Reno von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Raubtiere auf der Jagd --------------------------------- Das Telefon klingelt. Bitte nicht Tseng. Bitte nicht wegen dem scheiß Bericht. „Ja?“ „Reno, der Präsident möchte dich umgehend sprechen.“ Dave. Der Sekretär des Präsidenten. Was will der denn von mir? „Alles klar. Bin auf dem Weg.“ Ich drücke meine Kippe im Aschenbecher aus und mache mich auf den Weg. Der Fahrstuhl kommt. Ich drücke die Taste zum hundertsten Stockwerk und ziehe meine ID-Card durch den, dafür vorgesehenen, Schlitz. „ID-Nummer 1851415…Reno…Turk. Freischaltung für das einhundertste Stockwerk…erteilt.“ säuselt die Computerstimme der Fahrstuhldame. In der Zeit die der Fahrstuhl benötigt, um 68 Stockwerke hinter sich zu bringen, frage ich mich, was der Präsident wohl von mir will. Geht’s um den Bericht? Unwahrscheinlich. Wenn was damit wäre, würde Tseng mit mir sprechen und nicht der Präsident. Der hat besseres zu tun, als sich wegen nem scheiß Bericht aufzuregen. Die Jubiläumsfeier? Nah. Kann ich mir auch nicht vorstellen. Was sollte da sein? „Reno, achte bitte darauf, mich wirklich gut zu schützen.“ Warum sollte er so was sagen? Oder mich überhaupt darauf hinweisen. Macht alles keinen Sinn. Wegen der Verspätung? Nah. Auch mehr Tsengs Terrain, als seins. Gaia, mir fällt nichts mehr ein. Verdammte Stille! Fahrstuhlmusik muss her. „Willkommen im hundertsten Stockwerk. ShinRa wünscht Ihnen noch einen schönen Tag.“ „Danke. Ich dir auch.“ wünsch ich der Fahrstuhlstimme. Da ist sie. Die große, weiße Doppeltür. Ich trete hindurch und sehe Dave an seinem Schreibtisch sitzen. „Alles klar?“ frage ich ihn. „Ja. Danke, Reno. Ich sage dem Präsidenten, dass du da bist.“ Er tippt auf seinem Telefon irgendeine Taste. „Reno ist da.“ höre ich. Er legt auf. „Du kannst jetzt rein gehen.“ Irgendwie führen wir immer dasselbe Gespräch. Vielleicht sollte ich mir mal was Neues einfallen lassen. So was wie „Alles fit?“ oder „Dave, sieh mal ein Huhn!“ Würde unsere Beziehung vielleicht auf eine neue Ebene bringen. Ich frag mich, was dieser Dave wohl für ein Typ ist. Er scheint mir so aalglatt zu sein. Könnt mir gut vorstellen, dass wenn er nach Hause kommt, sich die Kleider vom Leib reißt. Oder sich nach der Arbeit in ein Kleid schmeißt und alle zwingt ihn „Misses Habendischer“ zu nennen. Dave, Dave, Dave. Ich gehe also auf die zweite, weiße Doppeltür zu und öffne sie. So muss es sein, wenn man stirbt. Wenn man auf das Licht am Ende des Tunnels zugeht. Ich erblinde fasst jedes Mal, wenn ich sein Büro betrete. Alles ist so weiß. So hell. So steril. Man könnte problemlos in diesem Raum operieren. „Reno.“ Er sitzt hinter seinem Schreibtisch und fixiert mich mit seinem Blick. Der Blick eines Raubtiers, welches seine Beute begutachtet. Ein schlechtes Zeichen. Jetzt ist äußerste Vorsicht angesagt. Mit Rufus Shinra zu sprechen, ist wie mit verbundenen Augen durch ein Minenfeld zu laufen. Man weiß, dass er etwas vorhat. Man weiß nur nicht was. Und wenn man‘s dann mal geschnallt hat, fliegt einem schon alles um die Ohren. „Bitte, nimm Platz.“ Gefahr, Gefahr, Gefahr. Er lächelt. Danger, Danger, Danger! „Wie geht es dir?“ „Ging mir nie besser.“ Gelogen. Ging mir nie schlechter. „Das freut mich.“ Gelogen. Deswegen freut er sich nicht. „Du erscheinst mir nervös.“ „Kein Stück. Alles cool.“ „Lüg mich nicht an.“ Jedes Wort spricht er schneidend aus. „Du machst immer diese Geste, wenn du nervös bist oder dich unbehaglich fühlst. Was von beidem ist es nun?“ Was für eine Geste? „Was für eine Geste?“ „Ich bin überrascht. Für einen solch kontrollierten Menschen, wie du es bist, erstaunt es mich, dass dir deine eigenen Gesten nicht geläufig sind.“ „Klär mich auf.“, versuche ich das Gespräch in eine neue Richtung zu drängen. Über meine Gesten zu reden, ist zwar nicht unbedingt mein liebstes Thema, aber es ist sicherlich besser, als das worüber er reden will. Seine Augen verengen sich für einen kurzen Moment. Fast nicht wahrnehmbar. „Sei’s drum, Reno. Weißt du, dass ich das Midgarmodell anlässlich der Jubiläumsfeier, habe liefern lassen?“ „Ja. Hab die Leute mit den einzelnen Teilen, in der Eingangshalle gesehen.“ „Weißt du auch warum?“ „Mahnmal. Symbolischer Charakter und so. Schöne Idee.“ füge ich hinzu. Is natürlich Quatsch. „Ist dir auch bekannt, dass ich Historiker mit Nachforschungen über die alten Sektorennamen beauftragt habe?“ Shiva! Jetzt heißt es cool bleiben. „Is mir bekannt. Tseng hat‘s mir erzählt. Zwecks des Zurückwünschen in die gute, alte Zeit. Sehr clever.“ Er dreht sich mit seinem Stuhl auf die Seite und schaut halb aus dem Fenster. „Sie waren erfolgreich.“ „Sehr gut.“ stammle ich. Ich muss hier raus. So schnell wie nur irgend möglich. „Tja, wenn das dann alles war, Rufus. Ich muss…“ „Wusstest du, dass Sektor sieben, denselben Namen trug, wie mein Vater?“ Shiva! Ich muss weg „Ist das nicht ironisch? Er zerstört ausgerechnet den Sektor, der seinen Namen trägt. Und kurz darauf wird auch er zerstört. Amüsant, findest du nicht?“ „Is n Brüller.“ „In der Tat. Aber der eigentliche „Brüller“, ist der Name des dritten Sektors.“ Der kleine Reno möchte aus der Hölle abgeholt werden, ich wiederhole, der kleine Reno bitte! „Soll ich dir verraten, welchen Namen er trug?“ Heute ist es kein blindes Stolpern durch ein Minenfeld. Heute ist es ein Erschießungskommando, mit nem fetten Spott auf mich gerichtet. Ohne Augenbinde. Ohne letzte Kippe. Er sieht mir wieder direkt in die Augen. Shiva, nein. Das Allerletzte was ich will, ist das ausgerechnet Rufus Shinra mir sagt, wie der verdammte dritte Sektor hieß. Gaia, hilf mir! „Du weißt, normalerweise bin ich für jeden Gag zu haben, aber ich denke in diesem speziellen Fall, reicht es, wenn du lachen kannst.“ Das war‘s. Ich bin erledigt. „Lachen konnte ich in der Tat. Und ich würde dieses Gefühl so gerne mit dir teilen.“ Aus der Sache komm ich nicht mehr raus. „Schieß los.“ sage ich schließlich resigniert. Ein Lächeln. Gaia, wie er diesen Moment genießt. „Reno.“ Er schweigt einen Augenblick, dann fährt er fort. „Ist das nicht ein Zufall?“ Game over. „Verrückt.“ „Weißt du Reno, mir war schon lange bekannt, dass keine oder sagen wir wenige der Angaben, die du zur Zeit deiner Einstellung gemacht hast, der Wahrheit entsprochen haben. Mir war auch bewusst, dass du freiwillig niemals etwas über dich erzählen würdest. Außerdem bezweifelte ich, dass es irgendeinen Weg gäbe, dich zum Reden zu bringen. Eigentlich hatte ich mich dann entschlossen, Nachforschungen über dich anstellen zu lassen. Doch auch das, gestaltete sich äußerst problematisch. Ohne Namen und ohne einen Ort, an dem man zu suchen beginnen soll, schien es unmöglich. Und nun stelle ich fest, dass der dritte Sektor ehemals den Namen trug, den du als Turk gewählt hast.“ Was soll ich sagen. Genauso war‘s. Als ich damals entscheiden musste, wie dieser neue Mensch, dieser Turk – ohne jegliche Vergangenheit – heißen sollte, entschied ich mich, einen kleinen Teil meines alten Lebens mitzunehmen. Ich hab immer viel gelesen. Ich dachte immer, egal wie unwichtig die Information ist, vielleicht nutzt sie mir eines Tages. Und so war es oft. Ein Grund warum ich so gut in meinem Job bin, ist die Ansammlung von all diesem scheinbar unnützen Wissen. Und genauso bin ich auch über ein Buch gestolpert, welches vom alten Midgar berichtete. Ich bin in den Slums von Sektor drei aufgewachsen und als ich damals gefragt wurde „Mr. Leonhart, haben Sie sich für einen Namen entschieden?“ fiel mir dieses Buch wieder ein. Ich hätte nie gedacht, dass mich das jemals wieder einholen würde. Ich hätte nie gedacht, dass ich es sein würde, der mich verrät. Jetzt, wo Rufus einen Anhaltspunkt hat, wird er nicht mehr zögern. Gaia, er wird alles erfahren. Meinen richtigen Namen. In welchen Verhältnissen ich aufgewachsen bin. Wer meine Eltern sind. Was ich alles für scheiße gebaut habe. Nichts ist mehr sicher. Mein Leben – ein offenes Buch. Könnte es noch schlimmer sein? Könnte irgendwas auf dieser Welt, noch furchtbarer sein? Nein. Nichts. „Und? Hast du schon Leute losgeschickt?“ „Noch nicht.“ „Oh. Aber du wirst noch welche losschicken?“ „Das kommt darauf an.“ „Auf was?“ „Darauf, ob ich mit meiner Zeit vielleicht etwas Besseres anzufangen weiß.“ „Hast du schon eine Idee, was das sein könnte?“ Seine Augen funkeln. Er hat seine Beute erlegt. „Ich bin sicher, dir und mir wird etwas einfallen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)