell sein Schwert und setzte ihm die Klinge direkt an die Kehle. Murtagh erstarrte in der Bewegung. Langsam bewegte er den Kopf, soweit es die scharfe Klinge zuließ, und sah Eragon an. „Es ist vorbei.“ sagte dieser. Murtagh presste die Zähne zusammen. Er warf einen schnellen Blick zu seinem Schwert, welches noch immer neben ihm lag. Mit einem gezielten Griff würde er es erreichen können. Doch Eragon bemerkte seinen Blick und schob die rote Klinge mit seinem Fuß beiseite. „Es ist vorbei, Murtagh.“ wiederholte er erneut. Murtagh starrte ihn wütend an. Langsam hob er die unverletzte Hand in Eragons Richtung. „Lass das.“ zischte Eragon und Murtagh zögerte tatsächlich, als Eragon die Klinge fester gegen seine Haut drückte. „Zwing mich nicht dazu dich zu töten.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Ein dünnes, rotes Rinnsal lief an Murtaghs Hals hinab und hinterließ eine ebenso rote Linie auf Eragons blauer Klinge. „Na los, tu' es...“ sagte er langsam. „Sei still.“ fuhr Eragon ihn an. Murtagh schwieg tatsächlich. Seine grauen Augen waren fest auf Eragon gerichtet, aber sein Blick flimmerte leicht. Eragon konnte sehen, dass er starke Schmerzen haben musste. Er musste mehrere gebrochene Knochen haben, außerdem verlor er viel Blut aus der tiefen Wunde an seinem Arm. Wie zur Bestätigung entfuhr Murtagh ein angestrengtes Keuchen. Doch Eragon schob alles Mitleid von sich und zwang sich dazu, seine Möglichkeiten zu überdenken. Er hatte einen Auftrag, das wusste er, und ein Teil von ihm wollte ihn erfüllen, jetzt, da sein Gegner beinahe hilflos vor ihm auf dem staubigen Boden hockte. Doch ein anderer Teil von ihm wehrte sich nach Kräften dagegen, auch nur daran zu denken, was das für ihn bedeuten würde und brachte seine Hände zum zittern. Wenn sich seine Gedanken in seinem Gesicht abzeichneten konnte Murtagh sie glücklicherweise nicht erkennen. Er hatte den Kopf gesenkt und schien angestrengt auf etwas hinter Eragons Füßen zu starren. Die Adern an seinen Schläfen traten deutlich hervor, die Wunde an seinem Arm blutete mittlerweile heftig. Und auch an seinem Gesicht liefen wieder frische rote Rinnsale herunter. Bei diesem Blutverlust war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er das Bewusstsein verlieren würde. Eragon wusste, dass er etwas tun musste. Doch er wusste nicht was...was... was sollte er tun...? Er musste ihn töten, er sollte ihn töten... doch je länger er darüber nachdachte, desto absurder erschien ihm der Gedanke. Am liebsten hätte er hysterisch aufgelacht! Er konnte Murtagh nicht töten! Er wollte ihn nicht töten! Schreie erklangen. Die ersten Soldaten mussten sie entdeckt haben. Es war nur noch eine Frage von Minuten, bis sie die Reiter und ihre Drachen erreicht haben würden. Die Zeit rannte ihnen davon und noch immer war Eragon wie erstarrt. Murtagh wurde immer unruhiger. Immer wieder schloss und öffnete er die Augen, doch sein Blick schien mehr und mehr zu verschwimmen. Unter seinem Arm hatte sich eine rote Pfütze gebildet. Sein Atem ging schnell, keuchend. Der Anblick berührte etwas in Eragon. Etwas, was er nicht näher bestimmen konnte, was ihn aber sein Schwert ein Stück senken ließ. „Wir waren einmal Freunde, Murtagh.“ begann er langsam. „Ich habe das nicht vergessen. Und ich will dich nicht töten...“ „Du hast keine Wahl.“ sagte Murtagh mit vor Schmerzen verzerrter Stimme. Eragon hatte das Gefühl, dass diese Worte etwas in ihm an die richtige Stelle rückten. Er senkte das Schwert und trat einen Schritt zurück. Murtagh hob den Kopf und starrte ihn an, ungläubig, ängstlich. „Wir haben immer eine Wahl.“ sagte Eragon mit fester Stimme. Saphira trat an seine Seite, Eragon spürte ihren Blick in seinem Rücken. Mit der freien Hand griff er an seinen Gürtel, seine Finger fanden die Kette, die Angela ihm gegeben haben. Langsam zog er sie hervor und betrachtete sie einen Moment lang. Dann warf er sie in Murtaghs Richtung. Die Kette landete im Staub zu seinen Füßen, doch Murtagh rührte sie nicht an. „Was ist das?“ fragte er kraftlos. „Das ist deine Entscheidung.“ antwortete Eragon. Murtagh runzelte die Stirn. „Betrachte es als... Wiedergutmachung,“ fuhr Eragon fort. „Jetzt liegt es bei dir. Ich bin dir nichts mehr schuldig.“ Seine Stimme klang mit einem Mal seltsam unbeteiligt. Murtagh zögerte noch einen Moment, dann beugte er sich ungelenk nach vorne und zog die Kette aus dem Staub. Er drehte den Anhänger in seiner Hand, wieder und wieder, schien sich völlig in dem kleinen Stück schimmernden Metalls zu verlieren. Er sah auf, betrachtete Eragon einen Moment. „Bitte benutze es.“ sagte der noch, dann drehte er sich um und ging an Saphira vorbei zum Rand der Senke. Die blaue Drachendame folgte ihm. Eragon sah nicht zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)