Wenn die Wölfe heulen von Sopschild (und der Schnee schmilzt) ================================================================================ Kapitel 15: Kapitel 15: Zwischen hier und dort ---------------------------------------------- Zwischen hier und dort Ylva schritt über die schneeweißen funkenden Fels. Überall, auf den Bergen, in der Luft, und dem Boden, riefen die Drachen ihren Namen, als hießen sie sie willkommen. Ja, sie hießen sie Willkommen, mit ihren Stimmen, schwer von Sehnsucht nach einer anderen Welt. Es waren viele, so viele. Die Luft vibrierte unter ihren ledernen Schwingen. Die Drachen umgaben sie, wie ein Meer aus Schuppen, das alles andere verschlang - Murtagh, Tarja, der König, alle verschwanden sie und ließen nichts als Sehnsucht zurück. Selbst die Sterne zeigten sich nicht in jener weißen Welt. Diese Welt, so wunderschön, doch war sie geschaffen aus Sehnsucht. Ein eiskaltes Paradies. Ein Leben lang strebte Ylva nach der Erschaffung eines Paradieses, und doch war dieser Himmel ein Ort voller Schrecken. Er brachte alles zurück: die Erinnerungen an den Schmerz, die Angst, das Missverständnis und die Leere in ihrem Herzen. Und plötzlich war sich Ylva nicht mehr sicher. Hatte sie richtig gehandelt? Würde Murtagh Gabatorix besiegen können? Sie wusste es nicht. Sie kannte nicht den Plan der Götter, sie wusste nicht einmal ob hinter all dem ein Plan steckte. Vielleicht geschah alles ohne Plan. Ein Zauber ohne Zauberer. War die Prophezeiung nur die Worte eines verrückten Mannes? „Zauber, kein Zauber. Verrückt, nicht verrückt. du machst dir zu viele Gedanken, was war und was ein wird!“ Die Stimme kam von oben, und als Ylva aufblickte, sah sie einen weißen Wolf auf dem Vorsprung vor sich sitzen. Mit klugen allwissenden Augen sah er sie an, doch die Stimme war die einer alten Frau, eine Stimme, die schon viel erlebt hatte. „Wer bist du?“ Ylvas Stimme klang merkwürdig fremd, als käme sie von einem anderen Ort. Vielleicht war Ylvas Stimme auch an einem anderen Ort. Sagte man nicht, der heulende Wind sei die wehklagende Stimme der Toten? Hatte der Tod Ylvas Stimme genommen, genauso wie ihr Herz? Leise lachte der Wolf. „Nein, dein Herz ist nicht hier. Du hast es selbst weggeworfen.“ „Wer bist du?“, fragte Ylva erneut. Der Wolf bleckte die Zähne. „Rate.“ Langsam fielen die Haare des Wolfes zu Boden, so das die Muskeln offen lagen. Das Gewebe verwandelte sich in dicke weiße Maden, welche davon krochen, bis schließlich das blanke Skelett vor ihr stand und sie anzugrinsen schien. „Du bist der Tod.“ Die Worte kamen nur mühselig über Ylvas Lippen, als wollten sie nicht ausgesprochen werden. Die verbotenen Wörter. „Dies ist einer meiner Namen. Doch bin ich nicht das was ihr euch vorstellt. Ich bin der Anfang und das Ende, die Liebe und der Hass, ich bin das Leben und der Tod. Ich bin der Anfang aller Geschichten und ihr Ende. Dies ist der Ort, an dem alle Geschichten enden. Dies ist der Ort zwischen hier und dort!“ Der Tod wand den Kopf. „Ohne mich wird nichts geboren, weil nichts stirbt. Ich bin das Herz aller Welten. Ich halte den Kreislauf in Bewegung.“, sagte der Wolf durch die Stimme der alten Frau und tausend anderer Stimmen zugleich. „Nichts läuft ohne Plan. Alles hat Konsequenzen. Die Ordnung des Universums muss aufrecht gehalten werden. Galbatorix hat diese Ordnung gestört und muss verschwinden. Doch ist der Alte schlau. Er hat mich überlistet, ich kann ihn nicht holen. So wurde die Prophezeiung geschrieben und mit ihr ein neuer Held geboren. Murtagh!“ Ylva verstand nicht, sie war sich sicher, Murtagh war jenes Kind aus der Prophezeiung, aber warum Murtagh? Lag nicht schon genug Last auf seinen Schultern? Was für Prüfungen hatte ihr Freund noch zu bestehen? Plötzlich schwankte sie. Eine Welle der Sehnsucht überrannte sie. Und dann war sich Ylva dessen sicher, was sie lange ahnte: Ylva hatte ihr Herz bei Murtagh gelassen. Sie hatte es ihm hinterher geworfen. Eine Liebe,die niemals sein konnte und durfte. Zum ersten mal seit Jahren schimmerten Tränen in Ylvas Augen. Sie hatte Murtagh den Weg frei gemacht,doch konnte sie ihm nicht bei stehen. Sie war gefangen in einem eiskalten Paradies, an dem Ort zwischen hier und dort, verdammt dazu die Ewigkeiten zu überdauern und die Welt zu beobachten, aber nicht eingreifen zu können. „Ja, das ist unser aller Los.“, sagte der Tod und mit einem mal wollte Ylva nach dem Wolf greifen und ihm den Hals umdrehen, damit sie die Stimme nicht mehr hören musste, so alt und unbewegt, Spott in jedem Wort. Ylva hielt sich die Ohren zu, doch im Reich der Toten hörte man nicht mit dem Ohren, sondern mit der Seele. Leise hockte sich Ylva auf den Vorsprung und weinte. Sie weinte wie nie zuvor, den Tränen sind das Blut der Seele. Wie konnte sie Murtagh helfen? Wie kann man den Tod überlisten? Zurück in der Gegenwart: Vor sich sah Murtagh den Drachen Shruikan durch die Trümmern kriechen. Das riesige Ungetüm walzte alles unter sich nieder. Schnüffelnd wie ein Hund versuchte der Drache ihre Fährte aufzunehmen. Es war gar nicht nötig zu schleichen. Shruikan war sich ebenso wie Murtagh sicher, das sie ihm nicht entkommen würde. Mit letzter Kraft sprang Murtagh auf und lief zwischen den Beinen des Drachen's durch. Shruikan folgte ihm mühelos und aus Murtaghs Angst wurde blanke Panik. Murtagh betete für ein Wunder, und als wurde er erhört, erschütterte in diesem Moment eine grauenvolle Explosion Urû'baen. Erschrocken blieb der Drache stehen und blickte dümmlich nach oben. Am Horizont erhob sich eine Feuerfront und die mächtigen Türme des Palastes stürzten in die Stadt. Wie ein sterbender Riese fielen die Türme ächzend in die Tiefe und begruben alles unter sich. Eine Lawine aus Geröll und Steinen walzte über die Stadt. Die Diebes-Gilde hatte ihr versprechen gehalten: Eine Ablenkung die selbst das Auge des Königs auf sich zog. Mit einem Satz erhob sich Shruikan in die Luft. Obgleich er seinen Befehl missachtet. Er musste den König retten! Murtagh nutze die Gunst der Stunde. Noch bevor der schwarze Drache den Horizont erreichte, legte sich der Rubinrote zu Murtagh und brachte Tarja, Murtagh und den Ungeboren, mit gleichmäßigen Flügelschlägen davon. Weg von dem Ort des Grauens und den Ketten des Gefangenschaft. Dorn flog über den rasch fließenden Ramr und die weiten Ebenden Alagaesias. Sein Ziel war Feinster, dass die Varden vor wenigen Tagen eingenommen hatten. Murtagh wusste sein Vorhaben war töricht. Er hatte den König der Zwerge ermordet. An seinen Händen klebte Königsblut. Er wurde von de Imperium und den Varden gleichsam gejagt. Seine letzte Hoffnung war Eragon. Er musste seinen Bruder von seiner Unschuld überzeugen und ihn bitten ihm zu verzeihen. Nach zwei Tagen Richtung Feinster hatten sie bereits mehr als 50 Meilen zurück gelegt. Auf der Flachen Ebene ließen sie sich zum Rasten nieder. Früh am nächsten Morgen trat Murtagh, die rauchende Asche des Feuers auseinander und legte ein paar Zweige auf die Reste der Glut. Als kleine rötliche Zungen über den Reisig leckten, schaute er durch den Morgennebel auf den grade noch sichtbaren Weiher in der nähe und dachte an Ylva. Er wusste Ylva war tot, doch war es, als bliebe ein Teil von ihr bei ihm. Er verfluchte sich selbst, hatte er Ylva doch nie von seinen wahren Gefühlen erzählt. Nun war es zu spät! Seufzend ging er mit einem Kessel zum Ufer des klaren Teiches und füllte ihn mit Wasser. Irgendwo im Neben hörte er etwas platschen. Ein Fisch...oder ein Frosch, dachte er zuerst, aber ein Instinkt sagte ihm etwas anderes. Mit raschen Schritten war er wieder im Lager und weckte die anderen. „Psst“, zischte er,“etwas oder jemand kommt.“ Das leise Kratzen von Stahl ertönte, als Murtagh und Tarja ihre Waffen zogen. „Von dort“, hauchte Murtagh und zeigte mit dem Kinn zu Weiher, während er das aufflackernde Feuer mit Wasser aus dem Kessel löschte. Die Glut zischte leise und fügte dem dichten Nebel etwas Dampf hinzu. „Etwas auf der anderen Seite hat einen Frosch veranlasst ins Wasser zu springen. Etwas schleicht sich an.“ Murtaghs Griff um sein Schwertknauf wurde stärker, während er seine Abwehrstellung einnahm. Tarja presste den Beutel mit dem Drachenei fest an sich. „Da!“, flüsterte Tarja, indem sie mit der Spitze ihrer Dolches auf eine Stelle rechts neben dem Weiher zeigte. „Sie kommen.“ Im Nebel gefüllt, glitten Gestalten um das Lager. Murtagh starrte auf die vagen Formen und neigte den Kopf, doch wollte der Nebel sie nicht enthüllen. „Hier drüben“, zischte Murtagh und wies mit Zar'roc nach links. „Da kommen noch mehr.“ „Wie viele insgesamt?“, flüsterte Tarja „Vier. Nein, fünf...sechs“, erwiderte Murtagh, während die Gestalten im Nebel näher kamen. „Hier sind es auch sechs“, sagte Tarja. „Sie bewegen sich im Rudel und auf vier Beinen und sind...Nemesis!“, rief Tarja freudig, als die Wölfin aus dem Nebel trat. Hinter ihr wurden immer mehr Silberwölfe sichtbar. Jeder so groß wie ein Pony, und sie trotteten mit offenen Mäulern, glänzenden weißen Reißzähnen und hängenden Zungen aus dem Nebel in das Lager. Tarja schob ihren Dolch in ihren Gürtel, schlang Nemesis die Arme um den Hals und vergrub das Gesicht in ihrem weichen Fell. Nemesis ließ die Umarmung still über sich ergehen. Während Murtagh sein Schwert zurück in die Scheide steckte, versammelte sich insgesamt zwölf Shrrg um das Lager. Tarja lächelte. „Nemesis, große Schwester, ich habe dich vermisst.“ Ein wolliges Knurren entsprang der Kehle der Wölfin. Die Zeit ist gekommen. , sagte Nemesis mit leiser Stimme. Tarja reichte Murtagh das schwarze Buch der Geheimnisse, welches er vor langer Zeit gestohlen hatte. Die Wölfe streckten ihre Hälse in die Luft und ein ohrenbetäubendes Heulen erklang, welches sich über die gesamte Ebene und ganz Alagaesia zog. Überall in dem Land heulten die Wölfe, ob Shrrg, Steppenwolf oder Götterwolf, ihr Geheul ließ die Erde beben. Murtagh hatte sein Schicksal angenommen. Er würde für das Licht brennen und schon bald alle Völker Alagaesias in ein neues Zeitalter führen. In dem Moment als er die Prophezeiung las, war es ihm klar: Verloren sein und gefunden werden, lagen seit jeher dicht beieinander! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)