Irgendetwas war da von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Das erste Treffen ---------------------------- Irgendetwas war da, das spürte er. Doch sah er aus dieser Entfernung nichts, was nach irgendwas oder irgendwem aussah. Die Sonnenblumen waren zu groß, um eine Gestalt ausfindig zu machen. Er legte das Buch auf den Tisch, rückte den Stuhl zurück und ging mit ruhigen Schritten zur Tür des Zaunes, der das Blumenfeld vom restlichen Garten abtrennte. Die Sonnenblumen standen dicht beieinander und erschwerten ihm das Durchkommen. Nach ein paar Minuten kam er dort an, wo kaum Blumen standen. Hier war das Stück Boden hart und unfruchtbar. Solche Flecken gab es im Sonnenblumenfeld überall. Und hier vermutete er das Ziel. Verwundert schaute er auf den Boden. ~~~~~~~~~~~~ Der Grashalm bewegte sich hin und her, jedes Mal, wenn er mit der Zunge gegen kam. Es war angenehm, die Kühle des Bodens unter sich zu spüren und trotzdem von den Sonnenstrahlen erwärmt zu werden. Es war die perfekte Balance. Die Sonnenblumen standen hoch, doch es fiel genug Licht auf ihn. Er streckte seine rechte Hand der Sonne entgegen. Reckte die Finger zu allen Seiten und schloss diese dann zu einer Faust. „Noch nicht verheilt“, sagte er leise zu sich, als der Schmerz kurz nach der Bewegung einsetzte. Er seufzte und legte sich die Hand auf die Brust. „Ich hasse es“, zischten die Worte aus seinem Mund und er schloss die Augen. ~~~~~~~~~~~~ Er starrte auf den Boden. „Wieso ist hier nichts?“, fragte sich der schlaksige, dunkelhaarige Mann. „Ich hätte schwören können…,“er beendete den Satz nicht, stattdessen drehte er sich in alle Himmelsrichtungen, die Augen zusammengekniffen, um schärfer sehen zu können. Doch es änderte nichts daran, dass er sich getäuscht hatte. „Ich spinne wohl schon vor Langeweile!“ Mit einem leichten Sprung versuchte er über die Blumen zu sehen, um den direkten Weg zurück zu erhaschen. „War ja klar. Linkstick!“, sagte er und schob die Sonnenblumen auseinander, um sich seinen Weg zurück zu bahnen. „Ich bin es nicht mehr gewöhnt sich in diesem Feld zurecht zu finden!“ Eine Sonnenblume nach der anderen ließ er hinter sich, bis er den Zaun erreicht hatte. Er warf noch einen Blick nach Hinten. „Wo kommst du denn her?“, begrüßte ihn eine Stimme. „Hm?“, erstaunt blickte er den Mann an. „Ach du bist es Koyama. Aus dem Feld. Ich dachte, da wäre etwas“, antwortete er ihm und zielte den Tisch unter dem Sonnenschirm an, dort wo er sein Buch abgelegt hatte. „Na und dann wolltest du dich gleich mal vergewissern und bist ins Feld? Wahrscheinlich warst du so laut, dass du es verscheucht hast“, neckte Koyama ihn und riss den Kopf vor Lachen in den Nacken, worauf er nur eine hochgezogene Augenbraue erntete. „Ich habe dich vermisst, Ryo. Ich halte es nicht mal eine Woche aus, ohne dich… ärgern zu können“, sagte Koyama lächelnd, während er sich auf den freien Stuhl neben Ryo setzte. Dieser antwortete ihm nicht. Er wusste jedes Wort würde Koyama ihm so im Mund umdrehen, dass es nur seiner weiteren Erheiterung dienen würde und genau dies würde er mit einem Schweigen unterbinden. „Buuuu. Nicht lustig! Du hast mich wohl nicht vermisst, wie es den Anschein macht.“ Koyama rückte näher an Ryo heran, der den Eindruck erwecken wollte, von seinem Buch eingenommen zu sein. Davon nicht im Geringsten überzeugt, rückte Koyama noch näher heran. Als Ryo seinen Blick vom Buch hob und Koyama mit einer gespielten Genervtheit anschaute, sagte dieser: „Ich hab dir trotzdem was mitgebracht, obwohl du es nicht verdienst“, und streckte ihm lachend die Zunge aus. „Was machst du, damit ich es dir gebe?“, fragte er höhnisch. „Ich lese mein Buch“, antwortete Ryo unbetroffen. „Einfallslos!“ beschuldigte ihn der sichtlich gut gelaunte andere Mann. „Es liegt oben in deinem Zimmer“, sagte Koyama und zog Ryo mit sich, als er sich erhob und zur Tür ging. Gut gelaunt saß Koyama am nächsten Morgen in Ryos Garten. „Warum trägst du mein Geschenk nicht, Ryo? Sag bloß, es gefällt dir nicht?“, eine leichte Ironie lag in seiner Stimme. „Wie kommst du denn bloß da drauf“, entgegnete ihm Ryo mit demselben Klang in der Stimme. „So etwas Schönes und wertvolles sollte man VERSCHLOSSEN aufbewahren… Weit weg von allen menschlichen Blicken! Natürlich ausschließlich zur Sicherheit des Hemdes.“ Koyama war sichtlich belustigt, schien sein Plan erneut aufgegangen zu sein. Er erhob sich plötzlich nach einem Blick auf seine Uhr. „Ich muss dich jetzt leider verlassen, mein Liebster“, flüsterte Koyama dem Jüngeren ins Ohr, eine Hand auf dessen Schulter. Ryo lief ein leichter Schauder über den Rücken, als sich Koyamas Atem gegen sein Ohr presste. „Ich komme nachher noch einmal vorbei“, sagte er schon im Weggehen. Er drehte sich noch einmal um und rief dem am Tisch sitzendem zu: „Ach. Und lass es nicht für immer im Verschlossenen. Das würde mich zutiefst verletzen!“ Dabei hatte er beide Hände auf der Brust und versuchte eine verletzte Geste zu mimen. Ryo drehte sich unberührt davon wieder zu seinem Buch. Ein breites Lächeln setzte sich auf Koyamas Gesicht und er lies Ryo alleine im Garten zurück. Nach einem kurzen Moment, breitete sich auch auf Ryos Gesicht ein kleines Lächeln aus. „Unverbesserlich dieser Kerl“, sagte er und las weiter. ~~~~~~~~~~~~ „Hach“, stieß er aus, während er es sich auf dem Boden gemütlich machte. „Endlich Ruhe!“ Er steckte die linke Hand hinter seinen Kopf und streckte die langen, schlanken Beine aus. „Gut, dass ihr nicht sprechen könnt“, sagte er zu den Blumen rings um ihn herum. Er schloss die Augen und genoss die Sonne auf seiner Haut. Die frische Luft wirkte beruhigend und er sog den süßlichen Duft der Blumen ein, erneut und erneut, bis ihn eine Befriedigung überkam und er lächelnd dahin träumte. ~~~~~~~~~~~~ Ryo hob den Blick von seinem Buch. Seine Augen blickten nun auf das Sonnenblumenfeld, das in strahlenden Farben leuchtete. Die Blumen stießen eine Ruhe aus, so wie sie sich da sanft im Wind wogen. Er klappte das Buch zusammen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, den Blick nicht von den Sonnenblumen abwendend. Es genügte ihm in diesem Moment dem leichten Tanzen der Blumen zu zuschauen. Er blieb so für einen Augenblick. In vollkommener Zufriedenheit. „Huh?“, es durchzuckte ihn. Irgendetwas war falsch an diesem Bild. Die Blumen im hinteren Teil des Feldes wogen sich heftig zu allen Seiten und hatten nichts mehr von dieser vorher versprühten Gelassenheit. Ryo erhob sich rasch aus seiner bequemen Sitzposition und ging schnellen Schrittes in Richtung des Blumenfeldes. Er hatte es so eilig, dass er nicht einmal Zeit fand die Tür des Zauns zu öffnen, sondern mit einer simplen Bewegung hinüber sprang. Er mühte sich durch die Sonnenblumen und es erschien ihm, als müsse er dieses Mal mehr Kraft anwenden. Es konnte ihm nicht schnell genug gehen. Er wollte dieses Mal dieses Etwas nicht entwischen lassen. Er war sich sicher, dass es dasselbe wie vom Vortag war. Es musste es einfach sein. Er wollte nicht als Spinner dastehen. Seine Arme wurden langsam schwerer und jedes beiseite Schieben der Sonnenblumen schien seine Kraft allmählich schwinden zu lassen. Er stolperte einige Male und konnte mittlerweile seinen schweren Atem nicht mehr kontrollieren und musste pausieren, um wieder zu Luft zu kommen. Doch ruhte er sich nur kurz aus, denn er hatte ein Ziel, das er schnellstmöglich erreichen wollte. Er schob ein paar Sonnenblumen auseinander und da erblickte er es direkt vor seinen Füßen. „Das ist der falsche Platz für ein Nickerchen“, sagte Ryo. Stille folgte. „Hier kannst du nicht schlafen“, versuchte er erneut. Doch wieder bekam er keine Reaktion. Er seufzte und kniete sich vor die auf dem Boden liegende Person, die ihm den Rücken zugedreht hatte. „Hallo. Ich wiederhole mich nur ungerne und wenn du dich jetzt nicht…“, er streckte die Hand der anderen Person entgegen, fest entschlossen diese wach zu rütteln. In diesem Moment erstarrte er. Der Mann im Gras drehte den Kopf zur Seite und einige Haare fielen nach Hinten. Ryo bemerkte sofort die weißen Ohrstöpsel. „Kein Wunder, dass du nicht reagierst.“ Er startete einen neuen Versuch die Person mit einem Schütteln auf sich aufmerksam zu machen. „I love you.“ Ryo erstarrte wieder. „Oh yeah, Babe“, sang die Person. Was wollte er tun? Er wusste es nicht mehr. Er wusste nur eins. „Sprich noch einmal.“ Seine Stimme klang bettelnd. Doch der Fremde tat nichts. „Sprich noch einmal“, wiederholte er dieses Mal energischer. Doch es blieb still. „Sprich!“, schrie er. „Er muss nicht sprechen. Das einzige, was er muss, ist hier zu verschwinden!“ Die Worte die Ryo erhielt, klangen schroff, doch sie kamen nicht aus der erwarteten Richtung. Ryo drehte sich um und sah Koyama neben sich stehen. Er hob Ryo aus seiner Haltung und seine Figur warf dabei einen Schatten auf die fremde Person. Langsam öffnete dieser die Augen und richtete sich plötzlich ruckartig auf, als er die beiden Fremden vor sich stehen sah. „Verdammte Scheiße! Ich hab mich verjagt!“, brüllte er ihnen entgegen und zog sich die Stöpsel aus den Ohren. Ungläubig starrten Ryo und Koyama ihn an und waren unfähig nur das Geringste darauf zu antworten. Der Fremde stand auf und fand sich nun Ryo gegenüber. Ryo war gefesselt. Erst jetzt sah er, die vollkommene Schönheit dieser Person, die er eben noch versucht hatte, aufzuwecken. Es war, als legten die Augen des Fremden einen Bann auf ihn. Er konnte nicht hören, nicht denken. Er konnte nur sehen. Und das was er sah, war wunderschön. Er blickte in dunkle, große Augen, die von einem Glanz strahlten, den er zuvor noch bei keinem menschlichen Wesen erlebt hatte. Er lächelte augenblicklich. „Huhu?“ Der Fremde wedelte mit einer Hand vor Ryos Gesicht herum. „Ist dein Freund dumm oder ist er immer so?“, fragte der Unbekannte Koyama. „Wieso starrt der denn so? Ich krieg davon schon eine Gänsehaut. Äh!“ Koyama konnte ihm nicht antworten. Er kannte Ryo so selbst noch nicht. Ryo war in Trance und wie es schien, würde er so schnell nicht wieder bei Sinnen sein. Er wandte sich wieder dem anderen zu. „Ich weiß es nicht“, gestand Koyama. „Aber das ist nicht wichtig. Wer auch immer du bist, du darfst hier nicht sein. Das ist Privatgrundstück. Also geh jetzt.“ Der andere schaute ihn verwundert an. „Verdufte. Mach die Biege. Husch, husch“, fügte Koyama hinzu. „Ich bin nicht dämlich, im Gegensatz zu manch anderen von uns“, und deutete mit einer Kopfbewegung auf Ryo, der noch immer wie gelähmt dastand. „Da ist kein Schild mit Betreten verboten, also hab ich hier gechillt“, antwortete der Jüngere. Koyama blickte ihn erstaunt an. „Da ist ein Zaun!“, rief er, lauter als gewollt war. Der andere lachte nur, steckte seine Kopfhörer in jedes Ohr und machte mit einem Handzeichen deutlich, dass er sich verabschiedete. „Unglaublich so etwas!“, kam es aus Koyamas Mund, während er sich Ryo zuwendete. Dieser befand sich immer noch in demselben Zustand. „Hey. Aufgewacht!“, rief er und schnipste mit den Fingern vor Ryos Nase. „Aufgewacht, Hübscher. Sonst vernasch ich dich. Hier und jetzt!“, kicherte Koyama, der anscheinend seine gute Laune sofort wieder erlangt hatte, nachdem der Fremde die Bildfläche verlassen hatte. Die Androhung funktionierte und Ryo kam langsam wieder zu Bewusstsein. „Wer?... Wer war das?“, fragte er mit lang gezogenen, leisen Worten, nachdem er aus seinen Träumen vollständig erwacht war. Er war in eine andere Welt eingetaucht, unmittelbar nachdem er in die Augen des fremden Mannes geblickt hatte. Er dachte über verschiedene Situationen mit diesem Mann nach. Wie es sein würde, wenn Ryo nach Hause käme und von ihm mit einem strahlenden Lächeln um die Augen empfangen werden würde. Wie es sein würde, wenn er aus Osaka nach Hause anrief und diese zarte Stimme ihn seinen harten Arbeitstag vergessen lassen würde. Wie es sein würde, wenn eine Umarmung dieses Mannes seinen Kummer lindern würde und zahlreiche andere Momente kamen ihm in den Sinn. Koyama konnte ihm diese Frage nicht beantworten und zuckte nur mit den Schultern. „Vielmehr was war mit dir?“, konterte er, drehte ihn und schob ihn sanft in Mitten der Sonnenblumen hinein und zurück Richtung Garten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)