Reno von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Pickende Chocobos ---------------------------- Als ich aufwache, ist das Erste was ich spüre, ein stechender und gleichzeitig pochender Schmerz. Mein Kopf fühlt sich an, wie Sektor 7 – nachdem ich mit ihm fertig war. Alter, hab ich einen Kater. Das letzte Bier muss schlecht gewesen sein oder der letzte Schapps. Warum hab ich auch bei dem blöden Trinkspiel mitgemacht? Ach ja… ich habs vorgeschlagen. War ne Scheißidee. Hat gestern aber vernünftig geklungen. Shiva, hab ich einen Schädel! Langsam schlage ich die Augen auf. Etwa vergleichbar mit dem Aufschieben zweier, riesiger, rostiger Rolltore. Scheiß Sonne! Warum muss sie mir auch mitten ins Gesicht scheinen? Ich hab den seltsamen Makler immer noch im Ohr: „Und sehen sie nur die großen Fenster im Schlafzimmer! Der Raum ist am Morgen quasi völlig lichtdurchflutet! Es ist quasi so, als würde Gaia sie persönlich wachküssen!“ Hat zumindest nicht gelogen. Könnte allerdings ohne Probleme, auf die Rumknutscherei am Morgen verzichten. Ja, der Typ war schon seltsam mit seinem ständigen „quasi“. „Die Wohnung ist quasi, wie für sie gemacht!“ „Und die Küche ist quasi ideal für einen Single!“ „Ist quasi ein Schnäppchen!“ Spinner. Natürlich hätte ich dieses Sonnenproblem mit Vorhängen beheben können, aber Vorhänge sind schwul. Ich meine, ich bin dem männlichen Geschlecht durchaus zugetan, allerdings finde ich, dass meine sexuelle Orientierung und meine Inneneinrichtung, zwei verschiedene Paar Schuhe sind. 9:23 Uhr. Ich muss aufstehen. Ich hab keine Lust. Rude sitzt mit Sicherheit schon seit über einer Stunde an seinem Schreibtisch und schreibt fleißig Berichte. Irgendwann gibt Tseng ihm bestimmt mal ein Bienchen für die ganze, gute Arbeit. Oder hebt seinen Fleiß, auf seinem Zeugnis, lobend hervor. „Rude ist ein hervorragender Mitarbeiter. Besonders sein Fleiß und seine Pünktlichkeit, sind Eigenschaften, die ihn zu einem der besten ShinRa Mitarbeiter auszeichnen. Sein Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten ist vorbildlich. Sie können mit Recht, stolz auf ihren Sohn sein.“ Oder so. Berichte schreiben. Ein weiterer Kontrapunkt auf meiner Pro-Kontra-Aufstehen-Liste. Aber nützt nichts. Ich bin halt einfach kein Morgenmensch, wie Tseng und Rude. Die Beiden wachen wahrscheinlich mit geputzten Zähnen, frisch geduscht und frisiert auf und haben entweder den frisch gebügelten Anzug schon an oder kleine Vöglein helfen ihnen beim Anziehen, während weiße Mäuse irgendwelche, fröhlichen Lieder singen. Gaia, ich schwöre, mein Kopf platzt. Duschen. Keine Ahnung, wie ich es bis hierhin geschafft habe. Aber das Wasser tut gut. Wie ich mir die Haare shampooniere, fällt mir wieder der Bericht über den ehemaligen Zugführer aus Midgar ein, den ich im Fernsehen gesehen habe. Nah. Weder mein Körper, noch mein Kopf sind heute in der Lage für irgendwelche Experimente. Muss ich verschieben. Verdammt! Seife im Auge. Oh, du höllischer Schmerz! Ich muss mich beim Duschen mehr konzentrieren. Prioritätenliste abarbeiten: Abtrocknen, Zähne putzen, Frisur in Form bringen. Gaia, seh ich fertig aus. Es hätte mich nicht gewundert, wenn ich in den Spiegel geguckt hätte und hätte gesehen, dass mir jemand einen Schnurrbart angemalt hat. An diesem verfluchten Morgen scheint alles möglich zu sein. Ich suche unter den, auf dem Boden verstreuten, Klamotten, die Teile meiner Turkuniform zusammen. Natürlich immer mit Geruchstest. Reicht wenn alle sehen, wie fertig ich bin, sie müssen es nicht auch noch riechen. 9:52 Uhr. Gaia, die Zeit rennt. Ach Quatsch, die rennt nicht, die stürmt weg, fliegt, hat sich extra nen verdammten Raketenantrieb unter den Arm geschnallt, nur, um die scheiß Schallmauer zu durchbrechen. Eigentlich keine Zeit für Kaffee, aber heute geht’s nicht anders. Eigentlich trinke ich vor der Arbeit keinen Kaffee, das liegt daran, dass ich dann früher aufstehen müsste. Und ich sehe beim besten Willen nicht ein, früher aufzustehen, nur um Kaffee zu trinken, den ich fünf Minuten später auch im Büro trinken kann und so, wertvolle Zeit die ich im Bett verbringen könnte, verschwende. Die Logik erschließt sich für mich einfach nicht. Aber heute Morgen brauch ich einen Koffeinschub, bevor ich das Haus verlasse. Kurz überlege ich, ob ich mir das Zeug nicht gleich intravenös in den Körper jagen soll oder ob ich mir nicht lieber ne schöne Line zurecht mache, um ein ordentliches Näschen voll zu nehmen. Schließlich entscheide ich mich für die klassische Art, dieses koffeinhaltige Heißgetränk zu mir zu nehmen. Kein Kaffee. Nichts. Kein einziges Körnchen dieses wundervollen Wachmachers ist im Haus. So endet es also. Nicht cool während eines Auftrags draufgegangen. Nein. Tod durch Koffeinentzug. Wird für den Pathologen bestimmt nicht das erste Mal sein, dass er das, als Todesursache auf sein Formular kritzelt. 09:57 Uhr. Shiva, ich muss los. Komme jetzt schon zu spät, selbst für meine persönliche Gleitzeit. Ja, ich habe eine persönliche Gleitzeit. Hab sie selbst eingerichtet. Tseng bringt es jeden Tag wieder auf die Palme. Es ist ein bisschen so, wie wenn ein Vater in das Zimmer seines Teenagersohnes kommt und sich jedes Mal darüber aufregt, dass das Zimmer nicht aufgeräumt ist. Und jedes Mal kriegt der Vater dieselbe Antwort: „Dann komm halt nicht rein!“ So ähnlich ist es bei mir und Tseng. Jeden Morgen führen wir den ewig gleichen Dialog und ich sehne den Tag herbei, an dem er mich und mein unaufgeräumtes Zimmer, endlich in Ruhe lässt. Ich bin an der Arbeit äußerst professionell, aber vor 10:30 Uhr beruft Tseng niemals eine Besprechung ein. Alles was ich bis dahin tun könnte, wäre – wer hätts geahnt – Berichte schreiben. Papierkram! Und dafür soll ich früher aufstehen? Ich meine, wenn ein Bericht wirklich wichtig ist, sitze auch ich pünktlich am Schreibtisch. Aber in den meisten Fällen, ist der Auftrag, das was wichtig ist und nicht, der Bericht danach. So, nach der Kaffeepleite bleibt mir nichts anderes übrig, als völlig koffeinfrei meine Sachen zusammen zu suchen. Kippen? Check. Mag Rod? Auf dem Tisch. Geld? Handy? Check. Schlüssel? Wo in Gaias Namen, hab ich den wieder hingelegt. Ah, Küchentresen, neben den Blumen. Blumen? Warum, bei Ifrits Höllenfeuer, habe ich Blumen in meiner Wohnung? Vielleicht hat meine Putzfrau Elsa sie mitgebracht. Würde wenig Sinn ergeben. Vielleicht hat sie mir ja auch jemand geschickt. Aber ich hab keine entgegen genommen. Vielleicht hat sie Elsa entgegen genommen, als ich nicht da war. Würde aber immer noch nicht erklären, wer, in Shivas Namen, mir Blumen schickt. Keine Karte. Was hab ich auch erwartet? „Lieber Reno, vielen Dank, dass du gestern den alten Orlick in die ewigen Jagdgründe geschickt hast. Da hat es doch endlich mal den Richtigen getroffen. Der elende Hurensohn hat nämlich ständig die Zeche geprellt. Es grüßt herzlich, das Team vom Roten Stier. P.S.: Die nächste Runde geht aufs Haus!“ 10:07 Uhr. Shiva! Keine Zeit, weiter über das Grünzeug nachzudenken. Geld, Schlüssel, Handy, Kippen, Mag Rod – alles am Start. Und los! Halt! Feuerzeug? Auch da. Nichts wie los. Sechs Minuten Fußweg bis zur Arbeit. Genau richtig, um eine in Ruhe zu rauchen. „Sie arbeiten also bei ShinRa? Na dann ist ihre Arbeitsstelle ja quasi um die Ecke! Und, als was arbeiten sie dort?“ „Bin quasi Teil des Reinigungspersonals. Beseitige quasi jeden Schmutz.“ hab ich dem Makler damals geantwortet. Ich muss den Mann schleunigst wieder aus dem Kopf bekommen. Erster Zug. Shiva! Der einzige Nachteil am Alkohol – abgesehen von meinem drei Meter Kater – ist, dass die erste Kippe am nächsten Tag, echt nicht zu genießen ist. Aber als wahrer Raucher, steht man halt über solchen Dingen. Wenn schon kein Koffein, dann halt Nikotin. Irgendein Gift muss ich mir jetzt in den Körper pumpen. Wenn auch noch meine Kippen alle gewesen wären, ich schwöre bei Gaia, ich hätt dem Junkie an der Ecke persönlich die Spritze aus dem Arm gerissen und sie in meinen gesteckt. Langsam, ganz langsam, verschwindet der stechende Schmerz in meinem Kopf. Fühlt sich jetzt nur noch so an, als würde ein Chocobo gemächlich mit seinem Schnabel drauf rumpicken. ShinRa Tower. Endlich. Ich durchquere die Eingangshalle, mit nur einem Ziel vor Augen: Fahrstuhl, 32. Stock, Rudes Büro. In eben diesem Büro steht eine Kaffeemaschine – mit Kaffee. Eigentlich wollte ich sie in meinem Büro haben. Mein Kaffeekonsum ist enorm und ich war wenig motiviert, jedes Mal bis ans Ende des Flurs zu laufen, um dort den Kaffeeraum der ganzen Etage zu nutzen. Seien wir ehrlich, zwei meiner acht Arbeitsstunden hätte ich damit verbracht, den Flur auf und ab zu laufen. Allerdings war Tseng von der Idee nicht ganz so angetan. „Reno, ich bringe durchaus Verständnis dafür auf, dass es sich bei dem Genussmittel deiner Wahl, um Kaffee handelt. Und tatsächlich stimme ich dir zu, dass du wertvolle Zeit damit verschwendest würdest, die Korridore auf und ab zu wandeln. Außerdem möchte ich nicht daran denken, wie viel Kaffee du auf den Boden verschütten würdest. Andererseits, hast du sowieso ein sehr… impulsives Wesen, welches durch zu hohen Koffeingenuss, sowohl deine Arbeitsleistung, als auch dein Verhalten gegenüber anderen Mitarbeiter, negativ beeinträchtigen würde. Ich würde es also begrüßen, wenn die von dir gewünschte Kaffeemaschine, in Rudes Büro untergebracht wird. Es liegt genau neben deinem, der Weg wäre also kurz und dein Partner könnte ein Auge auf dich und deinen Konsum werfen.“ Mit Aufpasser, was ein Kompromiss. Manchmal behandelt mich Tseng, wie ein kleines Kind. Aber wenigstens, wie ein Extrawurstkind. 10:14 Uhr. 32. Stock. Rechter Flur. Zimmer 12. Ich klopfe nicht an, ich habe keine Zeit für Höflichkeitsfloskeln. Ich bin auf der Jagd nach dem schwarzen Gold. Und da sehe ich es. Rude hat tatsächlich eine Kanne aufgesetzt. Ich laufe an ihm vorbei. „Guten Morgen.“ vernehme ich die Stimme meines Partners. Abrupt bleibe ich stehen und drehe mich zu ihm um „Deinen scheiß Sarkasmus kannst du für dich behalten!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)