Irgendetwas war da von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Das erste Treffen ---------------------------- Irgendetwas war da, das spürte er. Doch sah er aus dieser Entfernung nichts, was nach irgendwas oder irgendwem aussah. Die Sonnenblumen waren zu groß, um eine Gestalt ausfindig zu machen. Er legte das Buch auf den Tisch, rückte den Stuhl zurück und ging mit ruhigen Schritten zur Tür des Zaunes, der das Blumenfeld vom restlichen Garten abtrennte. Die Sonnenblumen standen dicht beieinander und erschwerten ihm das Durchkommen. Nach ein paar Minuten kam er dort an, wo kaum Blumen standen. Hier war das Stück Boden hart und unfruchtbar. Solche Flecken gab es im Sonnenblumenfeld überall. Und hier vermutete er das Ziel. Verwundert schaute er auf den Boden. ~~~~~~~~~~~~ Der Grashalm bewegte sich hin und her, jedes Mal, wenn er mit der Zunge gegen kam. Es war angenehm, die Kühle des Bodens unter sich zu spüren und trotzdem von den Sonnenstrahlen erwärmt zu werden. Es war die perfekte Balance. Die Sonnenblumen standen hoch, doch es fiel genug Licht auf ihn. Er streckte seine rechte Hand der Sonne entgegen. Reckte die Finger zu allen Seiten und schloss diese dann zu einer Faust. „Noch nicht verheilt“, sagte er leise zu sich, als der Schmerz kurz nach der Bewegung einsetzte. Er seufzte und legte sich die Hand auf die Brust. „Ich hasse es“, zischten die Worte aus seinem Mund und er schloss die Augen. ~~~~~~~~~~~~ Er starrte auf den Boden. „Wieso ist hier nichts?“, fragte sich der schlaksige, dunkelhaarige Mann. „Ich hätte schwören können…,“er beendete den Satz nicht, stattdessen drehte er sich in alle Himmelsrichtungen, die Augen zusammengekniffen, um schärfer sehen zu können. Doch es änderte nichts daran, dass er sich getäuscht hatte. „Ich spinne wohl schon vor Langeweile!“ Mit einem leichten Sprung versuchte er über die Blumen zu sehen, um den direkten Weg zurück zu erhaschen. „War ja klar. Linkstick!“, sagte er und schob die Sonnenblumen auseinander, um sich seinen Weg zurück zu bahnen. „Ich bin es nicht mehr gewöhnt sich in diesem Feld zurecht zu finden!“ Eine Sonnenblume nach der anderen ließ er hinter sich, bis er den Zaun erreicht hatte. Er warf noch einen Blick nach Hinten. „Wo kommst du denn her?“, begrüßte ihn eine Stimme. „Hm?“, erstaunt blickte er den Mann an. „Ach du bist es Koyama. Aus dem Feld. Ich dachte, da wäre etwas“, antwortete er ihm und zielte den Tisch unter dem Sonnenschirm an, dort wo er sein Buch abgelegt hatte. „Na und dann wolltest du dich gleich mal vergewissern und bist ins Feld? Wahrscheinlich warst du so laut, dass du es verscheucht hast“, neckte Koyama ihn und riss den Kopf vor Lachen in den Nacken, worauf er nur eine hochgezogene Augenbraue erntete. „Ich habe dich vermisst, Ryo. Ich halte es nicht mal eine Woche aus, ohne dich… ärgern zu können“, sagte Koyama lächelnd, während er sich auf den freien Stuhl neben Ryo setzte. Dieser antwortete ihm nicht. Er wusste jedes Wort würde Koyama ihm so im Mund umdrehen, dass es nur seiner weiteren Erheiterung dienen würde und genau dies würde er mit einem Schweigen unterbinden. „Buuuu. Nicht lustig! Du hast mich wohl nicht vermisst, wie es den Anschein macht.“ Koyama rückte näher an Ryo heran, der den Eindruck erwecken wollte, von seinem Buch eingenommen zu sein. Davon nicht im Geringsten überzeugt, rückte Koyama noch näher heran. Als Ryo seinen Blick vom Buch hob und Koyama mit einer gespielten Genervtheit anschaute, sagte dieser: „Ich hab dir trotzdem was mitgebracht, obwohl du es nicht verdienst“, und streckte ihm lachend die Zunge aus. „Was machst du, damit ich es dir gebe?“, fragte er höhnisch. „Ich lese mein Buch“, antwortete Ryo unbetroffen. „Einfallslos!“ beschuldigte ihn der sichtlich gut gelaunte andere Mann. „Es liegt oben in deinem Zimmer“, sagte Koyama und zog Ryo mit sich, als er sich erhob und zur Tür ging. Gut gelaunt saß Koyama am nächsten Morgen in Ryos Garten. „Warum trägst du mein Geschenk nicht, Ryo? Sag bloß, es gefällt dir nicht?“, eine leichte Ironie lag in seiner Stimme. „Wie kommst du denn bloß da drauf“, entgegnete ihm Ryo mit demselben Klang in der Stimme. „So etwas Schönes und wertvolles sollte man VERSCHLOSSEN aufbewahren… Weit weg von allen menschlichen Blicken! Natürlich ausschließlich zur Sicherheit des Hemdes.“ Koyama war sichtlich belustigt, schien sein Plan erneut aufgegangen zu sein. Er erhob sich plötzlich nach einem Blick auf seine Uhr. „Ich muss dich jetzt leider verlassen, mein Liebster“, flüsterte Koyama dem Jüngeren ins Ohr, eine Hand auf dessen Schulter. Ryo lief ein leichter Schauder über den Rücken, als sich Koyamas Atem gegen sein Ohr presste. „Ich komme nachher noch einmal vorbei“, sagte er schon im Weggehen. Er drehte sich noch einmal um und rief dem am Tisch sitzendem zu: „Ach. Und lass es nicht für immer im Verschlossenen. Das würde mich zutiefst verletzen!“ Dabei hatte er beide Hände auf der Brust und versuchte eine verletzte Geste zu mimen. Ryo drehte sich unberührt davon wieder zu seinem Buch. Ein breites Lächeln setzte sich auf Koyamas Gesicht und er lies Ryo alleine im Garten zurück. Nach einem kurzen Moment, breitete sich auch auf Ryos Gesicht ein kleines Lächeln aus. „Unverbesserlich dieser Kerl“, sagte er und las weiter. ~~~~~~~~~~~~ „Hach“, stieß er aus, während er es sich auf dem Boden gemütlich machte. „Endlich Ruhe!“ Er steckte die linke Hand hinter seinen Kopf und streckte die langen, schlanken Beine aus. „Gut, dass ihr nicht sprechen könnt“, sagte er zu den Blumen rings um ihn herum. Er schloss die Augen und genoss die Sonne auf seiner Haut. Die frische Luft wirkte beruhigend und er sog den süßlichen Duft der Blumen ein, erneut und erneut, bis ihn eine Befriedigung überkam und er lächelnd dahin träumte. ~~~~~~~~~~~~ Ryo hob den Blick von seinem Buch. Seine Augen blickten nun auf das Sonnenblumenfeld, das in strahlenden Farben leuchtete. Die Blumen stießen eine Ruhe aus, so wie sie sich da sanft im Wind wogen. Er klappte das Buch zusammen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, den Blick nicht von den Sonnenblumen abwendend. Es genügte ihm in diesem Moment dem leichten Tanzen der Blumen zu zuschauen. Er blieb so für einen Augenblick. In vollkommener Zufriedenheit. „Huh?“, es durchzuckte ihn. Irgendetwas war falsch an diesem Bild. Die Blumen im hinteren Teil des Feldes wogen sich heftig zu allen Seiten und hatten nichts mehr von dieser vorher versprühten Gelassenheit. Ryo erhob sich rasch aus seiner bequemen Sitzposition und ging schnellen Schrittes in Richtung des Blumenfeldes. Er hatte es so eilig, dass er nicht einmal Zeit fand die Tür des Zauns zu öffnen, sondern mit einer simplen Bewegung hinüber sprang. Er mühte sich durch die Sonnenblumen und es erschien ihm, als müsse er dieses Mal mehr Kraft anwenden. Es konnte ihm nicht schnell genug gehen. Er wollte dieses Mal dieses Etwas nicht entwischen lassen. Er war sich sicher, dass es dasselbe wie vom Vortag war. Es musste es einfach sein. Er wollte nicht als Spinner dastehen. Seine Arme wurden langsam schwerer und jedes beiseite Schieben der Sonnenblumen schien seine Kraft allmählich schwinden zu lassen. Er stolperte einige Male und konnte mittlerweile seinen schweren Atem nicht mehr kontrollieren und musste pausieren, um wieder zu Luft zu kommen. Doch ruhte er sich nur kurz aus, denn er hatte ein Ziel, das er schnellstmöglich erreichen wollte. Er schob ein paar Sonnenblumen auseinander und da erblickte er es direkt vor seinen Füßen. „Das ist der falsche Platz für ein Nickerchen“, sagte Ryo. Stille folgte. „Hier kannst du nicht schlafen“, versuchte er erneut. Doch wieder bekam er keine Reaktion. Er seufzte und kniete sich vor die auf dem Boden liegende Person, die ihm den Rücken zugedreht hatte. „Hallo. Ich wiederhole mich nur ungerne und wenn du dich jetzt nicht…“, er streckte die Hand der anderen Person entgegen, fest entschlossen diese wach zu rütteln. In diesem Moment erstarrte er. Der Mann im Gras drehte den Kopf zur Seite und einige Haare fielen nach Hinten. Ryo bemerkte sofort die weißen Ohrstöpsel. „Kein Wunder, dass du nicht reagierst.“ Er startete einen neuen Versuch die Person mit einem Schütteln auf sich aufmerksam zu machen. „I love you.“ Ryo erstarrte wieder. „Oh yeah, Babe“, sang die Person. Was wollte er tun? Er wusste es nicht mehr. Er wusste nur eins. „Sprich noch einmal.“ Seine Stimme klang bettelnd. Doch der Fremde tat nichts. „Sprich noch einmal“, wiederholte er dieses Mal energischer. Doch es blieb still. „Sprich!“, schrie er. „Er muss nicht sprechen. Das einzige, was er muss, ist hier zu verschwinden!“ Die Worte die Ryo erhielt, klangen schroff, doch sie kamen nicht aus der erwarteten Richtung. Ryo drehte sich um und sah Koyama neben sich stehen. Er hob Ryo aus seiner Haltung und seine Figur warf dabei einen Schatten auf die fremde Person. Langsam öffnete dieser die Augen und richtete sich plötzlich ruckartig auf, als er die beiden Fremden vor sich stehen sah. „Verdammte Scheiße! Ich hab mich verjagt!“, brüllte er ihnen entgegen und zog sich die Stöpsel aus den Ohren. Ungläubig starrten Ryo und Koyama ihn an und waren unfähig nur das Geringste darauf zu antworten. Der Fremde stand auf und fand sich nun Ryo gegenüber. Ryo war gefesselt. Erst jetzt sah er, die vollkommene Schönheit dieser Person, die er eben noch versucht hatte, aufzuwecken. Es war, als legten die Augen des Fremden einen Bann auf ihn. Er konnte nicht hören, nicht denken. Er konnte nur sehen. Und das was er sah, war wunderschön. Er blickte in dunkle, große Augen, die von einem Glanz strahlten, den er zuvor noch bei keinem menschlichen Wesen erlebt hatte. Er lächelte augenblicklich. „Huhu?“ Der Fremde wedelte mit einer Hand vor Ryos Gesicht herum. „Ist dein Freund dumm oder ist er immer so?“, fragte der Unbekannte Koyama. „Wieso starrt der denn so? Ich krieg davon schon eine Gänsehaut. Äh!“ Koyama konnte ihm nicht antworten. Er kannte Ryo so selbst noch nicht. Ryo war in Trance und wie es schien, würde er so schnell nicht wieder bei Sinnen sein. Er wandte sich wieder dem anderen zu. „Ich weiß es nicht“, gestand Koyama. „Aber das ist nicht wichtig. Wer auch immer du bist, du darfst hier nicht sein. Das ist Privatgrundstück. Also geh jetzt.“ Der andere schaute ihn verwundert an. „Verdufte. Mach die Biege. Husch, husch“, fügte Koyama hinzu. „Ich bin nicht dämlich, im Gegensatz zu manch anderen von uns“, und deutete mit einer Kopfbewegung auf Ryo, der noch immer wie gelähmt dastand. „Da ist kein Schild mit Betreten verboten, also hab ich hier gechillt“, antwortete der Jüngere. Koyama blickte ihn erstaunt an. „Da ist ein Zaun!“, rief er, lauter als gewollt war. Der andere lachte nur, steckte seine Kopfhörer in jedes Ohr und machte mit einem Handzeichen deutlich, dass er sich verabschiedete. „Unglaublich so etwas!“, kam es aus Koyamas Mund, während er sich Ryo zuwendete. Dieser befand sich immer noch in demselben Zustand. „Hey. Aufgewacht!“, rief er und schnipste mit den Fingern vor Ryos Nase. „Aufgewacht, Hübscher. Sonst vernasch ich dich. Hier und jetzt!“, kicherte Koyama, der anscheinend seine gute Laune sofort wieder erlangt hatte, nachdem der Fremde die Bildfläche verlassen hatte. Die Androhung funktionierte und Ryo kam langsam wieder zu Bewusstsein. „Wer?... Wer war das?“, fragte er mit lang gezogenen, leisen Worten, nachdem er aus seinen Träumen vollständig erwacht war. Er war in eine andere Welt eingetaucht, unmittelbar nachdem er in die Augen des fremden Mannes geblickt hatte. Er dachte über verschiedene Situationen mit diesem Mann nach. Wie es sein würde, wenn Ryo nach Hause käme und von ihm mit einem strahlenden Lächeln um die Augen empfangen werden würde. Wie es sein würde, wenn er aus Osaka nach Hause anrief und diese zarte Stimme ihn seinen harten Arbeitstag vergessen lassen würde. Wie es sein würde, wenn eine Umarmung dieses Mannes seinen Kummer lindern würde und zahlreiche andere Momente kamen ihm in den Sinn. Koyama konnte ihm diese Frage nicht beantworten und zuckte nur mit den Schultern. „Vielmehr was war mit dir?“, konterte er, drehte ihn und schob ihn sanft in Mitten der Sonnenblumen hinein und zurück Richtung Garten. Kapitel 2: Plötzliche Nähe -------------------------- Koyama lag auf einer Liege im Garten, als Ryo durch die Tür des Zaunes ging. „Wieso wundert mich die Richtung aus der du kommst nicht?“, fragte er Ryo und schob sich die Sonnenbrille zurecht. Ryo schaute verlegen zur Seite und setzte sich auf seinen Stuhl unter dem Sonnenschirm. „Er wird nicht mehr dorthin kommen“, sagte Koyama und schob sich den Strohhalm des Cocktails in den Mund. „Ist auch besser so“, fügte er hinzu. „Sonst bist du wieder in einer anderen Welt.“ Er kicherte und Ryos Gesicht schien eine rötliche Farbe anzunehmen, die nicht auf die Sonne zurück zu führen war. Seine Augen schauten traurig auf das Buch vor ihm. „Wieso kommt er nicht?“, dachte er sich. „Ich will ihn nur noch einmal sehen! Einmal hören!“ „Hey.“ Eine Stimme dicht an seinem Ohr riss ihn aus seinen Gedanken. Koyama war nur Zentimeter von Ryos Gesicht entfernt. Er hatte sich mit den Armen auf Ryos Schultern gelehnt. „Wie wärs, wenn wir heute Abend Trinken gehen? Damit du auf andere Gedanken kommst?“, bot ihm Koyama an. „Nicht in der Stimmung“, erwiderte Ryo ohne dabei seine Enttäuschung zu verbergen. „Gut, gut, gut. Dann nicht! Du verpasst meinen super Hüftschwung, den ich nur guten Freunde präsentiere. Tegoshi hat…“ Ryo hörte Koyamas Worten nicht mehr zu. Seine Gedanken schweiften wieder zum Sonnenblumenfeld zurück. „Ich will in diese Augen blicken!“, dachte er sich wieder. „Okay. Ich gehe jetzt! Ruf mich an, wenn du es dir anders überlegt hast?“, hörte Ryo Koyama sagen und im nächsten Augenblick war dieser schon in der Villa verschwunden. Ryo schaute auf das Feld. Es lag still vor ihm. Keine Bewegungen, die ihm das Kommen des Fremden anzeigten. Er war enttäuscht. Er wollte diese Augen und diese Stimme doch nur noch ein einziges Mal sehen und hören. War das denn zu viel verlangt? Wieso konnte ihm dieser eine simple Wunsch nicht erfüllt werden? Er hatte in seinem Leben nichts Falsches gemacht. Er war immer ein Sohn, auf den die Eltern stolz sein konnten. Er war ein fleißiger Arbeiter und seine Mutter war so stolz auf ihn, dass sie ihn zum Erben der Firma machen wollte. Verdiente er es denn nicht, dass ihm wenigstens ein Wunsch erfüllt werden würde? Er verstand es nicht. Bei jeder noch so kleinen Veränderung im Feld wurde Ryo aufmerksam, doch alles schien nur sein Wunschdenken zu sein. Jedes Mal, wenn er zurück aus dem Feld kam, wurde er betrübter. „Koyama hat Recht. Er wird nicht kommen.“ Und nur wenige Augenblicke später geschah es. Ryo traute seinen Augen nicht. War es wieder eine seiner Wunschvorstellungen? Er musste sich überzeugen, dass es nicht nur seine Einbildung war. Er stürmte durch das Feld. Die Kraft, die ihn auf einmal durchströmte, schien ihm unerklärlich. Und er konnte nicht lange überlegen, wie es dazu kam, denn in dem Augenblick als seine Augen die des Fremden trafen, war alles Denken unmöglich. „Ah. Mist!“, begrüßte ihn der Fremde. „Dann geh ich mal lieber wieder!“ Der Unbekannte war schon dabei sich zu erheben. „Nein!“, rief Ryo. Es wunderte ihn, dass er noch sprechen konnte, doch schob er schnell die Verwunderung beiseite, denn er konnte diese Chance nicht so leicht davon kommen lassen. „Rufst du jetzt etwa die Polizei und ich soll solange auf die warten?“, grinste ihn der Fremde an. Ryo verstand nicht, was er wollte, doch ihm war das auch egal. Er war froh, ihn wiederzusehen. Einen Moment sagten beide nichts und schauten sich nur an. „Gut“, sagte der Unbekannte, „war nett sich mit dir zu unterhalten, aber ich muss jetzt weg… meine Handtasche aufräumen“, er konnte sich ein weiteres Grinsen nicht verkneifen. Bei dem dummen Kerl konnte er sich solche Sprüche erlauben, dachte er sich. „“Wieso kommst du immer hierher?“, fragte Ryo ihn plötzlich. „Ein klarer Gedanke. WOW! Ich bin stolz auf dich“, dachte Ryo im Stillen über sich. Der Unbekannte war sehr erstaunt über diese Frage. Er brauchte einen Moment zum Antworten und es erstaunte ihn noch mehr, als er ihm ehrlich sagte „Der Ruhe wegen! Hier bin ich alleine. Keiner, der etwas von mir möchte oder mir etwas vorschreibt. Keiner, der mir irgendwelche Lügen mit einem Lächeln auftischt und meint, die Welt ist ein einziger toller Ort. Keiner, nur ich und die Sonnenblumen.“ Ryo lies die ganze Zeit seinen Blick nicht von dem Fremden und da dieser seine Antwort beendet hatte und Ryo nichts hinzufügte, lag Stille zwischen den beiden. „Nun. Jetzt bist du aber da“, er lächelte dabei, „und für mich ist hier kein Platz mehr. Bye“, verabschiedete er sich schon. „Nishikido Ryo ist mein Name.“ Der andere schaute ihn überrascht an. „Äh. Schön, schön!“ Er wusste nicht recht, wie er darauf reagieren sollte. „Also, mach’s gut, RYO“, mit einem Winken drehte er Ryo den Rücken zu. „Du kannst bleiben“, sagte Ryo und hielt den anderen an seiner Jacke zurück. Er wollte nicht so verzweifelt klingen, doch er war schon froh, dass er überhaupt etwas heraus brachte. Der Unbekannte drehte sich mit einem verschmitzten Lächeln um. „Unter welcher Bedingung?“ „Be… Bedingung?“, stotterte Ryo verschüchtert. „Ja. Es muss doch eine Bedingungen geben. Dein Freund hat mir letztes Mal klar gemacht, dass ich hier nicht willkommen bin und nun sagst du mir, ich kann hier bleiben?“ Ryo schaute ihn unwissend an. Er hatte das Gespräch zwischen den beiden nicht mitbekommen, da er anscheinend wirklich sehr tief in Gedanken war. Er musste unwirrkürlich lachen. Nun war es an der Reihe des Fremden verwundert zu schauen. Ryo schüttelte den Kopf und als er den anderen nur erwartungsvoll anschaute, sagte dieser „Yamashita Tomohisa. Das bin ich.“ „Äh. Nett deine Bekanntschaft zu machen, Yamashita Tomohisa“, gab Ryo zur Antwort. Darauf musste Yamashita lachen. „Nur Fremde und meine Eltern nennen mich so. Du kannst Yamapi sagen“, bot er ihm an und setzte sich zu Boden. Ryo folgte ihm. Yamapi war verwundert, dass er ihm gleich diesen Namen anbot, denn Ryo war nichts als ein Fremder für ihn. Doch er konnte an ihm nichts Fremdes spüren. „Nishikido also. Kein Wunder, dass das riesige Feld Privatgrundstück ist.“ Yamapi lächelte Ryo an und dieser nickte ihm nur zu. „Aber als Besitzer der weltweit größten und gefragtesten Automarke braucht ihr doch dieses Feld nicht.“ Yamapi schaute in den blauen Himmel über ihnen. „Das Feld gehörte meinem Vater.“ Er liebte Sonnenblumen“, antworte Ryo ihm und konnte dabei seine Augen nicht von diesem schönen Geschöpf lassen. „GEHÖRTE?“, fragte Yamapi. „Musste er es aus finanziellen Gründen verkaufen, oder was?“, er lachte bei diesem Gedanken. „Er ist verstorben“, gab Ryo kurz zurück. Yamapi blickte nun in Ryos blasses Gesicht. „Das tut mir leid“, brachte er endlich heraus. „Verdammt. Gleich ins Fettnäpfchen getreten. Wie blöd von mir. Moment mal, ich werde ihn eh nicht mehr wiedersehen“, dachte Yamapi. Beide saßen eine ganze Weile nebeneinander und schwiegen. Yamapi beobachtete den Himmel, das Starren des anderen schien ihn dabei nicht zu stören. Ryo war froh ungestört das makellose Gesicht erkunden zu können. Sein Blick wanderte von den dunklen, hypnotisierenden Augen, die teilweise von dem braunblondem Haar verdeckt wurden, zu der kleinen, feinen Nase, über die sanfte, leicht gebräunte Haut der Wangen, bis hin zu den vollen, rosa Lippen. Hier blieb sein Blick lange ruhen und er fragte sich, wie sich dieser kleine Mund anfühlte und ob er es jemals heraus finden würde. „Aus welchem Grund bist du hier?“, durchbrach Ryo endlich das Schweigen, da Yamapi in seinen Gedanken versunken war. „Huh?“, bekam er als erste Antwort. Ryo sah, dass Yamapis unbeschwerte Gesichtszüge sich veränderten. Seine Augen wanderten herum und hielten dann plötzlich. Yamapi richtete seinen Blick nun ganz auf Ryo, doch seine Augen schienen ihm sagen zu wollen, dass jedes weitere Nachhaken nichts Gutes bewirken würde und Ryo wollte nicht riskieren den jungen Mann wegen einer dummen Frage nie wieder zu sehen. „Äh… Also… Schönes Wetter heute, nicht?“, versuchte Ryo das Thema zu wechseln. Yamapi musste laut lachen. Hatte Ryo seinen Blick deuten können? Hatte er wirklich verstanden, was er wollte bzw. nicht wollte? War er wirklich nicht so neugierig wie die anderen? Als Ryo mit einem gezwungenen Lächeln die Stimmung erneut aufzubessern versuchte, sagte Yamapi „Du bist anders, als ich dich eingeschätzt habe.“ Er lächelte ein schiefes Lachen und sah dabei so unbeschwert und fröhlich aus. „Ich hoffe, nur zum Besseren“, gab Ryo zurück und stimmte in Yamapis herzliches Lächeln ein. Ryos warmes und strahlendes Lächeln war eins, das die ganzen dunklen Ecken der Welt auf einmal erhellen könnte und jeden in seiner Nähe anstecken würde. Yamapi durchkam in diesem Augenblick das Verlangen dieses freundliche Gesicht berühren zu wollen. Ein Gesicht, das alle Gefühle und Gedanken wiederspiegelte. Ein Gesicht, das nicht lügen könnte. Ein Gesicht, so unschuldig und zart. Er hob die rechte Hand und streckte sie Ryos Wange entgegen. Ein Stich durchzog seine Hand und mit schmerzverzehrten Zügen zog Yamapi ruckartig seine Hand zurück. „Was war das? Was wollte er in diesem Moment tun?“, dachte er sich. Er erkannte sich nicht. Ryo beobachtete, wie Yamapi mit einem ratlosen Gesicht vom Boden aufstand. Er verzog ein krampfhaftes Lächeln, bevor er sagte: „Es ist spät. Ich muss gehen.“ „Deine Handtasche aufräumen?“ Ryo zwinkerte dabei und Yamapi konnte sich nicht mehr Halten vor Lachen. „Es tut mir leid.“ Ryo nickte. „Bis bald, Nishiki…. Nein. Bis bald, Ryo.“ „Bis bald, Yamapi“, verabschiedeten sich beide. Kapitel 3: Wer wir sind ----------------------- „Hey, das ist mein Ruckzugsort“, kam es von oben. Ryo öffnete seine Augen, um einen breit grinsenden, jungen Mann zu sehen. Yamapi hatte eine große, dunkle Sonnenbrille auf der Nase, dessen runde Gläser die von Ryo so geliebten Augen verhüllten. Ryo betrachte den anschaulichen Mann. Die blondbraunen Haare waren gewellt und fielen ihm über die Stirn, so dass sie besonders auf der rechten Seite die schönen Augen verdeckten. Es war klar zu erkennen, dass sich unter der schwarzen Lederjacke und dem dünnen Stoffshirt mit der Aufschrift „Short But Sweet" ein wohlgeformter Körper verbergen musste. Schon am Tag zuvor, als Ryo den Nachmittag neben diesem attraktiven Mann verbracht hatte, bemerkte er die muskulösen Arme unter dem Pullover. Sie ließen ihn erahnen, dass auch der Rest durchtrainiert und fehlerlos sein musste. Ryo blickte an Yamapi hinunter. Eine schwarze Jeans schmiegte sich eng an seinen schlanken Beinen ihren Weg hinab, betonte Yamapis Körperkonturen perfekt und ließ ihn größer wirken. Yamapi nahm die Sonnenbrille ab und Ryo konnte nun endlich die wundervollen Augen betrachten, die eine unbeschreibliche Unschuld wiederspiegelten und voll von einem warmen Glanz waren, wie er fand. „Und das ist mein Sonnenblumenfeld“, gab Ryo zurück, als Yamapi sich neben ihn hinlegte. Er lachte. „Wenn das so ist, darfst du bleiben“, scherzte er, während Ryo sich auf die Seite drehte, um den anderen besser fokussieren zu können. Für einen kurzen Zeitraum lagen beide schweigend da und nur der plötzliche Seufzer Yamapis war zu vernehmen, als dieser sich zu Ryo auf die Seite drehte. Er verzog die sinnlichen Lippen zu einem Lächeln und schloss die Augen. „Ich könnte auf der Stelle neben dir einschlafen.“ Ryo überlegte, bevor er antwortete: „Super, meine Gesellschaft ist also ziemlich einschläfernd.“ Yamapi riss geschockt die Augen auf, während er den Kopf leicht vom Boden hob und Ryo anschaute. „Quatsch!“ Er ließ sich wieder zu Boden sinken, doch dieses Mal ließ er die Augen geöffnet. „Ich weiß, du würdest über mich wachen.“ Ryo blieb bei diesem Satz der Mund offen stehen. Was hatte er getan, dass ihm solch ein Vertrauen entgegen gebracht wurde? „Schau nicht so verwirrt. Man kann dich wirklich schnell durchschauen. Du bist ein guter Mensch, das weiß ich.“ Yamapi schloss die Augen wieder und blieb still. Auch Ryo brachte kein Wort mehr heraus. Er schaute in dieses friedliche Gesicht und das Verlangen, die einzelnen Haarsträhnen aus Yamapis Gesicht zu streichen, überkam ihn und er musste sich stark zurück halten, um ihm nicht nachzugeben. „Hey, du wirst hier jetzt nicht ernsthaft schlafen, oder?“ Er wollte seine Hand auf Yamapis Schulter legen, um seine Worte durch ein kräftiges Schütteln zu verstärken, als er kurz davor jedoch stockte. Es kam keine Antwort zurück und er konnte es nicht übers Herz bringen, den schlafenden Mann zu wecken. „Von wegen über dich wachen. Du wirst dich erkälten und ich kann kaum etwas dagegen tun“, sagte er seufzend, als er die Hand wieder zurück zog. Dass Yamapi darauf glücklich lächelte, bemerkte er nicht. Ein kaltes Gefühl auf der Hand weckte Yamapi aus seinem wohltuenden Schlaf. Als er die Augen langsam öffnete, sah er Ryo friedlich neben sich schlafen. Er hatte sich fast vollständig zusammen gerollt und nur seine rechte Hand hatte den Weg zum restlichen Körper nicht gefunden. Sie lag kalt und blass auf Yamapis. „Dummkopf!“, flüsterte er. „Wer wird sich hier von uns beiden erkälten?“ Er zog seine Hand vorsichtig unter Ryos hervor und streifte sich die Lederjacke ab, um damit den frierenden Mann an seiner Seite zu bedecken. Kaum lag das wärmende Kleidungsstück auf ihm, schmiegte er sein Gesicht hinein und brachte damit bei Yamapi ein fürsorgliches Lächeln zum Vorschein. Nach einer kleinen Weile gesellte sich Yamapi wieder zu Ryo auf den Boden. Automatisch legte sich sein Blick auf die schlafende Person und er fing unbewusst an, ihn intensiv zu betrachten. Yamapis Blick wurde von den vollen, geschwungenen Lippen angezogen, die in diesem Moment aussahen, als lächelten sie. Sie waren zartrosa und nur ein leichter blauer Schimmer lag auf ihnen, da vermutlich die Kälte überhand gewann. Yamapi benetzte sich die Lippen und musste schwer Schlucken, als Ryo ihm leicht den Kopf entgegen streckte und sich dabei sein Mund öffnete. Yamapi spürte ein leichtes Kribbeln in seiner Hand, das sich bis zu seinem Magen ausbreitete. Wie von Geisterhand geleitet, streifte er sacht mit seinem Zeigefinger über die prallen Lippen, so dass sein Atem unregelmäßiger wurde, bis er ihn vollständig anhielt, um durch das ständige Heben und Senken des Brustkorbes nicht ausversehen mit seinem Zeigefinger zu viel Druck auf die Lippen auszuüben. An keiner Frau… Nein, an keinem menschlichen Wesen hatte er zuvor solch verführerische Lippen gesehen. Er hob den Finger, um wieder atmen zu können. Jetzt fiel sein Blick auf die geschlossenen Augen, die von schwarzen, dichten und langen Wimpern umrandet waren. Vorsichtig platzierte er seinen Finger dort. „So weich“, dachte er sich. Sein Finger wanderte Ryos Nasenrücken entlang, über die sinnlichen Lippen, bis zu seinem Kinn. Dort blieb er stehen, doch Yamapis Blick war schon längst weiter gezogen. Er sah, wie sich unter dem schwarzweiß kariertem Baumwollhemd Ryos Brust hob und senkte, doch er wagte es nicht, seinen Zeigefinger dort hinüber gleiten zu lassen. In dem Augenblick als Yamapi seinen Finger von Ryos Haut entfernte, öffnete dieser seine Augen. Er musste mehrmals blinzeln, bis er vollständig erwacht war. Yamapi begrüßte ihn mit einem Lächeln. „Gut geschlafen?“, fragte er. Ryo fuhr sich mit der Hand durchs glatte, schwarze Haar. „Wieso hast du mich nicht aufgeweckt, wenn du schon wach bist?“ Yamapi verzog die Lippen zu einer Grimasse, bevor er schließlich antwortete: „Aus demselben Grund wie du.“ Ryo schob die Augenbraunen tiefer ins Gesicht. „Vorhin hast du mich auch nicht aufgeweckt.“ Er wollte darauf antworten, doch schlagartig merkte Ryo, dass etwas seinen Körper bedeckte. Er senkte seinen Blick und erkannte die Lederjacke, die Yamapi vorhin getragen hatte. Prompt richtete er sich auf, die Jacke mittlerweile in beiden Händen haltend. „Ähm. Ähm….“ Die Röte überfiel sein Gesicht und er rang verzweifelt nach den passenden Worten. Yamapi nahm ihm indessen die Jacke aus der Hand. „Gern geschehen!“, sagte er mit einem freundlichen Lächeln. Nach ein paar Sekunden konnte Ryo endlich ein „Danke“ heraus bringen. „Wie es aussieht, konnte ich nicht über dich wachen.“ Die Enttäuschung in seinem Gesichtsausdruck war genau zu erkennen. „Es geht nicht nur darum“, entgegnete ihm Yamapi. „Dass du da warst, hat mir vollkommen gereicht. Ich habe mich sicher und wohl gefühlt. So hast du über mich gewacht.“ In Ryos Augen bildeten sich Tränen, die er krampfhaft versuchte zu unterbinden. Er konnte sich so nicht vor Yamapi sehen lassen. Dieser würde ihn für ein sentimentales Weichei halten und das war er normalerweise nicht. Er lachte über dieses Zugeständnis. „Du dürfest nie aufhören zu lachen“, sagte Yamapi zu ihm, „Dein Lächeln ist so wunderschön!“ Ryo errötete über dieses Kompliment, doch im nächsten Augenblick lenkte er mit einem „Wenn du so weiter machst, denk ich noch, du willst was von mir“ von seiner offensichtlichen Freude ab und schaute Yamapi schief an, der die Augen nun weit aufriss und beide brachen sogleich in großes Gelächter aus. „Sonnenblumen?“ Yamapi schaute den verwirrten Ryo an. „Dein Vater mochte sie anscheinend sehr. Also, warum Sonnenblumen?“ Als Ryo über die Antwort nachdachte, breitete sich ein kleines, unscheinbares Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Sie sehen einfach und gewöhnlich aus, doch sie bringen so viel Wärme mit sich. Das satte Gelb, das saftige Grün und das kräftige Braun. Sie erinnern an einen warmen, fröhlichen Sommertag. Weißt du, mein Vater meinte, dass Sonnenblumen im Gegensatz zu anderen Blumen nicht so hochnäsig oder arrogant wären. Sie würden auf ihrem hohen Thron sitzen und würden durch ihre Stacheln kaum eine Berührung zulassen. Sonnenblumen sind nicht so. Sie sind bodenständig. Sie wollen nicht die Schönsten sein und mit anderen konkurrieren.“ Yamapi bemerkte den liebevollen Ton in dem Ryo sprach. „Du magst sie auch, nicht wahr?“ Ryo nickte ohne dabei Yamapi anzusehen. Bei dem letzten Satz, den Ryo aussprach, musste Yamapi an sich denken. Er selbst wollte derzeit nicht der Beste sein und mit anderen im Konkurrenzkampf stehen. Abgesehen davon war er momentan absolut nicht in der körperlichen Verfassung dafür. Aber auch er war ein einfacher und gewöhnlicher Musiker, wie er selber fand und laut Ryo steckte so viel Wärme in seinen Augen. Yamapi hatte anscheinend so einiges gemeinsam mit den Sonnenblumen, die Ryo so liebte. „Die Zeit ist ganz schön schnell vergangen“, sagte Yamapi, als er sich zu Ryo umdrehte. „Wenn wir jetzt nicht aufbrechen, sind wir ganz schön spät daheim.“ Ryo schüttelte den Kopf. „Das mag für dich gelten. Ich wohne direkt hinter diesem Feld. Wenn du in diese Richtung gehst“, er deutete mit seiner Hand in Richtung Norden, „dann kannst du mein Haus kaum verfehlen. Das sind höchstens ein paar Meter.“ „Ach so. Das ist gut. Moment mal…“ Yamapi fiel gerade Ryos Wortwahl auf. „DEIN Haus?“ Ryo musste lachen über die Verwunderung im Gesicht des anderen. „Ja, ich wohne dort alleine. Vorrübergehend allerdings nur.“ Yamapi konnte mit dem Anhang nicht wirklich viel anfangen, fragte aber auch nicht weiter nach, da er sich sicher war, Ryo meine damit, dass seine Familie auf Geschäftsreise oder Ähnlichem wäre und demnächst wieder dort einkehren würde. „Wird sich bei dir aber nicht jemand sorgen machen, dass du so spät noch unterwegs bist?“ Yamapis Blick war leer, als er den Kopf schüttelte. „Niemand.“ Ryo legte seine Hand auf dessen Schulter. „Na aber ich mach mir Sorgen. Sorgen, dass so du zu solch einer späten Stunde auf der Straße von wildfremden Menschen angesprochen wirst. Man weiß nie, was die so im Hinterkopf haben.“ Er nickte, um seine Worte zu bestätigen. In Yamapis Gesicht lag deutliche Verwunderung. „In welcher Zeit …“ Er merkte, dass Ryo ihn angrinste und musste sogleich los lachen, als ihm klar wurde, dass das nur ein Scherz gewesen war. „Du hast mich. Dieses Mal habe ich dich nicht durchschaut.“ „Das ist immer so bei mir.“ „Nein, eher das Gegenteil. Du kannst furchtbar schlecht deine Gedanken und Gefühle verbergen. Ich würde glatt sagen, du wärst ein miserabler Schauspieler.“ Er lachte, doch Ryo stimmte nicht mit ein. Er verschränkte die Arme vor der Brust, wandte den Kopf von Yamapi ab, so dass dieser sein Gesicht nicht sehen konnte und schmollte. „Hey, dafür hast du bestimmt andere Qualitäten.“ Yamapi hielt sich mittlerweile den Bauch vor Lachen, da Ryo immer noch den Beleidigten gab. Er behielt sein Schauspiel bei, wollte Uer doch unbedingt Yamapi vom Gegenteil überzeugen. Ein Klopfen auf dessen Schulter, brachte das Fass zum Überlaufen. Ryo erhob sich, entfernte sich ein Stück von Yamapi und machte mit seinen Bewegungen deutlich, dass er gehen wollte. Yamapi schaute überrascht auf. Sein Lachen war verstummt und er schaute überrascht zu Ryo. Als er sah, dass der andere gehen wollte, griff er nach seiner Hand und zog ihn rückartig nach Hinten. Völlig überrumpelt von dieser plötzlichen Aktion verlor Ryo das Gleichgewicht und fiel. Ryo öffnete die Augen und bemerkte, dass er weich gelandet war. Er war unmittelbar auf Yamapi gefallen, der ihn nun mit beiden Händen festhielt. Roys Augen weiteten sich und stumme Schreie durchfluteten seinen Kopf. Sein ganzer Körper brannte von der Berührung des anderen, sein Atem war außer Kontrolle und sein Herz versuchte sich seinen Weg aus seiner Brust zu schlagen. „Verdammt, steh auf!“, durchkam ihm ein klarer Gedanke. Ryo erhob sich blitzschnell aus der vorherigen Position und setzte sich neben Yamapi auf den Boden, sein glühendheißes Gesicht von ihm abgewendet. „Geh noch nicht“, bat Yamapi ihn mit heiserer Stimme. Dieser plötzlicher Zusammenprall und dann noch diese Worte brachten Ryos Gefühlswelt komplett durcheinander und er konnte keinen klaren Gedanken in seinem sonst so rational denkenden Kopf fassen. Yamapi legte eine Hand auf Roys Schulter, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Hey, das mit vorhin. Es tut mir leid! Ich wollte dir nicht weh tun.“ Seine Worte klangen ehrlich und dennoch besorgt. Ryo atmete tief ein. „Ist… Ist schon okay. Ich brauche nur kurz einen Moment. Es … Es liegt aber nicht an dir.“ Das war das Dümmste, was er je gesagt hatte, so hatte er zumindest das Gefühl. Und es war weit von der Realität entfernt. „Ja klar.“ Yamapi pausierte und überlegte, ob es jetzt sinnvoll wäre weiter zu sprechen oder den anderen im Glauben zu lassen, er kaufe ihm seine Worte ab. „Es tut mir leid“, wiederholte er. Ryo versuchte indessen seine Vitalwerte wieder auf Normalkurs zu bringen, was ihm gründlich misslang. „Ahhh, du bist einfach zu süß!“, brachte Yamapi heraus, bevor er Ryo in eine feste Umarmung zwang. Er verstärkte seinen Griff, während er tief den Duft des Älteren einsog. Nach ein paar Sekunden befreite er sein unfreiwilliges Opfer und erhob sich. „So, ich werde jetzt los.“ Er blickte auf den verstummten Mann auf dem Boden und lachte. „Komm schon. Wir sind zwar zwei Männer, aber das war doch nur eine Umarmung unter Freunden. So etwas ist üblich und du musst nicht so schauen, als hätte deine Seel dich soeben verlassen.“ Er bückte sich hinunter und visierte Ryos Gesicht an. „Ich geeeheee jetzt! Wir sehen uns morgen an gleicher Stelle. Mach’s gut!“ Mit einem Zwinkern erhob er sich und ließ Ryo zurück. Er hatte ihm zwar gesagt, es wäre nur eine Umarmung unter Freunden, dennoch stimmte ihn diese sehr glücklich. Er fühlte sich danach viel lebendiger und freier. So als ob er endlich die Grenzen durchbrochen hatte, die ihn bis eben zurück gehalten hatten. Yamapi war froh, dass er diesen jungen Mann kennen gelernt hatte. Er machte sein Leben viel erträglicher und das erste Mal seit langer Zeit würde er morgens Freude strahlend aufwachen, da er genau wusste, dass er Ryo sehen würde. Diese schlaksige Gestalt versuchte ihn nicht zu etwas zu zwingen, was er nicht wollte. Sie war fürsorglich, freundlich und vor allem belog sie ihn nicht. Ja, es lang nicht nur daran, dass sich alles in Ryos Gesichtszügen widerspiegelen würde und es so unmöglich für ihn war Yamapi eine Lüge aufzutischen. Nein, Ryos Persönlichkeit war direkt und ehrlich. Yamapi seufzte, seine Schritte wurden schneller und er fing an zu laufen, während er seine Arme spreizte und lächelnd davon flog. Kapitel 4: Näher kommen ----------------------- „Nishikido Ryo!“ kam Koyama ins Zimmer gerannt. Er öffnete die Tür mit solch einer Wucht, dass sie mit einem lauten Knall gegen die Wand donnerte. Ryo sprang in seinem Bett auf. Er wusste nicht, was geschah. Seine weit geöffneten Augen fixierten Koyama, der vor ihm stand, die Hände in den Hüften. Er seufzte, bevor er anfing. „Ich erhielt gerade einen nicht so erfreulichen Anruf von deiner Mutter.“ Er hielt inne und warf Ryo einen böse gemeinten Blick zu. „Die wiederum hatte heute Morgen schon mit DEINEM Arzt gesprochen. Sieht wohl so aus, als ob du… Nein, wir beide in Schwierigkeiten stecken. Was sagst du zu deiner Verteidigung?“ Koyamas Blick bohrte sich durch Ryo. Dieser wusste immer noch nicht was los war, wurde er ja erst gerade aus seinem Traum gerissen. „Verstehe.“ Koyama richtete einen Zeigefinger auf Ryo. „Du bevorzugst es zu schweigen.“ Er ging zum Fenster und hatte dabei die Finger ans Kinn gelegt. Im Umdrehen sagte er: „Das bringt dir aber nichts. Ich weiß Bescheid. Deine Mutter hat am Telefon keine einzige Kleinigkeit ausgelassen. Ich glaube sie traut mir jetzt nicht mehr so viel zu.“ Er grinste dabei. „Mein Auftrag ist klar. Also, raus aus den Federn, du Schlafmütze. Nach dem Frühstück geht’s zum Arzt.“ Er erhob den Zeigefinger erneut, als er merkte, dass Ryo endlich etwas zu dem Ganzen sagen wollte. „Ah, ah. Keine Widerworte! Deine Mutter war eindeutig! Und ich will sie nicht verärgern. Um ehrlich zu sein, ich habe Angst vor ihr“, er lachte Ryo an, bevor er sich auf ihn zu bewegte. „Los jetzt! Du hast einen Termin um 9 Uhr!“, Koyama zog Ryo am Arm, damit dieser endlich aufstand. „Mir geht es gut“, setzte er an. „Ich brauche nicht mehr zum Arzt.“ Koyama hob beide Augenbrauen und blickte Ryo unüberzeugt an. „Ach, sind wir jetzt hier der Experte, mein Herr? Entschuldige, aber ich habe es doch glatt nicht mitbekommen, als du dein Diplom in der Medizin erhalten hast.“ Er lachte über seinen eigenen Witz. „Ich glaube dein Arzt wird wohl aus einem guten Grund deine Mutter angerufen haben und deshalb“, er zog erneut an Ryos Arm, „deshalb gehst du heute hin. Und ich sorge dafür, egal wie!“ Seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln. Ryo blickte Koyama missmutig an. Aber ihm blieb nichts anderes übrig. Koyama hatte diese Hartnäckigkeit an sich, die Ryo manchmal zur Weißglut brachte und er hatte im Moment keine Lust auf Diskussionen. „Habe ich eine Wahl?“, fragte Ryo, die Antwort bereits wissend und erhielt nur ein breites Grinsen. „Es war nichts ernstes“, sagte Ryo, als er sein Zimmer betrat mit Koyama im Schlepptau. Er zog sein Sakko aus und steuerte seinen Schrank an, um in etwas Bequemeres zu schlüpfen. „Nichts Ernstes? Dein Arzt macht sich Sorgen, weil du deine Medizin nicht abholst und du sagst mir es ist nichts Ernstes?“, Koyama lies sich in den Sessel in der Ecke des Zimmers sinken. Er wollte gerade weiter reden, als ein Klingeln ihn unterbrach. „Ja, bitte“, sprach Ryo in den Hörer. „Ja Mutter. Ich war da. Koyama hat dafür gesorgt.“ Koyama schaute Ryo an, der sich auf das Gespräch konzentrierte. „Ja, es wird nicht wieder vorkommen, Mutter“, versicherte er. Eine Weile schwieg er. „Ich verstehe. Ich werde da sein“, sagte er und beendete das Telefonat. Koyama schaute ihn fragend an, während Ryo zurück zum Schrank kehrte und sich eine verwaschene Jeans heraus holte. „Was ist das für eine Verabredung?“, kam es von hinten. Kühl antwortete Ryo: „Sie will, dass ich jemanden treffe.“ „Eine SIE?“, fragte Koyama unwissend darüber, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Ryo schloss den letzten Knopf seiner Hose, ging auf Koyama zu und blieb vor ihm stehen. Nur ein kleiner Spalt trennte die Gesichter. Ryo lachte plötzlich auf. „Das geht dich gar nichts an“, sagte er ihm und schwang sich gut gelaunt zur Tür. Koyama war im ersten Moment sprachlos wegen des plötzlichen Stimmungsumbruches. „Eh? Was ist denn mit dir?“, fragte er und folgte Ryo nach draußen. Doch Ryo gab ihm keine Antwort, stattdessen ging er sichtlich erheitert die breite Mahagonitreppe hinab und zielte direkt die gläserne Wand an. Er öffnete die Tür und trat in den Garten hinaus. Koyama hatte etwas Mühe mit ihm Schritt zu halten. Plötzlich blieb er stehen. Er sah, dass Ryo unmittelbar das Sonnenblumenfeld anvisierte. „Du willst zu ihm?“, rief er Ryo hinterher. Ryo drehte sich mit ganzem Körper zu Koyama, so dass seine Arme leicht hin und her schwenkten, nickte mit einem breiten Grinsen im Gesicht und beschleunigte sein Tempo. Koyama sah Ryo zu, wie dieser über den Zaun sprang und im Feld verschwand. Da war etwas in seinem Herzen, dass er nicht kannte. Er spürte zum ersten Mal in seinem Leben ein starkes Unwohlsein. Ryo war so glücklich und er war nicht der Grund dafür. Es schmerzte ihn, als ihn der Gedanke überkam, dass Ryo ihn nicht mehr brauchen könnte. Dass er ohne ihn viel glücklicher ist. Dass er nun ganz alleine dastand. Ryo fand schnell zu dem Platz, an dem er und Yamapi sich das letzte Mal getrennt hatten. Sein Lächeln schwand, als er sah, dass dieser nicht da war. „Vielleicht ist es noch zu früh“, dachte er sich und setzte sich auf den harten Boden. „Ich werde hier auf dich warten, auch wenn es eine Ewigkeit dauern sollte, bis du kommst“, sagte er sich und legte sich zufrieden zurück. Die Sonne hatte längst den Zenit überschritten und es war schon Späternachmittag, als Ryo noch immer im Blumenfeld lag. Er war alleine. Yamapi war nicht gekommen. Ryo stieß einen Seufzer aus. „Es wird Zeit“, sagte er schweren Herzens und richtete sich auf. Er wartete noch einen Augenblick und ging dann in die dichten Sonnenblumen. „Hey. Nur weil ich komme, musst du doch nicht gehen“, hielt ihn eine Stimme zurück. Ryo blieb wie angewurzelt stehen. „Yamapi“, schoss es ihm durch den Kopf. Er drehte sich um und tatsächlich stand dieser vor ihm und grinste ihn an. „Magst du meine Gesellschaft also nicht mehr, was?“, neckte Yamapi ihn und setzte sich zu Boden. Ryos Augen folgten ihm. „Was ist? Hast du deine Zunge verschluckt?“, fragte ihn Yamapi, als Ryo immer noch kein Wort gesprochen hatte. Ryo war so glücklich Yamapi zu sehen, dass er ganz vergessen hatte, wie man einen normalen Satz bildete. Endlich schenkte er ihm ein Lächeln und sagte: „Ich dachte du kommst nicht mehr.“ Er nahm neben Yamapi am Boden Platz und für eine Sekunde berührten sich die Finger beider. Ryos Herz fing sofort an zu rasen. Er blickte Yamapi mit großen Augen an, doch dieser schien von der flüchtigen Berührung nicht betroffen zu sein. Er spürte ein leichtes Brennen im Gesicht und wendete sich von Yamapi ab. „Ich bin einfach nicht weggekommen“, sagte Yamapi in die Blumen hinein. Er sagte nichts weiter. Als Ryos rasendes Herz sich etwas beruhigt hatte, wagte er sich wieder Yamapi anzuschauen. Dieser blickte noch immer in die Blumen vor sich und schien von seinen Gedanken abgelenkt zu sein. Plötzlich blickte Ryo in Yamapis Augen, so dass vor lauter Überraschung Ryo seine Augen weit aufriss. Sie verharrten in dieser Position für einige Sekunden, bis Yamapi Ryo fragend anschaute. „Willst du gar nicht den Grund wissen?“ „Wenn du drüber reden wolltest, hättest du es schon längst gemacht“, bekam Yamapi zurück. Er lachte, hatte er Ryos Direktheit und Ehrlichkeit für einen kurzen Moment vergessen. „Also entweder du bist uninteressiert oder“, Yamapi kam näher an Ryos Gesicht heran, kniff seine Augen zusammen und blickte tief in die des anderen. Ryos Kehle schnürte sich augenblicklich zu und er konnte nur noch wenige Atemzüge machen. Er spürte Yamapis Atem auf seinem Gesicht. Er war ihm so nah. „Oder du bist eine Ausnahme“, beendete Yamapi seinen Satz und rückte wieder zurück. „Nein. Ich bin interessiert“, kam es aus Ryo geschossen. Er wurde rot bei diesem Geständnis. Yamapi lachte. „Ich finde nur, dass es mir nicht zusteht dir Fragen zu stellen.“ Yamapi schaute verwirrt. „Nun, weil ich ein Fremder bin. Ich will dich nicht durch Fragen quasi dazu zwingen mir Sachen aus deinem Leben anzuvertrauen.“ Ryo blickte zu Boden. Er wollte nicht, dass Yamapi ihn so sah, denn die Röte sprang ihm wieder ins Gesicht. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass du kein Fremder bist“, entgegnete ihm Yamapi. Ryo schaute verblüfft auf. Hatte er das? „Ah. Ich seh schon. Du weißt es nicht mehr. Yamapi. So dürfen mich nur Freunde nennen“, er verzog dabei ein Lächeln. Ryos Gesicht strahlte sofort und er hätte Yamapi am liebsten umarmt, doch wollte er ihm nicht zu nah treten und diesen Moment dadurch zerstören. Zudem hatte er sich gerade von dem gestrigen Zusammenprall erholt und einen weiteren würde er nicht verkraften, vermutete er. „Ich bin 24 Jahre alt. Ich habe keine Geschwister und meine Eltern sind beide Musiker und ich sehe sie kaum. Ich wohne also alleine in unserer riesigen Wohnung“, sagte er mit einem ernsten Ausdruck. „Ich war vorhin beim Arzt und er wollte mich nicht gehen lassen. Ich muss noch das untersuchen und dies. Halt was Ärzte so sagen“, er versuchte mit einem Lächeln dem Gespräch die Ernsthaftigkeit zu nehmen. „Noch Fragen?“, sagte er Ryo anlächelnd. „Darf ich?“, zögerte dieser. Yamapi bestätigte mit einem kurzen Nicken. „Wieso warst du beim Arzt?“ Und schon wollte er, dass er es nicht ausgesprochen hätte, denn Yamapis Gesichtszüge wurden wieder härter. Einen Moment dauerte es, bis er seine rechte Hand Ryo entgegen streckte. „Ich kann sie kaum mehr richtig benutzen“, sagte er mit traurigen Augen. Beide blickten auf die langen Finger und die glatte, zarte Haut. Ohne zu zögern umschloss Ryo sie mit seinen Händen. Yamapi blickte überrascht auf, als Ryo sanft mit seinen Fingern über Yamapis Hand fuhr. Er ging so vorsichtig damit um, als ob er glaube, sie könne jeden Moment zerbrechen. Er strich über jeden der schlanken Finger und erkundete jede Linie, bis er sie langsam schloss und liebevoll Yamapi anblickte. Dieser hatte in dieser Zeit seinen Blick nicht von Ryo nehmen können. Überrascht zuckte Ryo zusammen, als ob er soeben von etwas gestochen worden wäre. „Äh“, stotterte er. „Es tut mir leid“, und schob Yamapi seine Hand entgegen. Verschämt schaute er zur anderen Seite. Stille füllte die Zeit aus. „Ich hatte einen Unfall“, begann Yamapi wieder, „als ich auf dem Weg zu einem Auftritt war. Der Fahrer des anderen Autos ist direkt in mich reingefahren. Mein rechter Arm wurde dabei am schwersten verletzt. Das war vor 7 Monaten.“ Er schaute in den Himmel, der wolkenlos über ihnen stand. Ryo blickte zu Yamapi. „Jetzt kann ich nicht mehr spielen“, seufzte er den Kopf im Nacken. „Wo eine Tür sich schließt, öffnet sich eine andere“, entgegnete ihm Ryo entschlossen. Yamapi lachte überrascht auf. „Du bist wirklich eine Ausnahme. So ganz anders als die anderen.“ „Ist das ein Kompliment?“, fragte Ryo grinsend. „Um“, nickte Yamapi zustimmend und beide lachten. Die Dämmerung war schon fast komplett abgeschlossen, als beide immer noch im Sonnenblumenfeld saßen und sich unterhielten. Ohne die wärmenden Strahlen der Sonne, blies der Wind jetzt kälter und Ryo hielt beide Arme fest verschlungen um den Körper. „Wir sollten gehen“, schlug Yamapi vor. „Du frierst schon.“ Ryo blickte ihn nur an. Er wollte nicht, dass dieses Zusammensein ein Ende nahm. Er wollte sich nun weiter so ungezwungen mit Yamapi unterhalten und mehr von ihm erfahren. „Wie ein Buch“, sagte er. Ryo wusste nicht, was er meinte und warf ihm einen fragenden Blick zu. Yamapi hatte die Enttäuschung ihn Ryos Gesicht bemerkt. „Man kann in dir lesen wie in einem Buch“, lachte er. Er stand auf und reichte Ryo seine linke Hand. Ryo wusste nicht, ob sein Herz diese Berührung aushalten konnte, doch es reizte ihn viel zu sehr. Er schloss seine Hand fest um die des anderen und dieser zog ihn hoch. Beide standen sich nun gegenüber. „Wir sehen uns dann morgen“, sagte Yamapi und legte seine Hand auf Ryos Schulter. Erfüllt vor Freude, nickte Ryo, als ihn im gleichen Moment die Realität einholte. „Nein“, sagte er plötzlich. „Ich… Ich kann morgen nicht kommen.“ Yamapi schaute ihn an, als ob er darauf wartete, dass noch etwas folgte. Doch es kam nichts. Mit einem halbherzigen Lächeln sagte er:“Na dann sehen wir uns wann anders“, und er hob die Hand zum Abschied und verschwand in den Sonnenblumen. Kapitel 5: Schmerzhafte Wahrheit -------------------------------- Er rannte ins Sonnenblumenfeld, die Hände vor seinem Gesicht verschränkt. Sein Atem war schwer und sein Puls raste. Er wollte nur weg. Weg von allen. Alleine sein und nicht nachdenken und sich rechtfertigen müssen. Er hörte noch die Stimmen seiner Eltern in seinem Kopf wiederhallen. „Tomohisa, du musst deine Übungen ernster nehmen. In 2 Wochen hast du einen Auftritt, so kannst du da nicht erscheinen! Du ruinierst unseren Ruf!“ „Ich halte es nicht mehr aus“, rief er in die Blumen. Er schnappte nach Luft, als er den Platz erreichte. Ryo hatte Recht behalten, er war nicht gekommen. Erschöpft lies er sich zu Boden fallen. Nach ein paar Minuten hatte sich sein Atem immer noch nicht normalisiert. „Verdammt!“, fluchte er. „Wieso verstehen sie es nicht? Sehen sie nicht, wie ich es versuche?“ Er schaute seine rechte Hand an. „Sehen sie es denn nicht?“, er begann zu schluchzen. „Sehen sie ihren eigenen Sohn nicht?“ Tränen liefen seine Wangen hinunter. Er hielt die Hand fest zur Faust verschlossen. Der Schmerz ließ nicht nach und Yamapi schnappte erneut nach Luft. „Verdammt!“, fluchte er aufs Neue. Er lockerte seine Hand und lies sich nach Hinten sinken. Starrend lag er da und versuchte sich auf die Wolken zu konzentrieren und die Stimmen aus seinem Kopf zu verbannen. „Du wirst uns ruinieren!“ „Nimm es ernster!“ echote es wider. „Waaaaha!“, wütend verschlug er die Arme vor den Augen. „Es schmerzt!“, sagte er und lachte kurz als Reaktion auf diese Erkenntnis. „Es schmerzt in meinem Herzen!“, vervollständigte er den Satz. Lange lag er so da, bis der Schmerz nachließ, seine Arme schwer wurden und er sie sich neben seinen Körper legte. Irgendetwas war jetzt anstelle des Schmerzes getreten. Er fühlte sich unvollständig und lustlos. Gedanken von den letzten Tagen erschienen jetzt. „Ryo“, gab er plötzlich von sich. Ryo war am deutlichsten in seinen Gedanken vertreten. Er sah ihn, wie er seine Hand hielt. Seine Hand. Er hob sie sich vors Gesicht und spreizte die Finger. „Ryo.“ Er konnte noch immer das Gefühl seiner Finger auf seiner Haut spüren, wie sie ihn sanft berührten. Yamapi rollte sich auf die Seite und legte sich die Hand auf die Brust. „Wärst du doch jetzt nur hier, Ryo“, sagte er in die Stille. Er war verwundert über diese Sehnsucht, die er nach dem anderen Mann verspürte. Sie kannten sich jetzt nur ein paar Tage, doch es kam ihm vor, als fehlte in diesem Moment ein großes Stück seines Lebens. Verwundert starrte er vor sich hin. „Du würdest mich jetzt mit deiner Art überraschen und auf andere Gedanken bringen, Ryo“, sagte er immer leiser werdend und schloss seine Augen. „Ryo“, flüsterte er noch einmal, bevor er einschlief. Es war sehr kalt geworden, als Yamapi wieder aufwachte. Der Himmel über ihm war pechschwarz und nur vereinzelt sah er Sterne stehen. Sein Arm war eingeschlafen und sein Nacken schmerzte von der schlechten Schlafhaltung. Er schüttelte sich und stand auf. „Du bist also wirklich nicht gekommen“, sagte er in einem traurigen Ton. ~~~~~~~~~~~~ „Ryo.“ „Ryo~“ „Nishikido Ryo.“ Erschrocken wachte Ryo aus seinen Gedanken auf. Er blickte in Koyamas besorgtes Gesicht. „Das hat ganz schön lange gedauert. Hast du das Treffen genossen?“, fragte Koyama ihn. „Uh?“, gab er zur Antwort. „Ah. Mein lieber Ryo hatte Spaß mit jemand anderem als mir. Das tut weh“, grinste er. „Spaß würde ich dazu nicht sagen“, sagte Ryo leise, da es nur für ihn bestimmt war. „Was? Ah. Deine Mutter hat es dir bestimmt schwer gemacht, was?“, wollte Koyama wissen, während er sich ein weiteres Glas bestellte. „Meine Mutter?“, fragte er mit verzogenem Gesicht. „Nun sie hat so eine Art. Schon seit deiner Kindheit hat sie alles so gemacht, wie sie es wollte. Du hattest keine Chance irgendetwas anders zu machen.“ „Ich hatte nie das Verlangen es anders zu machen.“ Verwunderung breitete sich bei Koyama aus. „Nie?“, fragte er. „Nie“, antwortete Ryo ohne Zweifel in der Stimme. Koyama grübelte noch eine Zeit über Ryos Antwort und sagte dann:“ Warst du mit deinen Gedanken eben bei ihr?“ Ryos Gesicht zeigte deutlich, dass er nicht wusste, wovon Koyama sprach. „Nein“, gab er trotzdem zurück. „Ah. Das ist gut!“ Koyama legte eine Hand auf Ryos Schulter und zeigte ihm ein breites Lächeln. „Dann hat sie dich noch nicht ganz eingenommen und es ist noch Platz da drin für deinen besten Freund.“ Er zeigte mit seinem Zeigefinger auf Ryos Stirn. „Hast du dir mich nackt vorgestellt, oder warum warst du so tief versunken“, lies Koyama nicht locker. „Du spinnst wohl“, brachte Ryo heraus, bevor Koyama loslachen musste. „Nein. Ich habe mich nur gefragt, ob Yamapi heute im Feld war.“ Mit leerem Blick schaute er in sein Glas. „Noch einen Whiskey für ihn hier, bitte“ rief Koyama den Barmann zu und drehte sich wieder zu seinem Freund. „Der hat es dir ganz schön angetan, was?“ Besorgnis schwang in seiner Stimme mit und Ryo richtete seinen Blick auf. „Un“, antwortete er. Sie tranken noch eine ganze Weile, doch bei Ryo setzte der Alkohol schneller an und so war es Koyama der seinen Freund nach Hause brachte, da Ryo alleine kaum noch auf seinen Füßen stehen konnte. „Wo willst du hin?“ rief er Ryo hinüber, der sich aus Koyamas Griff befreit hatte. „Ins Feld“, lallte er und fiel gleich ins Gras, als er die Tür öffnete. „Da kommst du nicht an, wenn du so weiter stolperst.“„..ob er da war“, versuchte Ryo Koyama zu erklären. „Was?“, fragte er nach und wollte gerade Ryo beim Aufstehen helfen. „Ich will wissen, ob er da war“, klärte Ryo ihn laut auf. „Du brauchst nicht so zu schreien.“ Besorgt schaute er seinen Freund an, der gerade versuchte alleine vom Boden aufzustehen. „Ryo, das kannst du morgen noch machen“, schlug er ihm vor. „Nein. Ich muss es jetzt…“ Doch er beendete seinen Satz nicht, denn Koyama hatte ihn schon gepackt und in die Villa gezehrt. ~~~~~~~~~~~~ Yamapi stand am Zaun und beobachtete, wie Ryo betrunken umher taumelte. Er wollte diesen gerade begrüßen, als er Koyama den Garten betreten sah. Sofort ließ er seine Hand sinken und verkrampfte. Er konnte erkennen, wie dieser neben Ryo stand und mit ihm redete. Als Koyama sich über Ryo beugen wollte, zuckte Yamapi nach vorne. Er wollte losrennen und Koyamas Hand von Ryo wegreißen, doch plötzlich hörte er, wie Besagter rief: “Ich will wissen, ob er da war.“ Seine Muskeln entspannten sich schlagartig, denn komischerweise wusste er, dass Ryo ihn meinen musste. Er schaute den beiden noch nach, wie sie die Villa betraten und machte sich vergnügt auf den Heimweg. ~~~~~~~~~~~~ „Rise and shine“, rief Koyama als er Ryos Zimmer betrat. Seine Stimme verursachte einen stechenden Schmerz in Ryos Kopf. „Verschwinde!“ „Begrüßt man so seinen Retter in der Not“, witzelte Koyama. „Was für einen Retter in der Not?“ Ryo zog das Kissen weiter über seinen Kopf, um den Sonnenstrahlen, die Koyama jetzt durch die geöffneten Vorhänge hereinließ, zu entgehen. „Auf, auf, mein Hübscher“, sagte Koyama und setzte sich auf Ryos Bett. „Ei, ei. Hat der Arme jetzt einen Kater?“ Er zog einen Schmollmund, während er ihm dabei durch die Haare wuschelte. „Verschwinde“, probierte Ryo es erneut. „Nein.“, erwiderte Koyama und legte sich zu Ryo. Sie blieben ein paar Minuten so liegen, bis Koyama die Stille durchbrach. „Hast du schon die Zeitung von heute gelesen?“ „Wie könnte ich?“, sagte Ryo ins Kopfkissen hinein. „Schade. Da gibt es ein nettes Bild von dir“, erzählte er und blätterte eine Seite um. Ryo durchforstete seinen Kopf nach einem guten Grund dafür, dass die Zeitung sein Bild ablichten könnte, als es ihm plötzlich schauderte. „Das gestrige Treffen!“, stieß er aus und riss Koyama die Zeitung aus der Hand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)