Angriff ist die beste Verteidigung von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Teil 1 - Kapitel 5 ----------------------------- Say "I am wonderful" by CarpeDiem 5 Das Telefon klingelte. Einen Moment lang blieb Akihito einfach auf seinem Bett liegen und überlegte sich, ob er rangehen sollte. Es klingelte wieder und Akihito beugte sich schließlich widerwillig über den Rand seiner Matratze, um nach dem Telefon zu suchen. Mehrere Kleidungsstücke flogen daraufhin durch die Gegend, als er sich durch den Berg an Sachen, der sich neben seinem Bett befand, wühlte. Normalerweise war er ordentlicher, aber er hatte in den letzten Wochen einfach keine Zeit gefunden aufzuräumen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er in den letzten Wochen grundsätzlich für gar nichts Zeit gefunden hatte. Akihito suchte weiter und fand unter einem roten T-Shirt seine Fernbedienung, die er schon seit mehreren Tagen suchte, doch erst als er seine Jeans hoch hob, wurde das Klingeln lauter. Während er nach dem Telefon griff, fragte er sich mit einem missmutigen Brummen, warum er kein Telefon mit Kabel hatte, wie sie es früher bei sich zu Hause gehabt hatte, das hatte man wenigstens nicht so leicht verlegen können. Ohne auf die Nummer zu sehen, meldete sich Akihito, bevor sein Anrufer wieder auflegen würde. „Ja?" „Hey Kumpel, ich bin's Kou - dein Freund, erinnerst du dich? Früher sind wir abends zusammen um die Häuser gezogen. Das war bevor mein bester Freund unter mysteriösen Umständen für einen Monat verschwunden ist und sich jetzt in seiner Wohnung eingeschlossen hat." Akihito schloss mit einem Seufzen die Augen, während er sich mit dem Telefon am Ohr auf seinem Bett zurück fallen ließ. Er hatte seinen Freunden dieselbe Geschichte erzählt wie seinen Eltern: Er hätte nach einem Job kurzfristig untertauchen müssen, nachdem er wegen einiger Fotos, die er für die Polizei gemacht hatte, in Schwierigkeiten geraten war. Die Polizeibeamten, die ihn versteckt hatten, hätten ihm verboten seine Familie oder seine Freunde anzurufen, bis sich die Sache geklärt hatte. Seine Mutter war sehr besorgt gewesen, hatte sich aber damit zufrieden gegeben, als Akihito ihr versichert hatte, dass er in Zukunft vorsichtiger sein würde. Sie hatte gesagt, dass sein Vater, der bereits vor einigen Jahren gestorben war, bestimmt stolz auf ihn gewesen wäre, aber Akihito glaubte nicht, dass das ein Kompliment gewesen war. Sein Vater hatte sich auch nie von irgendwelchen Risiken abschrecken lassen, aber auf den großen Durchbruch hatte er dennoch vergeblich gewartet. Was seine Freunde anging, war es schwieriger gewesen, sie von dieser Geschichte zu überzeugen. Sie hatten ihm nicht geglaubt, besonders nicht, da sie die Sache mit Feilong mitbekommen hatten und wussten, dass Akihito in irgendwelchen Schwierigkeiten steckte. Außerdem hatte sich Akihito verändert, seit er wieder zurück war und da er nicht die Kraft dazu hatte, immer wieder alles abzustreiten, hatte er sich seitdem von ihnen ferngehalten. Er wünschte sich, dass er ihnen alles erzählen könnte, aber er wusste, dass er das nun einmal nicht konnte. Sie würden es nicht verstehen und er wollte sie nicht auf noch mit hinein ziehen. „Hi Kou. Wie geht's dir?" „Ach, eigentlich ganz gut, wie immer. Mir würde es allerdings besser gehen, wenn ich wüsste, dass du nicht versehentlich in deiner Wohnung an Vereinsamung stirbst. Aber immerhin bist du mal wieder ans Telefon gegangen, das ist schon mal ein Anfang." „Ja, ich weiß, tut mir leid", antwortete Akihito, aber seine Entschuldigung klang nicht sonderlich glaubwürdig. „Ich hab im Moment ziemlich viel um die Ohren." „Das hast du letzte Woche auch schon gesagt, und die Woche davor und die Woche davor. So viel kannst du doch gar nicht zu tun haben, dass du keine Zeit mehr für deine Freunde hast." Akihito schloss die Augen und seufzte lautlos. Er wusste, dass Kou Recht hatte und er vermisste seine Freunde, aber er war einfach noch nicht bereit dafür wieder in sein altes Leben zurück zu kehren. Dass sie ihn die ganze Zeit so ansahen, als könnte er jeden Moment durchdrehen, machte die ganze Sache auch nicht besser. Kou hatte ihn in den letzten Wochen in Ruhe gelassen, weil er gespürt hatte, dass Akihito Zeit für sich brauchte, aber anscheinend hatte er beschlossen, dass er ihm jetzt genug Zeit gegeben hatte. „Okay, hör zu. Takato, Yoshida und ich wollen heute Abend in einen neuen Club, der letzte Woche aufgemacht hat, gehen. Der Laden ist wirklich der Hammer. Und der Barkeeper ist ein Freund von mir, also bekommen wir die Drinks umsonst. Kommst du mit? Ich kann mir zwar eigentlich schon denken, wie deine Antwort ausfallen wird, aber ein Nein akzeptiere ich heute nicht, damit du es gleich weißt." Akihito fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, während er überlegte, was er tun sollte. Er konnte seinen Freunden nicht ewig ausweichen und das wollte er auch gar nicht. Kou und er kannten sich schon wahnsinnig lange und sie waren immer für einander da gewesen, wenn einer von ihnen Probleme gehabt hatte. Jetzt war es irgendwie so, als gäbe es eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen, die dort nicht hingehörte. „Komm schon, das wird lustig", ermutigte ihn Kou noch einmal und Akihito gab sich einen Ruck. Vielleicht war etwas Ablenkung genau das, was er im Moment brauchte. „Okay, ich komm mit." „Na also, das war doch gar nicht so schwer, oder?", fragte Kou begeistert. „Wir holen dich in einer Stunde ab." „Ja, okay bis dann", entgegnete Akihito und versuchte dabei fröhlich zu klingen, was ihm jedoch nicht wirklich gelingen wollte. Dann legte er auf und ließ das Telefon neben sich aufs Bett fallen, während er die Arme hinter dem Kopf verschränkte. Er konnte sich nicht ewig verstecken und das hier waren immerhin seine Freunde. Sie waren ihm wichtig und vielleicht schafften sie es ja ihn wieder zusammen zu setzen. Dann würde er sich jetzt wohl etwas zum Anziehen suchen müssen. +++ XXX +++ Das kleine Rädchen am Zielfernrohr des Präzisionsgewehres klickte kaum hörbar, als Roy es eine viertel Umdrehung nach vorne drehte, um damit die geänderten Windverhältnisse auszugleichen. Zwar würde er seinen Schuss aus einer relativ geringen Distanz abgeben, aber die Fahnen vor dem Eingang des Gebäudes zeigten ihm an, dass der Wind stärker geworden war und Roy wollte kein Risiko eingehen. Sein Blick blieb durch das Zielfernroh auf den hell erleuchteten Eingang des Hotels gerichtet, während er beobachtete, wie eine schwarze Limousine vorfuhr. Die hintere Tür des Wagens wurde geöffnet und ein älterer Mann in einem teuren Anzug stieg gefolgt von einer Frau in einem Pelzmantel aus dem Auto. Beinahe sofort war ein Page zur Stelle, um das Gepäck aus dem Kofferraum auszuladen und hinein zu tragen, während das Paar bereits die Stufen zur breiten Eingangstür hinauf ging. Roys Finger blieb bewegungslos am Abzug liegen. Keine dieser Personen war sein Ziel. Er wartete darauf, dass jemand das Hotel verließ und nicht es betrat. Er warf einen kurzen Blick auf seine Uhr und verzog das Gesicht. Er wartete jetzt schon seit einer geschlagenen halben Stunde. Dieser Kerl schien es mit seinem Terminkalender nicht allzu genau zu nehmen. Nicht dass Roy ungeduldig werden würde, das konnte man sich in seinem Job nicht leisten, aber er wollte nicht die ganze Nacht auf diesem Dach verbringen. Er erinnerte sich daran, wie er früher oft stundenlang mitten im Nirgendwo gelegen und darauf gewartet hatte, dass sich vor der Linse seines Zielfernrohrs etwas tat, aber die Zeiten waren Gott sei Dank vorbei. Es war jedes Mal totlangweilig gewesen. Allerdings hatte er sich in offenem Gelände keine Sorgen um eine freie Schusslinie machen müssen, was in der Stadt zugegeben immer ein Problem war. Heute hatte er jedoch Glück gehabt und den perfekten Platz gefunden. Außerdem war der Auftrag wie geschaffen für seine Kate - wie er seine Bravo 51 liebevoll nannte. Er hatte ein Ziel bekommen, eine Zeit, einen Ort und obendrein ein ordentliches Honorar. Alles was er tun musste, war darauf zu warten, dass dieser Kerl das Hotel verließ und abzudrücken. Leicht verdientes Geld. Es war nicht immer so und Roy fielen auf Anhieb mehrere Jobs ein, bei denen er von Glück reden konnte, dass er jetzt überhaupt hier auf diesem Dach lag und nicht in irgendeiner Gefängniszelle oder sogar ein paar Meter unter der Erde. In seinem Job waren Ausnahmen die Regel und Improvisation war meistens die halbe Miete. Allerdings hatte er sein Ziel noch nie verfehlt und dementsprechend war sein Preis. Im Eingangsbereich waren Bewegungen zu sehen, als mehrere Männer in schwarzen Anzügen auf die Türen des Hotels zugingen und Roy konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. Als sie näher kamen, konnte Roy mühelos die Gesichter erkennen. Einer dieser Männer war sein Ziel. Er wartete, bis der Mann die Tür passiert hatte, dann drückte er ab. Ein halbe Sekunde später traf seine Kugel den Mann genau zwischen die Augen und er brach tot auf den Stufen des Hotels zusammen. Roy beobachtete noch einen Moment lang wie Chaos ausbrach und die Assistenten des Politikers in Deckung gingen, während die beiden Bodyguards ihre Waffen zogen und sich wachsam umsahen. Von seiner Position aus, war Roy für die Männer jedoch nicht zu sehen und so machte er sich keine großen Sorgen, dass sie ihn entdecken könnten. Mit ein paar Handgriffen hatte Roy sein Gewehr zerlegt und verstaute es in einer schwarzen Tasche. Dann holte er sein Handy aus seiner Hosentasche und schrieb eine SMS an seinen Auftraggeber, dass er den Job erledigt hatte, wie sie es vereinbart hatten. Danach zog er seine Jacke wieder an, auf der er gelegen hatte und warf sich die Tasche um die Schultern, bevor er sich auf den Weg zur Feuerleiter machte, um das Dach wieder zu verlassen. Es war besser so schnell wie möglich zu verschwinden; die Polizei würde jeden Moment hier sein, denn die nächste Polizeistation war nur einen Block entfernt. Reue verspürte er keine. Das war hier sein Job - nicht mehr und nicht weniger. +++ XXX +++ Akihito ließ die Tür des Hinterausgangs, der in eine kleine Seitenstraße hinaus führte, hinter sich zufallen. Die kalte Nachtluft schlug ihm entgegen und er atmete tief ein, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Im Gegensatz zu seinen Freunden hatte er zwar nicht viel getrunken, aber er hatte noch nie besonders viel Alkohol vertragen. Kou hatte nicht zu viel versprochen. Sein Freund war tatsächlich Barkeeper und hatte ihnen beinahe alle Drinks ausgegeben, was mit ein Grund dafür war, dass Akihito zum Hinterausgang raus ging. Außerdem waren sie hier auch rein gekommen, um keinen Eintritt bezahlen zu müssen und Akihito wollte es nicht darauf anlegen, dass die Türsteher bemerken würden, dass er keinen Stempel auf der Hand trug. Er musste zugeben, dass ihm der Abend tatsächlich Spaß gemacht hatte. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er es vermisst hatte mit seinen Freunden zu feiern. Die anderen waren immer noch in dem Club, aber Akihito hatte morgen früh einen Job zu erledigen und er wollte noch ein paar Stunden schlafen, bevor er wieder aufstehen musste. Takato war ziemlich betrunken, aber Kou und Yoshida würde ihn bestimmt wieder sicher nach Hause bringen, so wie sie auch ihn selbst bereits unzählige Male wieder nach Hause gebracht hatten. Auf seine Freunde konnte man sich eben einfach verlassen. Akihito machte den Reißverschluss seiner Jacke zu, während er die Gasse entlang ging. Es war nicht weit bis zu ihm nach Hause und er würde keinerlei Probleme haben, trotz der paar Drinks, die er gehabt hatte, dort anzukommen. Auf halbem Weg zur Hauptstraße hörte Akihito jedoch auf einmal etwas, doch bevor er ausmachen konnte, wo genau die Geräusche herkamen, sprang plötzlich eine schwarz gekleidete Gestalt vor ihm auf die Seitenstraße. Akihito blieb wie erstarrt stehen und sein erster Gedanke war, dass dieser Kerl ihn ausrauben wollte, doch diese Überlegung wurde jäh unterbrochen, als die Gestalt vor ihm den Kopf in seine Richtung drehte und sein Gesicht vom schwachen Licht der Lampe über der Tür des Hinterausgangs beleuchtet wurde. „Roy?", fragte Akihito überrascht, als er den Mann erkannte. Es war der Typ, der Schuld daran war, dass Akihito vor einer Woche eine Bierflasche auf den Kopf bekommen hatte. In Roys Gesicht spiegelte sich Erkenntnis wider, als er Akihito entdeckte, doch bevor er etwas sagen konnte, leuchteten hinter ihm auf der Hauptstraße helle Scheinwerfer auf, als ein Auto vor der Gasse hielt. „Verdammt! Das war schneller, als ich gedacht hatte", fluchte Roy unterdrückt, als er erkannte, dass es sich um ein Polizeiauto handelte. Er sah sich hastig um und sein Blick fiel schließlich auf Akihito, der ihn immer noch vollkommen überrascht ansah. „Hast du was dagegen, wenn ich dich küsse?" Akihitos Augen weiteten sich, als er Roys Frage hörte und er war sich sicher, dass er ihn falsch verstanden haben musste. „Was?", fragte er perplex, doch bevor Akihito noch etwas anderes sagen konnte, hatte Roy ihn bereits an die Wand in seinem Rücken gedrückt und verschloss seine Lippen mit einem harten Kuss. Akihitos Gehirn brauchte einen Moment, um zu begreifen, was hier gerade geschah. Er wollte Roy von sich wegschieben, doch es gelang ihm nicht, denn der andere presste ihn mit seinem ganzen Gewicht gegen die Wand, während er eine Hand in Akihitos Haaren hatte, um ihn festzuhalten. Als er versuchte zu protestieren, nutzte Roy die Gelegenheit und schob seine Zunge in Akihitos Mund. Vollkommen überfordert von der Situation, in die er hinein geraten war, blieb Akihitos nichts anderes übrig, als Roy gewähren zu lassen und er fing an den Kuss zu erwidern, um ihm zumindest irgendeine Gegenwehr zu bieten. Dabei stellte er überrascht fest, dass der andere verdammt gut küssen konnte und bevor er wusste wie ihm geschah, verlor er sich in den Empfindungen, die der Kuss in ihm auslöste. Roys Lippen lagen nachdrücklich auf seinen und der Kuss war keineswegs sanft, aber es fehlte die kompromisslose Dominanz mit der Asami ihn sonst immer küsste. Es war anders und ungewohnt, aber Akihito konnte nicht leugnen, dass es ihm gefiel. Ein paar Augenblicke darauf, löste Roy sich jedoch wieder von ihm und als Akihito die Augen öffnete, von denen er gar nicht bemerkt hatte, dass er sie geschlossen hatte, sah er, dass Roy zur Hauptstraße blickte. Das Polizeiauto, das dort gestanden hatte, war nicht mehr zu sehen und Roy entspannte sich sichtlich. „Danke Kleiner, du hast was gut bei mir", sagte er und Akihito kam wieder zu sich. Erst jetzt wurde ihm klar, was hier gerade passiert war. Roy hatte verhindern wollen, dass die Polizisten ihn sahen und da war ihm nichts Besseres eingefallen, als ihn einfach so gegen die Wand zu drücken und ihm seine Zunge in den Hals zu schieben. „Sag mal spinnst du?", fragte Akihito aufgebracht. „Was glaubst du eigentlich, was du machen kannst, du Perversling?" Roy legte den Kopf schief und stützte sich mit einem Arm neben Akihito an der Wand ab, während er sich mit einem wissenden Grinsen zu ihm hinunter beugte. Instinktiv versuchte Akihito vor ihm zurück zu weichen. „Jetzt mach nicht so einen Wind. Es ist ja nicht so, als ob es dir nicht gefallen hätte." Akihito merkte wie ihm das Blut ins Gesicht schoss und er rot wurde. Es stimmte, er hatte den Kuss erwidert, aber nur weil es ihm gefallen hatte, gab das Roy noch lange nicht das Recht ihn einfach so zu küssen! Er sah Roy trotzig an, um seine Verlegenheit zu überspielen und wechselte das Thema. „Was sollte das eben überhaupt? Warum wolltest du nicht, dass die Polizei dich sieht?" „Die Polizei und ich vertragen uns nicht besonders gut", entgegnete Roy wage, ohne dass das schiefe Grinsen von seinem Gesicht verschwand. „Der Rest geht dich nichts an." Akihito war mit dieser Antwort alles andere als zufrieden, und als Roy erneut seinen Blick die Straße hinauf und hinunter wandern ließ, entdeckte Akihito die große, schwarze Tasche, die er um die Schultern hängen hatte. Jetzt fiel ihm auch auf, dass Roy ganz ins schwarz gekleidet war und die ganze Sache kam ihm immer seltsamer vor. „Was hast du auf dem Dach gemacht?", fragte Akihito misstrauisch, doch als Roy ihn wieder ansah, war seine Miene mit einem Mal verschlossen. „Ich hab dir schon gesagt, dass dich das nichts angeht und wenn du weißt, was gut für dich ist, belässt du es dabei", informierte Roy ihn und seine Stimme klang eindeutig bedrohlich. „Du hast Glück, dass ich dich gut leiden kann, Kleiner. Sonst müsste ich mir jetzt überlegen, wie ich sicher stelle, dass du mich nicht an die Polizei verrätst, immerhin kennst du meinen Namen und weißt wo ich wohne. Allerdings glaube ich nicht, dass du der Polizei von mir erzählen wirst, zumindest nicht so lange du noch dieses schicke Tattoo auf deiner Hand hast." Roy ließ seinen Blick nach unten zu Akihitos Handgelenk wandern und Akihito ließ seine Hand instinktiv hinter seinem Rücken verschwinden, was Roy mit einem Grinsen quittierte. „Dacht ich's mir doch." Akihito funkelte ihn böse an, während Roy sich von der Wand hinter ihm abstieß. „Schönen Abend noch", wünschte er mit einem schiefen Grinsen, bevor er Akihito stehen ließ und dann ganz gemütlich die Seitenstraße entlang schlenderte. Akihito sah ihm nach, bis er um die Ecke verschwand. Er hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass mit diesem Kerl etwas nicht stimmte, aber jetzt war dieses Gefühl zur Gewissheit geworden. Nach außen hin machte er einen freundlichen Eindruck, aber als er ihm gerade zu verstehen geben hatte, dass er keine weiteren Fragen mehr stellen sollte, war Akihito ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter gelaufen. Außerdem wusste er, was sein Tattoo bedeutete und mit diesem Kerl in der Bar letzte Woche war er ohne Schwierigkeiten fertig geworden, was bewies, dass Roy eindeutig kein gewöhnlicher Durchschnittsbürger war. Allerdings hatte er ihm letzte Woche geholfen und jetzt gerade hatte er ihn gehen lassen, mit der bloßen Vermutung, dass Akihito wohl nicht zur Polizei gehen würde. Zwar hatte er damit durchaus recht, aber sicher sein konnte er sich nicht. Wenn er wirklich ein Verbrecher war, wovon Akihito im Moment ausging, hätte er andere Maßnahmen ergriffen, um sicher zu stellen, dass Akihito nicht redete, wobei er allerdings nicht einmal wusste, was er der Polizei eigentlich über ihn erzählen sollte. Es war schließlich kein Verbrechen mit schwarzen Klamotten und einer schwarzen Tasche mitten in der Nacht auf dem Dach eines Hauses herum zu spazieren, obwohl es eindeutig verdächtig war. Dann dachte Akihito daran, wie Roy ihn geküsst hatte und seine Lippen kribbelten bei dieser Erinnerung immer noch angenehm. Ihm war unweigerlich warm geworden, als Roy ihn mit seinem Körper gegen die Wand gepresst hatte und er musste zugeben, dass ihm der Kuss gefallen hatte. Entschlossen schüttelte Akihito den Kopf und versuchte die Gedanken an den Kuss zu verdrängen. Nur weil er gut küssen konnte, musste sich Akihito noch lange nicht anstellen wie dummes Schulmädchen. Viel wichtiger war jetzt, dass Asami nicht herausfand, dass er einen anderen geküsst hatte, aber es war sehr unwahrscheinlich, dass das passieren würde, denn seine Gorillas waren nirgends zu sehen und Akihito würde es ihm ganz bestimmt nicht auf die Nase binden. Außerdem hatte er ihn ja nicht freiwillig geküsst, also gab es nichts, wofür er sich rechtfertigen müsste. Akihito machte sich auf den Weg nach Hause und ging die Seitenstraße entlang, bis er nach links auf die Hauptstraße abbog. Bereits als er um die Ecke kam, sah er, dass etwa hundert Meter weiter vorne auf der anderen Straßenseite etwas passiert sein musste. Zwei Polizeiwagen standen mit blinkenden, roten Lichtern auf der Straße, während die Beamten gerade dabei waren, ein gelbes Absperrband um den Eingangsbereich des Hotels zu ziehen, um ein paar neugierige Gäste fernzuhalten. Viel war jedoch nicht los, immerhin war es mitten in der Nacht. Akihito ärgerte sich augenblicklich, dass er seine Kamera nicht dabei hatte, denn soweit er sehen konnte, waren noch keine Journalisten vor Ort. Dann fiel ihm jedoch wieder ein, dass Dank Asami keine Zeitung in ganz Tokio seine Fotos kaufen würde und er verzog missmutig das Gesicht. Als Akihito die Straßenseite gewechselt hatte, da er auf seinem Weg nach Hause ein paar Straßen weiter vorne abbiegen musste, fuhr gerade ein Leichenwagen vor. Aus purer Neugier blieb er kurz an der Absperrung stehen und sah, dass vor den Stufen des Hotels ein weißes Tuch auf dem Boden lag, mit dem man die Leiche abgedeckt hatte. Einer der Polizisten unterhielt sich neben der Absperrung mit einem Mann in einem schwarzen Anzug, der aussah wie ein Sicherheitsbeamter und Akihito stand nahe genug bei ihnen, um das Gespräch mitzuhören. „Der Schuss wurde wohl von dem Dach dort drüben abgegeben, aber niemand hat etwas gesehen. Das war ein Profi, die Kugel hat ihn genau zwischen die Augen getroffen. Vermutlich eine 308 Winchester Patrone für ein Präzisionsgewehr, der Größe der Eintrittswunde nach zu schließen. Genau wissen wir das aber erst, wenn die Kugel von den Ballistikern untersucht worden ist." Akihito ließ seinen Blick zu dem weißen Laken wandern, unter dem eine dunkle Blutlache auf dem Asphalt zu sehen war und plötzlich fügte sich alles zusammen. Roy hatte ihn geküsst, um sich vor der Polizei zu verstecken und in der schwarzen Tasche, die er um die Schulter getragen hatte, war sein Gewehr gewesen. Der Polizist hatte gesagt, es wäre ein Profi gewesen und das ließ für Akihito nur einen möglichen Schluss zu, der ihm alle feinen Härchen in seinem Nacken zu Berge stehen ließ: Roy war ein Auftragskiller. Er war auf dem Dach gewesen, um einen Mordanschlag zu verüben und Akihito hatte ihn gesehen, nachdem er die Feuerleiter hinunter geklettert war. Und trotzdem war er noch am Leben. Für einen Moment war Akihito versucht dem Polizisten dort drüber zu sagen, dass er wusste, wer diesen Mord verübt hatte, aber dann dachte er über die Konsequenzen nach und ihm wurde klar, dass er das nicht tun konnte. Akihito ballte wütend seine Hände zu Fäusten. Zwar sagte ihm sein Gerechtigkeitssinn, dass er einen Mörder nicht ungeschoren davonkommen lassen durfte, aber die Polizei würde zweifellos Fragen stellen und sobald sie das Tattoo auf seiner Hand sahen, würden diese Fragen sich in eine ganz andere Richtung bewegen und am Ende würden sie ihm ohnehin kein Wort glauben. Roy hatte recht gehabt, er konnte nicht zur Polizei gehen und nur deshalb hatte er ihn nicht auf der Stelle erschossen, um seinen einzigen Zeugen aus dem Weg zu räumen. Akihito zwang sich seinen Blick abzuwenden und weiter zu gehen. Während er an dem Absperrband vorbei ging und er sich überlegte, ob es nicht doch eine Möglichkeit gäbe, der Polizei zu erzählen, was er wusste, ohne selbst zur Zielscheibe zu werden, kam ihm mit einem Mal ein Gedanke. Es war ein verstörender, aber gleichzeitig auch äußerst verlockender Gedanke. Roy musste bestimmt nie vor jemandem Angst haben. Er würde jedem, der es wagen sollte, Hand an ihn zu legen, ohne zu Zögern eine Kugel in den Kopf jagen. Und er konnte sich selbst befreien, wenn ihn jemand entführte und musste nicht, wie Akihito, darauf warten, dass jemand kam, um ihn zu retten. Akihito dachte daran, wie er vor wenigen Wochen selbst eine Waffe in der Hand gehabt und sie auf einen Menschen gerichtet hatte. Er spürte den Griff der Pistole beinahe in seiner Hand und er erinnerte sich daran, was für ein Gefühl es gewesen war, abzudrücken. Er hatte sich stark und unantastbar gefühlt, aber danach hatte er am ganzen Körper gezittert. tbc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)