Angriff ist die beste Verteidigung von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 11: Teil 2 - Kapitel 3 ------------------------------ Stronger by CarpeDiem 3 „Und dann nimmt sie die schwarze Lederpeitsche, die Aiko ihr gegeben hat und sagt: Natürlich weiß ich was das ist. Das ist doch dieses Spiel mit den schwarzen Steine auf denen diese weißen Punkte drauf sind oder?" Roy fing an zu lachen und gab sich dabei Mühe die Papiertüte mit den Lebensmitteln, die er auf dem Arm hatte, nicht versehentlich fallen zu lassen. Er konnte sich die Situation nur zu gut vorstellen, aber er war sich sicher, dass es in Natura noch lustiger gewesen war, als es in Akihitos Erzählung klang. Akihito, der neben ihm die Straße entlang ging, stimmte mit ein und schüttelte dann den Kopf. „Die Kleine ist echt der Wahnsinn", sagte er ungläubig. „Sie sieht aus wie ein Pin-up-girl mit einer riesen Oberweite und endlos langen Beinen, aber sie ist so hohl wie eine Kokosnuss vom letzten Jahr." Während Roy neben ihm immer noch leise lachte, strich sich Akihito mit seiner freien Hand durch die Haare. Es war heiß draußen und die Sonne strahlte vom wolkenlosen Himmel auf die Stadt hinunter. Seine Haare waren im vergangenen halben Jahr ein gutes Stück gewachsen und er überlegte sich, ob er nicht auch einmal versuchen sollte, sie zu einem Pferdeschwanz zusammen zu binden. Allerdings waren sie dafür wohl noch nicht lang genug. Er hatte sich schon vor ein paar Wochen Strähnen färben lassen, sodass seine Haare nun braun waren, aber er hatte sich nicht dazu bringen können, sie abschneiden zu lassen. Wenn er sich morgens im Spiegel sah, erkannte er sich kaum noch wieder. Mittlerweile hatte er sich an das Tattoo auf seinem Unterarm und die Muskeln an seinen Oberarmen gewöhnt, aber es war nicht nur sein Äußeres, das sich verändert hatte. Am Anfang war es ihm gar nicht bewusst gewesen, aber nach und nach hatten die Leute um ihn herum angefangen, ihn nicht mehr wie ein Kind zu behandeln. Vermutlich lag das daran, dass er ausgeglichener und selbstbewusster geworden war und das hatte er Roy zu verdanken. Er hatte viel von ihm gelernt und das Wissen, sich in jeder denkbaren Situation verteidigen zu können, gab ihm Sicherheit. Mittlerweile konnte er sich nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal einen Albtraum gehabt hatte und er schaffte es immer besser die Schatten seines alten Lebens hinter sich zu lassen. Roy machte es ihm in dieser Beziehung einfach. Sie waren gute Freunde geworden und seine lebensfrohe und unbeschwerte Art war geradezu ansteckend. Die Arbeit in dem kleinen Studio ein paar Blocks von ihrer Wohnung entfernt, machte Akihito ebenfalls Spaß und er musste zugeben, dass es durchaus seinen Reiz hatte, bei diesem Wetter in einem klimatisierten Studio Fotos für kleinere Kataloge und Magazine zu machen, anstatt in der prallen Sonne auf irgendeinem Dach zu liegen und darauf zu warten, dass er einen Drogendealer oder Waffenhändler vor die Linse bekam. „Du scheinst in deinem Job ja mehr Spaß zu haben, als ich", meinte Roy grinsend und die Sonne spiegelte sich in den dunkeln Gläsern seiner Ray Ban Sonnenbrille. „Das ist Ansichtssache", entgegnete Akihito mit einem Schulterzucken. Es war ganz in Ordnung Models zu fotografieren, aber es war nicht sonderlich spannend und wenn er ehrlich war, vermisste er den Nervenkitzel, den es ihm gegeben hatte, auf der Lauer zu liegen, um ein gutes Foto zu bekommen und sich anschließend eine Verfolgungsjagd mit den Verbrechern, die er fotografiert hatte, durch die Straßen der Stadt zu liefern. Roy wusste das, aber Akihito machte ihm dennoch keine Vorwürfe, weil er ihm nicht erlaubte, als Pressefotograf zu arbeiten. Das Risiko, dass er sich in Schwierigkeiten brachte und ungewollte Aufmerksamkeit auf sie beide zog, war einfach zu groß. Je näher sie zurück zu ihrer Wohnung kamen, desto mehr Leute und vor allem Kinder kamen ihnen in einem Kimono oder Kinagashi entgegen und als Akihito die Süßigkeiten und Leckereien sah, die vielen von ihnen dabei hatten, bekam er unweigerlich Hunger. Er wusste, dass seit ein paar Tagen in der Nähe ein kleines Volksfest war, aber bis jetzt hatte er noch keine Gelegenheit gehabt, sich dort etwas umzusehen. Früher war er mit seiner Familie jedes Jahr auf dem großen Volksfest in ihrer Stadt gewesen, aber seit er von zu Hause ausgezogen war, hatte er keines dieser Feste mehr besucht. Er fragte Roy, ob sie noch einen Abstecher über das Fest machen könnten und da er nichts dagegen hatte, schlossen sie sich dem Storm der Menschen an. Ein paar Querstraßen weiter gingen sie schließlich durch einen mit kleinen Lampions geschmückten Torbogen und dahinter befanden sich in kleinen Gängen viele bunte Stände an denen Essen oder verschiedene Spiele angeboten wurden. Kinder liefen lachend zwischen den Leuten hin und her und auf einigen kleinen Bühnen wurden Showeinlagen gezeigt. Akihito sah sich begeistert um, und die ausgelassene Stimmung, die dort herrschte, riss ihn schnell mit. Seine Augen blieben schließlich an einem Schießstand hängen. Ein Junge ließ sich gerade von dem Besitzer der Bude ein Luftgewehr geben, während seine Freundin neben ihm stand und mit leuchtenden Augen auf einen großen, weißen Teddybären zeigte, der im oberen Bereich der Bude hing. Die Regale an den Seiten waren mit allen möglichen Preisen vollgestellt, von kleinen Ansteckern über verschiedene Spiele und Schreibwaren, bis hin zu riesigen Plüschtieren wie dem weißen Teddy, der bestimmt halb so groß war, wie Akihito. Der Junge legte das Gewehr an und versuchte die kleinen, gelben Enten zu treffen, die in mäßiger Geschwindigkeit in verschiedenen Höhen und hinter kleinen Hindernissen an der Rückwand der Bude entlang liefen. Er drückte ein paar Mal ab, aber nur ein Schuss traf sein Ziel und seine Freundin bekam schließlich nur einen kleinen Anhänger. Akihito stieß Roy an, damit er stehen blieb. „Sieh dir das an", sagte er und nickte mit einem Grinsen zu der Schießbude hinüber. „Den würden wir doch vollkommen ausnehmen." Roy blieb stehen und sah sich durch die Gläser seiner Sonnenbrille die kleinen Entchen an, die an der Rückwand der Bude ihre Runden drehten. „Willst du es ausprobieren?", fragte er und Akihito sah ihn überrascht an. „Was?" Ein hinterhältiges Grinsen breitete sich auf Roys Gesicht aus. „Lust auf eine kleine Wette?" Auch wenn das Grinsen auf Roys Gesicht bestimmt nichts Gutes verhieß, zuckte Akihito mit den Schultern. Er war mittlerweile ziemlich gut mit der Luftpistole und beinahe jeder Schuss traf sein Ziel. Mit Roys Präzisionsgewehr hatte er zwar immer noch Probleme die kleinen Dosen auf dem Dach des Nachbarhauses zu treffen, aber das hier war nur ein kleines Gewehr und die Enten waren keine fünf Meter entfernt. „Ja sicher, von mir aus gerne", antwortete er selbstsicher und Roy warf einen Blick auf die kleine Tafel mit den Preisen, bevor er antwortete. „Okay, ich zahle dir fünfzehn Schuss. Wenn du alles triffst, dann…?", schlug er vor und sah Akihito auffordernd an, damit er sich einen Einsatz aussuchte. Akihito überlegte kurz, aber ihm fiel sehr schnell etwas ein. „Gehen wir uns heute Abend betrinken und du zahlst", verkündete er und Roy verzog kurz das Gesicht, nickte dann aber. Akihito versuchte bereits seit Wochen Roy dazu zu bringen mit ihm weg zu gehen und so richtig zu feiern, aber bis jetzt hatte er es noch nie geschafft ihn zu überreden, was auch immer der Grund dafür war. „Einverstanden", stimmte Roy zu. „Und wenn du auch nur einen Schuss verfehlst, dann machst du für die nächsten zwei Wochen den Abwasch." Akihito legte den Kopf schief und überlegte kurz. Er hasste abwaschen, genau wie Roy auch, weshalb er sich wahrscheinlich gerade diesen Einsatz ausgesucht hatte. Roy kochte sehr gerne, aber das einzige, was er daran nicht leiden konnte, war die Sachen anschließend wieder abzuwaschen und wenn Akihito das die nächsten zwei Wochen übernehmen würde, bedeutete das, dass Roy noch aufwändigere Sachen kochen würde, bei denen noch mehr Geschirr anfiel. Allerdings konnte er auch sehr gut kochen und Akihito würde für das Abspülen mit leckeren Gerichten entschädigt. Wenn er es sich genau überlegte, gewann er also so oder so. „Einverstanden", antwortete er und Roy und er gaben sich die Hand, um ihre Wette zu besiegeln. Sie gingen zu der Schießbude hinüber und während Akihito seine Tür mit den Einkäufen auf die Klappe des Standes stellte, winkte Roy den Besitzer der Bude zu sich heran. „Fünfzehn Schuss, bitte. Und könnten Sie die Geschwindigkeit auf die höchste Stufe stellen? Mein Freund ist Sportschütze", meinte er mit einem Augenzwinkern, als er bezahlte und der Besitzer der Bude nicke und betätigte anschließend einen Schalter. Akihito hatte bereits eines der Gewehre in der Hand und sah ungläubig dabei zu, wie die Entchen daraufhin ihr Tempo beschleunigten nun um einiges schneller an der Rückwand der Bude entlang liefen, als noch vor einer Minute. Was vorher noch wie ein Kinderspiel ausgesehen hatte, war jetzt mit einem Mal zu einer ziemlich schwierigen Aufgabe geworden. „Hey, das ist nicht fair!", beschwerte sich Akihito entrüstet und drehte sich zu Roy um, der seine beste Unschuldsmiene aufgesetzt hatte. „Wir hatten nicht ausgemacht wie schnell die Enten sein würde", antwortete er mit einem gemeinen Grinsen. „Und da wir auch keine Zeit ausgemacht haben, lege ich jetzt eine fest. Du hast 30 Sekunden. Die Zeit läuft ab dem ersten Schuss." Akihito klappte der Mund auf, doch er schloss ihn einen Moment darauf wieder und konzentrierte sich, während er das Gewehr anlegte. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte mit Roy zu streiten, immerhin war er selbst schuld, dass er die Eckdaten ihrer Wette nicht genauer festgelegt hatte. Während er auf die erste Ente zielte, nahm er sich vor nie wieder mit Roy zu wetten und stellte sich schon einmal darauf ein für die nächsten zwei Wochen den Abwasch zu machen. Dann gab er den ersten Schuss ab und traf sein Ziel, sodass es die kleine Ente nach hinten umlegte und nachdem er auch die zweite Ente getroffen hatte, kam ihm die Aufgabe nicht mehr so unlösbar vor wie am Anfang. Die Enten bewegten sich ziemlich schnell und er musste sich nach jedem Schuss einen Augenblick Zeit lassen, um auf die nächste zu zielen, aber er konnte die Schüssen relativ schnell hintereinander abgeben und als er schließlich die letzte Ente getroffen hatte, war kein Schuss danebengegangen. Akihito ließ das Gewehr sinken und drehte sich mit einem triumphierenden Grinsen zu Roy um, der ihm anerkennend zunickte. „Nicht schlecht", gab er zu und Akihito glaubte so etwas wie Stolz in seiner Stimme zu hören, woraufhin sein Grinsen noch eine Spur breiter wurde. Der Budenbesitzer überreichte Akihito daraufhin eine Dartscheibe aus Kork und den großen, weißen Teddybären, der ganz oben in der Bude gehangen hatte. +++ XXX +++ Die silberne Klinge des schmalen Wurfmessers blitzte im schwachen Licht des Raumes kurz auf, bevor sie in dem schwarzen Feld, über dem die Nummer achtzehn stand, in der Scheibe stecken blieb. Als Akihitos Augen sich nach diesem Wurf scharf gestellt hatten und er sah, dass er sein Ziel getroffen hatte, grinste er breit. Das Messer steckte im äußeren Kreis der Scheibe in der Mitte des Feldes Nummer achtzehn, das von oben aus gesehen das zweite Feld auf der rechten Seite war. Die Dartscheibe hatte er heute Nachmittag auf dem Fest gewonnen und auch wenn er am Anfang nicht gewusst hatte, was er mit diesem Kinderspielzeug machen sollte, hatten sie nun doch eine interessante Verwendungsmöglichkeit dafür gefunden. Akihito ging auf die Scheibe zu, die sie an die Küchentür gehängt hatten, und zog das kleine Messer wieder aus dem Kork, bevor er zurück zu Roy wankte und sich in den anderen Sessel hinter dem Wohnzimmertisch fallen ließ. Mit einem triumphierenden Grinsen auf dem Gesicht, sah er Roy an, der bereits die Flasche Wodka in der Hand hatte und das kleine Schnapsglas bis unter den Rand füllte. Er stellte die halbleere Flasche wieder bei Seite und griff nach dem Glas, bevor er die Augen schloss und den klaren Inhalt in einem Zug hinunter kippte. Roy schüttelte sich ein wenig und verzog das Gesicht, als er das kleine Glas wieder abstellte und anschließend das Messer vom Tisch nahm. Mit sichtlicher Anstrengung stand er aus seinem Sessel auf und ging schwankend zur Dartscheibe hinüber, um sich mit dem Rücken genau davor zu stellen. „Drei", sagte Akihito, ohne groß darüber nachzudenken. Es war einfach die erst beste Zahl, die ihm in den Sinn gekommen war und zu hintergründigen Überlegungen war sein Gehirn ohnehin bereits seit Stunden nicht mehr fähig. Roy ging daraufhin fünf Schritte mehr oder weniger gerade aus von der Scheibe weg, bevor er sich mit einer fließenden Bewegung umdrehte und das Messer auf die Dartscheibe warf. Es grenzte an ein Wunder, dass er es nach dieser Drehung noch schaffte auf seinen Füßen stehen zu bleiben und nicht augenblicklich umkippte. Als sein Gleichgewichtssinn wieder zum Stehen gekommen war und er sah, wo das Messer steckte, stöhnte er gequält auf. Die silberne Klinge steckte nicht in dem schwarzen Feld unter dem die Nummer drei stand, sondern ein gutes Stück weiter links in dem gelben Feld mit der Nummer sechzehn - ganze drei Felder weiter. Akihito konnte die Scheibe von seinem Platz auf dem Sessel aus kaum noch richtig sehen, aber schon alleine Roys Reaktion reichte aus, um ihm zu sagen, dass er nicht getroffen hatte. Wo das Messer tatsächlich stecken geblieben war, interessierte ihn dabei nicht im Geringsten. Akihito hielt sich den Bauch und lachte Roy aus, der mit unsicheren Bewegungen zuerst das Messer holte und dann zurück zu seinem Sessel stolperte, um sich in das Polster fallen zu lassen. Wieder griff er nach der Wodkaflasche und füllte das kleine Glas, bevor er es in einem Zug austrank. Nachdem er das Glas wieder auf den Tisch gestellt und sich angewidert geschüttelt hatte, schloss er die Augen und ließ seinen Kopf gegen die Rückenlehne des Sessels fallen. „Okay, das war's. Ich geb auf", verkündete er. „Wenn ich noch einen Schluck von diesem Zeug trinken muss, kotz ich auf den Fußboden." Akihito lachte immer noch und gab sich mit Roys Niederlage zufrieden, auch wenn das Spiel damit schon beendet war. Er konnte sich nicht genau daran erinnern, wie viele Gläser er selbst getrunken hatte, aber er war sich sicher, dass Roy mindestens doppelt so oft hatte trinken müssen wie er. Das waren immerhin die Regeln dieses Spiels. Wer die von dem anderen angesagte Zahl nicht traf, musste trinken. Traf das Messer wiederrum sein Ziel, musste der andere ein Glas trinken. Im Nachhinein betrachtet, war es ausgesprochen blöd von Roy gewesen, dieses Spiel vorzuschlagen, aber er war zu diesem Zeitpunkt bereits zu betrunken gewesen, um sich noch mit der Tatsache auseinander zu setzen, dass er mit aller größter Wahrscheinlichkeit der Verlierer sein würde. Roy hatte seinen Teil der Wette eingehalten und war zusammen mit Akihito am Abend durch die Clubs von Osakas beliebtestem Vergnügungsviertel gezogen. Am Anfang hatte er noch versucht nicht zu viel zu trinken, aber mit jedem Glas, zu dem Akihito ihn überredet hatte, war er lockerer und dementsprechend trinkfreudiger geworden. Schließlich waren sie beide spät in der Nacht oder früh am Morgen, je nachdem wie man es nennen wollte, Arm in Arm zurück nach Hause gewankt. Da jedoch keiner von ihnen Lust gehabt hatte, den Abend bereits zu beenden und ins Bett zu gehen, war Roy, nachdem er die Dartscheibe auf dem Tisch gesehen hatte, auf die Idee gekommen noch eine Runde zu spielen. Allerdings waren sich beide einig gewesen, dass es mit den Pfeilen eindeutig zu langweilig war und schließlich hatte Roy seine Wurfmesser geholt und die Spielregeln etwas modifiziert. Wenn Akihito jetzt darüber nachdachte, hätte Roy klar sein müssen, dass er verlieren würde. Akihito hatte ein Talent fürs Messerwerfen und er war um Längen besser als Roy. Dafür hatte er es bis jetzt noch nicht geschafft auf mehr als dreihundert Meter eine Dose auf dem anderen Dach zu treffen. Das war einfach etwas, das er nicht konnte. Roy traf die Dosen auf die dreifache Entfernung und weiter genau in die Mitte und Akihito wusste, dass er noch eine ganze Weile üben musste, bis er das auch nur ansatzweise schaffen würde. Roy meinte, dass er mit der Zeit besser werden würde. Für manche Sachen hatte man einfach Talent und für andere wiederrum nicht. Der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Auftragskiller war, dass er seine Schwächen kannte und seine Stärken zu seinem Vorteil ausnutzte. „Mit Wurfmessern war ich noch nie gut", gab Roy einen Moment darauf erschöpft zu. „Sogar Jack war immer besser als ich und er mochte die Dinger noch nicht einmal. Gerade deshalb hat er ständig damit trainiert, obwohl er immer gesagt hat, dass es dämlich wäre seine Waffen quer durch den Raum zu werfen." Akihito dachte kurz darüber nach, ob er sein Messer auch dann werfen würde, wenn es seine einzige Verteidigungsmöglichkeit wäre und kam zu dem Schluss, dass er es in dem Fall vermutlich nicht tun würde, allerdings war nachdenken im Moment ziemlich schwierig. „Wer ist Jack?", fragte er deshalb und Roy atmete tief durch, bevor er antwortete. „Der Mann, der mit alles beigebracht hat, was ich weiß", sagte er leise. „Naja zumindest das meiste davon. Er hat mir gezeigt wie man diesen Job macht und was es bedeutet diesen Job zu machen. Ich hab ihn das letzte Mal vor fünf Jahren gesehen." Roy starrte mit leerem Blick auf die Wodkaflasche auf dem Tisch, während er mit seinen Gedanken offensichtlich meilenweit weg war. Akihito wunderte sich kurz darüber, dass Roy diesen Jack bis jetzt noch nie erwähnt hatte, obwohl er ihm anscheinend sehr wichtig war. Immerhin war er sein Lehrer gewesen, vermutlich bevor er zur Army gegangen war und Akihito war neugierig, warum Roy noch nie von ihm erzählt hatte. „Was ist passiert?" Roy begann das Wurfmesser, das neben ihm auf der Armlehne des Sessels gelegen hatte, geistesabwesend durch die Finger zu spielen. „Er wollte nicht, dass ich diesen Job mache", sagte er mit bitterer Stimme. „Er wollte nicht, dass ich so werde wie er." „Hat ja nicht besonders toll geklappt", entgegnete Akihito daraufhin, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass dieser Kommentar alles andere als sensibel war. Roy war jedoch betrunken genug, dass ihn das nicht mehr störte oder er hatte mit der ganzen Sache offensichtlich bereits seinen Frieden gemacht, denn er lachte leise, bevor er antwortete. „Nein, hat es nicht." Einen Moment lang war es still zwischen ihnen, bis Roy erneut tief durchatmete und dann weiter sprach, so als hätte er vollkommen vergessen, dass Akihito immer noch neben ihm saß. „Ich weiß nicht. Vielleicht hatte er Recht und dieser Job war damals wirklich nichts für mich. Jetzt ist es dafür ohnehin zu spät. Ich bin gut in dem, was ich tue. Und so dämlich es klingen mag, jedes Mal, wenn ich eine Waffe in der Hand habe, fühle ich mich ihm so unglaublich nahe, obwohl ich keine Ahnung habe wo er ist, oder ob er überhaupt noch lebt." Wieder machte Roy eine Pause. Das Messer bewegte sich unablässig durch seine Finger und sein Blick blieb auf die klare Flüssigkeit in der halbleeren Flasche gerichtet, bis ein entschiedener Ausdruck in seine Augen trat. „Nein, er lebt noch. Das weiß ich. Jack würde sich nicht so einfach umbringen lassen." Akihito sah Roy einen langen Moment an. Er kannte den Ausdruck auf dem Gesicht des anderen und er wusste, was er bedeutete. „Du hast ihn geliebt, nicht wahr?", fragte Akihito, doch Roy schüttelte langsam den Kopf. „Nein", sagte er leise und Akihito sah ihn erstaunt an. „Aber ich dachte du…" „Ich liebe ihn immer noch", fiel Roy ihm unbeirrt ins Wort. „Und ich werde ihn immer lieben. Solange ich lebe." Akihito antwortete nicht, weil Roys Worte so unglaublich entschlossen geklungen hatten, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Ein Teil von ihm hatte Mitleid mit Roy, während der andere Teil ihn für seinen Mut bewunderte. Er hatte sein Herz an einen Menschen verschenkt, der es ihm nie wieder zurückgeben, noch jemals eine Gegenleistung dafür erbringen würde und Roy schien mit dieser Entscheidung seinen Frieden gemacht zu haben. Er hatte sich damit abgefunden, dass Jack ihn verlassen hatte, und dass er seine Liebe niemals erwidern würde, aber dennoch liebte er ihn. Akihito fand das sehr mutig und er bewunderte Roy für seine Stärke, denn er wusste, dass er das nicht konnte. „Hast du schon einmal jemanden geliebt, so aussichtslos die Lage auch gewesen ist?", fragte Roy und riss Akihito damit aus seinen Gedanken. Akihito hob den Kopf und nickte kaum merklich. „Ja." Dieses eine leise Wort hatte seine Lippen verlassen, ohne dass er auch nur einen Gedanken daran verschwendet hatte, aber als er es aussprach, wusste er, dass es die Wahrheit war. Er liebte Asami, ob es ihm gefiel oder nicht. Er hatte immer Angst davor gehabt, dieses Gefühl Liebe zu nennen, aber letzten Endes war es genau das. Er hatte vorgehabt diese Erkenntnis so lange zu verleugnen wie er konnte, um den Schmerz nicht fühlen zu müssen, aber dafür war es ohnehin längst zu spät. Er fühlte den Schmerz immer wenn er seine Gedanken nicht davon abhalten konnte zu Asami zu wandern. Roy hatte ihn mit seiner Frage unvorbereitet erwischt und der Alkohol hatte dazu beigetragen, dass Akihito nicht schnell genug eine Lüge vor die Wahrheit hatte schieben können. Er fragte sich flüchtig, ob es jetzt besser werden würde, nachdem er sich eingestanden hatte - falls er sich am nächsten Morgen überhaupt noch daran erinnern konnte - aber er bezweifelte es. „Und wie ist es ausgegangen?", wollte Roy daraufhin wissen und Akihito atmete ein Mal tief ein und wieder aus. „Nicht gut." Roy lachte kurz auf, aber es war ein bitteres Lachen. „Das ist meistens so. Die Liebe gibt einem anderen Menschen eine erschreckende Macht über einen selbst. Es ist schon komisch, wie jemand einem das Herz brechen kann, und man ihn hinterher immer noch mit all den kleinen Splittern liebt." Akihito antwortete nicht, aber so schmerzhaft es auch war, er musste zugeben, dass Roy damit recht hatte. Ab dem Zeitpunkt, an dem Akihito bewusst geworden war, dass er etwas für Asami empfand, hatte er nicht nur seinen Körper, sondern auch sein Herz und seine Seele verletzen können und schließlich hatte er genau das getan, als er Akihito von sich gestoßen hatte. Das änderte jedoch nichts daran, dass Akihito immer noch Gefühle für ihn hatte, auch wenn er im Moment nicht genau wusste, ob ihn mehr hasste, als er ihn liebte, oder umgekehrt. Roy war ebenfalls still geworden. Das Messer ruhte in seiner Hand, während sein Blick auf den Wohnzimmertisch gerichtet blieb. Genau wie Akihito war er zu sehr in seine Gedanken vertieft, um noch irgendetwas anderes um ihn herum wahrzunehmen. Akihito spürte, wie ihm langsam die Augen zu klappten und das Letzte, an das er dachte, bevor er langsam in einem unruhigen Schlaf fiel, war Asami. tbc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)