Die fetten Jahre sind vorbei von Katherine_Pierce (Widerstand ist zwecklos) ================================================================================ Kapitel 7: Eine erste Annäherung -------------------------------- „Ist er weg?“ Atemlos spähte Caterina hinter einem Heuwagen hervor. Sie und Murtagh trieben sich nun seit Stunden im Gewirr der Gassen Gil’ eads herum, eifrig darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden. Die Dämmerung brach herein. Sie wussten beide, dass es gefährlich war, weiter auf der Straße herumzulungern, zumal Durza im Dunkeln um Einiges mächtiger war, als bei Tageslicht. „Ja. Ich seh jedenfalls nichts von ihm. Los, machen wir, dass wir zur Herberge kommen und morgen beim ersten Hahnenschrei verschwinden wir von hier!“, sagte Murtagh leise. Er hatte unbewusst nach Caterinas Hand gegriffen und hielt sie noch immer fest mit der seinen umschlossen. Die junge Frau nickte, schauderte aber kurz. „Was ist?“, hakte Murtagh nach. Er konnte den besorgten Unterton kaum aus seiner Stimme verbannen. Über die ganze Aufregung war ihm noch präsenter geworden, wie sehr ihm die Spielfrau ans Herz gewachsen war. Aber er fragte sich auch, was Durza wohl von ihr gewollt haben könnte... „Ich... Nichts.“, erwiderte Caterina ausweichend und machte einen Schritt auf die Straße hinaus. Doch Murtagh hielt sie zurück. „Ich will eine Antwort haben, Cat.“ Er klang ernst und der Ausdruck in seinen dunklen Augen schien ihr tief ins Herz zu fahren. Cat. So hatte er sie noch nie zuvor genannt. Nur eine einzige Person, die sie vor langer Zeit einmal gekannt hatte, hatte sie so angesprochen. Caterina stutzte. Sie erwiderte Murtaghs Blick unverwandt und ganz langsam weiteten sich ihre Augen. Ihre Lippen öffneten sich. „Murtagh.“, sagte sie sehr leise, immer noch bohrten braune Augen sich in graue. „Ja?“, fragte er ungeduldig, aber auch atemlos. Bei der Art und Weise, wie Caterina eben seinen Namen ausgesprochen hatte, war ihm eine Gänsehaut über den Rücken gelaufen. Wieder herrschte eine Weile Schweigen. Doch dann kam es ganz abgeklärt von Caterina: „Wir sollten hier nicht rumlungern. Gehen wir!“ Und diesmal leistete Murtagh keinen Widerstand. Er war sich jedoch sicher, dass sie eigentlich etwas ganz anderes hatte sagen wollen. Sie hatten es glücklich in die Herberge geschafft. Ein schwerer Regen ging nieder. Sie hatten es nicht gewagt, Licht zu machen, da durchaus die Gefahr bestand, dass Durza die Soldaten nach ihnen schickte. Stille herrschte im Raum. Caterina saß mit angezogenen Knien auf dem Bett, ihren Umhang um sich gelegt und tief in Gedanken versunken. Auch Murtagh ging es ähnlich. Er stand am Fenster und bewachte den Innenhof. Sie würden, wie abgemacht, im Morgengraue Gil’ ead verlassen. Bis dahin konnte er nur hoffen, dass sie nicht entdeckt würden, dass Durza ihnen nicht weiter nachstellen würde. ‚Durza kennt mich. Was, wenn er mich Galbatorix ausliefern will?’, fragte Murtagh sich. Aber warum hätte der Schatten dann auf Caterina losgehen sollen? ‚Vielleicht hat er geglaubt, er könne sie als Geisel nehmen...’, überlegte der junge Mann weiter. Ein plötzlicher Donnerschlag riss ihn aus seinen trübsinnigen Gedanken. Dann folgte ein klägliches Wimmern. Sofort fiel Murtaghs Blick auf Caterina, die sich zusammen kauerte und den Kopf eingezogen hatte. Wie zum Schutz hatte sie die Arme über ihrem Kopf verschränkt. Ein Blitz zuckte über den Himmel, dann folgte unmittelbar darauf ein krachender Donner. Wieder fuhr das Mädchen zusammen. Das Wimmern wurde lauter. Murtagh machte vorsichtig einen Schritt auf sie zu. Bei näherem Hinsehen konnte er erkennen, dass sie zitterte. Offensichtlich hatte sie Angst, versuchte aber krampfhaft, es nicht zu zeigen. Unwillkürlich musste er lächeln. Beim nächsten Donner erschrak auch Murtagh. Das Gewitter musste genau über der Stadt sein. ‚Seltsam. Dafür war es den Tag über nicht warm genug...’, fiel es dem jungen Mann ein. Sein Gesicht verfinsterte sich. Das musste Durzas Werk sein, der verhindern wollte, dass die Spielfrau und ihr Begleiter flohen. ‚Wenigstens dieses Ziel hat er erreicht.’, dachte Murtagh grimmig, während sich ihm das Herz zusammenzog bei der Betrachtung Caterinas. Sie musste wirklich wahnsinnige Angst haben. Jetzt drang sogar ein erstickter Schluchzer aus ihrer Kehle. Murtagh fühlte sich recht nutzlos. Er wusste nicht, was er tun sollte. Oder ob das überhaupt angebracht war. Doch beim nächsten Donnerschlag nahm Caterina ihm die Entscheidung ab. Sie warf sich einfach an seine Brust, heftig schluchzend und zitternd. Überrumpelt, aber auch mitleidig, legte Murtagh seine Arme um sie und drückte sie nah an sich. Irgendwie rührte ihn ihr Verhalten. Sie tat immer so stark und dann fürchtete sie sich vor einem einfachen Gewitter? Unwillkürlich musste er lächeln. Mit jedem Donnerschlag krallte Caterina sich stärker an ihm fest. Schon seit frühester Kindheit hatte sie entsetzliche Angst vor Gewittern. Generell war sie sehr lärmempfindlich. Umso verwunderlicher war es denn auch, dass sie ihr Brot ausgerechnet als Spielfrau verdiente. Auf Märkten war es schließlich auch laut. Allerdings war es nicht diese Art von Lärm, die Caterina Angst machte. Nein, im Gegenteil. Seit sie denken konnte, war es laut gewesen, wenn ihr Vater sie bestraft hatte. Und er war ein sehr strenger Mann. Mächtig, ja, aber nicht wie ein Vater sein sollte. Er hatte keine Probleme damit gehabt, seiner kleinen Tochter Schläge zu verabreichen. Dass diese Züchtigungen im Privaten abgelaufen waren, wo niemand Caterina hatte schreien hören außer den Bediensteten, war ihr Glück. Oft hatte sie drei Tage danach noch nicht sitzen oder liegen können. Dann waren ihr weitere Fehler unterlaufen, die man ihrem Vater aber nicht gemeldet hatte. Die Mägde und Ammen, die sich um Caterina gekümmert hatten, waren sehr mitleidig gewesen und freundlich, wenn sie konnten. Ihren Vater hingegen hatte Caterina nur zu Gesicht bekommen, wenn eine Strafe anstand. Kein Wunder, dass sie ihn nicht lieben konnte. Was ihre Mutter anging, nun, diese war in dem Moment aus dem Leben geschieden, da sie ihrer Tochter dazu verholfen hatte, das Licht der Welt zu erblicken. Caterina hatte deswegen keinerlei Erinnerung an die Frau, die sie geboren hatte. Aber es gab ein Bild im Hause ihres Vaters, in einer kleinen Kammer. Früher hatte Caterina oft davor gestanden und die hübsche Frau mit den kornblumenblauen Augen und dem Haar von der Farbe von Sommerweizen betrachtet. Sie war sehr jung gewesen, als sie Caterinas Vater zum Mann genommen hatte. Im Flüsterton tuschelten die Mägde über die alten Geschichten und das kleine, einsame Mädchen hatte versucht, jedes Wort in sich aufzusaugen, um sich ein Bild machen zu können von der Frau, die so wunderschön und zerbrechlich aussah und von der Caterina doch nur das Haar geerbt hatte. Und ein paar ihrer Eigenschaften, wie etwa den Freiheitsdrang. Auch die Singstimme mochte Caterina von ihrer Mutter haben. Wie gern hätte sie diese Frau gekannt, hätte sie ‚Mutter’ genannt und sich ihr anvertraut, wenn Sorgen sie quälten. Doch dazu würde es nie kommen, denn es war ja Caterinas ureigenste Schuld. Ihre erste Tat war gewesen, ihre Mutter zu morden. Wieso sie gerade jetzt die Vergangenheit Revue passieren ließ, wusste sie nicht. Aber es war gut, dass Murtagh bei ihr war. Obwohl das Gewitter noch immer tobte, zuckte Caterina nicht mehr zusammen. Sie wurde immer ruhiger. Die Flucht aus dem Palast und der Schreck von Durza entdeckt worden zu sein, saßen ihr tief in den Knochen und machten sie müde. Am Liebsten hätte sie sich zu einer Kugel zusammengerollt und hätte geschlafen. Doch dann hätte sie ja Murtagh loslassen müssen und das wollte sie nicht. Seine Nähe war ihr zu angenehm, zu wohltuend, als dass sie sich von ihm hätte lösen mögen. Murtagh, der sie die ganze Zeit über festgehalten hatte, spürte dies natürlich und es ließ ihn gleich noch mehr schmunzeln. Also war er doch nicht ganz allein mit seiner Zuneigung. Sie brachte ihm wohl in etwa dasselbe entgegen, auch wenn er sich nicht festnageln lassen wollte, was dieses dämliche Verlangen nach ihr anbelangte. So hatte Murtagh bisher nicht empfunden. Es war ja nicht nur ihr Körper, den er besitzen wollte, sondern auch ihr Geist. Alles an ihr wollte er ergründen, sie zu seinem Eigentum erklären. Und im Gegenzug war er bereit, ganz ihr zu gehören. ‚Aber das wird nie geschehen.’, dachte er fast schon wehmütig, während er mit einer Hand nun sanft über ihr Haar streichelte. Ein Seufzer entfuhr ihm, ganz leise. Doch Caterina hatte ihn trotzdem gehört. „Was ist los?“, fragte sie mit vom Schluchzen rauer Stimme. Sie hob den Kopf, um in Murtaghs Gesicht sehen zu können. Irritiert sah er zu ihr hinab. Sie war gut einen bis anderthalb Köpfe kleiner als er. Dieser Ausdruck in ihren Augen, fragend und zugleich besorgt, machte Murtagh ganz kribbelig. Er kämpfte hart gegen den Drang an, sich einfach zu nehmen, wonach es ihn gelüstete. ‚Doch, sagte er sich, ‚wenn ich das tue, dann bin ich nicht besser als Morzan. Und ich will ein guter Mensch sein. Sie wird mir schon zu verstehen geben, wenn sie fühlt wie ich.’ Oh, wie gern hätte Caterina das getan, wenn sie nur geahnt hätte, dass sie längst verloren war, dass es für sie beide kein Zurück mehr gab. Aber sie wusste es nicht. So betrachtete sie Murtagh abwartend, während sie auf eine Antwort wartete, die sie niemals bekommen würde. Stattdessen fand sie sich unversehens noch fester an Murtagh gepresst wieder. Er schluckte. Es ging einfach nicht. Er konnte nicht gut sein. Er wollte es ja so gerne, aber... Murtagh ließ nun alle guten Vorsätze fahren. Sie musste eben mit den Konsequenzen leben. Wenn sie sich nicht für ihn interessierte, fein, dann konnte sie ihn ja immer noch verlassen. ‚Du Narr!’, höhnte eine Stimme in seinem Inneren, die der Morzans gar zu ähnlich klang, ‚Diese Weib hat dich mit Haut und Haar gebannt. Mit Leib und Seele gehörst du ihr, du blinder Tor! Los, nimm, was dir gehört!’ Alles Wehren war vergebens. Murtagh hasste sich dafür, dass er so leicht seinem Verlangen nachgab. Es zeichnete ihn nur als Schurken aus. Während Murtagh diesen inneren Kampf austrug, fragte Caterina sich, was wohl in ihm vorgehen mochte. Er sah so gequält aus... Litt er etwa Schmerzen? Konnte sie irgendetwas tun, um ihm zu helfen? Gab es denn nichts, was sie tun konnte? Musste sie ertragen, ihn leiden zu sehen? „Murtagh?“, fragte sie leise. So leise, dass sie nicht wusste, ob er sie verstanden hatte oder nicht. Erneut bekam sie keine Antwort zu hören. Stattdessen beugte er sich zu ihr herunter und ehe sie sich versah, hatte er seine Lippen sanft auf die ihren gelegt. In diesem Moment, da Caterina noch völlig verwirrt war, sprang der Funke über. Sie schlang ihre Arme um ihn und erwiderte diesen Kuss, für sie doch der allererste, mit einer ungekannten Leidenschaft. Erfreut über ihr Zugeständnis, wagte Murtagh es, den Kuss zu vertiefen. Innig und eng ineinander verschlungen standen sie dort, während draußen die Welt unterzugehen schien. Es war erst der Beginn einer Verbindung, die ihnen einmal zum Verhängnis werden sollte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)