Following you in the dark... von Hikaru_Hyuga (.. and leaving the light behind) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Prolog Es hieß, dass in einem Moment der Panik mehr Adrenalin ausgeschüttet wird, um uns leistungsfähiger zu machen. Der ganze Körper wird auf „Kampf!“ oder „Flucht!“ eingestellt, wir nehmen mehr Informationen auf, als wir es sonst tun. Doch bei dieser Beute schien es anders zu sein. Er nahm die Umwelt nicht mehr wahr, rannte und wusste nicht wohin. Er sah nicht mehr als ein dunkler Weg. Er spürte nicht mehr als sein Seitenstechen. Er hörte nicht mehr als das viel zu schnelle Pochen seines eigenen Herzens. Er roch nicht mehr als seinen eigenen Schweiß. Er schmeckte nicht mehr als seine eigene Angst. „Nein, verdammt! Scheiße.“ Der Mann hielt an, als er entsetzt realisierte, dass er in eine Sackgasse gelaufen war. Um ihn herum standen hohe Mauern, fein ausgearbeitet und ohne Unebenheiten, die einem wenigstens die Chance gegeben hätten, hinaufzuklettern. Nein, die Beute konnte nicht mehr fliehen. Der Jäger ließ sich Zeit. Der Mann wirbelte herum, versuchte einen Spalt zu finden, den er übersehen haben könnte, doch mehr als die eigene Dunkelheit hervorgerufen durch Angst und Panik sah er nicht. „Nein, nein, nein, nein!“, schrie er bis er sich auf die Knie sinken lässt. Das Seitenstechen meldete sich, sein ausgetrockneter Mund, die Schmerzen im Hals. Und die Gewissheit gleich zu sterben. Er hörte, wie sich ihm langsam Schritte näherten. Bedächtige Schritte, die keine Hast kannten. Der Mann raffte sich noch einmal auf, er musste etwas übersehen haben! „Hier willst du also sterben..“, ertönte plötzlich eine leise Stimme. Erschrocken wirbelte die Beute erneut herum und starrte direkt auf die schwarze Gestalt vor ihm. „Bitte!“, flehte er, „bitte lasst mich leben! Bitte, ich flehe euch an! Lasst mich leben! Ich hätte es doch nicht getan, wenn da nicht meine Kinder wären! Ich musste sie doch irgendwie ernähren!“ „Du hättest es auf die legale Art und Weise tun sollen. Es gibt immer ein Weg, der besser gewesen wäre, als den, den du eingeschlagen hast. Bezahle für deine Unverschämtheit den Namen unserer Königin beschmutzt zu haben.“ „Bitte..“, rief er kläglich, obwohl er wusste, dass es vergebens war. Der Wachhund der Königin kannte keine Gnade. Die Beute sah nicht mehr als das Aufblitzen des Revolvers und das Gesicht seines Erlösers, als die Gestalt in das fahle Mondlicht trat. Ein Schuss ertönte und ein Name fiel. Elizabeth Ethel Cordelia Phantomhive. Kapitel 1: I. Being a Phantomhive without losing my name -------------------------------------------------------- I. Being a Phantomhive without losing my name „Willkommen zurück, gnädiges Fräulein. Wie ist der Auftrag verlaufen?“ „Alles prima.“ Elizabeth ließ sich erschöpft von ihrer Zofe Paula die Jacke abnehmen. Sie mochte es nicht, wenn Paula sie nach ihren „Aufträgen“ fragte. Sie glaubte nicht, dass ihre Magd die blutigen Details wissen sollte, geschweige denn aushielt. Deswegen nahm sie immer Maylene mit, wenn sie etwas für die Queen erledigte. Irgendjemand musste sie ja zu diesen Orten hinfahren und es war schön zu wissen, dass genau dieser Jemand sich nicht so leicht umbringen ließ. „Möchtet Ihr Euer Frühstück einnehmen? Oder lieber zuerst ein Bad?“ Eigentlich wollte Elizabeth nichts von Beiden, nur ihr warmes, gemütliches Bett. Doch wie sie ihren Terminkalender kannte, würde es keine Zeit geben für ein kleines Nickerchen am helllichten Tage. Also raffte sie sich auf und sagte müde lächelnd: „Ein Bad bitte.“ Auf dem Weg ins Badezimmer hörten sie plötzlich einen schrillen Schrei, gefolgt von dem Geräusch, das Geschirr machte, wenn es zu Bruch ging und einen Fluch, der aufgrund seines Inhalts hier nicht genauer erläutert wird. Paula hielt erschrocken inne, doch Elizabeth blieb nur stehen, weil es ihre Zofe tat. „Auch wenn ich es nicht gutheißen kann, dass ich jede Woche neues Geschirr bestellen muss, finde ich das besser, als jeden Tag die ganze Küche reparieren lassen zu müssen.“ Paula richtete ihren Blick wieder auf ihre Herrin, lächelte und nickte. „Ihr habt Recht, my Lady. Erinnert Ihr Euch noch, als wir erst nur wenige Tage hier wohnten? Wir hatten uns kaum noch getraut, Euer Gemach zu verlassen, weil wir nicht wussten, was als nächstes in die Luft fliegen könnte. Das Leben hier kam uns gefährlicher vor, als wir es zuerst annahmen.“ Die Beiden kamen vor dem Badezimmer zum Stehen und Paula hielt Elizabeth die Tür auf. Diese musste bei dem Gedanken an ihre ersten Tage nach ihrem Einzug in den Phantomhive Landsitz schmunzeln. Sie verstand nicht, wie Ciel das durchhielt. Schließlich sprach er immer davon, Ruhe haben zu wollen, um seine Arbeit erledigen zu können und eine Explosion war selbst in seinem großen Anwesen nicht zu überhören. Ciel.. Ein dumpfer Schmerz meldete sich und sie hörte auf zu denken. Sie schloss die Augen bei dem Versuch sich zu entspannen, während sie sich von Paula waschen ließ. Am Frühstückstisch saßen fünf Personen statt einer. Elizabeth, die mit Eltern und Geschwister aufgewachsen war, mochte es nicht alleine zu essen, während ihre ganzen Bediensteten ihr dabei zusahen. Und damit Bard endlich merkte, was er ihnen da Tag für Tag zumutete, musste er kurzerhand mitessen. Seine Kochkunst hatte sich erstaunlich schnell gebessert, einige Gerichte waren sogar köstlich. Alle Bewohner dieses Anwesens waren froh darüber, ganz besonders Bard, der sich jetzt mit Fug und Recht wirklich „Chefkoch“ nennen konnte. Während Bard, Finnian und Maylene den Tisch abräumten, setzte Paula Elizabeth über den Plan des heutigen Tages in Kenntnis. Glücklicherweise musste sie feststellen, dass es fast nichts zu tun gab, außer der üblichen Routine: Bericht erstatten, Tanz-, Fecht-, Klavier- und Reitstunden sowie Unterricht von Tanaka, der ihr das beibrachte, was Andere in ihrem Alter in der Schule lernten. Außerdem stand für heute Abend eine Feier von ihrer Mutter an, bei der sie natürlich nicht fehlen durfte. Elizabeth sah sich selbst mit einem Krug Kaffee in den Händen und eine Tonne Schminke im Gesicht, um ihre Augenringe zu verdecken. Langsam verstand sie, warum Ciel keine Abendgesellschaften mochte.. „Außerdem sind heute diese Briefe hier eingetroffen.“ Tanaka hielt ihr ein Silbertablett vors Gesicht, auf dem die Post in zwei ordentliche Stapel geordnet war. „Rechts sind die Schreiben, die immer noch an den Namen Eures Vaters adressiert worden waren. Heute Morgen kurz nach Eurem Eintreffen brachte ein Bote Eurer Mutter sie vorbei.“ Gleichgültig nahm das junge Fräulein die Briefe in die Hand, auf denen immer noch „Elizabeth Middleford“ standen und sah diese durch. Die Meisten stammen von irgendwelchen Adelsfamilien, die eine Verlobung mit ihr wollten. Hatten sie es immer noch nicht begriffen? Wie kam es, dass die Information der Auflösung der Verlobung zwischen den Phantomhives und Middlefords sich wie Lauffeuer verbreitete, aber keiner der Nachricht, dass die junge Adlige erneut verlobt war, Beachtung schenkte? Genervt griff Elizabeth zum linken Stapel. Unter einigen Briefen von Geschäftspartnern fand sie schließlich ein Schreiben von der Queen, das ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Mit einem Briefmesser öffnete sie es und las sich aufmerksam die Mitteilung durch. „Ich denke, es gibt einige Termine, die du heute noch absagen musst, Tanaka.“, sagte sie, als sie fertig war, „ich werde heute um ein Uhr von der Queen erwartet. Sie ist wichtiger.“ Der Butler nickte wissend. „Ich werde mich darum kümmern.“ Der ältere Herr wollte sich gerade aus dem Zimmer entfernen, als er plötzlich stehen blieb und sich zu ihr umdrehte: „Soll ich das Fest Eurer Mutter auch absagen?“ „Nein.“, antwortete die Gefragte, „Nein. Ich sehe meine Mutter sowieso nicht oft genug. Es würde sie nur kränken, wenn ich heute nicht erscheinen würde, ganz egal, was ich für Gründe habe.“ „Sehr wohl.“ Tanaka hielt den Bediensteten die Tür auf, die den Essenswagen mit dem abgeräumten Geschirr zurück in die Küche fahren wollten. „Maylene, ich möchte etwas mit dir besprechen.“ „Ja, Lady Elizabeth?“ Die Angesprochene blieb stehen und ließ ihre Kollegen vorgehen. Tanaka schloss leise die Tür, während das Dienstmädchen näher trat. „Ich möchte, dass du mich zur Queen begleitest. Ich erwarte dich Punkt zwölf im Salon. Ruh dich bis dahin aus, es war eine lange Nacht.“ Maylene verbeugte sich lächelnd. „Sehr wohl, Lady Elizabeth. Ihr solltet Euch ebenfalls eine Pause gönnen. Ich empfehle mich nun.“ Die Rothaarige ging wieder aus dem Zimmer und ließ Herrin und Magd allein. Pünktlich um zwölf saßen Maylene und Elizabeth in der Kutsche auf dem Weg zur Queen. Von dem Landsitz aus brauchten sie etwa eine knappe Stunde bis zu ihrem Schloss, von dort aus etwas mehr als eine halbe bis zu dem Anwesen ihrer Eltern. Sie wusste nicht, was die Queen mit ihr besprechen wollte, geschweige denn, wie lange das Gespräch dauern würde, aber sie glaubte nicht, dass sie es noch bis nach Hause schaffte, wenn sie pünktlich bei ihrer Mutter ankommen wollte. Sie würde nach ihrem Treffen mit der Majestät ihrer Königin schnurstracks zu ihren Eltern fahren und sich einfach in der Kutsche umziehen. Maylene war da, um ihr zu helfen. Es konnte nicht so schwer sein. Das Schaukeln und die Dunkelheit in der Kutsche riefen in Elizabeth eine Müdigkeit hervor, die sie bisher mit viel Kaffee erfolgreich verdrängt hatte. Sie lehnte sich an das kalte Fensterglas, doch sie störte sich nicht daran. Draußen regnete es, man konnte durch die dichten Bäumen, die ihren Weg umrandeten, nichts erkennen und sie wollte nicht mit dem Fahrer oder den Pferden da draußen tauschen. Etwas zu spät merkte sie, dass plötzlich Gewicht auf ihr lastete und als sie widerstrebend ihre Augen öffnete, sah sie, dass ihr Gegenüber ihren Mantel nicht mehr an hatte. Bevor sie Maylene anweisen konnte, sich wieder anzuziehen, nahmen bunte Bilder einer längst vergessenen Zeit sie auf eine Reise mit, fernab von der Kutsche. Der Sommer der Phantomhives war immer farbenfroh. Farbenfroh, angenehm und harmonisch. Der Gesang der Vögel wurde nur durch Kindergelächter und dem dumpfen Aufprall von Knien im Gras unterbrochen. An solchen Tagen nahm sich das Oberhaupt gern öfters frei, um Zeit mit der Familie verbringen zu können. Sie alle, die Phantomhives und die Durless‘, waren bei seiner Schwester, den Middlefords, zum Kaffee eingeladen. Die dreiköpfige Familie ging schnurstracks auf den Hinterhof zu; sie waren oft genug eingeladen, um zu wissen, dass die Middlefords ihren Kaffee im Sommer immer im Garten tranken. Als sie ankamen, mussten sie lächelnd bemerken, dass Rachels Schwester Angelina wie immer eher als sie selbst da war und dass Lizzy vor Ungeduld wieder einmal nicht warten konnte. „Ciel!“ Sie stürmte auf ihren Cousin zu, der ihr auf dem halben Weg entgegenkam. „Lizzy! Hallo!“ Sie umarmten sich kichernd, auch Elizabeth Mutter musste bei diesem Anblick lächeln nach dem sie ihrer Tochter zuerst einen tadelnden Blick zugeworfen hatte. „Guten Tag, Lady Elizabeth.“ Earl Vincent beugte sich ein Stück, um mit den Kindern auf Augenhöhe zu sein. Sofort ließ das Mädchen ihren Cousin los und machte einen kleinen ladyhaften Knicks. „Guten Tag lieber Herr Onkel. Guten Tag liebe Frau Tante.“ „Guten Tag, Hübsche Lady.“ Elizabeth lächelte bei dem Kompliment noch breiter. Sie trug heute das rosa Kleid mit Rosen in einem etwas dunkleren Farbton, das ihr ihre Tante Rachel zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Ciels Eltern gingen weiter zum Tisch, an dem alle bereits saßen, doch Ciel selbst blieb bei seiner Cousine. „Weißt du was?“, plapperte sie fröhlich drauf los. „Was denn?“ „Tante Ann hat mir vorhin eine ganz tolle Geschichte erzählt.“ Ciels Augen leuchteten. Er mochte Tante Anns Geschichten. Manchmal vergaß sie die Zeit, wenn sie bei ihnen zu Besuch war und dann konnte sie ihm auch eine Gute Nacht Geschichte erzählen. Er hoffte immer, wenn sie kam, dass sie die Zeit vergessen würde. Tante Anns Erzählungen wurden nie langweilig. „Sie ist aber auch ein bisschen traurig.“ „Erzähl!“, drängte Ciel. Er mochte keine traurigen Geschichten, aber er besaß eine unbändige Neugier und ließ sich davon nicht beirren. Auch wenn sie traurig war, wurde sie von Tante Ann erzählt. „Gut.“, fing Elizabeth an, „In dem Krankenhaus, in dem sie arbeitet, wurde eine alte Oma und ein alter Opa eingeliefert. Beide waren wirklich ganz doll alt! Und sie hatten einen Unfall. Sie lagen zusammen in einem Zimmer und haben sich die ganze Zeit an den Händen festgehalten! Als der Opa gestorben war, hat aber trotzdem sein Herz weitergeschlagen! Tante sagt, dass es bestimmt daran lag, dass er Omas Hand hielt und ihr Herz durch ihn weiterschlägt. Danach ist sie auch gestorben und beide Herzen hörten gleichzeitig auf zu schlagen. Tante Ann sagt, dass die Beiden sich schon ganz, ganz lange kennen und sie auch ganz, ganz lange zusammen sind. Und sie haben sich ganz, ganz doll lieb gehabt!“ Elizabeth drehte sich im Kreis. „So will ich auch sterben!“ Glücklich und zufrieden ließ sie sich ins weiche Gras fallen. Ciel stand unschlüssig da und legte sich dann doch neben dem Mädchen ins Grüne. Die Sonne schien in sein Gesicht, es war angenehm warm. Irgendwo hörte er ein Vogel singen und Schmetterlinge tanzten vor seinen Augen. Er griff nach Elizabeths Hand und drehte sein Gesicht zu ihr. Sie tat es ihm nach. Große Kinderaugen starrten sich an. „Ich hab dich lieb, Lizzy.“ Elizabeth merkte schnell, dass sie geträumt hatte. Plötzlich war die warme Sommersonne weg, die ihr Gesicht sanft gestreichelt hatte, das Vogelgezwitscher verstummte und die Hand, die ihre umfasste, war nicht mehr da. Sie kniff ihre Augen noch mehr zusammen, versuchte wieder einzuschlafen, in der Hoffnung wieder in den Traum zurückkehren zu können und darin zu versinken. Alles vergebens. „Wir sind da.“ Elizabeth öffnete die Augen und statt Ciels Gesicht, blickte sie in das von Maylene. Sie gab ihr ihren Mantel zurück und eine unangenehme Kälte kam auf. „Ich hoffe, ich sehe nicht zu verschlafen aus.“ „Ganz und gar nicht. Hübsch wie immer, Lady Elizabeth.“ Die Blondine schaute in das Gesicht ihrer Zofe, sie sah ihr aufmunterndes Lächeln und straffte die Schultern. „Also los. Mal sehen, was die Queen von uns will.“ Die Majestät erwartete sie nicht in dem großen Saal mit der langen Tafel, sondern in ihrem Wohnzimmer mit einem kleinen Tisch für vier Personen, um den ein Sofa und drei Sessel standen. Sie selbst saß in dem dunkelroten Sofa. Ihr Diener, den Elizabeth schon von früheren Treffen kannte, war wie immer ganz in weiß gekleidet und an ihrer rechten Seite. Der zweiter Butler, Charles Phipps, hielt der Phantomhive Erbin die Tür auf und sie trat herein. „Guten Tag, Elizabeth. Schön, dass Sie kommen konnten.“ „Die Freude ist ganz meinerseits.“ „Setzen Sie sich.“ Elizabeth nahm in dem Sessel, der der Queen gegenüber stand, Platz. Maylene stellte sich neben ihr, die beiden Charles genau beobachtend. „Wie geht es Ihnen?“, erkundigte sich die Queen Victoria. Das junge Fräulein kannte das schon. Die Majestät kam nie sofort zur Sache, wenn die Nachricht nicht zu bedrückend war, sie führte zuerst immer einen kleinen Small Talk, um zu zeigen, dass ihr etwas an ihrem Besuch lag. Elizabeth ließ sich Tee einschenken, obwohl sie Kaffee vorgezogen hätte und beantwortete geduldig ihre Fragen, nicht, ohne der Queen ebenfalls welche zu stellen. Eigentlich war sie viel zu müde und neugierig, um sich wirklich für ihr Gegenüber zu interessieren, aber das gehörte schließlich zum guten Ton. „Entschuldigt, aber ich würde nun gerne wissen, wozu ich herbestellt wurde. Gibt es einen dringenden Fall?“, kam Elizabeth irgendwann doch zur Sache, als das Gespräch für ihren Geschmack schon viel zu weit ging. Sie hatte nicht ewig Zeit und saß bereits zwei Stunden hier. „Ach so, natürlich..“ Queen Victoria schien erst mal selbst überlegen zu müssen, wozu sie Elizabeth hatte kommen lassen. Obwohl sie über die Bewohner Englands regierte, hatte sie keine Macht, was das Älterwerden anbetraf. Sie war trotzdem eine ehrwürdige, anmutige, aber auch vergessliche Frau. „Die Sache ist die: Wie Sie sicherlich wissen, arbeiten einige meiner Männer im Ausland. Sie verkaufen dort englische Waren an Interessierte. Einer davon ist im Deutschen Kaiserreich und hat mir gestern berichtet, einen jungen Mann gesehen zu haben, der Earl Phantomhive sehr ähnlich sieht, um nicht zu sagen, dass er es ist.“ Elizabeth ließ die Information auf sich einwirken. Ciel. Ciel. Ihr Ciel wurde gesichtet! Im Deutschen Kaiserreich? Was wollte er dort? Sie konnte sich nicht entsinnen, dass er jemals dorthin gewollt hatte, geschweige denn das Land kannte. Sicher war er nicht dumm, aber er hatte sich für andere Sachen mehr interessiert, als für Topographie. „Und was ist jetzt meine Aufgabe?“, hakte Elizabeth nach, als ihr auffiel, dass die Queen nicht weitersprach. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie sie nur herbestellt hatte, um ihr das zu sagen! Vielleicht wollte sie, dass sie Ciel zurückbrachte, weil sie selbst ihre Rolle als „Wachhund der Königin“ nicht gerecht wurde? „Aufgabe?“, die Queen schien genauso verdutzt zu sein, wie sie, „ich hätte mit allem gerechnet, mit einem Freudenausbruch, mit Tränen, egal ob von Ihnen oder Ihrer Magd.“ Ihr Blick wanderte zu Maylene und dann wieder zu Elizabeth. „Aber Sie wollen stattdessen eine Aufgabe?“ „Nun, was anderes hatte ich nicht erwartet..“, erwiderte die junge Lady, die sich innerlich schlagartig in das kleine rosa Mädchen zurückverwandelte, das sie einst war. „Nun hören Sie einmal!“, die Queen wurde laut, aber nicht böse. Sie lächelte sie immer noch freundlich und vor allem wohl wollend an. „Ich kenne die Phantomhives länger, als Sie leben, meine Liebe. Wenn man sich so ansieht, was ich ihnen für Aufträge gebe, könnte man natürlich der Meinung sein, ich wolle sie so schnell wie möglich im Grab sehen. Aber das ist falsch. Ich gebe ihnen diese Aufträge, weil sie von enormer Bedeutung sind und ich sie deswegen nicht jedem Trottel anvertrauen kann. Ich will nur das Beste für Ihre Familie, Lady Elizabeth. Mir ist auch klar, wie schwer es für Sie gewesen sein muss, als Sie von Ciels Tod erfahren haben. Und die Entscheidung, den Mädchennamen Ihrer verehrten Mutter anzunehmen und mir dienen zu wollen, kommt sicherlich nicht von ungefähr. Nein, da steckt mehr dahinter, nicht wahr?“ „Ich..“, sagte Elizabeth leise. Es fiel ihr immer noch schwer darüber zu sprechen. Sie kam sich nicht nur endlos blöd dabei vor, es war auch noch absurd, was sie dachte oder tat. Aber trotzdem hörte sie damit nicht auf. Und wenn sie so in das aufrichtig lächelnde Gesicht der Queen blickte, konnte es gar nicht falsch sein, ihr das zu sagen, was sie nun schon seit drei Jahren dachte. „Ich glaube nicht, dass Ciel damals gestorben ist. Ich hatte ihn noch an dem Tag gesehen, an dem seine Bekannten die Nachricht von seinem Tod bekommen hatten. Er hatte weder krank noch.. nun ja. So ausgesehen, als wolle er sich umbringen. Natürlich kann man sagen, dass ich ihn nicht mehr kenne, da er sich sehr verändert hat seit..“ Sie holte Luft. „Seit dem Tod seiner Eltern. Aber trotzdem. Hätte er sich wirklich umbringen wollen.. ich hätte es bemerkt. Ganz sicher. Und selbst wenn jemand anderes sein Ende herbeigerufen hat.. Ich weiß, es klingt absurd, aber ich glaube nicht, dass Ciel irgendetwas passiert wäre, solange dieser Butler in seinen Diensten stand.“ „Und was glauben Sie, warum er dann verschwunden ist und die Nachricht von seinem Tod verbreitet hat?“ Elizabeth war froh, dass die Queen sie nicht auslachte, sondern mit ernsthaftem Interesse fragte, warum sie das dachte. Es gab ihr Mut, weiter daran festzuhalten und weiterzusprechen. Neben sich spürte sie auch Maylenes Anspannung. „Ich denke, dass er untertauchen musste. Warum auch immer. Vielleicht hatte er Feinde in der Unterwelt? Ich weiß es nicht. Er hat mir nie davon erzählt und heute verstehe ich auch, warum. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, ihn zu finden und ich will ihm dabei helfen, seine Feinde zu erledigen, damit er wieder offiziell in die Welt der Lebenden kann. Nur deswegen bin ich in Ihre Dienste eingetreten. Ich habe all die Jahre ein hartes Training auf mich genommen, um an seiner Seite sein zu können, wenn ich irgendwann den Namen Phantomhive trage, weil ich mir der Gefahr wohl bewusst bin, die dieser Titel in sich birgt. Ich kann mich mit dem Gedanken nicht anfreunden, dass dieses Training umsonst gewesen sein soll.“ „Ihnen ist aber klar, dass Sie dabei Ihr Leben lassen können?“ Elizabeth durchdachte ihre nächsten Worte ganz genau. Sie wollte nicht wie ein trotziges, kleines Mädchen klingen, dass voller Überzeugung und Naivität sagte, es würde sein Leben für die große Liebe lassen. Nein, selbst wenn sie mal eine solche Person gewesen sein soll, heute, jetzt in diesem Augenblick war sie es nicht mehr. „Das ist mir wohl bewusst. Es mochte vielleicht nicht so aussehen, aber ich hatte lange nachgedacht. Über Dinge, die sich ändern würden, übernehme ich wirklich die Rolle als Wachhund der Königin. Und ich bin damals zur Entscheidung gelangt, dass Ciel mir wichtiger ist. Ich weiß, ich hätte ein ungefährliches Leben im Licht führen können, als eine der mächtigsten Adligen ganz Englands. Aber die Frage nach Ciels Verbleib hätte mich auf ewig gequält, genauso wie der Selbsthass, weil ich nicht genug Mumm hatte, diesen Luxus aufzugeben, um den einen Menschen, den ich ein Leben lang kannte und liebte, zu suchen. Es hätte meine Liebe in Frage gestellt und das wollte ich nicht. Ich möchte, dass Ciel auf mich bauen kann. Und wie er selbst immer so schön sagte: Wer zweifelt, hat schon verloren.“ Die Queen lächelte. „Seht sie euch an, Double Charles. Das ist die junge Lady, die ich vor drei Jahren eingestellt habe. Ihr habt damals noch gesagt, dass sie zu unreif sei, dass sie von kindlicher Naivität angetrieben werde und nicht den Ernst der Sache versteht, aber hier habt ihr ihren Ernst! Diese Entschlossenheit! Diese Ausdauer! Nicht jede meiner Missionen waren einfach und im Laufe der Zeit ist sie mit jede Menge Wesen in Kontakt gekommen, vor denen sich Kinder nachts unter der Bettdecke verstecken und trotzdem sitzt sie immer noch vor mir und will einen Auftrag statt einfach loszugehen und nach ihrem Verlobten zu suchen.“ Eigentlich ehemaliger Verlobter. Ihren Jetzigen brauchte sie nicht zu suchen, sie wusste, wo er war, aber diesen Spruch sparte sie sich. Gespannt lauschte sie den Worten, die nun an sie gerichtet waren: „Lady Elizabeth Ethel Cordelia Middleford: Sie werden von nun an keine Missionen mehr bekommen. Ich möchte stattdessen, dass Sie weiter Ihr Ziel verfolgen. Ich werde Ihnen eine Wohnung im Deutschen Kaiserreich bereitstellen. Kommen Sie erst wieder, wenn sie Earl Phantomhive gefunden haben.“ Lizzy konnte nicht anders, als die Queen verblüfft anzusehen. Sie starrte sie mit geweiteten Augen an, den Sinn ihrer Worte begreifend und merkte, wie unhöflich es war, die Majestät so anzusehen. Schnell wandte sie ihren Blick ab, stand auf und verbeugte sich ehrfurchtsvoll. Dankbarkeit schwang in ihrer Stimme mit, Freude und Respekt, als sie sagte: „Sehr wohl.“ Es war um fünf, als sie endlich das Anwesen ihrer Mutter erreichten. Elizabeth zog sich in der Kutsche um und ließ sich Haare und Make up von Maylene machen. Es dauerte nicht lange, eigentlich musste nur einiges noch mal aufgefrischt werden und so war sie pünktlich fertig. „Es wird etwas komisch für einige sein, dass du statt Paula an meiner Seite bist, aber was soll’s.“, murmelte Elizabeth. „Keine Sorge, Lady Elizabeth, ich werde Euch nicht blamieren.“ Maylene kam nun auch aus der Kutsche gestiegen, in der sie sich gerade noch umgezogen hatte. Sie hatte ihr blaues Zofenkleid gegen ein schlichtes rotes Ballkleid getauscht, das nicht annähernd so aufwändig war wie das von Elizabeth. Sie hätte ihr gern ein Hübscheres gegeben, aber eine Magd, die genauso prunkvoll, wie die meisten Adligen angezogen war, wäre schon ungewöhnlich. Und Paulas Kleider, die sie bei solchen Anlässen trug, waren auch nicht sehr viel anders. Elizabeth war Eine der Ersten, die eintrafen. Die ganze Dienerschaft begrüßte die junge Herrin überschwänglich. Schließlich hatten sie ihr seit Kindesbeinen gedient und seit geraumer Zeit nun nicht mehr gesehen. Die junge Phantomhive sah sich um. „Wo ist denn meine verehrte Mutter?“, fragte sie einen der vielen Diener. „Nun, sie zieht sich sicher noch um. Aber Euer verehrter Bruder steht dort und redet mit einem unserer Gäste.“ „Vielen Dank.“ Der Abend zog sich. Elizabeth verstand immer mehr, warum Ciel Abendgesellschaften verabscheute. Wer so lange wachbleiben und leisten musste, der wollte natürlich seine Ruhe. Auch die junge Lady konnte ihre Augen kaum noch offen halten und hatte sich auf einen Stuhl gesetzt. Allerdings konnte sie sich auch nicht vorstellen, jetzt schlafen zu können. Sie musste ihrer Mutter von dem heutigen Besuch bei der Queen erzählen und das konnte sie erst, wenn alle Gäste gegangen waren. Sie überlegte die meiste Zeit über, wie sie es ihr sagen sollte, ohne dass ihre Worte voreilig und unüberlegt klangen. Anfangs kamen noch viele der längeren Freunde ihrer Mutter zur ihr, um mit ihr zu plaudern, aber viele merkten schnell, dass die junge Lady andere Dinge im Kopf hatten, als den neuesten Tratsch oder Kleider. Ziemlich ungewöhnlich für diejenigen, die das junge Fräulein seit ihrer Kindheit kannten. Maylene stand die ganze Zeit neben ihr und schwieg. Auch sie schien in Gedanken versunken zu sein. Elizabeth war froh, dass sie da war. Sie merkte kaum, wie die Feier zu Ende ging, wie die vielen Gäste verschwanden bis nur noch sie und die Dienerschaft der Middlefords zurückblieben. Ihre Mutter trat auf sie zu und berührte sie an der Schulter, damit sie sich wieder regte. „Lizzy. Es wird Zeit zu gehen. Oder möchtest du heute Abend hier bleiben?“ Die Angesprochene reagierte und merkte gleichzeitig, dass sie doch mehr eingeschlafen als in Gedanken war. „Ich würde vorschlagen, du bleibst. Ich habe deine Pferde in den Stall bringen lassen und dein Diener schläft heute bei unseren Bediensteten. Dein Dienstmädchen kann in dem Zimmer schlafen, das früher Paula gehört hat.“ „Sicher, Mutter. Sicher.“ Elizabeth unterdrückte ein Gähnen und entschied, dass es besser wäre, diese eine Nacht hierzubleiben. Morgen würde auch ein Tag sein, an dem sie ihrer Mutter von ihrem Plan unterrichten könnte. Der neue Tag begann später, als sie es gewohnt war. Als sie aufstand, war es fast um halb zehn. Elizabeth störte sich allerdings nicht dran. Sie und Maylene hatten gut geschlafen, sie hoffte nur, dass ihre Familie ihr nicht böse war. Schließlich hatte sie zum Frühstück gefehlt, aber zum Mittagessen würde sie rechtzeitig da sein. Maylene trug wieder ihr blaues Zofenkleid mit Schürze, das sie sich aus der Kutsche geholt hatte und Elizabeth hatte sich ein Grünes aus ihrem alten Kleiderschrank ausgesucht. Das Dienstmädchen half ihr gerade beim Anziehen, als sie sie fragte: „Was hältst du eigentlich davon?“ Maylene hielt inne. „Wovon?“ „Von dieser ganzen Sache mit Ciel. Dass er im Deutschen Kaiserreich sein soll.“ „Es wäre nicht undenkbar. Ich bin mir sicher, dass Sebastian auch Deutsch spricht. So perfekt wie er ist.“ Elizabeth lächelte leicht. Nicht nur sie, auch Ciels Bedienstete hatten sich ganz schön verändert. Sie wollten nicht, dass es so aussah, als wären sie total aufgeschmissen, nur weil ein einziger Mann in ihrer Mannschaft fehlte. So weit käme es noch. „Vermisst du ihn?“ „Jeden Tag, Lady. Genau wie ihr.“ „Ich meine nicht Ciel. Ich meine Sebastian.“ Schweigen folgte. Maylene band Elizabeth die Schleife auf dem Rücken zu und sie drehte sich um. Immer noch auf eine Antwort wartend ging sie zum großen Spiegel und besah sich darin. Alles perfekt. Ihr Blick wanderte erneut zur ihrer Magd und als sie weiterhin schweig, gab sie die Hoffnung auf eine Antwort auf. Sie wollte gerade zur Tür gehen, als die Rothaarige dann doch antwortete. „Ich weiß, dass er nicht mehr in mir gesehen hat, als ein tollpatschiges Dienstmädchen, das sich den Kopf wohl ein paar Mal zu viel gestoßen hat. Ihm wäre Jeder recht gewesen, solange derjenige einfach nur das Herrenhaus beschützen konnte. Nur dafür wurden Bard, Finny und ich eingestellt. Aber mir war es egal. Mir war es immer egal gewesen. Er hatte mir das gegeben, was ich nie hatte: eine kleine Familie. Vielleicht hatten der junge Herr und Sebastian es selbst nie so empfunden, aber für mich waren sie das. Ich bin froh, dass ich dort arbeiten darf, dass ich ihn jeden Tag sehen konnte, dass ich mit ihm reden konnte, auch wenn es meistens nur um den Haushalt ging. Ich war glücklich. Es war mir egal, ob Sebastian mich liebte oder nicht. Schließlich dachte ich, wir würden für immer zusammen bleiben.“ Elizabeth lächelte. „Ja, ich dachte damals auch, Ciel und ich würden für immer zusammen bleiben. Und Hand in Hand glücklich sterben. Vielen Dank, dass du so offen warst, Maylene. Ich weiß, dass es schwer ist, darüber zu sprechen. Und ich denke, dass du noch am ehesten nachempfinden kannst, was ich fühle. Ich mag Paula, aber seit dieser ganzen Sache empfinde ich sie als zu naiv. Ironie des Schicksals. Jetzt weiß ich, wie Ciel über mich nach dem Tod seiner Eltern gedacht haben muss.“ Beim Mittagessen gab es viele Gesprächsthemen. Da die jüngste Tochter lange Zeit nicht zu Hause und zu beschäftigt für lange Telefonate war, gab viel zur erzählen. Ihr Bruder hatte eine erfolgreiche Tochterfirma zu der ihres Vaters gegründet und mal ganz so nebenbei alle Fechtturniere ihrer Altersklasse gewonnen. Bei ihren Eltern sah es nicht anders aus. Elizabeth selbst konnte nicht viel erzählen. Sie hatte an keinem Wettbewerb mehr teilgenommen. Ihr fehlte schlicht die Zeit. Und von ihren Aufträgen konnte sie nichts erzählen, doch für diese Schweigepflicht konnte ihre Familie Verständnis aufbringen, wofür sie doch sehr dankbar war. Ihr Bruder und ihr Vater mussten aufgrund eines Termins eher aufbrechen und so blieben nur sie und ihre Mutter zurück, was der jungen Lady ganz recht war. Sie hätte die Neuigkeit vor allen nur dann erzählt, wenn sie wirklich keine Möglichkeit mehr gesehen hätte. So etwas wollte sie nicht am Telefon kundtun. „Mutter, da ist etwas, was ich Euch erzählen möchte.“ Frances schwieg und bedeutete ihr somit, fortzufahren. Elizabeth holte tief Luft. Maylene nickte ihr aufmunternd zu. „Gestern kurz vor meiner Ankunft hier hatte ich der Queen noch einen Besuch abgestattet. Sie sagte, dass Ciel im Deutschen Kaiserreich sei.“ Die junge Lady stoppte für einen Moment, um die Reaktion ihrer Mutter zu sehen, doch sie tat ihr den Gefallen nicht. Sie blieb stumm und die Miene unbewegt. „Ich habe vor, ebenfalls zu gehen. Die Entscheidung mag in Euren Augen vielleicht dumm und töricht sein, aber ich werde mich von diesem Weg nicht abbringen lassen. Ich erzähle es Euch, weil ich denke, dass Ihr mich noch am ehesten verstehen könnt. Vater konnte es auch damals schon nur schwer akzeptieren, dass ich die Rolle als Wachhund einnehmen will, was ich natürlich verstehe. Ich denke, dass diese Entscheidung nicht mehr in seinem Toleranzbereich fällt oder dass er ihn noch so weit ausdehnen kann. Aber Ihr, verehrte Mutter, seid selbst als eine Phantomhive geboren und kennt diese Verantwortung. Ich werde gehen und Ciel suchen, denn nur dafür habe ich diese schwere Last auf mich genommen. Es gibt kein Weg zurück und deswegen werde ich jetzt nicht stehen bleiben. Ich gehe, solange er noch im Deutschen Kaiserreich ist.“ Elizabeth hatte schnell gesprochen, weil sie die Worte, die ihr so schwer auf der Zunge lagen, schnell loswerden wollte. Sie hatte Angst vor der Reaktion ihrer Mutter, aber immerhin hatte sie verdeutlicht, wie ernst es ihr war und dass sie sich nicht abbringen ließ, egal, was sie sagte. Aber zur ihrer Verwunderung wollte die Hausherrin das gar nicht. Sie lächelte stolz und zufrieden, als hätte sie ihre Tochter genau richtig erzogen. „Wie mir scheint, hast du alles verinnerlicht, was ich dir mitgegeben habe.“ Elizabeth weitete die Augen. Sie staunte nicht schlecht, als sie diese Worte hörte. Besser könnte ihre Mutter ihr Urteil nicht beginnen. „ Wir sind Phantomhives und wir lassen uns durch nichts und niemanden vom Weg abbringen. Wir zweifeln nicht an unseren Entscheidungen und selbst, wenn diese falsch waren, gehen wir mit erhobenem Haupt weiter. Das ist unser Stolz.“ Die junge Lady konnte aus den Augenwinkeln erkennen, wie Maylene lächelte. Anscheinend hatte sie bei dem Temperament ihrer Mutter ebenfalls einen Sturm erwartet. „Dein Bruder hat sehr viel von deinem Vater übernommen- was natürlich nicht schlecht ist. Sonst hätte ich ihn ja nicht geheiratet. Was ich aber damit sagen will, ist, dass ich nicht möchte, dass die Phantomhives bei uns aufhören, nur weil wir Frauen den Namen eines Anderen annehmen. Du, Lizzy, wurdest als Middleford geboren und warst dazu bestimmt, eine Phantomhive zu werden. Jetzt, wo dieser traditionsreiche Name dabei ist zu verschwinden, erscheinst du wieder auf der Bildfläche. Ich kann dir nicht sagen, wie stolz ich auf dich war. Und es natürlich immer noch bin. Du könntest alle Fechtturniere der Welt gewinnen, du würdest mich damit nicht halb so glücklich machen, wie du es gerade tust.“ Während Elizabeth ihrer Mutter zuhörte, wurde ihr klar, wie wenig sie die ältere Dame eigentlich kannte. Sie hatte nichts von ihren Idealen und Träumen gewusst und fühlte gleichzeitig Stolz und Glück, dass sie den Wünschen ihrer Mutter entsprechen konnte. „Geh nur. Ich werde dich nicht aufhalten. Was dein Vater angeht, das solltest du lieber meine Sorge sein lassen. Nimm nur das mit.“ Ihre Mutter stand auf und begab sich zu der Kommode, über dem zwei Schwerte gekreuzt hingen. Lady Middleford nahm diese vorsichtig ab. Danach ging sie auf ihre Tochter zu, die langsam aufstand. Sie verstand gar nichts, aber sie wusste, dass das, was jetzt kam, von großer Bedeutung war. „Nimm sie mit. Diese Schwerter sind seit Urzeiten im Besitz der Phantomhives. Nur konnte dein Onkel, mein Bruder, nicht viel mit Fechten anfangen, so, dass sie an mich weitergegeben wurden. Mit diesen Schwertern habe ich auch deinen Vater besiegt, der ein Meister in diesem Sport war.“ Elizabeth konnte nicht glauben, was ihre Mutter ihr anbot, aber genauso gut wusste sie auch, dass sie dieses Geschenk nicht ablehnen durfte. Ihr Bruder könnte noch so gut im Fechten sein, die Hausherrin würde trotzdem in jedem Fall ihr und nicht dem Älteren diese Schwerter vermachten. Innerlich berührt und äußerlich lächelnd nahm sie diese entgegen. „Vielen Dank, verehrte Frau Mutter. Ich werde gut darauf aufpassen.“ „Und Ihr werdet wirklich gehen, Lady Elizabeth?“ Finnian schaute das junge Fräulein aus großen, sich allmählich mit Tränen füllenden Augen an, nachdem sie die Bedienstete der Phantomhives auf den neuesten Stand gebracht hatte. Nach dem Gespräch mit Lady Frances war Elizabeth mit Maylene zurück zum Anwesen aufgebrochen und nun saßen alle zum Abendessen beisammen. Das junge Fräulein hatte die Gelegenheit genutzt, um allen von den Nachrichten in Kenntnis zu setzen. Die Gesichtsausdrücke der Einzelnen hatten sich beim Erzählen durchweg verändert, nur das von Maylene blieb einigermaßen gleich. Elizabeth nickte, als sie das halbverbrannte Schnitzen durch schnitt. „Die Vorbereitungen sind erledigt. Ich habe die Queen um genauere Informationen gebeten. Glücklicherweise wurde Ciel genau dort gesichtet, wo auch in der Nähe mein derzeitiger Verlobter wohnt. Ich habe ihn gleich angerufen und er hatte mir erlaubt, eine Zeit lang bei ihm zu wohnen. Natürlich denkt er, ich besuche ihn, weil ich ihn so sehr vermisse. Außerdem habe ich mit dem Händler der Queen telefoniert. Er hat mir genau beschrieben, wann und wo er Ciel gesehen hat. Ich werde mich gleich morgen auf den Weg machen.“ Finnian schien irgendwie zu verstehen, doch nichtsdestotrotz schnitt er sein Schnitzel schniefend durch. Bard schaute ebenso betrübt, aber im Gegensatz zum Blonden bewässerte er sein Essen nicht. „Wie viel Uhr fahrt Ihr los?“, fragte er stattdessen. „Mittag. Ich werde heute Abend noch mein Zeug zusammenpacken.“ „Wieso muss es schon so bald sein?“ Finnian ließ sich von Maylene ein Taschentuch geben, mit dem er lautstark die Nase putzte. Elizabeth lächelte betrübt und aufmunternd zugleich. „Wer weiß, ob Ciel noch lange im Deutschen Kaiserreich bleiben wird. Wenn er bald wieder geht, sind wir genauso ratlos, wie vorher. Ihr wollt doch auch, dass er so schnell wie möglich wiederkommt.“ „Das ist richtig, aber...“ Elizabeth legte Besteck beiseite und wischte sich den Mund ab. Lächelnd unterbrach sie den blonden Jungen, der fast noch ein Kind war, obwohl er ein paar Jährchen mehr als sie selbst auf den Buckel hatte. „Hört mal. Ich merke doch, wie sehr ihr ihn vermisst. Ich werde niemals „gnädiges Fräulein“ für euch sein, sondern immer nur „Lady Elizabeth“. Mir gefällt es hier sehr, aber ich denke, dass die Anwesenheit Sebastians und Ciels das Leben hier… vollkommender machen würden. Und wenn ihr wollt, könnt ihr natürlich mitkommen.“ Eine Weile lang schienen es die Vier sich wirklich zu überlegen, doch Finnian schüttelte energisch den Kopf. Auch Bard grinste und wollte sich gerade mit seiner lässig- coolen Art eine Zigarette anzünden, als er sich durch Maylenes Blick wieder ganz plötzlich an die Tischregeln erinnerte. Nur so rauchen tuend, antwortete er nicht minder lässig: „Wir sind die Bedienstete der Phantomhives und wurden eingestellt, um das Herrenhaus mit unserem Leben zu schützen. Wir dürfen unsere Arbeit nicht vernachlässigen, geschweige denn den Posten verlassen, nur weil der Herr außer Haus ist. Wir bleiben und wir warten. Hier ist unsere Aufgabe.“ „Genau“, Maylene stimmte zu, „Es wird uns ein Vergnügen sein, dem jungen Herrn und dem jungen Fräulein bei ihrer Rückkehr in einem gepflegten, schönen Heim zu begrüßen. Als Bedienstete der Phantomhives..“ „.. sollten wir das können.“, beendete Finnian den Satz mit geröteten, aber lächelnden Augen. Elizabeth musste kichern. Alle hier waren ihr wirklich ans Herz gewachsen, sie waren wirklich wie eine kleine Familie. „Nun gut, dann werde ich nur Paula mitnehmen. Wir machen das Ding, oder?“ Ein Blick zu ihrer Magd genügte, um zu wissen, dass sie ihr bis ans Ende der Welt folgen würde. Elizabeth war froh, dass so viele Menschen ihr den Rücken stärkten, nicht zuletzt Tanaka, der die ganzen Briefe während ihrer Abwesenheit beantworten wird. Als sich die junge Lady abends nach langem Packen ins Bett legen wollte, fiel ihr Blick auf ihren lila Hasen Sky. Zu Hause hatte sie viele niedliche Plüschtiere gehabt, doch sie hatte bei ihrem Umzug in die Phantomhive Villa nur diesen einen mitgenommen. Sky trug eine gestreifte Veste, eine hellblaue Schleife und eine schwarze Augenklappe. Es war ziemlich offensichtlich, an wen dieser Hase erinnern sollte, aber genau deswegen liebte Elizabeth ihn so sehr. Ihre ganze Puppensammlung mit den vielen schönen Kleidern bedeutete ihr nicht so sehr, wie dieses eine einzigartige Plüschtier. Und das nicht zuletzt, weil Ciel es ihr zum achten Geburtstag geschenkt hatte. Elizabeth betrachtete Sky lächelnd. Eine Mischung aus Melancholie und Nostalgie lag in der Luft, der das Herz des jungen Mädchens schwer machte. Würde sie den Hasen mitnehmen? Platz wäre ja noch… aber wäre es mit 16 ein halb nicht komisch, ein Plüschtier mitzunehmen? Und wann in den letzten drei Jahren hat sie sich um die Meinung anderer geschert? Elizabeth setzte den Hasen wieder aufs Bett und entschied, dass heute vorerst die letzte gemeinsame Nacht sein würde. Sie würde ohne ihn gehen, aber mit dem echten Ciel zurückkehren. Wer errät, warum ich den Hasen Sky genannt habe, bekommet 10 Karotaler ;) (Es ist der Hase, den Elizabeth auch in Band.. 8 in den Armen gehalten hatte, als die Zirkusmitglieder das Anwesen attackiert haben :D) Kapitel 2: II. Being faced by my old me --------------------------------------- II. Being faced by my old me „Lizzy!“ Kaum war Elizabeth aus der Kutsche gestiegen, wurde sie von einem blonden Jungen mit blauen Augen und viel zu viel Energie umarmt. „David, hallo!“, begrüßte sie ihn weniger stürmisch, dennoch freundlich, „Wie geht es dir?“ „Wundervoll! Wie könnte es mir anders gehen, jetzt, wo du hier bist?“ David packte sie an der Hüfte, hob sie hoch und drehte sich mit ihr ein paar Runden. Währenddessen wurde das Gepäck von den Dienern des Königs abgeladen. Paula stand neben dem Pärchen und verbeugte sich höflich, als der junge Mann ihre Herrin wieder auf den Boden abstellte. „Wie lange haben wir uns jetzt nicht mehr gesehen?“, fragte er sie, „Ich bin so froh, dass du mich besuchen willst!“ „Ich dachte, es könnte nicht schaden, sich Dresden genauer anzusehen, wo doch mein Verlobter hier wohnt.“ David griff nach Elizabeths Händen und hielt sie fest, als wolle er sie nie wieder gehen lassen. „Ich bin mir sicher, Dresden wird dir gefallen! Die Menschen hier sind alle wahnsinnig nett!“ „Junger Herr, ich unterbreche Euch nur ungern, aber die junge Lady hatte sicher eine anstrengende Reise hinter sich und möchte sich ausruhen.“ Ein älterer Mann, der bereits graue Haare an den Seiten hatte, trat aus der Tür. Er trug eine schwarze Uniform und das Abzeichen des obersten Butlers. „Sie haben Recht, Herr Müller! Lizzy, komm, ich zeige dir dein Zimmer! Und wenn du dich ausgeruht hast, zeige ich dir den Rest meines Schlosses!“ Elizabeth fragte sich, wie viel Zeit er ihr wohl zum „Ausruhen“ lassen würde. Sie wollte eigentlich nur duschen, Zähne putzen und den Rest des Tages durchschlafen. Während der Reise hatte sie zwar in der Eisenbahn, auf dem Schiff und in jedem sonstigen Transportmittel auch geschlafen, aber trotzdem war sie noch müde. Paula, die nun nicht mehr neben ihr, sondern hinter ihr lief, ging es anscheinend nicht anders. Sie hatte noch weniger geschlafen als sie selbst, da sie schließlich aufpassen musste, dass sie zum richtigen Zeitpunkt ausstiegen. Glücklicherweise musste sie keine Koffer tragen, das taten die Bediensteten hier. Elizabeth hoffte, dass David auch an ihre Magd gedacht hatte. Obwohl es eigentlich selbstverständlich war, hatte sie ihm am Telefon noch mal gesagt, dass sie ihr Dienstmädchen mitbringen würde. Schließlich wusste sie nicht, wie es im Deutschen Kaiserreich gehandhabt wird und ihr Verlobter war so glücklich über ihren Besuch zu sein, dass er alles andere zu vergessen schien. Auf dem Weg zu ihrem Gemach erzählte er von verschiedenen Dingen, von persönlichen Sachen bis zu Politik war alles dabei. Elizabeth hörte kaum zu. Sie hatte es schon schwer genug mit ihm Tempo zu halten. Endlich kamen sie in ihrem Zimmer an. Das junge Fräulein staunte nicht schlecht, als sie es betrat. Von der Größe her konnte es mit ihrem in England mithalten, die Kleiderschränke allerdings waren viel größer. Elizabeth fragte sich, ob der Inhalt gefüllt war. Wenn ja, dann konnten nur die prächtigsten Kleider darin hängen. Vorhänge, Teppiche und auch Bettbezug wurden in einem hellen Rosaton gehalten, auf ihrem Schreibtisch prangte ein großer goldener Spiegel. David hatte haargenau ihren Geschmack getroffen. Würde sie noch Wert auf niedliche Dinge legen, wäre sie jetzt Händeklatschend im Kreis herumgesprungen. So aber riss sie nur die Augen und Mund weit auf. Nun wusste sie, was es bedeutete, sprachlos zu sein… „Wie ich sehe, gefällt dir das Zimmer.“ Sie drehte ihren Kopf und schaute geradewegs in Davids zufriedenes Gesicht. Elizabeth versuchte sich zu erinnern, wie man den Mund wieder schloss und musste schlucken. „Das wäre doch nicht nötig gewesen...“ „Natürlich wäre es das!“, David umarmte sie mit einem Arm, „Ich möchte, dass du dich hier wohl fühlst und dass du weiß, dass du hier immer willkommen bist. Das Zimmer deiner Zofe befindet sich gleich nebenan. Möchtest du es sehen?“ Das zu hören beruhigte Elizabeth. Nicht nur, dass er wirklich an Paula gedacht hatte, ihr Zimmer lag auch noch daneben! Sie lächelte ihre Zofe an. „Natürlich möchte ich das.“ Nach dem die Bediensteten ihre Koffer in dem großen, rosa Zimmer abgestellt hatte, gingen sie wieder an die eigentliche Arbeit. Nur einer blieb, der Paulas Gepäck trug. Ihr Raum war zwar sehr viel kleiner, aber genauso schön hell und einladend. Es standen zwei kleine Kleiderschränke darin, ein Bett für eine Person, ein kleiner Schreibtisch, sowie zwei kleine Kommoden. Alle Möbel wurden in einem hellen Braunton gehalten. Durch die beigen Vorhänge schien die Sonne herein und an Paulas leuchtenden Augen sah man, dass ihr das Zimmer sehr, sehr gut gefiel. „Ich lasse euch jetzt allein. Das Badezimmer ist zwei Türen weiter. Das Abendmahl wird für gewöhnlich halb acht eingenommen. Wenn etwas sein sollte, ihr findet mich in dem Zimmer am Ende dieses Ganges.“ „O- okay. Bis später.“ David gab seiner Verlobten ein Kuss auf die Wange. „Bis später. Ich erwarte dich halb acht.“ David ging in die Richtung, wo auch anscheinend sein Zimmer lag und Elizabeth verschwand mit Paula in ihrem eigenen. Sie kramte Handtuch, Duschzeug und ihr Nachthemd heraus. Kaum zu glauben, dass er ihnen wirklich Zeit ließ! Sie hatte eigentlich erwartet, er würde sie gleich auf eine Rundfahrt durch Dresden, nein durch das ganze Königreich Sachsen einladen, doch da hatte sie sich wohl getäuscht. Zum Glück. Im Badezimmer erkannten die Beiden, dass die mitgenommen Sachen wohl alle umsonst mitgenommen wurden. Der Raum schien nur für die Engländerrinnen zu sein. Eine große, sowie eine kleine Wanne standen darin, getrennt durch eine unsichtbare Scheibe. Wieder war die Einrichtung hellrosa gehalten, zwei Nachthemde, die sich an ihrer Verzierung sagen ließen, für wen sie bestimmt waren, lagen bereit, die verschiedensten Duftwässerchen standen ordentlich in einem Regal. Mit geweiteten Augen musste Elizabeth sich eingestehen, dass David ihr mehr Cremes und Parfums gekauft hatte, als sie selbst besaß. „Paula.“ Die Angesprochene versuchte ihren Blick von den ganzen glitzernden Dingen abzuwenden und sah sie an- oder viel mehr durch sie hindurch. Elizabeth wusste, dass hinter ihr die ganzen teuren Parfums standen. „In Anbetracht dieses Inventars würde ich sagen, du bedienst dich. Ich kenne dich seit Ewigkeiten, liebe dich wie eine Schwester und möchte nun alles, was du siehst mit dir teilen. Wenn ich das mache, dann komme ich mir nicht so… naja, ich komme mir dann nicht mehr so vor, wie ich mir gerade nun mal vorkomme.“ Paula schluckte. Sie wusste, was ihre Herrin meinte. „Das ist gewaltig. Euer Verlobter scheut keine Mühen. Er wäre ein guter Ehemann.“ „Umso mehr tut er mir Leid. Mein Herz schlägt nur für Ciel. Auch wenn mein Zimmer bei ihm nicht halb so schön und das Badezimmer nicht halb so voll war.“ Paula musste lachen, als sie das hörte. Es klang in ihren Ohren schon irgendwie komisch. Kichernd machte sie sich daran, ihre Herrin zu entkleiden, während sie das Wasser einlaufen ließ. „Ich fühle mich wie eine Prinzessin.“, murmelte Elizabeth, als ihr Rücken von zarten Händen gewaschen wurde. „Ich seid die Tochter von einen der einflussreichsten Familien. Ich hingegen bin nur eine Magd, sitze hier und wasche euch, fühle mich aber auch wie eine Prinzessin. Wer gesagt hat, Liebe könne man sich nicht kaufen und Geld allein macht nicht glücklich, hat dieses Badezimmer noch nie gesehen. Ich habe das Gefühl, dass sogar die Wände glitzern.“ Elizabeth lachte leise. „Ich sehe dieses Badezimmer und stimme dem Menschen, der diese beiden Dinge gesagt hat, zu. Bin ich komisch?“ „Mitnichten.“ Beide mussten lachen, das Mädchen hatte das Gefühl, als wäre plötzlich die Last auf ihren Schultern verschwunden, doch sie wusste, dass das nur eine Illusion war. Das Gewicht würde nicht verschwinden, nicht bevor sie endlich Ciel gefunden hat. Gestern Mittag war sie abgereist und jetzt war es fast um Drei. Wie lange war es schon her, seit er gesichtet wurde? Hatte er das Land wieder verlassen? Elizabeth wusste, dass das eigentlich absurd war. Sie sollte sich nicht mit solchen Dingen fertig machen, aber sie kam nicht umhin, immer wieder auf die Uhr zu schauen. Hoffentlich verschwendete sie ihre Zeit nicht. Das Abendessen verlief hier genauso lebhaft wie bei ihr zu Hause. David redete wie ein niemals enden wollender Wasserfall, doch das störte seinem Gast kaum. Sie hörte sogar zu, jetzt, wo sie endlich wieder bei wachem Verstand war. In einer kurzen Pause, in der sich der junge Mann eine Kartoffel in den Mund schob, sagte Elizabeth beiläufig: „Morgen habe ich einen Termin um drei Uhr. Ich werde mit der Eisenbahn hinfahren und wahrscheinlich gleich nach dem Mittagessen gehen.“ „Termin?“ An Davids Gesichtsausdruck konnte man erkennen, dass nicht die Kartoffel sondern diese Information ihm nicht schmeckt. Er schluckte, damit er reden konnte: „Wieso Termin? Ich dachte, du kommst hierher, um mich zu besuchen?“ „Das tue ich doch auch“, beschwichtigte Elizabeth, „Aber du weißt doch, dass ich der Queen oft aushelfe. Ich muss für sie einige Dinge hier erledigen, jetzt, wo ich schon mal hier bin.“ Es war nicht ganz gelogen. Sie „half“ Königin Victoria wirklich oft „aus“, die ja wollte, dass sie hier nach Ciel suchte. Und der „Termin“, den sie morgen hatte, würde ihr dabei helfen. David schien nicht glücklich darüber zu sein, aber er konnte es verstehen. Selbst wenn nicht, dachte sich die junge Lady, würde das verdammt noch mal nichts daran ändern, dass sie morgen einen wichtigen Termin hatte! „Gut, dann führe ich dich morgen im Schloss herum und zeige dir meinen Garten mit all ihren Bewohnern! Abends werde ich dich in das beste Restaurant der Stadt ausführen!“ „Das hört sich gut an.“, antwortete Elizabeth lächeln und nippte an ihrem Wein. Der Durst ließ sich dadurch leicht löschen, die anbahnenden Schuldgefühle jedoch nicht. Elizabeth merkte, wie die kleine Lizzy in ihr tobte, weil sie diesen Menschen, der sie wirklich mochte, nur ausnutzte und ihr zeigte, wie sie eigentlich sein sollte und auch gewesen war, bevor Ciel verschwand. Er ließ einen kleinen Elendshaufen zurück, das sich wieder als eiskalte Killerin in der Rolle des Wachhundes der Majestät ihrer Königin aufbaute. „Ich fühle mich schlecht. Ich habe Kopfschmerzen. Sky fehlt mir. Und ich kann nicht schlafen.“, jammerte Elizabeth als sie im Bett lag. Paula saß auf einem Stuhl neben ihr und streichelte ihr über den Kopf. „Wenn Ihr eingeschlafen seid, verschwinden auch Eure Leiden.“ „Aber ich kann ja nicht einschlafen.“ „Dann sollten wir darüber reden. Vielleicht hilft es. Warum könnt Ihr nicht einschlafen, Lady?“ Elizabeth maulte. Sie wollte nicht darüber reden, aber auf der anderen Seite wusste sie, dass es durch Schweigen nicht besser wurde. „Mir fehlt England. Ich merke die ganze Zeit, dass ich nicht zu Hause bin. Mir fehlen die durchgeknallten Diener. Mir fehlt Maylene. Mir fehlt Finnian. Mir fehlt Bard. Mir fehlt Tanaka. Ich will sogar lieber halb verbranntes Fleisch essen statt diesem Fünf- Sterne- Essen, das hier serviert wird.“ An Paulas Blick konnte sie erkennen, dass ihre Zofe nicht anders fühlte. Sie hätte niemals gedacht, dass sie sich so sehr nach schlechtem Essen verzehren würde. „Und ich fühle mich schuldig, weil ich mich hier nicht wohlfühle. David tut so viel für mich und ich? Ich kann nur nehmen. Aber nichts geben! Aber er hält es für selbstverständlich, weil ich Gast bin. Dabei würde ich ihn sofort verlassen und die Verlobung auflösen, käme Ciel wieder. Ich bin so ein schlechter Mensch.“ „Wenn Ihr es wärt, my Lady, dann hättet Ihr keine Schuldgefühle. Aber die habt Ihr. Deswegen seid Ihr kein schlechter Mensch. Ihr seid wunderbar.“ Elizabeth verzog das Gesicht. „Wunderbar sein, fühlt sich aber verdammt eklig an.“ Paula lachte und nach einigen Sekunden musste das junge Fräulein miteinstimmen. Als sie sich wieder halbwegs beruhigt hatten, fuhr Elizabeth fort: „Ich frage mich, wer der Kerl ist, der mit Ciel gesichtet worden soll. Laut dem Kontaktmann soll er sich für Okkultismus interessieren und hat eine beängstigende Dekoration.“ Elizabeth gähnte. „Vielleicht hat Ciel seinen Namen geändert? Wenn er das wirklich getan hat, muss ich hoffen, dass … Otto Ruß? So ungefähr hieß er. Dass er trotzdem weiß, wen ich suche.“ „Vielleicht wohnt der junge Earl bei ihm, so wie Ihr beim jungen Herr König wohnt? Dann könntet Ihr ihn vielleicht morgen schon begegnen.“ Elizabeth drehte sich auf die andere Seite und nuschelte: „Das wäre schön…“ Fernab von ihrem Ohr, von dem Ort, an dem sie sich gerade befand, hörte sie Paulas leises Kichern. „Nun seid Ihr doch eingeschlafen, gnädiges Fräulein.“ „Was?! Nein, Ciel ist nicht tot! Warum soll er tot sein?!“ Elizabeth schluchzte und weinte, während ihre Mutter und Zofe vergeblich versuchten, sie zu beruhigen. Sie hatte an diesem schönen, späten Herbstsommertag ihren Verlobten besuchen wollen, als Frances Middleford plötzlich meinte, er sei gestorben! Gestorben im Feuer, genauso wie seine Eltern und Bedienstete. Unfassbar. „Versteh doch, Lizzy. Die ganze Villa wurde bis auf ihre Grundmauern runtergebrannt. Man hat die Körper von Onkel und Tante bereits geborgen. Sie leben nicht mehr. Auch die anderen Bewohner, selbst Sebastian ist… gegangen. Der Einzige, der überlebt hat, ist Tanaka.“ Ihre Mutter versuchte, vergebens auf sie einzureden, ihr das Geschehen irgendwie verständlich zu machen, doch Lizzy wollte nicht hören, sie konnte nicht. „Ciel lebt! Er ist bestimmt ganz schnell weggerannt, als er das Feuer gesehen hat!“ Ihre Mutter schwieg, sagte nichts mehr dazu. Es stimmte, dass Ciels Körper nicht gefunden wurde, doch Elizabeths Version vom Geschehen war dennoch zu unrealistisch, als dass sie wirklich wahr hätte sein können. Frances kannte ihren Neffen. Er würde niemals ohne seine geliebte Mutter, ohne seinen geliebten Vater und auch ohne seinen geliebten Rassenhund Sebastian weggehen. Selbst an Herr Tanaka hing er. Wahrscheinlicher war es, dass er in den nächsten Tagen doch noch gefunden wurde. Oder er wurde entführt. Kurz oder während des Brandes entführt. Frances schüttelte sich, ernte einen verwirrten Blick ihrer Tochter und streichelte ihr über den Kopf. Es war schon schlimm genug, einen Teil ihrer Familie verloren zu haben, da musste sie sich nicht solche Horrorszenarien ausmalen, was noch mit dem Körper ihres Neffen passiert sein könnte oder noch passieren wird. Sie schaute in Elizabeths Augen und wünschte, dass sie ihr sagen könnte, dass sie Recht habe. Sie wünschte es sich wirklich. Doch alles, was sie in dem Moment tun konnte, war ihre Tochter in den Arm zu nehmen, während das kleine, blonde Mädchen immerzu nuschelte: „Er lebt, er lebt, er lebt…“ _____________________________________________________________________ So, das war's wieder ♥ Ich hoffe, euch hat's gefallen, aber ich denke mal, dass es wohl ziemlich langweilig gewesen war xD Nichts passiert und so, ne? Aber ich mag das nicht zu schnell angehen, weil dieser Schritt ja trotzdem wichtig ist, auch wenn es wohl ziemlich langweilig wirkt, so ohne Ciel und Sebastian ;) Aber ich kann für das nächste Kapitel ankündigen: Ciel und Sebastian werden auftauchen! Und im vierten Kapitel wird es sich nur um diese Beiden drehen ;) Ich hoffe, ihr freut euch genauso sehr drauf, wie ich das zu schreiben! ♥ Liebe Grüße Hikaru Kapitel 3: III. Falling into a deep black hole ---------------------------------------------- III. Falling into a deep black hole Als Elizabeth die Eisenbahnen sah, die sich im Dresdener Hauptbahnhof reihten, hatte sie fast das Gefühl, wieder zu Hause zu sein. Doch die Sprache, die anderen Bilder, die auf den Lokomotiven abgedruckt waren, sagten ihr, dass sie immer noch im Deutschen Kaiserreich war. Sie seufzte. „Geht es Euch immer noch nicht besser?“, fragte Paula, die das bemerkt hatte, obwohl es ziemlich leise war. „Doch, doch.. mir geht es schon viel besser. Mich haben die Eisenbahnen nur so sehr an zu Hause erinnert.“ Paula lächelte sie warm an. „Mir geht es genauso, Herrin.“ Sie stiegen in einen der vordersten Lokomotiven ein und fuhren fast anderthalb Stunden, die sich hinzogen, wie der Geschichtsunterricht, den Elizabeth bei ihrem Privatlehrer hatte. Nur, dass sie hier wenigstens mit den Gedanken abdriften durfte und- wie könnte es anders sein?- diese gingen nur in die eine Richtung: Ciel, Ciel, Ciel. Elizabeth war nervös, man spürte es förmlich. Sie kaute ununterbrochen auf ihrer Unterlippe, während sie ihre feuchten Hände knetete. Wie würde Ciel reagieren, wenn er sie sah? Wütend oder Erfreut? Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke auf, dass sie der Grund für seinen Weggang sein könnte. Sie, sie, sie. Vielleich hatte es ihn genervt, dass Elizabeth ihn immer so plötzlich besucht hatte? Er hatte es oft genug gesagt. Sie sollte sich anmelden, wenn sie kam, aber das kleine Mädchen hatte nie gehört, denn schließlich war sie seine Verlobte. Vielleicht hatte es ihn genervt, wie oft sie kam? Auch wenn es für sie selten war. Vielleicht war bei ihm eine Sicherung durchgebrannt und er sah keinen anderen Ausweg mehr, als zu gehen, weil sie ihn so oft nervte? Elizabeth dachte an David zurück, an seine Freundlichkeit, die er ausstrahlte, an seine Zuneigung, die er ihr mit jeder Silbe entgegen brachte, an seinen liebevollen Blick, diesen Glanz in seinen Augen, wenn er sie ansah und an seine Umarmungen, Berührungen, die ihr immer wieder zeigten, wie sehr er sie doch mochte, liebte. Und wie fühlte sie sich? Erdrückt. Einfach nur erdrückt, weil sie ihm nichts zurückgeben konnte. Ciel, Ciel, Ciel. Aber würde sie deswegen gleich ohne jegliche Nachricht verschwinden? Nein. Sie wusste ja, dass er sie nur mochte, dass er einen liebevollen Ehemann abgeben würde und ein guter Mensch war. Und nach ein paar Jahren? Nein. Nein, Nein, Nein. Und warum sollte Ciel es dann tun? Weil.. er ist, wie er ist, weil er zu dem gemacht wurde und handelt, wie er denkt. Lizzy hat sich selbst zu dem gemacht, was sie jetzt ist und tötet Menschen, trägt Hosen in dunklen, unmodischen Farben, obwohl sie weder das eine noch das andere gerne tat. Ciel musste immer wieder mit Überraschungsbesuchen rechnen, obwohl er sie nie gemocht hatte. Elizabeth sah ihren Verlobten nicht oft und hatte ihn gern, auch wenn sie ihm gegenüber niemals die gleichen Gefühle aufbringen konnte. Das blonde Mädchen kniff die Augen zusammen und einen kurzen, flüchtigen Moment lang dachte sie wirklich, ernsthaft daran, auszusteigen und zurückzufahren. Zurückgehen zu David, zu seinem Schloss, zu ihrem rosa Zimmer. Die alte Lizzy wieder aufleben lassen, sich in die Arme ihres Verlobten begeben, der sie nie in Stich lassen wird. Ihm sagen, wie gern sie ihn hat. Doch sie verbat sich solche Gedanken, vor allem, wenn sie auch noch ernst gemeint sind. Sie hatte es versprochen. Maylene, Bard, Finnian und Tanaka. In ihr fließt Phantomhive- Blut. Wie in den Adern ihrer Mutter. Menschen verlassen sich auf sie. Queen Victoria. Die letzten Jahre wären umsonst gewesen, all diese halsbrecherischen Aktionen. Lizzy. Elizabeth seufzte. Irgendwie ist ihr damals nicht nur Ciel verloren gegangen, sondern auch ihr altes Ich. Nach der Fahrt mussten sie noch eine knappe Stunde mit der Kutsche durch einen Wald fahren und nur, weil Ciel auch so abgelegen wohnte, hatte Elizabeth keine Angst. Das Schloss an sich jedoch sah genauso düster aus wie der Wald. Anscheinend achtete hier niemand darauf, wie das Heim von außen wirkte, denn überall sah Elizabeth Dreck, Spinnennetzte und die dazugehörigen Bewohner. Sie meinte eine Ratte gesehen zu haben und die Farbe blätterte an einigen Stellen ab. „Wirkt ziemlich gruselig..“, flüsterte Paula und sie musste ihr Recht geben. So viel zu den Gerüchten. Diese bezogen sich zwar nur auf die Innendekoration, aber wenn es hier draußen schon so aussah.. Elizabeth schluckte. Sie konnte nicht mehr zurückgehen. Jetzt oder nie. Auf alles gefasst, ging sie zum Eingang und klopfte an. Sie warteten eine Weile, in der die Nervosität stieg, stieg und stieg. Sie war so kurz davor, etwas über Ciel zu erfahren. Nur diese Wand trennte sie. Nur diese Wand, die langsam bröselte. Als die Tür endlich geöffnet wurde, sog Elizabeth scharf die Luft ein. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ Es waren die Worte, die Stimme, der Tonfall, der Paula die Fassung raubte und Elizabeth die Beherrschung. Es war die Überraschung, der Elizabeth die Augen feucht werden ließ. Sie hatte gedacht, sie wäre auf alles vorbereitet, aber es war der Moment, der Elizabeth um den Hals der Person fallen ließ, die sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte. „Sebastian..“, wimmerte sie, „Sebastian!“ Ihre Finger krallten sich in seiner Uniform fest, sie zog immer fest dran und einzelne Tränen liefen ihr über die Wangen. „Oh mein Gott, Sebastian!“ Ihr Körper bebte und irgendwo hinter ihr hielt sich Paula die Hand vor dem Mund und konnte den Butler dieses Hauses nur mit aufgerissenen Augen anstarren. Sie waren doch auf alles vorbereitet. Dachten sie. Aber nicht darauf. „Guten Tag, Lady Elizabeth. Ihr seid ja eine richtige Dame geworden. Was führt Euch hier her?“ Ihr Herz zog sich zusammen, als sie diesen amüsierten Tonfall hörte. Diesen sebastian- typischen Tonfall, der nur Sebastian zu eigen war. Sie schluchzte. Vor Glück, vor Sehnsucht vor Schmerz. Alles brach über sie herein, obwohl es „nur“ Sebastian war. Doch wenn dieser Butler hier war, dann war Ciel auch nicht weit. Diese Erkenntnis ließ sie nur heftiger schluchzen. All diese Tränen, die sie in den letzten Jahren nicht mehr geweint hatte, all dieses Glück, das sie nicht mehr gefühlt hatte. „Aber, aber, Lady. Ihr wollt Euch doch nicht an der Schulter eines Butlers ausweinen, oder?“ Doch, will ich. An der Schulter dieses verfluchten Butlers, den Ciel mitgenommen hat, aber nicht seine Verlobte. Der ihm anscheinend mehr bedeutet und den er an seiner Seite duldet. Sebastian, der freundliche Sebastian. Ciel, Ciel, Ciel. „Junges Fräulein...“ Paula berührte ihre Herrin zaghaft an der Schulter. Diese löste sich langsam, sehr langsam von dem Butler und wischte sich über die Augen. Sie schaute ihm in die Augen. „Ich habe dich so vermisst.“ „Vielen Dank.“, lächelte Sebastian ohne selbiges zu sagen. Er lächelte immer noch genau wie früher. Amüsiert, herablassend und ohne jegliche Wärme. Elizabeth konnte ihm nicht in die Augen sehen. „Ist.. ist Ciel da?“ „Er ist nicht derjenige, mit dem ihr einen Termin habt, Lady. Es ist Herr Ruß, der Herr dieses Hauses. Es ziemt sich nicht für einen Gast und dazu noch für eine Dame, andere warten zu lassen. Aber um Eure Frage zu beantworten: Ja, der junge Herr ist auch hier.“ Elizabeth fiel gleich auf, das Sebastian anders redete als sonst, sie sogar beinahe zu belehren schien, doch sie achtete nicht darauf. „.. der junge Herr ist auch hier..“, hallte in ihren Ohren wider. Ihr Herz wollte ihr fast vor Glück zerspringen und als sich erneut Tränen in ihren Augen ansammelten, tauchte ein schneeweißes Taschentuch vor ihren Augen auf. Sie sah auf. Sebastian lächelte sie noch immer an. Er sagte: „Ich führe euch nun zum Herr. Er erwartet euch bereits.“ Leise dankend nahm sie das Taschentuch an und folgte mit Paula Sebastian in einen großen Saal, an dessen Ende ein älterer Mann mit Bierbauch und grauen Haaren saß. Er hatte etwas Verrücktes an sich, sie konnte nicht genau benennen, was. Vielleicht war es dieses Lächeln, das so breit war, dass es über das ganze Gesicht ging, vielleicht waren es aber auch die grellen Farben, die seine Klamotten schmückten oder dieser wahnsinnige Ausdruck in seinen Augen. Sie setzte sich auf den Stuhl neben ihm, den Sebastian ihr anbot. Unheimlich. „Sie sind also Miss Phantomhive?“ Elizabeth nickte lächelnd. Hoffentlich waren ihre Augen nicht mehr gerötet. „Ja, die bin ich. Guten Tag. Es tut mir Leid, dass ich sie störe, aber ich suche Jemanden, der mit ihnen gesichtet worden soll.“ „Ach so, ja?“ Herr Ruß legte seinen Kopf schief. Seine Augen wurden unnatürlich groß und Elizabeth konnte ihm nicht lange in die Augen schauen. Stattdessen richtete sie ihren Blick auf das Gemälde hinter ihm, das einen Dämon abbildete. Nicht besser. „Ja. Dieser Jemand heißt Ciel. Ciel Phantomhive. Kennen Sie ihn?“ Verwundert schaute der Mann sie an, stieß ein „Ooooh!“ aus und war anscheinend ganz und gar fasziniert von ihren Worten. Seine Augen glitzerten und er steckte sich einen Finger in den Mund. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Mit wem hatten Ciel und Sebastian da zu schaffen? Statt auf ihre Frage zu antworten, fragte er: „Was haben sie mit meinem Butler zu tun?“ Elizabeth riss die Augen auf. Ciel und Butler?! Wieso?! Ihr blieb die Luft weg, sie musste ihn falsch verstanden haben! Ciel war schließlich ein stolzer Adliger, wieso? „H- habe ich richtig verstanden? Ciel ist ihr Butler?“ Wie ein kleines Kind, das sich über etwas freute, nickte er und klatschte zufrieden in die Hände. „Ja, das ist er, ja das ist er! Und weil Sebastian sein Butler ist, habe ich ihn gleich mit dazu bekommen, haha!“ Elizabeth war schockiert. Schockiert, entsetzt und traute ihren Ohren nicht. Traute sie nicht, wollte sie nicht trauen und was sagte er da?! Ihr Herz wog mehr als zehntausend Pfund und irgendetwas schnürte ihr die Kehle zu. Ist doch alles egal, was Ciel jetzt war. Ciel ist hier, hier, hier. Das war er lange nicht mehr. „Kann.. kann ich kurz mit ihm sprechen?“ „Wuhaha, natürlich!“ Herr Ruß schien Spaß an der Situation zu haben, was das Mädel nicht verstand, doch sie sagte nichts dazu. „Ciel!, Ciel! Komme! Ciel! Ciel! Besuch! Ein hübsches Mädchen. Ciel!“ Der Mann zog jeden einzelnen Vokal in die Länge und Elizabeth kam sich vor wie im falschen Film. Das konnte alles nicht wahr sein.. Er wiederholte jedes Mal die gleichen Worte, verlieh Ciels Namen einen unangenehmen Klang bis dieser endlich auftauchte. Elizabeth blieb die Luft weg. Das Gefühl von vorhin wurde stärker, erneute Wellen des Glücks, Unglaubens brachen über sie herein und sie konnte sich noch zügeln, nicht sofort aufzustehen und ihm heulend um den Hals zu fallen. Sie konnte nur die Augen aufreißen und oh mein Gott! Er stand endlich da, vor ihr, wahrhaftig vor ihr! Genauso wie sie ihn in Erinnerung hatte, die gleichen Züge, die gleiche Statur, sogar die Größe stimmte! Ihr Herz war schwer, setzte aus, raste, stach und Ciel.. starrte sie nur an. Überrascht. Entsetzt. Panisch. „Hallo Cielilein! Hier ist Jemand, der dich kennt! Stell sie mir doch mal vor, ich kenne sie leider nur vom Namen her!“, sagte Herr Ruß an ihn gewandt. Elizabeth schaffte es nur mit Mühe, ihren Blick von ihrem ehemaligen Verlobten abzuwenden, um den Gastgeber anzuschauen, der fast sabbernd den Jungen anstarrte. Ekelhaft. Ciel öffnete den Mund, öffnete ihn und schwieg. Schwieg und fauchte dann. Fuhr sie an, wie er es bisher nur ein einziges Mal in seinem Leben getan hatte. Ein einziges Mal, wo sie sich wirklich, wirklich, wirklich daneben benommen hatte. „Nein, ich kenne sie nicht! Einfach so zu behaupten, ich würde sie kennen! So eine Frechheit! Eine Frechheit ist das! Sie sollten sie rausjagen und nie wieder herkommen lassen, Herr! Los, sie soll gehen, sie muss!“ Jedes Wort tat weh. Jedes Wort war wie tausendkleine Stiche, die direkt in ihr Herz trafen und Elizabeth wusste nicht, wieso er sie nicht kannte. Er sah aus, wie Ciel. Hatte die gleiche Stimme. Hatte den gleichen Geruch. Nur die Präsenz war nicht die Gleiche. Die verkrampfte Haltung, der panische Blick und die Wortwahl passten nicht zu ihm. Genauso wie die Augen, die sich kurz rot gefärbt hatten. Genau wie damals. „Aber, aber Cielilien, wie redest du mit unserem Gast? So kenne ich dich gar nicht, mein Junge!“ So kannte ihn Elizabeth auch nicht, aber er war es trotzdem. Und lebte seine Gefühle mehr aus, als er es je in seinem Leben getan hatte nach dem Mord an seinen Eltern. Er lebte, hatte glühend rote Wangen und schrie sie an. Das, wovor sie sich gefürchtet hatte. Weggeschickt zu werden. Von ihm. Schroff. Hart. Lizzy wollte weinen. Weinen, weglaufen und sich in eine Ecke verkriechen. Doch Elizabeth wollte aufstehen, ihn anschreien und eine Antwort haben. Die Phantomhive- Erbin stand auf und schrie ihn an: „Wie kannst du sagen, dass du mich nicht kennst? Ich bin Lizzy! Deine Lizzy, deine Cousine, deine Verlobte!“ „Bist du nicht!“, feuerte er zurück, zuerst verwundert über ihren Ausbruch, „Ich kenne keine Lizzy, ich habe keine Cousine und erst recht keine Verlobte!“ Bei dem letzteren hatte er sogar Recht. Elizabeth schluckte den Schmerz nicht hinunter, konnte es nicht. Stattdessen schrie sie ihn aus: „Warum?! Wieso bist du damals einfach so verschwunden? Wieso hast du uns allein gelassen?! Wieso hast du mir nie was erzählt? Hab ich dich so sehr genervt?!“ „Ich weiß nicht, wovon du redest!“, sprach der Junge und beruhigte sich anscheinend. Finster starrte er sie an. „Du solltest jetzt gehen, denn wir kennen uns nicht. Und ich habe nicht das Bedürfnis, dich kennen zu lernen. Ja, du nervst. Geh.“ Ein Alptraum. Elizabeth war sich sicher, sie befand sich in einem Alptraum. Es war, als wäre sie in einen bodenlosen Abgrund gefallen, in der ein einziger Faden hinaus ragte. Jahre lang hielt sie sich dran fest, kletterte an diesem nach oben und als sie bereits das Tageslicht sehen konnte, kam jemand und durchschnitt den Faden. Stieß sie erneut runter, heftiger und dieses Mal gab es keine Möglichkeit wieder nach oben zu kommen. Sie würde mit dem Kopf aufkommen, sich das Genick brechen und nicht sterben können. Noch nicht einmal, wenn sie in ihren Tränen ertrank oder das eigentliche Rettungsseil sich um ihr Hals legte und ihr die Luft abschnitt. „Ciel..“, sagte sie leise und schaute zu Boden. Sie hatte es übertrieben. All die Jahre. Und nun ist er geflüchtet. Wo sind seine Versprechen hin? Sie würden nicht für immer zusammen bleiben und sie würden nicht zusammen sterben. Sondern jeder für sich, er mit Sebastian und sie ganz alleine. Ohne um sich die Worte des Hausherren zu scheren, bewegte sich Ciel in Richtung Tür. Davor blieb er stehen und drehte sich noch mal um. Elizabeth hob den Kopf. Rote Augen funkelten sie an, eine kühle Stimme durchschnitt die geladene Atmosphäre im Raum, von der nur Otto Ruß nichts zu merken schien. Er wurde sichtlich gut von dem Schauspiel unterhalten, pfiff, klatschte und quietschte. Und trotzdem war es erschreckend still. „Ich hasse dich.“ ____________________________________________________________________ Hóla chicos :D Was soll ich sagen? Ich bin nicht wirklich mit dem Kapitel zufrieden. Aber da ich ja ein monatliches Up- date schaffen wollte, morgen schon der 1. April anfängt und ich aus Erfahrung weiß, dass je öfter ich korrigiere und in mein Text reinschmiere, desto schlimmer wird das Ergebnis. Deswegen: Hier ist es! xD Das nächste Kapitel wird nur aus einem Dialog zwischen Ciel und Sebastian bestehen, das euch ihre derzeitige Lage und den Grund für Ciels Ausbruch erklären soll :3 Und ansonsten: Liebste Grüße Hikaru :3 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)