Gläserner Käfig von penthisilea ================================================================================ Kapitel 4: 4.Kapitel -------------------- In den vergangenen Jahren habe ich einige an perversen und geisteskranken Verbrechen gesehen. Doch die Person die hinter dieser Mordserie steht hat einen vollkommen neuen Maßstab gesetzt. Wer hätte schon vermutet, dass die Sängerin nicht die Einzige war, der diese „Behandlung“ zukam. Auch weiterhin liegen die Spuren des Mörders im Dunkeln, vom Vetter der Toten aus ließen sich keinerlei Hinweise zurückverfolgen. Ich werde Sebastian auf Miss Stanford ansetzten, denn es wäre mir nicht angemessen mich länger in ihrem Milieu umzutreiben. Zudem besitzt er zweifellos die Qualifikationen für einen Umgang dieser Art. Elizabeth scheint sich weiterhin gut zu erholen, es bleibt zu hoffen, dass dies anhält. C.P. – 17. Dezember 1897 „Und was heißt es?“, fragte Ciel seinen Butler und rieb sich gründlich die Hände an einem Handtuch ab. „Die Ausdrucksweise ist recht unklar…Russisch ist auf jeden Fall nicht die Muttersprache des Verfassers“, erklärte Sebastian und studierte das Schreiben, dass Ciel in Irina gefunden hatte. „Die Nachricht ist an Miss Nikolajewna selbst verfasst… ‘Es enttäuscht mich, dass du mich fast verraten hast Irina. Hoffentlich ist dir diese kleine Privatstunde eine Lehre gewesen. Du hast hoffentlich viel vom Stundenthema Organe bei dir behalten. Und sollte dir dein hübsches Köpfchen vom vielen Lernen doch wehtun habe ich dir noch ein wunderbares Rezept aufgeschrieben.‘ Der Rest der Nachricht ist ein Rezept, wie es aussieht für ein Medikament“, fuhr er fort und sah zu Ciel, der mittlerweile hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte. Der Earl verschränkt die Finger und stütze die Ellenbogen auf dem Tisch auf, wie er es oft tat wenn er nachdachte. „Was hast über diesen Vlanav heraus gefunden?“, fragte Ciel und sah zu seinem Butler. „Nicht viel fürchte ich. Er verbrachte die letzten zwei Tage im erst kürzlich neu eröffneten St.Pauls Hospital um eine Operation durchführen zu lassen. Soweit sich seinen Akten entnehmen ließ kam er mit Irina vor etwa fünf Jahren nach London um als Geigenbauer zu arbeiten, sie als Opernsängerin. Er hatte zeitweilig eine Anstellung bei einer kleineren Manufaktur, lebte aber die letzten Monate auf Kosten unserer verblichenen Informantin.“, berichtete Sebastian. „Das wäre ein Grund für sie gewesen ihn fälschlicherweise anzuprangern. Sie wollte ihren Vetter nicht weiter mit ernähren und sah eine Chance ihn los zu werden darin ihn des Mordes zu bezichtigen.“, sinnierte Ciel und starrte nachdenklich auf die Schreibunterlage auf der seine Ellbogen ruhten. „Stellt sich bloß die Frage, was es mit diesem Brief auf sich hat.“ Ein längeres Schweigen stellt sich ein. Die Stille wurde nur von dem leisen Geräuschen unterbrochen, die Sebastian bei der Teezubereitung erzeugte. Ciel nahm nach einigen Minuten schweigend die Tasse entgegen und nippte daran. „Was wissen wir über die Opfer, außer dass alle Angestellte der Oper waren?“, fragte Ciel und sah zu Sebastian, der gerade Teegebäck und einige Pralinen auf einen Teller drapierte. „Ich habe Euch zu jedem eine Akte abgefasst“, sagte Sebastian und machte eine Geste gen einen Blätterstapel zu Seiten seines Herrn, während er ihm einen Teller mit Gebäck reichte, „Es lässt sich keine direkte Verbindung zwischen den verschiedenen Personen herstellen, die einem gängigen Opferschema entsprechen. Weder was die Herkunft noch Geschlecht oder Alter betreffen. Bestehende Gemeinsamkeiten scheinen eher trivial und sind leicht zu übersehen.“ Ciel zog eine Augenbraue hoch und besah sich den Stapel. Damit würde er wohl eine Weile beschäftigt sein. „Gut…du wirst dich um dieses Rezept kümmern. Ich will wissen woher es kommt, was es ergibt und wer solche Produkte vertreibt. Danach geh zum Undertaker und besorge alle Informationen über die Leichen die er hat. Wir wissen zwar, dass jede ausgehöhlt war, aber es gibt sicher noch andere Auffälligkeiten.Mir steht nicht der Sinn danach noch mehr Zeit an diesem Fall verschwenden.“, sagte Ciel zu Sebastian. „Sehr wohl.“, antwortete der Butler, verneigte sich etwas und verließ dann das Zimmer. Ciel währenddessen nahm sich die erste Akte von dem Stapel den Sebastian vorbereitet hatte und begann sie zu überfliegen. Kaum eine viertel Stunde später war er bei der Dritten angelangt und stutzte im Lesen. Eine Zeile im Wochenablauf der Frau im Monat vor ihrem Tod kam ihm seltsam bekannt vor… Er schlug die zwei Akten auf die er schon gelesen hatte auf und überflog sie. Bei einer Zeile stockte er erneut. Im Verlauf der zwei Männer fanden sich zwei beinahe identische Verweise, dass sie ab und an in der  Woodleystreet einen Pub aufsuchten. Der Name war der Selbe, alleinig die Daten unterschieden sich. Suchten die beiden Männer jeweils an geraden Daten das Etablissement auf, so war die Frau nur an ungeraden Daten dort gewesen. Ciel runzelte die Stirn und nahm sich die nächste Akte. Das Selbe. Eine weitere folgte, danach noch eine. In jeder Akte fand sich ein Vermerk besagten Pub aufgesucht zu haben, aber bei keinem war es am selben Tag. Hatte Sebastian das mit den leicht zu übersehenden Gemeinsamkeiten gemeint? Ciel entschloss sich kurzerhand der Sache nach zu gehen und stand auf. Er ging möglichst unauffällig in die Eingangshalle um Prinz Soma nicht in die Hände zu laufen, vermutlich hätte dieser nervige Kerl nur darauf bestanden den Earl zu begleiten. Ciel nahm seinen schwarzen Mantel vom Haken der Garderobe und seinen Spazierstock auf der Halterung und verließ das Haus. Man traf nicht viele auf der Straße an, vornehmlich Obdachlose, einige Fliegende Händler mit ihren Ständen und hier und da ein paar Passanten. Der Umstand war wohl dem Schneetreiben zu zusprechen, dass die Dächer Londons unter einer weißen Schicht begrub, die Sichtweite  der Spaziergänger erheblich verkürzte  und die Straßen in dreckigem Schneematsch ertränkte. In den vergangenen Jahren hatte Ciel sich genug Wissen von der Grundstruktur Londons angeeignet um sich allein zurecht zu finden und so dauerte es nicht allzu lange bis Ciel in die Gegend kam in der sich der Pub befinden sollte. Es war eine Gegend nicht weit von der Oper, vielleicht zehn Minuten zu Fuß, aber doch weit genug entfernt um nicht mehr zu den Bereichen zu zählen, in denen man sich nachts allein rumtreiben sollte, wenn man nicht gerade Probleme sucht oder selber eines ist. Ciel zog seinen Hut etwas tiefer ins Gesicht und schlug seinen Mantelkragen hoch um sich einerseits vor dem eisigen Wind, andererseits vor den neugierigen Blicken mancher zwielichter Gestalten an den Straßenecken abzuschirmen. Der Pub lag nicht besonders versteckt. Zwar verwies kein Schild auf seine Existenz, nur ein kleines angenageltes Brett mit dem Namen der Schenke offenbarte was das Gebäude barg, doch er lag in keiner Seitengasse. Ciel verlangsamte seinen Schritt etwas, knöpfte seinen Mantel kurz auf und verstaute seinen Spazierstock darunter, um ihn schnell wieder zu schließen und zur Tür des Pubs zu gehen. Er wollte um jeden Preis Aufsehen vermeiden und verstecke so lieber den Stock. Eine Hand in der Manteltasche trat Ciel in den Schankraum ein und würgte kurz verhalten. Stickige Luft, unverkennbar mit dem Geruch von Erbrochenem und altem Schweiß geschwängert, schlug ihm entgegen. Qualm billigen Tabaks verpestete die Luft und legte einen dunstigen Nebel in den schäbigen Raum in dem gerade so vier Tische, einer davon mit nur drei Beinen, und einige wahllos zusammengewürfelte Stühle Platz fanden. Der Boden sah aus als wäre nie wirklich einer verlegt worden, sondern nur die Erde festgetreten worden, wobei Ciel sich nicht sicher war, ob das nicht einfach eine Schicht Dreck war, der sich über die Jahre angesammelt hatte. Es befand sich nur ein einziger Gast in der Schenke, ein alter Mann in schäbiger und dreckiger Kleidung, der kopfvoran in seinem Bierglas hing und, so sah es zumindest aus, schlief. Hinter der Theke stand ein zweiter Mann, nur wenig größer als Ciel, dafür aber mindestens fünfmal so breit. Sein schmuddeliges Hemd spannte sich über den gewaltigen Wanst und die Knöpfe drohten wohl jeden Moment zu bersten. Seine Hosenträger, die den Fetzen Stoff um seine Beine oben hielten, schnitten ihm tief in seine fettigen Schultern und sahen ebenso zum zerrreißen gespannt aus. Der Kerl wischte mit höchst desinteressiertem Gesichtsausdruck ein Glas aus und bemerkte Ciel erst recht spät. Als er den Earl aber sah stellte er sofort das Glas weg. „Was darfs denn sein?“, fragte er mit einer so öligen Stimme, die seinem fettig glänzenden, blanken Schädel Konkurrenz machte. „Ich bin auf Mr. Gibbs Empfehlung hier.“, sagte Ciel, darauf bedacht sein Gesicht weiterhin größtenteils hinter seinem Mantelkragen verborgen zu halten. Augenblicklich hellte sich die Mine des Mannes auf und er klatschte in die Hände. „Sagen Sie das doch gleich, mein Herr!“, sagte er und kramte unter seinem Tresen. Er zog einen Schlüsselbund hervor, drückte sich hinter der Theke hervor und wand sich einer Tür direkt daneben zu, die Ciel bis dahin gar nicht aufgefallen war. Er nestelte eine Weile daran herum, dann endlich schwang sie auf und der schmierige Kerl trat beiseite. „Hätte nicht erwartet, dass so früh schon jemand kommt. Und dann auch noch jemand so Feines. Sie sind bestimmt ein Kollege des Fräuleins Irina, was? Die war auch immer so piekfein angezogen…wunder mich wo sie gestern war…“, plapperte der Mann vor sich hin und schien in Gedanken und Gemurmel zu versinken. Ciel nutzte die Gelegenheit und ging an ihm vorbei in den schmalen Gang, der hinter der Tür lag, wobei er sich fragte was dieser Kerl mit ’früh‘ meinte. Es war sicherlich schon nach halb Sieben. Der Gang war unbeleuchtet und so tappte Ciel eine kleine Weile im Dunkeln herum, bis er wieder an eine Lichtquelle kam. Rotes Licht. Er trat aus dem Gang heraus in, so schien es, in den Gang eines anderen Gebäudes. An den Wänden hingen rote Lichter und so erschien der ganze Korridor dumpf und dämmrig. Doch Rotlicht war nicht die einzige Veränderung, es war auch ein reges Treiben aus dem Stockwerk über ihm zu hören. Mindestens vierzig Menschen schienen sich dort in einem Saal aufzuhalten, dem falschen Gelächter nach zu urteilen vornehmlich Frauen. Doch Gelächter war nicht das einzige was Ciel hörte. Von hier und da drangen aus den geschlossenen Zimmern Laute von Paaren, die sich gerade…beschäftigten. Möglichst unauffällig ging Ciel durch den Gang, immer wieder kamen ihm Paare entgegen und quetschten sich an ihm vorbei durch den engen, mit Holz getäfelten Gang. Die Frauen waren alle samt eher leicht und durchsichtig bekleidet, die Männer schienen aus allen möglichen Gesellschaftsschichten zu kommen, wobei Ciel einmal sogar meinte einen wieder zu erkennen. Der Earl stoppte an einer Tür, hinter der es still war. Er klopfte an und ein gedämpftes „‘erein!“, war die Antwort. Als er öffnete betrat er ein Zimmer, das mit einem ausladenden Bett und einer Kommode recht karg eingerichtet war. Einzige Dekoration bildeten erotische Darstellungen an den Wänden. Auf dem Bett selbst saß eine junge Frau in blauem, satinbezogenen Korsett und ebenfalls blauen Strümpfen. Sie sah erwartungsvoll zu Ciel, spitzte dann aber verwundert die Lippen. „Du bist nischt Alfons.“, meinte sie nur. „Du bist nicht was ich suche.“, entgegnete Ciel und machte sich daran wieder zu gehen. „Warte doch.“, Die Frau schlug auffällig die Beine übereinander und klimperte Ciel mit ihren getuschten Wimpern lasziv an, was er nur mit einem kühlen Blick quittierte. „Vielleischt kann isch dir ja ‘elfen, mein Liebling.“, meinte sie und gurrte ein wenig. „Wenn du mir nicht sagen kannst wo der Verantwortliche für diesen Nonsens hier ist nicht.“, sagte Ciel und machte sich erneut daran zu gehen. „Du suchst Mademoiselle Marie?“, fragte sie verblüfft und hielt in ihrem Kokettieren inne. Ciel, allmälig entnervt von der fast unbekleideten Prostituierten, hielt erneut im Türrahmen inne und riss sich zusammen. „Sie ist in i’rem Bureau am Ende des Corridor.“, sagte sie und Ciel schlug die Tür zu. Vielleicht wusste diese Marie ja etwas über die Opfer der Oper. Am Ende des Korridors angelangt klopfte Ciel erneut an, schon in der Erwartung gleich wieder einer Hure gegenüber zu stehen. Nicht ganz seinen Erwartungen entsprechend, aber dennoch nahe daran, öffnete eine Frau in einem bodenlangen Kleid. Ihre leicht gewellten Haare waren in einem unordentlichen Knoten hochgesteckt und fielen ihr strähnenweise lose über die Schultern. Ihr etwas zu eng wirkendes Mieder drückte ihren Vorbau hoch und verdeckte ihn gerade so zur Hälfte, während der Anhänger einer Kette die sie trug darin verschwand. Sie hatte einen, mit Hämatomen übersäten, Arm um ihre Hüfte gelegt, mit der freien Hand hielt sie eine Zigarette an der sie gerade zog. Sie musterte Ciel aus stark dunkel geschminkten Augen etwas von unten herauf, war sie doch fast einen halben Kopf kleiner als er. „Ja, was gibt’s?“, fragte sie in einer rauchigen Stimme und atmete den Qualm dabei aus. Ciel zog die Nase etwas kraus und sagte: „Sind Sie Miss Marie?“ „Mein Name is‘ Mary Stanford”, antwortete sie, nahm einen weiteren Zug und grinste, „Und wer will das wissen?“ „Unwichtig. Was sagen Ihnen die Namen Gibbs, Watson und Lewster?“, fragte Ciel und  lehnte sich möglichst unauffällig etwas von ihr weg. Mary Stanford legte die Stirn in Falten und schien nach zu denken. „Spontan nichts, wieso?“, fragte sie und tippte die Asche ihrer Zigarette einfach auf den Boden ab. „Und der Name Nikolajewna?“, antwortete Ciel mit einer Gegenfrage. „Die Sängerin? Was ist mit ihr?“, fragte die Frau und verschränkte die Arme. Ihr Grinsen war mittlerweile wieder verschwunden. „Sie ist tot. Es gibt Anlässe zur Vermutung, dass sie hier Kundin war.“, erklärte Ciel und betrachtete genau die Reaktion seines Gegenüber. Mary Stanford kicherte. „Hat sie’s doch erwischt.“, lachte sie in sich hinein, „Ja, die reiche Operntante kam hier ab und an vorbei, hat sich jedes Mal meinen besten Hengst im Stall gekauft.“ Ciels halb verborgene Mine verdüsterte sich etwas. „Ihnen gehört dieser…Betrieb hier also, Miss Stanford?“, fragte er. „Vielleicht?“, Mary Stanford grinste den Earl breit an. „Mary reicht übrigens vollkommen.“ „Miss Stanford“, Ciel betonte es extra deutlich, „ Ich benötige Informationen über sämtliche Kunden dieses Etablissements im vergangenen Monat.“ Mary Stanford lachte auf. „Da muss ich dich leider enttäuschen, mein Hübscher. Was hier passiert bleibt hier.“ Dann musterte sie ihn eingehend. „Aber du scheinst gar nicht so übel gebaut zu sein, willst du nicht bei mir mit einsteigen?“ Ciel stieß es sauer auf und er beherrschte sich nur mühsam: „Ich lehne ab.“ Dann drehte er sich auf dem Absatz um und machte sich auf den Weg Richtung Ausgang. „Bis bald, Schätzchen!“, rief ihm Mary Stanford noch hinterher und sah ihm mit einem Grinsen auf den dünnen Lippen nach. „Du kommst ja doch wieder, das tun sie alle irgendwann.“, nuschelte sie noch und ging dann zurück in ihren Raum. Ciel klopfte von innen an die Tür, die den düsteren Gang von dem schäbigen Pub trennten. Der fette Schankwirt öffnete mit einem verblüfften Gesichtsausdruck und eine Wand aus stickiger, stinkender Luft raubte Ciel für einen Moment den Atem. Ohne ein weiteres Wort mit dem Mann zu wechseln eilte Ciel aus dem herunter gekommenen Pub. Es überraschte ihn kaum auf der anderen Straßenseite Sebastian, mit einem schwer deutbaren Gesichtsausdruck, stehen zu sehen. Sein Butler war ihm immer einen Schritt voraus. Er wusste immer wo Ciel war. ________________ Nicht meine beste Arbeit, aber ich hab jetzt so lang daran herum gedoktort, dass mit die Lust an dem Kapitel vergangen ist. Allein Miss Mary hat bestimmt 4 MakeOvers gekriegt. Hoffentlich ist es trotzdem noch lesenswert für euch. lg penthisilea Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)