Der Schöne und das Biest von S0RA ([ Hizaki Grace Project ]) ================================================================================ Kapitel 6: Part 6 ----------------- Ich setzte mich auf mein Sofa, starrte aus dem Fenster und hörte dem Regen bei seinem Musikstück zu. Mal prasselten die Tropfen lauter, mal leiser gegen meine Fensterscheibe. Es hatte etwas Beruhigendes. Normalerweise hatte es das, doch ich war zu aufgewühlt mich dem Klang des Regens hinzugeben. Ich lief irgendwann zum Fenster, einfach so, öffnete es und streckte meine Hand nach draußen, um ein paar Regentropfen aufzufangen. Einfach so. Kalt und nass fühlte sich das an. Eklig kalt und nass. Nicht so wie seine weichen und warmen Lippen… Da! Da waren sie schon wieder. Immer wieder schlichen sie sich in meine Gedanken. Und eben berührten sie mich schon wieder. Hätten sie sich nicht eklig nass und kalt anfühlen können, so wie der Regen? Hätte das wirklich alles einfacher gemacht? Wahrscheinlich nicht. Plötzlich hörte ich ein lautes ‚PIEEEP’ durch meine Wohnung pfeifen. Das war mein Anrufbeantworter, der mich darauf hinweisen wollte, dass nun eine Nachricht durch meine Wohnung schallen würde. Das Ding war auf Lautsprecher, da mein Telefon an sich nicht klingelte, wenn ich meine Ruhe haben wollte und nach dem schrillen ‚PIEEEP’ kam die Nachricht: „Hey, mein Herz! Hab eben mit Jasmine telefoniert. Du komponierst also wieder? Kommst du gut voran? Das Wetter macht mich ganz depressiv. Regnet’s bei dir auch? Heut Abend hab ich wieder ein Date, ist das nicht toll? Ich meld mich morgen wieder bei dir und dann geh mal ran, ich will wissen, wie weit du mit dem Komponieren bist, ja? Hab dich lieeeeb!“ Und wieder ‚PIEEEP’. Traurig sah ich in den Himmel. Vielleicht hatte ich ja Glück und Kayas Date würde so gut laufen, dass er sein Interesse an Juka verlieren würde! Aber das würde er wohl niemals. Ich malte mir im Kopf aus, was passieren würde, wenn ich Kaya alles erzählen würde. In diesem Moment donnerte es laut. Ja, genau. DAS würde passieren. Blitzen und donnern würde es. Ich zog meinen Arm zurück, schloss das Fenster und trocknete meine Haut an meiner Hose ab. Seufzend sah ich mich in meiner Wohnung um, bis meine Gitarre in meinem Blickfeld landete. Ich atmete tief ein und aus. „An die Arbeit.“, murmelte ich vor mich hin, lief zu meiner Geliebten, packte sie aus und nahm sie mit zu meinem Sofa. Vielleicht half die Musik mir dabei meine Gedanken zu sortieren oder einfach nur abzuschalten. Ich musste einen Song komponieren. Tage vergingen und jeden Tag schallte das ‚PIEEEP’ durch die Wohnung, gefolgt von den neusten ‚Kaya-News’. Irgendwann war ich so genervt davon, dass ich zum Telefon lief und es ausstöpseln wollte, doch genau in diesem Moment kam eine neue Nachricht: „HIZAKI!! Oh mein Gott, oh mein Gott! Wir müssen reden, kannst du nicht mal einen Tag Pause machen?? Es ist unglaublich wichtig! Oh Gott, ich bin so aufgeregt! Und verliebt bis über beide Ohren! Du glaubst nicht, wer wieder im Land ist!! Meld’ dich ganz schnell bei mir, ja? Küsschen!“, redete Kaya in einer Geschwindigkeit, die kaum mitzuverfolgen war und kicherte immer wieder zwischendurch. Ich rollte mit den Augen. Eine neue Romanze in seinem Leben? Mal etwas GANZ Neues! Da ich seine Nachricht für nichts Besonderes hielt, konnte mich auch nichts mehr davon abbringen den Stecker des Telefons zu ziehen. Ich atmete tief durch und lächelte zufrieden. Nun war mir die verdiente Ruhe sicher! Ich schlenderte also wieder zu meiner Gitarre und spielte weiter. Obwohl ich schon drei Tage in meiner Wohnung eingeschlossen gelebt hatte, bestand mein Gitarrensolo erst aus sage und schreibe fünf Tönen. Der Anfang quasi. Na ja, eigentlich eher der Anfang vom Anfang! Ich seufzte frustriert. Immer und immer wieder spielte ich die ersten fünf Töne und kam einfach nicht weiter. Das war als wenn man an einer viel befahrenen Kreuzung an einer roten Ampel stand, die einfach nicht grün werden wollte! Einfach rüber gehen, ging ja nicht, du musstest schon warten, bis es auf grün umspringen würde. Und darauf wartete ich schon die ganze Zeit: Grünes Licht in meinem Kopf. Freie Fahrt zum Weiterkomponieren! Aber schnell wurde mir klar: Auf Zwang würde das alles nichts werden. Ich legte meine Gitarre schließlich weg und ging in mein Schlafzimmer, um mich umzuziehen. Vielleicht würde mir ein wenig frische Luft gut tun, dachte ich mir und ich beschloss also spazieren zu gehen. Während ich so umherlief, kreisten meine Gedanken die ganze Zeit über um mein Solo. Juka und andere Probleme hatten sich völlig ins Abseits geschoben und das war auch gut so. Ich überlegte, ob nicht vielleicht die Atmosphäre unseres Proberaums mich ein wenig inspirieren würde, schließlich waren diese Räumlichkeiten einzig und allein dafür da gewesen, um Musik zu machen. Dort würde mich auch sicherlich nichts von der Musik ablenken und somit war es beschlossene Sache: Ich lief zum Proberaum, auch wenn dieser noch ein ganzes Stück weit weg gewesen war. Unterwegs nahm ich mir noch einen Coffee to go und einen großen Keks mit und kam schließlich beim Proberaum an. Ich öffnete die Tür und blieb verdutzt im Flur zwischen Proberaum und Ausgangstür stehen. Ich hörte sogar auf zu kauen, so verdutzt war ich und stand da wie eingefroren. Jemand spielte Klavier. Aber jemand spielte nicht irgendwie Klavier, sondern so schön, dass ich Angst hatte durch irgendeine Bewegung den Klang zu zerstören. Ein Walzer war es. Dreivierteltakt. Das konnte keiner meiner Bandkollegen gewesen sein. Wer war es also? Anstatt nachzusehen, blieb ich aber stehen und lauschte dem Stück. Ich schloss meine Augen und sah vor meinem geistigen Auge, wie die Finger des Klavierspielers über die Tasten flogen und sich überkreuzen mussten. Wechsel in den Viervierteltakt. Er oder sie spielte plötzlich sehr energisch… Dann wieder sanft, als wolle er oder sie bloß die Tasten streicheln. Das war unglaublich. Ich hielt es nicht mehr aus und musste wissen, wer so schön Klavier spielen konnte. Ganz leise und ganz langsam schlich ich mich weiter zur Tür, die direkt in den Proberaum führen sollte. Ich schluckte schwer und legte meine Hand an den Türgriff. Ich war hin und her gerissen. Ich wollte die Person ja nicht stören! Aber vielleicht hatte ich Glück und die Person war so abgelenkt vom Spielen gewesen, dass er oder sie gar nicht merken würde, wie ich kurz in den Raum schielen würde. Außerdem musste der Pianist mit dem Rücken zu mir gedreht spielen. Sehen konnte er mich demnach auch nicht so schnell. Ich atmete also noch mal tief durch und drückte dann ganz langsam und vorsichtig den Türgriff herunter, um die Tür ein kleines Stückchen zu öffnen. Die Musik wurde lauter. Und dann sah ich, wer da am Klavier hockte und bekam riesige Augen. Kein Zweifel, es musste er gewesen sein, auch wenn ich nur seinen Rücken sah: Yuuji Kamijo. Ich war so geschockt, da ich damit nicht gerechnet hatte, dass ich nicht merkte, wie mein Kaffeebecher auslief und meine Hose einsaute. Als es mir dann doch auffiel, schluckte ich schwer, fluchte unkontrolliert „Fuck!“ und zuckte zusammen, da ich es laut gesagt hatte. Ich presste meine freie Hand an den Mund und starrte weiter zu Kamijo herüber, der schlagartig aufhörte zu spielen und mich verwundert ansah, nachdem er sich umgedreht hatte. Das Herz rutschte mir in den Keller. Kamijos Augen waren ein gefährlicher See. Eintauchen, herumschwimmen und schließlich darin ertrinken. Oder ein schwarzes Loch, das dich hemmungslos einsog und gefangen hielt, bis du schließlich darin sterben würdest. Gut, das war vielleicht ein etwas dramatischer Vergleich, aber in dem Moment fühlte ich mich von Kamijos Augen gefangen genommen. Ich stand ihm nicht das erste Mal persönlich gegenüber, doch es war Ewigkeiten her gewesen, dass wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Und wenn wir uns übrigens gesehen hatten, endete meist alles in kurzen Gesprächen, es wurde also nie persönlich. Würde es diesmal wieder so sein? Ich beobachtete, wie er mich nachdenklich musterte, bis er große Augen bekam und von dem Klavierhocker aufstand. „Hizaki! Du bist es doch, oder? Schön, dich zu sehen, das ist ja vielleicht eine Überraschung. Wie lange stehst du denn schon dort herum?“, fragte er mit seinem typisch charmanten Lächeln. „Ja. ICH in MEINEM Proberaum… SO eine Überraschung!“, dachte ich mir und schluckte schwer, da die Verzweiflung über meine eingesaute Hose in Kombination damit, dass Kamijo mich bemerkt hatte, mich fast um den Verstand brachte. Hektisch wühlte ich in meiner kleinen Umhängetasche nach einem Taschentuch oder Ähnlichem und sah Kamijo also nicht mehr an. „Ach, ich, ich bin gerade erst hier reingekommen! Ich wollte dich nicht stören, entschuldige. Was... tust du eigentlich hier?“, murmelte ich und gab es auf in meiner Tasche herum zu kramen. Kamijo lief plötzlich an mir vorbei zu den Toiletten und kam mit seinem Stofftaschentuch, welches er nass gemacht hatte, zurück. Er hockte sich vor mich und säuberte meine Hose, was mich wieder riesige Augen bekommen und knallrot werden ließ. Das Wort ‚Berührungsangst’ war mit Sicherheit nicht Teil von Kamijos Wortschatz gewesen. Währenddessen sagte er völlig unbekümmert und weiterhin lächelnd: „Schon gut, ich vertrieb mir nur etwas die Zeit. Ich bin hier mit Juka verabredet, aber er kommt wohl später, weil ihm irgendetwas dazwischen kam.“ Nach einem Moment sah er zu mir auf und sagte: „So, wenn das getrocknet ist, dürfte da kein Fleck mehr sein.“ Er stand wieder auf und sah mich lächelnd an. „Wie ich hörte, wollt ihr bald auftreten, habe ich Recht? Das freut mich sehr für euch. Ich bin schon gespannt.“ Im ersten Moment kam nur ‚Blabla’ bei mir an, da zum einen seine Augen und zum anderen der Klang seiner Stimme, unabhängig davon, was er sagte, mich unheimlich ablenkten. Außerdem hatte er gerade vor mir gehockt, mir über meinen Oberschenkel gerieben, während ich mit nasser Hose vor ihm stand. So ein Moment kann einen schon mal aus dem Konzept bringen… „Mhm.“, brachte ich also nur abwesend heraus und räusperte mich dann verlegen. Ich senkte meinen Kopf ein wenig und starrte auf meine Füße. Ich wusste – mal wieder – nicht, was ich sagen sollte. Yuuji Kamijo… Worüber unterhielt man sich mit so einem Mann? Er war kein Mensch, mit dem man sich über das Wetter unterhalten und dann zwei Sekunden später durch dieses ‚Intro’ zu einem anderen Thema gelangen konnte. Ich hatte das Gefühl, dass jedes einzelne Wort aus meinem Mund es nicht wert gewesen wäre an sein Ohr zu gelangen. Ja, Kamijo kam mir sehr groß vor und ich fühlte mich unheimlich klein und unbedeutend. Und außerdem… Kamijo war der Mercedes unter den ‚Traumprinzen’: Charmant, zuvorkommend, gut aussehend, wohlhabend, erfolgreich, bodenständig, talentiert, zielstrebig, intelligent, ehrgeizig… Na gut und vielleicht auch ein wenig arrogant, eitel und perfektionistisch, aber haben wir nicht alle unsere Macken? Dies war zumindest sein Image. Ob der wahre Kamijo auch so war, das wusste ich nicht. Dieses Image reichte jedoch völlig aus mir und wahrscheinlich 200 Millionen anderen Menschen den Kopf zu verdrehen. Deswegen sagte ich wahrscheinlich auch vom eigentlichen Gesprächsthema abweichend und zusammenhangslos: „Du spielst wirklich toll Klavier.“ Ich sah ihn nur vorsichtig aus den Augenwinkeln an und registrierte seine Verwunderung. Nach ein oder zwei Sekunden schien er dann auch verstanden zu haben, dass ich nicht auf seine Worte einging und lachte kurz leise auf. „Vielen Dank. Das war doch aber nur Geklimper.“, lächelte er. Ja, bescheiden war Prince Charming auch noch. Ich schluckte wieder schwer und fragte vorsichtig: „Wann… wann kommt Juka denn?“ Die Vorstellung in meinem Kopf allein mit Juka und Kamijo in einem Raum zu sein, war katastrophal und bereitete mir sogar Angst und Schrecken. Kamijo schaute kurz auf seine Armbanduhr. „Ich schätze in einer halben Stunde, bin mir aber nicht sicher. Was wolltest du eigentlich hier?“, fragte er und setzte sich wieder auf den Klavierhocker. Etwas unbeholfen zeigte ich auf eine der Gitarren, die herumstanden und stammelte leise: „Ich, na ja, ich muss ein Solo komponieren und zuhause da fällt mir die Decke auf den Kopf. Seit drei Tagen sitze ich bereits daran.“ Kamijo nickte verstehend. „Achso. Zeig doch mal, was du bisher geschafft hast! Ich bin neugierig.“, sagte er und grinste etwas. Ich bekam riesige Augen. Die fünf Tönchen sollte ich ihm präsentieren?! In meinem phantasievollen Kopf sah ich einen hungrigen Kamijo, dem ich als Mittagessen lediglich ein halbes Salatblatt servierte. Genau so wäre es gewesen, wenn ich ihm in diesem Moment mein ‚Gitarren-Solo’ vorgespielt hätte. Seine Augen strahlten mich aber so erwartungsvoll und lieb an, da konnte ich nicht nein sagen. Ich schluckte schwer und lief zu einer meiner nicht so lieb gewonnenen E-Gitarren, die ich immer im Proberaum ließ, da es häufiger vorkam, dass ich meine Geliebte zuhause vergaß. Ich stöpselte alles ganz langsam und mehr als in Ruhe ein, um mir noch Gedanken über mein Solo machen zu können. Ich wollte keinesfalls inkompetent vor Kamijo wirken und ich hatte die Befürchtung, dass die Bilanz drei Tage Arbeit und fünf Töne als Ergebnis einen ziemlich inkompetenten Touch hatte. Klar, gut Ding will Weile haben, aber war Kamijo sich dessen auch bewusst? Das wollte ich nicht riskieren und drehte mit Herzrasen am Verstärker herum. Ich versuchte mich an das Stück zu erinnern, welches Kamijo zuvor noch am Klavier gespielt hatte. Die ein oder andere Tonabfolge würde sicherlich gut zu meinem Anfang passen. Der Rest war dann ‚nur’ noch Improvisationsarbeit. Einen Versuch war es wert, also atmete ich noch mal tief durch und begann zu spielen. Erst meine fünf Töne und dann ein bisschen was geklaut von Kamijos Klavierstück. Und plötzlich war ich drin. Absolut drin in meinem noch nicht vorhandenen Solo, welches gerade seine Geburtsstunde erleben sollte. Meine Finger bewegten sich mit Leichtigkeit über die Saiten und ich konnte sogar meine Augen schließen und genießen, was ich da spielte. Verdammt, hatte das wer mitgeschrieben? Ich hoffte innerlich, dass ich mich daran noch erinnern würde, was ich Kamijo da alles vorspielte, denn es klang wirklich nicht schlecht! Und es waren weitaus mehr als fünf Töne. Irgendwann brachte ich mein Solo zum Abschluss und atmete tief ein und aus. Ich sah zu Kamijo und er applaudierte für mich. „Es klingt wunderschön! Ich würde dir vielleicht noch raten an den Übergängen etwas zu feilen, aber im Großen und Ganzen… Für drei Tage Arbeit ist das wirklich fast schon unglaublich. Hat es schon einen Titel?“, fragte er und lächelte. Von Kamijo Komplimente zu bekommen, schmeichelte mir fürchterlich und ich wurde wieder rot. Ich konnte meine Freude über Kamijos Worte in Form eines breiten Lächelns nicht mehr unterdrücken und murmelte leise ohne ihn anzusehen: „Mh-mh, hat es nicht. Darüber mache ich mir erst ganz, ganz zum Schluss Gedanken. Freut mich, dass es dir gefällt. Du bist der Erste, dem ich es vorgespielt hab.“ Klar, war er der Erste gewesen, das Ding hatte ein paar Minuten vorher ja auch nur fünf Töne. Anscheinend war Kamijo die Art von Muse gewesen, die ich zur Inspiration brauchte. Na ja, er inspirierte mich und setzte mich gleichzeitig wohl eher unbewusst unter Druck, aber egal, es funktionierte! Ich lief zum Verstärker und schaltete ihn wieder aus. „Oh nein, spiel doch bitte noch ein bisschen!“, hörte ich Kamijo plötzlich rufen und erstarrte kurz. Ich sah ihn verwundert an. Meinte er das ernst? Sein Lächeln bestätigte seine Aussage. Plötzlich bekam er kurz große Augen, da ihn ein Geistesblitz zu erhaschen schien: „Oh, warte, ich habe noch eine viel bessere Idee! Ich spiele Klavier und du Gitarre! Oder nein, noch besser und einfacher: Du spielst etwas Bekanntes und ich singe dazu!“, redete er völlig aufgeregt und gestikulierte wild. Ich musste etwas kichern, tat dies aber hinter vorgehaltener Hand. So hatte ich Kamijo ja noch nie erlebt! Aufgeregt wie ein kleines Kind an seinem Geburtstag… Und dann lächelte er plötzlich etwas verlegen und räusperte sich kurz. Er sah mich abwartend an, ich schaltete also wieder alles ein und spielte ein Lied von Lareine, einer seiner Ex-Bands. JA, ich wollte mich einschleimen und ja, ich wollte seine schöne Stimme dazu hören und ihn nicht ‚bloß klimpernd’ am Klavier sitzen lassen. Gebe ich ja alles zu. Mein Plan schien sogar aufzugehen, denn Kamijo grinste breit und freute sich über meine Songwahl. Er sang voller Leidenschaft und Hingabe und war innerhalb weniger Sekunden eins mit dem Lied. Diese Hingabe faszinierte mich und ich genoss es Kamijo immer wieder heimlich zu beobachten und zu mustern, wenn er gerade bei der ein oder anderen Stelle kurz die Augen schloss. Ich ertappte mich dabei, wie ich ihn insgeheim mit Juka verglich. Ich verglich ihre Art zu singen, ihre Art zu reden, ihr Auftreten… alles Mögliche verglich ich. Mein Ergebnis? Hier und da waren sie sich erstaunlich ähnlich und dann auch wieder gar nicht, aber mein Kopf rief die ganze Zeit „Hey Aschenblödel, da steht dein Traumprinz!“ und zeigte auf Kamijo. Ich seufzte herzzerreißend, was man durch die Musik meiner Gitarre und Kamijos Gesang aber Gott sei Dank nicht hörte und warf Kamijo kurz schmachtende Blicke zu. Das war wieder einer dieser Momente gewesen, in denen ich mich selbst nicht wieder erkannte. Das Beste an der ganzen Sache kam aber erst, als wir geendet hatten: Wir sahen uns an, lächelten und schwiegen. Klingt nicht spektakulär? War es aber. Ich schaffte es schließlich länger als fünf Sekunden in Kamijos Augen zu schauen ohne dahin zu schmelzen! Und dieser Moment hatte so etwas von ‚Schatz, wir verstehen uns auch ohne Worte.’ . Einfach herrlich! Ich wusste, dass es ihm gefallen hatte und er wusste, dass es mir gefallen hatte. Das merkte ich. Dieser schöne Moment, der mir den Atem zu rauben schien, wurde aber von Prinz Ich-sorge-dafür-dass-Kaya-dich-hassen-wird zerstört: Juka betrat den Proberaum und staunte nicht schlecht, als er nicht nur Kamijo, sondern auch mich vorfand. „Hizaki! Hey, du lebst ja noch!“, grüßte er leicht lachend und umarmte mich stürmisch, was mir wieder riesige Augen verschaffte. Musste er das unbedingt vor Kamijo tun?! Schnell schob ich Juka wieder von meinem Körper und schluckte schwer. Ich lächelte etwas unglücklich und stammelte: „Ja, ich, also… Ja, ich lebe noch.“ Ich nickte und wich etwas zurück, während ich mir alle Mühe gab freundlich zu lächeln. Wie gern wäre ich noch eine Weile mit Kamijo allein gewesen, um weiter mit ihm Musik zu machen… Juka wandte sich an meinen Prinzen und begrüßte ihn mit einer freundschaftlichen Umarmung, welche Kamijo im Gegensatz zu mir auch erwiderte. Ich nutzte den Moment und packte die Gitarre wieder weg, um dann kleinlaut zu sagen: „Ich will euch auch nicht stören, also, ich muss eh noch weiter komponieren und so. Macht euch einen schönen Tag!“ Schnell suchte ich das Weite, doch Kamijo hielt mich am Handgelenk fest. „Warte doch mal! Du störst uns nicht, komm doch mit in die Stadt!“, lächelte er und sah mir tief dabei in die Augen. Bevor ich irgendetwas dazu stammeln konnte, spürte ich, wie Juka nach meiner anderen Hand griff und mich genauso anlächelte wie Kamijo. „Du hast dich lang genug eingesperrt, es wird Zeit, dass du mal wieder vor die Tür kommst.“, sagte er und ich sah panisch mit hochrotem Kopf zwischen ihnen hin und her. Ich fühlte mich wie im falschen Film und wünschte mir ohnmächtig zu werden oder irgendwie so was. Weit weg war ich davon übrigens nicht gewesen, ich hatte schon das Gefühl, dass mein Herz gleich aus meinem Brustkorb springen würde, um dann weiter aufgeregt durch den Proberaum zu hüpfen. Wie sie mich anlächelten und anschauten… Das war doch unfair! Zwei gegen einen und vor allem zwei gegen mich! Und mal von all dem abgesehen: Die zwei waren aufgedonnert ohne Ende… Na gut, vielleicht nicht so doll, wie für einen Auftritt, aber trotzdem und ich sah aus wie frisch aus dem Bett mit nasser Hose! Ich biss mir auf die Unterlippe, zog ruckartig meine Hände zurück und fiepte laut und verzweifelt: „Nein!!!“ Dann griff ich nach meiner Tasche und rannte aus dem Proberaum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)