Starlight Express: Rusty und Caseys Abentuer 2 von Vegetale (Das zweite Lehrjahr) ================================================================================ Kapitel 11: Aufbruch zur Höhle der ewigen Flammen ------------------------------------------------- Kapitel 11: Aufbruch zur Höhle der ewigen Flammen Am nächsten Morgen war es dann soweit. „Rusty, wach auf.“ sprach Meister Justus und rüttelte die Dampflok an der Schulter. „Mrrhhhh?“ “Es wird Zeit. Sie warten schon draußen auf dich.“ „Wa-was? Aber ich…-hab doch noch gar nicht gefrühstückt!“ Neben Rusty wurde nun auch Casey wach. „Uaaah…geht’s etwa schon los?“ „Ja, Ihr Schlafmützen! Kommt, die Drachen mögen es nicht, wenn man sie zu lange warten lässt.“ Knurrend hievte sich Rusty auf die Beine und rollte zur Kohleschütte. Dort schob er sich hastig einige Kohlebrocken direkt in die Feuerbüchse. „Nimm nicht zu viel. Sonst schleppst Du zu viel Gewicht mit Dir rum. Auf eurem Weg gibt es genug Kohle.“ Nach einer Schnellwäsche zog sich Casey hastig an und eilte dann zu den bereits Wartenden. „So, hier bin ich.“ jappste er. „Dann kommt.“ bemerkte Meister Justus und begab sich zum Höhlenausgang. Diesmal wanderten sie von der Küste weg und immer weiter in die Insel hinein. Hinter diesem Berg warten bereits deine Begleiter. Wir sind gleich da.“ Die kleine Gruppe bog um die Ecke und gelangte in ein weites Tal. Und mitten auf dem steinernen Pfad standen zwei Drachen. Den Ersten erkannte Rusty sofort. „So, da sind wir. Ich hoffe, Ihr musstet nicht zu lange warten.“ erklärte Meister Justus. „Na ja….“ knurrte eine tiefe Stimme. „Das sind Fafnar und Galathea. Sie werden dich zu der Höhle der ewigen Flammen führen.“ stellte der Schlosser die beiden gut zweieinhalb Meter hohen Fabelwesen vor. „Beim Starlight, ich vergesse immer, wie riesig die sind, wenn man direkt vor Ihnen steht!“ schluckte Casey. Rusty nickte. Fafnar war ein großer, kräftiger Drache von feuerroter Farbe. Er hatte ein grimmiges, entschlossenes Gesicht und ein zähnestarrendes Maul. Seine langen Hörner bogen sich an den Spitzen nach unten, ein kleineres Horn ragte vorne zwischen seinen Nasenlöchern heraus. „Oh nein! Ausgerechnet der! Der hat mich schon bei unserer Ankunft immer so finster angestarrt!“ raunte Rusty Casey zu. Galathea war ein schlankes hellbraun gefärbtes Weibchen mit einem sanften Blick und großen dunklen Augen. Zwei Drachen, wie sie nicht gegensätzlicher hätten sein können. „Aber nicht alle sind so groß wie wir, junger Lehrling.“ erklärte Galathea und lächelte. „Halt dich an sie, Kumpel. Sie ist bestimmt sehr nett.“ flüsterte Casey Rusty ins Ohr. „Bist Du bereit, kleiner Feuerbruder?“ fragte Galathea. Die Dampflok nickte. „Dann folge uns. Wir werden während der ganzen Reise nicht von unseren Flügeln Gebrauch machen.“ „Wie lange werden wir unterwegs sein?“ „Das hängt ganz von Dir ab.“ brummte Fafnar. „Meister Justus…“ Beide Drachen neigten Ihre Köpfe zum Abschied und stapften los, Rusty verabschiedete sich ebenfalls rasch von seinem Lehrling. „Das wird schon, Kumpel. Hab keine Angst.“ versuchte Casey seinem Lokpartner Mut zu machen. Rusty nickte nur seufzend und rollte dann hastig hinter seinen Führern her, was wegen der schlechten Wegverhältnisse gar nicht so einfach war. Casey blickte besorgt zu den rauchenden Vulkanen weiter im Innern der Insel. „Dort oben ist die Höhle des ewigen Feuers. Sie werden einige Zeit unterwegs sein.“ erklärte Meister Justus. „Die sehen mir aber ziemlich aktiv aus! Können die ausbrechen?“ „Die Feuerkobolde sorgen schon dafür, das sie nicht ausbrechen.“ „Feuerkobolde? Ich kenne bisher nur Sumpfkobolde. Drei haben mir letztes Jahr das Leben gerettet.“ „Dann hast Du ihre nächsten Verwandten kennengelernt. Bloß könnten sie es in einem Vulkan niemals aushalten. Die Feuerkobolde jedoch leben im Innern der Vulkane. Sie sind die einzigen Wesen, die diese Hitze aushalten können.“ „Verstehe.“ nickte Casey, während sie langsam zurückgingen. Auf einmal entdeckte Casey zwei mit Gras überwachsene Grabhügel. „Wer liegt dort begraben? Das sind doch Grabhügel, oder?“ Meister Justus nickte. „Das waren meine Vorgänger. Sie hatten sich wie ich für ein Leben hier entschieden und auch hier ihre letzte Ruhe gefunden.“ „Verstehe.“ „Und jetzt wollen wir uns mal ans Werk machen und uns den Zustand von Rustys Komponenten ansehen.“ Erklärte Meister Justus. „Stimmt, jetzt können wir uns die Teile auch innen genau ansehen.“ „Der Überwurf und die Handschuhe dienen einzig zum Schutz. Und die werden wir jetzt ein wenig aufpeppen. Dann braucht er wirklich keine Angst mehr zu haben, sich zu verbrennen.“ „Auf-peppen?-Wie denn?“ „Warts ab. Du wirst schon sehen. Die Drachen werden uns dabei helfen. Indirekt.“ „Aha. Ich finde es immer noch schade, das ich Rusty nicht begleiten darf. Ich mache mir ein wenig Sorgen.“ „Hab keine Angst, es passiert ihm nichts. Schließlich ist er ihr kleiner Feuerbruder. Und Du wirst mir hier helfen. Rustys Oberteil muss dringend gesäubert werden und auf Schäden untersucht werden. Morgen dann werden wir das Material besorgen und die Komponenten aufarbeiten.“ Also arbeitete Casey fleißig mit Meister Justus in der Werkstatt, sodaß sie bis zum Mittag mit allem fertig waren. „Sehr gut. Und weil Du so fließig warst, gibt es nach dem Mittagessen eine besondere Überraschung.“ „Echt? Was denn, Meister?“ „Hehe, wenn ich es jetzt verraten würde, wäre es doch keine Überraschung mehr.“ „Stimmt auch wieder.“ seufzte Casey. Nach dem Mittagessen und als die Küche aufgeräumt war, stieg Casey mit Meister Justus eine aus den Felsen gehauene Treppe nach oben. „Wo gehen wir eigentlich hin?“ „Nach oben, auf die Plattform.“ „Plattform?“ „Dieser Berg hat einen abgeflachten Gipfel, den meine Vorgänger noch weiter geebnet haben. Und Du wirst auch gleich sehen, warum.“ Meister Justus hatte gerade die letzten Stufen erklommen und schritt auf einen Ausgang zu. Tatsächlich befand sich außen eine etwa zwei mal drei Meter große Felsplattform. Casey erkannte, das nachträglich der Fels bearbeitet worden war um die große Fläche zu schaffen. Neben dem Höhlenzugang war eine Eisenstange in den Boden gerammt worden, am oberen Ende besaß sie eine Öse und an dieser war ein länglicher, spitz zulaufender Gegenstand mit einer langen Kette befestigt. „Was ist das?“ fragte Casey. „Ein altes Drachenhorn. Pass einmal auf.“ Meister Justus setzte das Horn an und bließ hinein. Ein langgezogener tiefer Ton schallte durch das Tal. Im nächsten Augenblick löste sich ein Drache aus dem kreisenden Schwarm und schoß auf den Höhleneingang zu. Leichtfüßig setzte er auf dem steinernen Vorsprung auf. „Egidia, meine Freundin! Schön dich zu sehen!“ „Ich grüße dich, Meister Justus.“ antwortete das schlanke Weibchen mit den goldfarbenen Schuppen und verzog ihre Schnauze zu einem sanften Lächeln. „Hi, Egidia.“ grüßte Casey. „Oh hallo, junger Lehrling! Freut mich, dich kennenzulernen! Ich habe gehört, deine Lok ist mit Fafnar und Galathea unterwegs.“ „Das stimmt.“ „Dann ist sie in guten Händen.“ „Hast Du Lust auf einen kleinen Rundflug, Casey?“ fragte Meister Justus. „Auf dem Drachenrücken?“ „Genau.“ „Cool! Na klar!“ nickte Casey eifrig. „Dann komm.“ Egidia bekam ein Geschirr mit einer Decke umgeschnallt. Darauf sitzt es sich auf jedenfall besser als auf den harten Schuppen. -Steig auf, ich setze mich hinter dich. Halt dich an den Schlaufen da vorne fest. Und keine Angst, wir passen schon auf, damit Du nicht herunterfällst.“ Cool, ich reite auf einem richtigen Drachen!“ dachte sich Casey. „Und-Los gehts!“ Egidia breitete ihre Schwingen aus und stieß sich kraftvoll ab. „Wooaaahhh!“ Der Drache zog seine Kreise um die Insel und flog dann ein Stück auf das Meer hinaus. Dort gab sie dann eine Kostprobe ihrer Feuerkraft. „Woooaahh! Klasse! So spucken also Drachen Feuer!“ „Und manche unserer kleinen Feuerbrüder können das auch. Viele kamen schon hierher um diese Kraft in sich zu finden und sie richtig anzuwenden.“ erklärte Egidia. Sie umkreisten die ganze Insel, bis sie schließlich zur Plattform zurückkehrten. „Danke, Egidia . Das war ein toller Flug.“ „Schön, das es Dir gefallen hat, kleiner Lehrling. Nicht alle Lehrlinge waren so mutig wie Du.“ „Ich sehe keinen Grund, Angst zu haben.“ An einem anderen Ort auf der Insel hatte jedoch jemand einen guten Grund, Angst zu haben. Und zwar Rusty. Gerade musste er eine schmale Felsbrücke über eine tiefe Schlucht überqueren. „Nur Mut! Und sieh nicht nach unten!“ ermahnte Galathea die kleine Dampflok. „Die hat gut reden! Die beiden können ja fliegen!“ brummte Rusty in seinen Bart und bemühte sich, auf den Weg vor sich zu konzentrieren. Wie viele Prüfungen musste er noch durchstehen auf seinen Reisen? Er hatte es sich angenehmer vorgestellt. Aber die Abenteuer und Geschehnisse der letzten Monate…er hatte den Eindruck, als würden die Herausforderungen mit jedem Ziel größer. „Starlight Express…ich hoffe, Du hast einen guten Grund für das alles…“ murmelte er, als er endlich den Rand der Brücke erreicht hatte. „Na endlich!“ knurrte Fafnar und wandte sich zum Gehen. Galathea zuckte entschuldigend mit den Schultern. Rusty seufzte und folgte den beiden Drachen weiter durch die schroffe Felsenlandschaft. Abends saß Casey in der aus dem Fels gehauenen Wanne und träumte von seinem Flug mit Egidia. Dabei fielen Ihm langsam die Augen zu. Als Meister Justus nach dem jungen Lehrling sah, lächelte er und schüttelte den Kopf. Caseys Kopf lag auf seinen Armen, die auf dem Wannenrand ruhten und er redete leise im Schlaf. „Höher, Egidia….“ murmelte er lächelnd. „He, kleiner Lehrling, wach auf!“ „Uh-was? Oh, ich muss eingeschlafen sein.“ „Passiert Dir das eigentlich öfters, das Du beim Baden einschläfst?“ „Manchmal, wenn ich hundemüde bin. Dann sieht meist Rusty nach mir und fischt mich raus. Ich hab mich schon öfters am nächsten Morgen gewundert, wie ich ins Bett gekommen bin. Deshalb dusche ich eigentlich lieber, um nicht abzusaufen. Aber wenn mein Gesicht das Wasser berührt, bin ich gleich wieder hellwach. Schutzinstinkt.“ „Das ist gut. Aber jetzt ab ins Bett, Du kannst kaum noch die Augen offen halten. Morgen wartet eine besondere Arbeit auf uns.“ „Mach ich…“ Rusty stöhnte genervt, als er auf dem felsigen Boden versuchte, sich in eine angenehme Liegestellung zu bringen. Die beiden Drachen schliefen bereits zusammengerollt in seiner Nähe. Aber plötzlich bewegte sich Galatheas langer Schwanz langsam wie eine Schlange über den Boden und unter Rustys Kopf. „Eh-ahh…danke, Galathea.“ seufzte er, als er das besondere Kopfkissen wahrnahm. Jetzt hatte er es wenigstens etwas bequem. Am nächsten Tag stand zu Caseys großer Freude wieder ein Flug auf Egidias Rücken an. Meister Justus hatte zwei Umhängekörbe mitgenommen, einen davon erhielt der Lehrling. „Wo fliegen wir heute hin?“ fragte Casey. „In die Schlucht der Erneuerung.“ erklärte Meister Justus. „Schlucht der Erneuerung?“ „Die Drachen nennen sie so, weil sie sich dorthin zurückziehen, wenn sie sich häuten. Die Felsen dort sind rauh genug, damit sie leichter ihre alte Haut abstreifen können. Dieser Prozess dauert einige Tage, doch in der Schlucht gibt es eine Quelle, die sie mit Wasser versorgt. In dieser Zeit frißt ein Drache nichts. Du kannst Dir vorstellen, wie viel alte Drachenhaut dort herumliegt. Und diese gehen wir nun aufsammeln.“ „Ich verstehe. Und die Drachen lassen das einfach zu?“ „Natürlich. Sie brauchen sie ja nicht mehr.“ Casey war begeistert. Das Drachenweibchen landete auf einem Vorsprung oberhalb der Schlucht. „Dieser Pfad führt hinunter in die Klamm. Egidia wird uns nachher wieder hier abholen.“ „Alles klar. Bis später, Egidia!“ Langsam stiegen sie mit den Körben den steinigen Pfad hinunter. Am Eingang zur Schlucht stand eine steinerne Drachenfigur. „Die hat mein erster Vorgänger angefertigt. Er war ein begabter Bildhauer. Auch die Figuren in der Höhle stammen von ihm.“ Zwischen den hohen Felswänden war es totenstill. Nur hin und wieder war das Klappern und Pochen von rollenden Steinen zu hören. „Wir müssen noch tiefer hineingehen.“ erklärte Justus. Und nach einer Weile.... „Casey! Schau!“ In einer Ecke unter einem vorstehenden Felsen lagen zusammengeknüllte, längliche hautähnliche Gebilde in verschiedenen Farben. Abgestreifte Drachenhäute. „Cool!“ „Komm, sammeln wir sie ein. Achte darauf, das sie nicht zu zerfetzt sind. Suche nur die Stücke heraus, die nicht zu viele Löcher und Risse haben.“ Casey hob eines der Stücke auf. Sie waren federleicht, aber er konnte sie nicht zerreißen. „Mann, die sind ganz schön widerstandsfähig.“ staunte er. Langsam gingen er und Justus zwischen den Felsen umher und suchten nach geeigneten Häuten. Nach einer Weile entfernte sich Casey von Meister Justus und gelangte immer tiefer in die Schlucht. Dabei war er so beschäftigt, nach den Drachenhäuten zu suchen, das er nicht auf die Umgebung achtete und plötzlich gegen etwas Weiches und nachgiebiges stieß. „Was ist denn das? Wo kommt die schwarze Wand auf einmal her? Moment...das ist keine Wand. Das ist...“ Casey sah nach oben und blickte in die roten Augen eines Drachen. Eines pechschwarzen Drachen. „Uah! Tut mir echt leid! Ich wollte dich nicht stören. Ich verschwinde gleich wieder.“ „Du störst nicht. Oder hast Du Angst vor mir?“ fragte der Drache mit tiefer Stimme. „Nein. Meister Justus hat gesagt, ich brauche mich nicht vor euch zu fürchten. Ihr seid zwar sehr groß und furchteinflößend, aber auch faszinierend. Der schwarze Drache verzog seine Schnauze zu einem Lächeln. Er lag neben der Felswand und bog seinen Hals zu dem Jungen herab. „Wie heißt Du, mutiger kleiner Mann? Bist Du ein Lehrling?“ „Ja. Man nennt mich Casey. Ich bin mit meiner Lok hier. Doch die ist gerade mit Fafnar und Galathea unterwegs.“ „Ahhh...auf dem Pfad der Findung...“ murmelte der schwarze Drache. “Ich heiße Arwid.“ Jetzt endeckte Casey die trockenen Hautfetzen, die seitlich noch am Körper des Drachens hingen. „Du bist noch mitten in deiner Häutung.“ „Ja, junger Lehrling. Es ist meine Dritte. Wenn wir spüren, das unsere äußere Haut zu eng wird, ziehen wir uns hierher zurück. Sie wird immer trockener und irgendwann platzt sie dann auf und wir streifen sie ab.“ Mit seinem rechten Hinterlauf versuchte Arwid ein Stück trockene Haut abzustreifen. „Warte, ich helfe Dir. Ich komme besser heran.“ Casey ließ seinen Korb stehen und lief neben den Drachen. „Du bist wirklich sehr mutig, junger Lehrling. Nicht so wie der Letzte, der hier war.“ „Wann war denn der letzte Lehrling hier?“ fragte Casey, welcher vorsichtig auf Arwids Hinterlauf geklettert war und begann vorsichtig die Hautfetzen abzupellen. „Das ist viele Jahre her. -Ja, Du machst das sehr gut. Das ist viel besser, als sich an den Felsen zu scheuern.“ „Darf ich einige Stücke davon mitnehmen?“ „Aber natürlich.“ nickte Arwid. „Erzähl mir von diesem Lehrling.“ „Sein Name war Gary. Oh, er war ein schrecklicher Angsthase! Obwohl ihm Justus Vorgänger Marvin erklärt hatte, das von uns keine Gefahr drohte, traute er sich so gut wie gar nicht aus der Höhle. Seine Eltern hatten ihm als Kind viele Schauermärchen über uns Drachen erzählt und immer gesagt, wir würden ihn holen, wenn er nicht brav wäre.“ „Und das hat er geglaubt? In welchem Lehrjahr war der denn?“ „Erstes. Er war etwas jünger als Du. Schon unsere Größe jagte ihn Angst und Schrecken ein.“ „Na ja, nicht jeder kann mutig sein.“ „Eines Tages, nahm ihn Marvin mit zum Häute sammeln, ganz so wie jetzt. Aber sie konnten nicht auf Sidonius, das war Marvins Drachenpartner, herfliegen, der Junge geriet fast in Panik bei dem Gedanken. So gingen sie den beschwerlichen Fußweg zur Schlucht. Unterwegs kamen plötzlich einige der Drachen, die am Himmel gekreist hatten, nieder, um ihren Freund Marvin zu begrüßen. Und es kam wie es kommen musste. Gary dachte, die Drachen würden angreifen und ergriff die Flucht. Alles Rufen des Meisters half nichts, der Junge rannte panisch vor Angst zwischen den Felsen davon, um sich irgendwo zu verstecken. Auf seiner Flucht passte er nicht auf, stürzte und verstauchte sich sein Bein. Aber seine Angst trieb ihn weiter und tiefer in die Schlucht hinein, bis er zur Quelle hier gelangte. Und hier sind wir uns dann begegnet.-Oh, Gary hatte solche Angst. Dabei war ich noch ein Jungtier und hatte meine erste Häutung hinter mir. Ich war damals nur halb so groß. Warum hast Du nur solche Angst vor mir, fragte ich ihn. „Du willst mich nicht fressen? Oder verbrennen?“ entgegnete Gary. „Natürlich nicht. Wir Drachen fressen keine Menschen. Und wir verbrennen sie auch nicht. Nur Fische und andere Beutetiere nehmen wir als Nahrung. Außerdem sind die Dampfloks unsere Feuerbrüder. Wir können doch nicht die Lokführer unserer Feuerbrüder fressen.“ „Ja, da hast Du recht.“ Und Gary lächelte das erste Mal. „Wa-was tust Du hier ganz alleine?“ „Ich habe mich gehäutet und wollte meinen Durst stillen.“ „Deine Haut...sie glänzt wie schwarze Seide...es sieht wunderschön aus..“ „Und glaubst Du, so ein wunderschönes Geschöpf könnte dir ein Leid antun?“ „Nein...“ Langsam fasste der Junge vertrauen. Er begann zu spüren, das ich ihm nichts Böses wollte. Und als ich meinen Kopf ganz nahe an sein Gesicht brachte, traute er sich das erste Mal mich zu berühren. „Siehst Du? Es geschieht Dir nichts. Ich werde jetzt Meiser Marvin rufen. Hab keine Angst, mein Feuer ist nur ein Signal.“ Da sein Bein verstaucht war, hob ich meinen Kopf und schickte ein Leuchtfeuer in den Himmel. Marvin würde es richtig deuten und herkommen.“ „Und Gary hat seine Angst verloren?“ Arwid nickte. „Das freut mich. -So, ich habe weggemacht, was ging.“ Casey rutsche vom Rücken des Schwarzen. „Vielen Dank, junger Lehrling.“ „Ach, hier bist Du, Casey. -Oh, Du hast dich bereits mit Arwid angefreundet, wie ich sehe.“ „Und er hat mir von Gary erzählt.“ erklärte der Junge, während er die schwarzen Hautstücke in den Korb legte. „Ach ja, Gary, der Angsthase. Der alte Sidonius war immer ganz traurig, weil er so Panik vor ihm hatte. Aber nach seiner Begegnung mit Arwid ist es ja besser geworden. Er konnte ihm die Angst nehmen.“ „Ich glaube, das reicht. Unsere Körbe sind voll. Machen wir uns auf den Rückweg.“ „Alles Gute Arwid. Vielleicht sehen wir uns.“ „Bis bald, junger Lehrling.“ Wieder zurück in der Werkstatt, ging es an die Bearbeitung der Häute. Das hieß, sie wurden weichgeklopft, um sie elastischer zu machen. Eine mühsame Arbeit. „Sehr gut. Diese Häute werde ich nun auf Rusty Komponenten anbringen.“ „Und wie soll das gehen?“ „Ich weiche die Stücke in dieser Lösung ein, das macht die Häute klebrig. Dann werden sie aufgebracht und im Feuer fixiert. Die Haut verbindet sich dann mit dem oberflächlichen Metall.“ erklärte Meister Justus. „Interessantes Verfahren.“ „Meine Vorgänger haben es über die Jahre hinweg entwickelt. Wenn man hier meist alleine lebt, hat man viel Zeit…“ Meister Justus suchte sich bestimmte Hautstücke aus und weichte sie in einem Bottich mit einer violettfarbenen Flüssigkeit ein. „Iih…“ murmelte Casey und hielt sich die Nase zu. „Ich weiß, es stinkt ein bischen. Deshalb steht der Bottich auch hier in dieser Kammer mit dem Fenster nach draußen.“ Nun kam der schwierigste Teil. Die Häute mussten ohne Falten angebracht werden. Casey ging Meister Justus so gut er konnte, zur Hand. Am Ende des Tages waren sie mit dem Oberteil fertig. „Gut. Morgen dann kommt es dann zur endgültigen Fixierung ins Feuer.“ „Bist Du endlich fertig?“ brummte Fafnar. Rusty kniete am Wegrand und schob sich gerade einige Kohlestücke ein. Diese lagen zum Glück immer wieder am Wegesrand. Für seinen Wasservorrat gab es nur wenige Seen und Teiche, meist hatte es einen unangenehmen Beigeschmack. „Ich komm ja schon! Wie weit ist es denn noch?“ „Unser Ziel ist dieser Berg dort. Am Fuß des Massivs liegt der Eingang zur Höhle der ewigen Flammen.“ erklärte Galathea. Rusty blickte in die Ferne. Er schätzte die Entfernung auf etwa noch dreißig Kilometer. Auf Schienen wäre man schnell dort, jedoch über die steinigen Pfade dauerte es für eine Lok drei Mal so lang. Außerdem dämmerte es bereits. Seufzend warf er das letzte Kohlstück in seinen Tender und stakste hinter den Drachen her. Am nächsten Tag, Casey war gerade mit Justus beim überwachen des Fixierungsprozesses, steckte Egidia ihren Kopf zum Fenster der Werkstatt herein. „Hallo, Ihr Beiden!“ lächelte sie. „Hallo, Egidia! Was führt dich her?“ „Meister Justus, mein Großvater, der alte Sidonius, möchte gerne Casey kennenlernen. Darf ich ihn mitnehmen?“ „Aber natürlich, Egidia . Der alte Bursche freut sich sicher über den Besuch.“ Auf Caseys fragenden Blick sagte der Meister:“ Geh nur. Du kannst jetzt sowieso gerade nichts tun. Den Ofen überwachen kann ich auch alleine.“ „Alles klar. Bis später.“ Kurz darauf war er wieder mit Egidia durch die Lüfte unterwegs. Casey war durch einen zusätzlichen Gurt gesichert, da er nun das erste Mal alleine flog. Ein kegelförmiger Berg war Ihr Ziel, unterhalb des Gipfels befand sich der Eingang zu einer Höhle. Mit sicherem Flügelschlag glitt Egidia durch die Öffnung und landete in der großen Felsenhalle. „So, wir sind da. Mein Opa ist hier irgendwo, sicher schläft er in einer Ecke der Höhle. Die Beiden brauchten nicht lange zu suchen. An einer geschützten Stelle lag ein alter Drache mit wettergegerbter Haut, die Augen geschlossen. „Ich hoffe, wir sind nicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt gekommen.“ murmelte Casey, als sie langsam nähergingen. „Neinnein, mein Großvater schläft die meiste Zeit. Er ist eben nicht mehr der Jüngste.“ „Das verstehe ich gut.“ Die Haut des alten Drachen war sehr hell, fast weiß. Jetzt bewegten sich die länglichen Nüstern und schnüffelten. Gleich darauf öffneten sich die stahlblauen, vom hohen Alter leicht getrübten Augen, langsam hob sich der längliche Kopf und sah in die Richtung der Neuankömmlinge. „Hallo, Opa. Da bin ich wieder. Und ich habe den jungen Lehrling mitgebracht.“ sprach Egidia. „Aaach…wilkommen! Schon lange hat kein Lehrling mehr diese Insel mit seiner Lok mehr betreten. Deshalb freue ich mich, das Du bei mir vorbeischaust. Ich war einst der gute Freund von Justus Vorgänger. Doch seit er von uns gegangen ist, habe ich mich hierher zurückgezogen. Nun ist meine Enkelin Meister Justus treue Freundin.“ „Guten Tag, äh-Sir…“ Casey wusste nicht so recht, wie man einen so altehrwürdigen Drachen ansprach. „Hey, nicht so förmlich. Nenn mich einfach Sidonius.“ Der alte Drache streckte einladend den langen Schwanz aus. Casey verstand die Geste und ließ sich auf die dargebotene Sitzgelegenheit nieder, do das er Sidonius gegenübersaß. „Ich lass euch beide dann mal alleine. Nachher hole ich dich wieder ab, Casey.“ „Alles klar, Egidia.“ Zuerst erzählte Casey dem alten Drachen wie er und Rusty hierhergelangt waren und den Zweck Ihres Besuchs. „Das ist ja eine unglaubliche Geschichte. Ich habe immer gerne den Lokführern zugehört, wenn Sie von der Welt außerhalb unserer Insel erzählt haben.“ „Opa Sidonius, konntet ihr eigentlich schon immer sprechen?“ „Nein, unsere Ahnen haben die menschliche Sprache von Schiffbrüchigen gelernt, die auf dieser Insel strandeten und diese gaben ihre Kenntnisse immer an die nächste Generation weiter. Leider geriet dabei auch vieles wieder in Vergessenheit. Doch als der erste Meister entschloss, für immer auf dieser Insel zu bleiben, hatten wir immer jemanden, mit dem wir sprechen konnten.“ „Wer war eigentlich die erste Lok, die hierherkam?“ wollte Casey wissen. „Dies geschah eher durch Zufall. Oder durch eine Fügung des Schicksals. Nach einem schrecklichen Unwetter fanden zwei meiner Ahnen eines Tages eine Lok mit ihrem Lokführer am Strand. Sie waren auf einem Schiff gewesen, das im Sturm gesunken war. Der treue Lokführer hatte alles getan, damit sein Partner nicht unterging. Zum Glück hatten sie zwei Holzschwellen auf dem Wasser entdeckt, die sie oben gehalten hatten. Der Name der Dampflok war Cyrill. Schnell entdeckten meine Ahnen, das er uns sehr ähnlich war. Auch in ihm brannte ein Feuer, aber keine Dampflok konnte damals Feuerattacken ausführen. Cyrill bat die Drachen, ihm beizubringen, das Feuer auch anders zu nutzen. Er wollte damit seines Gleichen und Menschen vor Unheil bewahren und beschützen. Die große Lok war die Erste, die Feuerattacken lernte. Bevor er uns aber wieder verließ, traf er mit dem Ältesten meiner Ahnen ein Abkommen. Auch Cyrills Brüder und Schwestern sollten die Gelegenheit bekommen, zu lernen, das Feuer optimal zu nutzen. Nach ihrer Rückkehr erzählte seinen Brüdern davon und so kamen immer wieder Dampfloks auf unsere Insel und irgendwann entschloss sich ein Maschinist, der einen der Lokführer begleitet hatte, für immer auf der Insel zu bleiben.“ „Cyrill....von ihm hab ich das erste Mal in Via Coronna gehört. Espresso und Cappuchina baten damals um Beistand für Rusty, damit er wieder sein Augenlicht bekäme.“ erklärte Casey. „Man sagt, er ist eine Legende auf dem Kontinent.“ „Die Völker der südlichen Länder verehren ihn fast genauso wie den Starlight Express.“ „Aber erzähl doch mal, was in Via Coronna passiert ist und warum Rusty sein Augenlicht verloren hatte.“ „Das waren meine schlimmsten Momente damals. Aber ich fange am besten von Vorne an… „Bei allen Feuerkobolden! Das muss wirklich schwer für euch gewesen sein. Aber zum Glück ist alles gut ausgegangen.“ „Ja, Opa Sidonius. Aber sag mal, gibt es wirklich auch Feuerkobolde?“ „Natürlich gibt es sie. Sie spielen eine wichtige Rolle, sie sorgen dafür, das Vulkane nicht ausbrechen und alles in Schutt und Asche legen. Auch unter den Vulkanen hier auf unserer Insel leben welche, aber ich habe bis jetzt noch keinen gesehen. Es sind Wesen, die lieber im Verborgenen leben. Nur der schwarze Arwid behauptet, er hätte welche am Kraterrand gesehen, als er einmal dicht über den Vulkan geflogen ist.“ „Ich kenne bisher nur Sumpfkobolde.“ „Bist Du ihnen etwa begegnet?“ „Oh ja. Drei von ihnen.“ nickte Casey und erzählte von seinem letztjährigen Abenteuer im Delta. „Glut und Schwefel! Das war wirklich ein aufregendes Abenteuer! Hast Du noch mehr solche Geschichten?“ Der Junge nickte. „Genug, um ein ganzes Buch zu füllen. Übrigends bin ich Arwid gestern in der Schlucht begegnet. Er häutet sich gerade.“ „Ach Junge, ich könnte Dir stundenlang zuhören, aber ich will dich nicht nerven.“ „Das tust Du nicht. Pass auf, ich erzähle Dir von unserem Abenteuer in Drubania. Dort gibt es eine Lok mit Namen Turnov….“ Casey erzählte, bis Egidia zurückkam, um den Jungen wieder zurückzubringen. „Es ist schon spät, Opa.“ sagte sie. „Natürlich. Ich habe mich sehr über deinen Besuch gefreut, Casey. Und über deine tollen Abenteuer, von denen Du mir erzählt hast.“ „Auf Wiedersehen, Opa Sidonius. Es war schön, dich kennenzulernen.“ „Kann dein Großvater eigentlich noch fliegen?“ fragte Casey Egidia auf dem Rückflug. „Nicht mehr so gut. Deshalb verläßt er die Höhle nur noch selten und nur in Begleitung eines jüngeren Drachen. Ich und die Anderen bringen Ihm immer das Essen in die Höhle.“ „Wie alt ist dein Opa eigentlich?“ „Zweihundertsechzehn Jahre.“ „Wow! Ein stolzes Alter!“ Egidia nickte. „Meine Ur- Großtante ist zweihunderteinundsechzig geworden. So alt wie bisher kein anderer Drache.“ „Genauso habe ich das mir auch gedacht. In den Legenden und Geschichten meiner Welt erzählt man sich, das Drachen auch so alt werden können.“ Der alte Sidonius lag vor dem Höhleneingang und besah sich den Sonnenuntergang. „Hab dank für deine wunderbaren Geschichten, die Du mir erzählt hast, Casey. Ich wünsche Dir und deiner Lok alles Gute auf deiner weiteren Reise.“ Fortsetzung folgt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)