Großer Bruder für einen Tag von Shizana (Tasuki & Chiriko) ================================================================================ Kapitel 1: Überrumpelt! ----------------------- "Haaach, endlich is' der ganze Stress vorbei!" Genüsslich streckte sich Tasuki und verschränkte die Arme in seinem Nacken, während er sich mit den anderen zurück zum Gemeinschaftssaal des Palastes machte. Es waren erst wenige Stunden vergangen seit der Beschwörung von Suzaku. Miaka, die Suzaku no Miko, hatte ihre drei Wünsche ausgesprochen und war in ihre Welt zurückgekehrt. Zugegeben, der Abschied war ihnen allen schwergefallen. Immerhin hatten sie alle nun eine doch sehr lange Zeit gemeinsam Seite an Seite verbracht und gekämpft. Es war viel passiert – vieles, was die Jungs im Laufe der Zeit eng zusammengeschweißt hatte. Kaum zu glauben, vor einigen Monaten noch waren sie sich noch alle fremd gewesen. Sie kannten einander nicht und wer weiß, ob sie einander jemals begegnet wären. Und selbst wenn, so war es fraglich, ob sie sich wohl für wahr genommen oder sich miteinander abgegeben hätten. So unterschiedlich, wie sie doch alle zueinander waren. Doch das Schicksal hatte sie alle zusammengeführt – sie alle waren ihrer Bestimmung als Suzaku-Seishi gefolgt und hatten sich zu respektieren gelernt. Dass nun alles überstanden war und sie alle ihrem alten Leben wieder nachgehen konnten, war nun irgendwie fremd, anzunehmen. "Tja, Miaka ist wieder in ihrer Welt. Und Tamahome wird ihr sicherlich bald folgen, da bin ich mir sicher." Hotohori setzte sich an die Spitze des langen Tisches und winkte einen Bediensteten zu sich, um Speisen und Getränke für ein wohl vorerst letztes, gemeinsames Mahl bringen zu lassen. "Kounan wurde von Suzaku mit Frieden gesegnet. Das Land braucht die Miko und ihrer Seishi nun nicht mehr." Er stützte seinen Ellenbogen auf der polierten Holzplatte ab und lehnte sein Gesicht in die Handfläche, während er etwas müde in die Runde blickte, die sich nach und nach mit zurückgezogenen Stühlen um den Tisch versammelte. Ein leises Seufzen verließ ihn und innerlich schmerzlich-zufrieden legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. "Was habt ihr nun vor? Jetzt, nachdem ihr euch endlich wieder eurem alten Leben annehmen könnt?" "Hm… bis ich weiß, wie ich mit Miaka zusammenfinden kann, werde ich erst mal wieder nach Jusou in mein Heimatdorf zurückkehren und schauen, dass ich das Familienhaus meiner Familie wieder aufbaue. Vielleicht hat Suzaku-seikun ja auch Vater und meine Geschwister wieder ins Leben zurückgeholt, dann wird es nicht so einsam dort sein." Ein verträumtes, aber doch eher traurig wirkendes Lächeln zierte das Gesicht von Tamahome, während er beide Arme auf dem Tisch ablegte und den Kopf entspannt hängen ließ. "Vielleicht suche ich mir dann erst mal eine Arbeit, um Vater zu entlasten." "Suzaku-seikun hat gewiss auch an deine Familie gedacht, Tama." Die hohe Stimme Nurikos klang beruhigend und er sah aufmunternd zu dem Freund hinüber, neben welchem er saß. "Miakas Bitte, dass die im Kampf ums Leben Gekommenen wieder ins Leben geholt werden, hat sich immerhin nicht nur auf uns beschränkt. Daher bin ich mir sicher, dass du sie alle quicklebendig Zuhause vorfinden wirst." "Mhm, ich hoffe es." Die Traurigkeit schwand etwas aus Tamahomes schönen Gesicht und er legte Nuriko dankend eine Hand auf die Schulter, woraufhin ihn der Bishounen-Junge mit den dunkelvioletten Haaren herzlich anlächelte. "Ich werde auch wieder nach Choukou aufbrechen", sprach Mitsukake als nächstes und blickte zu Hotohori hinüber. "Sollte Shouka-san ebenfalls wiederbelebt worden sein, so wirst du doch sicherlich um ihre Hand anhalten, oder?" Der Kaiser lächelte gütig. "Ihr habt genug durchlitten, nun solltet ihr beide endlich mal an euch denken. Den Segen des Kaisers hättet ihr." "Danke Euch. Ihr habt vermutlich Recht, sofern ich Shouka wiederbegegnen werde, werde ich sie bitten, meine Frau zu werden. Und dieses Mal wird mich nichts davon abhalten, sie zu beschützen. Noch einmal lasse ich sie gewiss nicht sterben." Kurze Stille lag in der Runde, während die Bediensteten die Speisen und Getränke brachten. Alles wurde in naher Reichweite des Gruppenzentrums abgestellt und zwei Dienerinnen schenkten den Männern warmen Sake ein. Nur Mitsukake, Hotohori und Chiriko verzichteten auf den Alkohol und nahmen Vorzug mit frischen Säften. "Sofern eure Majestät es gestattet, würde ich gerne weiterhin am Hof bleiben. Nur für den Fall der Fälle. Keine Sorge, ich mache dir keine schönen Augen mehr – ich habe Miaka versprochen, als Mann weiterzuleben. Da kann ich doch nicht weiterhin so tun, als wäre ich jemand, der ich nun mal nicht bin." Nuriko besah Hotohori mit einem witzelnden Zwinkern, ehe er nach dem edlen Sakeschälchen langte, wo der warme Reiswein wohlig duftete. "Kourin ist tot. Sie starb weit vor unserem Kampf als Suzaku-Seishis. Daher ist sie von Miakas Wunsch auch nicht betroffen. Aber das ist nicht schlimm. Ich werde nur kurz in unserem Familiengeschäft vorbeischauen und meiner Familie von meinen weiteren Plänen erzählen. Da sie ohnehin hier in der Stadt wohnen, kann ich sie jederzeit besuchen. Und dann könnte ich mir gut vorstellen, eine Beschäftigung hier am Hofe anzunehmen – nicht mehr als Hofdame, sondern vielleicht als Hofschneider oder auch Trainer der jungen Soldaten könnte ich mir gut vorstellen…" "Das sollte kein Problem darstellen. Wenn du hier am Hofe bleiben möchtest, kannst du das natürlich gerne tun. Und deine Familie hat meine Erlaubnis, dich jederzeit hier sehen zu dürfen." "Danke, eure Majestät." "Ich werd' zu meinen Jungs zurückgeh'n. Ich hab' Kouji versprochen, dass ich zurückkomm' sobald das hier vorbei is' un' ich hier nich' mehr gebraucht werd'. Ich bin immerhin nach wie vor der Boss der Räuberbande vom Berg Reikaku. Un' ich werd' unsren alten Boss gewiss nich' enttäuschen!" Kurz lachte der Rothaarige und ließ in einem verschmitzten Grinsen die spitzen Eckzähne blitzen. "Denen tret' ich erstma' richtig in 'nen Arsch, wenn ich wieder da bin! Damit sie ja nich' vergessen, wer hier der Boss is'!" Die anderen stimmten in das fröhliche Lachen des Banditen ein und prosteten sich schließlich zu, um gemeinsam auf die kommenden Zeiten anzustoßen. "Meinereiner wird Mitsukake ein Stück begleiten, no da. Wir haben zufällig dieselbe Richtung, no da. Und dann wird sich schon ein Weg finden, dem meinereiner folgen wird, no da." "Das klingt aber mager, Chichiri. Als wüsstest'e noch gar nich' wo du hin willst." Während Tasuki bereits ein wenig der Rindssuppe auf seinen Teller gab, besah er den Ältesten der Runde mit einem skeptischen Blick. Der Mönch lächelte aber nur durch seine Maske sein seliges, ruhiges Lächeln. "Meinereiner hat keine Familie und keine Verpflichtungen mehr, no da. Auch bei mir sind alle bereits vor unserer Zeit als Seishi gestorben, no da. Also wird meinereiner schauen, wohin der Weg mich führt, no da." "Der Weg des Buddhisten, hm?" Leicht schüttelte Nuriko den Kopf, langte dann aber auch nach einigen der noch warmen Brötchen und nahm sich etwas vom Ziegenkäse und den Gewürzen. "Und was ist mit dir, Chiriko?" "Ich?" Der Jüngste sah etwas verwirrt in die Runde, wo ihm neugierige Augenpaare von allen Seiten begegneten. Er wurde etwas verlegen und nippte an seinem Kirschsaft. "Ich muss wieder nach Hause. Bevor ich als Seishi zu euch kam, um meine Pflicht der Miko und dem Land gegenüber zu erfüllen, haben meine Eltern die besten Privatlehrer engagiert um mich auf die nächsten Prüfungen vorzubereiten. Und dann habe ich noch ein paar Bestandsaufnahmen zu den Wissenschaftsuniversitäten von Kounan und Hokkan zu absolvieren. Je nach dem, welche mich dann aufnimmt, werde ich dann vielleicht in einigen Monaten für lange Zeit im Bereich Astrologie und Kosmologie studieren." "Und wie kommst du nach Hause? Wohin musst du denn?" Hotohori ließ bereits einen weiteren Bediensteten zu sich kommen, um Papier und Feder bereit zu haben. "Ich muss nach Jouzen. Wir wohnen etwas am Rande der Stadt." "Dann lasse ich eine Kutsche für dich vorbereiten. Ich schicke einen Boten vor, dass du mit Geleit des Palastes eingereist wirst." Und schon begann er, ein Schreiben aufzusetzen. "Nein!", schoss es beinahe panisch aus dem Jungen. Verwirrt blickte Hotohori von seinem Schreiben auf. "Ähm, also… ich weiß das wirklich zu schätzen und bin über den Vorschlag überaus dankbar. Aber ich denke nicht… dass meine Eltern damit einverstanden wären. Also, dass der Kaiser extra für mich solche Umstände auf sich nimmt. Und außerdem… schicken sie immer lieber ihre eigenen Eskortangestellten, um mich irgendwo hin zu bringen oder abzuholen." "Deine Eltern haben dich wohl sehr lieb, hm?" Lächelnd blickte Nuriko zu dem Jüngsten, was Chiriko etwas verlegen machte. Er nippte nervös an seinem Becher. "Mhm…" "In Ordnung. Dann schicke ich nur einen Boten, damit deine Familie informiert wird, dass du abgeholt werden kannst. Bis nach Jouzen ist es eine Tagesreise. Morgen wäre dann sicher jemand hier, der dich nach Hause bringt." Nachdem Hotohori schließlich ein neues Schreiben fertiggestellt hatte, versiegelte er es mit dem kaiserlichen Siegel des Landes und überreichte es schließlich seinem Bediensteten, welcher sich mit einer höflichen Verneigung wieder entfernte. "Ich selbst habe noch viel zu tun. Ich habe einige Verpflichtungen zurückgeschoben, um so gut es geht meiner Pflicht als Suzaku-Seishi nachzukommen und es Miaka zu erleichtern, ihre Aufgabe so schnell es geht zu erfüllen, damit sie wieder in ihre Welt zurückkehren kann. Doch noch länger kann ich das nicht aufschieben. Ihr könnt gerne noch über Nacht am Hofe bleiben, aber zu morgen müssten die ersten von euch bitte schon abreisen. Ich erwarte in der nächsten Zeit viel Besuch von Gelehrten und Gesandten, denen ich unsere Gastfreundschaft zukommen lassen möchte." "Chichiri und ich brechen morgen in der Früh auf." Mit einem absichernden Blick sah der Heiler zum Mönch hinüber, welcher ihm zustimmend zunickte. "Ich werde nachher noch den Hof verlassen. Ich wollte ohnehin nochmal in die Stadt, ein wenig unter die Leute gehen und horchen, ob es etwas Interessantes aus den anderen Teilen des Landes zu hören gibt. Eiyou hat ein günstiges Gasthaus, dort schlafe ich dann, bevor ich morgen aufbreche. Ich glaube, ich brauche etwas Abstand von allem, nachdem mit Miakas Rückkehr irgendwie auch ein Teil von mir fort ist… Je früher ich mich verabschiede, umso leichter wird es sicherlich für mich, mich an all das jetzt wieder zu gewöhnen." Zuversichtlich sah Tamahome erst zu Hotohori, dann zu dem Rest. Dann legte er etwas den Kopf schief und schlug seine rechte Faust vor sich in die linke Hand. "Aber ich hoffe, ihr denkt an mich, wenn ihr mal irgendwo Hilfe braucht! Für euch denke ich versprochen an Sonderrabatte." "Tama! Du bist ja so geldgeil!" Nuriko knuffte dem Größeren in die Seite, ehe beide lachten. "Immer dasselbe…" Leise knurrend lehnte sich Tasuki in seinem Stuhl zurück und trank von seinem Sake. "Je eher ich morgen hier wech bin, umso besser! Das hält ja keiner aus." Keiner bemerkte in der aufgelösten Stimmung, wie Chiriko nachdenklich zu Tasuki sah. Er würde ihn vermissen. Er würde sie alle vermissen. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, wollte er noch gar nicht wieder nach Hause. Natürlich wollte er nicht, dass sich seine Eltern unnötig sorgten. Und er wollte sich auch nicht ewig davon abhalten lassen, zu lernen. Aber während er den anderen zuhörte, machte sich Sehnsucht in ihm breit. Sein Leben würde nicht weiter aufregend sein. Lernen war nicht auf die gleiche Art aufregend, wie es die letzte Zeit mit all den Jungs und Miaka gewesen war. Auch, wenn die Zeiten hart waren… Immerhin hatte er viel sehen und erleben müssen, selbst, wie seine Freunde gestorben waren. Er selbst war auch gestorben. Aber dank Miaka lebten sie alle wieder. Ein komisches Gefühl, so zu denken… Aber es war wahr. Und trotz all dem Übel, was er miterlebt hatte, würde er die Zeiten vermissen. Er würde es vermissen, bei den anderen zu sein. Sie lachen zu sehen und selbst mit ihnen zu lachen. Aber sie alle, Chichiri ausgenommen, hatten ihre Ziele. Sie wussten, wo sie hin gehörten und was sie tun wollten. Er ja selbst auch. Aber… trotzdem würde er lieber etwas anderes tun. Ein komisches Gefühl. Chiriko fühlte sich innerlich hin und her gerissen zwischen dem, wo er wusste, was er wollte und dem, wo er sich nicht erklären konnte, was ihn an seinem Willen zweifeln ließ. Nachdem das gemeinsame Essen beendet war begleiteten noch alle Tamahome bis zum Vorhof des Palastes, um ihn zu verabschieden und alles Gute zu wünschen. Mit einem zuversichtlichen Lächeln, erhobenem Kopf und straffen Schultern verließ der junge Mann schließlich zielorientiert den Kaiserhof. Hier trennten sich auch schon die ersten Wege der restlichen Freunde. Jene, die schon in der Früh aufbrechen wollten, verabschiedeten sich bereits von dem Rest. Über Händedruck und freundschaftlichen Umarmungen wünschte man sich ein erneutes Wiedersehen und bis dahin alles Glück dieser Welt. Dann teilte sich die Gruppe in verschiedene Richtungen des Hofes und Palastes auf, um sich auf die letzte Nacht unter gemeinsamem Dach vorzubereiten. "Tasuki-san?" Der Räuber hielt im Gehen inne und drehte sich nach der jungen Stimme hinter sich um. Nur wenige Meter hinter ihm stand Chiriko, die kleinen Arme vor der Brust in dem weiten Stoff seiner Kimonoärmel verborgen. "Chiriko! Was'n los? Willst'e nich' langsam schlafen geh'n? Es is' spät... Ich wollt' auch grad auf mein Zimmer." Der kleine Junge trat etwas näher, den Blick zu Boden gesenkt. "Ich wollte dich etwas fragen." "Hm? Na dann schieß ma' los!" Der Größere hockte sich vor ihm hin und sah dem Jungen mit einem breiten Grinsen entgegen, woraufhin Chiriko seinen Blick wieder hob. "Also, ähm… ich wollte wissen, wieso du eigentlich nicht wieder nach Hause zurückkehrst. Zu deiner Familie. Sie machen sich doch bestimmt Sorgen um dich." Für einen Moment entgleisten die Gesichtszüge des Älteren. Irritiert legte er den Kopf schief und sein Gesicht sprach dieselbe Reaktion, die auch seine Lippen verließ: "Hä?" Kurz schwieg er den Kleinen an und schien zu überlegen, wie er auf diese unerwartete Frage antworten sollte. Mit einem schweren Seufzen zuckte er schließlich mit den Achseln. "Was soll ich'n da? Intressiert die doch nich', was mit mir is'. Als ich fünfzehn war, bin ich von Zuhause abgehau'n. Da hat mich nichts mehr gehalten. Un' seitdem bin ich auch nich' mehr dahin zurückgegangen. Warum auch? Die Räuberbande am Berg Reikaku is' jetzt mein Zuhause. Unser Boss hat mir damals dort Unterschlupf geboten un' die Jungs wurd'n meine Familie. Ich fühl' mich dort viel wohler, als ich es Zuhause jemals tat. Un' außerdem…" Er langte wissend über seine Schulter an seinen Rücken, um dort den diamantenen Eisenfächer aus seiner Halterung zu lösen. In beiden Händen hielt er schließlich den Harisen vor Chiriko auf seinen Knien und besah das gute Stück mit verträumtem Blick. "Un' außerdem hab' ich's versprochen. Als unser Boss starb hab' ich ihm versprochen, dass ich als sein Nachfolger nich' versagen werd'. Ich will das weiterführ'n, was er begonnen hat: Die Räuberbande anführ'n un' über den Berg Reikaku wachen! Die Jungs zähl'n drauf, dass ich wiederkomm'. Un' außerdem würd' mir Kouji 'ne ellenlange Standpauke halten, wenn ich nich' sofort wieder dort auftauch'." Grinsend sah er zu dem Jüngeren auf, welcher ihm staunend gelauscht hatte. Seine Arme, noch immer unter den weiten Ärmeln verborgen, hatten sich an seinen Mund gehoben. Doch seine geweiteten Augen sprachen Bände darüber, wie sehr ihn die Erzählung des Älteren beeindruckt hatte. "Weißt'e, Chiriko, dieser Harisen…" Tasuki nahm den Fächer in eine Hand und hielt ihn aufrecht neben sich, während seine andere Hand auf ihn deutete. "Der gehört so geseh'n nich' mir. Der Harisen gehört dem Berg Reikaku. Seit Generationen trägt ihn nur der Anführer der Räuberbande, die über den Berg wacht. Um ihn zu beschützen, weißt'e? Eigentlich hätt' ich ihn nich' von dort wegbringen dürf'n, aber Kouji – mein bester Kumpel – war der Meinung, dass ich ihn besser mitnehmen sollt'. Damit er nich' geklaut werden kann. Un' natürlich auch, um damit die Hüterin zu beschützen. Aber letztlich gehört er nich' nach draußen, sondern in die Obhut des Berg's un' seiner Beschützer. Un' da gehör' auch ich hin. Ich bin der Träger des Harisen un' kehr' mit ihm nach Haus' zurück." Nachdem er seine kleine Rede beendet hatte, steckte er den zusammengeklappten Harisen wieder zurück in die Halterung an seinem Rücken. Mit einem aufmunternden Zwinkern erhob er sich schließlich wieder. "So, genug der Geschicht'n. Nu' solltest’e aber wirklich schlafen geh'n. Ruh dich aus. Oyasumi!" >Wow… das wusste ich ja gar nicht.< Nachdenklich blieb Chiriko, nachdem er Tasuki bejahend zugenickt hatte, noch auf dem breiten Flur stehen und sah zu, wie der Räuber zu seinem Zimmer ging und schließlich darin verschwand. Das laute Gähnen konnte er bis nach draußen hören. Wieder senkte er den Blick gen Boden. >Komisch… nach all der Zeit, die ich mit den anderen auf dieser Reise war, habe ich nur so wenig über Tasuki-san gewusst. Ich meine, ich habe ja mitbekommen, dass er mal in einer Räuberbande war. Das hatte mir anfangs etwas Angst gemacht. Aber nachdem ich ihn kennenlernte, habe ich das wohl wieder verdrängt. Hm, ich kann verstehen, dass er wieder dahin zurück will. Glaube ich… So, wie er das jetzt erzählt hat, ist es verständlich, ja.< Noch immer in Gedanken verloren, wandte sich der Junge schließlich um und ging langsam den Flur zurück, um ebenfalls auf sein Zimmer zu kommen. >Er wird bestimmt glücklich. Er wird noch viel stärker werden. Noch viel stärker, als er ohnehin schon ist. Und dabei ist er schon jetzt viel stärker, als ich geahnt hatte. Er ist wirklich cool…< Mit einem leisen Klirren nahm Chichiri seinen Shakujou in die Hand und setzte sich seinen Kasa auf den Kopf, ehe er sich lächelnd zu Mitsukake umdrehte, welcher mit Neko-Tama bereits zum Aufbruch bereit hinter ihm stand. "Meinereiner hat dem Kaiser noch eine Nachricht hinterlassen, dass wir ihm für alles danken und uns auf den Weg gemacht haben, no da. Wir können aufbrechen, no da." Das Nicken des Größeren und das leise Maunzen der weißen Katze mit den braunen Flecken im Fell waren die Zeichen, dass es an der Zeit war, Abschied von der Zeit als Seishi und vom Palast zu nehmen. So folgten die beiden Männer einigen Fluren, die sie hinaus in den Palasthof führten. Dort verneigten sich einige Wachmänner und nochmal einige von ihnen sahen den Suzaku-Kriegern mit trauriger Miene nach, ihnen alles Gute wünschend. An den Ställen angekommen, nahmen sie von einem Stallburschen zwei gesattelte Pferde entgegen, welche ihnen Hotohori zum Dank für ihre Heimreise anvertraut hatte. "He, ihr zwei! Ihr wolltet doch wohl nich' einfach so abhau'n, ohne euch zu verabschieden?!" "Nanu, Tasuki?" Erstaunt beobachtete Chichiri, wie der Rothaarige mit einem schwarzen Hengst am Zügel aus einem der Ställe trat. Das große, kräftige Tier war ebenfalls bereits gesattelt und sah für die lange Reise zum Berg Reikaku gewappnet aus. "Wir haben zwar nich' dieselbe Richtung, aber ich dacht' mir, kann ja nich' schaden, gemeinsam mit euch loszureiten. Ich hasse Abschiede! Buäh!" Mit einem breiten Grinsen blickte er den anderen beiden Männern entgegen, welche zu ihm hinüber lächelten. "Tasuki-san!" Alle drei Männer sahen verblüfft zu der bekannten, junge Stimmen zum Palast zurück, die sich so plötzlich in das Gespräch gemischt hatte. Dort rannte ein noch ganz zerzauster Chiriko gerade die Treppen hinunter, noch immer in seinem Schlafgewand. "Chiriko?" Der Räuber strich seinem Tier kurz über den kräftigen Hals, um ihn zu beruhigen, bevor er vortrat. "Was machst'e denn? Du bist doch grad ma' ausm Bett raus. Renn nich' so, sonst fällst'e noch…" RUMMS! "Chiriko! Hast du dir wehgetan, no da?" Eilig rannte Chichiri, mit Mitsukake und Tasuki im Schlepptau, zu dem gestürzten Bündel. Mit Tränen in den großen, kindlichen Augen und dunkler Erde auf dem weißen Wollstoff kniete sich der Gestürzte auf und rieb sich nur kurz mit dem Ärmel über das gerötete Gesicht. Dann stützte er beide Hände vor sich auf den Boden und wandte sich energisch an den Rothaarigen. "Tasuki-san, nimm mich mit!" ... Ein verwirrtes Staunen ging durch die erwachsenen Männer, ehe Chichiri und Mitsukake verblüfft zu Tasuki sahen. Dieser hatte den Mund zu lautlosen Worten geöffnet, konnte aber im ersten Moment nichts über die Lippen bringen. ... "Was hast'e da gesagt?!" "Ich habe nachgedacht. Ich möchte noch nicht nach Hause. Auf die Prüfungen kann ich mich auch ein paar Tage später vorbereiten. Ich möchte den Berg Reikaku sehen!" In den großen, platinagrünen Augen standen trotzige Tränen, die dem sonst so hitzigen Räuber die Sprache verschlugen. Chichiri legte eine Hand auf die Schulter des Sprachlosen. "Das können wir nicht entscheiden, no da. Davon muss Hotohori erst in Kenntnis gesetzt werden, no da." Nachdem die beiden Älteren sowohl Tasuki als auch Chiriko wieder auf die Beine geholfen hatten, banden sie die Reisetiere zum Warten fest und gingen nochmals gemeinsam zum Palast zurück. Den kurzen Weg dahin schwiegen die Jüngeren, während sich Chichiri darüber sorgte, dem Kaiser doch nochmal zur Last fallen zu müssen. Im Palast angekommen bat Chichiri einen Bediensteten, dem Kaiser auszurichten, dass sie mit ihm reden müssten, sofern er schon wach war. Der Bedienstete deutete den Jungs daraufhin, im Beratungszimmer des Kaisers zu warten, während er es ausrichten würde. Auch dort sprach noch immer keiner von ihnen ein Wort. Tasuki hatte sich auf einen Stuhl sacken lassen und murmelte die ganze Zeit etwas Unverständliches vor sich hin, wobei er immer mal mit dem Kopf schüttelte oder kurz knurrte. Am Fenster stand Chiriko, nervös und unsicher, wie er mit Tasuki im Moment umgehen sollte. Und wie sollte er dem Kaiser erklären, was er wollte? Auch Chichiri und Mitsukake standen sich in der Nähe vom Kleinen gegenüber und beratschlagten sich, was hier wohl bestenfalls zu tun wäre. "Ihr wollt mit mir sprechen? Ich dachte, ihr wolltet schon längst unterwegs sein." Mit offenen Haaren betrat nur etwas später Hotohori den kleinen Saal und setzte sich an den Tisch, der ihm als Arbeitsplatz bei Besprechungen diente. Sichtlich verwundert über die unerwartete Wendung blickte er von Einem zum Nächsten im Raum. "Hotohori-sama… ich möchte Tasuki-san gerne begleiten", sprach schließlich Chiriko etwas unsicher, dennoch aber laut und deutlich, während er auf den Langhaarigen in den feinen Gewändern zutrat. In diesem Moment schien auch Tasuki aus seinen Selbstgesprächen hochzuschrecken und sprang von seinem Stuhl auf die Beine. "Das geht nich'! Ich kann doch keinen kleinen Bengel mit zum Berg Reikaku nehmen! Was soll'n denn meine Leute denken, wenn ich da mit so 'nem Knirps auftauch'?! Wir red'n hier nich' von irgendwelchen Kerlen, das sin' Banditen! Kinder hab'n da nichts verlor'n! Außerdem is' das 'n weiter Weg bis dahin, wie soll Chiriko das schaffen?!" "Beruhige dich, Tasuki." Die Stimme des Kaisers war ruhig, aber bestimmend. Und der Räuber wurde tatsächlich still und blickte seiner Hoheit trotzig entgegen. "Chiriko, wieso willst du unbedingt mit Tasuki zum Berg Reikaku? Ich habe gestern einen Boten zu deiner Familie geschickt, dass sie dich vom Hofe abholen kommen. Sie werden spätestens morgen hier eintreffen." Etwas betreten blickte der Kleine zu Boden und suchte nach den richtigen Worten. Dann sah er aber wieder entschlossen zum Kaiser auf. "Also… ich habe nachgedacht. Und eigentlich will ich noch gar nicht nach Hause. Ich habe es nicht eilig. Meine Lehrer sind bis zum Ende meiner Prüfungsvorbereitung ohnehin fest angestellt, sodass mir das Büffeln nicht davonläuft. Und wenn ich dann erst mal wieder gelehrt werde, dann werde ich so schnell keine Zeit mehr für andere Dinge finden." Kurz sah er hinüber zu Tasuki, welcher daraufhin die Arme vor der Brust verschränkte. "Tasuki-san will wieder zurück zum Berg Reikaku... Ich war noch nie in diesem Teil des Landes. Ich möchte den berüchtigten Berg sehr gerne sehen! Und ich möchte wissen, wie Tasuki-san dort lebt. Aber wenn er das nicht möchte…" "Yada! Kommt gar nich' in die Tüte, yada!" "Tasuki…" Hotohori stützte nachdenklich den Kopf in die Hand und seufzte schwer. Tasuki hatte ja Recht, irgendwo. Aber zum anderen konnte er auch Chiriko verstehen – den Wunsch nach etwas Auszeit von den eigenen Verpflichtungen kannte er immerhin lange genug nur zu gut. "Die Reise des Lebens beginnt mit dem ersten Schritt, no da." Ein leises Klirren deutete an, dass sich Chichiri in Bewegung gesetzt hatte und nun auf Chiriko zutrat. Vor dem Jungen blieb er stehen und legte ihm verständnisvoll eine Hand auf die Schulter. "Chiriko mag jung sein, aber er ist schon sehr viel reifer als andere Kinder in seinem Alter, no da. Das haben wir alle in der vergangenen Zeit gesehen. Meinereiner vertraut darauf, dass er weiß, worum er da bittet, no da." "Chichiri!" Gerade als Tasuki zu dem Mönch treten will, hielt ihn Mitsukake an der Schulter zurück. Dieser wehrte sich gegen den lockeren Griff des Älteren nicht, bleckte aber dennoch widerspenstig die Eckzähne. "Chiriko ist lange und beschwerliche Reisen gewohnt, no da. Aber du weißt hoffentlich, worauf du dich einlässt, wenn du ausgerechnet mit unserem hitzköpfigen Tasuki in die Höhle des Löwen einwandern willst, no da." Das Lächeln des Blauhaarigen wurde von dem Jungen dankbar erwidert, ehe er sicher nickte. Dann sahen beide hinüber zu Hotohori, welcher alles ganz genau beobachtet hatte. "Ob sie ihn nun von hier abholen oder noch etwas weiter gen Westen reisen müssen, um Chiriko abzuholen, dürfte an sich doch keine großen Umstände bereiten, no da. Und meinereiner vertraut den beiden, dass sie aufeinander aufpassen und keine Dummheiten anstellen, bis Chiriko abgeholt wird, no da." "Hm…" "He, was soll'n das werden? Hab' ich da nich' auch noch 'n Wörtchen mitzureden?!" Der Räuber konnte kaum fassen, was da geschah. Seine Freunde überrumpelten ihn! Wussten die denn überhaupt, was sie ihm da zumuteten? Ausgerechnet den kleinen Chiriko mitzunehmen, inmitten genau der Gegend, wo sich kleine Kinder besser nicht aufhalten sollten? "In Ordnung. Ich werde dem Gesandten deiner Familie persönlich ausrichten, wo sie dich finden können. Aber du versprichst mir dafür, dass du dich dann nach Hause bringen lässt, sobald er bei euch angekommen ist." "Hai, das verspreche ich! Vielen Dank, Hotohori-sama!" Und mit einer tiefen Verbeugung wandte sich der Junge vom Kaiser ab. Mit einem breiten Lächeln gab er Chichiri zu verstehen, dass er sich für seinen Einsatz bedankte und verschwand dann, um seine Sachen für die Reise zu packen. "Ihr spinnt doch! Allesamt! Das is' 'ne absolut beschiss'ne Idee!" "Chiriko möchte es, no da. Er möchte dich unbedingt begleiten und einen Teil deines Lebens kennenlernen, der wirklich zu dir gehört, no da." Unbeeindruckt von der Wüterei des Banditenchefs wandte sich auch Chichiri von Hotohori mit einer leichten Verneigung ab, welcher die Geste mit einem lächelnden Nicken erwiderte. "Ja aber…!" "Er mag dich wirklich sehr, no da. Also pass gut auf ihn auf." Und mit diesen Worten und seinem zufriedenen Lächeln wandte sich schließlich auch der Mönch ab. Mitsukake, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, setzte sich nun ebenfalls in Bewegung. Im Vorübergehen legte er noch kurz aufmunternd eine Hand auf Tasukis Schulter, ehe auch er aus dem Saal verschwand. "Ich glaub's nich'…" Noch immer innerlich total aufgebracht ging Tasuki vor Chirikos Zimmer ungeduldig auf und ab. Er konnte einfach nicht fassen, was da gerade passiert war! Jetzt sollte er tatsächlich diese kleine Nervensäge mitnehmen in die, wie Chichiri es so schön ausgedrückt hatte, "Höhle des Löwen". Was hatten sie sich dabei gedacht?! Das war verdammt nochmal gefährlich und ganz gewiss kein Ort, an den man mal eben ein Kind mitnahm! Selbst wenn sie den Berg nur durchqueren hätten müssen, hätte Tasuki - Chiriko zuliebe - einen Umweg bevorzugt. Es gab wilde Tiere in den Bergen, und was dort an Menschengesindel herumlief… Nein, das war definitiv nichts für kleine Kinder! Und nun verlangten tatsächlich alle, dass er den Kleinen auch noch ausgerechnet in das Herz einer Räuberbande mitnahm, bis irgendwann die Rettung kommen würde. "Oh Mann, das kann ja was werd'n… He Chiriko, mach' ma' hinne da drinnen!" Endlich, lange Minuten später, ging die Tür auf und ein fröhlich strahlender Chiriko trat aus dem Zimmer. Vor sich hielt er ein kleines Bündel mit seinen Sachen, welches er einer Bediensteten überreichte, damit es der Gesandte seiner Familie entgegennehmen könnte. "Okay, wir können aufbrechen!" "Chichiri un' Mitsukake sin' schon los… Dabei wollt' ich mich unterwegs nochma' von ihnen verabschieden. Wer weiß, ob wir sie jemals wiederseh'n. Naja…" Er gab dem Kleinen eine leichte Kopfnuss, ehe er grummelnd vorausging, die Arme trotzig in seinem Nacken verschränkt. "Na nu' komm schon, wir hab'n genug Zeit vertrödelt! Das wird 'n langer Weg." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)