The Mentalist von abgemeldet (Geständnis) ================================================================================ Kapitel 1: Geständnis --------------------- Beinahe teilnahmslos saß Patrick gegen einen Sandhaufen gelehnt und ließ sich die letzten Augenblicke durch den Kopf gehen. Statt Red John in seine Falle zu laufen, war er – erneut – ihm in die Falle gelaufen. Auch wenn er nicht hatte erkennen können, wer hinten in der Limousine gesessen hatte, so war er sich sicher, dass die Person nicht sein Feind war. Die Silhouette kam dem ehemaligen Berater vertraut vor, doch im Moment konnte er nicht sagen, wieso. Alles, was er wusste war, dass er erneut versagt hatte, dass sein Ziel erneut in unerreichbare Ferne gerückt war. Noch während er nachdachte, fuhr ein ihm vertrautes Auto vor und Teresa Lisbon stieg aus. Schweigend gesellte sie sich zu ihm, setzte sich einigem Abstand neben den Mann, der ihr in den letzten Jahren so viel Kummer und Sorgen bereitet hatte. „Bist du in Ordnung?“ fragte sie und ließ ihren rechten Arm baumeln. Musternd betrachtete sie ihn, war wie üblich jedoch nicht dazu in der Lage, ihn zu lesen wie er es bei ihr immer tat. „Ich bin in Ordnung“, antwortete Patrick matt. „Ging mir nie besser.“ Zögernd streckte der ehemalige Berater seine Hand aus und ergriff nach zwei Atemzügen Teresa's Unterarm, ließ seine Hand dann weiter runtergleiten und schloss seine Hand um ihre. Sanft erwiderte Lisbon den Druck und die beiden saßen eine Weile händchenhaltend nebeneinander und betrachteten die Gegend. „Was gedenken Sie nun zu tun?“ wollte sie wissen und durchbrach damit die zwischen ihnen entstandene Stille. „Abwarten“, antwortete Patrick. „Ich muss nachdenken, ich werde weiterhin nach meiner Rache trachten und zusehen, wie ich über die Runden komme. Das letzte halbe Jahr zumindest hat es ganz gut funktioniert, wieso sollte ich jetzt damit aufhören?“ „Weil die Jagd vorerst zu Ende ist“, sagte Lisbon und sah den neben ihr sitzenden Mann an. „Ich bin mir sicher, dass wir sie wieder beim CBI unterkriegen, Wainwright hat zumindest was davon gesagt, dass er drüber nachdenkt, sie wieder zurückzuholen. Und weil es verdammt noch Mal immer noch Menschen gibt, denen sie am Herzen liegen.“ „Diese wären besser beraten, sich von mir abzuwenden“, meinte Patrick und versuchte, normal zu klingen, doch der verbitterte Unterton in seiner Stimme entging Teresa nicht. „Ich bringe sie alle in Gefahr, nur weil ich mit ihnen rede, mit ihnen zu arbeiten ist nahezu ihr Todesurteil.“ „Das ist unser Berufsrisiko“, erwiderte Lisbon sanft. „Sie wissen das auch, doch sie wollen es ignorieren. Im übrigen glaub ich ihnen auch nicht, dass sie sich nicht mehr daran erinnern, was sie zu mir sagten, kurz bevor sie mich erschossen haben.“ Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete sie den Mann, der sich alle Mühe gab, weiterhin unbeteiligt zu wirken. Doch sie spürte, wie seine Hand den Bruchteil einer kräftiger zudrückte. Sonst jedoch war nicht zu erkennen, dass er sich wirklich angesprochen fühlte. Erneut trat schweigen zwischen den Beiden ein, doch die Polizistin signalisierte Patrick, dass sie auf eine Antwort wartete. Schließlich räusperte sich der ehemalige Berater und hob den Blick, um ihr in die Augen zu sehen. „Sie denken, dass ich nicht überdreht war?“ wollte er wissen. „Sie denken wirklich, dass ich keine Sekunde lang drauf und dran war, durchzudrehen?“ „Ich traue ihnen alles zu“, meinte Lisbon und sah ihm in die Augen. „Ob sie überdreht waren? Verdammt nochmal, das war ich in diesem Moment auch, schließlich richten sie nicht jeden Tag eine Waffe auf mich. Aber ich würde jetzt gerne wissen, was sie gemeint haben.“ Auf einmal wirkte Patrick gar nicht mehr so teilnahmslos wie vorher, fast sogar schon lebhaft. „Wie ich es bereits sagte“, gestand er und sah ihr fest in die Augen. „Ich liebe dich.“ Ohne ihr eine Chance auf eine Reaktion zu lassen, beugte er sich vor und küsste Lisbon. Kapitel 2: Sorgen ----------------- Sorgen „Boss, können wir kurz miteinander reden?“ fragte van Pelt, als sie das Büro ihrer Chefin betrat. Lisbon unterdrückte ein seufzen und sah von ihrem PC auf. Im Moment hatte sie gar keine Lust, jemanden zu sehen geschweige denn mit jemandem zu sprechen, doch in ihrer Verantwortung als Senioragent konnte sie niemanden einfach wegen einer Laune heraus abweisen, schon gar niemandem aus ihrem Team, das ihr im Laufe der Zeit zu einer Familie geworden war. Und doch, nachdem Lisbon von Lorelei erfahren hatte, dass sie und ihr Berater eine Affaire miteinander gehabt hatten, war ihr eigentlich zum Heulen zumute, besonders nachdem dieser ihr gestanden hatte, sie zu lieben. „Klar, schließen sie die Tür hinter sich“, nickte die Senioragentin und hoffte, dass sie es nicht bereuen würde. „Worum geht’s denn?“ „Ich mache mir Sorgen um sie“, gestand die rothaarige Agentin. „Seit einem halben Jahr wirken sie abweisend, distanziert, sie ziehen sich immer weiter zurück und lassen nicht einmal mehr uns an sie ran.“ „Hören sie, van Pelt, ich bin in Ordnung“, sagte Lisbon. „Es war eine stressige Zeit, ich bin vielleicht ein wenig abgespannt, aber mir geht es gut.“ Die dunkelhaarige Agentin hatte gewusst, dass es früher oder später zu diesem Gespräch würde kommen und doch fühlte sie sich absolut unvorbereitet darauf. „Sind sie nicht“, meinte van Pelt. „Wir arbeiten jetzt schon seit fast fünf Jahren zusammen, ich weiß, dass es ihnen nicht gut geht. Ich bin mir auch sicher, dass sie mit jemandem darüber sprechen möchten.“ Die Senioragentin lehnte sich in ihrem Sitz zurück. „Ich finde es rührend, dass sie sich Sorgen um mich machen, aber das ist unnötig“, widersprach die ältere der beiden Frauen. „Ich weiß, dass ich ein wenig abweisend wirke und es tut mir leid, aber ich bin einfach nur überarbeitet.“ „Und wieso sind sie erst so schlimm überarbeitet, seitdem Jane weg ist?“ wollte die rothaarige Agentin wissen. „Vorher wirkten sie, egal wie viel Arbeit wir hatten, nie so überarbeitet.“ Lisbon musste zugeben, dass die andere Agentin gut kombiniert hatte, auch wenn es ihr in diesem Moment gar nicht gefiel. Kurz überlegte sie, die Frau aus ihrem Büro zu werfen, doch das hätte all die Vermutungen über sie nur bestätigt. „Seit Jane weg ist, brauchen wir länger, um unsere Fälle zu schließen“, sagte Lisbon und ignorierte die hochgezogene Augenbraue der Agentin, die sie als ihre Freundin betrachtete. „Schon jetzt tuscheln die anderen Abteilungen, dass wir nur dank Jane unsere Fälle haben schließen können.“ „Es tut mir leid, dass ich gedacht habe, ihnen helfen zu können“, sagte van Pelt leise und konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. „Ich habe ihre Reaktion gesehen, als Lorelei fragte, ob Jane ihnen erzählt hätte, dass die beiden ein Verhältnis miteinander gehabt haben. Und ich hatte gedacht, wir wären gut genug befreundet, dass sie wenigstens mit mir darüber reden würden, aber anscheinend hab ich mich geirrt.“ Die rothaarige Agentin wandte sich mit trauriger Miene ab und Lisbon verspürte nagende Gewissensbisse. Gerade als die jüngere Frau die Tür erreicht hatte, hielt Lisbon es nicht mehr aus und sie wusste, würde sie die Agentin jetzt durch die Tür gehen lassen, würde sie die Freundschaft zerstören und das war das letzte, was sie wollte. Möglicherweise hatte ihre Freundin aber auch recht und sie wollte wirklich darüber sprechen.“ „Warten sie, Grace“, sagte die Senioragentin und beobachtete, wie die Angesprochene erst zögerte und sich dann umdrehte. „Vielleicht hatten sie Recht und möglicherweise will ich wirklich darüber sprechen, was mich belastet. Ich bin es nur nicht gewohnt, über mich zu reden.“ Van Pelt sagte nichts, bedeutete ihr aber, fortzufahren. „Wissen sie, anfangs habe ich in Jane einfach nur eine ziemliche Nervensäge gesehen, die andauernd nach Aufmerksamkeit schreit, doch je länger wir zusammenarbeiteten, desto mehr sah ich das, was unter dieser Fassade steckt. Vermutlich haben wir alle gesehen, wie zerbrochen dieser Mann ist, wie er leidet und auf seine Weise versucht wohl jeder, ihm zu helfen. Wider besseren Wissens und all meinen Schwüren mir selbst gegenüber, dass es nur auf professioneller Ebene bleiben würde, berührte mich Jane in einer Art, wie ich es zuvor noch nicht erlebt habe und ich erwischte mich immer wieder dabei, wie ich hoffte, er würde endlich über seine Familie hinwegkommen und bemerken, wie viel er mir wirklich bedeutet, was ich empfinde. Verdammt, er hat mir sogar gestanden, mich zu lieben, mir aber nicht gesagt, dass er mit dieser Lorelei geschlafen hat, wenngleich er es vermutlich nur tat, um endlich an Red John zu kommen.“ „Sie befürchten, seine Rache ist ihm wichtiger als alles andere?“ fragte van Pelt. „Sie glauben, dass Red John immer zwischen ihnen stehen wird, stimmt's?“ „Verdammt, ja“, zischte Lisbon und bemühte sich, ihre Gefühle nicht allzu deutlich zu zeigen. Es gibt Tage, an denen ich mich frage, ob ich Jane wirklich daran hindern soll, Red John, wenn wir ihn jemals fassen sollten, seine Rache zu bekommen und ihn zu töten.“ „Bei diesen Überlegungen kann ich vielleicht sogar weiter helfen“, meinte die rothaarige Agentin. „Eigentlich ist es unsere Pflicht, Jane an diesem Mord zu hindern, doch wenn wir diese Überlegung mal weglassen, ebenso wie den Wunsch, Red John nach allem, was er getan hat, tot sehen zu wollen, sollten wir auch sehen, dass er uns bislang immer überlegen war, weil er mächtige Freunde hat, möglicherweise ist er sogar selbst ziemlich weit oben in der Hierarchie. Sollten wir ihn also fassen, müssten wir jederzeit damit rechnen, dass seine Freunde ihn raushauen und er ungestraft davonkommt und weitermachen kann.“ Lisbon brauchte einige Augenblicke, um das Gehörte zu verdauen. „Ich werde mit Jane sprechen“, sagte van Pelt und drehte sich um. „Einer muss ihm ja endlich mal Verstand einprügeln.“ Ehe Lisbon widersprechen konnte, war ihre Freundin auch schon raus aus dem Büro. Kapitel 3: Gerichtskosten ------------------------- Teresa Lisbon hatte keine Ahnung, wieso sie sich bereit erklärt hatte, Patrick Jane mit zum Schießstand zu nehmen; nachdem sie in einem Container gefangen waren und was er sich im Gerichtssaal geleistet hatte, hätte sie eigentlich die Nase von ihm voll haben müssen. Dennoch saß er neben ihr und wirkte wie immer unbekümmert, doch die Agentin wusste, dass sich ihr Berater Sorgen über etwas machte. „Jane, wieso begleiten sie mich eigentlich zum Schießstand?“ fragte sie schließlich. Noch immer war sein Blick in die Ferne gerichtet, als er schließlich zur Antwort ansetzte. „Nun, ich muss mich doch schließlich von Zeit zu Zeit von ihren Schießkünsten überzeugen“, sagte Patrick. „Und außerdem dachte ich mir, dass ich ihnen nach allem, was ich getan habe, eine Runde schulde.“ „Wie rührend“, brummte die Agentin und fuhr weiter. Bei dem Wort Schulden blitzte vor ihrem geistigen Auge noch einmal die Szene im Büro auf; sie hatte nicht mehr richtig zugehört und hatte nur noch am Rande mitbekommen, als Hightower berichtete, wie hoch Geldstrafe war, die Patrick aufgebrummt bekommen hatte. „Was hatte Hightower noch mal gesagt, wie hoch ihre Geldstrafe ist?“ wollte Lisbon wissen während sie den Wagen parkte. „Nicht der Rede wert“, wehrte ihr Berater ab, doch anhand der Falten auf der Stirn konnte die Frau sehen, dass Jane bei weitem nicht so unbekümmert war, wie er sich gab. Nur selten sah man so viele Sorgenfalten auf der Stirn dieses Mannes, der so oft wie ein kleines Kind wirkte. „Jetzt lügen sie mich schon nicht an“, meinte die Agentin. „Ich habe nicht mehr wirklich zugehört, aber ich könnte schwören, dass es keine Kleinigkeit war.“ „Sechzehntausend Dollar, wenn sie es genau wissen wollen“, gab der Mann sich geschlagen. „Wie ich bereits sagte, nicht der Rede wert.“ „Quatschen Sie nicht so viel“, sagte Lisbon energisch. „Kein Cop sagt zu dieser Summe, dass es nicht die Rede wert sei und als Berater verdienen sie sicherlich nicht mehr als Polizist. Und dass sie damals als Mentalist Geld scheffeln konnten, wage ich auch zu bezweifeln. „Machen sie sich etwa Sorgen um mich?“, fragte Patrick und hatte sein typisches Grinsen aufgesetzt. „Ja, ich mache mir Sorgen“, gestand die Agentin. „Und sie geben mir wie immer auch allen Grund dazu, so wie sie sich immer benehmen. Haben sie jemals darüber nachgedacht, was ihr Handeln für Konsequenzen haben könnte? Wie wollen sie das Geld denn bezahlen, ohne dass sie sich finanziell ruinieren?“ Zum ersten Mal überhaupt sah sie tiefe Trauer in seinen Augen. Jetzt wurde ihr klar, über was ihr Berater die ganze Zeit nachgedacht hatte, zweifellos hatte er sich die gleiche Frage bereits gestellt und die Antwort, die ihm in den Sinn kam, musste ziemlich niederschmetternd sein. „Ich werde mein Haus renovieren und verkaufen müssen“, sagte er leise. „Das Haus sollte genug Geld bringen, dass ich dem Gericht das Geld bezahlen und mich danach nach einer kleinen Wohnung umsehen kann. Bis ich etwas neues gefunden habe, werde ich mich wohl im Büro einquartieren.“ „Das kommt gar nicht in Frage“, brauste Lisbon auf. „Sie verbringen schon genug Zeit im Büro und oben in der Dachkammer. Es wird Zeit, dass sie endlich wieder eine vernünftige Unterkunft bekommen. Was ist denn mit Freunden, können sie denn nicht so lange bei Freunden unterkommen?“ „Ich hatte nie sonderlich viele Freunde“, erzählte Jane. „Nach dem Tod meiner Frau habe ich zu allen Menschen aus meinem alten Leben den Kontakt verloren. Bei Freunden unterkommen ist also keine Option.“ „Dann werden sie solange eben bei mir wohnen, bis sie etwas gefunden haben“, beschloss die Frau. „Fakt ist, sie brauchen etwas vernünftiges, vielleicht kommen sie dann auch mal wieder auf fröhlichere Gedanken.“ „Sie brauchen sich wegen mir keine Umstände zu machen“, erwiderte der Berater. „Ich weiß, was für eine Mühe sie haben, mich so normal im Büro zu ertragen, da will ich ihnen nicht auch noch die wenige Freizeit, die sie haben, vermiesen.“ „Genau das meinte ich, als ich davon sprach, dass sie vielleicht wieder auf fröhlichere Gedanken kommen“, sagte Lisbon. „Und jetzt hören sie auf zu diskutieren, sie ziehen bei mir an und fertig.“ Kapitel 4: Trauer ----------------- „Jane, gut dass ich sie sehe“, sagte Lisbon, als sie an der Küche vorbei kam. „Bertram sucht nach ihnen, er will irgendetwas mit ihnen besprechen.“ „Bertram will mich sprechen?“ fragte Jane ungläubig. „Meine Kündigung habe ich doch noch gar nicht eingereicht und in den letzten zwei Stunden habe ich auch nichts verbrochen. Also zumindest nichts, weswegen er mich sprechen würde wollen.“ „Er hat mir nicht gesagt, worum es geht“, sagte die Senioragentin und lehnte sich an den Türrahmen. „Ich soll ihnen einfach nur ausrichten, dass er sie sehen möchte, er wirkte dabei auch nicht so, als handle es sich hierbei nur um einen Scherz.“ Jane musterte die vor ihm stehende Frau eindringlich, aber sie schien es ernst zu meinen. Wenn Bertram ihn sehen wollte, musste es schon etwas ernstes sein, nur zum Plausch würden sich die beiden Männer nicht treffen. Vielleicht hatte er ja im letzten Fall doch ein wenig übertrieben und der vor laufenden Kameras bloßgestellte Senator hatte Beschwerde eingereicht. Andererseits wirkte Lisbon auch nicht gerade besorgt, also konnte es so schlimm auch nicht werden, gerade seine Lieblingspolizistin hatte ein Gespür für so etwas. „Ist gut“, sagte Patrick und setzte sein typisches Lächeln auf. „Wenn ich mit meinem Tee fertig bin, werde ich ihm einen Besuch abstatten. Liegt ein Fall an?“ „Nur dann, wenn bei ihnen Aktenarbeit als Fall zählt“, grinste Lisbon, wohl wissend, was ihr Berater von Akten hielt. Nachdem sein typisches „Meh“ kam, drehte sich die Agentin um und setzte sich an ihren Schreibtisch und ihre Laune war deutlich besser als noch wenige Momente vorher. Jane genoss seinen Tee und blickte versonnen in das Großraumbüro. Seine Gedanken kamen und gingen, er sah Tatorte, seine Frau, Mörder, seine Tochter und noch diverse andere Bilder, sein Gesicht glich jedoch einer ausdruckslosen Maske, hinter der er seine wahren Gefühle vor der Welt versteckte. Nach außen hin war er der Spaßvogel des Teams, fröhlich und gut gelaunt, doch wie er sich wirklich fühlte, wusste nur er selbst, durfte nur er selbst wissen. Jeden Tag aufs Neue spürte er die tiefe Verzweiflung, dass er seine Familie verloren hatte, mit jedem Tag hasste er sich aufs Neue dafür, dass er Red John provoziert hatte, dass er den Mörder seiner geliebten Familie nicht finden konnte, egal wie lange und intensiv er suchte. Die Jagd nach dem Serienkiller war längst schon keine Besessenheit mehr, es war sein alleiniger Lebensinhalt geworden. Der Name löste in ihm einen Blutdurst aus, den er an den Mördern, die er schnappte, so verachtete. Ein leises Schlürfen verriet ihm, dass er seinen Tee geleert hatte und konzentrierte seine Gedanken wieder auf der Hier und Jetzt. Er setzte seine fröhliche Miene auf und lief zu Bertram's Büro. Seine Sekretärin wies Jane an, noch einen Augenblick zu warten, doch nach einer kurzen Weile wurde er ins Büro gerufen. „Mister Jane“, grüßte Bertram und bemühte sich um diplomatische Höflichkeit. „Schön, dass sie den Besuch einrichten konnten.“ „Es ist mir jederzeit ein Vergnügen“, erwiderte Jane mit seiner aufgesetzten Freundlichkeit. „Was kann ich denn für sie tun?“ „Wissen Sie, Jane, Smalltalk ist wirklich nicht ihre Stärke“, meinte der ältere Mann. „Sie hätten erst einen Kommentar zum Wetter machen müssen, ich hätte ihnen ein Kompliment über ihren Anzug gemacht und dann wären wir langsam zum Kern gekommen.“ „Ich bin da eher praktisch veranlagt“, grinste Jane. „Vielleicht wartet da draußen bereits ein weiterer Mörder darauf, von mir überführt zu werden, da können wir doch nicht darüber reden, dass die Sonne derzeit viel zu selten zu sehen ist oder dass ihnen mein Anzug, der übrigens von Meisterhand maßgefertigt ist, gefällt.“ „Nun gut“, nickte der Direktor. „Dann kommen wir zum wesentlichen. Wissen sie, das CBI genießt in der Öffentlichkeit nicht unbedingt das beste Ansehen.“ „Das sagen aber alle Polizeibehörden“, warf der Berater ein. „Dass Polizisten nicht den besten Ruf haben, ist doch allgemein bekannt.“ „Das mag sein“, erwiderte Bertram. „Aber so soll es nicht sein. Sämtliche Polizeibehörden sind da, um das Wohl der Bevölkerung zu wahren. Wir sind Freund und Helfer des Bürgers und wir sollten wenigstens Anerkennung dafür erhalten, dass wir unser Leben aufs Spiel setzen um das Leben vieler zu schützen. Nun ist eine Gruppe von Kinderheimdirektoren an uns herangetreten und hat uns darum gebeten, dass wir uns am Weltkindertag beteiligen.“ „Sollen wir mit den Kindern Räuber und Gendarm spielen?“ fragte Jane und sah seinen Vorgesetzten an. „Vielleicht können wir den kleinen ja auch den Umgang mit der Waffe beibringen, die bekommen heute doch schon immer früher immer größere Waffen.“ „Es soll eine Aufführung geben“, sagte der Direktor., Jane's letzten Kommentar ignorierend. „Nun sind wir ja, wie sie wissen, finanziell sowieso ziemlich knapp bemessen, deswegen musste ich den Kinderheimen mitteilen, dass wir leider kein Geld beisteuern können, aber dass wir einen äußerst begabten Magier und Entertainer in unseren Reihen haben, den wir für die Aufführung gerne zur Verfügung stellen würden.“ Perplex starrte der Berater den anderen Mann an. Nachdem Red John seine Familie getötet hatte, hatte Jane sich geschworen, nie wieder anderen Menschen vorzugaukeln, eine übernatürliche Gabe zu haben. Sicherlich setzte er seine Beobachtungsgabe und seine Kenntnisse der Psychologie regelmäßig ein, um Täter zu überführen, aber er tat nicht so, als sei er ein Magier. „Darf ich fragen, wer dieser Magier und Entertainer ist?“ fragte Patrick. „Aber, aber Mister Jane“, sagte Bertram. „Ich dachte dabei natürlich an sie. Ihre Qualifikation spricht für sich und sie werden kleinen Kindern doch sicherlich gerne eine Freude bereiten, nicht wahr?“ Patrick war hin und her gerissen. Sicherlich konnte er gut mit Kindern umgehen und lachende Kinder zu sehen bereitete ihm eine Freude, aber er wollte einfach nicht in eine Rolle gedrängt werden, mit der er so viele negative Erinnerungen verband. Sicherlich war er damals nicht als Zauberkünstler aufgetreten sondern als Medium, aber auch seine Kindheitserinnerungen wollte er nur sehr ungern wieder aus dem Unterbewusstsein hervorholen. „Wissen Sie, Gale, wir sind eigentlich ziemlich beschäftigt“, meinte der Berater stirnrunzelnd. „Ich weiß nicht, ob ich wirklich Zeit habe, da eine Show abzuziehen. Sie wissen ja, die Verbrecher schlafen nicht.“ „Keine Sorge, diesen einen Tag werden wir sicherlich ohne sie und das Team durchhalten“, sagte der Direktor. „Wieso kommt das ganze Team mit?“ wollte Jane wissen. „Ich wusste gar nicht, dass wir noch mehr handwerklich begabte Teammitglieder haben.“ „Jeder gute Magier braucht Assistentinnen“, meinte Bertram. „Lisbon und van Pelt werden sie sicherlich gerne unterstützen, Rigsby und Cho können ihnen beim Aufbau der Bühne helfen.“ „Und ich bin derjenige, der dem Team davon berichten darf?“ Mit hochgezogenen Brauen sah der blondhaarige Berater seinen Chef an. „Gut geraten“, nickte der Direktor und konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. „Wenn sonst weiter nichts mehr ist, sind sie nun entlassen.“ Jane nickte und stand auf. Ohne jeden weiteren Kommentar verließ er das Büro und kehrte zu seinem Team ins Großraumbüro zurück. Schnurstracks marschierte er zu Lisbon ins Büro und schloss die Tür hinter sich. Die Senioragentin blickte auf und sah ihren Berater fragend an. „Na, wie lief das Gespräch mit Bertram?“ wollte sie wissen. „Ihm gefällt mein Anzug“, antwortete dieser breit grinsend. „Ansonsten hatte er eine recht seltsame Idee.“ „Jetzt lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen“, fluchte die Frau. „Ich verspreche ihnen, dass sie diese Frage wirklich bereuen“, lachte der blondhaarige Mann. „Bertram hat eine Anfrage von Kinderheimen bekommen, ob wir uns am Weltkindertag beteiligen wollen. Nun kennen sie ja Bertram, er sieht die Möglichkeit, das Image des CBI aufzubessern, in dem wir den Kindern eine Freude machen. Bedauerlicherweise erlaubt unser Budget es nicht, einfach eine Spende zu leisten und namentlich erwähnt zu werden, aber wir haben anscheinend einen begnadeten Magier und Entertainer in unseren Reihen, der gerne mit seinen liebreizenden Assistentinnen und den willigen Opfern anreisen wird, um etwas aufzuführen.“ „Ja klar“, brummte Lisbon. „Und er hat sie gerufen.“ Mitten im Satz unterbrach die Frau sich und warf dem Mann finstere Blicke zu. „Der Scherz ist nicht komisch.“ „Das habe ich Bertram auch zu erklären versucht“, verteidigte Jane sich. „Sie müssen ja auch nur gut aussehen.“ „Und sie das tun, was sie am besten können“, hielt die Agentin gegen. „Und ich muss auch noch daneben stehen und so tun, als sei ich ihre begabte Assistentin.“ „Dafür weise ich sie tatsächlich in einige meiner Zaubertricks ein“, grinste der Berater. „Und das mache ich nun wirklich bei niemandem sonst, außer vielleicht noch bei van Pelt, die als zweite Assistentin auftreten darf.“ „Wunderbar“, brummte die Agentin. „Haben sie noch mehr schlechte Nachrichten?“ „Sie dürfen das dem Team beibringen“, strahlte Jane. Wenige Tage später war es dann soweit. Erbarmungslos hatte Jane das Team in der Freizeit durch sämtliche Läden geschleppt, um die passende Garderobe zusammenzustellen. Dazu mussten alle Kollegen auf die Tricks vorbereitet werden, damit sie wussten, wie diese funktionierten und nicht versehentlich alles kaputt machten. Dazu mussten manche Sachen auch erst vorbereitet werden, während Jane das Publikum vorbereitete. Gemeinsam standen die Kollegen nun hinter dem Vorhang und warteten auf ihren Auftritt; die Männer trugen mitternachtsblaue Anzüge, kombiniert mit einem weißen Hemd und einer schwarzen Fliege, die beiden Frauen bordeauxrote, knielange Kleider. Die Anmoderation zu ihrem Auftritt lief bereits und Patrick hatte sein strahlendstes Lächeln aufgesetzt. Auch das hatte er seine Teamkollegen bis zum erbrechen proben lassen, ein überzeugendes, strahlendes Lächeln, dass natürlich und echt wirkte. Sein persönliches Sorgenkind war fast schon wie erwartet Cho gewesen, dessen Lächeln etwa so echt wirkte wie die Lippen von Meg Ryan. Immerhin brachte er ein halbwegs freundliches Lächeln zustande, was bei dem asiatischen Kollegen schon eine erstaunliche Leistung war. Als der Moderator das Stichwort nannte, lief Jane strahlend und winkend auf die Bühne, dicht gefolgt von seinen Kollegen. Für einen kurzen Moment wurde dem Berater schwindelig, als die Erinnerungen an seinen letzten Auftritt vor Red John's grausamer Tat auf ihn einprasselten. Jane nahm einen tiefen Atemzug und lief einfach weiter bis nach vorne, fokussiert auf das Hier und Jetzt. „Hallo“, rief er den Kindern fröhlich zu. „Erlaubt mir, dass meine bezaubernden Assistentinnen und ich euch in die wunderbare Welt der Magie zu entführen. Kimball Cho und Wayne Rigsby werden uns helfen, euch eine atemberaubende Show zu präsentieren. Ich brauche einen Freiwilligen, der sich traut, für die erste Vorführung nach oben zu kommen.“ Erwartungsvoll sah der blondhaarige Mann in die Kindermenge, in der sich zögerlich einige Hände hoben. „Der Junge in der fünften Reihe“, rief der Berater nach einigen Sekunden und beobachtete, wie der Aufgerufene nach vorne kam. Mit hochrotem Gesicht stand er schließlich vor Jane und sah diesen schüchtern an. „Da schau mal einer an“, lächelte der Mann. „Unser erster mutiger Freiwilliger steht hier oben. Hast du denn auch einen Namen?“ „Thomas“, flüsterte der Junge. „Ich heiße Thomas.“ „Nun, Thomas, dann wollen wir doch gleich anfangen, nicht wahr?“ rief Jane, der jetzt wie der geborene Entertainer wirkte. Nichts an ihm deutete darauf hin, dass dies der letzte Ort war, an dem er sein wollte. Lisbon trat vor und zeigte dem Jungen eine Spielmünze, ermunterte ihn dazu, diese in die Hand zu nehmen und zu überprüfen. „Diese Münze hier werde ich gleich mehrere Male auf seine Stirn legen und Thomas wird sie auffangen“, verkündete Jane. „Und wenn ihr jetzt denkt, das sei nichts spektakuläres, dann lasst euch überraschen.“ Mit einem Blick vergewisserte der Mentalist sich, wie die Kameras ausgerichtet waren, die dafür aufgestellt waren, damit auch die Kinder in den letzten Reihen etwas sehen konnten, dann hüstelte er und brachte sich mit zwei kleinen Schritten so in Position, dass alle Kinder die Magie sehen konnten, nicht aber, was genau er anstellte. Thomas händigte ihm die Münze aus und hielt dann eine Hand vor die Brust. Jane legte ihm diese Münze auf die Stirn, ließ sie los und sah zu, wie der Junge sie auffing. Diese Prozedur wiederholte er noch einige Male, bis er sich sicher war, dass die allgemeine Aufmerksamkeit ein wenig zu schwinden begann. Dann pustete er die Münze an, murmelte einige Worte und legte dem Jungen wie die letzten Male den Daumen auf die Stirn. Als er die Hand wieder wegzog, vergingen noch einige Augenblicke, bis Thomas bemerkte, dass die Münze gar nicht in seiner Hand angekommen war. Irritiert blickte er die Hand an und betastete dann seine Stirn, doch die Münze blieb verschwunden. Mit einem Mal hatte Jane wieder die gesamte Aufmerksamkeit erlangt, einfach nur mit Hilfe dieses einfachen kleinen Tricks, der eigentlich nicht weltbewegend war. „Die Münze“, stammelte der Junge. „Wo ist sie hin?“ „Dies, Thomas, ist Magie“, lächelte der vorgebliche Magier. „Mit einem kleinen Zauberspruch habe ich die Münze in eine andere Dimension teleportiert, bis ich sie wieder herzaubere.“ „Du hast sie bestimmt heimlich in deine Tasche gesteckt“, sagte der Junge und tastete dem Mann die Hosentaschen ab. Demonstrativ streckte Jane die Arme aus und ließ den Jungen seine Taschen durchsuchen, doch er wurde nicht fündig. Verwirrt sah Thomas den Mentalisten an. „In den Taschen ist sie nicht“, teilte er schließlich ratlos mit. „Kannst du die Münze wirklich wieder herzaubern?“ „Aber sicher“, strahlte Jane, schloss die Augen und murmelte wieder einige unverständliche Worte und schnappte dann mit den Fingern. Wie aus dem Nichts erschien die Münze wieder zwischen seinen Fingern und triumphierend hielt er die kleine Requisite hoch. Die kleinen Kinder klatschten begeistert Beifall und selbst die Erwachsenen applaudierten anerkennend. Noch während der Applaus anhielt, gab Jane dem Jungen einen Klaps auf die Schulter und ließ ihn wieder Platz nehmen. Rigsby und Cho brachten derweil einen kleinen Tisch nach vorne, Lisbon trat mit einem Glasaschenbecher an den Tisch und stellte ihn dort ab. „Nun wollen wir diese Münze, die ich eben wieder hergezaubert habe, erst in eine andere Münze verwandeln und schließlich werden wir sie im Feuer verschwinden lassen“, teilte der Berater mit. Nebenbei schnippte er noch einmal mit den Händen und ließ die Münze verschwinden. Mit einem weiteren Schnippen tauchte sie wieder auf und er hielt sie in seiner linken Hand. „Für diesen kleinen Trick brauche ich nicht mehr als ein Blatt Papier und ein Feuerzeug, die Dame mit dem Türkisen Kleid darf auch gerne zu mir nach oben kommen und ein Auge drauf haben, dass ich auch nicht schummele.“ Die genannte Heimmutter trat nach vorne und nach oben auf die Bühne. Sie ließ sich von van Pelt das Feuerzeug, die Münze und das Blatt zeigen, die das Feuerzeug schließlich an Patrick weiterreichte. Der Zauberkünstler ließ das Feuerzeug in seine Hosentasche fallen und umarmte die junge Dame. „Herzlich willkommen hier oben auf der Bühne, Clara“, rief er und grinste breit, als die Frau verwirrt dreinblickte. „Woher wissen Sie, wie ich heiße?“ fragte sie vollkommen irritiert. „Ich trage doch kein Namensschild.“ „Aber in Gedanken haben sie sich vorgestellt, wie ich sie dem Publikum vorstelle“, antwortete der Mann und verbeugte sich leicht, als erneut applaudiert wurde. „Nun, sie haben gerade überprüft, dass alle Materialien so sind, wie sie sein sollten, nicht wahr?“ „Ja, das habe ich“, stotterte die junge Heimmutter, die sich immer noch nicht erklären konnte, woher Jane ihren Namen wissen konnte. „Alles ist so, wie es sein soll.“ „Und dennoch sind das genau die Utensilien, mit denen ich diese Münze erst verwandele und anschließend im Feuer verschwinden lasse. Wollen Sie mir hier oben so lange Gesellschaft leisten?“ Ein wenig verschüchtert und definitiv beeindruckt nickte die Frau und stellte sich zu Lisbon, die Mühe hatte, nicht verzweifelt mit den Augen zu rollen. Jane rollte die Münze noch einmal über seine Handfläche, dann holte er das Feuerzeug aus seiner Tasche und hielt die Requisite von allen Seiten unter die Flamme. Anschließend hielt er seine linke Hand vor seinen Bauchnabel, legte die Münze auf den Handrücken, erwärmte die Münze noch einmal, hob sie hoch und pustete die Münze an. Erneut legte er das Kleinod auf den Handrücken, ließ das Feuerzeug erneut in seiner Hosentasche verschwunden und griff dann mit der rechten Hand zum linken Handrücken. Ein paar Sekunden lang kämpfte er, dann hielt er eine andere, kleinere Münze hoch und grinste zufrieden. „Aus der goldenen Münze habe ich nun eine Kupferne Münze gemacht“, rief er und hielt Clara die Münze hin, die diese sofort untersuchte. Nachdem sie diese eingehend untersucht hatte, reichte sie diese zurück an Jane, der bereits das kleine Stück Papier in der Hand hielt und zweimal längs gefaltet hatte. Die Münze legte er auf das mittlere Drittel und begann, das Papier quer zu falten. Als es nur noch ein kleines Rechteck war, hielt er das Papier der Frau hin, die nachfühlte, ob die Münze noch da war. Nachdem sie genickt hatte, griff Jane erneut in die Tasche, holte das Feuerzeug raus und zündete das Blatt an. Lisbon hielt im den Aschenbecher hin, der Berater ließ das Blatt hineinfallen und reichte den Aschenbecher dann weiter an Clara, die ungläubig in den Aschenbecher starrte. „Sehen sie, meine Damen und Herren, liebe Kinder, so schnell können Münzen weggezaubert werden“, rief der Blondhaarige und strahlte sein begeistert klatschendes Publikum an. Dann kniff er kurz die Augen zusammen und hob eine Hand, so als würde er ein mentales Signal empfangen. „Ich glaube, ich habe die Münze nicht ganz verschwinden lassen“, verkündete er dann, als es im Raum so still geworden war, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. „Ich spüre sie hier in diesem Raum, nur wenige Meter weit entfernt.“ Jane bewegte sich ein wenig und tat so, als würde er versuchen, ein Signal zu Orten. „Ja, hier spüre ich etwas. Ich denke, wenn Thomas in seinen Taschen nachschaut, so wird er dort die Kupfermünze finden.“ Augenblicklich ruhten alle Augen auf dem Jungen, der als erster auf der Bühne gestanden hatte, der mit hektischen Bewegungen seine Taschen absuchte. Schließlich zog er eine Münze raus, blickte staunend drauf und hielt sie dann in die Luft. Erneut brach begeisterter Jubel aus und selbst die Erwachsenen waren beeindruckt. „Bedauerlicherweise neigt sich unsere Zeit hier dem Ende entgegen“, rief Jane und er wirkte ehrlich betrübt. „Als letztes mag meine bezaubernde Assistentin, Teresa Lisbon kurz in die Zukunft schauen und auch hier würden wir gerne noch ein, zwei Zuschauer auf die Bühne bitten.“ Sofort schossen etliche Arme in die Höhe, sodass Jane sich genötigt sah, direkt vier Kinder auf die Bühne zu holen. „Was jetzt kommt, ist einfach atemberaubend“, rief der Berater strahlend. „Teresa wird jetzt die vier Freiwilligen bitten, ein Kartendeck jeweils einmal durchzumischen. Dann werden die Kinder eine mentale Verbindung zu ihr aufbauen und ihr so dabei helfen, die drei Karten herauszufinden, die am Ende rauskommen werden.“ Er nahm ein Kartenset, reichte es Lisbon in die Hand und beugte sich ein wenig vor. „Keine Sorge meine Teuerste“, flüsterte er so leise, dass nur die Agentin es hören konnte. „Ich bin bei ihnen, es kann nichts schief gehen.“ Die Frau warf ihm kurz einen finsteren Blick zu, dann öffnete sie die Schachtel und ließ die Karten vorgleiten. „Wer von euch mag die Karten als erstes gut durchmischen?“ fragte sie lächelnd in die Runde und hielt die Karten einem jungen Mädchen hin. Das Mädchen griff die Karten, mischte sie mehrfach gut durch und reichte sie dann weiter. Als jedes Kind den Stapel einmal gemischt hatte, nahm Lisbon die Karten, steckte sie in die Schachtel zurück und reichte diese einem der Kinder. „Halt die Schachtel gut fest“, wie sie das Kind an. „Dann möchte ich, dass ihr euch auf mich konzentriert, damit ich ich ein klares Bild von der nahen Zukunft erhaschen kann. Wenn ich mir dann sicher bin, welche Karten kommen werden, schreibe ich diese auf ein Blatt, reiches es an euch weiter, dann geht es weiter.“ Konzentriert sahen die Kinder die Agentin an und versuchten ihr so gut es ging zu helfen. Lisbon selbst schrieb ein paar Karten auf, von denen sie alle bis auf drei wegstrich. Das Blatt faltete sie zusammen, reichte es wieder dem Mädchen und nickte dann dem Jungen zu, der die Kartenschachtel hielt. „Du nimmst jetzt bitte die Karten raus und machst 2 Stapel daraus, die du nebeneinander legst“, gab die Agentin die nächsten Anweisungen durch. Dann zeigst du auf einen Stapel, mit dem wir weitermachen und du nimmst dann den Stapel, der noch übrig bleibt und verteilst die Karten dann so, dass du drei gleichmäßige Stapel vor dir liegen hast.“ Die Kinder führten ihre Anweisungen aus und die Agentin gab sich alle Mühe, ruhig zu bleiben. Jane hatte diesen Trick zwar immer und immer wieder mit ihr geübt, aber sie hatte einfach nicht diese Routine wie ihr Berater. Es gab in ihren Augen einfach zu viele Möglichkeiten, wo ein Fehler passieren konnte und sie besaß nicht auch nur ansatzweise so viel Improvisationstalent, um die Situation noch zu retten. Dennoch gab sie sich alle Mühe, nach außen hin ruhig und entspannt zu wirken und sie war sich sicher, dass nur Jane dazu in der Lage sein würde, ihre Nervösität zu erkennen. Schließlich lagen die drei Kartenstapel vor ihr und sie stellte sich vor dem Tisch hin. „Ich werde diese drei Stapel nun umdrehen“, sagte sie laut und mit fester Stimme. „Die untersten Karten werden die sein, die ich vorhin vorhergesehen habe.“ Ihre Knie wurden weich, als sie die Stapel umdrehte. Zum Vorschein kamen ein Kreuz König, eine Herz Neun und Pik Vier, genau die Karten, die sie aufgeschrieben hatte. Das Kind, dass den Zettel hielt, faltete diesen auf, verglich die Karten mit den aufgeschriebenen Werten und klatschte dann begeistert. Jane nahm den Zettel und hielt erst diesen, dann die Karten in die Kamera und auch Lisbon erntete tosenden Beifall. Die Kinder wurden wieder entlassen und verließen die Bühne winkend. Jane scharrte währenddessen sein Team um sich herum, winkte fröhlich und gemeinsam verneigten sie sich dann vor dem Publikum, ehe sie dann winkend und lächelnd hinter dem Vorhang verschwanden. Kurz nachdem das Team die Bühne verlassen hatte, sonderte Jane sich von seinen Kollegen ab, um sich erschöpft in eine Ecke fallen zu lassen. All die Erinnerungen, die er während der Show durchleben musste, hatten ihn seine ganze Kraft aufbrauchen lassen, gleichzeitig war er sich jedoch sicher, dass seine Frau Angela gewollt hätte, dass er seine Fähigkeiten dazu einsetzen würde, Kinder glücklich zu und nicht dazu, Verbrecher zu jagen. Müde schloss er die Augen und döste etwas vor sich hin, bis er ein leises Rascheln vor sich hörte. Träge öffnete er die Augen und sah Lisbon vor sich stehen. „Hier stecken sie also“, sagte sie ein wenig vorwurfsvoll. „Sie können doch nicht einfach so kommentarlos verschwinden. Wir wollen noch mit ihnen anstoßen.“ „Wenn das so ist“, sagte Jane und setzte dabei wieder sein strahlendes Grinsen auf. „Wenn es ihnen so wichtig ist, dass ich mit auf ihren grandiosen Erfolg anstoße, werde ich doch nicht einfach nein sagen.“ „Erinnerungen, hm?“ fragte Lisbon, die ihren Berater mittlerweile so gut einschätzen konnte, dass sie in etwa wusste, wann ihn etwas belastete. Erst gegen Ende der Show war ihr klar geworden, was dieses Ereignis in Jane wachrufen musste. Sie bedauerte, dass sie nicht versucht hatte, Bertram diese Idee auszusprechen, auch wenn ihr klar war, dass es sinnlos gewesen wäre. „Nichts wichtiges“, winkte ihr Berater ab. „Ich bin einfach nur ein wenig erschöpft von der Konzentration, das ist alles. Ansonsten geht es mir gut.“ „Und das soll ich ihnen glauben?“ fragte Lisbon skeptisch. Spontan umarmte sie den Mann, der auf sie in diesem Moment so verletzlich wirkte und lehte ihre Stirn gegen seine. „Wenn sie mir je die Wahrheit anvertrauen wollen, werde ich da sein um ihnen zuzuhören.“ „Danke“, sagte ihr Berater und schloss die Augen. „Das weiß ich wirklich zu schätzen, aber jetzt sollten wir nicht zu spät zu ihrer kleinen Feier kommen.“ Die Agentin nickte, hakte sich bei Jane unter und gemeinsam gingen die beiden zum Rest des Teams. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)