Ta Sho von Turbofreak (erste Schritte) ================================================================================ Kapitel 12: Sommergewitter -------------------------- Er hatte die Unterkunft gehütet wie seinen Augapfel. Bis zum bitteren Ende. Für die verdutzten Gesichter hatte es sich allemal gelohnt. Nach dem ersten inoffiziellen Empfang wurden die Piloten zu ihren Unterkünften gebracht. Oliver stand etwas unschlüssig in der offenen Tür, seine Tasche hatte er geschultert. Mindestens drei Monate musste er sich eine Wohnung mit drei anderen Piloten teilen. Die waren bereits vor ihm in die Wohnung getreten. Oli lebte schon länger alleine, er hatte sich an ein selbständiges und ungebundenes Leben bereits früh gewöhnt. Zuhause musste er auf niemanden Rücksicht nehmen, konnte tun und lassen, was er wollte. Niemand störte ihn und auch er störte niemanden. Aber hier was das anders. Er teilte sich eine Wohnung mit drei Menschen, mit denen er zwar arbeitete, die ihm privat aber ziemlich fremd waren. Das konnte heiter werden. „Mist! Ich hab verloren!“, Stans lachender Fluch ließ Oliver aus seinen Gedanken fahren und endlich in die Wohnung treten. Als der Schwede den irritierten Gesichtsausdruck von Oliver bemerkte, packte er den großen und schob ihn in eines der beiden Schlafzimmer. Dabei erklärte er ihm lachend: „Tut mir leid, Dicker. Ich hab beim Knobeln um das größere Schlafzimmer den Kürzeren gezogen.“ Mit einem schmalen Lächeln erwiderte Oli, während er seine Tasche auf dem Bett abstellte: „Und warum muss ich trotzdem mit dir mein Zimmer teilen? Hast du etwa auch da verloren?“ Der Schwede hielt gerade nicht viel davon, seine Tasche auszupacken. Das konnte er später immer noch erledigen. Also kickte er seine Tasche auf dem Fußboden Richtung Bettende und ließ sich in die Kissen fallen. Erst einmal war für den blonden Mann ausspannen angesagt. Während seine Augen prüfend durch das Zimmer wanderten, erklärte er seinem Kumpel: „Das hat Martin einfach so entschieden. Er hat wohl immer noch Angst, dass einer von uns nachts gerne kuscheln kommt.“ Nun musste Oliver grinsen: „Ja genau!“ Ein Kleidungsstück nach dem anderen folgte aus der Tasche in den Schrank. Ganz bestimmt hatte Martin das aus einem anderen Grund beschlossen. Oliver konnte sich auch in etwa vorstellen, weshalb der Brasilianer mit ihrem Captain das Zimmer teilen wollte. Mit einem neckischen Augenzwinkern wandte er sich an Stan: „Der will doch bloß als erster wissen, wen Babyboy so mit nachhause bringt.“ „Und es sofort an Ramrod ausplaudern“, ergänzte Stan nicht weniger lächelnd. Seit der Trennung von Babyboy und seinem Babygirl hatte sich auch für Oliver und Stan so manches geändert. Für die beiden Männer war es Ehrensache, niemandem etwas davon zu erzählen, aber sie achteten auch auf respektvolleren Umgang mit der Crew und vor allem mit April. Stan war zwar selten für sein Taktgefühl bekannt, aber in diesem Fall bewies er mehr als genug davon. Martin und Fireball hatten ihr Gepäck lediglich im Zimmer abgestellt und waren schnurstracks auf die Terrasse der Erdgeschosswohnung gegangen. Sie saßen in den Gartenstühlen, lehnten sich zufrieden zurück und genossen die Strahlen der Abendsonne. Fireball schloss die Augen. Völlig entspannt rutschte er noch tiefer in den Stuhl. Er wusste es, die nächsten drei Monaten waren für ihn sowas wie Urlaub. Der Brasilianer genoss die vorübergehende Ruhe und sah sich aufmerksam in der Umgebung um. Die Wohnung war modern eingerichtet und lag inmitten eines Wohngebiets. Der Rest ihrer Einheit war wahrscheinlich ähnlich untergebracht worden. Er wusste genau, dass sich Fireball dabei etwas gedacht hatte, aber er kam nicht auf Anhieb dahinter. Martin hatte selbst erst hier bei König Jarred erfahren, dass sie jeweils zu viert zusammen wohnen würden. Martin musterte den Japaner, der ihm gegenüber saß. Nein, so sehr er sich auch anstrengte, Martin fand des Rätsels Lösung nicht. Deshalb brach er schließlich das Schweigen: „Wer hat dich eigentlich auf die Idee gebracht?“ Fireball öffnete die Augen wieder. Fragend zog er die Augenbrauen hoch. Als Martin seine Frage präziser formuliert hatte, konnte auch Fireball ihm folgen und antworten: „Auf die Idee bin ich ausnahmsweise mal von ganz alleine gekommen. Wer sich kennt, arbeitet auch gut zusammen. Das Prinzip ist hier dasselbe, wie auf Ramrod. Weil ich uns dreißig aber schlecht in eine Wohnung bekommen hätte, hab ich auf jeweils vier runtergebrochen. Das ist ´ne gute Größe.“ Martin hob erstaunt die Augenbrauen. Fireballs Idee klang im Grunde recht umsichtig. Leider konnte aus Martin auch manchmal ein Schwarzseher werden. Er legte seine Zweifel diesbezüglich offen und begann eine recht tiefschürfende Diskussion mit seinem Freund. Wenn sich die Kameraden nicht vertrugen, konnten drei Monate unendlich lange sein und im schlimmsten Fall konnten sie sich die Köpfe einschlagen. Doch Fireball hatte auch dafür plausible Einwände parat und beendete ihr Gespräch schließlich recht simpel: „Ich hab jedem hier seinen Wingman mit in die WG gegeben. Sie sollten sich besser kennen lernen, damit sie aufeinander Acht geben können. Und wenn das hier wirklich in die Hose geht, tja dann… War’s meine Entscheidung und wird’s auch mein Problem nachher sein.“ Martin gab sich damit nun zufrieden. Sie würden diese drei Monate hoffentlich alle unbeschadet überstehen. Etwas entspannter lehnte sich der Brasilianer zurück. Vor seiner Abreise hatte er viel Zeit mit seiner Alessa verbracht. In ihren Gesprächen war es nicht nur um ihre räumliche Trennung auf Zeit gegangen. Diskussionsthema waren auch immer wieder der mögliche Verlauf des Manövers und seine geschichtliche Bedeutung gewesen. Martin war nicht auf den Kopf gefallen, klar hatte er recht bald herausgefunden, dass bei diesem Manöver eigentlich gar nichts schief gehen durfte, weil das Bündnis zum Königreich Jarr nach wie vor auf wackeligen Beinen stand. Zum einen das und zum anderen natürlich, weil keiner eine Wiederholung der Geschichte brauchen konnte. Der braunhaarige Pilot hatte für sich beschlossen, solche Gedanken während des Aufenthalts im Königreich so gut als möglich zur Seite zu schieben. Aber so einfach würde es nicht gehen. Seine Einberufung hier her hatte auch bei seinen Eltern für Aufruhr gesorgt. Vor allem bei seinem Vater waren alte Erinnerungen wieder hochgekommen. Unangenehme und schwere Erinnerungen. Emilio hatte so viele Jahre über verdrängt, wie viele Freunde er in dem Kampf verloren hatte. Mit dem Aufbruch seines Sohnes in das Königreich waren bei ihm auch wieder die Gesichter der toten Freunde präsenter geworden. Und auch, wenn er es Martin nicht gesagt hatte, die Angst war bei ihrem Abschied voneinander deutlich gewesen. Martin hatte seinen Vater nie übertrieben besorgt erlebt, aber dieses Mal hatte er seinen einzigen Sohn nur ungerne ziehen lassen. Die nächsten paar Wochen würden zeigen, ob die Geister der Vergangenheit noch in der Gegenwart herumspukten. Innerhalb der ersten paar Tage hatte sich die Crew bereits eingelebt und bisher hatte es noch keine Beschwerden wegen der Unterbringung gegeben. Die Zusammenarbeit zwischen der Base und der Kampfjeteinheit des Königs funktionierte ziemlich bald. Natürlich hatte man in der ersten Woche erst mal viel Zeit darin investiert, sich gegenseitig kennen zu lernen und sein Gegenüber richtig einzuschätzen. Aber das hatte sehr bald disziplinierter Zusammenarbeit Platz gemacht. Eines Nachts war ein heftiges Sommergewitter über das Königreich hinweg gefegt. Es hatte geblitzt und gedonnert, manchmal schien der Blitz direkt neben einem eingeschlagen zu sein. Aber nicht nur das Gewitter hatte Fireball aus seinem Schlaf gerissen. Er war müde gewesen und deswegen noch vor seinem einstweiligen Zimmergenossen ins Bett geschlichen. Als Martin irgendwann in der Nacht nachgekommen war, war der Brasilianer im Halbdunkel gegen das Bett gelaufen und hatte sich den Zeh übel angestoßen. Davon war Fireball zum ersten Mal aufgewacht. Zum nächsten Mal wegen des Gewitters. Und danach hatte er nicht mehr richtig einschlafen können. Irgendwie hatte sich der junge Captain seltsam gefühlt, aufgewühlt und unruhig war er gewesen. Deswegen war er kurz vor Morgendämmerung aufgestanden und in die Küche gegangen. Mit den ersten Sonnenstrahlen hatte er sich auch nach draußen gestohlen. Mit einer großen Tasse Kaffee setzte er sich in einen Gartenstuhl. Fireball schloss die Augen und sog den Duft der Luft intensiv ein. Die Luft war nach einem Gewitter wie frisch gewaschen. Sie war rein. In den letzten Tagen war es heiß und schwül im Königreich Jarr gewesen. Aber nicht nur die Hitze hatte das Arbeiten erschwert. Auch die Arbeit selbst war mitunter schweißtreibend. Aber ganz besonders setzte es Fireball zu, dass er das Gefühl hatte, jeder seiner Schritte würde beobachtet werden. Als würde er auf einem Prüfstand stehen. Das beschwor das Gefühl von Druck in ihm herauf. Er wusste selbst, dass sich die Base keine Fehler leisten durfte, weil der König absolute Perfektion erwartete, aber dauernd jemanden im Nacken sitzen zu haben, der einem bei allem, was man tat, über die Schulter lugte, ging dem Rennfahrer tierisch gegen den Strich. Zumindest aber war nun erst mal wieder Wochenende. Zwei Tage mal kein ständiges „Sehen Sie mal“ und „Kommen Sie bitte schnell“. Überhaupt! Fireball schüttelte den Kopf. Er wurde gesiezt. Wo kamen sie denn da hin?! Wenigstens hielten seine Jungs und Mädels sich tapfer. Wenn sie alleine waren, blieben sie bei Babyboy und immer recht fröhlich, aber wenn jemand aus dem Königreich in der Nähe war, nannten sie ihn höflich Captain. Sie wussten sich also zu benehmen. „Guten Morgen, Bettflüchter! Hab ich geschnarcht?“, mit einem leichten Lächeln setzte sich Martin zu Fireball auf die Terrasse. Die beiden Männer besahen sich einen Moment, ehe sie schweigend ihren Kaffee tranken. Fireball war generell ein kleiner Morgenmuffel und Martin genoss die Ruhe. Er hatte kein Problem damit, eine Zeitung zu lesen oder Löcher in die Luft zu starren, wenn er nicht mit seiner langjährigen Freundin frühstücken konnte. Nach der ersten Tasse jedoch verließ der Brasilianer seinen Kumpel wieder: „Ich geh eine Runde Laufen. Kommst du mit?“ Demonstrativ streckte Fireball alle viere von sich und gähnte: „Nein. Ich hab Wochenende.“ Während Martin unterwegs war, kam immer mehr Leben in die Wohnung der Jungs. Auch Oliver und Stan fanden schließlich aus ihren Federn und freuten sich über ein üppiges Frühstück auf der Terrasse, während Fireball sich auf eine erfrischende Dusche freute. „Babyboy! Das musst du dir ansehen!“, aufgescheucht riss plötzlich Oliver die Badezimmertür auf. Martin war eben von seinem Rundlauf zurückgekommen und hatte jemanden mitgebracht. Selbst kreidebleich im Gesicht hatte er Oli nach Fireball geschickt. Genervt verdrehte Fireball die Augen. Nicht mal am Samstag konnte er in Ruhe seine Zähne putzen und sich fertig machen. Er spuckte die Reste der Zahnpasta ins Waschbecken, wischte sich mit dem Handtuch über den Mund und folgte Oliver. Fireball war noch nicht angezogen, von gekämmt war er noch meilenweit an diesem Morgen entfernt, aber in der illustren Männer-WG war es ihm ziemlich egal, wie er rumlief. Was sollte es denn schon Großartiges zu sehen geben? Vielleicht ein paar hübsche Mädels und Stans jämmerlicher Versuch, die Damen zu sich einzuladen. Oliver ging voraus durch die offene Türe, machte danach gleich einen Schritt zur Seite, damit Fireball sehen konnte, was genau los war. Olivers breite Schultern gaben den Blick auf Martin und einen Gast frei. Beide saßen in den Gartenstühlen. Der Fremde drehte sich um. Als er Fireball sah, erhellte sich sein Gesichtsausdruck. Der Japaner allerdings erstarrte und wurde mit einem Mal kreidebleich. Mit trockener Kehle presste er hervor: „Captain!“ Martin stand erleichtert auf. Er hatte gedacht, der fremde Mann hätte ihm einen Bären aufgebunden, aber nach Fireballs Reaktion war dem Brasilianer sofort klar gewesen, dass es sich hier wirklich um einen Verwandten von Fireball handelte. Martin schickte Oliver vorsorglich zu Stan, der mit den Nachbarinnen flirtete, hinüber: „Großer? Gib uns mal eben fünf Minuten, ja?“ Oliver nickte kaum merklich und verschwand auf die Nachbarterrasse. Was immer es zu bereden gab, vorläufig sollten nicht allzu viele davon etwas mitbekommen. Das akzeptierte der große Kroate. Wenn die Zeit reif dafür war, würden sie eingeweiht werden, das war für ihn selbstverständlich. Martin bemerkte erleichtert, dass Oliver ihnen den Rücken kehrte und tatsächlich auf die nachbarschaftliche Terrasse hinüber ging. Mit einem tiefen Atemzug deutete er zu seinem Mitbringsel: „Er stand ganz plötzlich vor mir. Hat mir was von einem Blitz erzählt und dass er dein Dad wär.“ Fireballs Blick hing an Martins Lippen, er hörte ihm aufmerksam zu und schien schneller zu begreifen, was los war, als ihm selbst lieb war. Verzagt fuhr er sich durch seine zerzauste Mähne. Es klang wie ein Unfall, für den jungen Japaner war das aber mehr. Hatten sie am Ende was durcheinander gebracht? Er kratzte sich am Kopf und wollte schließlich wissen: „Wie seid ihr auf das Gesprächsthema gekommen, ich wär sein Sohn?“ Nun verzog Martin das Gesicht. Ja, wie eigentlich? Er warf einen Blick zu Captain Hikari und musterte denjenigen noch einmal. Seltsam war das alles schon. Als Shinji merkte, dass Martin keine Antwort darauf wusste, stand er schließlich auf. Er zupfte leicht am Shirt des Brasilianers und gestand seinem Sohn zu: „Der Argwohn ist berechtigt, Kurzer. Ich würde mir das selbst kaum glauben, wenn’s mir nicht grade passiert wäre. Ich war im Schloßpark bei Jarred, einige Tage vor dem Angriff. Plötzlich hat es geblitzt und das nächste, woran ich mich erinnern kann ist, dass ich in diesem Wohngebiet stehe und an der Informationssäule einer Bank das Jahr 2087 lese. Kurz darauf hab ich deinen Freund beim Joggen gesehen. Ich wusste, dass er dich kennen muss. Der Aufdruck auf dem Shirt hat es mir verraten.“ „Ooookay“, gedehnt antwortete Fireball. Definitiv war in der Vergangenheit durch ihre Anwesenheit irgendwas gehörig schief gegangen. Er ließ die beiden kurzerhand wortlos auf der Terrasse zurück und ging in die Küche. Wenig später kam er mit drei Tassen Kaffee zurück. Fireball stellte seinem Vater eine Tasse vor die Nase und fragte unverblümt: „Woher soll ich wissen, dass du es wirklich bist? Du sagst, es wäre einige Tage vor dem ersten Angriff passiert. Beweise, dass du kein Hochstapler bist.“ Shinji schluckte merklich. Sein Sohn hatte bisher noch keine Reaktion auf sein Erscheinen gezeigt, er wirkte sogar hart auf ihn. Aber das war berechtigt. Die Geschehnisse in der Vergangenheit waren schmerzlich für den jungen Spund gewesen. Ach Quatsch! Shinji verzog düster das Gesicht. Letzten Endes waren sie für seinen Sohn, seine Freunde und auch ihn selbst schmerzlich gewesen. Shinji war doch nur in den Park geschlichen, weil er nicht hatte schlafen können. Die Gedanken an seinen Sohn, der nicht existieren würde, hatten ihn um den Schlaf gebracht. Und plötzlich saß er hier, in der Zukunft bei einer Tasse Kaffee mit seinem Sohn! Shinji begriff, dass es geklappt hatte. Seine Hoffnungen hatten sich zu guter Letzt noch erfüllt. Ai würde nicht alleine bleiben. Er beobachtete seinen Sohn, wie der sich neben Martin in einen Gartenstuhl setzte. Mit einem warmen Lächeln berichtete er: „Erinnerst du dich an unser letztes Zusammentreffen, Shinichi? Du wurdest von mir im Büro ordentlich in die Mangel genommen, weil du mich angelogen hattest. Ich dachte nach dem Angriff von Jesse Blue wirklich, dass du für die falsche Seite kämpfst. Während des Angriffs bist du schließlich verschwunden. Saber hat mir, als ich endlich Ramrod entdeckt hatte, alles erzählt. Ich weiß, dass du mein Sohn bist, Fireball.“ Fireball hatte zum Trinken angesetzt, als sein Vater allerdings zu erzählen begonnen hatte, ließ er die Tasse wieder zurück auf den Tisch sinken. Das war der Beweis. Tatsächlich waren bei diesem Gespräch nur er und sein Vater im Büro gewesen. Er hatte es nie jemandem erzählt. Fireball glaubte dem Japaner jedes Wort. Unauffällig nickte er Martin zu. Der verstand den Wink sofort. Der Mann, den er mitgebracht hatte, war vertrauenswürdig und er sagte die Wahrheit. Martin schluckte kaum merklich. Das war heikel, bestätigte ihm aber auch Fireballs Geschichte endgültig. Nicht, dass er jemals daran gezweifelt hätte, aber seltsam hatte es doch allemal geklungen. Martin selbst war Shinji vom ersten Augenblick an vertraut vorgekommen. Kein Wunder, Captain Shinji Hikari war derjenige, den Martin mit sechs zum letzten Mal gesehen hatte. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken. Genau genommen saßen Fireball und er mit einem Toten beim Kaffee. Er murmelte: „Was machen wir nun?“ Auch Fireballs Stimme blieb bei der Antwort eher gedämpft: „Sicher kein Klassentreffen oder ähnliches. Dein Dad fällt tot um, wenn er den Captain noch mal sieht.“ Verwirrt blinzelte Shinji zu Martin hinüber: „Sein Vater?“ Fireball nickte zur Bestätigung: „Ja. Sein Dad. Milo kippt um, wenn er dich trifft. Genauso wie Commander Eagle und König Jarred. Von Ai mal ganz abgesehen“ er machte eine Pause, überlegte offensichtlich, was sie als nächstes tun sollten: „Klar ist, dass du wieder zurück musst. Noch klarer ist mir dummerweise nur, dass ich es nicht kann.“ Wieder stand der Hitzkopf auf und verschwand. Shinji hingegen wandte sich an Martin: „Emilio Rubario ist dein Vater? Bist du etwa Martin?“ Überfahren nickte Martin. Es war irgendwie immer noch seltsam, Fireballs Vater hier zu haben. Unbehaglich riskierte er einen Blick in den Wohnbereich hinein. Sein Captain war einfach aufgestanden und wieder gegangen. Die Reaktion gefiel Martin überhaupt nicht. Auch Shinji fühlte sich nicht übertrieben behaglich. Er war von einem Moment auf den anderen hier gelandet und sah sich den erwachsenen Kindern seiner Kameraden gegenüber, seinem erwachsenen Sohn. Entweder wurde er langsam verrückt oder das alles passierte gerade wirklich. Shinji neigte den Kopf etwas zur Seite, während er Martin beobachtete. Irgendwie musste er ein Gespräch in Gang bringen: „Bist du in die Fußstapfen deines Vaters getreten, Martin? Ich glaube, du bist bestimmt ein hervorragender Pilot.“ Der Brasilianer dachte einen Augenblick über die Worte nach, ehe sich ein Schmunzeln auf seinen Lippen bildete. Er lehnte sich zu Shinji vor und erklärte: „Ja, das bin ich tatsächlich. Als Babyboy im vorigen Jahr bei uns gelandet ist, bin ich zur rechten Hand des Captains geworden. Unfreiwillig zwar, aber es ist okay.“ „Babyboy?“, Shinji zog die Augenbrauen fragend zusammen. Das war eindeutig zu viel Information auf einmal für den Piloten gewesen. Er stieß mit den Fingerknöcheln gegen die Kaffeetasse. Für ihn passte gerade einiges nicht zusammen. Und überhaupt! Weshalb traf er Fireball hier an, seine Freunde und Kollegen von Ramrod jedoch nicht? Skeptisch schielte Shinji zum jungen Rubario hinüber: „Sag mal. Wo sind eigentlich Fireballs Freunde?“ Als Martin gerade zu einer Antwort ansetzen wollte, stand Fireball wieder auf der Terrasse und übernahm es für den dunkelhaarigen Brasilianer: „Meine Freunde kommen so bald wie möglich“, er wandte sich Martin zu und sprach mit ihm, als würde sein Vater nicht neben ihnen sitzen: „Was erklär ich jetzt bitte König Jarred? Ramrod kommt her, weil ich grad Sehnsüchte habe, oder was?“ „Kannst du nicht Commander Eagle einweihen?“, warf Martin eine Frage zurück. Tatsächlich waren beide mehr als ratlos. Und da fiel ihm noch etwas ein: „Wieso kommt eigentlich Ramrod her?“ Fireball lehnte sich gegen die Mauer, er war immer noch nicht ordentlich angezogen und erklärte brummig: „Weil ich nicht weiß, wie man eine Zeitreise veranstaltet. Wir brauchen zumindest Saber und April hier.“ Es wurde mit jedem Wort deutlicher, dass Fireball keine Freude mit seinem überraschenden Besuch hatte. Tatsächlich war wieder einiges durcheinander geraten. Alleine, beziehungsweise mit seiner Crew alleine, konnte er diese Herausforderung nicht bewältigen. Er brauchte die Ramrodcrew und er hoffte auch inständig, dass April und Saber das schnell in Ordnung bringen konnten. Es würde schwer werden, einen alten Bekannten des Königs versteckt zu halten. Ein neuer Eiertanz, wie erfreulich. Fireball raufte sich die Haare. Dabei riskierte er doch einen Blick auf seinen Vater. Es war klar, dass der wusste, dass sie miteinander verwandt waren. Sie trafen sich also unter anderen Voraussetzungen wieder. Aber waren das die besseren? Fireball bezweifelte zumindest nicht, dass die nächsten Tage wieder spannend wurden. Wie er seinen Vater so in Gedanken vertieft betrachtete, fiel ihm auf, dass dieser barfuß und ziemlich leger hier saß. Er fragte unvermittelt: „Wie läufst du eigentlich bei Jarred im Garten herum?“ Shinji schüttelte lächelnd den Kopf und zeigte auf sein jüngeres Pendant: „Und wie läufst du rum, wenn du unangemeldeten Besuch bekommst?“ Fireball schnaubte. Er bekam wohl immer auf eine Frage eine Gegenfrage als Antwort. Wieder stieß sich der Wuschelkopf ab und wandte sich zum Gehen. So schnell würde sich an der Situation hier nichts ändern. Deswegen versuchte er das Beste daraus zu machen. Im Weggehen erklärte er noch kurz angebunden: „Weil ich gerade im Bad war, als ich hier her gerufen wurde. Und dahin werde ich wieder zurück gehen.“ Er warf Martin noch einen kurzen Blick zu: „Erzähl dem Captain bitte nichts von der Zukunft.“ Martin runzelte die Stirn. Sein Captain war einem Pingpongball gerade sehr ähnlich gewesen. Raus, rein, raus und zu guter Letzt wieder rein und weg. Das behagte dem Brasilianer eher weniger. Überhaupt hatte er seinen Kumpel schon einige Zeit nicht mehr derart wortkarg erlebt. Das letzte Mal, bevor seine Beziehung zu April völlig in die Brüche gegangen war. Haareraufend drehte sich Martin seinem Gast wieder zu. Er musterte den Vater, den er selbst nur noch sehr dunkel in Erinnerung hatte. Für ihn war Captain Hikari als Kind kein Idol gewesen, was aber daran liegen könnte, weil er ein Arbeitskollege seines eigenen Vaters gewesen war. Martin hatte immer genauso wie sein Vater werden wollen, er war sein Vorbild gewesen. Auf die Kollegen von Emilio hatte der kleine Knirps damals nicht geachtet. Martin beobachtete den Mann in den Mittdreißigern aufmerksam. Er war ihm auf eine Art und Weise schon ziemlich vertraut. Wie er so dasaß. Überfahren von der Reaktion seines Sohnes. Da könnte in Martins Augen ebenso gut der jüngere Hikari sitzen. Martin räusperte sich. Er sollte nichts von der Zukunft erzählen? Aber musste er nicht einiges richtig stellen? Er hatte schon bemerkt, dass Shinji offenbar keinen Anschluss an seine Worte hatte finden können. Ohne weitere Gedanken an Fireballs Anweisung zu verschwenden, erklärte Martin: „Shinji arbeitet nicht mehr auf Ramrod. Kurz nach der Wiederkehr wurde er versetzt. Er…“ Nun hielt er inne. Plötzlich wusste Martin nicht, wie er Shinji erklären wollte, dass er in der Base gelandet war? Doch Shinji nickte verstehend und zeigte wieder auf das Emblem des Shirts. Er hatte sofort verstanden. Der Kurze war nicht mehr auf Ramrod, dafür war er in die Base gekommen. Shinji lehnte sich in die Stuhllehne zurück. Er überdachte die Informationen, die er von Saber erst vor kurzem bekommen hatte. Der Schotte hatte ihm erzählt, dass sie aus dem Jahr 2086 gekommen waren, er hatte aber an diesem Morgen das Jahr 2087 an der Säule gelesen. Also war ein weiteres Jahr ins Land gezogen. Shinji verglich es mit Martins Worten. Allmählich verstand er, dass sich nach der Rückkehr der vier jungen Soldaten gehörig was geändert hatte. Leise glaubte er richtig verstanden zu haben: „Der Kurze fliegt mit dir in der Base.“ Zögerlich nickte Martin: „Ja, …mit, …oder so.“ Die Situation behagte dem Brasilianer nicht. Er forderte deshalb kurzerhand seinen Gast auf: „Hören Sie. Sie sollten mit Babyboy reden. Mir gefällt nicht, dass er so schnell das Weite gesucht hat.“ Wieder nickte Shinji. Er ließ sich von Martin den Weg ins Bad zeigen. Nachdem er geklopft hatte, trat er ein und räusperte sich: „Hast du zwei Minuten für mich, Kurzer?“ Fireball war noch nicht ganz fertig, aber zumindest war er angezogen. Mit einem Kopfnicken deutete er auf Wäsche, die auf der Waschmaschine lag. Er fuhr sich durch die Haare: „Ist nix Besonderes, aber es sollte dir passen. Zumindest hast du dann Socken an.“ Shinji schmunzelte, nickte dabei dankbar. Er besah sich die Kleidungsstücke. Sie waren eindeutig von Fireball. Der Captain wusste nicht, wie er ein Gespräch beginnen sollte, also beobachtete er seinen Sohn genau. Recht viel schien sich nun doch nicht verändert zu haben, zumindest fiel Shinji auf den ersten Blick nichts Gravierendes auf. Leicht schmunzelnd zog er sich das Shirt über den Kopf: „Mir ist klar, dass du dich nicht sonderlich freust, mich zu sehen.“ „Das ist es nicht“, er wandte sich seinem Spiegelbild zu, um endlich eine vernünftige Frisur zustande zu bringen. Fireball war sich auch ohne seinen Vater ansehen zu müssen, ziemlich sicher, dass er dessen Aufmerksamkeit besaß. Er überdachte seine nächsten Worte sehr genau, klang dabei allerdings nach wie vor unterkühlt: „Ich befürchte, dass du hier einiges durcheinander bringen könntest.“ Shinji nickte, während er die Hosen wechselte. Die Stoffhose war bequemer, als sie zunächst ausgesehen hatte. Der Captain schnallte den Gürtel um, dabei warf er wieder einen Blick zu seinem Sohn. Der war irgendwie seltsam und tatsächlich wurde Shinji das Gefühl nicht los, dass er bei seinem Sohn unerwünscht war. Leise seufzte er: „Ich bin bestimmt nicht freiwillig hier.“ „Weiß ich“, antwortete Fireball monoton. Er wandte sich seinem Vater nun zu: „Wie lange ist es noch bis zur großen Schlacht?“ Irritiert zog der ältere die Augenbrauen zusammen: „Saber hat als Datum den 27. Juli genannt. Ausgehend davon, dass dein Freund nicht lügt, hab ich eine Schonfrist von vier Tagen.“ Dabei schluckte Shinji kaum merklich. Es war seltsam zu wissen, wann der Tag kommen würde, an dem er von Yama geholt wurde. Er hatte sich selbst dazu entschieden, den Kindern der nächsten Generation zu helfen, ihm war durchaus klar gewesen, dass er mit seinem Tod der Menschheit einen großen Dienst erweisen würde. Er würde nicht umsonst sterben. Aber wenn er an seine Frau dachte, an sein ungeborenes Kind, von dem er nie erfahren hätte, da wurde dem harten Mann ganz anders zumute. „Dann sollten wir zusehen, dass wir dich vier Tage vor der Schlacht auch wieder dort absetzen. Ich hoffe, April und Saber kriegen das zielsicher hin“, dieses Mal sah der junge Captain seinem Vater in die Augen und bekam dabei beinahe selbst einen Schrecken. ‚Rasier ihn, schneid ihm die Haare ab und dein Zwillingsbruder steht vor dir!‘ Fireball zog sich alles zusammen. Er konnte sich die Kommentare von Stan und Oli schon ausmalen! Oh Hilfe, hoffentlich zog das plötzliche Auftauchen seines Vater nicht noch größere Kreise! Der Japaner hatte sich gerade erst an die neuen Umstände gewöhnt, fühlte sich angekommen, da brauchte er keine weitreichenden Veränderungen und Konsequenzen! Fireball atmete tief durch und hielt seinen Vater an: „Eins noch. Rede mit niemandem über die Vergangenheit, oder wie wir beide zusammen gehören. Du bleibst in dieser Wohnung, bis Ramrod eingetroffen ist, hast du mich verstanden…“, leiser murmelte er: „Vater?“ Er verstand zwar, was er machen musste, der Ton missfiel ihm allerdings etwas. Klar, Shinji war Fireballs Captain gewesen, aber nun klang das, als wäre es verkehrt herum. Im nächsten Moment jedoch empfand er Stolz. Lächelnd, aber völlig unprofessionell salutierte er: „Jo. …Du klingst beinahe wie ein richtiger Captain, Kurzer!“ Fireball öffnete die Badezimmertür und trat einige Schritte aus dem stickigen Bad heraus. Er warf seinem Vater einen schmerzlichen Blick zu und berichtigte ihn: „Ich bin der Captain.“ Ehe Shinji etwas darauf erwidern konnte, hatte sein Sohn die Badezimmertür auch schon geschlossen und hatte ihm seinem Schicksal überlassen. Der ältere Hikari schlüpfte in die Socken, besah sich schließlich im Spiegel und stellte fest, dass ihm die Morgentoilette nicht schaden würde. Unterdrückt seufzte Shinji. Er wusste nicht, ob er sich freuen sollte, seinen Sohn noch einmal sehen zu dürfen oder vor Angst einfach in das nächste Loch verschwinden sollte. Er hielt Zeitreisen für eine völlig verrückte Angelegenheit, hätte selbst niemals daran geglaubt, wenn ihm nicht vor einigen Monaten die vier Kinder in die Arme gelaufen wären. Aber jetzt stand er in einer völlig fremden Zeit! Shinji hatte ohne sein eigenes Zutun einen Zeitsprung von mehr als zwanzig Jahren gemacht, von einer Sekunde auf die andere war alles völlig verändert. Es war beängstigend, aber das würde er niemals zugeben. Shinji war zumindest froh, in der Nähe von Bekannten gelandet zu sein. Nicht auszumalen, wie es sein musste, sich in einer völlig fremden Zeit und Umgebung zurecht finden zu müssen! Als Fireball wieder aus dem Bad gekommen war, saßen Oliver und auch Stan bereits wieder auf der eigenen Terrasse und genossen die Sonne. Der Schwede grinste seinem Kumpel entgegen: „Wen hat Martin denn da aufgegabelt, Babyboy?“ „Einen…“, Fireball zögerte mit seiner Antwort. Was sollte er ihnen bloß sagen? Die Ähnlichkeit würde ihnen auffallen, er kannte Stan und Oli dementsprechend lange. Fireball ließ die Schultern hängen, als er flunkerte: „Er ist… mein äh Onkel.“ Amüsiert zog Stan seine Augenbrauen in die Höhe und zeigte in die Wohnung: „Schämst du dich für die Verwandtschaft oder was ist los? Dein Onkel scheint ganz okay zu sein, kein Grund so herumzustottern, Babyboy.“ Martin ging vorsorglich dazwischen. Im Augenblick jedenfalls war es nicht klug, irgendjemandem auch nur irgendwas zu erzählen. Der Brasilianer wollte zuerst ausloten, wie sehr Fireball vom Auftauchen seines Vaters mitgenommen war und wie er ihm beistehen konnte. Da nervte ihn Stan mit seiner neugierigen und treffsicheren Nase gerade nur. Kurzerhand entschied er deswegen: „Seid ihr zwei nicht mit einkaufen dran, Snörrebröd? Ich würde vorschlagen, du und Oli geht gleich, dann habt ihr es hinter euch.“ Nun verzog Stanley irritiert das Gesicht. Ganz offenbar waren er und Oliver immer noch unerwünscht. Er warf seinem Captain einen fragenden Blick zu, stand dann allerdings gehorsam auf und ging mit Oliver. Er hatte auch in Fireballs Gesten erkennen können, dass sie momentan fehl am Platz waren. Mit dem Onkel war was faul. Aber für den Augenblick ließ Stan fünfe grade sein und verschwand mit dem Kroaten, der ohnehin seltsam ruhig und gelassen dem ganzen Theater gegenüber stand. Als die beiden Piloten die Wohnung verlassen hatten, und Fireball glaubte, sie wären endlich allein, brach es aus dem jungen Mann unvermittelt hervor. Er war lange beherrscht und für seine Verhältnisse stoisch ruhig geblieben. Nun aber konnte Martin sehen und hören, was er befürchtet hatte. Einen mit der Situation völlig überforderten Captain. Fireball sah Martin hilfesuchend an: „Kannst du mir verraten, wie ich das hinkriegen soll, Marty?! Wie soll ich meinen Vater wieder in seine Zeit zurückbringen und wo soll ich ihn solange lassen, bis ich weiß, wie? Ich kann ihn doch nicht zum Sterben zurückschicken?!“ „Atme erst mal tief durch, Shinji“, Martin drückte den jungen Spund auf einen Stuhl und versuchte, ihn so gut als möglich zu beruhigen. Er konnte sehr gut verstehen, was dieser Kauderwelsch an Worten hatte bedeuten sollen. Erst einmal versuchte Martin Plan und Organisation in die Lage zu bringen. Er wollte von Fireball wissen: „Wann kommen Saber und die anderen? Hast du ihnen vorhin überhaupt erzählt, weshalb du sie brauchst?“ Fireball schüttelte den Kopf. Das hatte er nicht. Er hatte seine Freunde lediglich angerufen und Saber gebeten, so schnell wie möglich nach Jarr zu kommen. Der Schotte hatte ihm zugenickt und erwidert, er sähe zu, was sich machen ließe. De facto war bei ihrem kurzen Telefonat gar nichts zur Sprache gekommen. Martin verstand. Er holte Fireballs Telefon und legte es ihm in die Hand: „Dann ruf sie bitte gleich noch mal an. Erzähl ihnen, was los ist, was sie eventuell auf ihrer Reise hierher bereits vorbereiten können und frag sie, ob sie vielleicht eine Idee haben, was wir Jarred und Commander Eagle auf die Nase binden.“ Nickend wählte Fireball wieder einen seiner Freunde auf Ramrod an. Dieses Mal war es Aprils Nummer. Ihm war danach, mit ihr zu sprechen. Unbewusst hatte er deshalb nun ihre Nummer gewählt. Martin stand daneben und beobachtete das Gespräch. Dass sich Fireballs Vater zu ihnen gesellte, bemerkten die beiden nicht, weil Shinji sich im Hintergrund aufhielt. Aprils Stimme klang verwundert, als sei abhob: „Turbo? Hast du nicht gerade mit Saber telefoniert?“ „Ja. Ich hab ihn gebeten, dass ihr herkommt“, er nickte, bemerkte aber, wie Aprils Anblick ihn augenblicklich wieder ruhiger werden ließ. Ihre Bindung war in den letzten Wochen wieder merklich besser geworden, sie hatten oft miteinander telefoniert und allmählich standen sie freundschaftlich wieder in etwa da, wo sie vor ihrer Beziehung gewesen waren. Er erklärte April mit einem schmerzlichen Blick: „Süße, ich brauche eure Hilfe. Bitte sag mir, dass du das mit den Sprüngen durch die Zeit präzise hinkriegst.“ April verstand nicht ganz, allerdings hatte sie schon bemerkt, dass auch die anderen zuhören sollten, weshalb sie während des Gespräches ihr Telefon mit Ramrod verband und auf die großen Schirme im Kontrollraum legte. Sie erwiderte: „Ich hoffe nicht, dass ich überhaupt noch mal durch die Zeit springen muss.“ „Mein… Vater ist hier, Süße. Er braucht ein Shuttle zurück. Ich hatte gehofft, ihr könntet der Escort-Service zurück sein.“ Augenblicklich erstarrte April. Ihr Blick wurde für Sekunden leer, ganz offenbar kamen schlechte Erinnerungen wieder zurück. Die Navigatorin von Ramrod musste einige Male tief durchatmen, bis sie sich gefangen hatte. Sie überschlug schnell, was das alles zu bedeuten haben könnte. Fireballs Vater war also im Königreich Jarr gelandet, ohne Vorwarnung. Das war extrem seltsam. Hatten sie vielleicht doch etwas im Raum-Zeit-Verhältnis durcheinander gebracht? Waren sie überhaupt in der Lage, Captain Hikari dort abzuliefern, wo er hinsollte? April verschränkte grübelnd die Arme vor der Brust und verfiel kurzfristig in dumpfes Brüten. Da April das Telefonat auf die großen Schirme gelegt hatte, hatten auch ihre männlichen Kollegen Gelegenheit, die wichtigsten Dinge zu hören. Auf Fireballs Display erschien plötzlich Alessandro neben April, der ihr in diesem Augenblick wohl Halt zu geben versuchte. Merklich presste Fireball die Zähne aufeinander und wandte den Blick kurz von dem kleinen Bildschirm ab. Dieser Anblick, aber auch die eingetretene Stille behagte ihm ganz und gar nicht. Colt meldete sich plötzlich zu Wort: „Nur `ne Frage zum Verständnis, Fireball. Wer weiß denn von der Anwesenheit des Captains und naja… Was weiß der gute Bruchpilot eigentlich alles?“ Über Colts Worte war Fireball im Moment dankbar. Zum einen, weil sie ihn ablenkten und zum anderen, weil er sich so wieder auf sein eigentliches Thema konzentrieren musste. Er ließ seine Freunde von Ramrod wissen: „Marty weiß, dass er mein Vater ist. Stan und Oli hab ich grad noch Blödsinn aufgetischt. Ist die Frage wie lange es dauert, bis sie mich durchschauen. Und was den Captain betrifft. Der ist voll im Bilde“, nun fand sogar der Galgenhumor seinen Weg an die Oberfläche: „Er war zwar nicht gut angezogen, als er hier ankam, aber er kennt uns alle. Bleibt nur die Frage, ob das was helfen wird.“ Colt schob seine Unterlippe unentschlossen nach vor und hob seine Schultern. Der Cowboy war sich nicht sicher, ob das ihre neue Aufgabe leichter machen würde. Der Schuss konnte auch nach hinten los gehen. Der Senior mochte über sein Schicksal Bescheid wissen, aber was sollten sie machen, wenn er alte Bekannte noch einmal sehen wollte, wissen wollte, wie sich alles entwickelt hatte? Colt verstand von Zeitreisen nichts, das gab er auch gerne zu. Aber er überlegte, was er wissen wollen würde, wenn er in Captain Hikaris Haut steckte und plötzlich in der Zukunft landen würde. Er würde sofort wissen wollen, was aus seinen Freunden, seiner Frau und seinem Kind geworden war, wie es ihnen ergangen war. Gut möglich, dass auch der Captain das wollte. Okay, er war zufällig gleich bei seinem Sohn gelandet, aber genau das könnte der Punkt sein, der die Angelegenheit ungemütlich machte. Wenn er mit seinem Sohn engere Bande knüpfte und von dessen Werdegang allzu viel erfuhr, war es gut möglich, dass sich Shinji gegen sein frühzeitiges Ableben entscheiden könnte und somit ihre Zukunft noch gehöriger durcheinander wirbelte. Während Colt vor sich hingrübelte, bekam Fireball von Saber einen Rat und ein Versprechen: „Versuch den Kreis der Mitwisser so klein als möglich zu halten. Wir sehen zu, wie schnell wir die Mission hier beenden können und kommen sofort zu Jarred.“ Fireball nickte dankbar. Bevor er das Telefonat jedoch beendete, erkundigte er sich noch: „Hey, Superschwert? Du hast nicht zufällig eine plausible Erklärung für Jarred und Eagle parat, weshalb ihr plötzlich kommt? Urlaub klingt sofort verdächtig und dass ich mich der Situation nicht gewachsen sehe, klingt nach einem Versetzungsgrund.“ Ausgerechnet von Colt kam eine brauchbare Idee. Er schnippte mit den Fingern: „Du brauchst einen Übungsrenegade. Ramrod ist ja im Prinzip auch einer. Wie wollt ihr denn einen realistischen Outriderangriff üben, wenn ihr keinen übermächtigen Renegade habt?“ Anerkennend nickte Saber: „Die Idee hätte glatt von mir sein können.“ „Du bist nicht der einzige Klugscheißer in der Runde hier“, sofort verteidigte sich Colt. Wäre doch eine ausgemachte Frechheit, wenn die guten Ideen nur von Saber oder April kommen würden! Er war mindestens genauso einfallsreich, wie die beiden Genies, eben ein bisschen unkonventioneller. Saber überging den Kommentar und versicherte Fireball ein weiteres Mal, dass sie so bald wie möglich ins Königreich aufbrechen würden. Solange würden sie an einer neuerlichen Zeitreise feilen. Fireball legte sein Telefon zur Seite. Tatsächlich fühlte er sich nun besser. Seine Freunde waren eingeweiht und würden ihm helfen. Er sah zu Martin hinüber. Es war ein gutes Gefühl, sich auf seine Freunde verlassen zu können. Der Kreis seiner engsten Freunde war inzwischen um einen größer geworden. Fireball ertappte sich bei der Frage, was er wohl ohne Martin machen würde. Der Brasilianer lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Rahmen der Terrassentür und nickte zuversichtlich. Solange Ramrod nicht hier war, konnten sie nicht viel unternehmen, aber er nahm sich vor, in dieser Zeit verstärkt ein Auge auf seinen jungen Freund zu werfen. Martin konnte sich nicht im Geringsten vorstellen, wie es sich anfühlen musste, plötzlich mit seinem Vater zusammen leben zu müssen, den man, wenn es nach dem eigentlich Lauf der Geschichte gegangen wäre, niemals kennen gelernt hätte. Das musste für beide Hikaris ein harter Brocken sein. Martin stieß sich ab und munterte Fireball nochmal auf: „Glaub mir, Babyboy. Schnell ist bei Ramrod immer ziemlich schnell.“ Nun grinste Fireball: „Solange ich der Pilot war, hat das vielleicht gestimmt, aber jetzt sind sie zum Bummelzug abgestiegen!“, er stand ebenfalls auf. Sein Blick suchte Martins Augen, also hob er den Kopf leicht und lachte diesem schließlich tapfer entgegen: „Die werden schon herfinden. Wozu haben sie sonst so einen hübschen Navigator an Bord?“ Martin stieß Fireball leicht gegen die Schulter und grinste: „Glaubst du, sie hat Sehnsucht?“ Der Brasilianer war der einzige, der Fireball damit aufziehen durfte. Colt war vor der Mission zu Jarred her noch gehörig damit eingefahren. Saber, Alex und auch Stan und Oli hielten sich lieber noch zurück. Vor allem bei Fireball. Colt hatte seinen beiden Freunden auf Ramrod natürlich gebeichtet, wie empfindlich getroffen Fireball deswegen gewesen war. Für Saber hatte das nur einen Schluss zugelassen. Er war in diesem Fall Colts Meinung. Alex hielt sich ganz einfach deswegen zurück, weil er auf Aprils Seite stand und weil er nach wie vor nicht viel mit dem Captain der Base zu tun hatte. Aber irgendwann, nach der momentanen Lage zu urteilen, würde er ziemlich bald mit ihm zusammen arbeiten müssen und so auch mehr mit ihm zu tun haben. Dann würde er sich selbst ein Bild darüber machen. Stan und Oli versuchten eher, den abgeworfenen Reiter wieder aufs Pferd zu bekommen. Vor allem Stan schleifte seinen Chef ständig auf die Piste. „Eher weniger“, gestand der Japaner, lächelte dabei aber immer noch leicht. Er klopfte Martin seinerseits auf die Schulter, und ließ seinen Freund wissen: „Aber sie ist die beste im Karten lesen. …Ich schau jetzt mal, ob’s der Captain aus dem Bad geschafft hat.“ Shinji hatte sowohl das Telefonat als auch das folgende Gespräch verfolgt. Er hatte alles gehört. Gleich war ihm dabei aufgefallen, dass Ramrod innerhalb des Oberkommandos wohl einen Sonderstatus hatte. Als Martin von April gesprochen hatte, hatte sich ein breites Lächeln davon gestohlen. Soso, sein Kleiner traute sich immer noch nicht unter die Bettdecke von Charles` Tochter! Oliver und Stan hatten erwartungsgemäß nicht lange gebraucht, bis ihnen aufgefallen war, dass etwas nicht stimmen konnte. Dieses Mal hatte Oliver angefangen, nachzubohren, als er bemerkt hatte, dass Fireballs Onkel bei ihnen bleiben würde. Lang und breit hatte er deswegen noch am Abend mit Stanley im Bett wach gelegen und diskutiert. Sie hatten die Daten zusammengetragen und Fakten ausgewertet, bis sie zu dem Schluss gekommen waren, dass an der Geschichte etwas faul war und sie lieber eingeweiht werden wollten. Darum begann am reich gedeckten Sonntagsfrühstückstisch auch ein neuerliches Gespräch. Die fünf Männer saßen zusammen bei Kaffee und Brötchen, als Stan unverfänglich mit Captain Hikari zu reden begann: „Mal `ne Frage am Rande. Bist du nicht stolz auf unseren Babyboy? Steuert mehr als zwei Jahre erfolgreich Ramrod und beerbt dann mit zwanzig seinen Papa in der Base.“ Shinji sah Stan mit großen Augen an: „Beerbt?“ Fireball indes knurrte Stan über den Tisch hinweg an: „Stan!“ Doch Stan ignorierte Fireballs Warnung geflissentlich. Der Onkel schien da nicht wirklich Bescheid zu wissen. Deswegen fuhr er ungerührt fort: „Ja. Wir nennen’s beerbt. Weil sein alter Herr doch vor zwanzig Jahren der Captain in der Einser war und er just vor dem runden Jahrestag der Angriffe unser Captain geworden ist. Hat auf der Gedenkfeier eine sehr schöne Szene abgegeben, als der jetzige Captain das Bild vom damaligen hochgehalten hat“, Stan musterte nun den ungewöhnlichen Besucher genauer. Der Mann sah dem alten Captain Hikari von dem Foto schon ziemlich ähnlich. Der blonde Schwede zeigte auf dessen Gesicht: „Wenn ich mir dich allerdings genauer ansehe, siehst du seinem Vater eh zum Verwechseln ähnlich. Wieso hab ich dich da auf der Gedenkfeier eigentlich nicht gesehen? Babyboys Mama war da, da hätte sich doch sein Onkel auch blicken lassen können.“ Betroffen senkte Shinji bei der Vorstellung daran, wie sein Sohn als Captain der Einser das Bild seines toten Vaters ehren hatte müssen, die Augen, nachdem er Fireball kurz angesehen hatte. Stans Worte hatten keinen Zweifel daran lassen, dass es eine ziemliche Tortur gewesen sein musste. Nicht nur für die Piloten der Air Strike Base. Er murmelte bekümmert: „Das muss meiner Ai das Herz aus der Brust gerissen haben.“ „Deiner Ai?“, nun hob Stan irritiert die Augenbrauen in die Höhe. Mit der Wortmeldung konnte der Schwede nicht wirklich viel anfangen. Auch Oliver hatte nun die Ohren gespitzt, bisher hatte er dem Gespräch keine Aufmerksamkeit entgegen gebracht. „Mann, Stan!“, grollte es von der anderen Seite des Tisches herüber: „Noch pietätloser geht’s grad nicht!“ Der blonde Mann nickte zu seinem Captain hinüber: „Wieso pietätlos? Ich hab doch bloß erzählt, wie du zu uns gekommen bist.“ „Du hast dich eher grad darüber lustig gemacht, wie originell die Gedenkfeier zum zwanzigsten Todestag war“, Fireball sah seinen Vater entschuldigend dabei an. Für seinen Kumpanen auf der anderen Seite des Tisches hatte er allerdings keine netten Blicke mehr übrig. Er fuhr Stan abermals an: „Spar dir endlich die verdammten Vergleiche mit Captain Hikari! Reicht’s dir nicht, dass du mir damit auf die Nerven gehst?“ Stan verteidigte sich. Dabei zog er am Ärmel von Shinji und ihn somit ungewollt auf seine Seite: „Du bist der einzige, der auf seinen Vater allergisch reagiert.“ Als die einzige Antwort darauf ein unangenehmes Schweigen und unbehagliche Blicke des Betroffenen waren, fuhr Stan fort. Der Schwede kam nicht im Entferntesten auf die Idee, dass er hier gleich Colt als Fettnäpfchenkaiser ablösen würde. Wie hätte er auch ahnen können, wer wirklich vor ihm stand? Martin drückte seinen Freund auf seine vier Buchstaben und warf Oliver einen Blick zu, Stan konnte er wortlos nicht mehr aufhalten. Er hätte früher etwas unternehmen sollen, hatte aber darauf gebaut, dass sich dieses Gesprächsthema von selbst aufhörte. „In der Beziehung versteh ich dich echt überhaupt nicht“, er deutete auf seinen Boss: „Bei dem kleinen Test damals war dir alles in Bezug auf deinen Dad völlig egal. Zumindest hast du so getan. Hör mal, Babyboy, dein Dad war ein Held, da gehört der ganze Tamtam dazu und auch, dass man über ihn redet.“ Fireball knurrte von seinem Platz aus hinüber: „Schon mal gehört, dass Helden nur dann welche werden, wenn sie sterben?!“ Irritiert von dem Wortgefecht zwischen Stan und Fireball, wollte Shinji schlichten, bevor hier mehr als nur Worte durch die Luft flogen. Er hatte sehr wohl gemerkt, dass Fireball nicht über all diese Dinge sprechen wollte und dass Stan ihm da einfach kein Gehör schenkte. Er tippte dem Schweden auf die Schulter: „Du, Stan? Lass gut sein, ich weiß schon, was du sagen willst.“ Der Angesprochene wandte sich seinem neuen Kumpel zu. Zufrieden nickte er schließlich wieder in Fireballs Richtung: „Siehst du, Babyboy? Dein Onkel versteht mich. Du kannst deine Wurzeln nicht wegdiskutierten. Im Oberkommando wirst du immer der Sohn von Captain Hikari bleiben. Unser Babyboy eben.“ „Ja, ganz toll!“, Fireball sah ein, dass er nichts erreichen würde, wenn er bei Stans Worten immer ärgerlicher wurde. Also atmete er tief durch und musterte den blonden Querulanten noch einmal eingehend. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er vermuten, dass der Schwede bereits Lunte gerochen hatte. Verdammt schnell. Seine Augen glitten aufmerksam zu Oliver hinüber. Der hatte sich in der ganzen Diskussion noch nicht einmal zu Wort gemeldet. Da war was faul. Fireball stand schließlich auf. Er wusste, Stan würde die nächsten Tage und sogar Wochen mit solchen Gesprächen aufwarten, bis er wusste, was er wissen wollte. Das würde der Rennfahrer nicht aushalten. Niemals. Fireball beäugte kurz Martin, dann sah er seinen Vater wieder entschuldigend an und begann umher zu tigern. Der Japaner raufte sich die Haare. Er murmelte geschlagen: „Okay, Knäckebrot. Du und Oliver wisst, dass hier etwas nicht stimmt. Das merke ich an deiner verbissenen Art, mir auf die Nerven zu gehen. Ihr beide haltet die Klappe, verstanden? Wenn nicht, habt ihr gehörige Probleme an der Backe“, er blieb abrupt stehen und zeigte auf den älteren Japaner: „Der gute Mann da ist nicht mein Onkel.“ „War mir gleich klar“, kam die zu erwartende Wortmeldung von Stan. Fireballs Worte ließen ihn bisher noch ziemlich unbeeindruckt. Er und Oli hatten sich sowas schon gedacht. Den Befehl hatte er bisweilen einfach mal zur Kenntnis, aber nicht unbedingt ernst genommen. „Dann versuch zu erraten, wer unser Besuch wirklich ist“, forderte Fireball ihn heraus. Der Schwede gehörte zu den Menschen, die sich einer Herausforderung immer mit Feuereifer stellten, sei sie auch noch so gering. Diese hier nahm er ohne zu zögern an. Er besah sich die momentane Situation noch einmal genauer. Martin wusste bescheid, das war ihm vom ersten Augenblick an klar gewesen. Der kleine Verräter da! Stan bemerkte einmal mehr, dass der Brasilianer einen ziemlich guten Draht zum kleinen Japaner haben musste, immerhin wurde die rechte Hand des Captains immer sofort eingeweiht. Manchmal war das schon nervig. Besonders in diesem Fall. Stan wusste nicht weshalb, aber er meinte zu spüren, dass sie hier den Zusammenhalt dringend brauchen würden und dass deswegen auch die Nummer drei und die Nummer vier der Base eingeweiht werden sollten. Er sah zu Fireball, anschließend zu ihrem Gast hinüber. Grübelnd verzog Stan das Gesicht. Sie waren sich schon ziemlich ähnlich, die beiden Männer. Ihr Vulkan köchelte auf niedriger Flamme vor sich hin, der ältere Japaner schien ebenfalls nichts Gutes zu ahnen. Der Mann war sehr höflich, aber Stan war schon am Vortag aufgefallen, dass er Fireball besser zu kennen schien. Er musterte die Statur von Shinji eingehend. Vor allem die Gesichtszüge. Hatte er sich eben auf des Rätsels Lösung gebracht? Nein, der Schwede glaubte nicht daran. Verdammt, es sah so aus, als würde er dieses Mal verlieren. Er sprach seine Gedanken offen aus: „Wenn ich nicht wüsste, dass es sowieso völliger Quatsch ist, hätte ich jetzt mal ins Blaue geraten und behauptet, der nette Onkel da ist geradliniger mit dir verwandt. Er sieht dem alten Captain der Einser irgendwie ähnlich. Das Foto, das da bei dir im Büro steht…“ Shinji schluckte. Ihm war die Situation gerade mehr als unangenehm. Er fing erst jetzt zu begreifen an, was sein Auftauchen heraufbeschwören könnte. Die Kinder hatten niemandem erzählt, was sie erlebt hatten. Offenbar waren Zeitreisen wirklich mehr ein Hoppala des Universums als alltägliche Praxis. Leider war Shinji bis dato nur klar, dass er hier gerade nichts ausrichten konnte und es seinem Sohn überlassen musste, wie es weiterging. Shinji sah fragend zu seinem Sohn hinüber: „Kurzer?“ Martin und Oliver hatten inzwischen ebenfalls aufgehört, sich am Frühstück zu schaffen zu machen. Während der Brasilianer die schlimmsten Befürchtungen über den weiteren Verlauf auspackte, war bei Oliver die Neugierde geweckt. Er hatte gewusst, dass er Stan das Fragen überlassen konnte. Sein Kumpel war in der Hinsicht wesentlich erbarmungsloser als er selbst. Mit verschränkten Armen lehnte er sich erwartungsvoll zurück. Welches Geheimnis würde der Schwede zu Tage befördern? Ihm schien es, als wären alle Blicke auf ihn gerichtet. Fireball war selten jemand, der eher die Flucht als den Kampf suchte, aber in diesem Fall wäre er lieber ein kleines scheues Rehlein als ein Pitbull gewesen. Leider blieb ihm dieses Mal nichts erspart. Mit nicht übertrieben viel Begeisterung umrundete er den Tisch, stellte sich direkt vor Stan und spannte die Muskeln. Fireball drückte den Rücken durch, um Stan halbwegs gerade in die Augen sehen zu können. Mit einem schweren Seufzen allerdings deutete er hinter sich: „Also, ich fang mal ganz hinten an. Er wird nicht ewig dableiben. Sobald Ramrod hier ist, werden sie ihn wieder nachhause bringen. In seine… Zeit“, Fireball senkte kummervoll die Augen. Stan und auch niemand sonst sollte sehen können, wie ihm tatsächlich zumute war: „Meinen… Vater.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)