Der Schöne und das Biest von S0RA ([ Hizaki Grace Project ]) ================================================================================ Kapitel 7: Part 7 ----------------- Auf dem eiligen Weg nach Hause beschimpfte, verfluchte und bestrafte ich mich in Gedanken mit Selbstvorwürfen. Das hätte vielleicht der schönste Tag meines Lebens werden können… Seite an Seite mit Juka und Kamijo irgendwo in der Stadt. Andere hätten dafür ihre Seele bei Ebay verkauft oder gemordet! Und was machte ich? Ich fing fast an zu heulen vor Angst und rannte davon. Jeder Baum an dem ich vorbeilief, lud geradezu dazu ein den Kopf dagegen zu schlagen, doch ich blieb stark und lief einfach nach Hause. Das Selbstmitleid nahm aber kein Ende. Im Gegenteil, es wurde noch schlimmer: Ich drehte mein Lieblingslied von ‚Dream Theater’ auf volle Lautstärke und schrie und quietschte es lautstark mit, während ich auf meinem Teppichfußboden lag. Mir drehte sich der Magen um, wenn ich an die Situation im Proberaum zurückdachte. Wie peinlich mir das alles war… Hätte ich nicht ganz normal ‚Nein, danke, ein andermal vielleicht’ sagen können, anstatt so eine Szene zu machen? Nein, natürlich nicht. Denn ich war und bin Hizaki. Prinzessin der Fettnäpfchen. Klang doch gut, oder? Ich hätte die Cure anrufen sollen, um einen Artikel darüber schreiben zu lassen… Wenn ich gerade nicht sang, schrie, quietschte, wie auch immer, vergrub ich mein Gesicht hinter meinen Händen und atmete tief durch. Kurze Zeit später beruhigte ich mich wieder und dachte an den Moment zurück, wo ich gemeinsam mit Kamijo Musik gemacht hatte. Das gab schrecklich viele Schmetterlinge im Bauch, aber das Kribbeln war angenehm. Wieder seufzte ich schmachtend und herzzerreißend. „Yuuji Kamijo…“, murmelte ich leise vor mich hin und starrte abwesend an die Decke. „Yuuji Kamijo…“, murmelte ich wenige Augenblicke erneut wie einen Zauberspruch und schloss die Augen kurz. Dann setzte ich mich schlagartig auf und krabbelte über den Boden zu meinem Sofa und zu meiner Gitarre. Der Schalter in meinem Kopf war wieder umgelegt und meine Gedanken kreisten um das Gitarrensolo… und Kamijo. Ich schaltete die Stereoanlage aus, holte mein Aufnahmegerät und nahm auf, was ich so nach meinen fünf Tönen noch alles spielte. Immer und immer wieder tat ich dies, hörte mir die Aufnahmen nach jedem Mal an, überlegte was ich anders oder besser machen könnte und tat dies bis in die Nacht hinein. Kurz vor Sonnenaufgang dann das Wunder: Ich war fertig. Fertig mit den Nerven, fertig mit mir, aber auch fertig mit dem Gitarrensolo. Ich war so müde, dass ich mich nur ganz kurz mit einem schwachen „Jippie.“ darüber freuen konnte, bevor ich die Gitarre weglegte, einfach zur Seite kippte und glücklich einschlief. Als ich am späten Vormittag wieder zu mir kam, ging mein erster Griff zur Gitarre. War ich wirklich fertig gewesen? Ich spielte und tatsächlich: Das Ding hatte Anfang und Ende und Mittelteil! „YES!“, rief ich durch meine Wohnung, während ich meine Arme nach oben warf und im Kreis tanzte. Anschließend lief ich zum Stecker vom Telefon, um es wieder betriebsfähig zu machen und schnappte meinen Schlüssel, um nach der Post zu gucken. Kaum, dass ich den Türgriff in der Hand hatte, kam wieder das ‚PIEEEP’ gefolgt von einer mechanischen Stimme, die sagte: „Sie haben…46… neue Nachrichten!“ Ich bekam riesige Augen und seufzte kopfschüttelnd: „Kaya, du Freak.“ Während mein Anrufbeantworter die Nachrichten abspielte, lief ich runter zum Briefkasten und öffnete diesen also. Ich staunte nicht schlecht, als ich dort eine Rose und eine kleine Karte vorfand. „Du lässt dir auch immer wieder was Neues einfallen.“, seufzte ich leise, da ich die Sachen in meinem Briefkasten für ein Geschenk von Kaya hielt, um mich nach draußen zu locken. Ich schnappte mir noch die restliche Post und lief wieder in meine Wohnung. Kayas Gebrabbel tönte immer noch durch meine vier Wände, doch ich hörte nicht zu. Ich setzte mich auf meine Couch und öffnete erst dann das Kärtchen. Meine Augen wurden größer… und größer… und NOCH größer. Eigentlich hätten sie herausfallen müssen! Ich klappte die Karte wieder zu, starrte Löcher in die Luft und fing plötzlich an zu kreischen, während ich knallrot wurde. Um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht verlesen hatte, las ich mir die Karte noch mal durch. Dann noch mal… und noch mal. Sie war nicht von Kaya gewesen, sondern von Kamijo! Inklusive Rose natürlich. „Oh mein Gott!“, wimmerte ich aufgeregt wie ein kleines Schulmädchen, aber ich war allein, also durfte ich mich so peinlich benehmen, das war alles in Ordnung gewesen. Mein Herz raste und ich musterte die Rose überglücklich. Er hatte mir geschrieben, dass ihm das musizieren mit mir gemeinsam viel Spaß gemacht hatte, wünschte mir viel Erfolg für mein Solo und meine Tour und hoffte mich bald wieder zu sehen. „Haaaach.“, kam es schmachtend über meine Lippen und ich ließ mich wieder zur Seite fallen. Er hoffte mich bald wieder zu sehen? Ich stellte mir vor, wie er mir genau das ins Gesicht sagen würde. Mit seiner unverkennbaren Stimme und seinen gefährlichen Augen, die mich wieder in ihren Bann ziehen würden. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich glaubte zu hören, wie das Pochen durch meine gesamte Wohnung hallte. Mir wurde schrecklich warm. Mein ganzer Körper schien regelrecht zu glühen. Plötzlich riss ich meine Augen auf, setzte mich wieder kerzengerade hin und starrte die Karte mit großen Augen und leicht offen stehendem Mund an. „Was ist los mit dir?“, fragte ich mich immer wieder in Gedanken voller Verständnislosigkeit. Ich senkte den Kopf, stützte ihn mit einer Hand und lachte kurz bitter über mich selbst. „Idiot.“, flüsterte ich mir zu und legte die Karte auf den Wohnzimmertisch zu der Rose. Anschließend stand ich auf, lief ins Bad und stellte mich dicht vor den Spiegel. Ich musterte mein Gesicht skeptisch, so wie ich es im Restaurant schon tat. Es kam mir vor, als würde ich in ein fremdes Gesicht schauen. Die Wangen rot gefärbt, der Blick voller Unsicherheit, voller Unwissen… voller Verwirrung. War das wirklich ich? So hatte ich mich noch nie gesehen. Noch nie. Meine Euphorie und Freude über die Karte verschwand. Restlos verschwand sie. Mein Blick in den Spiegel wurde immer entsetzter, bis ich mir schließlich kaltes Wasser ins Gesicht warf. Es war nur eine Karte gewesen. Ein kleiner Gruß von dem Frauenschwarm schlechthin. Frauenschwarm… „Idiot!“, fluchte ich wieder über mich selbst, dieses Mal jedoch energischer. Wieder warf ich mir kaltes Wasser ins Gesicht, in der Hoffnung, dass das Glühen und die roten Wangen und eigentlich alles Ungewöhnliche verschwinden würde. Es war nur eine Karte gewesen. Und die Rose? Kamijos Markenzeichen. Wer bitte hatte denn noch nicht eine Rose von ihm bekommen, der hin und wieder etwas mit ihm zu tun hatte?! Ich trocknete mein Gesicht ab und musterte es erneut nachdenklich im Spiegel. Da war ich wieder. Mit Verstand und Vernunft. Konzentriert auf das Wichtige: Meinen Beruf. Ich musste meinen Bandkollegen berichten, dass ich das Solo vollendet hatte. Ich musste es ihnen vorspielen, sie mussten es bewerten und wir mussten die Tour weiter planen und organisieren. Herrgott, was wir alles mussten… Seit wann kam mir das alles so zwanghaft vor? Ich atmete tief durch, schüttelte den Kopf über mich und rannte in mein Schlafzimmer, um mich umzuziehen. Ich hatte einen riesigen Kloß im Hals und wusste nicht warum. Ich wusste es wirklich nicht. Hektisch zog ich meine Schuhe an und eilte zur Tür. Ich legte meine Hand an den Türgriff, bereit zum Rausgehen, doch mein Kopf drehte sich langsam über meine Schulter und ich warf einen Moment lang noch einen Blick auf die Rose und die Karte. Ich konnte mein Solo doch auch Kamijo vorspielen oder nicht? Er hatte ein gutes Gehör dafür. Bevor ich weiter dachte, biss ich mir auf die Unterlippe, warf dem Geschenk vorwurfsvolle Blicke zu und zischelte entschlossen: „Du brauchst ‚Tuxedo Mask’ nicht!“ Dann öffnete ich die Tür, knallte sie zu und rannte Richtung Innenstadt, um von dort aus mit der Bahn zum Proberaum zu fahren. Unterwegs schrieb ich meinen Bandkollegen eine SMS, dass ich im Proberaum auf sie warten würde, sofern sie denn Zeit hatten und atmete tief durch. Gedankenverloren stieg ich aus der Bahn und schlenderte mit gesenktem Kopf langsam Richtung Proberaum. Ich erschrak heftig, als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spürte, die mich fest packte und grob umdrehte. Ich starrte mit riesigen Augen in die von Tomozo und sah ihn verwirrt an. Tomozo atmete schwer und grinste mich schief an. „Meine Güte, bist du nun mittlerweile taub?! Ich renn dir bestimmt schon 100 Meter hinterher und ruf dich!“, schimpfte er, lachte aber leicht dabei und ließ meine Schulter los. Ich kam so schnell gar nicht mit und blinzelte nur mehrmals verwundert. „Ich habe… Du…“, fing ich an zu stammeln und schluckte schwer. Tomozos Lächeln verschwand und er sah mich skeptisch an. „Ist alles okay mit dir? Du wirkst so angespannt. Wo geht’s denn hin?“, fragte er mich. Ich schluckte wieder schwer. Der Kloß ging einfach nicht weg. Ich versuchte aber mich zu fassen und antwortete mit fester Stimme: „Zum Proberaum! Mein Solo ist fertig. Ich muss… möchte es den anderen vorspielen!“ Tomozo lächelte wieder. „Ah, das klingt viel versprechend! Na, kein Wunder, dass du dann so angespannt bist. Es wird ihnen aber bestimmt gefallen, mach dir da mal keine Sorgen!“, sagte er und klopfte mir aufbauend auf den Rücken. Ich lächelte halbherzig und nickte nur. Eigentlich hätte ich ihm gern von meinem ganzen Gefühlschaos und von der Sache mit Kamijo erzählt, aber ich war der Meinung gewesen mich erst einmal selbst sortieren zu müssen. Außerdem wollte ich am liebsten gar nicht weiter darüber nachdenken. Es war völliger Blödsinn gewesen, das sagte ich mir die ganze Zeit. „Dann will ich dich nicht weiter aufhalten! Aber sag mal, nun, wo du wieder deine Wohnung verlässt… Willst du heut Abend nicht mitkommen in irgendeine Bar? Ein bisschen abschalten?“, fragte Tomozo mich und ich sah ihn nachdenklich an. „Abschalten?“, wiederholte ich leise und sah kurz in den Himmel. Dann nickte ich eifrig und antwortete: „Ja, sehr gern. Danke, Tomozo!“ Ich war mir sicher gewesen, dass ich nur zu viel nachdenken würde, wenn ich zuhause geblieben wäre, deshalb stimmte ich zu. Wir machten Uhrzeit und Ort aus und verabschiedeten uns wieder voneinander. Ich kam vor den anderen im Proberaum an und stimmte die dort vorhandene Gitarre lieblos nach. Immer wieder fiel mein Blick auf das Klavier. Ich seufzte schwer und senkte mit geschlossenen Augen den Kopf. Die Gedanken an Kamijo waren wie ein Virus gewesen. Sie hatten sich völlig fest gefressen und ich konnte nichts tun. Absolut nichts. Diese kurze Zeit, die wir an diesem Ort miteinander verbracht hatten, hatte alles in mir durcheinander gebracht. Es war doch nur so kurz gewesen… und trotzdem schön und angenehm. Gab es wohl ein Medikament gegen diesen Virus? Und wenn ja, wo? Ich schreckte aus meinen Gedanken auf, als sich die Tür öffnete und Jasmine den Proberaum betrat. Er umarmte mich, so wie immer und lächelte lieb. „Du bist ja richtig schnell fertig geworden! Wie geht es dir? Ich bin schon ganz gespannt!“, sagte er und ich versuchte sein Lächeln zu erwidern. „Es geht mir gut.“, log ich und schluckte schwer. Jasmine nickte. „Das ist schön.“, sagte er und nickte erneut mehrmals langsam. Er sah aus den Augenwinkeln zur Seite und ich konnte beobachten, wie sein Lächeln langsam verschwand. „Du… Kaya ist echt stinkig mit dir.“, hörte ich ihn dann murmeln und bekam große Augen. „Was? Wieso denn das??“, fragte ich mit großer Verwunderung. Das hatte mir noch gefehlt. Jasmine atmete tief durch und zuckte mit den Schultern. „Er ist beleidigt, weil du dich nicht ein einziges Mal gemeldet hast, obwohl er so oft angerufen hat. Er wollte dir unbedingt erzählen, dass Kamijo aus Amerika zurück ist!“, seufzte er. Ich zuckte leicht zusammen und bekam erneut große Augen. „Ka-… Kamijo?“, wiederholte ich überrascht und senkte meinen Kopf wieder. „Das…Ja, das weiß ich.“, murmelte ich kleinlaut. Ich hatte nicht gewusst, dass er so weit weg gewesen war, aber dass er wieder da war… Oh ja, das wusste ich. Jasmine winkte mit der Hand ab. „Kopf hoch, Kleiner! Kaya kriegt sich schon wieder ein, er vermisst dich bestimmt nur schrecklich. Du solltest ihn nachher anrufen, dann geht das schon wieder.“, versuchte er mich aufzumuntern und ich lächelte dankbar. Nach und nach trudelten auch die anderen im Proberaum ein, bis auf Bikei, der anscheinend keine Zeit gefunden hatte. „Fang an, fang an! Ich kann’s nicht mehr abwarten!“, drängelte Teru aufgeregt und sah mich erwartungsvoll an. Ich lächelte schief. „Moment noch kurz.“, murmelte ich, spielte ein paar Töne und drehte am Verstärker herum, um einen ordentlichen Klang zu bekommen. Anschließend atmete ich tief durch und sah aus den Augenwinkeln kurz zu Juka, der mit verschränkten Armen sanft lächelnd an eine Wand gelehnt stand. Ich schluckte schwer und richtete meinen Blick wieder auf die Gitarre. „Okay. Ich fang dann an, ja?“, sagte ich etwas schüchtern und spielte meinen Freunden also mein Lied vor. Ich sah sie dabei nicht an, sondern schloss die Augen. Nur ab und zu bei schnelleren Passagen schaute ich, dass meine Finger auch dahin sprangen, wo sie hin springen sollten. Während ich meine Augen schloss, schossen mir immer und immer wieder Bilder von Kamijo durch den Kopf. Das durfte doch nicht wahr sein, dachte ich mir, stellte mir aber heimlich vor, wie ich es ihm vorspielen und er reagieren würde. Ob er es wohl mögen würde? Ich schreckte wieder aus meinen Gedanken auf, als mir ganz kurz vor dem Ende meines Solos eine Saite riss und mir in den Finger schnitt. Ich zuckte zusammen, hielt mir verzweifelt das Handgelenk der ‚verletzten’ Hand und murmelte: „Auu…“ „Hizaki! Hast du dich geschnitten?“, fragte Juka besorgt und sah mich dementsprechend an. Jasmine seufzte genervt. „Haaach, dabei war es doch gerade so schön! Schmeiß die Gitarre weg, die taugt nix!“, klagte er und Teru nickte eifrig. …Weil die Saite gerissen war, sollte ich gleich die ganze Gitarre wegschmeißen?! „Hizaki, dein Solo ist der absolute Wahnsinn! Ich fang gleich an zu heulen, so schön finde ich das! Spiel’s noch mal!“, sagte er schwer begeistert mit zusammen gefalteten Händen. Ich lächelte erleichtert über diese Reaktion, nickte und murmelte: „Danke. Ich bin froh, dass es euch gefällt, wirklich. Ich…“ Bevor ich meinen Satz beenden konnte, musterte ich Juka verwundert, der mir plötzlich die Gitarre abnahm, mein Handgelenk packte und mich zu den Toiletten zog. Mit großen Augen ließ ich mich mitziehen und verstand nicht ganz, was er vorhatte. „Juka, was..?“ Er schob mich zum Waschbecken und wusch meine Hand behutsam. „Es soll sich doch nicht entzünden, oder? So etwas kann gefährlich sein.“, sagte er. Ich lachte kurz auf und entgegnete schief lächelnd: „Ach Juka, ich hab mir schon mindestens drei Millionen Mal die Finger an Gitarrensaiten geschnitten! Das ist doch nichts Schlimmes, mach dir keinen Kopf.“ „So oft schon? Na umso schlimmer.“, grinste Juka und trocknete meine Hand vorsichtig ab. Das hätte ich doch auch alles alleine machen können. Manchmal wurde ich das Gefühl nicht los, dass er mich mit Vorliebe wie ein kleines Kind behandelte. Erneut griff er nach meinem Handgelenk und zog meine Hand vorsichtig zu seinem Gesicht. Er schloss seine Augen und küsste den Finger an dem ich mich geschnitten hatte. Ich spürte, wie seine Zunge über den kleinen Schnitt leckte und mir rutschte das Herz in den Keller. Anschließend sagte er lächelnd: „So. Jetzt heilt es auch schnell!“ Ich starrte ihn mit riesigen Augen und knallroten Wangen geschockt an. „Dein Solo ist übrigens wirklich wunderschön, Prinzessin. Ich habe zwar einiges erwartet, aber dass es so schön wird… Es passt zu dir. Woran hast du gedacht, als du es komponiert hast? Was steckt dahinter?“, fragte Juka interessiert mit seinem charmanten Lächeln. Ich zuckte leicht zusammen und blinzelte mehrmals schnell. „Woran ich..? Das… Ich hab…“, fing ich an zu stammeln und senkte dann meinen roten Kopf. Schwer schluckend starrte ich meine Füße eine Weile an und sagte dann leise: „Das ist mein Geheimnis.“ Vorsichtig und entschuldigend blickte ich aus den Augenwinkeln zu Juka auf, der weiterhin lächelte und mir dann durch die Haare wuschelte. „Na gut, das muss ich dann wohl so hinnehmen. Vielleicht erzählst du mir ja doch irgendwann davon.“, sagte er zuversichtlich und lachte kurz auf. Er hatte ja keine Ahnung. Er wollte mit Sicherheit nicht wissen, dass Kamijo meine Inspiration für das Lied gewesen war und er tagelang, nächtelang in meinem Kopf herumschwirrte. Davon abgesehen wollte ich es niemandem erzählen, irgendwo war es mir peinlich gewesen. Juka und ich gingen zu den anderen zurück und Teru drückte mir ein buntes Pflaster in die Hand, welches er in seiner Tasche gefunden hatte. Da waren Pandabären drauf gewesen! Ich amüsierte mich ziemlich lange über dieses Pflaster, bis wir schließlich wieder zum ‚Ernst’ des Lebens kamen und unsere Tour besprachen. Wir sammelten einige Ideen und kamen im Endeffekt zu einem guten Ergebnis. Der Tour stand also nichts mehr im Wege und ich war sehr glücklich darüber gewesen. Ich war gespannt darauf in die Gesichter der Fans zu schauen, ihre Reaktionen und Gefühle auf unsere Lieder einzusaugen und wollte sie einfach begeistern und mit einem guten Gefühl nach Hause gehen lassen, wenn wir unser Konzert beendet hatten. Als ich mich zu Fuß auf den Weg in die Innenstadt machte, war es schon dunkel gewesen, doch die Stadt schlief niemals. Ich rief Tomozo an und fragte ihn, ob er etwas dagegen hatte, wenn Kaya mitkommen würde. Er verneinte und ich rief also Kaya unterwegs an. Ich atmete tief durch als ich darauf wartete, dass er meinen Anruf annahm und stellte mich auf Gemecker und Gezeter ein. „Was willst du?!“, waren seine ersten zickigen Worte und ich musste etwas schmunzeln, da ich mit so etwas gerechnet hatte. Ich seufzte und antwortete: „Mich entschuldigen. Sei bitte nicht böse mit mir, Kaya. Du weißt doch, dass ich mich immer zurückziehe, wenn ich an einem Song sitze! Wenn du nicht mehr böse mit mir bist, lade ich dich heute auf einen Drink ein, wir haben was zum Feiern.“ „Hn!“, gab Kaya nur weiterhin zickig von sich und schwieg eine Weile. Ich zählte leise für mich bis fünf und dann sagte Kaya auch schon: „Na schön! Dann verzeih ich dir noch mal, aber du wirst mir nicht einen Drink ausgeben, sondern viele! Ich hab Durst. Wo treffen wir uns?“ Immer wieder war es das Gleiche mit Kaya gewesen. So schnell er auch zickig und böse war, genau so schnell kriegte er sich wieder ein, wenn man denn wusste wie man ihn zu beruhigen hatte. Ich wusste es. Ich beschrieb ihm den Weg zur Bar und sagte dann lächelnd: „Tomozo ist übrigens auch da, ihr kennt euch doch, oder? Ich hoffe, das ist nicht schlimm, aber er hatte mich erst auf die Idee gebracht heute weg zu gehen. Er wartet auch schon.“ „Nö, kein Problem. Ist er Single?“, fragte Kaya und ich blieb kurz mit großen Augen stehen. „Geht in deinem Kopf eigentlich auch noch ir-gend-et-was anderes vor??“, fragte ich verzweifelt und atmete tief durch. „Ich muss dann auch mal Schluss machen, ich bin gleich bei der Bar. Bis später, Kaya!“, verabschiedete ich mich und legte auf. Der war doch unmöglich, dachte ich mir und schüttelte den Kopf über meinen Freund. Die Bar, in der ich mich mit Tomozo traf, war ziemlich modern eingerichtet und irgendwie total schrill. Es lief die ganze Zeit Lounge-Musik für die gemütliche Atmosphäre, aber manchmal klang es für mich eher nach Fahrstuhlmusik. Dennoch freute ich mich Tomozo wieder zu sehen und setzte mich zu ihm an einen kleinen, runden Tisch auf einen Sessel. Der war wirklich bequem gewesen. „Und? Wie fanden sie dein Solo?“, wollte er sofort wissen und lächelte mich an, während er an dem Strohhalm seines bunten Drinks sog. „Sorry übrigens, aber ich wäre sonst verdurstet.“, entschuldigte er sich für sein Getränk, doch ich winkte mit der Hand ab. „Ach, ist doch kein Ding. Es hat ihnen gut gefallen! Uns fehlen nur noch ein paar Telefonate und dann geht es los mit unserer Tour. Ich bin jetzt schon aufgeregt.“, gab ich zu und lächelte etwas verträumt. Tomozo nickte. „Siehst du, hab ich doch gesagt! Freut mich für dich. Wenn ich es zeitlich schaffe, sehe ich mir auf jeden Fall ein Konzert an!“, kündigte er an und winkte den Kellner zu uns herüber. Ich lächelte überglücklich und sagte: „Danke Tomozo, ich würde mich freuen, wenn du es schaffst. Übrigens: Kaya wird sich demnächst dazugesellen, ich hoffe, das ist in Ordnung! Ich hab mich die letzten Tage nicht bei ihm gemeldet und er war stinkig mit mir, das muss ich wieder gut machen.“ Ich seufzte, während Tomozo kurz auflachte. „So ist das mit einer Diva als Freundin.“, grinste er und stocherte einen Moment mit seinem Strohhalm im Drink herum. „Und wie sieht es nun mit Juka aus? Hast du das geklärt?“, fragte er merklich vorsichtig und ich bekam riesige Augen. „Kein Wort über Juka! Ich hab dir doch erzählt, wenn Kaya…“ „Was ist mit mir?“, unterbrach mich Kaya, der plötzlich übertrieben aufgedonnert wie immer neben mir stand. Ich schluckte schwer, stand schnell auf und umarmte ihn fest. „Wenn… wenn ich dich sehe, freue ich mich so!“, versuchte ich mich zu retten und lächelte schief. Kaya lachte laut und wuschelte mir durch die Haare. „Jaja, mein Herz, das sagen sie alle.“, freute er sich und setzte sich zu uns an den Tisch. Tomozo und ich tauschten kurz ernste Blicke aus und ich merkte, dass er verstanden hatte. Kaya durfte weiterhin nicht von Jukas Zuneigung mir gegenüber erfahren. „Meine Güte, es ist wohl einfacher die Königsfamilie zu erreichen als dich, wenn du komponierst! Ich hasse das! Warst du wenigstens erfolgreich?“, fragte Kaya, während er sein Handtäschchen auf den Tisch stellte und zwischen Make Up und sonstigem Schnickschnack nach seinem Handy kramte. Ich nickte eifrig und antwortete: „Ja. Die anderen waren sehr zufrieden mit mir und wir organisieren jetzt die Tour. Tomozo hat schon gesagt, dass er zusehen möchte! Du kommst doch auch, oder?“ Ich lächelte ihn hoffnungsvoll an. Kaya beugte sich zu mir vor und zog eine Augenbraue hoch. „Hase, ich werde sogar Backstage sein und aufpassen, dass die blöden Stylisten-Kühe dein Gesicht und deine Haare nicht verhunzen! Ich bitte dich, so eine blöde Frage. Außerdem ist Juka da, das lass ich mir doch nicht entgehen!“, sagte er erst ernst und kicherte dann hinter vorgehaltener Hand. Ich lächelte schief und nickte. Tomozo rollte heimlich mit den Augen, als Kaya Juka erwähnte und schüttelte dann leicht den Kopf über ihn. Dann kam auch endlich der Kellner und wir bestellten unsere Drinks. „Ein Bier hätte ich gerne.“, sagte ich, doch Kaya fuhr mich mit großen Augen an: „Bist du verrückt? Bier… Wo sind wir denn hier? Seit wann trinkst du Bier, wenn du mit mir zusammen weggehst?“ Er seufzte schwer und sah zu dem Kellner auf. „Pass auf, Schätzchen, du bringst uns eine schöne Flasche Champagner und dann ein paar bunte Cocktails, ja? Mit Schirmchen und mit Obst bitte, ja? Verstanden?“ Ich bekam riesige Augen und beobachtete, wie der Kellner alles notierte und dann wieder wegging. „Das zahl’ ich aber nicht, Kaya! Das kannst du schön selber bezahlen!“, stellte ich klar und Kaya rollte mit den Augen. „Reg dich ab, Hase. Du zahlst die kleinen Cocktails und der Champagner geht auf mich. Ich hab’ nämlich auch etwas zu feiern!“, sagte er und grinste bis über beide Ohren. Das war dann wohl der Moment, von dem an fortlaufend Kaya eine ganze Weile im Mittelpunkt stehen würde. Ich war es ja gewöhnt, aber wie stand es mit Tomozo? „Was hast du denn zu feiern? Gehst du auch wieder auf Tour oder ins Studio?“, fragte ich lieb lächelnd und Kaya lachte leise. „Nein, völlig falsche Richtung! Ich hatte es dir auf Band gesprochen, aber du scheinst mich ja nicht zu beachten, wenn du komponierst.“, sagte er und seufzte theatralisch. Ich schluckte kurz schwer. Dafür hatte ich mich doch bereits entschuldigt, aber Kaya war dafür bekannt nachtragend zu sein. „Nun mach es nicht so spannend.“, seufzte Tomozo, der Kaya anscheinend schon nicht mehr ertrug und stützte seinen Kopf mit einer Hand ab. „Kamijo ist zurück aus Amerika! Das habe ich zu feiern!“, rief Kaya, während er über das ganze Gesicht strahlte und ich bekam wieder meinen riesigen Kloß im Hals. Seit wann war Kaya so begeistert von Kamijo gewesen? Juka war doch seine Nummer eins? Innerlich völlig verzweifelt hörte ich Kaya beim Schwärmen von Kamijo zu. Er gestikulierte wieder wild und erzählte alles, als wenn es ein Märchen wäre. Das war es aber leider nicht. „Ich hab ihn so vermisst! Er hat Verwandte dort besucht und sich dort von seiner musikalischen Pause erholt. Er will bestimmt bald wieder ins Studio und ICH werde ihm tatkräftig zur Seite stehen, hihi! Als Muse, als Vertraute, als… Geliebte! Zwischen Kamijo und mir stimmt einfach alles und bevor er wieder irgendwohin abhaut, ergreife ich meine Chance! Dieses Mal mache ich ernst, ich werde ihn heiraten und dann mit ihm auswandern oder so. Von mir aus auch in sein blödes Ami-Land, das ist mir ja egal, Hauptsache ich kann bei ihm sein.“ Kaya atmete kurz tief durch und sah dann verträumt an die Decke. „Er ist so ein wundervoller Mann. Voll von Charme und Intelligenz und Humor hat er auch! Und gut aussehend ist er, aber hallo! Mist, wäre ich eine richtige Frau, würden wir die schönsten Kinder der Welt bekommen! Meint ihr nicht? Also ich werde mich auf jeden Fall an seine Fersen heften, außerdem…“ „ES REICHT!“, rief ich plötzlich, während ich mit der Faust auf den Tisch haute. Kaya und Tomozo sahen mich erschrocken an. „Wir haben verstanden wie toll er ist und wie sehr du ihn liebst, okay?! Es ist angekommen!! Ich kann deine Rederei über Kerle nicht mehr hören, es ist doch immer das Gleiche!!“, fuhr ich Kaya völlig verzweifelt und wütend zugleich an und hing damit mitten im unkontrollierten Gefühlsausbruch. Ich war fertig mit der Welt. Zum einen war da die Sache mit Juka gewesen, die mir Kummer bereitete, doch ich hatte so halb damit abgeschlossen, schließlich gab ich Juka bereits eine Abfuhr und hoffte seine Gefühle für mich würden sich legen. Das Thema Kamijo entwickelte sich in meinem Kopf aber zu einer Katastrophe. Wenn Kaya es wirklich so ernst meinte, wie er es gesagt hatte, konnte ich Kamijo abschreiben. Niemand stellte sich zwischen Kaya und seinem Auserwählten. Niemand, auch nicht der beste Freund. Der eigentlich schon gar nicht! Außerdem war ich der Meinung gewesen, gegen Kaya absolut keine Chance zu haben. Er war viel erfahrener, selbstbewusst, hübsch und ebenfalls Sänger. Zwischen ihnen schien wirklich die Chemie zu stimmen, aber was noch viel schlimmer war: In diesem Moment wurde es mir schrecklich bewusst. Ich hatte mich in Kamijo verliebt. Unglücklich verliebt. Ich stand eilig auf, griff nach meiner Jacke und rannte aus der Bar. Ich wollte nicht weiter über Kamijo reden, ich wollte mich nicht für diesen Gefühlsausbruch rechtfertigen müssen und ich wollte Kaya nicht mehr sehen. Ich war ihm nicht böse gewesen oder sonst etwas, aber ich steckte in Schwierigkeiten. Die einzige Lösung, um weiter mit Kaya ganz normal befreundet bleiben zu können, bestand für mich darin Juka weiter auf Abstand zu halten und nie wieder an Kamijo zu denken. So die Theorie, aber der praktische Teil erschloss sich mir noch nicht als allzu realistisch. Konnte man einfach darüber entscheiden, ob man an jemanden denkt oder nicht? Konnte man über Gefühle entscheiden? Mir schienen sie unkontrollierbar. „Hizaki! Warte!“, hörte ich Tomozo noch rufen, doch ich lief weiter. Und wieder hatte ich so eine dramatische Fluchtszene geboten. Ich fand mich unmöglich in diesem Moment, aber ich wusste nicht, was ich anderes tun sollte. Ich wollte alleine sein, zog mich wieder in meine Wohnung zurück, legte mich auf den Teppichfußboden, hörte laut Musik und starrte an die Decke. „Ein Bier muss her, dann werde ich müde.“, murmelte ich mir selbst zu und hoffte mich bald ins Traumland flüchten zu können. Zwei Bier später schlief ich auch sanft und benebelt ein und ließ meinen Kummer einfach Kummer sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)