Der Schöne und das Biest [ 2 ] von S0RA ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Wie ist es mit ihm? Wie verhält er sich privat? Er ist sicher der beste Liebhaber, den man sich vorstellen kann, oder? Solche Fragen muss ich ständig beantworten, seit ich mit Kamijo zusammen bin und langsam beginnt es wirklich zu nerven. Aber irgendwo sind diese Fragen ja mehr als berechtigt, denn das Zusammenleben mit Kamijo war die letzten Monate alles andere als langweilig! Deswegen fasste ich den Entschluss, dass ich vielleicht doch mal wieder etwas aus dem Nähkästchen plaudern sollte. Außerdem tut mir das gut, denn wenn man etwas auspackt, kann man es sich mit etwas Objektivität anschauen und kommt womöglich zu neuen Erkenntnissen! Erkenntnisse, das ist ein bombiges Stichwort. Davon scheine ich die letzten Monate nämlich kaum genug bekommen zu haben! Man lernt eben nie aus, aber damit ihr versteht, was ich meine, beginne ich von Anfang an: Kaya hatte letztlich den entscheidenden Stein ins Rollen gebracht, der mir den Mut verschaffte ganz direkt und offen meine Gefühle zu offenbaren. Ich hatte auch keine Angst mehr vor Kamijos Reaktion darauf, denn im Grunde wusste ich ja doch, was mich erwarten würde. Er erwiderte meine Gefühle und ich werde nie, nie, nieeemals unseren ersten Kuss vergessen. Gott, das war unglaublich! Versucht es euch nur mal ansatzweise vorzustellen, wie diese weichen, wohlgeformten Lippen die euren sanft berühren und noch kurz zuvor die einnehmenden Augen dieses schönen Mannes euch zu verschlingen drohten und… Wobei, hört auf damit, er gehört mir! Aber Spaß beiseite, es war wirklich atemberaubend. Und es machte süchtig! Allgemein schien dieser Mann wie eine Droge auf mich zu wirken, denn ich hielt es kaum noch ohne ihn aus. Da es ihm ähnlich ging, fassten wir den Entschluss, dass ich probeweise für ein paar Wochen bei ihm einziehen sollte, bevor ich gänzlich meine Wohnung kündigte und mich bei ihm einnistete. Und soll ich euch was sagen? Ich lebte wie eine Königin! Das hatte den Status der Prinzessin bereits bei weitem übertroffen, denn ich musste wirklich gar nix mehr machen, außer… genießen. Kamijos Angestellten erledigten wirklich alles, von putzen angefangen über kochen und Kissen aufschütteln und weiß der Teufel. Ich fragte mich, ob irgendwann der Tag kommen würde, an dem ich nicht mal mehr selbst kauen müsste, aber so weit wollte ich es dann doch nicht kommen lassen. Diese Lebensart ließ mich ungewohnt faul und mit der Zeit auch träge werden, denn mein Tag lief fast jeden Tag gleich ab: Aufstehen, Kamijo Tschüss sagen, Frühstücken, irgendwas Sinnloses tun und nebenbei auf Kamijos Rückkehr warten, am Abend zusammen mit Kamijo essen und dann wieder ins Bett. Ab und zu besuchte ich ihn auch im Büro und brachte ihm Kekse oder seinen Lieblingstee, um dieser Monotonie im Alltag zu entfliehen und ihn vor 20 Uhr noch mal zu sehen. Aber selbst das wurde irgendwann zu gängig, als dass es noch Spaß machte. Gott sei Dank blieben aber auch noch meine Freunde, sodass ich hin und wieder auch etwas Abwechslung hatte. An einem von Kamijos seltenen freien Tagen machte mein Prinz ein Nickerchen auf dem Sofa des Kaminzimmers und ich schlich mich auf dem Boden krabbelnd zu ihm hin. Warum ich das tat? Ganz einfach: Kaya und ich waren am nächsten Tag zu einer ausgiebigen Shoppingtour verabredet und in meinem Portemonnaie herrschte die reinste Ebbe. Auf Kamijos Geldbörse war immer Verlass und es war ja nicht so, dass ich ihn beklauen wollte! Er würde das ja alles wieder bekommen, wenn ich wieder Geld verdiente und er hatte mal gesagt, dass er sich immer gut um mich kümmern wollte! Also? Als ich vor ihm hockte, musterte ich ihn skeptisch und schluckte schwer. Er atmete ruhig und friedlich und schien tief und fest zu schlafen. Auf dem kleinen Holztisch neben der Couch lag mein Objekt der Begierde: Sein schwarzes, lederndes Portemonnaie. Ganz langsam und vorsichtig streckte ich meine Hand danach aus und biss mir konzentriert auf der Unterlippe herum. Wie aus dem Nichts griff Kamijo aber blitzschnell nach meinem Handgelenk ohne die Augen zu öffnen und ich kreischte kurz auf vor Schreck. „Was hast du vor?“, fragte er verschlafen und ich schluckte schwer. Manchmal war er wirklich gruselig. Ich war doch SO leise gewesen, er konnte mich gar nicht bemerken! „Ähm… Nix!“, grinste ich schief und versuchte mein Handgelenk aus Kamijos Griff zu befreien, doch keine Chance. „Hizaki?“, sagte er mit diesem mahnenden Unterton, der keinerlei Widerspruch zuließ. Ich hasste es, wenn er das tat! Nun öffnete er doch seine Augen und sah mich auch noch skeptisch an. Ich atmete tief ein und aus und versuchte meinen bevorstehenden Ärger mit Annäherung abzuschwächen. Ich krabbelte also zu Kamijo auf die Couch, legte meinen Körper auf seinem ab und murmelte mit einem herzzerreißenden Ton in der Stimme: „Weißt du, morgen bin ich doch mit Kaya verabredet und… und er wollte mir so einen tollen, neuen Laden zeigen! Einen wirklich tollen! Und… und Kaya kauft immer so viel, da werde ich jedes Mal total neidisch! Er sieht immer so gut aus und ich? Das ist gemein.“ Kamijo atmete tief ein und aus und tätschelte mir mit der Handfläche den Hinterkopf. „Wie viel?“, fragte er seufzend und auf meinem Gesicht zeichnete sich ein breites Grinsen ab. „Genug?“, schlug ich ihm unkonkret vor und freute mich schon mal. „In Zahlen bitte.“, sagte er und griff nun selbst nach seinem Portemonnaie. Ich überlegte kurz und flüsterte ihm grinsend einen Geldbetrag ins Ohr, in der Hoffnung, dass je leiser ich es sagen würde, umso kleiner die Auswirkungen ausfallen würden. Zu meiner Überraschung grinste er nun aber selbst, wodurch sein Gesichtsausdruck diese gefährlichen Züge bekam. „Einverstanden.“, sagte er und schaute in seiner Geldbörse, ob er so viel Bargeld bei sich hatte. „Einverstanden? Einfach so?“, fragte ich ungläubig und sah ihn dementsprechend an. Ich wusste, dass das irgendeinen Haken hatte. „Nun ja, du wirst es mir doch zurückzahlen, nicht wahr?“, fragte Kamijo zurück und konnte sein Grinsen weiterhin nicht unterdrücken. „Ähm… Ja, natürlich!“, antwortete ich und musterte ihn skeptisch. „Berechnest du Zinsen, du Fiesling?!“, fragte ich dann und drückte mit einem Finger gegen seine Nase. „Nein, keine Sorge.“, entgegnete er leicht lachend und schob mich sanft von sich, um sich aufsetzen zu können. Auch ich setzte mich und verschränkte die Arme. „Was dann?!“, bohrte ich weiter nach, da ich Kamijo nicht traute. Das war wirklich zu einfach gewesen. Er sah mich aus den Augenwinkeln an, grinste weiterhin verrucht und drückte mich plötzlich wieder auf den Rücken in eine liegende Position. Anschließend biss er mir in den Hals, weshalb ich unweigerlich meine Augen aufriss und überrascht Luft holte. „Ka-…Kamijo, was soll das?“, jammerte ich und wurde rot. Obwohl wir schon eine ganze Weile zusammen waren, ängstigte mich seine Nähe ein wenig. Ich wurde so ungeheuer willenlos, wenn er es wollte und das war es, was mir Angst machte. Ich verlor den Verstand und je intimer seine Berührungen wurden, umso schlimmer wurde es. Außerdem konnte ich nun nicht wirklich mit Erfahrungen prahlen, schätzte Kamijo aber aufgrund seines starken Egos als sehr erfahren ein. Somit spielte auch immer die Angst etwas Falsches oder gar Peinliches zu machen mit. Er biss stärker in die empfindliche Haut meines Halses und sog anschließend daran, anstatt mir zu antworten und ich krallte mich reflexartig an seinem Hemd fest. „Kamijo!“, klagte ich wieder, doch dieses Mal wesentlich leiser. Ich schloss meine Augen fest und spürte, wie mir das Herz davon raste. Er machte eine ganze Weile so weiter, bis er seine heißen Lippen zu meinem Ohr wandern ließ und mit einem hörbaren Grinsen flüsterte: „Wir haben jetzt einen Deal. Du musst mir das Geld zurückzahlen, aber es würde wohl ziemlich lange dauern, bis du das beisammen hast, also… fordere ich etwas anderes als Rückzahlung.“ Mein Körper zitterte noch etwas vor Aufregung und ich musste mich erst mal beruhigen, bevor ich etwas erwidern konnte. „Das, das war so klar!“, quengelte ich und seufzte schwer. Kamijo lachte leise und küsste mich kurz, aber liebevoll. „Tu nicht so, als sei es das Schlimmste auf der Welt. Ich verlange schon nichts von dir, was dir in irgendeiner Form schaden könnte. Freu dich lieber! Und wehe, du kaufst morgen nur Blödsinn.“, sagte er lächelnd und stand nun ganz von der Couch auf. Ich blieb noch ein paar Sekunden wie betäubt liegen, doch schnell folgte ich ihm. Wir liefen gemeinsam in die Küche und ich hopste zur High-Tech-Kaffeemaschine, um Kamijo und mir einen Cappuccino zu machen. Während ich auf die heißen Getränke wartete, drehte ich mich zu Kamijo um, lehnte mich mit dem Rücken gegen den Kühlschrank und seufzte leise. Kamijo war schon wieder im Börsenteil der Zeitung verschwunden, doch obwohl ich glaubte, dass er mir keine Beachtung schenkte, sagte er irgendwann ohne mich anzusehen: „Ich habe ab nächste Woche wieder länger Urlaub.“ Ich riss überrascht meine Augen auf und sagte aufgeregt: „Was? Und das sagst du mir erst jetzt? Das ist ja großartig!“ Ich lächelte glücklich, nahm die zwei Cappuccino-Tassen und setzte mich zu Kamijo an den Tisch. Dann legte er auch die Zeitung weg und erklärte: „Ich wollte dich überraschen, um ehrlich zu sein. Was sollen wir also unternehmen?“ „Oh, bitte gar nichts!“, rief ich schnell und sah Kamijo hoffnungsvoll an, der ziemlich überrascht schien. „Gar nichts?“ „Ja, gar nichts! Weil, wenn wir etwas unternehmen, dann sind wir immer zwangsläufig irgendwo bei irgendwem. Ich würde es schön finden einfach mal Zeit nur mit dir zu verbringen! Und dir kann es bestimmt nicht schaden, dich ein paar Tage mal zu erholen und einfach gar nichts zu tun. Falls uns das zu langweilig wird, können wir ja immer noch spontan etwas überlegen. Was meinst du?“, schlug ich vor und griff lächelnd nach den Händen meines Freundes. Dieser schien noch kurz mit etwas skeptischem Blick darüber nachzudenken, doch dann erwiderte er mein Lächeln und nickte. „Na schön, warum eigentlich nicht? ‚Gar nichts’ ist auch recht einfach zu organisieren, das sollte ich hinbekommen.“, sagte er leicht lachend und zwinkerte mir zu. Ich hatte in diesem Moment ja keine Ahnung, was das für Folgen haben würde, Kamijo, den Workoholic in Person, eine ganze Zeit lang gar nichts tun zu lassen… Aber zunächst erwartete mich das Treffen mit Kaya. Es ging wie immer in unserem Stammcafé und einem Sekt für Kaya sowie einem Milchshake für mich los. „Ich fass’ es nicht, du hast ihn wirklich bequatschen können? Wie viel hat er dir gegeben? Du scheinst ihn ja schon total im Griff zu haben, haha!“, lachte Kaya und grinste mich an. „Er hat mir genug gegeben, um heute ordentlich einen drauf zu machen! Erst hatte ich aber ein schlechtes Gewissen, muss ich gestehen. Er soll sich ja nicht ausgenutzt von mir fühlen, oder so! Aber nun haben wir einen ‚Deal’. Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter, wenn ich nur das Wort, das erst aus seinem Munde kam, wiederhole.“, erzählte ich und schüttelte mich ein Mal kurz. Kaya legte den Kopf leicht schief und stützte ihn dann mit einer Hand ab. „Einen ‚Deal’? Klingt gefährlich. Hast du ihm deine Seele verkauft?“, fragte er wieder leicht lachend und trank einen Schluck Sekt. „So ähnlich! Er faselte dann irgendwas davon, dass er etwas anderes als Rückzahlung wolle. Und er hat es so seltsam betont und… mich ganz komisch dabei angesehen.“, murmelte ich und wurde rot bei dem Gedanken daran. „Uh, klingt nach einer heißen Nacht! Stell dich darauf ein.“, grinste Kaya und hob und senkte seine Augenbrauen spielerisch. Ich sah ihn nur verstört an und entgegnete: „Ach ja?! Oh verdammt. Wenn du das auch so interpretierst, dann… dann muss er es wohl wirklich so gemeint haben.“ Ich fasste mir an den blutroten Kopf und schluckte schwer. Ich wollte bis dahin nicht wahr haben, dass Kamijo auf genau das, was Kaya sagte hinaus wollte. „Ja. Und? Du tust ja gerade so, als sei es das Schlimmste auf der Welt!“, lachte Kaya und ich riss meine Augen auf. „Gruselig! Genau das hat Kamijo auch gesagt! Ah, er soll aus deinem Kopf verschwinden und aufhören mich zu beobachten!“, rief ich und drückte mit meinem Zeigefinger gegen Kayas Stirn, um mit meinen – nicht vorhandenen – telepatischen Kräften den Kamijo-Geist aus seinem Kopf zu bekommen. „Hey! Meine Haare! Finger weg!“, quietschte Kaya aufgebracht und fuchtelte wild mit seinen Händen, bis ich meinen Finger von seiner Stirn löste. Er knurrte leise, schob kurz schmollend seine Unterlippe vor und sortierte seinen Pony wieder. Diese Diva… „Wo liegt denn das Problem, Hase?“, fragte er sichtlich verwirrt und ich spielte etwas angespannt mit dem Strohhalm meines Milchshakes herum, während ich gehaltlos murmelte: „N-Na ja… Wir haben… also… Wie soll ich sagen… Das…“ Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Kayas Gesicht nach und nach zunehmend entsetzte Züge annahm. „Nee, oder? Ist nicht dein Ernst!“, fragte er fassungslos und beugte sich mit großen Augen zu mir vor. „Ihr habt noch nicht miteinander geschlafen?! Krass, ihr seid doch schon gefühlte Ewigkeiten zusammen!“, brachte er also zu meinem Leidwesen alles auf den Punkt, was die rote Farbe meines Kopfes nur intensivierte. „Ewigkeiten?! Drei Monate! Das sind für dich vielleicht ‚Ewigkeiten’! Ist… ist doch nicht so schlimm, dass wir -…“ „Nicht schlimm?! Das ist eine Katastrophe!“, rief Kaya und trank seinen Sekt mit großen Augen in einem Zug leer. „Schnell! Mehr! Und für ihn auch einen!“, brüllte er einen Kellner an, während er sein leeres Glas hob. Ich sank etwas auf meinem Sitz zusammen und seufzte schwer. Fast schon beschämt starrte ich meinen Milchshake an und schluckte. War es wirklich so schlimm gewesen? „Nun hör mir mal zu, Hase: Ich kann mir schon diverse Gründe ausmalen, warum ihr es noch nicht gemacht habt, aber ganz ehrlich… Du tust ihm keinen Gefallen damit. Schieb deine Angst beiseite und lass dich verdammt noch mal auf ihn ein! Ich hab’ ihn mir bestimmt nicht durch die Lappen gehen lassen, damit du dir jetzt das Beste entgehen lässt!“, fuhr er mich an und riss dem Kellner fast schon die Sektgläser vom Tablett, als dieser etwas ängstlich zu uns kam. „Kusch! Geh wieder, das hier sind ‚Frauengespräche’!“, scheuchte Kaya den jungen Kellner wieder davon und ich sah ihm bemitleidend nach. Dann drehte ich meinen Kopf wieder zu meinem Freund. „Ich… ich weiß ja eigentlich. Aber so einfach ist das nicht! Was, wenn ich mich SO blöd anstelle, dass er mich dann gar nicht mehr will? Da mache ich mich lieber rar, sodass er bei mir bleibt!“, versuchte ich zu erklären und seufzte, als Kaya sich die Hand gegen die Stirn klatschte und nun selbst seinen Pony ‚zerstörte’. „Deine Haare.“, merkte ich also an und zeigte auf seine Stirn. Wieder knurrte er und sortierte leicht schielend seine Haare. „Das machst du so lange, bis Kamijo die Schnauze voll hat! Willst du ihn zum Fremdgehen animieren? Dann sag mir Bescheid, dann soll er bitte mit mir fremdgehen. Hey, das ist doch die Idee! Lass uns eine Dreierbeziehung starten, da haben wir alle was davon!“, schlug er mit sarkastischem Unterton vor und ich sank nur weiter in mich zusammen. „Du bist doof.“, murmelte ich beleidigt und verschränkte die Arme. Dann griff ich aber hastig nach dem Sekt und trank ihn ebenfalls in einem Zug leer. Erst dann erinnerte ich mich wieder, dass ich gar keinen Sekt mochte und verzog angewidert mein Gesicht. „Du bist selber doof. Aber keine Sorge, Tante Kaya kriegt das schon in den Griff mit euch. Ihr scheint ja nahezu vom Schicksal füreinander bestimmt zu sein oder so, denn ansonsten läuft es doch ganz gut zwischen euch. Oder hast du noch mehr Aufklärungsfälle für mich?“, fragte Kaya und sah mich mit einer Augenbraue hochgezogen prüfend an. Ich schüttelte eifrig den Kopf und sagte: „Nein, davon abgesehen läuft es wunderbar! Auch, wenn er die meiste Zeit im Büro sitzt, die Zeit, die wir miteinander verbringen, ist toll! Und ich wusste ja, dass ich mich auf einen Schreibtischmenschen eingelassen habe.“ Kaya atmete tief ein und aus und schüttelte langsam den Kopf. „Na siehst du. Das ist ja schon mal was. Bist du fertig mit deinen Getränken? Wir müssen uns nämlich beeilen, wenn wir dein ‚Problem’ kurieren und auch noch in dem neuen Laden vorbeischauen wollen.“, drängelte er und holte seinen Handspiegel aus der Tasche, um sein Äußeres zu überprüfen. Ich schluckte etwas und sah Kaya misstrauisch an. Dass er irgendeinen Plan bezüglich dieses Themas hatte, gefiel mir nicht sonderlich gut… „Was hast du vor?“, fragte ich also, doch Kaya grinste mich nur an. „Lass dich überraschen. Wir gehen deinem prüden Ich an den Kragen!“, sagte er, warf mir einen Luftkuss zu und trank den Rest seines Sekts schnell leer, bevor wir bezahlten und das Café verließen. Kapitel 2: ----------- Ich hatte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend als Kaya mich an der Hand durch die vollen Straßen führte, bis wir allmählich auf das von mir stets gemiedene Rotlichtviertel zusteuerten. „Hier musst du mal abends hingehen, da ist die Hölle los, sag ich dir! Aber tagsüber kann man hier in Ruhe shoppen, also keine Sorge.“, erzählte Kaya lächelnd, doch ich machte mir nur zunehmend mehr Sorgen. „Shoppen? Hier?!“, fragte ich entsetzt und lief etwas schneller, um dicht neben Kaya zu laufen. Auch tagsüber trieben sich seltsame Gestalten in den Gassen umher und ich hatte ein wenig Angst. „Japp. Shoppen. Und da du von deinem Herrchen so brav viel Geld bekommen hast, wird das nahezu paradiesisch! So, dort drüben ist es auch schon. Ein toller Sex-Shop, eine Freundin von mir betreibt ihn. Fünfzig Prozent meiner High-Heels kommen aus dem Laden, haha!“, kicherte er und ich versuchte mit aller Kraft zu bremsen und rückwärts wieder aus dem Viertel zu laufen, doch Kaya zerrte mich weiter mit sich. Wo hatte er in seinen dünnen Ärmchen so viel Kraft versteckt? „N-Nein! Ich will da nicht rein! Was soll ich denn da?! Ich habe genug Schuhe, ich habe einen Mann, brauche also kein seltsames ‚Spielzeug’ und Schmuddelkrams will ich auch nicht! Lass los!“, rief ich verzweifelt, doch Kaya ließ im wahrsten Sinne nicht locker. „Na komm, Häschen! Du wirst schon noch sehen, es wird dir gefallen, wenn ich erst mal mit dir fertig bin. Kann ja nicht angehen, dass da zwischen dir und Kamijo nichts läuft! Los! Hör auf dich zu wehren! Sonst ruf ich Kamijo an, dass er mir hilft dich da rein zu kriegen! Ist ja schließlich in seinem Sinne.“ „NEIN!“, rief ich mit riesigen Augen, da ich Kaya solche Aktionen wirklich zutraute. Er lachte lieblich und schaffte es also mich zu dem Laden mit den verdunkelten Fensterscheiben zu ziehen. „Oh Gott… Ich will nicht, Kaya!“, fiepste ich und war den Tränen nah. Mein Herz raste, mein Kopf glühte und mir wurde schmerzlich bewusst, wie empfindlich ich eigentlich auf dieses Thema reagierte. Wieso eigentlich? War ich wirklich so prüde? Eigentlich gehörte es doch zu den normalsten Sachen der Welt. Ein weiteres Problem war wohl aber, dass ich unweigerlich an die Nacht mit Juka denken musste, sobald ich mit dem Thema Sex in Berührung kam. Niemand wusste davon. Niemand wusste, was in jener Nacht geschehen war und ich überlegte lange, lange Zeit, ob ich es Kamijo schuldig war, ihm davon zu erzählen. Es würde aber wohl nur unnötig seinen Stolz kränken, deswegen ließ ich es. In meinem Hals bildete sich ein riesiger Kloß, als wir den recht dunklen Laden betraten. Alles war in Rot- und Schwarztönen gehalten, von den Wänden angefangen über den Boden, die Lampen und den Dekorationen. Ich musste aber gestehen, dass es für einen Sex-Shop recht edel aussah, ich hatte es mir ‚schmutziger’ und bizarrer vorgestellt. Aber allemal bizarr war Kayas ‚Freundin’: ein zwei Meter großer Mann auf mörderischen High-Heels mit breitem Kreuz, unnatürlich großer Oberweite, einem knappen Outfit und langen, künstlichen Haaren. Und in Sachen übertriebenem Make Up schenkten er und Kaya sich wirklich nichts. „Kaya-Maus! Du auch mal wieder hier!“, rief er mit versucht femininer Stimme und eilte aufgeregt zu ihm hin. Sie begrüßten sich mit Küsschen links und Küsschen rechts, während ich im Eingangsbereich wie eine Säule stehen blieb und das ganze mit großen Augen beobachtete. „Candy, ich will dir jemanden vorstellen! Das ist mein Hizaki-Hase, von dem ich dir schon erzählt habe.“, grinste Kaya, packte mich am Arm und zog mich zu dem beängstigend großen Mann hin. „Nein, wie süß! Hallöchen, Liebes, freut mich, dich kennen zu lernen.“, trällerte er und klimperte mich mit seinen extrem langen Wimpern an. „Äh…Ähm… Hallo.“, murmelte ich schüchtern und versteckte mich und meinen roten Kopf etwas hinter Kaya. Diese Aufmachung des Transvestiten hatte wirklich etwas Bedrohliches! Schlimmer als ich es von Kaya gewohnt war, ehrlich! „Was kann ich denn für euch zwei Süßen tun? Willst du die neue Schuhkollektion sehen? Ist gestern erst rein gekommen, die Teile sind wirklich der Hammer!“, grinste Kayas Freundin also und kicherte lieblich. Es war dieses Transen-Kichern, welches ich mir wohl niemals aneignen würde, selbst wenn ich Frauenkleider trug! Kaya beherrschte das auch besonders gut. Er winkte mit der Hand ab und sagte: „Später, Candy, später. Heute bin ich aus Therapiegründen hier! Mein ängstliches Häschen traut sich nämlich nicht mit seinem Mann ins Bett, wenn du verstehst, was ich meine.“ Ich riss meine Augen auf und drehte schnell meinen Kopf zu Kaya. Dann ballte ich meine Hände zu Fäusten und brummte leise: „Du musst lauter reden, die in Russland haben dich womöglich noch nicht gehört!“ „Stell dich nicht so an, mit Candy kann man gut über so was reden!“, entgegnete Kaya und tätschelte mir den Kopf. „Verstehe. Jungfrauen-Therapie also. Ach, das kriegen wir schon hin, keine Sorge! Ihr seid wirklich genau richtig bei mir. Seht euch doch erst mal etwas um, damit das Häschen warm wird!“, grinste Candy und lachte wieder leise. Kaya nickte und nahm mich also wieder an die Hand. Widerwillig ließ ich mich durch den Laden ziehen und hütete mich, auch nur irgendetwas von dem seltsamen Krams in die Hand zu nehmen. Kaya war da weitaus experimentierfreudiger und neugieriger. Er erinnerte mich an meinen kleinen Neffen, der sich ähnlich verhielt, als ich mit ihm in einem großen Spielzeuggeschäft war. „Aww, guck mal! Der sieht aus wie ein Pinguin! Süß, oder? Könntest du dir ins Regal stellen und kaum einer würde drauf kommen, was es wirklich ist, haha!“, kicherte er und hielt mir einen hellblauen Dildo in Pinguinform hin. „Klasse, wirklich. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, so baff bin ich.“, murmelte ich unmotiviert und wollte lieber auf meine Füße schauen, als mir dieses Spielzeug genauer anzusehen. „Oder hier: Guck mal!“, rief Kaya und ehe ich mich versah, hatte er mir eines der vibrierenden Objekte ins Ohr gesteckt. Ich wich schnell zurück und rieb mir mein Ohr, während ich verzweifelt klagte: „Lass das! Das ist ja widerlich.“ „Und wenn du eines Tages erwachsen bist, findest du daran sicher auch gefallen.“, grinste Kaya und legte mir eine ziemlich lange ‚Perlenkette’ um den Hals. Ich versuchte den Kloß in meinem Hals herunter zu schlucken und fragte murmelnd und fast schon ängstlich: „Ist… ist es das, was ich befürchte?“ „Analketten. Wie gesagt, tolles Zeug. Ich krieg dich schon noch dazu, dass du heute irgendetwas mitnimmst.“, sagte Kaya und rieb sich vorfreudig die Hände. „Aber du bist mir noch zu verklemmt. Verständlich, du hast ja auch gar keine Vorstellung, was man damit alles machen kann! Das haben wir gleich.“ „Ich bin froh, wenn ich noch Überreste meiner Würde mit hier herausnehme.“, wisperte ich verzweifelt und legte die Kette schnell wieder weg. Kaya drehte sich zu der Transe hinter der Kasse und rief: „Candy? Sind die Videokabinen frei?“ „W-Was?!“, kam es erschrocken über meine Lippen und meine Augen weiteten sich wieder. „Ja, sind frei! Ihr seid die einzigen, die hier sind momentan.“, rief Candy lächelnd zurück. Kaya nickte und grinste. „Gut, dann weiß ich Bescheid! Komm, wir schauen jetzt einen Film, Hizaki. Hast du Popcorn da, Candy?“, rief er wieder, doch dann brach er lachend zusammen und klopfte sich auf den Oberschenkel. „Popcorn… Der war nicht schlecht! Kriegt hier eine ganz andere Bedeutung, aber gut. Hihi.“, murmelte er und amüsierte sich weiter über seinen ach so gewandten Wortwitz. Ich schüttelte nur entsetzt darüber meinen Kopf, denn mir war gar nicht zum Lachen zumute und Kayas Witze waren auch schon mal besser gewesen. Er zerrte mich also in den Bereich mit den DVDs und ich hätte mir am liebsten die Augen zugehalten, da mich so manch ein DVD-Cover doch sehr verstörte. „Sooo… Was haben wir denn hier?“, murmelte Kaya und wühlte in dem Regal herum. „Guys go crazy – Ein Herz für Stecher… Nee, der war nicht gut, den kenne ich! Rocky und seine Partyboys… Um Gottes Willen! Deep Down and Dirty… Hm, sagt mir nix.“ Er nahm den Film aus dem Regal, drehte sich zu Candy und rief durch den halben Laden: „Deep Down and Dirty… Worum geht’s da?“ Ich riss meine Augen auf und murmelte: „Um Sex womöglich?!“ Kaya wollte mir doch nicht ernsthaft weismachen, dass diese Filme auch irgendeine nachvollziehbare Storyline hatten. Candy schien kurz zu überlegen, rief dann aber: „Ach, da geht’s um so zwei Polizisten. Ist nicht so spannend. Guckt lieber weiter, Hizaki soll doch was lernen!“ Ich schämte mich in diesem Moment in Grund und Boden und konnte nicht fassen, in was für einer schrecklichen Situation ich mich befand. Ich stand mit meinem besten Freund in einem Sexshop und er suchte nach einem Schmuddelfilm, von dem ich angeblich irgendetwas lernen sollte. Wo war das Loch im Boden, wenn man es mal brauchte? „Herrgott im Himmel…“, murmelte ich verzweifelt, während ich mir mit den Handflächen über das Gesicht rieb. Kaya stöberte also weiter im Regal und kicherte irgendwann: „Haha, der ist was für dich, Hizaki: Men in Suits – Fucked by the boss… Großartig!“ Er amüsierte sich köstlich darüber und ich setzte mich kurzerhand auf den Boden, da ich es kaum noch aushielt. „Ich hab genug für heute! Bitte lass uns gehen, wirklich.“, flehte ich und sah verzweifelt zu Kaya auf. „Nix da! Wir haben noch gar nicht richtig angefangen!“, entgegnete Kaya und schien sich für einen Film entschieden zu haben. „Meet me at the Diner! Candy, Meet me at the Diner! Erinnerst du dich noch an den? Hui, der war echt klasse.“, rief er und drehte sich wieder zur Transe hinter der Kasse. Diese nickte eifrig und rollte grinsend mit den Augen. „Der Hauptdarsteller ist wirklich ein Sahneschnittchen! Den solltest du Hizaki zeigen. Der ist auch nicht ganz so hardcore und fast schon realistisch. Eine gute Wahl!“, schwärmte er und ich begann mich vor dem, was kommen würde zu fürchten. Nicht viel später saßen wir in einem verdunkelten Raum mit einer kleinen Kinoleinwand und Kaya hibbelte aufgeregt auf seinem Sitz neben mir herum. „Guck auch hin, ja? Sonst verstehst du die Geschichte nicht.“, sagte er und ich rief: „KAYA, dieser Film hat keine Geschichte!“ Ich hielt mir wieder die Augen zu und spürte, wie mein Gesicht glühte. „Blödsinn, natürlich hat er das! Guck: Die zwei treffen sich zum Essen! Bei dem da, der mit den dunklen Haaren ist der Hauptdarsteller. Süß, oder? Das ist das ‚Weibchen’, das bist quasi du und der andere ist Kamijo, hihi!“, kicherte Kaya, während er immer wieder auf die Leinwand zeigte. Ich schaute immer nur flüchtig dorthin und dachte nicht im Traum daran mir auch nur ansatzweise vorzustellen, dass Kamijo und ich das auf der Leinwand wären. Der Film begann zwar harmlos damit, dass die zwei Darsteller gemeinsam schick aßen, doch schnell wurde es natürlich ernst. Kaya fiepste wie ein aufgeregtes Fangirly, als das ‚Männchen’ mit einer verruchten und tiefen Stimme zum hilflosen ‚Weibchen’ sagte: „Du wirst jetzt mein Nachtisch sein…“ „Oh, ich liebe es, wenn er das sagt! Und wie er es sagt! Da kann man ja nur schwach werden, haha!“, kicherte und fiepste Kaya aufgeregt und rüttelte an mir. Ich hüllte mich in gedemütigtes Schweigen und seufzte schwer, als ich aus den Augenwinkeln sah, wie die Darsteller sich ins Schlafzimmer begaben. „Oh nein.“, murmelte ich verzweifelt und wollte mir wieder die Augen zu halten, doch Kaya hielt meine Handgelenke fest und schmollte: „Nun guck auch hin, sonst war alles hier umsonst! Ich schaue so lange mit dir diese Filme, bis du ordentlich hinguckst! Kneifen gilt nicht.“ Ich atmete tief ein und aus und sah mich also gezwungen zur Leinwand zu schauen, da ich so schnell wie möglich wieder aus diesem Laden wollte. Anfänglich liebkosten die zwei Darsteller sich noch ganz normal auf dem Bett, doch schnell entledigten sie sich ihrer Kleidung und ich schluckte schwer. Ich wollte das nicht sehen… „Jetzt wird’s interessant!“, grinste Kaya leise und biss sich auf die Unterlippe, während er aufgeregt zur Leinwand starrte. Doch plötzlich riss er seine Augen auf und rannte zur Tür. Er brüllte in Richtung Laden: „Candy? Kann man irgendwo auf Pause drücken?“ „Warte, ich hol dir die Fernbedienung!“, rief Candy zurück und ich riss meine Augen auf. Pause? Wofür? Ich war doch froh, wenn es so schnell wie möglich vorbei war! Kaya ließ sich also die Fernbedienung geben, stoppte den Film an einer bestimmten Stelle, hob seinen Zeigefinger und sagte: „Da! Da kannst du gleich schon was sehr Wichtiges lernen, Hase! Siehst du dieses Fläschchen da? Wenn du nicht auf Schmerzen stehst und das alles ordentlich laufen soll: Denk immer ans Gleitgel! Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass Kamijo das auch weiß, aber nun ja, sicher ist sicher.“ Ich vergrub nun doch wieder verzweifelt mein Gesicht hinter den Händen und murmelte erneut den Tränen nah: „Oh Gott, Kaya… Bitte halt den Mund, ich brech’ gleich wirklich zusammen!“ „Jaja, mir egal, eines Tages wirst du mir dankbar für all das sein!“ „Das bezweifle ich.“, entgegnete ich schnell und gab ein genervtes Stöhnen von mir, als Kaya den Film weiter laufen ließ. Bei den Jungs ging es nun richtig zur Sache. Der kleine kinoähnliche Saal war von lautem Stöhnen erfüllt und ich sah mir widerwillig an, wie diese zwei Schauspieler es vor laufender Kamera miteinander trieben. Die Kamera filmte wirklich aus sämtlichen Winkeln und so manch ein Anblick trieb mir ernsthaft wieder die Tränen in die Augen. Mir wurde regelrecht schlecht davon und ich konnte mir nun noch weniger vorstellen, dass das Spaß machen sollte! Aber das Schlimmste war wohl: Es stand offensichtlich fest, dass ich das ‚Weibchen’ war, also musste ich auch diesen ganzen Mist über mich ergehen lassen! Es war wohl unmöglich zu versuchen mein Ego über das von Kamijo zu stellen. Unvorstellbar. „Siehst du, Hase? Nach einer Weile ist das gar kein Problem mehr. Das ist ja im Grunde nichts weiter als ein Muskel und Muskeln sind dehnbar!“, erklärte Kaya und ich brummte nur: „Toll.“ Ich hatte wirklich die Schnauze gestrichen voll und wollte nichts mehr davon hören oder sehen. Auch Kaya schien endlich dahinter gekommen zu sein, dass mein Limit erreicht war und atmete tief ein und aus, bevor er den Film ausschaltete. „Na schön, na schön. Jetzt hast du ja gesehen, wie es geht! Und? Wie fühlst du dich?“, fragte er und grinste. „Zum Kotzen, danke!“, fuhr ich ihn an und verschränkte die Arme. „Dann ist ja alles in Ordnung!“, überspielte Kaya meine schlechte Laune einfach, nahm mich wieder an die Hand und lief mit mir in den Eingangsbereich des Ladens zurück. „Oh, schon zu Ende?“, fragte Candy überrascht und machte gekonnt eine riesige, rosafarbene Kaugummiblase, die er anschließend zerplatzen ließ. „Nee, aber mein Häschen hat es wohl verstanden. Gib mir mal eine Tüte, ich will ihm ein paar Sachen einpacken.“, seufzte Kaya und stemmte die Hände in die Hüften, während er sich nachdenklich umsah. „Du wirst mir gar nix einpacken!“, rief ich empört, doch Kaya ignorierte mich. Er griff gezielt nach ein paar Spielzeugen, zwei ominösen Fläschchen und einer Packung Kondome. „Das Häschen-Starter-Set! Cool, was?“, freute er sich und ließ Candy die Sachen an der Kasse scannen. Ich fuhr mir mit einer Hand schwer seufzend durch die Haare und konnte es nicht fassen. Immerhin musste ich den Müll nicht selbst bezahlen, da Kaya es mir schenkte, aber dennoch: Das würde ich mit nach Hause nehmen und schnellstmöglich wieder entsorgen! „Wenn du dich mit dem hier immer mal wieder dehnst, wirst du absolut keine Probleme haben, vertrau mir.“ „Jajajaja, können wir jetzt endlich gehen?!“, drängelte ich, da meine Laune ihren Tiefpunkt und meine Verzweiflung ihren Höhepunkt erreicht hatten. „Ja, wir sind durch. Candy, halt mir die Schuhe fest, ich komme einen anderen Tag vorbei, um sie mir anzusehen!“, verabschiedete Kaya sich also von seiner Freundin und wir verließen endlich diesen Laden. Draußen holte ich tief Luft und lehnte mich erschöpft gegen eine Laterne. Ich war fix und fertig. „So! Jetzt gehen wir zu dem neuen Laden, oder?“, rief Kaya voller Energie und Vorfreude, doch ich drehte mich mit bösem Blick zu ihm um und entgegnete: „Sorry, aber ich hab’ echt keine Lust mehr. Ich will nur noch nach Hause.“ „Ach komm, bist du jetzt zickig, oder was?“, fragte Kaya etwas schnippisch und verschränkte die Arme. „Wenn du es so nennen willst, dann ja!“, antwortete ich und lief einfach ohne ihn weiter. Ich hörte Kaya genervt seufzen, bevor er mir folgte und sagte: „Hizaki, ich wollte dir nur einen Gefallen tun! Woher sollte ich ahnen, dass du wirklich dermaßen verklemmt bist?!“ „Ich hab’ dir von Anfang an versucht klar zu machen, dass ich auf den Mist keine Lust hatte! Aber dein Dickkopf hat mich ja wieder ignoriert!“, fauchte ich und merkte dort noch nicht, dass ich etwas ausfallend wurde. „Hast du eine Ahnung, wie peinlich mir das alles war?! Ich bin echt sauer und hab’ schlechte Laune, also lass mich in Ruhe.“ „Schön! Dann geh halt nach Hause und beruhig dich erst mal! Ich habe nämlich auch rein gar keine Lust auf deine schlechte Laune! Mann, es war nett gemeint.“, zickte Kaya nun zurück, da wir uns astrein hochgeschaukelt hatten. Wir würdigten uns keines Blickes mehr, sagten nichts und schnell trennten sich unsere Wege. Kapitel 3: ----------- Schon bevor ich zuhause ankam, machte sich das schlechte Gewissen in mir breit, denn im Grunde wusste ich ja, dass Kaya es auf eine seltsame, eigene Art und Weise nett gemeint hatte. Mir war wirklich zum Heulen zumute, denn erst dieser Horrortrip durch den Sex-Shop und dann noch der Streit mit Kaya… Das war alles zu viel gewesen. Ich schaute auf die Uhr, bevor ich den Schlüssel in der Haustür umdrehte und dachte mir, dass Kamijo noch nicht zuhause sein durfte. Schließlich war es erst siebzehn Uhr gewesen. Ich war auch recht froh darüber, denn so hatte ich Zeit ein geeignetes Versteck für mein ‚Häschen-Starter-Set’ von Kaya zu finden. Betrübt schloss ich also die Tür hinter mir nach Betreten des Hauses und seufzte schwer. Ich schüttelte mir die Schuhe von den Füßen, zog meine Jacke aus und als ich mich dann umdrehte, schrie ich kurz erschrocken auf, da Kamijo plötzlich vor mir stand. Aufgrund meines Schreis, wich dieser ebenfalls erschrocken zurück und legte eine Hand an seine Brust. „Was ist das denn für eine Begrüßung?“, fragte er mit großen Augen und atmete tief durch. „Schon zuhause?!“, fragte ich panisch zurück und sah ihn mit nicht minder großen Augen an. Umgehend verschwand die schwarze Plastiktüte hinter meinem Rücken… „Die Frage wollte ich dir auch gerade stellen… Ist alles in Ordnung?“, wollte er mit besorgtem Blick wissen und küsste mich kurz. Ich schluckte schwer und versuchte mich an einem kläglichen Lächeln. „Ähmmm… Ja! Ja, alles gut! Alles bestens. Ich… ähm… muss nur ganz, ganz dringend duschen! Jetzt sofort. Du entschuldigst mich also?“, sagte ich aufgeregt und ab und zu stotternd, was mich wohl ziemlich verriet. Kamijo verschränkte seine Arme und bekam wieder diesen skeptischen Blick, der mich zu durchbohren schien. „Hizaki?“, sagte er erneut mit diesem mahnenden Unterton und ich senkte meinen Kopf tief. „Was ist los?“, fragte er und ich schluckte schwer. „Nichts!“, beteuerte ich und traute mich kaum ihn anzusehen. „Was ist da in der Tüte?“, versuchte Kamijo es also mit einer anderen Frage und ich zuckte stark zusammen. Das durfte er niemals erfahren… „Jetzt muss ich aber wirklich los!“, rief ich aufgeregt und rannte an ihm vorbei die Treppe nach oben. Ich kam allerdings nicht weit, da Kamijo mir beängstigend schnell hinterher sprang und mich von hinten umklammerte, als er mich eingeholt hatte. Wir sanken auf der Treppe zu Boden und ich versuchte verzweifelt mich von seinem Griff zu lösen. „Nein, nein, nein!! Du darfst nicht gucken!“, rief ich, während mir das Blut ins Gesicht schoss und kämpfte mit ihm um die Tüte. „Warum nicht? Ist es eine Überraschung?“, fragte Kamijo misstrauisch und ich antwortete schnell: „JA! Es, es ist eine Überraschung! Du hast in sieben Monaten Geburtstag und ich habe jetzt schon was gefunden! Gut, oder?“ „Hm.“, machte Kamijo weiterhin skeptisch, ließ aber von mir und der Tüte ab. Ich atmete erleichtert auf und presste die Plastiktüte fest an meinen Körper, bevor ich etwas wackelig auf den Beinen aufstand. „Also! Ich… ich werde nun duschen. Dann komm ich wieder zu dir, ja?“, sagte ich und hoffte, dass Kamijo nachgeben würde. Das Misstrauen stand ihm weiter ins Gesicht geschrieben, doch er nickte und seufzte: „Na schön. Ich bin dann im Wohnzimmer.“ Er zuckte mit den Schultern, drehte sich um und lief langsam die Treppe hinunter. Ich atmete tief ein und aus und war heilfroh da noch glimpflich herausgekommen zu sein. Wie hätte ich Kamijo dieses ganze Zeugs auch erklären sollen? Der wäre womöglich noch auf die bösesten Gedanken damit gekommen. Ich eilte also schnell in unser Schlafzimmer und musste die Tüte mit den Sachen aus dem Sexshop wohl oder übel an diesem Ort verstecken. Sonderlich viel Auswahl hatte ich leider nicht, doch dann kam mir die rettende Idee: Kamijo würde wohl kaum an meine Kleider gehen, also hängte ich die Tüte über einen Kleiderbügel, zog gekonnt eines meiner Kleidchen darüber und das Versteck war perfekt. Na ja, fast, aber was Besseres fiel mir in diesem Moment leider nicht ein. Da das mit dem Duschen ja nur eine Ausrede war und ich auch eigentlich keine Lust dazu hatte, schleppte ich mich langsam ins Wohnzimmer und ließ mich wie ein nasser Sack neben Kamijo fallen. Ich kippte zur Seite und lehnte mich seufzend an meinen Freund. Dieser legte einen Arm um mich und streichelte mich sanft. „Du hast doch etwas auf dem Herzen, Hizaki. Das sehe ich genau! Und wieso bist du schon zurück? Ist etwas mit Kaya passiert?“, fragte Kamijo ruhig, aber auch ein wenig besorgt. Ich wusste, dass ich ihm ja doch nichts vormachen konnte und ich wollte ihn mit seiner Sorge auch nicht so im Dunkeln tappen lassen. „Der Tag war die Hölle. Und ich hab mich mit Kaya gestritten.“, gestand ich also murmelnd und seufzte erneut. Ich kuschelte mich enger an Kamijo und krabbelte fast schon auf seinen Schoß, da ich seine warme Nähe einfach brauchte nach diesem anstrengenden Tag. „Oh, das klingt wirklich nicht schön. Was ist denn passiert?“, wollte er wissen und streichelte mich weiter. Ich biss mir fest auf die Unterlippe und vergrub mein Gesicht in seinem weichen Pullover, da mir die Tränen kamen. „Ach Hizaki…“, seufzte Kamijo bemitleidend und dann kam auch schon mein Nervenzusammenbruch. Ich begann herzzerreißend und wohl übertrieben zu weinen, schluchzte bitterlich und ließ mich von Kamijo trösten. Irgendwann löste ich mich aber von ihm und wedelte aufgeregt mit meinen Händen vor meinen Augen, in der Hoffnung, dass ich die Tränen so stoppen konnte. „Tut – Tut mir Leid, ich – ich bin so eine Heulsuse.“, schluchzte ich und schluckte schwer. Ich legte eine Hand an meinen Mund und sah Kamijo verzweifelt an. Dieser küsste meine Stirn und versuchte mir mit den Fingern sanft die Tränen weg zu wischen. „Ist schon gut, Hizaki. Habt ihr euch denn so sehr gestritten, hm?“, fragte er ruhig und streichelte mir beruhigend durch das Haar. „Mh-Mh.“, verneinte ich und schüttelte langsam meinen Kopf. „Der ganze Tag… war nur einfach so schlimm für mich. Ich bin so… so komisch, Kamijo! Oder Kaya ist einfach komisch. Ich hab’ keine Ahnung. Vielleicht sind wir auch beide komisch. Ach, es war so schrecklich, Kamijo! Aber ich wünschte, ich, ich würde es nicht so schrecklich finden, verstehst du?“, redete ich wirr und sah Kamijo weiter verzweifelt an, während mein Körper mit jedem Schluchzen stark zusammen zuckte. Kamijo lächelte mich schief und entschuldigend an und sagte leicht lachend: „Sei mir nicht böse, aber ich verstehe gar nichts! Eins nach dem anderen, Prinzessin.“ Ich holte tief Luft und wischte mir die letzten Tränenreste aus dem Gesicht. Dann stand ich auf, griff nach Kamijos Hand, um ihn von der Couch hoch zu ziehen und zog ihn hinter mir her. Mein Herz raste, doch ich musste ihm wohl doch davon erzählen, um es los zu werden. Ich war gespannt auf seine Reaktion, doch Angst hatte ich natürlich auch ein wenig… Ich lief also zum Kleiderschrank mit Kamijos neugierigem Blick im Rücken und atmete tief durch, bevor ich die schwarze ominöse Plastiktüte aus dem Schrank holte. Dann verzog ich wütend mein weinerliches Gesicht und knallte ein Teil nach dem anderen auf das Bett. „Das hat er mit mir gekauft! Und das! Und das! Und das auch!“, klagte ich und verschränkte die Arme, nachdem alles auf dem Bett lag. Ich sah Kamijo mit zusammen geschobenen Augenbrauen und verzweifeltem Blick an. Er starrte nur die Sexspielzeuge und das Zubehör wie eingefroren an, bis er sich schlagartig eine Hand auf den Mund presste und mich ebenfalls verzweifelt ansah. Er schien die Luft anzuhalten, um nicht in lautes Gelächter zu explodieren, also rollte ich mit den Augen, seufzte schwer und murmelte beleidigt: „Jaja, lach nur, los.“ Dann kippte Kamijo auf dem Bett auch schon zur Seite und lachte, wie ich ihn in meinem ganzen Leben noch nie habe lachen sehen. Ich stand hilflos da und konnte nicht fassen, wie er reagierte. Immerhin versuchte er seinen Lachanfall im Kissen zu ersticken, doch es brachte nicht viel. Es dauerte eine Weile, bis das amüsierte Lachen Kamijos verstummte und er sich langsam wieder aufsetzte. Er grinste noch immer, räusperte sich kurz und kicherte nur noch ein Mal leise, bevor er eine Hand ausstreckte und sagte: „Komm her, Hizaki.“ Ich seufzte wieder und setzte mich also zu ihm. Was würde nun folgen? Eine Gebrauchsanleitung oder ein Aufklärungsgespräch meines Freundes? Ich war schrecklich peinlich berührt. „Jetzt habe ich eine ungefähre Vorstellung davon, wie schlimm es für dich gewesen sein muss. Ich kenne dich schließlich. Ach Hizaki…“, seufzte er mit einem sanften Lächeln und zog mich in seine Arme. Ich vergrub wieder meinen roten Kopf an seiner Brust und schwieg. „Du brauchst dieses ganze Zeug nicht. Wobei…Mh, das behalten wir mal.“, murmelte Kamijo und ich drehte meinen Kopf mit großen Augen über die Schulter, um zu sehen, was er denn bitte davon behalten wollte. Er streckte sich etwas und stellte die Flasche mit dem Gleitgel auf den Nachtschrank. Mein Kopf glühte und ich schluckte schwer. Aber eines Tages sollte ich wohl froh darüber sein, doch das beruhigte mich in diesem Moment nicht sonderlich. „Und was ist das?“, hörte ich Kamijo dann fragen und er griff nach einem anderen Fläschchen. „Oh, das klingt auch nicht schlecht! Und es ist ‚harmlos’. Kaya hat dir Rosenöl für die Badewanne mitgegeben.“, lächelte er, nachdem er die Flasche genauer gemustert hatte und ich löste mich leicht von ihm, um sie mir auch anzusehen. „Eine schöne Idee für unsere freien Tage oder was meinst du?“, flüsterte Kamijo mit seinem sanften Lächeln und nun musste auch ich wieder lächeln. „Ja. Warum eigentlich nicht?“. murmelte ich verlegen und schmuste mich wieder an meinen Freund. Dieser legte beide Arme um mich und streichelte mich beruhigend mit seinen Händen. „Und wie seid ihr nun auf die Idee gekommen in diesen Shop zu gehen? Oder war das etwa dieser ach so tolle neue Laden in den ihr wolltet?“, fragte Kamijo ungläubig und wieder kam ein Seufzen über meine Lippen. „Nein, natürlich nicht! Wie… wie soll ich dir das erklären… Na ja, Kaya wollte mir ‚helfen’, weil er meinte, dass ich zu verklemmt sei und… und er sagte, dass du mir fremdgehen wirst, wenn wir nicht… na ja… also…“, druckste ich herum und bekam einen Kloß im Hals bei der Vorstellung meiner Worte. Kamijo drückte mich plötzlich von sich, um mich mit großen, empörten Augen ansehen zu können. „Das hat er gesagt?! Aber du hast ihm ja wohl nicht geglaubt, oder? …Mh, sonst wärst du wohl nicht mit in diesen Laden gegangen.“, seufzte er und senkte kurz resignierend den Kopf. Dann schaute er mich ernst an und ich schluckte schwer. „Hör mir mal zu, Hizaki: Es ist alles in Ordnung und es ist auch nicht schlimm, dass wir noch nicht miteinander geschlafen haben. Ganz egal, was Kaya dir da auch für einen Mist erzählt. Vertrau mir da bitte.“ Und umgehend fühlte ich mich mies. Es hatte wirklich keinen Grund gegeben sich auf Kayas tolle Idee einzulassen. Kamijo liebte mich schließlich und ich hätte es besser wissen sollen, als mein bester Freund. Ich lächelte Kamijo erleichtert und mal wieder den Tränen nah an, bevor ich murmelte: „Danke.“ Anschließend beugte ich mich vor und küsste ihn liebevoll. Ich hatte wohl wirklich den perfekten Prinzen als Freund und steckte mich in die Schublade der glücklichsten Menschen der Welt. Es gab wirklich nichts zu beklagen und seine kleinen Macken wie seine Arroganz beispielsweise, von denen merkte ich seit wir zusammen lebten kaum noch etwas. Kamijos und meine Beziehung war genau so, wie ich sie mir immer erträumt hatte! Romantisch, harmonisch, liebevoll… Ich könnte stundenlang so weiter schwärmen! Alles schien perfekt, bis zu jenem Tag, wo die andere Seite der glänzenden Medaille allmählich zum Vorschein kam… Kamijo und ich freuten uns riesig über seine freien Tage an denen es sogar das Wetter sehr gut mit uns meinte. Eines Morgens wachte ich früh vor Kamijo auf und begann meine Überraschung für ihn vorzubereiten. Er tapste irgendwann vollkommen verwirrt in die Küche und schaute nur noch verwirrter, als er sah, dass ich einen Obstsalat zubereitete und Rührei in der Pfanne briet. „Hizaki, weißt du, wo alle hin sind? Ich wollte Takuya eben fragen, ob mein Anzug schon aus der Reinigung gekommen ist, aber ich konnte weder ihn noch die anderen finden! Was machst du da?“, fragte er und schaute mir über die Schulter. „Das nennt man Obstsalat. Und das, das ist Rührei.“, erklärte ich leicht grinsend und sah aus den Augenwinkeln, dass Kamijo die Augen verdrehte. „Nein! Tatsächlich? …Aber jetzt mal ehrlich, Hizaki.“, bat er und legte sein Kinn auf meiner Schulter ab. „Ich habe alle in den Urlaub geschickt!“, erzählte ich fröhlich und hielt ihm eine Erdbeere vor die Nase. „Du hast was?!“, rief Kamijo empört, aß dann aber die Erdbeere und löste sich etwas von mir. „Das gibt’s doch nicht. Da stelle ich Personal ein, damit wir mehr Zeit füreinander haben und uns um nichts kümmern müssen und du schickst alle in den Urlaub, wo ich doch frei habe!“, sagte er verständnislos und fasste sich an den Kopf. „Ganz genau! Mund auf.“, grinste ich und hielt ihm dieses Mal ein Stück Banane hin. Er aß es brav und sah mich immer noch verwirrt an. „Ich esse zwar sehr gern, was deine Köche da immer alles zaubern, aber ich will dir beweisen, dass ich auch gut kochen kann! Und zusammen kochen kann tierisch Spaß machen! Kennst du den Spruch nicht? Liebe geht durch den Magen. Also: Mund auf!“, klärte ich meinen Freund endlich auf und fütterte ihn weiter mit Obst. „Aber musstest du dafür gleich alle wegschicken? Wer putzt nun?“, fragte Kamijo verzweifelt und schien wohl noch immer nicht ganz angetan von meiner Aktion. Ich rollte mit den Augen und seufzte: „Auch das kann ich und wir werden es ja wohl schaffen das Haus in ein paar Tagen nicht vollkommen einzusauen, oder?“ „Hm. Ist was dran.“, begann Kamijo endlich nachzugeben und schaute wieder neugierig, was ich denn da alles mit dem Essen machte. Dann grinste er und schlang die Arme von hinten um mich. „Du bist unheimlich süß, weißt du das?“, lachte er dann und küsste mich auf die Wange. Ich freute mich das zu hören und wurde etwas rot. Seine Worte zauberten mir wieder ein verliebtes Lächeln auf die Lippen und ich rührte etwas unnütz in meinem Salat herum, während ich Kamijos Umarmung genoss. Plötzlich klingelte das Telefon und Kamijo seufzte, als er mich loslassen musste, um schnell zum Telefon zu eilen. Ich bekam große Ohren und lauschte neugierig, während ich mich weiter um das Essen kümmerte, wer es denn wagte Kamijo in seinem Urlaub anzurufen. Arbeitskollegen trauten sich das selten. Ich bemerkte auch schnell, dass es niemand von der Arbeit war, denn Kamijo lief grinsend mit dem Telefon auf und ab, während er sagte: „Hey, wie geht’s dir? …Haha, ja, wem sagst du das. Wie hast du raus bekommen, dass ich Urlaub habe? …Hm? Nein, lange natürlich nicht. …Achso, verstehe. Kann ich dich nachher zurückrufen? Kann ich jetzt so spontan nicht sagen. Alles klar. Ich melde mich dann später bei dir! Bye!“ Kamijo legte grinsend das Telefon weg und lief zu mir zurück. Ich begann den Tisch im Esszimmer zu decken und fragte neugierig: „Wer war denn da?“ „Ach, das war Kisaki! Er hat mich mal wieder gestalkt und heraus gefunden, dass ich Urlaub habe.“, erzählte er und half mir tatsächlich den Tisch zu decken. Meine Neugier war natürlich noch nicht befriedigt, denn das konnte ja noch nicht alles von ihrem Gespräch gewesen sein: „Achso! Und? Was wollte er?“, fragte ich und lächelte lieb, nachdem wir uns gesetzt hatten. „Wow, das sieht wirklich lecker aus!“, staunte Kamijo über mein selbst gemachtes Frühstück, bevor er antwortete: „Na ja, er hat zufällig auch gerade Urlaub und fragte, ob wir nicht mal weggehen wollen oder so. Aber ich gehe natürlich nicht mit ihm weg! Wir wollten schließlich schöne Tage miteinander verbringen.“ Er zwinkerte mir kurz zu und begann zu essen. Ich schluckte leicht und war hin und her gerissen. Einerseits war ich froh, dass Kamijo bei mir bleiben wollte, aber ich dachte daran, dass es ihm sicher auch mal gut tun würde mit seinen Freunden etwas zu unternehmen. Und da sowohl er als auch Kisaki schwer beschäftigte Workoholics waren, sahen sie sich sicher recht selten. Außerdem ging ich auch oft mit Kaya weg, deswegen entgegnete ich: „Du solltest auch was mit ihm unternehmen, finde ich! Er freut sich bestimmt und wir haben doch noch genug von deinen freien Tagen.“ Kamijo kaute eine Weile und sah mich unsicher an. Nachdem er sein Essen herunter geschluckt hatte, sagte er zögernd: „Ja, aber… ich weiß nicht. Ist das wirklich in Ordnung? Ich fühle mich schlecht, wenn ich dich hier alleine lasse, obwohl ich frei habe.“ Er sah kurz nachdenklich in die Obstsalatschüssel, hob dann aber seinen Kopf an und lächelte: „Komm doch mit! Dann unternehmen wir zu dritt was! Vielleicht hat Kaya ja auch Lust mitzukommen? Oder Tomozo?“ Es rührte mich sehr, wie Kamijo an mich dachte und versuchte mich mit allen Mitteln bei sich zu haben und es mir gut gehen zu lassen. Ich schüttelte aber sanft lächelnd den Kopf und sagte: „Mh-Mh. Ihr solltet allein etwas unternehmen. Außerdem habe ich noch Streit mit Kaya. Und Tomozo… Ach, den sehe ich doch oft genug, wenn du arbeiten musst. Mach dir einen schönen Nachmittag mit Kisaki! Du musst dich auch mal um deine Freunde kümmern, nicht nur um mich.“ Kamijo atmete tief durch und lächelte schief. „Na schön. Du hast wohl Recht. Dann gehe ich heute Abend mit ihm weg, ist das in Ordnung? Einen ganzen Tag halte ich gar nicht mit ihm aus.“, lachte er und ich nickte. „Ist gut! Grüß ihn lieb von mir.“, bat ich und wir aßen in Ruhe weiter. Den Rest des Tages verbrachten wir hauptsächlich im Garten aufgrund des schönen Wetters und ließen es uns in der Sonne gut gehen, bis Kamijo sich ausgehfertig machte. „Kann ich so gehen? Ich finde das Hemd zu übertrieben für die Arbeit, deswegen trage ich es nie, aber so zum Ausgehen finde ich es nicht schlecht.“, grübelte Kamijo, der vor dem Spiegel stand und sich von allen Seiten kritisch musterte. Ich saß auf dem Bett und lachte leise. Seine Eitelkeit war manchmal wirklich niedlich und es freute mich, dass ihm meine Meinung so viel wert war. Er trug ein schwarzes Hemd mit leichtem Brokatmuster, dazu seine geliebte Lederhose und silbernen Schmuck. „Du siehst gut aus! Aber vielleicht solltest du noch ein Jackett anziehen. Dann bist du auch hundertprozentig mit Kisaki im Partnerlook.“, kicherte ich und er grinste mich über die Schulter an. „Wir sind eben wichtig! Und wichtige Menschen tragen Jacketts. Und Sonnenbrillen, egal zu welcher Tageszeit.“, sagte er und setzte übertrieben cool seine Sonnebrille auf. Ich lachte wieder, stand auf und lief zu ihm hin, um den Kragen seines Hemdes zu richten. „Ich wünsche dir viel Spaß und wenn ihr Alkohol trinkt, lässt du bitte dein Prollauto im Parkhaus und kommst mit dem Taxi!“, bat ich sicherheitshalber, denn ich wusste, dass Kamijo nur ungern sein ‚Baby’ irgendwo alleine stehen ließ. Er lächelte mich an, nahm meinen Kopf zwischen die Hände und küsste mich zärtlich. „Mach dir keine Sorgen. Ich bleibe auch höchstens zwei Stunden und falls es doch länger sein sollte, rufe ich an.“, sagte er leise gegen meine Lippen und küsste mich erneut. Ich seufzte und schmiegte mich anschließend an ihn. „Nein, nein, nein! Du schaust weder auf die Uhr noch rufst mich an, außer im äußersten Notfall. Hab einfach Spaß, Kamijo. Ich schnappe mir gleich eine Packung Eis und schaue mir einen guten Film an. Ich bin also beschäftigt.“, versuchte ich meinen Freund zu beruhigen, der daraufhin tief durchatmete und langsam nickte. Seit wann war er nur so anhänglich? Aber ich genoss es irgendwo und wäre wohl auch traurig gewesen, wenn er nicht so ein Theater gemacht hätte, um mal ehrlich zu sein. Ich begleitete Kamijo also zur Tür, verabschiedete mich liebevoll von ihm und winkte ihm sogar noch, als er mit dem Auto die Straße entlang fuhr. Man hätte auch meinen können, dass wir ein altes Ehepaar waren. Dann lief ich wieder in das Haus, warf mich mit meinem Eis gemütlich auf die Couch und schaute also einen unterhaltsamen Film. Die ganze Zeit versuchte ich mir vorzustellen, wie Kamijo sich wohl unter Freunden verhielt. Er redete schon am Telefon anders mit Kisaki als er mit mir immer redete. Nicht mehr ganz so malerisch und melodisch, sodass jedes Wort wie ein Lied klang. Irgendwie lockerer. Und ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass sie irgendwo bei Kerzenschein einen französischen Wein tranken, wie es wohl Kamijos Image gerecht werden würde. Ich schaute nachdenklich in meinen Eisbecher. Wie viel kannte ich denn nun eigentlich von dem wahren Kamijo? Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er vor mir lediglich den perfekten, fleißigen und anmutigen Prinzen zeigte, aber das war doch wohl nicht alles an ihm, oder? Was, wenn der wahre Kamijo vollkommen anders war? Und wollte ich das wirklich herausfinden? Ich bekam Bauchschmerzen von diesen Gedanken, denn ich fürchtete mich davor mich in sein Image und nicht in Kamijo selbst verliebt zu haben. Aber wenn er mir doch nichts anderes von sich preisgab, was blieb mir denn übrig? Aber vielleicht kannte doch nur ich den wahren Kamijo und alles andere war Fassade. Der Gedanke beruhigte mich etwas, ich hielt ihn jedoch nicht für sonderlich realistisch. Kamijo war vielseitig, das bekam ich ja selbst schon am eigenen Leib zu spüren, wenn er beispielsweise vom Prinzen zum Vampir umpolte und mich überfiel. „Gott, dieser Mann!“, seufzte ich aufgebracht und ließ mich zur Seite fallen. Im selben Atemzug fiel mir auf, dass ich kaum etwas über ihn privat wusste. Über seine Familie, seine Ängste und Träume, einfach was er so dachte, was ihn bewegte, all solche Dinge wusste ich nicht. Und dennoch schimpfte ich mich seinen Partner? Das schien mir irgendwie nicht richtig. Ein Partner sollte doch nahezu alles über sein Gegenstück wissen, um es zu verstehen und unterstützen zu können, oder? Und ich wollte einfach mehr wissen, als das, was er doch eh einfach im Internet oder in Zeitschriften von sich preisgab. Geburtsort, Größe, Sternzeichen, Gewicht, Lieblingsmarke… Was ist das schon? Das sind keine Informationen, mit denen man behaupten kann „Ich kenne diesen Menschen“. Und Kamijo war wie ein riesiges Dungeon aus einem Playstationspiel, mit tausenden Fallen und Schätzen und Überraschungen bis zum Schluss. Gab es für ihn auch eine Komplettlösung? Ich merkte, dass meine Gedanken sich überschlugen, seufzte schwer und versuchte mich auf den Film zu konzentrieren. Das gelang mir natürlich nicht, weshalb ich schwer seufzte und meinen Unterarm über meine Augen legte. Kamijo Yuuji. Es würde wohl niemals aufhören, dass ich mir den Kopf über ihn zerbrach. Aber ich nahm mir fest vor das Dungeon in Angriff zu nehmen und so viel wie möglich von Kamijo kennen zu lernen. Meine Neugier kannte keine Grenzen und ich nahm das Risiko in Kauf womöglich auch auf unangenehme Dinge zu stoßen. Kapitel 4: ----------- Ich schlief auf dem Sofa irgendwann ein und wachte erst früh morgens wieder auf. Es war ungefähr drei Uhr, als ich aus meinem Nickerchen erwachte und ich wunderte mich doch ein wenig, dass Kamijo tatsächlich noch nicht zurück war. Er hätte mich sonst sicher geweckt oder ins Bett getragen oder irgendwie so etwas. Sicherheitshalber ging ich aber ins Schlafzimmer und überprüfte, ob er nicht vielleicht doch schon zuhause war und mich nur schlafen ließ. Als ich aber die Tür vorsichtig öffnete und ins Zimmer blickte, fand ich keinen schlafenden Prinzen. „Hm…“, machte ich nachdenklich und lief ins Wohnzimmer zurück. Ich schaute auf mein Handy und dann auf das schnurlose Telefon auf dem Wohnzimmertisch. Sollte ich ihn wohl anrufen? Nein, das käme komisch, schließlich wollte ich ja, dass er ausgiebig mit Kisaki feierte und sich nicht meldete. Ich atmete tief durch und gähnte anschließend. Kisaki und Kamijo hatten sich sicher eine Menge zu erzählen und vergaßen einfach die Zeit. Ja, so musste es gewesen sein. Meine Hände ruhten auf meinen Beinen, bis mein Zeigefinger schnell hintereinander auf meinem Oberschenkel herumtippte, während ich zum Fernseher starrte. „Nein, ich mache mir keine Sorgen. Kamijo ist ein großer, erwachsener Mann.“, redete ich auf mich ein und starrte immer verkrampfter zum Fernseher. Das Tippen meines Zeigefingers wurde schneller und ergänzte sich mit meinem zappelnden Fuß. Ich hörte im rechten Ohr das laute Ticken von Kamijos antiker Wanduhr und schluckte leicht. Plötzlich war ich anfällig auf alles, was nervös machte und krallte mir ein Kissen, um hinein zu schreien. Ich durfte ihn einfach nicht anrufen! Ich musste ihm vertrauen. Er würde schon bald wieder nach Hause kommen. Vielleicht stand er mit dem Taxi auch nur im Stau? Aber um diese Uhrzeit? Ich seufzte schwer und machte mich wieder der Länge nach auf der Couch breit. Da ich unnötig krank vor Sorge wohl sowieso nicht wieder einschlafen konnte, beschloss ich so lange wach zu bleiben, bis Kamijo wieder käme. Das dauerte noch eine ganze Weile, was mich doch echt verwunderte, aber ich war einfach nur froh, als ich die Scheinwerfer draußen am Fenster vorbeifahren sah und hörte wie ein Auto in die Auffahrt fuhr. Vorfreudig sprang ich von der Couch auf und rannte zur Tür, um meinen Schatz gebührend zu empfangen. Ich wartete im Flur, wippte auf meinen Füßen vor und zurück, während ich die Tür anlächelte, die sich langsam öffnete. „Willkommen zuhau-… Kamijo?“, begann ich erst zu rufen, sah ihn dann aber verstört an. Er hielt sich schwerfällig auf den Beinen und schloss unkontrolliert die Tür hinter sich mit einem lauten Knall. „Huch.“, murmelte er und räusperte sich. Er lehnte sich gegen die Tür, um wohl nicht umzufallen, drehte sich aber langsam in meine Richtung und grüßte mit einem leicht dümmlichen Grinsen: „Hallo Schatz! Du schläfst ja gar nich’…“ Ich hörte, dass er etwas nuschelte, sich aber Mühe gab ordentlich zu sprechen und halbwegs ordentlich zu stehen, doch ein Blinder konnte wohl erkennen, dass Kamijo hackendicht war. Ich schluckte schwer und das Herz rutschte mir in die Hose, denn es war seltsam und beunruhigend Kamijo so unkontrolliert zu erleben… „N-Nein, ich… ich wollte warten, bis du wieder zuhause bist.“, murmelte ich und hielt etwas Distanz zu ihm. Selbst auf den Meter Entfernung zwischen uns konnte ich seine Fahne riechen und war etwas angewidert davon. „Cool.“, grinste Kamijo nur und hangelte sich von der Tür zum Schuhschrank. Er taumelte fürchterlich und versuchte den Türrahmen zum Wohnzimmer zu greifen, schnappte aber daneben und landete mit einem Seitwärtsschritt in der großen Zimmeresche. „Scheiße!“, fluchte er und ich atmete tief ein und aus. Die Zimmerpflanze war hin und Kamijo wohl auch. Ich sah mich gezwungen diesem Haufen Elend zu helfen und zog ihn aus den Blättern der Pflanze wieder auf die Beine. „Da. Festhalten.“, seufzte ich nur und drückte Kamijos Hände gegen den Türrahmen, damit ich ihm die Schuhe ausziehen konnte. Er half mir schwerfällig dabei und nuschelte irgendwann: „Bist du mir böse? Ich will nich’, dass du böse bis’… Das is’ alles Kisakis Schuld! Sooo betrunken bin ich auch gar nich’.“ „Wir reden morgen darüber, ist schon gut.“, murmelte ich und versuchte wirklich nicht all zu wütend zu sein. Er war halt ausgiebig feiern, was war schon dabei? Und dennoch fiel es mir nicht leicht meine Wut - auf was auch immer - zu unterdrücken. Vielleicht war ich wütend, weil er anscheinend ohne mich so einen Spaß hatte… Vielleicht war ich auch wütend, weil ich ihn niemals so erleben wollte. So wirr und eben… nicht Kamijo. Da fing es schon an. Es fiel mir schwer mit allem konfrontiert zu werden, was nicht in Verbindung gebracht werden konnte mit dem Prinzen-Kamijo. Das war zwar ein Extremfall dem ich da gegenüberstand, aber dennoch. Wie sollte das weiter gehen? Ich zog ihm seine Jacke aus und zerrte ihn dann fast schon grob die Treppe nach oben hoch ins Schlafzimmer. „Nich’ so schnell! Ich stolper noch…“, klagte er, doch ich nahm keine Rücksicht darauf. Ich schubste ihn ins Bett und konnte, indem ich ihn ausnahmsweise mal so grob behandelte, meiner Wut etwas Luft machen. Der bekam ja sowieso nichts mehr mit… „Du bis’ böse, ich merk’ das.“ „Halt die Klappe.“, fuhr ich ihn an und krabbelte zu ihm ins Bett, um sein Hemd aufzuknöpfen. Er schielte mit verklärtem Blick in meine Richtung und zeigte wirklich schon so etwas wie Reue, aber ich wollte die Gelegenheit noch etwas ausnutzen und beleidigt sein, dass er so die Kontrolle über sich verloren hatte. Ich hockte mich auf sein Becken und zerrte also an dem Stoff seines Hemdes, um ihn auszuziehen. Das Hemd stank nach Zigarettenqualm und einer Menge Alkohol. Das waren sicherlich nicht nur ein, zwei Bierchen, die die Herren an dem Abend gekippt hatten. Ich hoffte, dass es Kisaki noch schlechter ging als Kamijo, denn der schien wirklich Schuld zu haben! Ich rutschte etwas auf Kamijos Oberschenkel, um der Schnapsleiche die Hose zu öffnen, doch plötzlich drehte Kamijo sich mit mir und brachte mich unter sich. Ich schrie kurz auf, da ich damit nicht gerechnet hatte und starrte Kamijo aus riesigen Augen an. „Kamijo! Lass das! Du erdrückst mich.“, jammerte ich und versuchte ihn von mir herunter zu bekommen, schaffte es aber natürlich nicht. „Hizaki…“, hauchte er und der widerliche Gestank seines Alkoholkonsums stieg mir wieder in die Nase. Ich kniff die Augen zusammen und drehte meinen Kopf zur Seite. „Hörst du mir zu?! Du sollst runter gehen!“, fiepste ich aufgeregt und versuchte nun mit meinen Füßen Kamijo von mir zu lösen. Dann drehte er aber meinen Kopf zu sich und küsste mich aufdringlich. „Mhn!!!“, machte ich weiter beschwerend in den Kuss, gegen den ich mich nicht wehren konnte und kniff die Augen weiterhin fest zu. Er schmeckte nach Hochprozentigem gemischt mit Aschenbecher, was mich nicht gerade sonderlich erregte. Im Gegenteil, ich wollte den Suffkopf nur noch weg von mir haben, doch Kamijo machte einfach weiter. Seine Zunge bahnte sich ihren Weg zwischen meine Lippen und liebkoste die meine, woraufhin ich meine Finger fest in seinen Rücken krallte. Dieser Teufel… Mein Herzschlag beschleunigte sich besorgniserregend und immer wieder quakte ich in den Kuss, bis ich es schließlich aufgab. Wie weit würde Kamijo in seinem Suff gehen? Er nahm ja in diesem Moment schon keine Rücksicht mehr auf mich und meinen Wunsch, dass er aufhören sollte… Ich atmete schwerer und holte tief Luft, als Kamijos heiße Lippen sich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder von mir lösten. Ich sah Kamijo verzweifelt an und quengelte auch gleich wieder: „Kamijo! Nun hör schön auf, ich finde das echt nicht mehr -… aahh!“ Er biss mir fest in den Hals, was mir ein ungewolltes Stöhnen entlockte, während ich mich nur noch fester an ihn klammerte. Er schien es wirklich ernst zu meinen und ich wurde zunehmend aufgeregter. Ich fühlte mich nicht gerade bereit dafür und schon gar nicht für einen rotzbesoffenen Kamijo, der Wörter wie Vorsicht, Rücksicht und Zärtlichkeit irgendwo im Alkohol verloren hatte. Und dennoch verlief es wie eigentlich immer: Je mehr er mich begehrte, umso weniger konnte ich mich wehren. Einerseits, weil es frustrierend war sich so zwecklos gegen ihn zu stellen und andererseits, weil es zunehmend schwerer fiel ihm zu widerstehen. „Kamijo!“, wimmerte ich wieder verzweifelt mit hochrotem Kopf, während er weiter an meinem Hals sog und seine Hand unter mein Shirt wandern ließ, um über meine Seite zu streichen. Mein Herz raste unaufhörlich und ich wand mich noch immer etwas unter seinem Tun, da ich mich so ausgeliefert fühlte. Dann sah ich mich aber plötzlich gerettet, da Kamijo sich mehr oder weniger von mir löste. Er setzte sich auf mein Becken, wie ich es zuvor bei ihm getan hatte, zog aber dann etwas grob mein Shirt aus und warf es weg. Ich sah verzweifelt zu ihm auf und schluckte schwer. Das war wohl nichts mit dem ‚gerettet’. Kamijo legte sich wieder auf mich und küsste mich gierig. Die Stelle, in die er gebissen hatte, pulsierte fürchterlich und mein gesamter Körper schien zu beben. Nun schlang auch ich meine Arme um seinen glühenden Körper und konnte nicht mehr anders, als den Kuss schwer durch die Nase atmend zu erwidern. Ich war so schrecklich aufgeregt… und furchtbar verunsichert. War es nicht dumm gewesen endlich das erste Mal mit Kamijo zu schlafen, wenn er betrunken war? Womöglich würde er sich am nächsten Tag dann gar nicht mehr daran erinnern… Der Gedanke gefiel mir irgendwie nicht, doch wie sollte ich diese tickende Zeitbombe auf mir noch aufhalten? Vorerst gab ich mich weiter seiner Leidenschaft hin und genoss die innige Zuwendung meines Freundes. Dieser alkoholisierte Zustand zeigte wohl seine wahre Einstellung dazu, dass ich ihn so lange warten ließ… Ich hatte schon befürchtet, dass es ihm in Wahrheit sehr schwer fiel. Umgehend meldete sich mein schlechtes Gewissen zu Wort und ich gab ihm Recht: Ich sollte Kamijo nicht länger warten lassen! Wir waren ein Paar und auch, wenn er betrunken war… Er würde mir niemals wehtun und immer auf mich Acht geben, da war ich mir sicher. Ich nahm also all meinen Mut zusammen und ließ alles auf mich zukommen, ohne mich zu wehren. Vielleicht konnte ich seinen Zustand auch zu meinem Vorteil wenden, denn er würde es sicher nicht so schnell merken, wenn ich mich dumm anstellte. Allerdings konnte er mich auch nicht sonderlich gut führen… Ich schluckte und versuchte diese ganzen nervigen Überlegungen beiseite zu schieben. Wieso konnte es nicht einfach ablaufen wie bei Juka? Dort hatte ich es auch geschafft meinen Kopf auszuschalten und tat einfach, wonach mir war. Und es war gut gewesen. Unheimlich gut… Wieder schämte ich mich, da ich an Juka dachte, während Kamijo gerade meinen Oberkörper mit seinen Lippen liebkoste. Das war doch auch irgendwie nicht richtig gewesen. Aber ich musste ja auch erst mal Erfahrungen mit Kamijo sammeln, was mich nur weiter darin bestärkte endlich meine prüde Seite ruhig zu stellen und meinen Freund einfach machen zu lassen. Es fühlte sich mit der Zeit auch immer besser an und ich gewöhnte mich an diese wohligen Gefühle, die mich übermannten. Meine Finger fuhren durch Kamijos leicht gewelltes Haar, während er sich langsam und zärtlich über meinen Bauch küsste. Ab und zu kitzelte es, aber nicht so schlimm, dass ich lachen musste. Ich hielt die Augen geschlossen, legte meinen Kopf in den Nacken und gab ein von Herzen kommendes Seufzen von mir. Endlich kam ich in die richtige Stimmung und spürte sogar, dass ich zunehmend gieriger wurde. Kamijo war einfach unglaublich. Diese verruchte Ausstrahlung hatte er einfach im Blut und wenn er sie dann auch noch so offensichtlich preisgab, war ich verloren. Verloren in seinem lasziven Blick und seiner brennenden Leidenschaft. Somit wehrte ich mich also nicht weiter, als er die restlichen störenden Kleidungsstücke erst von meinem Körper und dann von seinem entfernte. Täuschte ich mich oder wirkte er plötzlich wieder erstaunlich nüchtern und beherrscht? Ich bekam aber keine Gelegenheit weiter darüber nachzudenken, denn als sein komplett entblößter Körper sich wieder eng an meinen schmiegte, raubte es mir den Atem und jeglichen Gedanken. Sein Körper schien noch heißer zu sein als mein eigener und ich atmete immer schwerer vor Aufregung. Er leckte wieder über meinen Hals, während ich meine Arme fest um ihn schlang, um ihn nur noch stärker an mich zu ziehen. Das war so ein unglaubliches Gefühl, denn so nah war ich ihm noch nie gewesen. Und ich wusste, dass wir uns noch näher kommen konnten… Uns trennte nur noch ein ganz kleiner Schritt davon, denn er lag bereits in einer mehr als gefährlichen Position so zwischen meinen Beinen. Als er sich von meinem Hals löste und mir mit seinem verklärten Blick in die Augen sah, lächelte ich lieblich und streichelte ihm mit einer Hand durch die Haare. „Kamijo…“, wisperte ich und zögerte nur noch kurz, bevor ich leise fortfuhr: „Ich… Ich will dich nicht länger warten lassen! Also… halte dich nicht zurück, ja?“ Nun lächelte auch er sanft, doch dieses Lächeln verwandelte sich schnell in ein verruchtes Grinsen, bevor er mich mehr als stürmisch küsste, stürmischer als je zuvor. Ich stöhnte in den Kuss, klammerte mich wieder eng an ihn und glaubte, dass mein Herz kurz davor war aus meiner Brust zu springen. In diesem Moment konnte ich es fast schon nicht mehr erwarten Kamijo endlich in mir zu spüren, meine Gier schien mich innerlich zu zerreißen und alles in mir schrie nach meinem Liebsten! Doch es kam alles anders… Als ich glaubte, dass wir es endlich tun würden, riss er sich plötzlich schlagartig von mir los, stolperte aus dem Bett und stürmte aus dem Zimmer. Keine fünf Sekunden später musste ich mir anhören, wie er sich schrecklich im Bad nebenan übergab. Ich blieb schwer atmend liegen, starrte perplex an die Decke, bis ich mir ein Kissen schnappte und laut hinein kreischte. Es war so knapp gewesen! So elendig, verflucht noch mal knapp! Ich konnte nicht glauben, dass uns Kamijos Vollrausch einen dermaßen großen Strich durch die Rechnung machte. Ich zog mir zumindest die Shorts wieder an, bevor ich aufstand und Kamijo ins Bad folgte. Meine Augenbrauen waren dicht zusammen geschoben, denn ich war mehr als sauer. Da wollte ich endlich mal und was geschah?! Und da konnte mir niemand sagen ‚Och, der arme Kamijo konnte doch nichts dafür!’… Doch, gerade er konnte besonders viel dafür! „Dummkopf!“, fluchte ich über ihn, als er endlich seinen gesamten Magen entleert hatte und machte ein Handtuch nass, um ihm damit das Gesicht abzuwischen. Er sah sehr käsig aus und hustete leise. „Hizaki, es…“ „Spar dir das für morgen! Ich bin froh, wenn du dich einfach nur noch ins Bett legst, die Klappe hältst und deinen verfluchten Rausch ausschläfst! Mann…“, ärgerte ich mich weiter, packte ihn am Arm, zog ihn hoch und hinter mir her zurück ins Schlafzimmer. Dort das gleiche Spiel wie zu Beginn: Ich warf ihn ins Bett, deckte ihn zu und ignorierte sein jämmerliches Gesicht. „Ich hole dir noch einen Eimer, falls du gern mein selbstgemachtes Frühstück weiter auskotzen möchtest.“, grummelte ich, stampfte also wieder aus dem Zimmer und suchte nach einem Putzeimer. Als ich zurückkam, um ihn neben Kamijo auf den Boden zu stellen, begann dieser wieder zu nuscheln: „Es tut mir so Leid, Hizaki, ehrlich! Ich hab’ nich’ viel getrunken’… Hab’ ich nich’…“ Ich knurrte leise und war kurz davor ihn zu erwürgen, doch ich grummelte nur: „Gute Nacht!“ Dann stand ich auf und lief zur Tür. „Wo wills’u hin?!“, rief Kamijo panisch und setzte sich wieder schwerfällig auf. „Ich schlafe unten! Du stinkst und bist eklig.“, meckerte ich und lief einfach weiter. „Aber Hizaki…!“, hörte ich ihn noch verzweifelt rufen, ließ mich aber nicht aufhalten. Brutal romantische Geschichte, was? Es dauerte noch lange, bis ich an diesem Abend – oder viel mehr frühen Morgen – einschlafen konnte, denn die Wut tobte in mir und polterte heftig durch meinen gesamten Körper. Kapitel 5: ----------- Erst gegen Mittag wachte ich wieder auf, atmete tief durch und war nur noch leicht gereizt. Statt der Wut, machte sich nun die Enttäuschung über Kamijos beispiellose Blödheit in mir breit. Wieso hatte er sich auch nur so vollaufen lassen?! Nach einem Schluck Kaffee schleppte ich mich die Treppe nach oben und hörte schon von weitem sein Schnarchen hinter der Schlafzimmertür. Dies gab mir Grund genug wieder umzudrehen, aber die Verlockung war groß einen Eimer mit eiskaltem Wasser zu nehmen und ihn damit zärtlich zu wecken. Ich ging aber zurück ins Wohnzimmer, trank dort meinen Kaffee weiter und schaltete den Fernseher ein, um mich etwas abzulenken. Meine Gedanken kreisten aber natürlich weiter um die schnarchende Flasche Pennerglück aus dem Schlafzimmer. Was sollte ich ihm sagen, wenn er wieder zu sich kam? Was sollte ich ihm vorwerfen? Hatte ich überhaupt das Recht dazu? Fest stand, dass ich mich ihm nicht gegenüberstellen konnte, als wenn nichts gewesen wäre. Ich konnte ihn definitiv dafür anmaulen, dass er so verantwortungslos gesoffen hatte. Und im Grunde genommen auch dafür, dass er mich erst so scharf gemacht hatte, um dann meine Erregung mit seinem Erbrochenem im Klo herunter zu spülen. Meine Wangen färbten sich rot. Ich war erstaunt über mich, dass ich doch tatsächlich am Abend zuvor dazu bereit gewesen war mich auf ihn einzulassen. Fast schon einfach so! Aber es war ja kein Geheimnis, dass dieser Mann ein Talent dafür hatte mich um seinen Finger zu wickeln – Selbst im Vollrausch-Modus! Ich dachte noch eine ganze Weile weiter darüber nach, bis ich plötzlich wieder hörte, wie Kamijo sich übergab. Ich seufzte schwer und senkte den Kopf. Was zur Hölle hatte er nur getrunken?! Erst wollte ich unten warten, bis er von alleine zu mir kam, aber ich machte mir doch zu viele Sorgen und lief also langsam nach oben. Als es wieder bis auf ein Husten still im Bad wurde, kam ich herein und tupfte ihm erneut mit einem nassen Handtuch das Gesicht ab. „Guten Morgen! Gut geschlafen?“, grüßte ich mit einem sarkastischen Unterton und registrierte, dass Kamijo sich anscheinend so sehr schämte, dass er mich nicht mal ansehen konnte. Er sah noch immer sehr schlecht aus, hatte tiefe Ränder unter den Augen und eine ungesunde Gesichtsfarbe. Er atmete tief durch und blieb auf dem Boden sitzen. „Hizaki, ich… ich weiß nicht, was ich sagen soll.“, wisperte er heiser und hustete wieder. „Das weiß ich auch nicht, um ehrlich zu sein. Aber erst mal solltest du duschen, wenn du dazu in der Lage bist. Und dann reden wir gleich… oder so.“, murmelte ich und seufzte erneut. Er nickte langsam und tat mir fast schon Leid, aber ich wollte kein Mitleid mit ihm haben. Das hatte er nicht verdient! „Meinst du, du kannst schon irgendwas essen? Dann mach ich dir was. Oder willst du einen Kaffee? Soll mit Zitrone Wunder bewirken bei Katerstimmung.“, murmelte ich und kam doch nicht darum herum, mich irgendwie um ihn zu kümmern und ihn zu umsorgen. Er stand langsam sich an der Wand abstützend auf und schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Lieber nicht.“, sagte er leise und atmete tief durch. Ich nickte also, stand ebenfalls auf und lief aus dem Bad, damit er in Ruhe duschen konnte. Was ihm wohl durch den Kopf ging? Immerhin zeigte er Reue. Auch ein sehr seltener Anblick, den ich mir aber auch gern erspart hätte. Eine halbe Stunde später schleppte er sich im Schlabberlook sichtlich erschöpft die Treppe herunter und schlich sich zu mir auf die Couch. Er setzte sich mit etwas Abstand neben mich und atmete tief durch. Sein Blick war auf seine Füße gerichtet. Ich musterte ihn nur kurz aus den Augenwinkeln, stand dann auf und holte ihm ein Glas Wasser. „Du brauchst Flüssigkeit.“, sagte ich nur und er nickte. „Danke.“, murmelte er und eine bedrückende Stille herrschte zwischen uns beiden. Mein Herz begann etwas schneller zu schlagen, denn diese komische Stimmung gefiel mir überhaupt nicht. Ich wusste aber auch nicht, wie oder was ich daran ändern sollte. Würde mit einer Entschuldigung Kamijos wieder alles rosarot und gut sein? Aber diese Entschuldigung kam ja nicht mal… Das enttäuschte mich noch mehr, weil ich irgendwie zumindest damit gerechnet hatte. „Du siehst müde aus. Willst du noch etwas schlafen?“, merkte ich also irgendwann an, nach genauerem Betrachten meines Freundes und seufzte. Sonderlich gesprächig war er ja nicht, sondern starrte nur betrübt seine Füße an. „Ja, vielleicht.“, murmelte er und ich verdrehte die Augen. „Dann lass ich dich wohl erst mal.“, grummelte ich und wollte aufstehen, doch Kamijo packte mich am Arm und zog mich zurück auf die Couch. Ich sah ihn überrascht an und blickte in sein verzweifeltes Gesicht. „Ich… finde einfach keine Worte für gestern. Alles, was ich mir dazu überlege und sagen könnte… Es würde ja doch nicht annähernd ausreichen, um das gestrige Geschehen wieder gut zu machen.“, säuselte er leise und schluckte sichtbar schwer. Ich schaute ihn einfach nur an und ließ seine Worte auf mich wirken. Dann atmete ich tief durch und zog ihn in meine Arme. Das tat ich noch nie zuvor, denn sonst war er derjenige, der mich immer so in seine Arme zog. „Ich bin schon mal froh, dass du es anscheinend bereust.“, sagte ich und streichelte ihn beruhigend. Ich spürte, dass er dankbar dafür war, denn er schmiegte sich vorsichtig an mich und legte die Arme locker um meinen Körper. „Und… eigentlich war es ja auch gar nicht soo schlimm. Du hast ins Klo gekotzt, nicht ins Bett, bist brav mit dem Taxi gefahren und hast ansonsten keine Dummheiten gemacht. Also?“, versuchte ich dann seine Reue zu mildern und ertappte mich dabei, wie ich die Ereignisse auch für mich selbst als harmloser einstufte. „Keine Dummheiten?!“, entgegnete Kamijo aber plötzlich empört und löste sich von mir, um mich wieder verzweifelt ansehen zu können. „Nicht nur, dass ich mich kopflos dem Alkohol hingab, ich… ich…“, begann er aufgeregt, kam aber vorerst nicht weiter, da er mich anscheinend nicht weiter ansehen konnte. Er senkte also den Kopf und murmelte: „Ich habe die Beherrschung verloren und habe dich dermaßen überfallen… Auch, wenn du am Ende zusagtest, ich… ich hätte nicht so überstürzt vorgehen dürfen. Das war nie meine Intention gewesen.“ Ich wurde etwas rot und spürte, wie sich langsam ein Kloß in meinem Hals formte. Er schien sich also noch recht ausführlich an die vorige Nacht zu erinnern. Irgendwo war ich gerührt von dem, was er sagte. Er war eben doch mein Prinz und bereute seinen Ausrutscher mehr, als er eigentlich musste. Und da erkannte ich es: Es war nur ein Ausrutscher gewesen. Nichts, was Kamijo auszeichnete oder zu seinen Eigenschaften gehörte. Ein einfacher Ausrutscher. Ich lächelte ihn also mild an und küsste ihn einfach. Anschließend sah ich in sein überraschtes Gesicht und sagte: „Du kannst es aber auch nicht mehr rückgängig machen und… sei doch froh: Ich habe das Gefühl, nicht mehr ganz so… ängstlich zu sein.“ Er blinzelte mehrmals verwundert und lachte dann ganz leise und zaghaft auf. „Du bist also wirklich nicht sauer auf mich?“, vergewisserte er sich noch mal und ich schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht, auch wenn ich mir vornahm eine Weile beleidigt zu sein. Aber deinen Kater zu beobachten, reicht mir als Genugtuung.“, grinste ich und küsste ihn erneut. Er lächelte mich dankbar an und schlang die Arme um mich. „Ich danke dir, Hizaki.“, wisperte er und ich erwiderte seine Umarmung. Ich konnte ihm ja doch nicht böse sein, selbst wenn ich wollte. Und trotzdem war es eine eigenartige Erfahrung, die ich an jenem Abend gemacht hatte. Kamijo out of control, quasi. Könnt ihr euch das vorstellen? Als ich glaubte, dass es mit den seltsamen Ereignissen vorerst reichte, ging es am selben Tag noch merkwürdig weiter: Kamijo verbrachte den gesamten Tag leidend auf der Couch und versuchte eifrig das, was er trank und aß in seinem Körper zu behalten, während ich mich anderweitig beschäftigte. Ich spielte im Garten etwas Gitarre, als ich plötzlich die Klingel der Haustür hörte. Schnell legte ich meine heimliche Geliebte beiseite, sprang auf und während ich zur Tür rannte, rief ich durch das Haus: „Ich geh schon, bleib liegen!“ Nachdem ich die Tür geöffnet hatte, schaute ich überrascht in Kisakis Gesicht, der mich nicht weniger überrascht ansah. „Hizaki?“, fragte er verwirrt. „Kisaki!“, rief ich erstaunt, doch schnell schoben sich meine Augenbrauen zusammen. Warum sah er so gesund aus und gut wie immer?! „Was willst du? Kamijo geht es nicht gut.“, grummelte ich und sah ihn vorwurfsvoll an. Er grinste frech und lachte leise. „Haha, das dachte ich mir, deswegen bin ich hier.“, sagte er und schob mich einfach beiseite, um ins Haus zu kommen. Er schob mich einfach weg! Und es wunderte und ärgerte mich auch irgendwie sehr, dass er gar nicht wusste, dass ich bei Kamijo war… Hatte der ihm denn nichts von uns erzählt? „HALLOOO!“, brüllte er Kamijo fast schon direkt ins Ohr und lachte anschließend dreckig. „Oh mein Gott, Kisaki! Spinnst du?! Ich habe fürchterliche Kopfschmerzen!“, klagte Kamijo mit leidendem Gesicht und hielt sich die Ohren zu. Ich schloss die Tür und beobachtete die beiden kurz vom Flur aus. Was fiel diesem Blödmann eigentlich ein?! „Dr. Kisaki hat Schmerzmittelchen dabei. Du verträgst aber auch echt gar nix.“, seufzte Kamijos Freund und schmiss ihm die Tabletten in den Schoß. Kamijo setzte sich schwerfällig auf und Kisaki platzierte sich neben ihn. Als ich auch ins Wohnzimmer kam, sagte Kisaki an mich gewandt: „Hier, kannst du dich mal nützlich und Kaffee machen oder so?“ Ich riss meine Augen auf und war geschockt. Hielt er mich für Kamijos Dienstmagd?! Ich sah, dass Kamijo die Augen verdrehte und langsam versuchte aufzustehen. „Nein, ist schon gut. Ich mach das.“, murmelte er, doch ich seufzte und lief einfach in die Küche, weshalb er sich wieder setzte. „Was willst du hier?“, hörte ich Kamijo fragen und bediente also die High-Tech-Kaffeemaschine. In mir brodelte alles und ich hoffte, dass Kisaki bald wieder abhauen würde. Kamijo brauchte seine Ruhe und ich mochte ihn nicht! „Was denn? Darf man nicht mal mehr nach seinem Freund sehen? Du warst gestern so voll, ich hab’ mir Sorgen gemacht, ob du überhaupt nach Hause gekommen bist. Du hast so dermaßen wirres Zeug geredet gestern, das war zu geil!“, lachte Kisaki und ich knurrte leise. Ich schaute zwischen Kaffeetasse und Gewürzregal hin und her und griff schließlich gezielt nach dem Wasabi, um ihm so viel wie möglich von der grünen Paste in den Kaffee zu rühren. Ein diabolisches Grinsen formte sich in meinem Gesicht und ich kicherte leise. Schnell verwandelte ich es aber in ein engelsgleiches Lächeln und ging also ins Wohnzimmer, um Kisaki den Kaffee zu servieren. „Bitteschön!“, trällerte ich lieblich und bekam nicht mal ein Danke von diesem Penner. Er ignorierte mich einfach und unterhielt sich weiter mit Kamijo über den ach so witzigen Abend, aber ich merkte Kamijo an, dass es ihm sichtlich unangenehm war. Ich setzte mich also auf den Sessel, da auf der Couch nicht genug Platz war und hörte den beiden zu. Dabei wartete ich die ganze Zeit ungeduldig darauf, dass Kisaki endlich einen Schluck Kaffee trinken würde… „Du hast ja schon nach dem dritten Sake schlapp gemacht! Und das war voll kacke dich ins Taxi schleppen zu müssen. Du wirst auch immer so ultra nervig, wenn du betrunken bist! Noch mal spiele ich nicht dein Schmusekätzchen.“, hörte ich Kisaki reden und riss geschockt meine Augen auf. Mein Herz rutschte in den Keller und ich schluckte schwer. Wie sollte ich das denn verstehen?! Ich versuchte in Kamijos Gesicht eine Erklärung zu finden, doch sein verzweifelter Blick beunruhigte mich nur noch mehr. Ich stand gerade auf, um der Situation zu entfliehen, als Kisaki einen Schluck Kaffee trank und ihn umgehend wieder auf den Wohnzimmerteppich ausspuckte. „Hizaki!“, hörte ich Kamijo rufen, doch dann bekam Kisaki wieder seine Aufmerksamkeit, da er unheimlich über den scharfen Kaffee fluchte. Ich rannte nach oben ins Schlafzimmer und warf mich aufs Bett. Alles in mir drehte sich und ich zitterte ein wenig vor Aufregung. Kamijo hatte einem seiner besten Freunde nichts von unserer Beziehung erzählt… Er verschwieg mich! Und sie schienen sich näher gekommen zu sein, als Kamijo betrunken war. Kein Wunder, dass Kamijo ein dermaßen schlechtes Gewissen hatte! „Oh Gott, nein…“, flehte ich leise und begann zu weinen. Ich wollte nicht wahr haben, dass er mir in irgendeiner Weise fremdgegangen war. Das konnte doch nicht möglich sein! Und dann auch noch mit diesem Mistkerl? Da wäre mir Kaya wirklich fast schon lieber gewesen. Kaya! Ich musste ihn anrufen und mit ihm reden. Streit hin oder her. Als ich gerade mein Handy suchen wollte, kam Kamijo ins Zimmer geschlichen und sagte: „Hizaki, es tut mir Leid, er ist furchtbar ungehobelt und -… Weinst du etwa?“ Er sah mich besorgt und überrascht zugleich an. Ich wischte mir hektisch die Tränen weg und murmelte: „Lass mich grad einfach mal in Ruhe, ja? Ich… ich werde versuchen Kaya zu erreichen und dann gehe ich für ein paar Stunden weg. Egal, ob er Zeit hat oder nicht. Das wird mir gerade irgendwie alles zu viel.“ Er lief schnell auf mich zu und wollte mich in den Arm nehmen, doch ich schob ihn weg. „Hizaki, nein! Bitte nicht, es ist wirklich nicht so, wie er es erzählt. Bitte geh nicht, ich schmeiße ihn gleich aus dem Haus, ja? Bitte, Hizaki. Wir wollten doch über alles reden! Und ich brauche dich.“, flehte er fast schon und sah mich wieder verzweifelt an. Ich zögerte kurz, doch dann schüttelte ich den Kopf und schluckte schwer. „Ich muss hier raus, sonst drehe ich durch. Das gestern und heute… Sorry, aber ich komme ja heute Abend wieder.“, entschied ich, griff nach meinem Handy, welches auf der Fensterbank lag und lief aus dem Zimmer. Kamijo folgte mir nicht und ich konnte also ungehindert in den Flur stürmen, Schuhe und Jacke anziehen und das Haus verlassen. Auf halbem Weg zur U-Bahn rief ich also Kaya an und hoffte, dass dieser erreichbar war. Ich musste einfach mit irgendwem reden und meinen Kopf sortieren. Oder sortieren lassen, wie auch immer. Freunde waren in solchen Momenten unbezahlbar. Und ich hätte es keine Sekunde länger mit diesem arroganten Idioten im Haus ausgehalten. …Nein, ich meine mal nicht Kamijo, sondern wirklich Kisaki! Der schien ja sonst immer ganz nett und in Ordnung, aber das, was er bei uns Zuhause an den Tag legte, ging gar nicht! Es tutete und tutete und Kaya schien mal wieder mit sonst was beschäftigt gewesen zu sein. Womöglich war schon Lover-Zeit, da war er grundsätzlich ab 18 oder 19 Uhr nicht erreichbar. Ich schaute auf die Uhr. Japp, Lover-Zeit. „Mist!“, fluchte ich und rief also Tomozo an. Der ging immerhin an sein Handy, doch glaubte ich zunächst, dass ihn ein Monster gefressen hatte und für ihn ans Telefon ging, als eine tiefe, raue und krächzende Stimme murmelte: „Hallo?“ „Tomozo, bist du das?“, fragte ich geschockt und bekam große Augen. Ich stellte mich nebenbei vor den Fahrplan der U-Bahn und schaute, wann die nächste denn fuhr. „Ja. Ich bin krank wie Sau! Voll zum Kotzen.“, röchelte er kaum verständlich und brach in einem Hustenanfall aus, der so laut war, dass ich kurz das Handy von meinem Ohr nehmen musste. Der schien wohl richtig arm dran gewesen zu sein, da wollte ich ihn ungern mit meinem Krams belasten. „Soll ich dir eine Suppe vorbeibringen oder willst du dich lieber weiter ausruhen?“, fragte ich aber, denn ich machte mir schon Sorgen um ihn und selbst, wenn ich nicht mit ihm über Kamijo reden konnte, vielleicht konnte ich ihn dann aufmuntern? „Is’ lieb gemeint, aber… Boah, warte…“ Und wieder hustete er stark und putzte sich kurz kräftig die Nase. „Ich muss schlafen! Aber ich meld’ mich, wenn ich wieder fit bin, ja?“ Ich nickte und sagte: „Ist gut, mach das. Gute Besserung!“ Ich stieg einfach in die nächste U-Bahn und fuhr Richtung Stadtmitte. Wen konnte ich denn noch anrufen? Es war nicht leicht jemanden zu finden, mit dem ich über das spezielle Thema Kamijo reden konnte. Und just in diesem Moment rief ausgerechnet Juka mich an! Ich sah kurz in den Himmel und dachte mir: „Gott, du hast manchmal komische Ideen...“ „Hey, Juka!“, grüßte ich ihn leicht seufzend und sah aus einem Fenster der U-Bahn, als diese losfuhr. „Wow, du kennst mich noch? Ich wollte mal hören, ob du dich noch an mich erinnerst. Wir haben mal in einer Band gespielt. Wie hieß sie noch gleich?“, piesackte er mich gnadenlos mit seinem Sarkasmus, weshalb ich meine Augen halb schloss und kurz genervt grummelte. „Ha-ha, unheimlich witzig! Ich weiß, dass ich mich länger nicht gemeldet habe. Aber nach den ganzen Auftritten und dem fertigen Album… Willst du fix noch mal eins aus dem Ärmel schütteln oder was?“, entgegnete ich und versuchte mich zu rechtfertigen. Wenn ich ehrlich war, war es aber Kamijo gewesen, der mich von meiner Band abgelenkt hatte. Das musste ich Juka ja aber nicht unbedingt unter die Nase reiben. „Nein, eigentlich wollte ich nur hören, wie es dir geht.“, sagte er und ich atmete tief durch. Ich dachte kurz nach und überlegte, ob ich mich vielleicht mit ihm treffen sollte. Mit ihm konnte ich zwar nicht über Kamijo reden, aber er konnte mich immerhin ablenken. Ablenken… Schlagartig musste ich an jene Nacht denken und schluckte schwer. Dann schüttelte ich den Kopf, um zur Normalität zurück zu kommen und seufzte: „Bierlaunig geht es mir. Hast du welches im Kühlschrank?“ Keine zwei Sekunden später fragte ich mich selbst entsetzt: War das eine gute Idee? Besaufen mit Juka? Kam mir vor wie ein Déja-Vu… „Ist die Banane krumm? Natürlich habe ich Bier im Kühlschrank! Klingt nach einem Spontantreffen. Cool! Soll ich dich irgendwo abholen?“, fragte er und nun gab es wohl nur noch schwer ein Zurück. „Ja, ich sitze sogar schon in der Bahn! Bin so in zwanzig Minuten beim Hauptbahnhof.“, sagte ich also und schluckte wieder leicht. Irgendwie wurde ich aufgeregt. „Okay, dann hole ich dich gleich dort ab. Ich freue mich!“ Ein hörbares Lächeln lag auf Jukas Lippen. Nachdem wir aufgelegt hatten, ließ ich meinen Kopf gegen das Fenster fallen und atmete tief durch. Nach jener Nacht hatten wir uns nicht wieder privat alleine getroffen. Vielleicht machte mich das so nervös? Bei Auftritten oder Bandtreffen war unser Verhältnis ja ganz normal und gut. Ich hoffte einfach, dass es auch so sein würde, wenn wir uns allein trafen. Normal und gut. Vor allem normal! Ich umarmte Juka freundschaftlich, als ich ihn beim Parkplatz neben dem Bahnhof fand und lief mit ihm zu seinem Auto. Nicht viel später befanden wir uns in seiner Wohnung und er versorgte uns mit Bier und Knabbereien. „Und? Erzähl schon: Wie läuft es mit dir und Kamijo?“, fragte er und tat ernsthaft interessiert. Ich atmete tief durch und lächelte Juka schief an. „Das willst du nicht wirklich wissen, oder?“, murmelte ich und er zog seine Augenbrauen hoch. „Tss, meinst du ernsthaft, dass ich dir noch immer hinterher trauer’? Blödsinn. Ich weiß, dass ihm dein Herz voll und ganz gehört. Und solang du glücklich bist, habe ich auch keinen Grund mich zu beklagen.“, sagte er, doch es fiel mir schwer ihm zu glauben. Ich wollte es aber versuchen und seufzte, bevor ich murmelte: „Momentan… ist es irgendwie etwas seltsam zwischen uns. Kennst du zufällig Kisaki?“ Juka rollte mit den Augen, während er einen Schluck Bier aus der Flasche trank und mich dann ungläubig ansah. „Wer kennt Kisaki nicht? Was ist mit ihm?“ Ich erzählte Juka also was am Abend zuvor geschehen war und wie der Tag weiter verlief. Nun redete ich also doch mit ihm über meine Probleme mit Kamijo und war irgendwie froh, dass ich jemanden fand, der mir zuhörte. Zum Schluss nickte er sogar verständnisvoll und sah mich nachdenklich an. „Hm, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass da irgendwas ernst zu nehmendes zwischen Kisaki und Kamijo lief. Ehrlich nicht. Die kennen sich schon seit der Steinzeit und da lief nie irgendetwas zwischen denen.“, sagte er und beruhigte mich damit ein wenig. „Du hast wohl Recht. Aber warum verschweigt er mich dann? Das verstehe ich noch nicht ganz. Schämt er sich für mich oder so?“, fragte ich verzweifelt und griff nach einem Keks. Juka boxte mir leicht gegen den Arm und entgegnete: „Ach Hizaki, denk doch nicht gleich so negativ! Er hat keinen Grund sich für dich zu schämen. Das wird schon irgendeinen triftigen Grund haben. Aber das musst du Kamijo schon selber fragen!“ Ich nickte langsam und dachte über seine Worte nach, während ich meine halb leere Bierflasche anstarrte. Ich hörte ihn seufzen, bevor er mir durch die Haare wuschelte und mit einer einfühlsamen Ruhe in seiner Stimme fragte: „Warum schaust du immer noch so traurig aus der Wäsche?“ Ich zögerte kurz, antwortete dann aber leise und verunsichert: „Es… beunruhigt mich, dass ich… ihm gegenüber so wenig Vertrauen habe. Das fällt mir nicht zum ersten Mal auf. Das ist doch scheiße.“ Es herrschte kurz Stille in Jukas Wohnzimmer und ich fragte mich, was er in diesem Moment wohl dachte. Dann spürte ich plötzlich seinen Handrücken an meiner Wange und riss meine Augen auf. Er streichelte mir sanft über die Haut und ich gefror zu Eis. Hatte ich es doch gewusst… „Na ja, gut ist es nicht, aber… ihr seid auch noch nicht allzu lange zusammen. Solche Momente gehören wohl dazu. Vielleicht müsst ihr mehr reden oder mehr Zeit miteinander verbringen, um euer Vertrauen zu entdecken und zu erkennen.“, säuselte er leise und ich schlug die Augen nieder, während ich etwas abwertend auflachte. „Wir reden hier von Kamijo, Juka. Wir haben nicht viel Zeit miteinander und die Zeit, die wir zusammen verbringen, wird gerade durch solche Penner wie Kisaki stark strapaziert! Ach, verdammt… Was soll ich nur tun? Es fühlt sich alles so falsch an und ich bin total überfordert.“, seufzte ich und ließ mich einfach weiter von ihm streicheln. Irgendwann fühlte sich dies aber besonders falsch an, weshalb ich wie von der Tarantel gestochen einfach aufstand und nach meiner Jacke griff. „Ich, also, sollte wohl wirklich mit ihm reden. Danke für dein offenes Ohr und… und… ja, danke halt.“, murmelte ich aufgeregt ohne Juka anzusehen. Er stand ebenfalls schnell auf und eilte mir zur Tür hinterher. „Hey, warum so eilig plötzlich? Habe ich irgendetwas falsch gemacht?“, fragte er sichtlich verwirrt und sah mich mit großen Augen an. „N-nein! Ich… will nur schnell zu ihm.“, log ich und sah ihn immer wieder nur flüchtig an. „Ich kann dich nach Hause bringen! Also… Nach Hause zu Kamijo.“, sagte er, doch ich schüttelte eifrig den Kopf. „Nein, danke. Ich fahre lieber Bahn. Bis dann!“, verabschiedete ich mich schnell und eilte aus der Wohnung. Ich fühlte mich schrecklich. Ich spürte, dass Juka noch immer sehr an mir hing und es tat mir weh, dass er sich dennoch so viel Mühe gab mir mit meinen Sorgen zu helfen. Ich schlenderte die dunklen Straßen entlang zum Bahnhof und dachte weiter über alles nach. Steigerte ich mich womöglich wieder in alles zu sehr hinein? Aber selbst wenn, ändern konnte ich es ja doch nicht mehr. Irgendetwas stimmte zwischen mir und Kamijo nicht, ganz unabhängig von dem, was so geschah. Diese Alkoholgeschichte und die Sache mit Kisaki deckten eigentlich nur tiefgründige Probleme zwischen mir und Kamijo auf. So schien es mir zumindest. Probleme, die sich die ganze Zeit hinter unserer harmonischen Fassade versteckt hatten. Ich seufzte schwer und sah kurz in den schwarzen Himmel beim Laufen. Wie sollte das nur weiter gehen? Aber es war wohl wichtig, dass ich mir nicht allein den Kopf darüber zerbrach. Ich musste es gemeinsam mit Kamijo tun, wenn ich diese bedrückenden Sorgen beiseite schaffen wollte. Als ich in der Bahn saß, klingelte mein Handy erneut und ich nahm den Anruf mit einem müden „Hallo?“ entgegen. „Hizaki… Wo steckst du?“, fragte Kamijo und klang ähnlich erschöpft wie ich. „In der Bahn. Ich bin gleich zuhause.“, antwortete ich seufzend und fuhr mir mit einer Hand durch die Haare. „Ist dein Freund weg?“, wollte ich dann etwas patzig wissen und schaute aus dem Fenster. „Ja, er hat mir nur noch mein Auto geholt und ist dann nach Hause. Wie lange brauchst du noch? Ich vermisse dich.“ Eine Weile sagte ich dazu nichts und schloss meine Augen langsam. „Wir müssen reden, Kamijo. Über so vieles.“, wisperte ich. „Ich weiß.“, sagte er nur und wir schwiegen einen Moment. „In zehn Minuten komme ich an und dann muss ich nur noch zum Haus laufen. Ich bin also bald da.“ „Ist gut. Bis gleich.“, verabschiedete er sich und ich wisperte ebenfalls: „Bis gleich.“ Kapitel 6: ----------- Irgendwie war ich dann doch wieder froh im Flur zu stehen, Jacke und Schuhe auszuziehen und schließlich auf der Couch in Kamijos Armen zu liegen. Er hatte seine CD mit einer Sammlung bekannter klassischer Lieder von Beethoven, Bach und anderen in die Anlage geworfen, die uns nebenbei beruhigte. Vorerst schwiegen wir einfach und genossen die angenehme Ruhe kuschelnd auf der Couch. Das löste aber unsere Probleme nicht, weshalb ich irgendwann ganz direkt fragte: „Kamijo, wieso hast du Kisaki verschwiegen, dass wir zusammen sind?“ Er kraulte mir weiter über den Rücken und antwortete nach einem Moment: „Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, ohne dass du es falsch interpretierst. Aber lass es mich versuchen.“ Er atmete tief durch und ich war gespannt auf seine weiteren Worte. „Kisaki kann sehr anstrengend sein. Das hast du heute wohl auch gemerkt. Und… wie soll ich sagen… Er will nichts von mir in dem Sinne, dass er mich liebt, aber… er wird dennoch schnell eifersüchtig. Er braucht so schrecklich viel Aufmerksamkeit! Aber Gott sei Dank ist er viel beschäftigt, fast genau so viel wie ich, deswegen kann er gar nicht immer danach verlangen. Verstehst du, was ich meine? Ich sagte es ihm noch nicht, weil ich irgendwie nach einem geeigneten Zeitpunkt suchte. Ich wusste, dass er durchdrehen würde, wenn er von uns erfährt und sich erst mal zwischen uns drängeln würde. Das lasse ich aber nicht zu, keine Sorge. Die nächsten Tage stöpseln wir einfach das Telefon aus, schalten die Handys ab und wenn es an der Tür klingelt… dann klingelt es halt. Kisaki muss verstehen, dass seine seltsamen Verlustängste unbegründet sind.“, erklärte mir Kamijo also, doch ich blieb skeptisch: „Und du bist dir wirklich sicher, dass er nicht mehr von dir will? Ich meine… vielleicht hast du es ja nur nie gemerkt?“ „Mh-mh, Kisaki ist einfach ein obsessiver Egozentriker. Ihm muss alles gehören, was in seiner unmittelbaren Nähe ist und wehe, wenn er nicht das kriegt, was er will. Aber ich habe ihm schon mehrfach gezeigt, dass er das mit mir nicht machen kann, weil -…“ „…Du ein ähnlicher Egozentriker bist.“, beendete ich Kamijos Satz grinsend und wurde kurz von ihm in die Seite gepiekst, weshalb ich kichern musste. „Vielleicht. Spielt ja auch keine Rolle, aber du musst dir darüber keine Sorgen machen. In Ordnung?“ Er sah mich hoffnungsvoll an und ich nickte langsam. „In Ordnung. Und wenn ich ihn in Zukunft hier nicht sehen muss, bin ich beruhigt.“, sagte ich und bemerkte Kamijos breites Grinsen auf den Lippen. „Übrigens: Das mit dem Kaffee… Ich musste mir fürchterlich das Lachen verkneifen! Das hast du gut gemacht. Aber was war da drin?“, lachte er und streichelte mir durch die Haare. Auch ich kicherte kurz in Erinnerung an diesen Moment und grinste ebenfalls. „Wasabi. Viel Wasabi.“, erklärte ich und wieder lachte er. Wir kuschelten erneut einen Moment und ich atmete tief durch. Solange wir noch so miteinander lachen konnten, war ich mehr als beruhigt. So schlimm waren unsere Problemchen dann ja doch nicht. Und dennoch wollte ich sie gern vom Tisch haben und nahm mir vor, Kamijo mit allem zu bombardieren, was mir gerade so einfiel und mich irgendwie belastete: „Du, Kamijo?“, begann ich also, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen und setzte mich etwas auf, um ihn ansehen zu können. „Was denn, Prinzessin?“, fragte er sanft lächelnd und spielte mit einer langen Haarsträhne von mir. Ich musterte ihn kurz nachdenklich und sagte dann: „Ich… ich will mehr über dich wissen! Am liebsten alles, weißt du? Mir ist aufgefallen, dass ich irgendwie gar nix Besonderes weiß! Das nervt mich. Ich weiß nur das, was alle wissen. Aber… aber du bist doch mein Freund! Ich möchte mehr über deine Familie erfahren und… keine Ahnung… worüber du so nachdenkst und was dich beschäftigt. Was du gemacht hast, als du 12 warst, irgendwie so was! Verstehst du?“ Ich redete mit jedem Wort etwas schneller und wurde immer aufgeregter, bis ich Kamijo schließlich verzweifelt ansah. Dieser lachte nur wieder leise und streckte sich, um mich küssen zu können. „Du bist so süß, weißt du das?“, hauchte er, was mir eine verlegende Röte ins Gesicht zauberte. „Ich… ich mein’s ernst, Kamijo.“, murmelte ich und sah aus den Augenwinkeln unsicher in sein lächelndes Gesicht. „Gut, dann sollst du alles wissen. Aber nicht alles auf einmal. Das wäre doch langweilig, oder?“, sagte er und zwinkerte mir zu. Ich lächelte erleichtert und nickte eifrig. „Stimmt, das wäre blöd! Aber ein bisschen schon mal: Geschwister?“ „Ts, ich bin Einzelkind!“ Das wunderte mich nicht, die waren grundsätzlich verwöhnter und abgehobener als alle anderen. „Lieblingsfarbe?“ „Gold.“ „Schwachpunkt?“ „Mhmmm… Du?“ Er lachte kurz auf und ich verdrehte grinsend die Augen. Schleimer… „Phobie?“ „Wasabi, Unordnung, Steuerabrechnungen, Inflationen, Vulkane, Erdbeben, Wirtschaftskrise, Stimmbandriss, Mandelentzündung, Kratzer am Auto, alt werden, mmmhh…“ Er sah kurz nachdenklich nach oben, holte tief Luft und fuhr fort: „Stalker, Lebensmittelvergiftungen, Wasserschweine… Ich hasse Wasserschweine! Knoblauch, graue Haare…“ „Oh mein Gott, ist gut! Reicht!“, lachte ich und schmiegte mich eng an ihn. Dieser Spinner… „Was denn? Du wolltest alles wissen! Und wie geht’s weiter im Kreuzverhör?“, grinste er und knuddelte mich. „Dein größter Traum!“, rief ich aufgeregt und war gespannt auf seine Antwort. Es machte wirklich Spaß Kamijo auszuquetschen. Doch plötzlich bekam er einen unheimlich melancholischen Gesichtsausdruck und sein Lächeln wurde etwas matter. „Mein größter Traum.“, wiederholte er leise und ich schluckte. Hatte ich womöglich einen wunden Punkt getroffen oder so etwas? Seine Reaktion auf diese Frage verunsicherte mich sehr. „Hm.“, machte er nachdenklich, schlug die Augen nieder und senkte den Kopf. „Ich habe aufgehört zu träumen, Hizaki.“, antwortete er dann und stand seufzend auf. Ich sah ihm etwas verzweifelt nach und setzte mich ordentlich hin. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Sollte ich überhaupt etwas sagen? Er wirkte auf einmal so traurig. „Entschuldige.“, murmelte ich also in Ermangelung anderer schlauer Worte und stand ebenfalls auf. Sollte Kamijo wirklich nichts haben, wonach er strebte? Irgendetwas, was er mehr begehrte als alles andere? Aber vielleicht hatte er dies schon gefunden und musste nicht mehr träumen? Na ja, dann hätte er aber wohl anders reagiert. Ich persönlich hielt mein gesamtes Leben für einen Traum. Ich hatte endlos viele Ziele, Pläne und Wünsche, dass ich wohl ewig träumen konnte! Teilweise realistische Kleinigkeiten, aber auch Dinge, die ich mir vielleicht niemals erfüllen konnte, weil sie zum einen zu groß und wohl auch zu unrealistisch waren. Und dennoch machte es Spaß von diesen Dingen zu träumen! Jeder sollte träumen, fand ich. Auch Kamijo. Aber wieso hatte er aufgehört? Ich hörte das Surren der Kaffeemaschine und folgte Kamijo in die Küche. Er stand an den Kühlschrank gelehnt, wartete auf das tiefschwarze Getränk und starrte seine Füße nachdenklich an. Seine Augenbrauen waren ein wenig zusammen geschoben und er biss sich ganz leicht auf der Unterlippe herum. Ich hatte wohl wirklich einen wunden Punkt getroffen. Das war nicht beabsichtigt gewesen, weshalb ich Kamijo entschuldigend ansah. „Kamijo, ich…“, begann ich, doch Kamijo schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf. „Nein, nein, ist schon gut.“, unterbrach er mich und schien gewusst zu haben, dass ich ihn erneut um Verzeihung bitten wollte. „Es ist nur so, dass ich an Vergangenes denken musste. Natürlich habe ich mal geträumt! Wer tut das nicht. Irgendwie entwickelte sich das Ganze aber zu einem… Alptraum.“, erläuterte er unkonkret und ich schluckte nach seinem letzten Wort. Meine Neugier war unheimlich angestachelt und als Kamijo sich zur Kaffeemaschine drehte, um nach seiner Tasse zu greifen, machte ich einen Schritt auf ihn zu und sah vorsichtig zu ihm auf. „Bitte erzähl mir das genauer! Es scheint dir unheimlich weh zu tun und ich… ich will nicht wieder in ein Fettnäpfchen treten und es irgendwann wieder ansprechen, verstehst du?“, versuchte ich meine Neugier in andere Worte zu kleiden. Neben der Neugier stand aber auch schon die Sorge, denn ich hatte noch nie so etwas aus Kamijos Mund gehört. Und auch noch nie so einen traurigen und ernsten Blick in seinem Gesicht gesehen. Worum ging es da nur? Eine verflossene Liebe womöglich? Eine Familientragödie? …Ach, wozu spekulieren, ich dramatisiere ja sowieso immer alles über. Aber damit ich mir nicht den Kopf zerbrach, zog Kamijo mich netterweise mit Kaffeetasse an den Lippen ins Wohnzimmer zurück und wir setzten uns wieder auf die Couch. Er trank ein paar Schlücke und ich sah ihn geduldig und abwartend an. Er machte es aber auch spannend… Dann stellte er aber endlich die Tasse weg und griff locker nach einer von meinen Händen. „Du musst es gar nicht ansprechen, Hizaki. Ich habe diesen Alptraum quasi zu meinem Beruf gemacht! Beziehungsweise ihn mir untergeordnet.“, sprach er und zauberte mir somit ein dickes Fragezeichen ins Gesicht. Ich starrte ihn an und blinzelte mehrmals. War ich zu dumm oder redete er einfach weiter um den heißen Brei? „Ähm… Hä?“, machte ich also nur vorsichtig und hoffte, dass er es mir endlich erklären würde! „Die Musik, Hizaki. Musik.“, seufzte er und atmete tief durch. „Wie du weißt, war ich Mitbegründer der Band Lareine. Oh Mann, das ist schon so verdammt lang her, aber… Lareine war mein Leben und mein Traum. Ich konnte mich nirgendwo so entfalten wie in dieser Band. Mit genau dieser Art von Musik! Und wir waren so gut… Verdammt gut! Bis ich plötzlich alleine dastand. Ich kann dir nicht mal genau sagen wie das alles passierte, aber es riss mir das Herz aus der Brust als es dann so plötzlich vorbei war. Ich denke oft daran zurück und ich… vermisse diese schöne Zeit. Es ist einfach eine Schande, dass es nicht funktioniert hat. Wirklich, eine Schande.“, fluchte er mit strengem Blick und griff wieder nach seiner Tasse. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Oh Gott, Kamijo!“, sagte ich aufgeregt und sah ihn verzweifelt an. „Es kommt mir vor, als würde ich auf einmal dein gesamtes Wesen verstehen!“, rief ich und gestikulierte wild. Kamijo sah mich mit großen Augen überrascht und auch verwirrt an, während er seinen Kaffee schlürfte. „Hm?“, fragte er nebenbei und ich fasste mir an den Kopf. „Deswegen arbeitest du so viel! Genau deswegen bist du so wie du bist! Dir… dir fehlt einfach… die Musik!“ Ich sah ihn mehr als verzweifelt an und legte meine Hände an seine Wangen, nachdem er seine blöde Tasse wieder weggestellt hatte. Er sah mir weiter mit großen Augen ins Gesicht und schluckte leicht. Dann senkte er aber leise lachend den Kopf und murmelte: „Schon möglich.“ „Nix ‚schon möglich’! Du bist total unausgelastet! Kamijo, du… du… du musst singen!“, rief ich vollkommen festgefahren in meinen Gedanken. Ich sah schon einen völlig neuen Kamijo vor mir, vollkommen aufgeblüht und heller strahlend als die Sonne, wenn er denn erst einmal wieder dem nachgehen würde, was ihn absolut befriedigte und was er am besten konnte: Singen. Ein Prinz, wie er es war, gehörte nicht an den Schreibtisch. Er gehörte nicht in die Anzug-Business-Welt mit dunklen Sonnenbrillen und biederen Klamotten! Er gehörte auf die Bühne, seine Stimme gehörte den Herzen seiner Fans und seine eingesperrte Kreativität sollte endlich wieder ihre Flügel ausbreiten können! Doch Kamijo schien absolut nicht angetan von meinem Vorschlag: Er seufzte schwer, stand auf und lief unruhig etwas auf und ab. Das tat er nur, wenn sich eine wirklich harte Nuss in seinem Kopf befand, die geknackt werden musste… Immerhin stimmte ich ihn also nachdenklich. „Ach Hizaki. Als wenn es so einfach wäre!“, brummte er vorerst ablehnend und verschränkte die Arme beim Laufen. Ich setzte mich gerade hin und schaute ihm beim Laufen zu. Ich war gespannt, wie lange es dauern würde, bis ich ihn von meiner Idee überzeugen konnte. Ich musste ihn einfach überzeugen, das stand für mich fest. „Du weißt, wie schrecklich mein Soloprojekt gescheitert ist. Nicht, weil es schlecht war. Es ging mir einfach an die Substanz. Und mir nichts, dir nichts wieder eine Band aus dem Hut zaubern… das kann ich auch nicht! Ich muss mit Menschen zusammen arbeiten, die ich gut einschätzen kann… Mit Menschen, die in mein Konzept passen! Und ich bin anspruchsvoll. Sehr anspruchsvoll. Es geht nicht. Es geht einfach nicht!“, faselte er vor sich hin und trug seinen inneren Monolog also nach außen. Ich musste etwas schmunzeln und beobachtete ihn erst mal weiter. Ich spürte, dass er fast schon krampfhaft nach Gründen suchte, die ihn davon abhielten wieder auf die Bühne zu gehen und dafür gab es nur eine Erklärung: Er hatte Angst. Das fand ich so niedlich, dass ich es mir noch eine Weile angucken wollte, doch irgendwo tat Kamijo mir ja auch Leid. Ich stand auf, bevor er noch eine Grube in den Boden laufen würde und umklammerte ihn sanft. „Wenn du auch nicht nach solchen Menschen suchst, dann kannst du auch keine finden! Eins nach dem anderen, Kamijo. Und vorweg: Du singst doch gerne, oder?“, tastete ich mich langsam an meinen Liebsten heran und streichelte ihm versucht beruhigend über den Rücken. „’Gerne’?! Hast du mir vor ein paar Minuten zugehört?“, fragte er empört und ich kicherte leise. „Na siehst du! Kamijo, das ist vergeudetes Talent, wenn du nicht auf die Bühne gehst!“, versuchte ich ihn weiter zu überzeugen und sah in sein verunsichertes Gesicht. So hilflos habe ich ihn noch nie zuvor gesehen. Von wegen ich war seine Schwachstelle, jaja, es war die Musik und nichts anderes! „Hm.“, schien sein vorerst letztes Argument gewesen zu sein und ich fühlte mich darin bestätigt, dass ich Recht hatte. Ha! Kamijo sah wieder nachdenklich auf seine Füße und war nach wie vor ziemlich unruhig. Ich hatte wirklich einen großen Stein ins Rollen gebracht. „Schon, aber… aber… Nein!“, quengelte er fast schon wie ein kleines Kind und sah mich verzweifelt an. „Du hattest auch schon mal bessere Argumente.“, entgegnete ich sarkastisch, woraufhin Kamijo mich kurz böse und beleidigt darüber anguckte. „Es geht einfach nicht, fertig. Wie soll ich das alles zeitlich managen? Das Label und die Musik parallel laufen lassen? Das ist unmöglich. Thema beendet.“, brummte er und verschränkte die Arme. Ich tat es ihm gleich und sah ihn ähnlich beleidigt an. So leicht kam er mir dieses Mal nicht davon! „Sturkopf! Versuche es doch einfach! Und du kannst dir von überall Unterstützung holen!“, versuchte ich seine Argumente zu entkräften und hoffte, dass ich endlich zu ihm durchdringen würde. „Nein.“, sagte er nur noch und drehte den Kopf abweisend zur Seite. „Doch!“, rief ich. „Nein!“, rief er zurück und sah mich wieder streng an. „Dohoch!“ „Nein und jetzt hör auf zu nerven!“, fauchte Kamijo aufgebracht. „Doch und hör du auf immer das letzte Wort haben zu wollen!“, entgegnete ich wieder. „Was?! Wer von uns versucht denn hier die ganze Zeit den Epilog zu übernehmen?“ „Ich, weil ich Recht habe!“, versuchte ich seinem Ego klar zu machen, dass es auch mal falsch lag. „Bitte?! Du bist naiv und blauäugig!“, rief Kamijo entsetzt und auch ein wenig wütend. „Ich habe braune Augen!“, entgegnete ich empört, woraufhin Kamijo sein Gesicht in den Händen vergrub. „Das war metaphorisch.“, seufzte er und meine Wangen färbten sich rot. „Ja, das… wusste ich! Und jetzt lenk’ nicht ab! Ich werde schon noch dafür sorgen, dass du wieder auf die Bühne gehst und im Studio singst! Egal wie!“, rief ich und plötzlich war es still. Kamijo sah mich eine ganze Weile einfach nur an, bis er mich plötzlich fest in seine Arme zog, was mich doch sehr überraschte. „Ich weiß, dass du es gut meinst, aber… wenn es noch mal scheitert… Das verkrafte ich nicht, verstehst du? Ich werde darüber nachdenken, aber… erwarte nicht zu viel.“, wisperte er und ich atmete tief durch. Ich wollte nun nicht weiter in ihm herumbohren, weshalb ich mich damit also zufrieden gab und langsam nickte. „Na schön. Ich bin mir aber sehr sicher, dass es dir wirklich gut tun würde. Nimm es mir nicht übel, dass ich… dich damit so überfalle. Aber ich habe noch gut in Erinnerung, wie der Kamijo war, der sich mit der Sprache der Blumen malerisch ausdrückte und präsentierte. Dieses Ich steckt noch in dir. Es zeigt sich auch immer mal wieder, aber leider… sehr unterdrückt.“, seufzte ich, während ich ihm langsam über den Rücken streichelte. Ich überlegte fieberhaft, wie ich meinem Freund denn bloß helfen konnte. Sein Inneres schrie mittlerweile so laut nach der Musik, dass ich es schon hören konnte. Seine Leidenschaft fraß ihn bereits von innen auf. Ich musste seine Kreativität retten, bevor es zu spät war. Wie so oft kam mir auch in jenem Moment wieder mal ein folgenschwerer Geistesblitz, denn ich löste mich von Kamijo, strahlte ihn mit meinem Lächeln an und rief: „Kamijo! Ich… ich habe eine Idee! Wieso… gründen wir nicht gemeinsam eine Band?“ Es schien ihn wie einen Schlag getroffen zu haben, denn plötzlich fiel ihm alles aus dem Gesicht. Vollkommen perplex sah er mich an und schluckte sichtlich schwer. War er nun so begeistert oder schockiert über meinen eigentlich gedankenlosen Vorschlag? „Wir?“, wiederholte er erstmal nur und ich strahlte weiter. „Ja! Wir Idioten! Dass wir auf so etwas nicht vorher gekommen sind! …Ach, ging ja auch nicht, wir waren ja beide in Bands. Aber jetzt geht es doch!“, sagte ich und vergaß dabei ein paar gewisse Menschen… Kamijo dachte jedoch an sie: „Was ist mit deiner jetzigen Band?“, fragte er skeptisch und ich schüttelte eifrig den Kopf. „Es ist keine ‚Band’ in diesem Sinne. Es ist ein Solo-Projekt mit Unterstützung! Oder so ähnlich… Aber keine Band! Und da wir gerade ein Album und die Tour beendet haben… Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist! Und ich… ich… will mit dir zusammen arbeiten!“, redete ich aufgeregt, während sich meine Traumvorstellungen und Gedanken vollkommen überschlugen. Kamijo schien noch ein wenig auf dem Gedanken herum zu kauen, doch dann strahlte er endlich über das ganze Gesicht und küsste mich. „Gut! Du hast Recht! Es ist ein guter Zeitpunkt… Vielleicht sogar genau der Richtige! Oh Gott, Hizaki… Du hast ja keine Ahnung, was mir das bedeutet! Ich danke dir.“, hauchte er und drückte mich fest an seinen Körper. Und dies war die Geburtsstunde unserer gemeinsamen Band. Kapitel 7: ----------- Von da an sollte nichts mehr so sein, wie es vorher war. Kamijo war – so, wie ich es mir gewünscht hatte – endlich wieder Feuer und Flamme, in seinem Kopf formten sich tausende Ideen für unser Bandkonzept und ihn schien kaum noch etwas anderes zu interessieren. Endlich bestimmte die Musik wieder sein Leben. Er hatte zwar als Chef die ganze Zeit über damit zu tun gehabt, jedoch nur im Hintergrund. Jetzt stand er wieder im Vordergrund und konnte zeigen, was wirklich in ihm steckte. Das waren noch die angenehmen Folgen unseres gemeinsamen Plans, jedoch musste ich mit Kamijo eine schwere Entscheidung fällen: Wer sollte uns bei unserem Vorhaben unterstützen? Ich war unheimlich froh und erleichtert, dass Kamijo sehr angetan von der Idee war Jasmine und Teru in unserer Band aufzunehmen. Sie passten sehr gut in unser Konzept, da es eigentlich eine Fortführung, nein, tausendfache Erweiterung von meinem Soloprojekt Hizaki Grace Project war. Jasmine hatte einfach die nötige Eleganz und die Ausstrahlung, die genau zu uns passte und Teru konnte mit seinem unheimlichen Talent Gitarre zu spielen überzeugen. Ich wollte nur ungern mit jemand Neuem von vorne anfangen und zusammen arbeiten! Schließlich müssen die Gitarren – wenn denn schon mal zwei da sind – sich auch gut ergänzen und harmonieren. Dann stritten wir uns aber über die Besetzung des Drumsets. Bikei, mein Schlagzeuger von Hizaki Grace Project reichte Kamijo nicht aus. Außerdem ärgerte er sich darüber, dass unsere Band dann ja doch nur Hizaki Grace Project – mit - ohne – Juka sein würde. Recht hatte er, aber das bedeutete, dass ich nicht nur Juka, sondern auch Bikei schlechte Nachrichten überbringen musste. Und besonders vor dem Moment mit Juka hatte ich Angst. Ich war mir sicher, sehr sicher, dass er sich durch Kamijo ersetzt fühlen würde. Und im Grunde hatte ich ihn ja auch ersetzt, aber unsere ‚Band’ war eben nur ein Solo-Projekt gewesen! Ein Projekt, nichts von ewiger Dauer. Wie sollte ich ihm das alles nur erklären? Es kam mir vor, als würde jedes Wort, jeder Versuch es ‚nett’ zu erklären, falsch sein. Und da ich doch erst kurz zuvor wieder gemerkt hatte, dass er sehr an mir hing, fiel es mir noch schwerer ihm zu sagen, dass wir beruflich nicht mehr zusammen arbeiten würden. Würden wir dann überhaupt noch etwas miteinander zu tun haben? Seit Kamijo eine so große Rolle in meinem Leben eingenommen hatte, kümmerte ich mich nur wenig um andere. Nur die ‚Wichtigsten’ bekamen noch den Rest Aufmerksamkeit, den ich noch übrig hatte und das waren nun mal Tomozo und Kaya. Juka sah ich immer nur bei Teambesprechungen. In meinem Hals formte sich ein schwerer Kloß. Es war das schlechte Gewissen, welches mir die Luft abschnürte, aber was konnte ich schon dafür, dass er sich ausgerechnet in mich verliebt hatte? Dennoch fühlte ich mich schlecht. Aber vielleicht würde er es durch diesen radikalen Bruch dann endlich, endlich schaffen sich von mir zu lösen und sein Herz an jemand anderes zu hängen. Ich wollte nicht, dass er weiter an mir hing! Natürlich schmeichelte es mir irgendwo, aber viel mehr tat es mir und besonders ihm weh. Also war es nicht richtig. „Er wird es verstehen, Hizaki. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass er eine Band verlassen muss.“, versuchte Kamijo mich aufzubauen, doch ich sah ihn nur etwas böse an. „Werd’ jetzt nicht gemein! Das mit Moi dix Mois hatte schon seine Gründe. Aber er wird schon eine neue Band finden und weiter machen, das weiß ich. Dafür ist seine Stimme einfach zu gut!“, seufzte ich und dachte einen Moment lang daran zurück, wie Juka es immer und immer wieder geschafft hatte mich mit seiner Stimme für sich einzunehmen. „Wir können nicht anfangen, wenn du deinen Leuten nicht Bescheid sagst. Ich würde es gut heißen, wenn du nicht mehr allzu lang damit wartest.“, sagte Kamijo und nippte an seiner Tasse Kaffee. Ich nickte langsam und wusste, dass mir nichts anderes mehr übrig blieb. „Ja, ich weiß.“, murmelte ich und stand also auf, um nach dem Telefon zu greifen und einen Termin mit meiner Band zu vereinbaren. Ich hatte die Nacht vor jenem Tag kaum ein Auge zugemacht und war tierisch nervös. Auch Kamijo schaffte es nicht mehr mich zu beruhigen und der viele Kaffee, den ich trank, machte es wohl auch nicht besser. Einerseits war ich nervös, weil meine neue Band so gut wie in den Startlöchern stand, aber andererseits fiel es mir schwer Juka und Bikei zeitgleich klar zu machen, dass wir getrennte Wege gehen würden. Wir versammelten uns in dem Verwaltungsgebäude von Kamijos Label und setzten uns alle an einen großen Tisch. Noch lachten und strahlten meine Freunde, da sie wie immer herum alberten und sich unterhielten, doch schnell war die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Ich saß neben Kamijo wie ein Häufchen Elend und hätte am liebsten mit ihm Händchen gehalten und ihm das Reden überlassen, aber das wäre mehr als feige und nicht richtig gewesen. „Also, Hizaki: Was ist so mega wichtig, dass du es uns nicht am Telefon erzählen konntest?“, fragte Teru und lächelte mich aufgeregt an. Ich sah flüchtig zwischen meinen Freunden hin und her, bevor ich den Kopf senkte und murmelte: „A-also, ich… Na ja… Wie erkläre ich das jetzt am Besten?“ Natürlich hatte ich mir den gesamten Dialog bereits perfekt im Kopf ausgemalt, doch als es drauf ankam, wollte nichts Sortiertes meinen Mund verlassen. Ich versuchte den Kloß in meinem Hals herunter zu schlucken und sah aus den Augenwinkeln, dass bei allen Anwesenden das Lächeln langsam schwächer und schwächer wurde. Schließlich sammelte ich all meinen Mut und sagte ohne auch nur einen von meinen Freunden anzusehen: „Hiermit löse ich HIZAKI Grace Project auf! Es ist vorbei.“ „WAS?!“, riefen Jasmine und Teru wie aus einem Mund und starrten mich aus riesigen Augen an. Juka bekam nach dem ersten Schrecken einen mehr als skeptischen Gesichtsausdruck und verschränkte die Arme. Ich sah, dass er aus den Augenwinkeln Kamijo musterte, der ruhig die Hände in den Schoß gelegt hatte und schwieg. Er ahnte sicherlich, dass mein Freund damit zu tun hatte. „Das ist nicht dein Ernst, oder?! So plötzlich? Warum denn?“, fragte Bikei aufgebracht und schien es nicht glauben zu können. „Ich werde es euch erklären.“, sagte ich und sah meine Freunde weiterhin nur flüchtig an. Ich griff zittrig nach meinem Wasserglas und trank kurz einen Schluck, in der Hoffnung, dass dann mein Kloß im Halse verschwinden würde. Natürlich brachte das nichts. Ich drehte meinen Kopf kurz zu Kamijo und fuhr dann fort: „Kamijo und ich wollen eine neue Band gründen. Wir haben uns auch schon viele Gedanken dazu gemacht und… und… na ja…“ Ich hob meinen Kopf und sah zu Jasmine und Teru. „Wir würden uns freuen, wenn ihr uns unterstützen würdet, Jasmine und Teru! Ihr würdet einfach wunderbar zu unseren Ideen und Plänen passen, wisst ihr? Bitte sagt ja.“, flehte ich fast schon und schaute verzweifelt. Dann sah ich aber aus den Augenwinkeln, dass Juka zu explodieren drohte. Er schaute mehr als böse und zischelte: „Als wenn ich es nicht geahnt hätte… Da habt ihr ja einen tollen Plan gesponnen! Was soll denn das für eine ach so neue Band sein, wenn fast alle Mitglieder dieselben sind? Aber ich habe schon verstanden, worum es geht, Kamijo. Es ist fast schon amüsant, dass ich dir so ein Dorn im Auge bin!“ Nun regte Kamijo sich doch und erwiderte Jukas bösen Blick. „Hör auf über Dinge zu spekulieren, von denen du keine Ahnung hast. Und wenn du es noch immer nicht schaffst Berufliches von Privatem zu trennen, dann hast du mein Beileid!“, entgegnete er, jedoch in einem wesentlich ruhigeren Ton, der aber nicht minder bedrohlich und ernst war. Ich schluckte schwer. Das hatte mir noch gefehlt, dass sich die beiden nun stritten. Juka lachte, was Kamijo wohl ziemlich provozierte und stand auf. „Na dann viel Spaß mit eurer Band! Nennt sie doch HIZAKI Grace Project 2.0 oder so. Ach, und Hizaki: Danke, dass du mit mir ins Bett gehen, aber nicht mehr mit mir arbeiten kannst. War schön mit dir!“, sagte er sarkastisch und riss mir den Boden unter den Füßen weg. Ich starrte ihm mit riesigen Augen und leicht offen stehendem Mund nach. Mein Herz schien ein paar Sekunden still zu stehen, bevor es begann zu rasen. Wie konnte er das in diesem Moment hinaus posaunen?! Wie konnte er nur?! „Wie war das?!“, fragte Kamijo mit wütendem Unterton und drehte seinen Kopf zu mir hin. Er brodelte innerlich, das spürte ich genau, doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte, nach der verbalen Ohrfeige von Juka. Der besaß dann auch noch die Frechheit einfach zu gehen und mich vor unvollendeten Tatsachen stehen zu lassen! „Ach, du liebe Güte…“, seufzte Jasmine und hielt sich eine Hand vor die Augen. „Ich… ich… Kamijo, ich kann das erklären…!“, stammelte ich leise und mehr als verzweifelt. „Hm! Später.“, sagte er nur und drehte seinen Kopf zu Jasmine und Teru. „Seid ihr nun dabei oder nicht?!“, drängte er sie fast schon und man merkte, dass er noch immer kochte. Jasmine und Teru sahen sich kurz an und der Blonde antwortete: „Also ich würde gern noch eine Nacht darüber schlafen! Und mehr über euer Konzept erfahren, aber prinzipiell freut es mich natürlich, dass ich mitmachen dürfte!“ Jasmine atmete tief durch und sah mich mit einem versucht aufmunterndem Lächeln an. „Ich sage einfach mal zu, da ich euch vertraue und mir auch sicher bin, dass eure Ideen mir zusagen werden. Ich kenne eure Kreativität und eure Talente! Ich mache sehr gerne mit und freue mich schon.“ Ich erwiderte das Lächeln erleichtert, doch der Schock von Jukas Worten hing mir noch immer im Nacken. Ich hörte, dass Bikei tief durchatmete und schließlich auch aufstand. „Schade, das Ganze! Aber es hat mir sehr viel Spaß gemacht mit euch zu arbeiten, wirklich!“, sagte er und lächelte schief. Ich stand ebenfalls auf und ging zu ihm hin, um ihm auf die Schulter zu klopfen. „Es tut mir Leid, aber ich danke dir für alles, was du für das Projekt getan hast! Ein Teil des Erfolges gebührt definitiv auch dir. Danke.“, sagte ich und sah ihn etwas verzweifelt an. Er nickte, verneigte sich leicht und verließ bald darauf den Raum. Auch Jasmine und Teru gingen nach einem kurzen organisatorischen Gespräch mit uns und Kamijo und ich waren allein. Es herrschte eine bedrückende Stille in dem großen Raum und ich starrte meine Füße an. „Lass uns nach Hause fahren.“, sagte Kamijo in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ und ich folgte ihm missmutig zum Auto. Eigentlich musste ich gar kein schlechtes Gewissen haben. Diese Nacht mit Juka war vor der Beziehung mit Kamijo gewesen und ich hatte ja keine Ahnung, dass Kamijo mich zu der Zeit wollte! Aber mir war klar, dass es dennoch an ihm nagte und es ihn wohl besonders störte, dass ich ihm nie etwas davon erzählt hatte. Aber warum auch?! Das Schlimmste daran war aber wohl, dass ich Juka bereits an mich heran gelassen hatte, während ich Kamijo ständig von mir wies… Das machte meinen Freund sicher besonders wütend und ließ ihn an mir zweifeln. Die ganze Autofahrt über schwiegen wir und ich traute mich auch nicht die Diskussion über dieses pikante Thema zu eröffnen. Kamijo starrte verbissen auf die Straße und ich wagte es auch nur selten ihn aus den Augenwinkeln anzusehen. Erst als wir gemeinsam im Wohnzimmer saßen, ging das Kreuzverhör los: Kamijo setzte sich nicht neben mich auf die Couch, sondern auf den großen Sessel. Er verschränkte die Arme, überschlug die Beine und sah mich mit eng zusammen geschobenen Augenbrauen an. Oh ja, er war wütend. „Du sagtest, du kannst es erklären. Dann bitte! Ich warte.“ Wie ein Häufchen Elend hing ich auf der Couch und murmelte: „Es… es ist schon eine ganze Weile her, Kamijo. Es war vor unserer Beziehung! Ich weiß nicht, warum Juka mir da heute noch einen Strick draus drehen musste. Er war wohl einfach wütend.“ Ich atmete tief durch und sah Kamijo dann müde aus den Augenwinkeln an. „Es war übrigens an dem Abend, an dem du etwas mit Kaya hattest. Nur mal so am Rande.“, musste ich ihm noch unter die Nase reiben und hoffte, dass dies seine Wut abschwächen würde. Ich sah, dass Kamijo trocken schluckte und seinen Blick zur Seite wand. Da war wohl doch noch ein schlechtes Gewissen, was? „Hm.“, machte er vorerst nur und atmete tief durch. „Wenn das so ist, habe ich weder das Recht noch einen Grund sauer zu sein. Auch, wenn es mir schwer fällt. Mir war klar, dass Juka nicht begeistert sein würde, aber dass so etwas kommt, habe ich nicht erwartet. Das zeigt nur, wie inkompetent er in Wahrheit ist.“, fauchte er und verzog wütend das Gesicht. „Ach Kamijo, er ist nicht inkompetent! Er war einfach glücklich in dieser Band!“, seufzte ich und war etwas genervt von diesen Eifersüchteleien. „Er war glücklich bei dir! Er scheint nicht wahrgenommen zu haben, dass es ernst zwischen uns ist.“, entgegnete Kamijo und war wohl etwas beleidigt, dass ich Juka verteidigte. „Wie auch immer, es ist nun geklärt. Uns stehen alle Türen offen für unsere Band. Auch, wenn Teru noch nicht hundertprozentig zugesagt hat, er war wohl heute nur etwas überrumpelt und wird gleich morgen früh anrufen, um uns zu sagen, dass er dabei ist. Jetzt bin ich nur gespannt, wo du einen Schlagzeuger herzaubern willst.“, versuchte ich das Thema langsam, aber sicher abzulenken, denn ich wollte nicht mit Kamijo streiten. Dieser stieg auch voll und ganz darauf ein, denn er konnte schon wieder selbstgefällig grinsen und sagte: „Warte es nur ab! Die Leute vom Rock May Kann haben mir da jemanden empfohlen, der sehr interessant klang. Wir sollten uns selbst von seinen Künsten überzeugen, aber ich bin mir sicher, dass diese Empfehlung ein Volltreffer sein wird. Ich habe es im Gefühl!“ „Eine Empfehlung vom Rock May Kann? Wow, da bin ich ja mal gespannt! Das klingt wirklich viel versprechend, muss ich zugeben.“, sagte ich überrascht und blinzelte mehrmals. „Keine Sorge. Wir werden es schaffen, dass alles zu unserem Konzept passt! Die absolute Schönheit der Form von Sound und ästhetischen Extremen… Nicht mehr lange!“, hauchte Kamijo und schien mal wieder von unserer Band zu träumen. Ich lächelte und stand auf, um mich einfach auf seinen Schoß zu setzen, da Kamijo viel zu weit weg war. „Ja. Ich kann es kaum noch erwarten.“, sagte ich und lehnte mich an meinen Freund. Ich dachte auch gerne daran, wie schön es wäre, wenn alles so werden würde, wie wir es erträumten. Kamijo und ich hatten eine neue Welt kreiert, die wir vertonen und optisch zum Ausdruck bringen wollten. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis wir voll durchstarten konnten! Natürlich standen uns noch einige Hürden bevor, aber das für mich vorerst Schlimmste war erledigt: Die gänzliche Trennung von Juka und meinem alten Projekt. Ich hoffte trotzdem, dass er mir eines Tages verzeihen würde, denn als Freund war er mir noch immer wichtig und würde es auch immer bleiben. Kapitel 8: I n t e r l u d i u m -------------------------------- Wie gern hätte ich ihm in diesem Moment in sein arrogantes Gesicht geschlagen. Das hatte sich dieser Schönling wunderbar zurecht gelegt! Auch, wenn ich glaubte, dass Kamijo und ich einst mal Freunde waren… Ach, vergiss es! Ich wusste nicht, ob ich lachen oder heulen sollte. Von einem Moment auf den nächsten stand ich ohne Job und vor allem ohne Hizaki da. Man sagt, dass Menschen, die sterben kurz vor ihrem Tod ihr Leben noch mal in tausenden von Bildern sehen. An diesem Tag starb auch ein Teil von mir und die schönen, gemeinsamen Momente mit Hizaki huschten an meinem geistigen Auge vorbei. Mann, wir haben so verdammt viel erlebt in dieser eigentlich so kurzen Zeit. Und ich hatte bis zu diesem Tag die Hoffnung nie aufgegeben, dass ich ihn doch noch eines Tages mein Eigen nennen dürfte. So schnell kann es gehen. Ein Satz und alles zerplatzt. Aber ich war ja selber Schuld, schließlich redete ich mir Dinge ein, die nicht der Realität entsprachen. Ich war verblendet. Blind vor Liebe, könnte man sagen! Aber was bringt es, sich weiter darüber aufzuregen. Nach diesem niederschmetternden Gespräch fuhr ich schnurstracks nach Hause, denn für eine Bar war es noch zu früh, aber man hat ja Bier im Kühlschrank. Ich musste irgendwie herunter kommen, bevor ich noch irgendwen ermordete. Kamijo trieb mich nämlich zur Weißglut! Aber ich wusste genau, dass all diese Gefühle mit der Zeit verschwinden würden. Die Liebe, der Hass, die Wut… Alles würde sich nach und nach in Luft auflösen. An so was denkt man natürlich nicht, wenn die Wunden frisch sind und dennoch versuchte ich mir das alle fünf Minuten klar zu machen. Lange Zeit lag ich auf meiner Couch, rauchte eine Zigarette nach der anderen und starrte an die Decke. Es schien, als wenn die Zeit still stehen würde. Ich fühlte mich leer und unnütz. Wie sollte es nun weiter gehen? Sollte ich mir eine neue Band suchen? Oder gar ganz etwas anderes? Ja, vielleicht war bereits die Zeit für mich gekommen meine Karriere als Sänger an den Nagel zu hängen. Zeit, um dem Musikbusiness und Hizaki den Rücken zu kehren. Von diesem Gedanken wurde mir fürchterlich schlecht. Ich hatte schon ein Mal in meinem Leben versucht die Musik auszugrenzen und ‚normal’ wie jeder andere zu leben und zu arbeiten. Es zerriss mich. Ich brauche die Musik, wie die Luft zum Atmen! Das wurde mir damals schnell klar. Also war es keine gute Idee gewesen aus dem Business auszusteigen, aber eines stand fest: Ich brauchte Urlaub! Vorerst ließ ich es mir aber weiter auf meiner Couch ‚gut’ gehen und betrank mich sinnlos, bis nichts mehr da war. Als ich auch keine Zigaretten mehr griffbereit hatte, war es wohl an der Zeit das zugequalmte und versoffene Wohnzimmer zu verlassen und sich in das Nachtleben zu stürzen. Oh ja, darin war ich besonders gut: Ist das da ein zwischenmenschliches Problem am Horizont? Oh mein Gott, es kommt näher! Schnell, trösten wir uns mit jemand oder etwas anderem darüber hinweg! Glücklicher hatte mich das bisher nie gemacht, aber es war wie eine Schmerztablette: Kurz und intensiv hilfreich. Ich weiß nicht mehr, wie ich in diese seltsame Disco gekommen bin, aber ich muss zu Fuß hingetaumelt sein, da ich außer meinem Portemonnaie nichts bei mir hatte. Daran erinnere ich mich noch. Ich setzte mich an die Bar und nüchterte langsam von meinen ersten Bieren aus, während ich in mein Whiskeyglas schaute und dem Eiswürfel beim Schmelzen zusah. Weder die Musik, noch die tanzenden Gestalten um mich herum interessierten mich. Es tat erst mal schon gut einfach Menschen um sich herum zu haben. Es fühlte sich zwar an wie Fernsehen gucken, da ich nicht interagierte und nur beobachtete, aber immerhin war ich beschäftigt und dachte nicht so viel an Hizaki. Irgendwann wurde mir das aber doch zu blöd und als ich mir sicher war, dass ich wieder auf einer fast geraden Linie laufen konnte, begann ich mich unter das amüsierte Volk zu mischen. Dummerweise war ich unaufmerksam und stolperte über ein Stuhlbein, während ich mich durch die Menschenmasse schob und schüttete meinen Drink gegen den Rücken einer zierlichen Frau. Diese zuckte stark zusammen und schrie kurz hell auf, bevor sie sich zu mir umdrehte und mit einer unerwartet tiefen Stimme brüllte: „Schon mal einen Liter Blut durch die Nase gespendet, du Trollo?! Ein Quadratzentimeter von diesem Kleid ist wohl so viel wert wie dein gesamtes Monatsgehalt! Ich mach dich fertig!“ Ich schreckte zurück und bekam riesige Augen. Das durfte doch nicht wahr sein… „Kaya?“, fragte ich sicherheitshalber und blinzelte mehrmals. Plötzlich bekam auch mein Gegenüber große Augen und musterte mich erst in diesem Moment etwas mehr. „Ach Gottchen… Juka! Du siehst ja schlimm aus! So schlimm, dass ich dich fast nicht erkannt und verprügelt hätte! Bist du alleine hier?“, fragte Kaya überrascht und ließ sich von seinen Drag Queen – Freundinnen den Rücken mit Servietten abtupfen. „Ja, bin ich. Ich… hatte nichts vor und dachte, ich schau mich hier mal um.“, antwortete ich und hoffte nichts weiter erklären zu müssen. Sah ich echt so schlimm aus?! Kaya schaute mich skeptisch an und verschränkte die Arme. „Soso, du dachtest, du schaust dich hier mal um? Juka, dieser Club ist berüchtigt dafür, dass man hier so gut wie nie ohne One-Night-Stand raus geht. Und jetzt erzähl mir hier keinen davon ‚uhh, das wusste ich nicht!’“ „Darling, wir gehen wieder tanzen!“, verabschiedeten sich Kayas Freundinnen, nachdem sie das Kleid so gut sie konnten gerettet hatten und schlenderten auf ihren hohen Hacken zur Tanzfläche. Ich sah ihnen kurz nach und schaute Kaya dann beleidigt an. „Ja und?! Meinst du, du bist der Einzige auf der Welt, der ab und zu seinen Spaß hat?“ Kaya hob abwehrend seine Hände und rollte mit den Augen. „Ist ja gut! War doch nur eine Frage, kein Grund schlechte Laune zu bekommen! Komm, wir holen dir erst mal einen neuen Drink. Ich glaube wohl kaum, dass du vorhattest deinen Whiskey aus meinem Kleid zu saugen. Oder doch?“, grinste er und kicherte, wie nur Kaya kichern konnte, bevor er mich am Handgelenk packte und zurück zur Bar zerrte. Dann organisierte er zwei Barhocker, die er mit fast zwei Meter Abstand voneinander hinstellte. Ich beobachtete ihn dabei und zog langsam eine Augenbraue skeptisch nach oben. „Ähm… Kaya? Was wird das, wenn du fertig bist?“, fragte ich und Kaya antwortete, als wenn es das Selbstverständlichste auf der Welt gewesen wäre: „Na, was wohl? Meinst du, mich spricht irgendwer an, wenn ich direkt neben dir sitze?! Vergiss es! Und so traurig bin ich noch nicht, dass ich heute Abend mit dir nach Hause gehe!“ Ich sah ihn genervt an und grummelte: „Danke, ich hab’ dich auch lieb!“ Also setzte ich mich auf den einen Hocker und Kaya zwei Meter neben mir auf den anderen. Zwischen uns war eine große Lücke. Ich stützte meinen Kopf mit einer Hand ab und schwenkte mein neues Whiskeyglas ein wenig umher, während ich aus den Augenwinkeln sah, dass Kaya hastig an dem Strohhalm seines bunten Cocktails sog. „Du musst nicht bei mir sitzen bleiben, wenn es so schlimm für dich ist.“, rief ich irgendwann zu ihm hin, um die laute Musik zu übertönen. Kaya winkte mit der Hand ab. „Ach, so jung kommen wir auch nicht mehr zusammen! Oder störe ich dich? Du wirkst jetzt aber nicht gerade so, als würdest du in naher Zukunft irgendwen aufreißen wollen.“, rief er zurück und mir wurde es zu blöd. Ich stellte mich hin und hob den Hocker zu Kaya, da ich es dämlich fand, dass wir uns gegenseitig unnötig anschrieen. „So, du scheinst dich ja doch mit mir unterhalten zu wollen, aber dann lass uns das bitte halbwegs normal tun!“, seufzte ich und atmete tief durch. „Was ist los mit dir? Irgendwie bist du schlecht drauf.“, bemerkte Kaya und sah mich aus seinen Kulleraugen an, während er wieder auf seinem Strohhalm herumkaute. Ich fühlte mich ertappt und schaute vorwurfsvoll in mein Glas, bevor ich den Inhalt endlich mal austrank. „Hm… Scheiß Tag gehabt, könnte man sagen.“, murmelte ich und seufzte erneut. Sollte ich nun wirklich mit Kaya darüber reden? Aber wieso eigentlich nicht. Der war doch sicher auf meiner Seite, oder? Na ja, viel mehr saß er zwischen den Stühlen. Hizaki war schließlich sein bester Freund und Kamijo sein einstiger Geliebter. Konfus. „Na lass dir nicht alles aus der Nase ziehen! Los, was ist passiert?“, fragte Kaya und rüttelte leicht mit einer Hand an mir. Ich atmete tief durch und drehte dann meinen Kopf zu ihm hin. Ich war auf Kayas Reaktion gespannt, als ich ihm sagte: „Hizaki hat sein Projekt aufgelöst, um mit Kamijo eine neue Band zu gründen. Bikei und ich sind raus, Jasmine und Teru wollen sie behalten.“ Kaya riss seine großen, mit künstlichen Wimpern beklebten Augen auf und verschluckte sich an seinem Drink. „Kamijo singt wieder?“, rief er aufgeregt und ich verdrehte die Augen. „Nein, er spielt die Triangel. …Natürlich singt er! Was denn sonst?“, entgegnete ich und war etwas verwundert über diese erste Reaktion. „Ach Gottchen.“, seufzte die Diva und legte eine Hand an die Brust. „Dass Hizaki es geschafft hat, Kamijo dazu wieder zu bewegen! Wie schön… aber natürlich ziemlich blöd für dich. Hast du dir etwa noch Hoffnungen gemacht bei Hizaki? Kamijo und er sind ein Traumpaar! Wie Richard Gere und Julia Roberts… Wie Romeo und Julia… Wie… Susi und Strolch!“ „Jaja, ich habe es verstanden!“, brummte ich und sah wütend zur Seite. Musste er noch so viel Salz in die Wunde streuen? „Juka.“, seufzte Kaya bemitleidend und legte eine Hand an meinen Rücken. „Du armer, verliebter Tor! Aber das sollte dir nun endgültig bewiesen haben, dass du keine Chance hast. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende! Mach’s wie ich: Komm mit klar, gräme dich nicht und hab’ deinen Spaß, verdammt! Das Leben geht weiter, auch ohne Kamijo oder ohne Hizaki.“, versuchte er mich aufzubauen, doch ich wünschte mir in diesem Moment nichts sehnlicher, als irgendetwas, womit ich Kaya das Maul stopfen konnte. „Jaja.“, seufzte ich also nur weiter niedergeschlagen und bestellte ein weiteres Glas Whiskey. Dieses Mal einen Doppelten, der Einfache ging irgendwie zu schnell leer. „Ich merk’ schon, heute schaffe ich es nicht mehr dich aufzubauen. Ich bin auf der Tanzfläche, falls du mich suchst und wenn du ganz lieb fragst, tanze ich sicher auch mal mit dir! Bis später!“, kicherte Kaya und zwinkerte mir zu, bevor er zu seinen Freundinnen tänzelte. Ich sah ihm unmotiviert nach und schaute ihm eine Weile beim Tanzen zu. Er gefiel mir einfach besser, wenn er den Mund nur zum Singen öffnete und daran würde sich wohl niemals etwas ändern. Seine aufgesetzte Art sagte mir nicht zu. Seine gesamte Fassade. Es war unmöglich, dass Kaya wirklich so war! So durchgeknallt konnte doch kein Mensch sein. Oder doch? Aber was sollte dann hinter dieser Fassade stecken? Womöglich ein biederer Philosoph? Wohl kaum. Aber Kaya war geschickt, das musste man ihm lassen. Sein Auftreten, seine Art machte ihn interessant. Egal, ob man es mochte oder nicht, man zerbrach sich über ihn den Kopf. Er war ein Novum seiner Spezies, wenn ich es mal so ausdrücken darf ohne dabei wertend zu sein. Es fiel mir aber schwer ihn irgendwo einzuordnen, denn noch war mir nicht klar, ob alles nur ein Spiel und eine Maske war oder ob Kaya einfach Kaya war. Und ab da ging es los: Ich kam vom Gedanken Kaya nicht mehr weg und war so vertieft darin, dass ich nicht mehr mitbekam wie viel Whiskey ich da eigentlich in meinen hilflosen Körper kippte. Und bald darauf… Filmriss. Meine letzte Erinnerung ist wirklich, dass ich Kaya ziemlich lange beim Tanzen zusah. Tja, und dann… Nichts und dann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)