Die Lippen meiner kleinen Schwester können unmöglich so sanft sein von kentasaiba ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Computerspiele. Fernsehen. Radfahren. Baden im Hauseigenen Swimmingpool, der in Wirklichkeit aber nicht mehr als ein Planschbecken war. Doch mit wem? Mit Freunden? Kyousuke erinnerte sich damals eine Menge Jungen in seinem Alter gekannt zu haben. Das Anwesen der Kousakas lag mitten in der Stadt, selbst wenn er noch nicht die Schule besuchte, wäre es ein leichtes gewesen, Spielkameraden aufzustöbern. Also warum war er dann hier? Vater hatte ihm erst vor wenigen Wochen beigebracht sie man schwamm, also weshalb spielte er sich als großartiger Lehrer auf? „Es ist… das was ich möchte… Ich will derjenige sein, der ihr die Freuden dieser Welt zeigt, diese kleine Person, die ich erst seit kurzem kenne, die ich aber nie mehr loslassen will. Wenn ich sie loslasse, wird sie ihren Halt verlieren und das Wasser wird sich über sie zusammendrücken. Nein, ich muss für sie da sein und sie festhalten, sie braucht mich. Oder brauche ich sie? Ich bin derjenige, der ihre Hände ergreift und sie anfeuert immer schneller mit ihren Füßen auf und abzutreten. Das Becken wird immer kleiner, so viel Wasser spritzt der kleine Trampel ins ohnehin noch nasse Gras, vom Regen heute Morgen. Ich will derjenige sein, der ihr sagt, dass sie es schaffen kann, derjenige der an ihrer Seite ist wenn sie über den kleinen Erfolg glücklich lächelt. Ich will derjenige sein, der ihren Dank in sich aufnimmt und somit dasselbe Glück spürt wie sie. Ich möchte der Mensch für sie sein, der ihr am nächsten steht, derjenige dem sie alles sagen kann. Aber müsste das nicht Mama sein? Oder Papa? Wer bin ich denn schon? Ich bin niemand besonderes. Ich bin nur jemand der dieses Mädchen glücklich sehen will, es ist nichts Verwerfliches dabei. Aber was… wenn dieses Glück verlangt etwas Falsches zu tun? Etwas was sie belasten oder gar zum Weinen bringen würde? Etwas, das ihr Leben prägt und nicht gut für sie wäre? Wäre dieses Glück dann nicht falsch? Und ich wäre derjenige der es ihr aufbirgt. Wäre ein Lächeln seitens dieses Mädchens das wirklich alles wert? Und was wird dann mit mir? Dieses Mädchen wurde ein Teil meines Lebens als ich es nicht erwartet habe. Ich bin für sie verantwortlich, muss sie beschützen. Lieber bin ich unglücklich, als sie auch nur eine Träne vergießen zu sehen. Jeder Atemzug und jedes Anzeichen eines Lächelns erwärmen mich mehr, als es das Wasser das durch die Sonne so schön aufgeheizt wurde je schaffen könnte. Diese Wärme ist ein trügerisches Gefühl. Wie ein Feuer, das zwar Wärme und Geborgenheit spendet, doch wenn man zu fahrlässig ist ausbreitet und einen ganzen Menschen einhüllt. Ich bin dieser Mensch, und jede Sekunde meines Lebens ist mir bewusst, dass ich dieses Feuer zu löschen habe, andernfalls würde es mich vollends verschlingen und nicht mehr als einen Haufen Asche zurücklassen. Aber ich unternehme nichts dagegen. Ich lasse es zu, dass mich dieses Feuer Häutchen für Häutchen, Zelle für Zelle verbrennt. Zu was genau macht mich das? Mich selbst für ein Gefühl aufzugeben, das nicht einmal richtig ist? Aber für mich fühlt es sich richtig an, egal wie sehr ich es mit Logik oder Verstand bekämpfe. Ist dieses Feuer wirklich Liebe? Kämpfe ich also gegen die Liebe, die versucht mich zu verbrennen? Wenn das der Fall ist… sollte ich mich wirklich dagegen wehren? Oder sollte ich mich ihr hingeben, egal welche Konsequenzen dies auch hätte? Für mich… aber auch für dieses Mädchen, dessen Lächeln wärmer ist, als es unendlich viele Sonnen je sein könnten?“ Kapitel 1: Meine kleine Schwester kann unmöglich einen Stalker haben -------------------------------------------------------------------- „Was genau… bin ich für dich?“ Kyousuke schreckte aus seinen Gedanken auf. Es war nicht so, als ob er gerade an etwas sonderlich Wichtiges gedacht hätte, im Gegenteil. Was es heute zum Mittagessen geben würde, wäre mehr als Zweitrangig, egal ob sein Magen auffällig knurrte, oder nicht. „Schon gut, vergiss es einfach.“, drehte Manami ihren Kopf weg und schritt voran. Kyousuke rieb sich verlegen am Kopf und holte sie mit wenigen Schritten wieder ein. „Die beste Freundin, die man sich überhaupt nur vorstellen kann!“, unternahm er alles um die Situation zu retten. Er wusste, dass er Manami damit beeindrucken konnte, auch wenn er sich etwas schäbig fühlte. Doch was für eine Wahl hatte er? Die Abschlussprüfungen würden in wenigen Tagen beginnen und egal wie oft er Seite für Seite umblätterte, nichts wollte in seinem Kopf Platz finden. „Einverstanden, ich helfe dir. Auch für mich wäre es keine schlechte Idee, den Stoff noch einmal durchzugehen.“, willigte Manami schließlich ein. Kyousuke schnitt ein dankbares Gesicht, wollte es aber nicht auf sich beruhen lassen. „Du rettest mich wieder einmal. Es tut mir leid, dass ich wegen meinen Problemen immer zu dir komme. Wir können auch wieder einmal etwas zusammen unternehmen. Wie wäre es mit gemeinsam essen? Bei mir oder bei dir.“, schlug er hastig vor, um bei Manami kein Gefühl einer einseitigen Freundschaft aufkommen zu lassen. Es schien zu wirken, denn das Mädchen mit der Brille wirkte durchaus freundlicher. „Ohja, Opa wird sich bestimmt freuen dich wieder einmal zu sehen.“, entfuhr es ihr. Kyousuke nickte ein paar Mal zaghaft, bevor er etwas erwiderte. „Also dann ist es abgemacht, wir treffen uns bei mir.“ Manamis Großvater war das, was Kyousuke als alten, lustigen Kauz bezeichnet hätte, auch wenn dies schlichtweg übertrieben war. Waren alle alten Leute so? Würde er auch einmal so enden? Er bettete, dass dies nicht der Fall sein würde. Manami hatte versprochen ihren Eltern im Haushalt zu helfen, wollte Kyousuke morgen Nachmittag jedoch mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sie spontan zum Abendessen einzuladen, ohne seiner Mutter vorher bescheid zu sagen, wäre ohnehin eine Untat gewesen. So hätte es zumindest sein Vater beschrieben. Für Kyousukes Mutter wäre es keine große Sache, nein sogar eine Freude gewesen, etwas mehr zu kochen, wenn Manami zu Besuch kam. Doch sein Vater pochte auf Tradition und Regeln, Regeln welche Kyousuke in letzter Zeit sehr vernachlässigt hatte. Was sein Vater wohl von ihm halten mochte? Er war nicht Kirino, jenes Mädchen auf das sein Vater ohnehin nie wirklich sauer sein konnte. Er war nicht perfekt, das war es. Schmunzelnd dachte er darüber nach was wäre, wenn er ebenfalls zu modeln anfangen würde. Würde ihn sein Vater dann mehr respektieren und auch zu seinen ‚Sessions’ auftauchen? Kyousuke schüttelte sich bei diesem Gedanken, unvorstellbar welche Art von Klamotten er dabei tragen müsste. Im Moment würde es bestimmt reichen, wenn er seine Noten verbesserte, damit er auf eine gute Universität wechseln konnte. Das würde schon reichen um etwas Anerkennung seitens seines Vaters zu ernten. Er hatte gerade die Haustür aufgeschlossen und das Inner betreten, als er diesen am Küchentisch sitzen sah. „Tadaima!“, presste er schnell hervor, bevor ihn sein Vater wegen seiner rüden Art wieder anbrüllen konnte. Nur gemächlich sah dieser von seiner Zeitungen auf, runzelte die Stirn und schenkte ihm einen abfälligen Blick. „Okaeri.“, murmelte er dann und konzentrierte sich wieder auf das Blatt. Kyousuke ließ seinen Blick schweifen und stellte dann seinen Rucksack ab. „Nanu? Du zu Hause und Mutter nicht?“ Sein Vater zuckte nur unwillkürlich mit den Achseln. „Es gab heute nicht viel zu tun und deine Mutter ist vorhin weg um noch einige Dinge einzukaufen.“, informierte er ihn. Kyousuke nickte und kam dann auf Manami zu sprechen. Sein Vater besaß keinerlei Einwände, in Wahrheit hatte er Kyousukes Freundin immer gemocht. Seltsamerweise trafen sich die beiden außerhalb der Schule hauptsächlich bei ihr, als bei ihm. Also an wen lag es? Kyousuke kannte die Wahrheit natürlich. Es lag – wie bei den meisten Dingen – wieder einmal an Kirino. Es war selten, dass sie sich und Manami gut verstanden, eine Antipathie, die sich aber zum Glück nur einseitig auswirkte. Manami hatte nichts gegen seine kleine Schwester, im Gegenteil. Sie mochte Kirino, auch wenn dies nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Kirino… Sollte er nach ihr sehen? Langsam schritt er die Treppe nach oben, bis er vor ihrer Tür angekommen war. Er wollte gerade einen Versuch starten anzuklopfen, als er inne hielt. Warum tat er das überhaupt? Es würde enden wie immer, seine kleine Schwester würde ihn wütend anfunkeln und zum Teufel jagen. Dennoch war in ihm nie das Verlangen aufgekommen einfach aufzugeben. Verstanden sich die beiden in letzter Zeit nicht besser? Bei all den Dingen, bei denen Kyousuke ihr geholfen hatte. Ihr geheimes Hobby, das sie dank ihrem Bruder nun niemandem gegenüber mehr rechtfertigen musste. Kyousuke klopfte zweimal, dann trat er ein. Das Zimmer war leer, was nicht weiter verwunderlich war. Kirino musste heute beim Training oder einem Fotoshooting sein. Sie hatte Kyousuke nichts erzählt, warum auch? Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, ihren Bruder mehr an ihrem Leben teilhaben zu lassen als unbedingt nötig. Sein Blick fiel auf Kirinos Laptop, den sie benutzte um ihre Eroge zu spielen. Das Bett, das heute einmal keine Wölbung aufwies, weil sie ihr Dakimakura in den Schrank verbannt hatte, dort wo bereits die ganzen anderen Eroge und Anime-Games untergebracht waren. Und natürlich die zahlreichen PVC-Figuren der Sternenstaubhexe Meruru. Das Motiv war kindisch, aber diese Seite von Kirino erinnerte ihn an damals. Er und seine kleine Schwester hatten vor dem Fernseher gesessen und unter anderem Serien mit diesen übertrieben shoujohaften Heldinnen angesehen, die gegen das Böse kämpften. Damals hatte ihr Vater erstaunlicherweise nichts gegen Kirinos Geschmack gehabt. Doch diese Geschichten hatten sich verändert, hatten sich zusammen mit der Generation angepasst. Sie waren mit Kirino gewachsen und vor allem umgekehrt. Kyousuke warf einen letzten Blick in das Zimmer seiner kleinen Schwester und schloss dann die Tür. Er wollte es unbedingt vermeiden, Spuren zu hinterlassen. Kirino wäre nur wieder auf dumme Ideen gekommen, dass er in ihrem heiligen Reich herumschnüffeln könnte. Falls sie doch etwas ahnte, hätte er einfach behauptet, dass er an dem Eroge weiterspielen wollte, das sie ihm letztens so angepriesen hatte. Es war schon mehr als ironisch, dass es ausgerechnet dieser Teil von Kirinos Welt war, in den sie ihn hineinließ. Es war ihr peinlich vor ihren Eltern zuzugeben, dass sie auf Anime-Charakere wie Meruru stand, aber nicht mit ihrem Bruder Eroge zu spielen? Noch dazu waren es keine gewöhnlichen, also handelten davon, dass sich die Hauptcharakterinnen in ihren großen Bruder verliebte. Kyousuke war klug genug gewesen seine Schwester nie damit aufzuziehen. Es reichte ihm schon, wenn sie ausnahmsweise einmal nett zu ihm war. Und das war wirklich der Fall, wenn die beiden zusammen eines dieser Spiele spielten. Kirino ging darin auf und er konnte ihr die Fröhlichkeit in ihrem Gesicht ansehen. Dieselbe Fröhlichkeit… die er auch damals gesehen hatte, als er versuchte ihr das schwimmen beizubringen. Es stimmte auch ihn fröhlich, Kirino so vergnügt zu sehen, weshalb er auch einwilligte weiterhin mit ihr Eroge zu spielen. Als er die Treppe hinunter schritt, wurde die Tür geöffnet und eine bekannte Stimme drang ins Innere. „Tadaima!“, grüßte seine Mutter und Kyousuke eilte sofort zu ihr um ihr die schweren Taschen abzunehmen. Es war nicht so, dass er seinen Vater besänftigen wollte, der gerade griesgrämig zu ihm geblickt hatte, nein, es war einfach selbstverständlich für ihn. „Mama, ich habe Papa vorhin schon gefragt, aber ist es in Ordnung, wenn Manami morgen Abend zum Essen vorbeikommt?“, wollte er wissen, als er die Taschen auf den Küchentisch stellte. „Aber sicher, gerne. Ich habe genug eingekauft, du kannst deiner Freundin sagen, dass es in Ordnung geht.“ Kyousuke fühlte sich erleichtert und fragte sich ob es nicht klügere gewesen wäre, sie doch für heute einzuladen. Er hätte die Chance nutzen sollen, dass Kirino nicht hier war und die beiden keinen Streit anzetteln konnten. „Ach Mama, hat Kirino heute zufällig Training?“, fragte er beiläufig. Diese schien einen Moment nachdenken zu müssen, da sie den Terminplan ihrer Tochter selbst nicht immer kannte. „Nein, sie müsste heute diese Fotos für dieses eine Magazin schießen. Wie hieß es nochmal…“ „Fashion und andere wichtige Dinge.“, beendete ihr Vater den Satz. Dann räusperte er sich schnell und verbarg die Röte in seinem Gesicht. „Ich habe eben ein gutes Gedächtnis.“, erklärte er prompt. Kyousukes Mutter kicherte, dann machte sie sich daran die Taschen auszupacken. „Was ist? Hast du nicht Hausaufgaben zu erledigen?“, sagte Kyousukes Vater streng, als dessen Blick immer noch auf ihn ruhte. Sein Sohn nickte unverzüglich, das hatte er tatsächlich. Besonders wollte er nicht unvorbereitet an die kommende Nachhilfestunde herangehen, Manami hätte ihn zwar nicht gelyncht, wäre aber auf die falschen Gedanken gekommen. Doch Kyousuke wollte sie nicht ausnutzen, ganz im Gegenteil. Manami war eine Person, auf die er sich bis jetzt immer hatte verlassen konnte. Es war unmöglich mit seinem Vater ein richtiges Gespräch zu beginnen und die Ratschläge seiner Mutter klangen wie aus einer Familienserie. Und Kirino… Kyousuke musste innerlich lachen. Selbst wenn wir wirklich mit ihr reden konnte, wäre das Thema das im Mittelpunkt stünde, sie selbst. Ihr Bruder war ihr keineswegs wichtig, weshalb auch? Kirino war für alle der Mittelpunkt der Welt. Aber auch… für ihn? Gewollt oder ungewollt, Kirino nahm mehr Platz in seinen Gedanken ein, als er es eigentlich wollte. Doch warum war das so? Wegen den vielen Dingen, welche die beiden in letzter Zeit erlebt hatten? Neue gemeinsame Freunde, Kirinos plötzlicher Aufbruch nach Amerika, so wie Kyousukes überhaste Rückholaktion. Selbst als seine kleine Schwester zurück war, hatte sich nichts geändert. War die Entscheidung also richtig gewesen? Er hatte ihn ihr gestanden, seinen egoistischen Wunsch. Kirino hatte es in Amerika schwer gehabt, doch sie wäre bereit gewesen weiter auszuharren. Für ihre Zukunft. Doch es war Kyousuke der gesagt hatte, dass sie nicht zu jedem Preis stark sein musste, und dass er sie wieder haben wollte. Nicht, dass Mama und Papa sie zurückwollten. Nicht, dass Ayase oder Kanako nicht ohne sie auskämen. Nicht, dass ihre Otaku-Freundinnen Saori und Kuroneko das unbedingt wollten. Es war Kyousukes eigensinniger Wunsch, der sie veranlasst hatte nach Japan zurückzukehren. Sollte er sich also schuldig fühlen? Einige Minuten später hämmerte er mit seiner Faust immer wieder gegen seinen Kopf. Er wühlte sich durch eine Reihe komplizierte Kanjis, deren Sinn sich ihm einfach nicht erschließen wollte. Nach einiger Zeit gab er das Lernen auf und freute sich bereits auf Manamis Besuch. Sie war nicht nur gut darin, ihm die kompliziertesten Dinge zu erklären, nein, er konnte auch mit ihr reden. Die Probleme, die Kirinos Hobby mit sich brachten, als Kirino Streit mit ihrer besten Freundin Ayase hatte, als Kirino nach Amerika flog… . Redeten sie in letzter Zeit denn noch über etwas anderes? Es war albern, anders hätte Kyousuke es nicht bezeichnen können. Es gab ja wohl noch mehr in seinem Leben als seine kleine Schwester. Zum Beispiel waren da… Akagi, über den er stets schmunzeln konnte, da er sich in die komischsten Situationen brachte. Oder der Game-Club, in dem Kyousuke eingetreten war, obwohl er nur Ruri hatte helfen wollen. Und eben Manami. Wieder einmal wurde ihm bewusst, dass es weitaus weniger als bei Kirino war. Aber diese Dinge waren seins, etwas, was er für sich selbst hatte. Er schob das Buch über japanische Schriftzeichen beiseite und wollte gerade sein Zimmer verlassen um sich etwas zu trinken zu holen. Als er die Tür öffnete, wich er hastig zurück, da er nicht damit gerechnet hatte, jemand davor vorzufinden. Kirino wirkte ebenfalls etwas überrascht, die Hand bereits zu seinem Klopfzeichen geformt. „Hey…“, entfuhr es Kyousuke als ersten. Kirino verdrängte sofort jede Unsicherheit und wechselte zu ihrer gewöhnlichen Miene. „Gut, du bist zu Hause.“, stellte sie mit einer Spur von Erleichterung fest. „Ja, bin ich, schon eine ganze Weile. Ich habe gehört du warst bei einem Fotoshooting? Wie war es so?“, fragte er ganz harmlos. Nun veränderte sich Kirinos Miene sichtlich. „Schrecklich.“, murmelte sie dann. Kyousukes Augenbrauen zogen sich nach oben. „Inwiefern? Haben dir die Klamotten diesmal nicht gefallen, die sie dir gegeben haben?“, fragte er mit einem Schmunzeln. Doch damit schien er nur Kirinos Wut auf sich zu ziehen. „Idiot! Als ob ich mich durch sowas verunsichern lassen würde. Es ist… etwas weitaus Schlimmeres. Ich brauche deine Hilfe! Lebensberatung!“ Immer wenn Kirino diesen Satz von sich gab, fühlte sich Kyousuke wie der Präsident eines xbeliebigen Landes, der von seinem General gesagt bekam, dass sie bald angegriffen werden würden. Wie konnte man sich am schnellsten ein Problem schaffen? Ganz einfach, man musste sich nur von seiner kleinen Schwester am Arm packen und von dieser in deren Zimmer schleppen lassen. Resignierend setzte sich Kyousuke auf Kirinos Bett und sah dieser zu, wie sich unruhig und fingernägelbeißend im Zimmer auf und ab marschierte. „Willst… du mir jetzt erklären, was dich belastet?“, unternahm er dann einen Versuch. Kirino wirkte diesmal wirklich verängstigt, es musste sich also um etwas Ernsthaftes handeln. „Ich fürchte ich… habe einen Stalker!“, verriet sie dann. Kyousuke musste schlucken, damit hatte er nicht gerechnet. „Stalker?“ Kirino nickte nur aufgeregt. „Ja, du weißt schon. Dieses Perversen, die dir immer überallhin folgen und über dich herfallen, wenn du es am wenigsten erwartest.“ Kyousuke seufzte. „Ja, ich weiß, was ein Stalker ist, aber wie kommst du darauf, dass es so jemand auf dich abgesehen haben könnte?“, hakte er nach. Kirino sah für einen Moment gedankenverloren aus dem Fenster. „Während des Shootings… hatte ich das Gefühl… dass mich jemand mit einer Kamera fotografiert…“ Stille. Kyousuke kratzte sich verlegen an der Wange. „Während… eines Fotoshootings?“, glaubte er mit Nachdruck sagen zu müssen. Kirino wurde sofort wütend und warf ihm eine vernichtende Blick zu. „So meine ich das nicht! Nicht die normalen Fotographen, irgendwer macht heimlich Fotos von mir!“ Kyousuke ließ sich den Gedanken noch einmal durch den Kopf gehen, bevor er etwas erwiderte. „Vielleicht braucht Papa einfach nur neue Bilder für sein Album.“, schlug er vor. Kirino verschränkte die Arme und funkelte ihn erbost an. „Es ist nicht Papa, hörst du? Bestimmt so ein Perverser, der auf harmlose Mittelschülerinnen steht!“ Kyousuke unterdrückte bei der Bezeichnung harmlos ein Schmunzeln, nahm den Verdacht seiner Schwester aber durchaus ernst. „Und auf dem Nachhauseweg höre ich manchmal Schritte hinter mir. Doch wenn ich mich umdrehe ist niemand da!“ Kyousuke brummte nachdenklich, doch seine Schwester brach ihren erwartenden Blick nicht ab. „Das hört sich mehr nach einem Geist als einen Stalker an.“, folgerte er. Kirino verdrehte die Augen und sah etwas genauer aus dem Fenster. „Hey, glaubst du wirklich, dass dich jemand beobachtet?“ Kirino zuckte mit den Schultern. „Naja, ich bin ein Model, eine echte Schönheit eben. Wenn sich so ein Perverser auf jemanden einschießt, dann ja wohl mich.“ Kyousuke konnte ihr nur mit einem tapferen Nicken zustimmen. „Naja, auszuschließen wäre es nicht, dass du irgendeinen fanatischen Fan hast…“ Kirinos Nickten verstärkte sich und sie rückte nun näher an ihren Bruder heran. „Du… hilfst mir doch, oder?“ Selbst ohne Kirinos hilfesuchenden Blick wäre es Kyousuke auch diesmal nicht in den Sinn gekommen abzulehnen. Außerdem handelte es sich diesmal um nichts belangloses, vielleicht hatte es wirklich ein Irrer auf seine Schwester abgesehen. „Gut, ich habe die ganze Woche Aufnahmen, weil dieses Magazin Jubiläum oder so hat. Ich schlage vor, du kommst morgen vorbei und sagst mir, ob dir irgendwelche suspekte Typen auffallen.“ Kyousuke wollte schon zusagen, als ihm die Lerneinheit mit Manami wieder einfiel. „Tut mir leid, morgen ist es verdammt schlecht. Manami will kommen und wir…“ Kirino ballte die Fäuste und bedachte ihren Bruder eines ungläubigen Blickes. „Wie bitte? Ist dir diese Brillenschlange mehr wert als die Sicherheit deiner kleinen Schwester? Gut nur zu, mal sehen wie lange du noch eine hast!“ Kyousuke ließ den Kopf hängen und nickte schließlich. „Naja, wir können unser Treffen ja auch verschieben. Und zur Information, Manami ist keine Brillenschlange, sondern sehr klug. Selbst du könntest einiges von ihr lernen.“, erwiderte er. Doch Kirino war mit den Gedanken schon wieder ganz woanders. „Wie du meinst, ich gebe dir nachher die Adresse vom Park, wo morgen das Shooting abgehalten wird.“, entgegnete sie und ließ Kyousuke zurück. Dieser ließ seinen Kopf nach hinten fallen und konnte nicht glauben, dass er schon wieder einmal nachgegeben hatte. Und nun auch zu Manamis Ungunsten. Er würde sie später anrufen und ihr Treffen verschieben. Das Problem war, dass er genau wusste, dass sie Verständnis dafür haben würde, was ihn sehr belastete. Am liebsten hätte er ihr gezeigt, dass sie ihm auch wichtig war. Dass sie eine gute Freundin war, auf die er nicht verzichten wollte. Dass sie ihm genauso wichtig war wie seine kleine Schwester. Doch das stimmte nicht. Nicht, wenn er ehrlich zu sich selbst war. Selbst wenn es sich um etwas weniger drastisches gehandelt hätte, wäre er Kirinos Bitte gefolgt, das wusste er. Er hatte ihr noch nie einen Wunsch abschlagen können, und besonders nicht dann, wenn Kirinos Sicherheit nicht mehr gewährleistet wäre. Sicher, bestimmt handelte es sich nur um Panikmache. Vielleicht gab es jemanden, dem Kirino gefiel, doch das musste nicht zwangsweise bedeuten, dass dieser jemand auch gefährlich war. Falls es irgendein verknallter Junge war, würde sich Kyousuke als ihr Beschützer aufspielen und ihm klipp und klar sagen, dass er seine kleine Schwester in Ruhe zu lassen hatte. Und wenn es ein fetter Kerl in den Vierzigern wäre… gut dann erst recht. Zurück in seinem Zimmer suchte er nach seinem Handy und teilte Manami per SMS mit, dass aus dem morgigen Tag nichts werden würde. Zu viel Angst hatte er davor, ihr mit eigenen Worten erklären zu müssen, dass er ihr Kirino wieder einmal vorzog. Kapitel 2: Meine kleine Schwester könnte niemals so ehrlich sein ---------------------------------------------------------------- Es ist das normalste der Welt, Schritt für Schritt die Straße entlang nach Hause zu gehen. Unwillkürlich und selten beabsichtigt beobachtet man die Familien mit ihren Kindern in den Nachbarsgärten, sieht zu wie sie Schaukeln, sie Fußball spielen oder einfach nur im Garten herumtollen. Man spürt das Glück, die Unschuld, die diese Kinder verströmen. Es ist schön, Teil einer Familie zu sein, doch was wenn sich einem die Möglichkeit bietet selbst eine zu schaffen, mit der Person die man am meisten liebt? Es ist nichts falsch daran, oder? Wer würde bei etwas so Schönem schon denken, dass es falsch sein könnte? Und wenn es das doch ist… was genau ist wirkliches Glück dann? Es war der letzte Tag an dem noch einmal der Stoff für die kommende Prüfung wiederholt werden sollte. Kyousuke hätte seinen Kopf am liebsten so oft wie möglich gegen das Pult geschlagen, solange, bis er zerplatzt wäre. Es war Manamis aufmunterndes Lächeln, das seine Stimmung etwas hob. Er hatte ihr nichts von Kirinos Verdacht erzählt, obwohl seine kleine Schwester sonst immer das Thema Nummer 1 bei ihnen war. Gerade deshalb wollte er sie nicht mit diesem Problem nerven, das vermutlich gar keines war. Manami schob ihm nun ihren Notizblock zu und Kyousuke nahm ihn erstaunt entgegen. „Ich weiß doch, wie es dir am einfachsten fällt zu lernen. Ich habe alles so notiert, dass du auch zurechtkommen müsstest, wenn ich dir nicht zur Seite stehe.“ Kyousuke warf einen raschem Blick auf die Notizen und musste ihr rechtgeben. Alles war Ordentlich und so logisch wie er es von seiner Freundin kannte auf Papier gebracht worden. „Wow, du hast dir solche Mühe für mich gemacht? Ich weiß gar nicht wie es dir zurückzahlen kann.“, sagte er etwas reumütig. Manami schüttelte schnell den Kopf und kehrte an ihren Platz zurück. „Nicht nötig, versprich mir einfach, dass du mich möglichst bald zum Essen einlädst. Dann holen wir alles nach.“, schlug sie vor. Kyousuke stimmte unverzüglich zu, gleich nachdem er das neuste Problem seiner kleinen Schwester gelöst hatte. Er wollte Manami am Ende des Unterrichts danken, bemerkte dann aber, dass diese nicht mehr zugegen war. Seltsam, normalerweise verabschiedete sie sich immer von ihm. War sie etwa doch etwas eingeschnappt gewesen und Kyousuke hatte es nicht gemerkt, ja sogar darüber hinweggesehen? „Yo, endlich habe ich meinen Ersatzspieler für das Basketball-Match gegen die Parallelklasse!“ Der Arm fuhr so schnell um Kyousukes Schultern, dass er ihn nicht sofort wieder abschütteln konnte. Natürlich erkannte er seinen Klassenkamerad Koumei Akagi sofort, auch wenn dies keine Erklärung oder gar Rechtfertigung für sein verhalten war. „Basketball? Wovon redest du?“, hakte er nach und befreite sich schließlich von der Umklammerung. Er erinnerte sich, dass Akagi in der Basketball-AG war, doch was hatte er bitteschön damit zu schaffen? „Einer unserer Leute ist krank und da dachte ich, mein Kumpel Kousaka hat bestimmt Zeit.“, rückte er mit der Sprache heraus. Doch Kyousuke schüttelte unweigerlich den Kopf. „Tut mir leid, dafür habe ich keine Zeit, ich muss zur Gamer-AG.“ Akagi betrachtete ihn, als hätte er gerade einen Tanzkurs oder Lern-AG erwähnt. „Bist du etwa immer noch dort eingeschrieben? Ich nahm an, du besitzt keinen blassen Schimmer vom programmieren.“, erwiderte er dann. Kyousuke nickte langsam, aber zustimmend. „Schon, aber es sind nette Leute dort und ich muss mich nicht wegen etwas anstrengen.“, suchte er nach einer Ausrede. Akagi seufzte nur. „Aber meine Schwester ist dort doch auch eingeschrieben, oder? Es muss schwer für dich sein.“. glaubte er sagen zu müssen. Kyousuke stimmte ihm innerlich zu, der Umgang mit Sena Akagi war manchmal wirklich sehr anstrengend. „Aber es gibt auch noch andere nette Leute. Wie den Clubpräsidenten, Makabe, oder auch Ruri…“ Kyousuke zuckte und Akagi bemerkte es natürlich. Er hatte gerade eine Tür aufgestoßen… na gut nur etwas angetippt, die sich jetzt bestimmt nicht mehr so einfach schloss. „Ah, deine Freundin, richtig. Das hatte ich völlig vergessen.“, entgegnete er vielsagend. Kyousuke presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. „Sie ist nicht meine Freundin! Nicht… mehr…“ Akagi musterte ihn eingehend und Kyousuke wich seinem Blick aus. „Ach richtig, sie hatte dich abserviert.“, schien er sich zu erinnern. Kyousuke wollte erwidern, dass es nicht so war, doch… das wäre eine Lüge gewesen. Seit der Kurzzeitbeziehung in die ihn Ruri gedrängt hatte, war einige Zeit vergangen, inzwischen gingen sie auch wieder völlig normal miteinander um. Kyousuke hätte es ihr aber auch nicht verdenken können, wenn sie ihn ab jetzt hasste. Sie waren für mindestens eine Woche ein Paar gewesen, doch er selbst hatte nie mehr als Freundschaft darin gesehen und Ruri damit nur zusätzlich verletzt. Ihm selbst war es nie klar gewesen, dass er so eine schlechte Entscheidung getroffen hatte. Er wollte Kirinos Freundin eine Freude bereiten, immerhin musste er dafür nicht viel tun, hatte er erwartet. Doch Ruri hatte sich mehr versprochen, etwas das Kyousuke ihr nicht hatte geben können. „Na, wenn es unbedingt sein muss. Dann frage ich eben jemand anderes. Bis Morgen und grüß Sena-chan von mir.“, ließ Akagi von ihm ab und Kyousuke verabschiedete sich. Er packte seinen Rucksack und schritt in Richtung Korridor. Er musste lediglich das Stockwerk wechseln um vor der Tür des „Game-Forschungs-Clubs“ zu stehen. Er dachte daran anzuklopfen, hörte aber bereits die Soundgeräusche verschiedener Shooter und RPGs von draußen. Niemand würde das Klopfen hören, es spielte also keine Rolle. Er öffnete die Tür und stieß einen Gruß aus. Niemand achtete auf ihn, alle schienen bereits am Testen ihrer neuen Spiele zu sein. Er sah die Zwillinge, die zeitgleich an einem Science-Fiction Game arbeiteten, sowie Makabe, der sich gerade um die Verpflegung der Club-Mitglieder kümmerte. Auch der Präsident war in seinen Laptop vertieft und schenkte Kyousuke nur einen abwesenden Blick. „Oh, Kousaka-kun, schön, dass du uns heute wieder beehrst.“, grüßte ihn zumindest Wakabe und Kyousuke erwiderte diesen. „Ahhhh!“ Der Schrei kam aus Richtung der noch offenen Tür, doch keiner machte Anstalten sich umzudrehen. Zu eindeutig war die Stimme und die Reaktion für alle. Die Zwillinge hauchten ein ‚Pssst’ heraus, doch Sena Akagi, die jüngere Schwester von Kyousukes Klassenkameraden, ließ sich nicht bremsen. „Ich hatte gehofft, heute auf dich zu treffen!“, verriet sie und Kyousuke trat instinktiv zurück. In Senas Gesicht war ein Grinsen aufgetaucht, das er nicht richtig werten konnte. Man konnte nie vorhersagen, was im Kopf dieses Mädchens vor sich ging. Nicht, dass Kyousuke jemals den Wunsch gehegt hätte, in den Kopf einer Fujoshi sehen zu wollen… Ohne Vorwarnung zog sie nun einen Fotoapparat aus ihrem Schulranzen und hantierte damit herum. Kyousuke überlegte, ob er sich wegdrehen sollte, doch dann war es bereits zu spät. Sena hatte mehrere Aufnahmen von jedem nur möglichen Winkel geschossen. „Hey, kannst du mir erklären, warum du Fotos von mir machst?“ Senas Grinsen verschärfte sich nur und sie kicherte heisern. „Das musst du nicht wissen…“, murmelte sie in sich hinein. „Natürlich, muss ich das!“, erhob Kyousuke seine Stimme, doch gegen Sena kam er nicht an. Sie verstaute den Apparat wieder in ihrem Ranzen und der Junge konnte nur hoffen, dass Sena nichts Unmoralisches mit den Fotos anstellen würde. „Bereite dich schon einmal darauf vor, zum Gespött der Schule zu werden.“ Kyousuke war so mit Sena ins Gespräch vertieft, dass er die weitere Person nicht wahrnahm, die den Club betreten hatte. „Hey…“, brachte er lediglich heraus. Auch Sena war ihre Rivalin nicht entgangen und schon stellte sie sich ihr in den Weg. „Was hältst du von mir? Das ist lediglich für meine Privatsammlung, hast du verstanden?“ Man konnte die Funken zwischen ihr und Ruri förmlich spüren. „Das macht es nur leider nicht besser…“, ermahnte Kyousuke, wurde aber weitestgehend ignoriert. Dasselbe galt nun auf für Sena, denn Ruri setzte sich und begann ein mitgebrachtes Buch zu lesen. „Na wie ihr meint, ihr wisst wahre Kunst einfach nicht zu schätzen. Ich muss dann los, man sieht sich!“, meinte sie und trat den Rückzug an. Niemand hielt sie auf, weshalb auch? Kyousuke räusperte sich und setzte sich auf den leeren Stuhl neben seiner Ex-Freundin. „Na? Was hast du heute noch so vor?“, versuchte er ein Gespräch zu beginnen. Ruri antwortete prompt, ohne ihn aber direkt anzusehen. „Nicht viel, etwas lesen und was sonst noch anfällt.“ Es war Mittwoch und Kyousuke wusste, dass an diesem Tag immer Ruris Lieblingsserie Maschera ausgestrahlt wurde. Doch er beschloss diese Tatsache lieber nicht anzusprechen, denn seit die Serie abgesetzt wurde, reagierte sie jedes Mal gereizt auf dieses Thema. „Und was ist mit dir?“ Kyousuke lächelte verlegen und begann von Kirinos Einladung zu erzählen, sie am Set zu besuchen. Die Tatsache, dass er dafür extra die Lerneinheit mit Manami verschoben hatte, verschwieg er natürlich. „Du… kannst mitkommen.“, schlug er schließlich vor. Nun funkelte Ruri ihn doch an und zwar mit einem kühlen, ungläubigen Blick. „Ich werde wir nun exakt 300 Dinge aufzählen die ich lieber tun würde.“, begann sie, doch Kyousuke konnte sie noch rechtzeitig bremsen. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass dem Mädchen wirklich so viele Dinge einfallen würden, doch darauf konnte er lebhaft verzichten. „Vergiss einfach was ich sagte. Aber wenn ich hier nicht mehr gebraucht werde, verabschiedete sich mich auch gleich wieder. Viel Erfolg noch, allesamt.“ Makabe und die Zwillinge ließen sich tatsächlich dazu herab ihn zu verabschieden, während Ruri distanziert blieb und der Clubpräsident ohnehin in seiner eigenen Welt verweilte. Draußen auf dem Gang blickte er auf die Uhr und bemerkte, dass ihm noch eine Stunde blieb, bis Kirinos Fotoshooting beginnen würde. Anders als sein Vater war er nie bei einem zugegen. Er fragte sich innerlich, wie es sich wohl anfühlen würde. Als er endlich am Park ankam, wo das Fotoshooting stattfand, fühlte er sich reichlich deplatziert. Er hatte erwartet sich irgendwo setzen und dem Treiben zusehen zu können, aber nein, er musste zusammen mit den anderen schaulustigen am Rand stehen bleiben und zusehen. Mit den anderen Schaulustigen… als ob er irgendjemand wäre. Er war der Bruder des Models, Kirino hatte ihn schließlich extra gebeten hier in Erscheinung zu treten. Aber ein Gutes hatte die Position in der er sich befand. Niemand verdächtigte ihn, sollte Kirino wirklich einen heimlichen Stalker haben, könnte er die Leute in aller Ruhe beobachten. So hatte er es sich zumindest gedacht. Die Scharren an Leute wechselten ständig und einige zogen ihre Handys um das Shooting selbst zu fotografieren. Meinte Kirino diese Kerle als sie sagte, sie glaubte heimlich fotografiert zu werden? Keiner von ihnen sah auf irgendeine Weise besessen aus, bildete sich seine kleine Schwester also alles nur ein? Er hatte Kirino im Blickfeld und wunderte sich einmal mehr über eines ihrer Talente. Ständig drehte sie sich und lächelte in die Kamera. Aber war dieses Lächeln nur aufgesetzt? Nein, Kyousuke wusste, dass seine kleine Schwester wirklich Spaß dabei hatte. „OK! Schluss für heute!“, rief der Redakteur dazwischen und auch die Schaulustigen verzogen sich einer nach dem anderen. Kyousuke brummte und schritt mit weiten Schritten auf Kirino zu. Unerwartet schob sich ein Angestellter vor ihn und hielt ihn auf. „Tut mir leid, geschlossene Veranstaltung.“, erklärte er dem Schüler. Kyousuke wollte sich gerade rechtfertigen, doch scheinbar kam ihm jemand zuvor. „Nein, das geht schon in Ordnung. Kyousuke-kun ist Kirino-chans großer Bruder, ich verbürge mich für ihn.“ Der Angestellter wirkte sofort besänftigt, doch Kyousuke brauchte etwas um den Jungen zu identifizieren, der nun zusammen mit Kirino in seine Richtung schritt. „Mikagami…richtig?“, stammelte er nun. Der Schönling grinste und reichte Kyousuke die Hand. „Schön, dich einmal wieder zu sehen.“ Kirino wirkte immer noch angespannt und wühlte in ihren Sachen. „Gleichfalls… aber was hast du hier zu suchen?“, hakte Kyousuke nach. Das erzeugte Überraschung in Mikagamis Gesicht, die er schwerlich verbergen konnte. „Kirino-chan, hast du ihm nicht erzählt, dass ich ebenfalls als Model tätig bin?“ Kyousukes kleine Schwester presste ihre Lippen zusammen und zuckte mit den Schultern. Kyousuke wusste natürlich, dass Kirino von alleine nie auf die Idee kommen würde ihm von ihrem Leben zu erzählen, ließ es aber auf sich beruhen. Und auch, dass Mikagami im Modelgeschäft tätig war, war nichts Erstaunliches. Selbst seine Mutter war ganz hin und weg von ihm gewesen, als es einmal dazu gekommen war, dass er Kirinos Freund hatte spielen müssen. „Ich hatte nicht erwartet, dass du dich so für Kirino-chans Arbeit interessierst.“, flötete Mikagami nun. „Ich auch nicht.“, erwiderte Kyousuke unschuldig und sah dann zu seiner kleinen Schwester. „Du weißt, die Leute fotografieren solche Attraktionen ständig! Bist du sicher, dass einer davon zu weit gehen könnte?“ Mikagami brauchte etwas, um den Faden aufzufangen. „Geht es etwa um den Typ der letztens weggerannt ist, als wir den Heimweg angetreten sind?“, hakte er nach und Kirino nickte schwach. „Jetzt sag nicht wieder, dass es nur ein Kind gewesen sein könnte. Gestern war es nämlich schon das zweite Mal!“, rechtfertigte sie sich. Mikagami schwieg, da er scheinbar nicht wusste, wie er sie beruhigen sollte. „Ihr beide verlasst das Set also immer gemeinsam? Warum brauchst du denn mich, Mikagami scheint doch ein würdiger Beschützer zu sein.“, wand Kyousuke ein und brachte das männliche Model so in Verlegenheit. „Nur, dass Mikagami-kun nichts ernst nimmt!“, beschwerte sie sich. „Gut, dann schlage ich vor, dass wir langsam den Heimweg antreten. Ich begleite euch bis zur Bahn-Haltestelle, einverstanden?“, schlug Mikagami vor und die Geschwister nickten zustimmend. Es war schneller dunkel geworden als einkalkuliert und Kirino sah sich nach allen Seiten um. Dann fuhr sie sich mit den Händen an den Oberarmen entlang und presste die Lippen zusammen. „Hier…“ Skeptisch sah sie erst zu Mikagami, dann zu ihrem Bruder. Beide hatten fast zweitgleich begonnen ihre Jacken abzustreifen. „Nein danke.“, erwiderte sie kühl und beschleunigte ihren Schritt. Kyousuke sah zu Mikagami, doch nichts konnte dessen Lächeln bremsen. Und dann das Geräusch. Es klang, als wäre der Deckel eines Abfalleimers hinabgefallen. Nur eine Katze, oder… „Ihr bleibt hier!“, befahl Kyousuke und begann zu laufen. „Hey warte!“, wollte sich Mikagami dies nicht gefallen lassen und folgte ihm. „Ihr lasst mich einfach so zurück?“, konnte es Kirino nicht fassen. Kyousuke und Mikagami waren inzwischen um die Ecke gebogen, und fanden den Tatort vor. Nichts Seltsames war daran zu erkennen und Kyousuke wollte bereits umkehren. Doch Mikagami bückte sich und hob etwas auf. „Ist das… ein Handyanhänger?“, glaubte Kyousuke fragen zu müssen. Mikagami nickte schwach, es war ein rotes Band mit dem Gesicht eines männlichen Animecharakters darauf. „Ahhh!“ Der Schrei stammte eindeutig von Kirino. So schnell die beiden ihre Beine trugen, hasteten sie zurück und standen kurz darauf vor ihr. „Hilfe! Verjagt ihn!“, kreischte Kirino weiter. Kyousuke wand seinen Blick und starrte skeptisch in die Augen eines schwarzen Labradors. Dieser ließ lässig die Zunge heraushängen und wiegte den Kopf. „Kirino-chan, ich denke nicht, dass du dir wegen dem Sorgen machen musst.“, redete Mikagami beruhigend auf sie ein. Doch als Kirino keine Anstalten machte, den Labrador einfach zu ignorieren, schritt Kyousuke auf ihn zu und winkte mit der Hand. „Los, hau schon ab. Husch husch!“ Keine Regung, der Labrador schien ihn nicht zu verstehen, worauf Kyousuke näher schritt. „Ich sagte Husch…“ Dann geschah es. Kyousuke reagierte zwar instinktiv und zog seine Hand zurück, doch der Labrador hatte bereits danach geschnappt. „Verdammt!“, fluchte der Oberschüler und taumelte zurück. „Das Ding ist ja gefährlich!“ Mikagami stürzte zu ihm, doch der Hund schritt nicht näher. „Das wohl kaum, durch deine Handbewegung nahm er an, dass du ihn füttern wolltest.“, klärte er das Missverständnis auf. Kyousuke fluchte nur. „Aber doch nicht mit meiner Hand!“ Er betrachtete sie eingehend, es blutete, wenn auch nicht stark. Der Hund hatte inzwischen die Flucht ergriffen und Mikagami blickte auf seine Armbanduhr. „Tja, Reinfall. Wir können den Spaß ja gerne Morgen wiederholen, aber ich muss jetzt meinen Zug erwischen. Du solltest die Wunde desinfizieren, es ist ja nicht mehr weit bis zu eurem Haus.“, meinte er und verabschiedete sich dann von den Geschwistern. „Man… du bist wirklich nutzlos. Du solltest dem Kerl eine Lektion erteilen und dann legst du dich auch noch mit einem harmlosen Köter an!“, warf ihm Kirino vor, als Mikagami verschwunden war. Kyousukes Stirn zog sich in Falten. „Was soll das den bitte heißen? Ich bin nur hier um dir zu helfen und das ist der Dank?“, keifte er zurück. Kirino drehte zickig ihren Kopf weg und setzte ihren Weg fort. Kyousuke presste seine heile Hand auf die verletzte und begleite seine Schwester das restliche Stück bis zu ihrem Haus. „Ich bin in meinem Zimmer.“, informierte sie ihn und Kyousuke seufzte nur. Was hatte er von diesem Tag schon erwartet? Er sah sich um, doch Mama und Papa schienen noch nicht zu Hause zu sein. Wo verdammt, hatten sie Desinfektionsmittel, oder Jod? Er sah im Bad nach, fand es aber nicht. Also gab er auf und beschloss sich in seinem Zimmer einfach ein Pflaster überzukleben. Kaum hatte er sich auf sein Bett fallen lassen, sprang seine Tür auf und Kirino stand vor ihm. „Man, lauf nicht ständig weg. Das Desinfektionsmittel lag im Keller herum.“, verriet sie ihm und schritt näher. Ungläubig beobachtete Kyousuke wie seine kleine Schwester nun etwas aus der Flasche auf ein Stück Watte tropfte und dann näher kam. „Halt still!“, beschwor sie ihn und dieser folgte brav. Es brannte, als Kirino das Mittel auf die Wunde tropfen ließ. Wie ein Feuer, das sich schnell über Kyousukes Hand ausbreitete. Aber nur für einen Moment. Kirino hatte schnell ein Pflaster parat und klebte es auf die Wunde. „So… das dürfte wohl reichen.“, befand sie und wollte wieder gehen. „Hey… jetzt warte doch mal!“, hielt sie ihr Bruder auf. „Was?“, fragte Kirino, etwas eingeschnappt klingend. „Ach, nur… danke.“, brachte er heraus und ließ Kirino dann ziehen. Er ließ sich in sein Bett fallen und betrachtete das Pflaster. Obwohl er erst vorhin von einem aggressiven Hund – na gut, einem missverstandenen Hund – angefallen worden war, schlich sich ein Lächeln über sein Gesicht. „Kirino, damit ist nicht zu spaßen! Du solltest dich nicht in der Nähe dieses Perversen herumtreiben!“, warf ihr Ayase vor. Kirino wehrte aber schnell ab. „Achwas, vielleicht habe ich mir das ja auch alles nur eingebildet.“, wollte sie ihre beste Freundin nicht beunruhigen, auch wenn sie es selbst nicht glaubte. „Nein, ich spreche natürlich von Onii-san! Nachts allein mit deinem Bruder durch die Straßen zu schleichen… was da alles passieren könnte!“ Kirino ließ ihren Kopf auf die Tischplatte fallen. „Er wollte mir nur helfen. Und Mikagami-kun war ja auch noch dabei.“, glaubte sie anmerken zu müssen. „Weißt du was, ich werde dich heute begleiten.“, schlug Ayase vor, doch Kirino wehrte sofort ab. „Nein, du bist für dieses Shooting gar nicht eingeteilt und hast ohnehin viel zu tun.“, erinnerte sie ihre Freundin. Doch Ayase wollte sich damit nicht zufrieden geben. „Ich lasse meine beste Freundin doch nicht einfach so im Stich!“, beharrte sie. Kirino ergriff ihre Schultern und nickte ihr zu. „Du übertreibst! Mein Bruder begleitet mich heute wieder nach Hause, das musste er mir versprechen. Stell dir vor, es wäre wirklich ein Perverser hinter mir her, dann würde er sich zuerst auf dich stürzen!“ Dieser Gedanke gefiel Ayase natürlich wenig und natürlich war Kyousuke ein wesentlich bessere Beschützer als sie selbst. Schließlich willigte sie ein, nichts zu unternehmen und wünschte Kirino viel Glück für das Shooting. Eine Stunde nach der Schule war es dann wieder soweit. Die Arbeit fiel Kirino heute sichtlich schwerer, etwas belastete sie. War es wirklich dieser Stalker, oder… Sie blickte zu den Passanten und runzelte die Stirn. Sie konnte ihren Bruder nirgends entdecken. Doch, ganz hinten, völlig unscheinbar schlich er entlang und beobachtete die Leute. Sie musste grinsen, auf Kyousuke konnte sie sich verlassen wenn es darauf ankam. Seine bloße Anwesenheit schien ihr neue Kraft zu geben und den Kameraleuten das zu geben, wonach zu gierten. Als das Shooting endlich fertig war, war sie es auch. Mikagami hatte heute nicht arbeiten müssen, dieser Glückspilz. Kyousuke trat diesmal nicht auf sie zu, er wartete brav an der Seitenlinie und winkte ihr zu, als sie endlich im Begriff war zu gehen. „Ich weiß, du musst ziemlich stolz auf deine kleine Schwester sein.“, begrüßte sie ihn auf ihre eigene Weise. „Ja ja…“, erwiderte Kyousuke nur und zusammen traten sie den Heimweg an. Beide gingen nur sehr langsam, so dass er genauso schnell dunkel wurde wie gestern. Es war Kyousukes Idee gewesen, er wollte den möglichen Stalker auf frischer Tat ertappen. Noch rührte sich nichts, doch Kirino rieb sich wieder über die Oberarme. „Ist dir kalt?“, hakte ihr Bruder nach, doch Kirino verneinte. „Nein.“ Kyousuke seufte. „Ich sehe es doch. Warte, du kannst meine Jacke…“ Kirino fuhr herum und blickte ihn erbost an. „Kannst du mir nicht zuhören? Ich sagte nein! Mach einfach um was ich dich gebeten habe!“, blaffte sie und nun wurde auch Kyousuke sauer. „Na hör mal, ich versuche dir lediglich zu…“ Weiter kam er nicht. Ein Licht, ein kurzes Aufflackern kam aus einer der Gasse. Eine Kamera, vielleicht? Kyousuke nahm seine Beine in die Hand und Kirino folgte ihm. Beide hörten Schritte die sich immer schneller entfernten. So nicht, dachte Kyousuke. Der Kerl würde ihm nicht entkommen! Er kannte die Örtlichkeiten und wusste, dass der Stalker direkt auf eine Sackgasse zusteuerte. Mit triumphierenden Gesicht erhöhte er sein Tempo um die Überraschung des Typs auszunutzen. „Jetzt habe ich di…“, begann er, stutzte er unverzüglich. Der Stalker war in eine Falle geraten, doch mit dem Anblick der sich Kyousuke und Kirino bot, hatten sie nicht gerechnet. „Hey… dich kenne ich doch…“, fiel es Kirino als erste auf. Kyousuke hob eine Augenbraue und musterte den Typen vor sich. Oder nein, es war kein Typ, sondern ein Mädchen. Eines, das Kyousuke sogar recht gut kannte, da sie denselben Club besuchten. „Sena…san?“, staunte er nicht schlecht. Tatsächlich, vor den beiden presste sich eine panische Sena Akagi gegen die Wand, in einer Hand eine Digital-Kamera. „Kousaka-senpai… Kirino-chan… was für eine Überraschung euch hier zu treffen! Ich war zufällig in der Gegend…“ Zwecklos. „Verkauf uns nicht für dumm! Du hast heimlich Fotos von uns geschossen, es hat keinen Sinn das noch zu leugnen!“, behaarte er darauf. Sena schluckte und beschloss aufzugeben. „Das… war aber nicht meine Schuld! Ich hatte erwartet Mikagami-san hier zu treffen. Warum begleitet er euch heute nicht?“, wurde ihre Stimme schnell aufbrausend. Kyousuke sah sie verwirrt an. Was hatte Mikagami hiermit zu tun? „Er musste heute nicht, arbeiten, warum fragst du?“, hakte Kirino nach. Sena wirkte etwas verlegen, antwortete dann aber doch noch. „Naja… Ich wollte einfach ein paar Fotos von ihm schießen… so ganz natürlich, anders als beim Set, versteht ihr?“ Kirino und Kyousuke verstanden aber kein Wort. „Achso… die letzten Tage hattest du es also auf Mikagami abgesehen und nicht auf meine Schwester?“, schien letzter langsam zu verstehen. Sena nickte immer wieder bekräftigend. Kirino wirkte erleichtert. Aber trotzdem verwirrt. „Aber warum schießt du heimlich Fotos von Mikagami-san?“, wollte sie wissen. Sena kratzte sich verlegen an der Wange. „Nun… von Kousaka-senpai welche zu knipsen ist einfach, da er auf meine Schule geht. Aber bei Mikagami-san wird das schwieriger. Aber ich brauche dringend Fotos von beiden für meinen ähh… meine Foto-Lovestory.“, rückte sie nun mit der ganzen Wahrheit heraus. Kirino wich angewidert zurück. „Foto… was? Was bist du, eine Fujoshi?“, fragte sie perplex. Kyousuke konnte nur resigniert nicken. „Sie ist die Königin der Fujoshis, falls du das nicht wusstest.“, half er ihr auf die Sprünge. Sena trat nun nach vorne und verbeugte sich. „Es tut mir aufrichtig leid! Ich wusste, ihr hättet mir nie erlaubt welche zu schießen, wenn ihr die Wahrheit gekannt hättet.“ „Verdammt, das hätten wir wirklich nicht!“, schrie Kyousuke und schnappte sich die Kamera. In sekundenschnelle waren alle Bilder, die einem zweifelhaften Zweck zur Verfügung gestellt worden wären, gelöscht. Sena brach in Tränen aus, in angebracht ihres gescheiterten Projekts. „Nein! Wie gemein! Das erzähle ich Onii-chan!“, beschwerte sich und trat dann den Rückzug an. Kirino fuhr sich mit der Hand auf die Stirn und seufzte. „Das war es also…“, murmelte sie. „Sieh es doch mal so, es hätte wirklich jemand Gefährliches sein können.“, erinnerte er sie. Kirino nickte und drehte sich dann um. „Wollen wir… nach Hause gehen?“, schlug sie vor. Kyousuke besaß natürlich keinerlei Einwände. „Ja… gehen wir nach Hause.“ Zu Hause gelang es ihnen sich erstmals von dem Schrecken zu erholen. Ihre Eltern waren auch heute nicht zugegen, sicher weil ihr Vater länger arbeiten musste und ihre Mutter eine Freundin im Haushalt half, nachdem diese erkrankt war. „Du musst Sena verzeihen, sie ist manchmal etwas…“, begann Kyousuke, doch Kirino schien bereits wieder darüber hinweg zu sein. „Ich bin müde.“, sagte sie stattdessen. Kyousuke nickte und sah Richtung Küche. „Ich kann uns noch Tee machen wenn du willst.“, schlug er vor. Kirino zuckte mit den Schultern und schritt dann die Treppe hinauf. Kyousuke hatte es lange aufgegeben ein Bitte oder Danke zu erwarten. Also stellte er eine Kanne heißes Wasser auf und durchsuchte die Schränke nach Tee. In der Ecke fand er einen letzten Vorrat an Fukuyu, einen Tee den Kirino besonders gern wegen seines Dufts mochte. Er nutzte die Gelegenheit um etwas aufzuräumen, dann füllte er den Tee in zwei Tassen und schlenderte die Treppe nach oben. Er klopfte an Kirinos Zimmertür und vernahm ein ‚Mhm’, das er als Eintrittserlaubnis wertete. Seine kleine Schwester schien sich bestens erholt zu haben, denn sie hockte bereits wieder vor dem Laptop und spielte eines ihrer Eroge. „Lass ihn nicht kalt werden.“, meinte Kyousuke und wollte sie dann in Frieden lassen. „Warte… Aniki…“, sagte Kirino darauf und etwas zog sich in Kyousuke zusammen. Es begann nie gut, wenn seine kleine Schwester dieses Wort aussprach. Natürlich, er war ihr großer Bruder, wie sollte sie ihn sonst nennen? Das Verhältnis der beiden war lange Zeit angespannt gewesen, weshalb er sich eigentlich darüber hätte freuen müssen. Doch immer wenn Kirino dieses Wort benutzte, zeigte sie sich offener ihm gegenüber. „Was genau… bin ich eigentlich für dich?“, wollte sie wissen. Kyousuke wich beinahe einen Moment zurück. „Was du für mich bist? Du bist natürlich meine kleine Schwester!“, meinte er selbstverständlich. Kirino wich seinem Blick aus. „Deine… nervige kleine Schwester?“, wollte sie wissen und setzte sich auf ihr Bett. Das überraschte Kyousuke zusehends. „Wie kommst du jetzt darauf?“, hakte er nach. Kirino presste die Lippen zusammen und sah zu Boden. „Du hattest anderes zu tun, aber ich war wie immer selbstsüchtig und habe dir meine Probleme aufgehalst. Und am Ende hat sich herausgestellt, dass ich dich gar nicht gebraucht hätte. Ich meine… ich war natürlich dankbar, dass du dabei warst, nur ich…“ Als Kyousuke plötzlich zu kichern begann, wirkte Kirino reichlich verwirrt. Er setzte sich auf die Bettkante und stupste seinen Finger gegen Kirinos Schläfe. „Ich hatte nicht erwartet, dass dieser vermeintliche Stalker so viel Selbstkritik in dir wachrufen würde.“, meinte er belustigt. Kirino wurde rot und sofort kam die gewohnte Wut in ihr auf. „Man! Du nimmst mich einfach nicht ernst! Dummer Aniki!“, brauste sie auf. Kyousuke hob abwehrend die Hände, zum Zeichen des Friedens. „Ich helfe dir doch gerne, das war kein Problem.“, wollte er keine große Sache daraus machen. Doch für Kirino schien sie das zu sein. „Aber du hast auch dein eigenes Leben und ich kann manchmal wirklich egoistisch sein.“, wand sie ein. Kyousuke war umso überraschter, wie ehrlich Kirino plötzlich war. „Ich sagte doch, es wäre kein Problem, oder? Den Tag mit Manami kann ich jederzeit nachholen und der Club hat auch keine Priorität. Und da Ruri und ich uns getrennt haben, habe ich ohnehin mehr Zeit zur Verfügung.“, stellte er nochmal klar. Kirino betrachtete ihn verdutzt. „Wer… ist Ruri?“, hakte sie nach. Kyousuke stutzte einen Moment. „Na… Ruri eben.“, konnte er dem Ganzen nicht folgen. Kirinos Blick wurde noch verwirrter. „Deine Freundin? Kuroneko?“, startete er einen weiteren Versuch. Kirinos Augenbrauen zogen sich zusammen. „Ach… die heißt in Wirklichkeit Ruri?“, staunte sie nicht schlecht. Kyousuke wich vor seiner eigenen Schwester zurück. „Wa... wa… warte mal! Sie gehört zu deinen Freundinnen und du kanntest nicht einmal ihren richtigen Namen?“, konnte er es nicht glauben. Kirino rollte mit den Augen. „Na und? Es ging doch nur um diese dumme Ziege, da ist der Name nicht so wichtig.“ Kyousuke spürte ironischerweise Erleichterung, dass sich seine wahre Schwester wieder zeigte. Ihr sentimentales Station schien geendet zu haben. Er klatschte sich gegen die Stirn und seufzte hörbar. „Diese Seite an mir… muss dir wirklich zuwider sein, oder?“, fragte Kirino nun teils stoisch. Kyousuke musterte sie einen Moment eingehend. „Du bist eben… gewöhnungsbedürftig…“, glaubte er sagen zu müssen. Kirino sah ihm schließlich direkt in die Augen. „Aber du… hast dich an mich gewöhnt? Klar, du bist auch mein Bruder. Man muss sich mit den Eigenheiten seiner Familie arrangieren, egal ob sie einem gefallen oder nicht.“, entkam es ihr. Kyousuke schüttelte unverzüglich den Kopf. „So ist es nicht! Klar, du stellst dich oft über andere, machst was dir gefällt, ohne erst an andere zu denken, bist in allem besser als ich und durch dich habe ich erst erfahren was das Wort Tsundere wirklich bedeutet. Aber… Aber selbst wenn du nicht meine kleine Schwester wärst, würde ich dich unbedingt kennen lernen wollen.“, sagte er mit fester Stimme. Kirino konnte ihren Unglauben nun nicht mehr verbergen. „Aber… wieso? Wieso würdest du in der Nähe von jemandem wie mir sein wollen, wenn du es nicht müsstest?“ Kyousuke öffnete seine Lippen, doch nichts kam heraus. Er hatte es ehrlich gemeint, er würde auf jedenfall bei Kirino sein wollen, ihr jeden Wunsch erfüllen, selbst ohne die Pflicht der Verwandtschaft. Es war diese Gewissheit, die über ihn hereinbrach. „Ich… weiß es nicht.“, sagte er stattdessen. Kirino schluckte und rückte unwillkürlich näher an ihren Bruder heran. „Aber… du hast doch noch diese Brillentussi. Und diese nervige Goth-Loli! Warum würdest du ausgerechnet mich, ihnen vorziehen?“, konnte sie ihm nicht folgen. Kyousuke blickte zur Seite und dachte ernsthaft darüber nach. „Manamis Großeltern wollen uns ständig verkuppeln. Und Ruri sagte mir, sie müsse sich von mir trennen, weil unser beider Gefühle einfach nicht identisch sind.“ Kirino ergriff seine Hand, etwa als eine Art Trost? „Denkst du auch so? Oder wärst du gerne mit ihr zusammengeblieben?“, schien ihr diese Frage äußerst wichtig zu sein. Kyousukes und ihre Blicke trafen sich. „Denkst du… es wäre in Ordnung gewesen, weiterhin mit ihr zu gehen?“, bat er um ihren Rat. Kirino schüttelte leicht, kaum merklich den Kopf. „Wa… warum nicht?“, wollte er es genauer wissen. Kirino drückte seine Hand fester und rückte noch näher. „Darum.“, flüsterte sie und drückte ihre Lippen sanft auf Kyousukes Wangen. Dieser erstarrte auf die eine Sekunde zur anderen zu Stein und war unfähig sich zu bewegen. „Darum.“, flüsterte sie erneut und küsste Kyousukes Mundwinkel. Es war, als stünde er in Flammen und war durch den Schock gelähmt. „Darum.“, flüsterte sie ein drittes Mal und drückte ihre Lippen auf die ihres Bruders. Sie waren so sanft, so unglaublich sanft, dachte er. Kirino hatte ihre Augen geschlossen, Kyousuke dagegen behielt sie weit offen. Ungläubig sah er dabei zu, wie seine Lippen mit denen seiner kleinen Schwester verschmolzen. Das Feuer hatte sie beide eingehüllt, doch es fühlte sich unglaublich schön an. Etwas Schöneres, hatte Kyousuke noch nie zuvor in seinem Leben gespürt. Dieses nie enden wollende Gefühl, nahm nun doch ein Ende, als beiden bewusst wurde, was sie gerade taten. Kirino wand den Kopf ab und stürmte aus ihrem Zimmer. Eigentlich hätte es Kyousuke sein müssen, schließlich gehörte der Raum seiner Schwester. Er überlegte, ob er ihr folgen sollte, doch er wusste ja selbst nicht, wie er ihr gegenübertreten sollte. Langsam strich er sich über die Lippen. Er spürte immer noch den Mund seiner Schwester auf ihnen. Dieses Gefühl sollte sich nie wieder einstellen, obgleich er wusste, wie falsch es war. Er hörte das Wasser im Badezimmer rauschen. Ekelte sich Kirino vor dem, was sie getan hatte? Kyousuke tat dies nicht, ihn ihm drang sich der Wunsch auf, zu Kirino zu laufen und sie in den Arm zu nehmen. Aber sollte er das wirklich? Kirino war nicht ohne Grund weggelaufen. Es war das klügste, wenn er in seinem Zimmer wartete, selbst wenn es ihn auffressen sollte. Kirino müsste selbst zu ihm kommen, wenn sie verstanden hatte, was da gerade zwischen den beiden geschehen war. Zurück in seinem eigenen Reich ließ er sich aufs Bett fallen und starrte an die Decke. Er hatte seine eigene, kleine Schwester geküsst, war er inzwischen völlig verrückt geworden? Aber warum… hatte er es dann so genossen? Die ganze halbe Nacht wartete er vergebens auf Kirino. Dann schlief er schließlich ein. Kapitel 3: Die Lippen meiner kleinen Schwester können unmöglich so sanft sein ----------------------------------------------------------------------------- Am Morgen trottete er müde in die Küche und blickte erst zu seiner Mutter, dann zu seinem Vater. Beide betrachteten ihn mit einem skeptischen Blick. Hatte Kirino etwa mit ihnen gesprochen? Aber mit ihrem eigenen Bruder nicht? Hatte sie ihnen erzählt, dass er über sie hergefallen wäre und einen Kuss erzwungen hätte? Nur um sich zu retten? „Wie siehst du heute aus, Junge? Geh ins Badezimmer und komme nicht wieder bevor du ordentlich aussiehst. Zuvor gibt es kein Frühstück, kapiert?!“, wies ihn sein Vater an. Kyousuke nickte unverzüglich und blickte sich in der Küche um. „Kirino…“, begann er, bevor ihn seine Mutter aufklärte. „Ist bereits zur Schule, sie murmelte etwas von Training.“ Kyousuke nickte verstehend und schlich dann ins Bad. Er wusch sich und warf danach einen Blick in Kirinos Zimmer. Nichts schien sich verändert zu haben. Er trat ein und musterte das Bett. Dort hatte Kirino gesessen und ihm ihre sanften Lippen und die seinigen gedrückt. Er strich mit der Hand über das Lacken, es war noch warm. Kirinos Wärme. Zurück in der Küche schlang er hastig sein Frühstück hinunter und verließ das Haus. In der Nähe der Schule, stieß dann Manami zu ihm. „Guten Morgen, Kyou-chan!“, sagte sie vergnügt, doch Kyousukes Blick sprach Bände. Dennoch riss er sich zusammen, aus Angst, Manami könnte nachhacken was mit ihm los sei. Er sprach zwar oft mit ihr über seine Probleme mit Kirino, doch bei diesem einen war es unmöglich. „Alles in Ordnung?“, wollte sie wissen. „Ja… ich habe nur schlecht geschlafen.“, fertigte er sie ab. „Hat dich Kirino-chan wieder wach gehalten?“ Kyousuke sah seine Freundin ungläubig an. „Na, wegen ihrem Problem. Konntest du es für sie lösen?“, ging sie ins Detail. Schnell beruhigte sich der Oberschüler wieder und nickte. „Ja…. Alles in Ordnung.“, antwortete er knapp. „Kann… ich dich etwas fragen?“, wollte er schließlich von Manami wissen. Es ging einfach nicht anders, er musste mit jemandem über das Ereignis reden. „Du weißt doch… dass Ruri und ich kurze Zeit zusammen waren, oder?“, begann er es auf diese Weise. Manamis Blick wurde ernster, doch sie nickte. „Wir trennten uns, weil sie wusste, dass ich keine romantischen Gefühle für sie hege.“ Wieder nickte sie. „Sie hat sich dazu entschlossen, weil sie es für das Richtige hielt.“ Manami brummte kaum hörbar. „Wenn man zusammen ist, sollten sich beide lieben, ich finde das sehr wichtig.“, bereitete sie ihren Standpunkt aus. „Und wenn… sich beide lieben, aber absolut nicht zusammen gehören? Also… wenn sie zu unterschiedlich sind, oder so meine ich.“, insistierte er. Er glaubte Manami damit erstmal zum Nachdenken bringen zu müssen, doch scheinbar irrte er sich. „Das spielt doch überhaupt keine Rolle! Liebe ist Liebe, dagegen kann man nichts tun. Und egal was man selbst davon hält, oder was andere davon halten, man sollte das Glück stets mit beiden Händen auffangen!“, hielt sie eine Ansprache. Sie brachte Kyousuke kurz zum Lächeln, auch wenn sich dieser danach nicht wirklich besser fühlte. „Hey, da vorne ist bereits das Schulgebäude!“, lenkte er vom Thema ab. Die letzten Stunden des Unterrichtstages, ließ Kirino ganz frech ausfallen. Es handelte sich nur um Sport und sie war fitt genug um es sich zu erlauben, eine Einheit ausfallen zu lassen. Den ganzen Tag hatte sie sich den Kopf darüber zerbrochen mit wem sie über das Geschehne reden sollte. Ayase? Unmöglich. Sie würde ihren Bruder sofort umbringen, das wusste sie. Selbst wenn ihre beste Freundin keine Yandere wäre, hätte sie kein Verständnis dafür und würde Kyousuke zur Rechenschaft ziehen, egal ob der Kuss von Kirino ausgegangen wäre, oder nicht. Aber… warum hatte sie das eigentlich getan? Eigentlich war es ihr ganz klar. Diese Gefühle für ihren großen Bruder hatte sie nicht erst seit gestern Abend. Jedes Mal, wenn sie diese bestimmte Szene in ihren Eroge beobachtete, als die Hauptcharakterin ihren Bruder küsste, stellte sie sich vor, wie wohl Kyousukes Lippen schmecken würden. Und gestern hatte sie es am eigenen Leib erfahren. Sie konnte das Gefühl aber nicht beschreiben, außer natürlich, dass es wunderschön war. Sie liebte ihren großen Bruder, doch es war eine Liebe, die niemals sein durfte. Mit wem sollte sie also reden? Kanako? Unmöglich, dieser missfiel sogar ihr Anime-Hobby. Kuroneko? Ein Alptraum. Ihre Eltern schieden verständlicherweise auch aus. Sie hätten sie diesmal noch weiter weg als Amerika geschickt, sicher nach Sibirien, wo Kirino nie mehr in die Nähe ihres Bruders kam. So trug es sich zu, dass sie eine Stunde später vor der prachtvollen Villa von Saori Makishima, auch unter dem Pseudonym Saori Bajeena bekannt stand. Einmal mehr wunderte sich Kirino über den Reichtum von Saoris Familie. Ihre Freundin zog sich stets so otakuhaft an, dass man es ihr gar nicht ansah. Und natürlich erwähnte sie nie etwas von dem Luxus, in dem sie schwebte. Kirino klingelte und erstaunlicherweise war es nicht der Butler der Familie, der öffnete. In der Nähe stand zwar einer, doch dieser wurde von der jungen Frau, welche die Tür geöffnet hatte, prompt weggeschickt. „Kirino-chan! So eine Überraschung dich hier zu sehen!“, wurde sie von Kaori, Saoris älterer Schwester begrüßt. „Hallo… ist Saori zu sprechen?“, klang sie etwas kleinlauter als geplant. Kaori führte sie sofort ins Innere und begann ihr wild gestikulierend alles zu zeigen. Bald waren sie vor Saoris Zimmer angekommen, das auf Kirino mehr wie eine Luxussuite wirkte. Kaori klopfte an und öffnete ohne abzuwarten. „Nee-chan, deine Freundin ist hier!“ Kirino bemerkte wie Saori sich gerade umzog. Gerade hatte sie die markante Brille aufgesetzt und sich einen Pferdeschwanz gebunden. „Kiririn, schön, dass du mich einmal besuchst!“, sagte Saori erfreut und Kaori machte sich bereits wieder aus dem Staub. Kirino betrat das Zimmer und ließ ihren Blick schweifen. „Ah! Die Mangas sind links und die DVDs rechts!“, gab der weibliche Otaku einen schnell Überblick. Kirino nickte schwach und Saori bemerkte sofort, dass ihrer Freundin etwas auf dem Herzen lag. „Warte, ich weiße den Butler an, etwas Tee zu machen!“, meinte sie und telefonierte hastig. Kirino setzte sich aufs Bett und fühlte sich prompt an gestern erinnert. Saori setzte sich zu ihr und Kirino spürte unverholfen die Aura ihres Bruders. „Du scheinst Sorgen zu haben. Angesichts deines Gesichtsausdrucks muss es etwas Schlimmeres sein, als das Meruru in die Staffelpause gegangen ist.“, kombinierte sie. Es war viel schlimmer, doch wie sollte Kirino mit ihr reden? „Deine Eltern… sie halten nicht viel von Animes und so, oder?“, schlug sie dann diesen Weg ein. Saori schüttelte ruhig den Kopf. „Nein, deswegen habe ich es lange vor ihnen verheimlicht.“, gestand sie. „Wenn wir alle sagen, dass etwas falsch ist… dann sollte man es sein lassen, oder?“ Saori betrachtete sie eingehend und dachte nach. „War es nicht so, dass Kyousuke-shi dir das Gegenteil bewiesen hat? Als deine Eltern es erfuhren, wolltest du damit aufhören, doch er hat sich für dich stark gemacht, nicht wahr?“ Kirino lächelte und nickte nur. „Ja… er… ist immer für mich da wenn ich ihn brauche.“, stimmte sie zu. „Also… wenn dich etwas bedrückt, wieso fragst du ihn nicht auch diesmal?“, schlug sie vor. Kirino presste etwas verzweifelt wirkend die Lippen zusammen. „Aber diesmal… geht es ja gerade um ihn. Ich kann nicht mit ihm reden!“, behaarte sie darauf. Saori streichelte ihrer Freundin zart über die Haare und nahm sie in den Arm. „Was es auch ist, wenn ihr einen Streit habt, oder was auch immer. Ich habe bemerkt, dass ihr einander wirklich nahe steht. Zusammen findet ihr eine Lösung.“, war sie sich sicher. Kirino unternahm einen Versuch zu nicken, ließ es dann aber bleiben. Es fühlte sich gut an, in Saoris Armen zu liegen. Doch diese Geborgenheit… sie spürte, dass sie diese lediglich von einer Person empfangen wollte. Nämlich der Person, die sie über alles liebte. Kyousuke war es einfach nicht möglich sich dazu durchzuringen an diesem Tag nach Hause gehen. Abwesend betrat er den Clubraum der Spiele-AG und setzte sich von den meisten ignoriert auf einen Stuhl. Er blickte zu Ruri, der es im Moment auch nicht gut zu gehen schien. Sena hatte sie überzeugt, mit ihr ein neues Spiel zu programmieren, ein Unding, in Anbetracht ihrer unterschiedlichen Charakter. Sena funkelte Kyousuke böse an, wie war wohl immer noch sauer, weil ihre ganzen Fotos gelöscht worden waren. Von Privatsphäre hatte sie wohl noch nie etwas gehört. Sie hätte ja Fragen können, wobei Kyousuke ohnehin abgelehnt hätte. Der Raum leerte sich und außer Kyousuke blieben nur noch die Mädchen übrig. „Gut, ich lege die gesicherten Daten in meinen Spint, dann verzieh ich mich nach Hause.“, meinte Sena und huschte davon. Auch Kuroneko erhob sich, hielt dann aber inne. Kyousuke stand vor dem Fenster und sah der Basketball-AG zu, in der auch Kouhei zugegen war, wie sie auf dem Sportplatz Körbe versenkten. „Also… ist alles in Ordnung?“, erlaubte sich das Mädchen zu fragen. Sie musste ihre Frage wiederholen, bis Kyousuke sie endlich wahrnahm. „Ach… Verzeihung, ich war gerade etwas abgelenkt.“, erklärte er sich. Kuroneko schritt näher und unternahm den Versuch eine Hand auf seine Schulter zu legen. Dann stoppte sie diesen Annäherungsversuch wieder. „Wenn dich etwas bedrückt… kannst du gerne mit mir reden.“, sagte sie schließlich. Kyousuke und ihre Blicke trafen sich und der Junge schluckte. „Wäre das wirklich in Ordnung? Ich meine wir sind…“, glaubte er anmerken zu müssen, doch für Kuroneko schien es kein Problem darzustellen. „Unsinn.“ Kyousuke rang sich ein Lächeln ab. „Ich bereite allen immer nur Ärger, was? Nur weil ich so bin wie ich bin… weil ich so fühle wie ich fühle, verletzte ich andere.“ Kuroneko schien einen Moment darüber nachdenken zu müssen. „Du… sprichst nicht über uns, oder?“, schien sie erkannt zu haben. Kyousuke nickte schwach. „Tut mir leid, ich konnte dir nicht das geben, was du wolltest.“ Kuroneko räusperte sich und fuhr dann fort. „Aber… es gibt eine andere Person, nicht wahr?“, hatte sie ihn durchschaut. Kyousuke fühlte sich schuldig ausgerechnet mit seiner Ex darüber zu sprechen. Noch dazu gehörte sie zu Kirinos engsten Freunden. „Ja, aber… das mit uns wäre keine gute Idee. Eigentlich die schlechteste die ich je hatte.“, verriet er. „Liebst du sie?“, hakte Kuroneko nach. Diese Frage machte Kyousuke sichtlich zu schaffen. Die Wahrheit war, dass er nie darüber nachgedacht hatte, das musste er nicht. Er hatte es vermutlich bereits jeden Moment seines Lebens gewusst. Er liebte Kirino, egal wie grausig die Konsequenzen dieser Liebe auch sein mochten. „Und wenn dich diese Person ebenfalls liebt, ist es eine wunderbare Sache.“, fügte sein Kouhai hinzu. Wie konnte sie das so einfach sagen? Klar, sie kannte die Umstände nicht. Er und Kirino ein Paar? Abartig, um es mit der Ausdrucksweise seiner kleinen Schwester zu benennen. „Aber wenn man einfach nicht zusammenpasst? Wenn man das nicht sollte? Wenn es andere als verwerflich ansehen könnten?“, ließ er nicht locker. Kuroneko wollte etwas erwidern, bis ein Schrei vor der Tür des Clubraums ertönte. Beide wanden sich hastig um und erkannten Sena, die sich die Hand vor den Mund hielt. „Kousaka-senpai, kann es etwa sein, dass du dich in einen Jungen verliebt hast? Keine Sorge, daran ist nichts falsch! Lass deinen Gefühlen freien lauf und folge deinem Herzen! Wahre Liebe kann nicht…“ Kyousuke war überrascht wie schnell es Kuroneko gelungen war die Tür vor Senas Nase zuzuschlagen. Der Oberschüler fuhr sich mit der Hand an die Stirn und seufzte laut. „Weißt du… mit einem hat sie recht. Du solltest deinem Herzen folgen.“, riet sie ihm. Kyousuke nickte und dankte ihr für die Zeit und dass sie ihm zugehört hatte. Er packte seine sieben Sachen und machte sich daran den Clubraum zu verlassen. Sena war inzwischen wohl verschwunden und er verabschiedete sich. „Wusstest du… dass Liebe zwischen Geschwistern zwar ein Taboo ist, aber in Japan nicht als verboten gilt?“, waren es diese Worte seitens Kuronekos, die ihn am Gehen hinderten. Aufgewühlt drehte er sich um, doch Kuroneko hatte sich wieder einem Buch zugewandt. „Das habe ich lediglich gelesen, hat ja nichts mit dir zu tun. Tut mir leid, dass ich dich aufgehalten habe.“ Kyousuke wollte etwas erwidern, brachte aber kein Wort heraus. Er ließ das Mädchen allein und suchte sich einen Weg aus dem Schulgebäude. Er wusste, dass er nicht länger davonlaufen durfte. Er musste mit seiner Schwester reden, ein klärendes Gespräch stand lange aus. Er musste zu Kirino. Nein, er wollte zu Kirino. Unbedingt. Man sagt, vor glücklichen Zeiten, hat man zuvor erst unglückliche zu überstehen. Auf Kyousuke traf das zu, insbesondere wurde seine Geduld auf die Probe gestellt. Erst wurde er von Akagi abgepasst, der ein Schwätzchen halten wollte. Kyousuke brauchte einige Zeit um ihn abzuwimmeln, schließlich konnte er ihm nicht einfach sagen, dass er zu seiner kleinen Schwester musste, die er über alles liebte. Nun gut, Kouhei Akagi konnte er es vermutlich sagen, er war genauso ein großer Siscon wie er selbst. Natürlich mit einer Ausnahme. Er war in Sena vernarrt, Kyousuke hingegen wusste, dass er aufrichtige Liebe für Kirino empfand. Als er sich endlich abgekapselt hatte, stoppte ihn ein Lehrer, der ihm einen langen Vortrag bezüglich des Rennens auf dem Schulflur hielt. Als Kyousuke endlich vor seinem Haus stand, dämmerte es bereits. Nur stetig schritt er darauf zu und schloss die Tür auf. Ihm war so mulmig zumute, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Sämtliche Anspannung kehrte zurück und ihm wurde bewusst, dass er keine Ahnung hatte, was er Kirino genau sagen sollte. Drinnen war es still, seine Eltern waren nicht zugegen. Und seine Schwester? Er wusste wie er empfand, aber was war mit Kirino? Wie dachte sie über die Gefühle der beiden Geschwister? Kyousuke schritt die Treppe nach oben und näherte sich dem Zimmer, in dem gestern der verhängnisvolle Kuss stattgefunden hatte. Kirino saß auf ihrem Bett und schien etwas zu lesen. Bei genauerem Hinsehen, erkannte Kyousuke ein Album. Kirino bemerkte ihn, sagte aber nichts. Ihr Bruder erkannte Kinderfotos von sich und seiner Schwester. „Du… warst wirklich immer für mich da.“, flüsterte Kirino, mit einer Träne, die ihr übers Gesicht huschte. Kyousuke nahm ihr das Album aus der Hand, schlug es zu und legte es beiseite. Dann setzte er sich und streichelte Kirino liebevoll über die Haare. „Das bin ich immer noch. Und das werde ich, solange ich lebe.“, formulierte er es als Versprechen. Kirinos Tränen nahmen nun zu, auch wenn sie unendliches Glück und Geborgenheit fühlte, als sie sich nun gegen Kyousuke schmiegte. „Aber… es ist doch…“ „Falsch?“, beendete Kyousuke für sie. „Es ist nur falsch, wenn wir es so sehen und es zulassen. Mein Leben ist ohne dich nichts wert, das will ich dir nur sagen. Sogar die ewigen Streits, deine Art, unser Verhältnis, das alles liebe ich! Ich weiß, es hört sich verrückt an, aber so ist es!“ Kirino streichelte langsam über Kyousukes Hals und küsste ihn dann. „Aber… das Leben ist kein Eroge. Was werden Mama und Papa sagen? Und unsere Freunde?“, wand sie ein. Kyousuke fand nicht sofort eine Antwort darauf. „Wir haben doch alle Zeit der Welt, oder? Sehen wir erstmal, wie sich alles entwickelt, einverstanden?“ „Und du… bist die ganze Zeit an meiner Seite, richtig?“, schien ihr diese Frage besonders wichtig zu sein. Kyousuke nickte und küsste sie auf die Stirn. „Immer.“, sagte er zuversichtlich und beide legten sich auf das weiche Laken. „Du… wirst doch nichts unsittliches mit deiner kleinen Schwester anstellen wollen, oder?“, klang es diesmal keineswegs zickig, eher anstachelnd und provokativ. Kyousuke grinste und begann Kirino zu küssen. „Hast du schon vergessen? Ich bin immerhin ein Siscon.“, erinnerte er sie. Kirino kicherte und erwiderte den Kuss überglücklich. Epilog: Epilog -------------- Kuroneko fiel auf, ganz klar. Wer zog sich zu einer Hochzeit bitteschön ein schwarzes Kleid an? Wahrscheinlich wirklich nur jemand ihres Charakters. Saori hatte ihr eine Anzahl verschiedenster Kleider gezeigt, doch keines hatte ihre Freundin angesprochen. „Sie kommen!“, rief Ayase übermütig, die als Brautjungfer fungiert hatte. Hinter ihr folgten Herr und Frau Kousaka, beide festlich gekleidet. Kyousukes Mutter strahlte übers ganze Gesicht, nur ihrem Mann war anzusehen, dass er immer noch nicht allzu viel davon hielt. Aber es war ein besonderer Tag, dies konnte keiner leugnen. „Hey Ayase, die beiden haben in der gemeinsamen Zeit für sich, doch nichts unsittliches angestellt, oder?“, raunte Kanako hämisch. „Aber, aber! Dafür haben sie schließlich noch die Flitterwochen!“, wand Saori amüsiert ein. „Das ist… so traurig!“, flennte Sena und ihr Bruder nahm sie in den Arm. „Hey, du musst nicht gleich vor lauter Bewegtheit heulen!“, meinte er. Sena schüttelte aber schnell den Kopf. „Ich weine doch aus Trauer! Ich hatte bis zuletzt die Hoffnung, dass sich Kousaka-senpai noch für dich entscheidet, Onii-chan!“ Akagi seufzte und konnte nur mit den Schultern zucken. Manamis Tränen hingegen waren aufrichtig. Doch warum eigentlich? Kyousuke hatte sie sogar als Trauzeugen gewählt, obwohl Akagi als Mann für diesen Posten eher in Frage gekommen wäre. „Ach… wenn Opa das noch erleben könnte…“, schluchzte sie. Akagi stellte sich neben sie und legte ihr liebevoll eine Hand auf die Schulter. „Denk einfach daran wie glücklich Kyousuke im Moment sein muss. Ach, und natürlich Kirino-chan.“, munterte er sie auf. Manami nickte und dann verließ das frisch vermählte Paar bereits das Gebäude. „Kirino sieht wunderschön in diesem weißen Kleid aus, oder?“, fragte deren Mutter ihren Ehemann. „Ja…“, raunte dieser lediglich zurück. Nur Kyousuke war anzusehen, dass ihm dieses Outfit nicht sonderlich behagte. „Blamier mich ja nicht!“, bat Kirino ihren Gatten und dieser nickte nur. „Du weißt schon, es ist nichts selbstverständliches, dass wir heute hier stehen, oder? Wenn sie nicht vor einigen Jahren die Ehe für Leute wie… naja uns erlaubt hätten, würdest du heute nicht so wunderschön in diesem Kleid aussehen.“, merkte er an. Das erzielte jedoch nur die gegenteilige Wirkung bei seiner neuen Frau. Sie stieg ihm leicht, aber spürbar auf den Fuß und Kyousuke jauchzte auf. „Zu schmeicheln bringt dich jetzt nicht weiter!“ Beiden wurden unaufhörlich die Hände geschüttelt und alles Gute gewünscht. Kirino warf sogar den traditionellen Brautstrauß, der überraschenderweise in Kuronekos Richtung flog. Diese wollte noch ausweichen, doch es war zu spät. Sie fing ihn und wurde sofort von Kirinos Kichern konfrontiert. „Ach komm, wer würde so jemanden wie dich heiraten wollen?“, triezte sie ihre Freundin. Das ließ sich Kuroneko natürlich keinesfalls gefallen. „Das sagt die Richtige! Dich wollte ohnehin kein Kerl, weshalb du deinen eigenen Bruder heiraten musstest!“, konterte sie. „Was sagst du?“ Alle befürchteten bereits einen Streit an diesem besonderen Tag, doch dieser brach nicht aus. Kirino und Kuroneko begannen beide zu lachen und umarmten einander. Nein, an einem Tag, der so von Glück gesegnet war, gab es keinen Grund für Auseinandersetzungen. Kyousuke schritt zu seinem Vater und tätschelte ihm gegen den Oberarm. „Sieh es einmal so… du hast keine Tochter verloren, du hast…. Tja, im Moment hat es sich damit schon.“, meinte er belustigt. Sein Vater sah das aber ganz anders. „Wenn du meiner Kleinen weh tust dann…“ Kyousuke wich zurück und nickte bekräftigend. „Du kannst dich auf mich verlassen.“ „Hey, wir wollen einen Kuss sehen!“, schrie Kanako nun in die Menge. Kyousuke räusperte sich. „Hey, jetzt gönnt uns doch erst einmal eine Pause!“, versuchte er sich zu wehren, doch seine Frau war scheinbar bereits auf den Zug mit auf gesprungen. Sie packte Kyousuke an der Krawatte und zog ihn zu sich. Noch bevor er es sich versah, spürte er erneut die unglaublich sanften Lippen seiner kleinen Schwester auf seinen. Da wurde ihm bewusst, dass er endlich sein Glück gefunden hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)