Armageddon von UrrSharrador (Auch die Hoffnung stirbt irgendwann ... [Trailer online]) ================================================================================ Kapitel 14: Die Gerechtigkeit der neuen Welt -------------------------------------------- „Wo ist er?“, fragte Sasuke den gefangenen Ninja, leise und gefährlich, und trat auf ihn zu, packte ihn am Kragen und zerrte ihn in die Höhe. „Wo?“ „Keine Sorge“, erwiderte Eichi keuchend. „Deinem Bruder geht’s gut, kein Grund sich so aufzuregen.“ Offenbar glaubte er, Sasukes Reaktion entspringe seiner Sorge um Itachi. „Sag mir, wo er ist“, verlangte Sasuke und zog sein Schwert. Eichi wurde ein wenig blass um die Nase. „Sasuke“, sagte Kakashi scharf. „Was glaubst du denn?“, platzte Eichi heraus. „Im Süden, in der Chakramine! Er ist dort so etwas wie ein Oberaufseher, und diese Jashin-Fanatiker haben ihn zu ihrem Hohepriester gemacht.“ Sasukes Blick flackerte für einen kurzen, schrecklichen Moment zu Sakura. Dann ließ er den Mann fallen, straffte die Schultern und wandte sich zum Gehen. „Wo willst du hin?“, rief Sakura erschrocken. Kurz blieb er stehen, steckte sein Schwert weg. „Ich gehe mich von der Jagd ausruhen“, erklärte er monoton und stapfte davon. Die umstehenden Leute machten ihm respektvoll Platz. Sakura zögerte noch, ihm zu folgen. „Du hast es ihm nicht gesagt“, stellte Kakashi an ihrer Seite leise fest. Sie schüttelte den Kopf. Er seufzte und wandte sich an die anderen, indem er auf Eichi zeigte. „Wir sollten ihn einsperren. Schon zu seinem eigenen Schutz.“ Nickend gaben ihm die anderen Gremiummitglieder recht. Sakura sah, wie Sasuke in Richtung ihres Hauses davonging. Sie biss sich auf die Lippen, riss sich innerlich zusammen und lief ihm hinterher. „Das war zu erwarten“, sagte Itachi. „Dein Bruder und du seid wohl nicht gerade eine Musterfamilie, was?“, feixte der junge Ninja, der sich Kaze nannte. Er und seine Kameradin waren gestern Abend auf den Beschwörungsschriftrollen vor Itachis Kammer erschienen, ganz wie geplant. Itachi würdigte ihn keiner Antwort. „Der einäugige Kerl hat beschlossen, dass sie ihn einsperren“, berichtete die Kunoichi. Sie saß im Schneidersitz, spezielle Fingerzeichen haltend, auf dem Boden und hatte die Augen geschlossen. Ihr braunes Haar verschmolz beinahe mit der Höhlenwand hinter ihr. „Jetzt bringen sie ihn in ein Haus oder etwas Ähnliches. Sieht aus wie ein Bretterverschlag mit ein paar Eisenstangen als Stütze. Ziemlich klein. Da steht ein Metallgerüst, so etwas, an das man Kühe kettet. Sie binden ihn da dran, der rothaarige Mistkerl sagt: Allzuviel zu essen werden wir leider nicht für dich erübrigen können, dafür haben wir zu wenig. Jetzt gehen sie und schließen die Tür von außen ab. Ein Fenster gibt es nicht, aber durch die Ritzen zwischen den Brettern kann Eichi ein wenig raussehen.“ Sie öffnete die Augen. Ihre Pupillen waren einen Moment lang riesengroß, sodass ihre Augen schwarz wirkten, dann blinzelte sie und sie passten sich den Lichtverhältnissen an. Ihr Blick war zornig, als sie zu Itachi sagte: „Ich will hoffen, dass ihm nichts passiert, sonst werde ich sauer, Hohepriester.“ „Ihr habt dem Plan zugestimmt“, erinnerte sie Itachi ungerührt. Die Kunoichi rümpfte nur die Nase und stand auf, klopfte sich Steinstaub von der Hose. Anzu war nicht nur recht fähig, was Medic-Jutsus anging, sie und ihr Bruder Eichi waren außerdem beide Sensor-Ninjas und wie gemacht für die Informationsbeschaffung. Ihr Kekkei Genkai erlaubte es ihnen, sofern sie die eigenen Augen geschlossen hatten und ein bestimmtes Fingerzeichen hielten, die Sinne des jeweils anderen abzurufen. Somit hatte sie gesehen, was ihr Bruder im Norden gesehen hatte, ohne dass dort jemand gemerkt hatte, dass sie ausspioniert worden waren. Itachi mutmaßte, dass diese Fähigkeit weitläufig mit dem Rinnegan verwandt sein könnte. „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Kaze. „Fürs erste nichts. Ich melde mich bei euch, wenn ich einen neuen Plan habe.“ Damit wies Itachi auf die Tür seiner Kammer, damit sie ihn allein ließen. Anzu setzte sich in Bewegung, aber Kaze blieb. Grinsend fragte er: „Das Mädchen, das bei deinem Bruder ist – kann es sein, dass du in sie verknallt bist?“ „Du fragst zuviel“, sagte Itachi. „Ich hab also recht.“ Kazes freches Grinsen wurde breiter. „Und du interpretierst zuviel“, gab Itachi kühl zurück. „Geht jetzt.“ Als Sakura die Tür zu ihrem Haus öffnete, stand Sasuke einfach nur da und starrte die gegenüberliegende Wand an. Sein Schwert lag auf dem Tisch. „Du hast es mir nicht gesagt“, murmelte er. „Nein“, sagte sie betroffen und trat ein. Knarrend zog sie die Tür hinter sich zu. „Ich war schon ganz in seiner Nähe, nicht wahr?“ Sie seufzte traurig. „Ja.“ Mehr konnte sie nicht sagen. „Warum hast du es mir nicht gesagt?“ „Sasuke, ich …“ „Warum?“ Seine Stimme war scharf und schneidend wie seine Schwertklinge. Er hatte wütend die Schultern angezogen. Sakura knetete ihre Hände. „Ich dachte … du würdest dich sofort auf ihn stürzen. Itachi hat fast alles Chakra, das noch übrig ist, er kontrolliert die Minen. Und seine Handlanger … die Jashinisten, sie tun alles, was er ihnen befiehlt.“ „Du denkst, ich wäre zu schwach gewesen.“ „Was hättest du denn ohne Chakra tun können?“, rief sie, ein wenig gereizt. Er musste doch selbst merken, dass es unvernünftig gewesen wäre! „Und jetzt, wo er noch mehr Kristalle hat und eine Ninjaarmee, jetzt ist es einfacher?“, knurrte er. Immer noch wandte er ihr den Rücken zu. „Ich wollte doch nur, dass du bei mir bleibst …“, flüsterte sie und machte ein paar Schritte auf ihn zu, wollte ihn umarmen, wie damals vor so langer Zeit im Wald des Todes, seine Wut mit einer simplen zärtlichen Geste ersticken. „Bleib, wo du bist“, zischte er. „Komm nicht näher.“ Sakura hielt mitten im Schritt inne und ließ die Schultern hängen. „Du hast mich belogen“, murmelte Sasuke. „Von Anfang an. Liebe. Die Mauer um mein Herz einreißen. Das Loch in meiner Seele füllen. Mich durch die Wüste begleiten. Die neue Welt.“ Er schnaubte humorlos. „Nichts als schöne Worte. Du wolltest also nur bei mir blieben? Ich habe mich geirrt. Du bist noch genau wie damals. Wieso habe ich nur geglaubt, du als einzige in dieser gottverfluchten Welt wärst nicht selbstsüchtig, gerade du? Wieso?“ Und da wusste sie es plötzlich. Der Gedanke mochte ihrem verruchten Unterbewusstsein entspringen, das keine Gelegenheit ausließ, sie zu quälen, aber für einen kurzen Moment war sie sich dennoch sicher. Ihre Zweifel waren wie weggewischt von der Trauer und dem Gefühl, ihn verloren zu haben. Es war ihm nicht um den Wiederaufbau seines Clans gegangen. Er hatte sie wohl tatsächlich geliebt. Sakura schwieg betreten. „Ich wollte nur das Beste für dich“, sagte sie mit erstickter Stimme. „Es wäre dein Untergang gewesen. Unsere Liebe hätte gar nicht erst entstehen können.“ Sie wusste selbst, wie hohl es klang. „Erspar mir deine schönen Reden. Liebe? Das ist ein Ausdruck, der dir gefällt, ja? Den du drehen und wenden kannst, wie es dir passt.“ Er wandte sich halb um, in seinem gesenkten Kopf funkelten Raubtieraugen. Sie konnte nicht sagen, ob er nur wütend war oder sie nun hasste. Gold und Silber, fiel ihr ein. Vielleicht waren sie einfach zu verschieden, als dass eine Beziehung auf lange Sicht geglückt wäre. Betreten wich sie seinem Blick aus. „Ich werde … Kureiji fragen, ob er ein anderes Haus für mich hat“, sagte sie. Fast hätte sie Kakashi gesagt, aber sie hatte das Gefühl, dass Sasuke diesen Namen lieber nicht hören wollte. „Ich vermute, du willst nicht mehr mit mir unter einem Dach wohnen.“ Er sah sie nur weiterhin an, und aus seinem Blick sprach so tiefer Zorn, dass sie die finstere Kralle deutlich spürte, die nicht nur seine Gedanken umklammert hielt, sondern auch nach ihr griff. Mit einem Ruck drehte sie sich um. Alles in ihr schrie danach, ihn nicht allein zu lassen, bei ihm zu bleiben. Aber sie konnte nicht. Wieder schwindelte sie kurz. Vielleicht war es sogar besser, wenn sie von nun an getrennte Wege gingen. Es hätte doch nicht Bestand gehabt. Selbst die Gewissheit, der sie nun so nahe war, die Gewissheit, dass seine Gefühle für sie am Ende doch nicht gespielt gewesen waren, weil ihre Lüge ihn so schwer getroffen hatte, brachte ihr keinen Trost. Instinktiv presste sie die Hand an ihren Bauch. Stumm stiegen Tränen in ihre Augen, brennend. „Es tut mir leid“, flüsterte sie, als sie die Hand nach der Türschnalle ausstreckte. „Versprich mir nur … dass du nichts Unüberlegtes tust.“ Plötzlich war er bei ihr, seine starken Hände umschlangen ihren Leib. Er küsste ihren Nacken, durch ihr Haar hindurch. Sie kniff die Augen zusammen. War das ein Abschiedskuss? „Vergiss nicht, Itachi hat dir etwas Unverzeihliches angetan“, murmelte Sasuke an ihrem Ohr. „Jetzt habe ich noch einen Grund mehr, ihn zu töten.“ „Sasuke, tu es nicht …“, hauchte Sakura. Die Tränen begannen ihr über die Wangen zu laufen. „Du rennst in deinen Untergang.“ „Du kannst mich nicht aufhalten“, sagte er hart. Ja, das wusste sie. Sie hatte es auch damals nicht gekonnt. Jetzt, nach dieser Geschichte, weniger denn je. Unsanfter, als er es hätte müssen, schob er sie zur Seite, riss die Tür auf. Das Letzte, was sie sah, waren die morgendlichen Sonnenstrahlen, die sein Haar in einem Feuerkranz einrahmten. Dann knallte er die Tür hinter sich zu und Sakura blieb in ihrem Haus zurück, unfähig sich zu rühren. Ein Gefühl kletterte ihre Kehle hoch, schwer und schleppend, schleimig wie eine Schnecke, gründlich. Dennoch wusste sie, dass die spitzen Ecken des Gefühls langsam abstumpften. Der vergangene Monat hatte so viel Leid über sie gebracht, dass sie es gar nicht mehr alles aufnehmen konnte. Ja, vielleicht konnte sie ihn deshalb gehen lassen. Nur aus diesem Grund. Weil sie einfach müde war. Müde, ihrem Unglück hinterherzulaufen, denn wohin sie ging, das Unglück wartete genau dort, hatte sie umzingelt. Also würde sie einfach stehen blieben. Mechanisch, wie eine Maschine, ging sie zum Hospital, half mit geübten Handgriffen den Leuten dort, linderte körperlichen Schmerz und war doch unfähig, ihren eigenen, seelischen Schmerz loszuwerden. Nicht ohne Hilfe. Doch Hilfe konnte sie in dieser Welt nicht erwarten. Stimmen eines Aufruhrs erreichten sie gegen Mittag. Sie sah von ihrem Patienten, einem grauhaarigen Mann mit üblen Magengeschwüren, auf und aus dem glaslosen Fenster in die flimmernde Luft; der Tag schickte sich an, anders als die vorhergegangenen sehr heiß zu werden. Draußen kamen zwei Arbeiter aus der Höhle, in verschmutzten Overalls, und unterhielten sich erregt, doch sie konnte die Worte nicht verstehen. Auch die anderen Heiler spürten die Unruhe, die plötzlich in der Stadt aufbrandete. Der ranghöchste von ihnen, ein alter Mann mit kleinen, runden Brillengläsern, runzelte die Stirn und sah nach draußen. „Heda!“, rief er einem Jungen zu, der einen Korb voller verkümmerter Pilze zum Nahrungslager gebracht hatte und eben zum Stadtzentrum rennen wollte. „Was ist los? Sagt uns auch mal jemand was?“ Der Junge sah Sakura hinter ihm, und sein Blick zuckte vor ihr zurück, als würde ihn eine ansteckende Krankheit befallen, wenn er sie nur ansah. Laut sagte er: „Der … Neue. Sie haben ihn festgenommen.“ Sakura riss die Augen auf. Es gab keinen Zweifel, wer der Neue war … Aber wieso sollte jemand Sasuke festnehmen? Ohne zu überlegen, stürmte sie an ihrem Kollegen vorbei ins Freie, der ihr nachrief und schließlich fluchend folgte. Wie schon einmal an diesem Tag, hatten sich die meisten Bewohner von Neuanfang um den Platz im Zentrum der Stadt versammelt. Mit Ellbogen und Schultern bahnte Sakura sich den Weg in dessen Mitte. Dort war er, Sasuke; die Arme gefesselt, das Hemd zerrissen und mit einer Wunde an der Stirn, aus der Blut über eine Hälfte seines Gesichts lief, hockte er auf dem Boden. Sein Schwert hatte er nicht mehr – es war in den Händen von Kureiji, der neben ihm lässig damit herumspielte. „Was geht hier vor?“, rief Sakura scharf. „Was soll das?“ Ein knisternder Gedanke zuckte in ihrem Kopf – sie sollte sich nicht nur fragen, warum Sasuke immer noch hier war, sondern auch, warum ihn überhaupt irgendjemand hatte fangen können. Einer der Männer in Grau, ein strenger Ninja aus dem Gremium namens Hotaru, von dem Sakura gehört hatte, dass er eines der Gründungsmitglieder von Neuanfang war, reckte sein Kinn. „Er wurde dabei erwischt, wie er in das Vorratslager einbrechen und unsere Chakraflüssigkeit stehlen wollte.“ Sakuras Blick wanderte zu dem mit Stracheldraht umzäunten Lagerplatz, in dem sich der steinerne Bunker duckte, in den Kureiji ihre Fässer hatte bringen lassen. „Ist das nicht sein gutes Recht?“, gab sie wütend zurück. „Das Chakra gehört uns.“ „Ihr habt es bei euer Ankunft der Stadt überantwortet“, polterte Hotaru. „Es gehört dem Allgemeinwohl. Außerdem wollte er nicht nur die Fässer stehlen, die wir von euch haben, sondern auch die anderen!“ Sakura starrte Sasuke ungläubig an. „Ist das wahr?“ Er sah ihr nur mit unbewegter Miene entgegen, schweigend. Er hatte ihr nicht verziehen. „Es ist kein Problem, unsere Gemeinschaft zu verlassen“, meinte Kureiji und stopfte sich einen Streifen Tabak in den Mund. „Solange man nicht wieder winselnd angelaufen kommt. Aber bei Diebstahl verstehen wir leider keinen Spaß.“ Jetzt wucherten die Ranken des schlechten Gewissens wieder in Sakura hoch. Sie hätte ihn aufhalten müssen. Sie wusste, dass es dumm von ihm war, Itachi herauszufordern, aber ganz offensichtlich war er sogar in seinem Rachewahn zu dem Entschluss gekommen, dass er Chakra dazu brauchte – viel Chakra. Von der letzten Jagd dürfte er kaum noch welches übrig gehabt haben. Sakura straffte die Schultern und stemmte die Hände in die Hüften. Sie hatte es satt, so satt. Ständig schob sie sich selbst die Schuld zu, alles machte sie falsch. Dann eben so! Sie würde auch weiterhin alles falsch machen, also konnte sie genausogut auf jede Rücksicht verzichten. „Seit wir hier sind, haben wir hart gearbeitet. Ich habe Dutzende Patienten behandelt. Kureiji, du weißt, wie sehr Sasuke euch geholfen hat! Also lasst ihn gefälligst frei und in Ruhe ziehen, oder ihr werdet es bereuen!“ Sie wusste, dass Sasuke sie diesmal nicht mitnehmen würde. Sie hoffte, bluffen zu können, hoffte, dass ein fähiger Medic-nin für sie von größerem Wert war als ein Gefangener. „Wenn einer die Regeln bricht und ungeschoren davonkommt, werden andere dasselbe tun“, knurrte Hotaru. „Er wird auf jeden Fall hart bestarft und verliert das Recht seiner Freiheit. Wir müssen streng sein. Nur Disziplin hält die Menschen in dieser Ödnis zusammen.“ „Was für Menschen seid ihr denn noch, wenn ihr eure Menschlichkeit ablegt?“ Sakuras Wangen brannten vor Wut. Bestrafen? Sasuke? Das kam ihr so unnatürlich vor … und sie hatte Angst davor. Einer der Patienten hatte ihr erzählt, dass ein anderer Arbeiter einen Streit mit ihm angefangen hatte, der in eine Prügelei ausgeartet war. Als Bestrafung hatte das Gremium den Mann nicht nur verstoßen, sondern ihn mit einem glühenden Eisen gebrandmarkt. „Vielleicht die letzte Art Mensch auf der Welt“, beharrte Hotaru stur, „doch wir leben.“ „Das ist doch …“, zischte Sakura und ballte wütend die Fäuste. „Das reicht, Sakura.“ Sie hätte seine Stimme nicht hören müssen, um zu wissen, dass die Hand, die sich auf ihre Schulter legte, Kakashi gehörte. Zornig funkelte sie ihn an. Nun, da sie ihn sah, ein wenig abgekämpft und die Frisur noch schräger als sonst, wurde ihr klar, wer es geschafft hatte, Sasuke zu erwischen und gefangenzunehmen. „Kakashi!“, sagte sie eindringlich. „Du weißt, dass es ohne Regeln nicht geht.“ Seine Stimme war ruhig, beruhigend. „Aber er hat euch so viel eingebracht, und ihr habt ihn immerhin davon abgehalten, etwas zu stehlen“, sagte Sakura. „Verstoßt ihn und lasst ihn gehen.“ Der Griff um ihre Schulter wurde kaum merklich stärker. „So einfach ist es nicht.“ „Blöderweise haben wir recht genaue, ungeschriebene Gesetze für so was. Seine früheren Taten spielen keine Rolle“, sagte Kureiji, sein dämliches Grinsen wollte auch in dieser Situation nicht aus seinem Gesicht verschwinden, während er lässig auf seinem Tabak kaute. „Die Bestrafung für Diebe ist sicher das älteste Gesetz in Neuanfang, oder?“ Zustimmendes Gemurmel von allen Seiten. Sakuras Herz begann so sehr zu klopfen, dass sie es hart und unangenehm in ihrem Brustkorb spürte. Wenn sie einem Mann wegen einer Schlägerei ein Brandeisen aufdrückten, was mochten sie mit ihm vorhaben? Mit einem klammen Gefühl sah sie zu, wie Hotaru zwei Wachmännern zunickte, die Sasuke in die Höhe zogen und ihn vor sich her stießen. Die Menge schwappte mit, als sie ihn in die hinterste Ecke der Stadt führten, in die Nähe der Felswände. Dort war ein verbogener Metallpflock in die Erde getrieben, dessen bloßer Anblick Sakura Unbehagen bereitete. Während sie sich von der Menge mittreiben ließ, blieb Kakashi ständig in ihrer Nähe, wie um sie daran zu hindern etwas Dummes zu tun. „Wie konntest du das tun“, zischte sie Kakashi zu. „Was immer sie jetzt mit ihm machen, es ist deine Schuld.“ „Es war meine Pflicht“, gab Kakashi zurück. „Außerdem werden sie ihn nicht umbringen. Itachi wird es.“ Er zögerte. „Ich habe dich gewarnt. Er ist unberechenbar.“ „Weil er zurückgekommen ist, um sich Chakra mitzunehmen?“ „Weil er zu oft die Seiten wechselt. Sasuke ist und bleibt ein Verräter, Sakura.“ „Dann bin ich ebenso eine Verräterin“, meinte sie trotzig. „Unvernunft kannst du dir hier nicht leisten“, sagte er streng. „Das hier ist nicht Konoha.“ „Und warum nicht?“, murmelte sie bitter. „Alles war in Ordnung in Konoha.“ Er wollte etwas erwidern, aber die Menge hielt an. Sasuke wurde brutal in die Höhe gezogen, bis seine Fesseln auf einem Metalldorn ruhten, der aus dem Pfahl wuchs. Er war so hoch oben, dass Sasukes Zehen gerade noch so den Boden berührten und es ihm schier die Schultern auskugeln musste. „Sasuke, du hast gestohlen und somit ein Verbrechen begangen“, sagte Hotaru formell. „Folgend den Regeln, die das Gremium für die Verwaltung von Neuanfang aufgestellt hat, sollst du bestraft werden. Der erste Teil der Bestrafung betrifft die Tat selbst und damit die Vergangenheit. Dafür sollst du ausgepeitscht werden.“ „Nein“, flüsterte Sakura. Ihre Finger kratzten an ihrer Unterlippe. Sasuke reagierte auf diese Ankündigung nur mit einem zornigen Blick. Einer der Wachen zog eine glänzend schwarze Peitsche aus dem Gürtel, die ihm Kureiji allerdings abnahm. „Ich mach das“, erklärte er und trat zu Sasuke. Gerade so laut, dass Sakura ihn hören konnte, sagte er: „Zwar schlag ich nicht gern meine Kampfgefährten, aber du bist doch ‘n zäher Junge. Dich juckt das sicher nicht mal.“ Sasuke sah aus, als hätte er ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt, aber da drehten ihn seine beiden Bewacher grob um, sodass er mit dem Gesicht zum Eisenpfosten stand und Kureiji den Rücken zuwandte, der gemächlich die Peitsche entrollte und sich anschickte auszuholen. Die anderen beiden zerschnitten die Schulterstücke seines Hemds, sodass es ihm lose um die Beine schlenkerte und sein Rücken entblößt wurde. „Nein!“, schrie Sakura und wollte sich nach vorn werfen, doch Kakashi hielt sie eisern fest, beide Hände brauchte er dazu. „Hört sofort auf! Sasuke!“ „Tut mir leid, kleine Kirschblüte, aber so sind die Regeln“, meinte Kureiji achselzuckend und spuckte seinen Tabak aus. Dann schlug er zu. Wie in Zeitlupe sah Sakura den langen Arm der Peitsche sich zuerst strecken und dann wie eine Giftschlange nach Sasukes Oberkörper schnappen. Sie hörte den Schlag erst gar nicht, sah nur mit schrecklicher Klarheit, wie der Riemen sich quer an seinen Oberkörper klebte, eine lange, blutige, zerfetzte Linie aus seiner Haut riss, und Sasukes Muskeln ringsum zuckten. Der Schlag ließ ihn nach vorn pendeln, wehrlos baumelnd an seinen Handfesseln. Dann erst nahmen Sakuras Ohren die Geräusche wieder wahr, das reißende Schnalzen, mit zehnfachem Echo, das in ihrem Kopf widerhallte, und ihren eigenen, schrillen Schrei. Sasuke schrie nicht. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, aber er blieb stumm wie ein Fisch. Kueriji warf Hotaru einen Blick zu, der nickte. Blitzschnell und dabei anmutig und präzise wie ein Ninja schlug er abermals auf Sasuke ein, vollendete ein blutiges X auf seinem Rücken. Diesmal schwenkte Sasuke, nur mit den Zehenspitzen den Boden berührend, weit genug herum, dass sie seine angespannten Bauchmuskeln und zusammengebissenen Zähne sehen konnte. Ihre Augen wurden feucht vor Grauen. Wieder biss die Peitsche zu, wickelte sich unter seiner Achsel hindurch, verschonte nicht einmal Sasukes Brust. Der nächste Schlag war waagrecht und für einen Moment schlang sich der Lederriemen um seine Hüften, nur um eine brennend rote Spur zu hinterlassen, als Kureiji die Peitsche wieder zurückriss. Sakura achtete nicht mehr auf die anderen. Sie stieß die Schaulustigen zur Seite, stürzte auf den Marterpfahl zu, und als die beiden Wachmänner sich ihr entgegenstellten, hob sie angriffslustig die Fäuste. Sie würden ihrer Körperkraft nichts entgegenzusetzen haben, das wusste sie, und im Gegensatz zu Sasuke war ihr Chakra noch nicht verbraucht. Jemand packte ihre Arme, riss sie zurück. Sie sah in Kakashis ausdrucksloses Gesicht. „Mach keinen Ärger“, schärfte er ihr ein. „Bitte. Um deiner selbst willen. Wenn du nicht hinsehen kannst, sieh mich an.“ Sakuras Kraft schien zu schwinden, als sie sah, wie er sein Stirnband hob um sein Sharingan zu entblößen. Sie wollte Kakashi nicht wehtun, nicht, während Sasuke gepeinigt wurde, und sie hätte ihm wohl auch nichts entgegenzusetzen gehabt. Aber wegsehen konnte sie nicht. Stumm und bitter blickte sie zu Sasuke, dessen Rücken bereits ein Mosaik aus blutigen Striemen war. Und immer noch hieb Kureiji auf ihn ein. Jeder neuerliche Schlag sprenkelte die trockene Erde und die Felsen mit feinen Blutspritzern. Dann donnerte die Peitsche mit nie dagewesener Wucht herab, grub eine tiefe Furche in sein Fleisch, und Sasuke schrie. Sakura kniff die Augen zu, in denen Tränen ohnmächtiger Wut brannten. Nein, sie war es ihm schuldig. Sie hatte ihn belogen, ihretwegen war er hier, ihretwegen wollte er wieder zurück. Sie war sein Todesengel. Und obwohl sie sich selbst fühlte, als gehörte sie bestraft, war Sasuke es, der ausgepeitscht wurde. Die Welt lag im Sterben. Die Ungerechtigkeit war geblieben. Mit aller Macht zwang sich Sakura, die Augen zu öffnen. Das schreckliche Schnalzen des Riemens würde sie ohnehin in ihre Träume verfolgen, und sie hörte es laut und deutlich. Sasukes Beine hatten nachgegeben und er schlenkerte nun tatsächlich nur noch an den Handgelenken aufgeknüpft an dem Pfahl. Dünne Filme aus Blut sickerten aus den Dutzenden roten Schluchten seiner Haut, tränkten seine Hosen, färbten den Staub unter seinen Beinen. Und er sah sie an. Sakuras Atem stockte. Sasuke starrte ihr direkt in die Augen, den Kopf verdreht, als wollte er sie unter allen Umständen ansehen. In seinem Blick sah sie einen stummen Vorwurf, dumpfe Verachtung, und als würde er die Worte laut aussprechen, las sie eine Frage in seinen Augen: Nun bin ich noch hier. Hast du erreicht, was du wolltest? Das Leder der Peitsche kam Sakura triefend rot vor, als Kureiji sie endlich sinken ließ. „Dreißig. Und erst bei den letzten sieben hast du geschrien. Respekt – ich dachte schon, ich krieg‘ überhaupt keinen Ton aus dir raus.“ Sakura hatte selten jemanden so gehasst wie Kureiji in diesem Moment, obwohl sie spürte, dass seine Worte eigentlich so etwas wie Anerkennung waren. „Reicht doch, oder?“, fragte er Hotaru, der grimmig nickte. Sakura atmete zittrig durch. Es war vorbei. Er hatte es überstanden. Sie wollte auf Sasuke zutrteten, seine Hände von dem Haken nehmen, aber der Gründer von Neuanfang zerschmetterte ihre Hoffnungen mit einem stählernen Hammer. „Das war der erste Teil der Bestrafung, der die Vergangenheit sühnt. Der zwei Teil betrifft die Zukunft und soll dafür sorgen, dass du diese Tat nie wieder begehst.“ Hotaru ließ eine dramatische, unheilverkündende Pause folgen, in der Sakura mit all ihren Ängsten und ihrer Hilflosigkeit konfrontiert wurde. Dann sagte er mit vernichtender Endültigkeit: „Der Reiz der Ninjutsus hat dich den Diebstahl versuchen lassen. Damit du nie wieder in Versuchung kommst, Sasuke, werden wir die Möglichkeit nehmen, als Ninja Fingerzeichen zu formen.“ Er nickte Kureiji und Sasukes Bewachern zu. „Schneidet ihm die Zeige- und Mittelfinger ab.“ „Nein!“, kreischte Sakura, doch immer noch brannten Kakashis Hände an ihren Oberarmen. Sasuke Gesicht, so blutleer es auch war, schien noch blasser zu werden. In seinen Augen flackerte etwas auf, das vielleicht Angst war, oder auch die schleichende Erkenntnis, dass ihm damit auch jede Möglichkeit genommen würde, Itachi zu töten. Kureiji verzog das Gesicht. „Mach’s du“, sagte er zu einem der Bewacher. Dieser zögerte. „Ich werde es tun.“ Sakura fuhr herum. Kakashis Stimme war emotionslos, als er sich freiwillig meldete. „Vielleicht bin ich es ihm schuldig, dass ich es mache“, erklärte er leise. Sakura fühlte sich wie in einem Fiebertraum, als Kakashi von Hotaru ein blitzendes Messer ausgehändigt bekam. Nicht einmal ein Kunai, dachte sie, nicht einmal das Werkzeug eines Ninjas. In hilfloser Wut ballte sie die Fäuste, biss sich so fest auf die Unterlippe, dass ihr Blut über ihr Kinn lief. Es war nicht gerecht. Auch wenn die neue Welt strenge Maßnahmen verlangte, es war nicht gerecht! Der Sturm hatte ihnen schon einmal ihre Ninjafähigkeiten genommen. Nun wollten die Menschen es ihm gleichtun. „Nein“, murmelte sie, als die Wachen Sasuke von dem Dorn lösten und herumdrehten. Sein Körper war schlaff und kraftlos in ihren Armen, er verzog das Gesicht, als sie seine geschundene Haut berührten. Kakashi kam mit dem Messer näher. „Nein“, sagte sie lauter und tat einen Schritt nach vorn. Und in diesem Moment hatte sie es endgültig satt. Alles. Diese ganze Stadt, die der Neuanfang der Menschheit werden wollte. Die strengen Regeln, die Sasuke das antaten. Diese ganze verdammte Welt, alles, was von ihr übrig geblieben war, sollte es doch verrotten und verbrennen! Und am meisten hatte sie sich selbst satt. Ihre ständige Unentschlossenheit, ihre scheinbare Hilflosigkeit, ihre Ohnmacht, etwas anderes zu tun als nur am Rande zu stehen und entsetzt in Tränen auszubrechen. War nicht die Welt ins Gegenteil verkehrt worden, war Itachi nicht ein Sektenführer, war Sasuke nicht plötzlich jemand, der Liebe als Gefühl anerkannte? Warum hatte sie sich nicht geändert? Sie hatte genug von allem hier. Wenn die Welt sich von außen nach innen stülpte, warum sollte sie sich dann noch an irgendetwas halten? Plötzlich war ihr, als befände sie sich in einen dieser seltenen Träume, in denen man sich bewusst war, dass man träumte, und ohne Rücksicht auf die Realität tun und lassen konnte, was man wollte. „Sofort aufhören!“, befahl sie mit einer Stimme, so schrill wie kreischende Nägel auf Gestein. Sie war selbst erschrocken über die Schärfe dieser Worte, die durch die Menge schnitt und jeden auf dem Platz erreichte. Ging sie vielleicht durch Mark und Bein? Sehr gut. Kakashi drehte sich um, sah aber eher traurig als fragend aus. „Mach weiter“, sagte Hotaru, als er sie kurz mit einem Blick maß und entschied, dass ihr Wort weder Gewicht noch etwas Hörenswertes besaß. „Ja, macht nur weiter“, rief Sakura und fühlte sich plötzlich so leicht, als könnte sie mit einem einzigen Sprung in die Luft rauschen und davonfliegen. „Macht weiter und seht eure verdammte Stadt in Rauch aufgehen!“ Sie packte den nächstbesten Mann, den sie in die Finger bekam, und nahm ihn in den Schwitzkasten. Zufrieden stellte sie fest, dass sie den ältesten der Heiler erwischt hatte. „Mal sehen, wie weit euer Gerechtigkeitssinn geht!“, spie sie Hotaru entgegen. „Jeder Finger kostet euch einen Mann. Und glaubt nicht, ich könnte nicht sämtliche Heiler hier umbringen, bevor ihr mich schnappt!“ Die Wachen zuckten zusammen, ihre Waffen erblickten scharrend das Licht der Sonne, Kureiji starrte sie mit offenem Mund an, Kakashi wollte sie nicht in die Augen sehen, wegen seines Sharingans, aber sie alle hatten offensichtlich nicht gedacht, dass jemand in der Menge die ganze Menge als Geisel nehmen würde. Hotarus Mundwinkel wanderten nach unten. „Das würdest du nicht wagen“, sagte er. „Wetten?“ Sakura drückte ein wenig fester zu und der Heiler ächzte. Er war eigentlich kein schlechter Mensch, aber das war ihr egal. War Sasuke ein schlechter Mensch? Nein, die Frage sollte lauten – spielte es in dieser Welt überhaupt noch eine Rolle, ob jemand gut oder schlecht war? „Du weißt nicht, was du tust, Mädchen“, knurrte der Gründer von Neuanfang. „Ich kann zwar verstehen, dass du mit ihm leidest, aber …“ „Kannst du das?“ Aus Sakuras Augen blitzte Zorn, den sie selbst heiß und fiebrig glühend spürte. „Kann ein alter Steinbrocken ohne Herz etwas wie Liebe fühlen?“ „… aber Sasuke ist ein Verbrecher“, fuhr Hotaru unbeeindruckt fort. „Wenn du uns daran hinderst, Recht zu sprechen, bist du ebenfalls eine Verbrecherin.“ „Wenn das, was ihr hier tut, Gerechtigkeit sein soll“, sagte Sakura und ihre Stimme wurde laut, als sie ihm das Kinn entgegenreckte und den Griff um den Kopf des Heilers verstärkte, „dann bin ich mit Freuden und mit Stolz eine Kriminelle, mit Herz und Seele!“ „Sakura“, sagte Kakashi, die Ruhe in der Stimme von Schärfe durchzogen, die selten zum Vorschein kam. „Sei vernünftig.“ „Vernünftig“, stieß sie aus. Allein das Wort klang wie Gift, als würde sie erst jetzt erkennen, welche Moralvorstellungen sie eigentlich von innen heraus zersetzten, nun, da sie offenbar ihre Gültigkeit verloren hatten. „Ich spucke auf deine Vernunft! Ihr lasst Sasuke in Ruhe, oder ich erschlage so viele Leute hier, bis eure Stadt eine Geisterstadt wird! Und ich kann einen Menschen mit einem einzigen Fausthieb töten, lasst euch das gesagt sein! Vergesst es, mich überreden zu wollen, und tut, was ich sage, ist das so schwer zu verstehen?!“ Sakuras Blut rauschte feurig durch ihre Adern. Sie fühlte sich wieder fiebrig, aber auf eine ganz andere, belebende Weise. Sie zögerten. Sie zweifelten. Aber nicht an ihrer Entschlossenheit, sonst hätten sie den alten Mann längst ihrem Griff entrissen. Sie wussten, dass sie es tun könnte. Sakura hatte nie vor ihren Augen gekämpft, aber sie ahnten wohl, dass sie keine schwache Kunoichi war, wenn sie mit Sasuke unterwegs war. Sie sah Unsicherheit in den Augen der anderen, selbst in denen Kureijis, wo sie mit leichter Amüsiertheit gepaart war. Einzig Kakashi … er könnte sie aufhalten. Er würde es mit Leichtigkeit können, aber er rührte keinen Finger. Warum nicht? Was dachte er? Nein, sie durfte nicht in sein Gesicht sehen … „Lasst Sasuke frei“, sagte Sakura, jede Silbe betonend. Als die anderen immer noch nicht reagierten, zuckte sie demonstrativ mit den Schultern und umschloss mit der freien Hand die Stirn des Heilers. Seine Augen waren angstgeweitet, die Pupillen zuckten wie zappelnde Fische auf dem Trockenen, ehe man sie erschlug. Er wollte etwas sagen, aber sein Kiefer zitterte zu stark, als dass sie ihn verstehen konnte. „Tut mir leid“, sagte sie freundlich. „Aber du siehst ja, Gerechtigkeit bedeutet ihnen alles.“ Damit setzte sie an, ihm das Genick zu brechen, spannte die Sehnen ihrer Arme … „Warte.“ Hotarus Wort durchbrach die Stille der Stadtbewohner wie ein pötzlicher Knall. Sakura war versucht, es trotzdem zu tun, schließlich gab es genügend weitere Opfer hier … doch sie sah auf, sah ihm ruhig in die Augen. Der Gründer der Stadt hatte die Hand abwehrend erhoben und wandte sich soeben an Kakashi. „Du hast gesagt, sie wären deine Schüler. Du hast kein Wort darüber verloren, dass der eine ein Verbrecher und die andere eine Verrückte ist. Das macht dich ebenfalls schuldig, Kakashi.“ Er machte Kakashi verantwortlich! Sakura fühlte ein bitteres Lachen in sich aufsteigen, aber sie ließ es nicht hervorquellen. Sie fürchtete, sie könnte wirklich den Verstand verlieren, wenn sie weiterhin diesem erlösenden Traum nachgab. „Gib die Schuld, wem du willst“, sagte sie heiser. „Gib den anderen meinetwegen die Schuld, wenn du ganz allein in den Trümmern dieser Stadt verblutest!“ „Tja, mein Fehler.“ Sakura stutzte. Es klang, als würde Kakashi sich am Kopf kratzen. War er kein bisschen alarmiert? Angespannt? Fast war es so, als hätte ihn jemand bei seiner Lektüre gestört, um ihm zu sagen, dass er vergessen hatte, die Tür zu seiner Wohnung zu schließen. „Okay, wie wäre es damit?“, fuhr Kakashi fort. „Sasuke hat zumindest einen Teil seiner Bestrafung bekommen. In Anbetracht der Umstände wäre es vielleicht nicht ratsam, Sakura weiter zu reizen. Wir lassen ihn hier gefesselt; die Zelle ist ja immer noch besetzt. Und wir bewachen ihn und halten jegliches Chakra von ihm fern. Somit kann er auch keine Jutsus einsetzen, das ist der gleiche Effekt.“ Sakura sah ihn nun doch an, fast gegen ihren Willen drehte sich ihr Kopf. Sein Sharingan wirkte normal, aufmerksam ja, aber sie hatte nicht das Gefühl, dass er ihre Gedanken irgendwie umzudrehen versuchte. „Und Sakura wird weiterhin fleißig in Neuanfang arbeiten. Vielleicht nicht als Heilerin, aber mit diesem Kampfgeist könnten wir sie bei den Jägern auch gut gebrauchen.“ Jetzt klangen seine Worte schon eindringlicher, und sie las deutlich den Zusatz dazu in seinen Augen. Und während Sasuke hier festgehalten wird, kann er nicht in sein Unglück rennen. „Ist das akzeptabel, Sakura?“, fragte Kakashi. Sie starrte ihn an, nickte zaghaft und ließ den Heiler los. Plötzlich fühlte sie sich elend. Sie drängte das Gefühl zurück. Es hatte funktioniert. Auch wenn sie den armen Mann fast getötet hatte. Auch Schuldgefühle waren etwas, das sie nicht länger dulden wollte. „Du verlangst ernsthaft, dass ich ihre Drohungen einfach ignoriere?“, polterte Hotaru los. „Sie ist gefährlich, sie ist unberechenbar, und sie ist verrückt! Das Mindeste, was wir tun können, ist sie zu verstoßen!“ „Oh, das sehe ich anders.“ Kakashi schnippte sein Stirnband über sein linkes Auge. „Sie ist blind vor Liebe. Vielleicht kannst du das wirklich nicht verstehen, Hotaru-san, aber in dem Alter kommt so etwas vor. Sasuke kann genauso unser Pfand sein. Solange es ihm gut geht, wird sie sich eingliedern.“ War das Erpressung? In Hotarus Augen sollte es wohl so klingen. Aber Kakashi hatte recht. Es war die beste Lösung, die Sakura sich ausmalen konnte. Die Diskussion, die folgte, bekam sie kaum noch mit. Plötzlich fühlte sie sich müde und das Schwindelgefühl war zurückgekehrt. Unbewusst legte Sakura die Hand auf ihren Bauch. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, seufzte Hotaru. „Wenn ich das zulasse, dann nur, weil du ein guter und ehrlicher Mann bist, Kakashi, der beste vielleicht, den diese Stadt gesehen hat. Schön. Er soll hier angekettet werden, fürs erste.“ Seine Blicke stachen wie Nägel in Sakuras Gesicht. „Du wirst härter arbeiten als bisher“, erklärte er grimmig. „Beim ersten Vergehen, wenn du auch nur etwas tust, das mir seltsam vorkommt … werden wir einen Weg finden, dich loszuwerden.“ Sakura nickte abgehackt. Ihr war alles recht. Sasuke war gerettet. Ihr Blick glitt zu ihm. Er hockte auf dem Boden und hatte die ganze Zeit an den Leuten vorbei ins Leere gestarrt. Jetzt, da er ihre Blicke spürte, wandte er den Kopf. Egal, was sie erreicht hatte, in seinen Augen konnte sie immer noch lesen, dass er sie verachtete. Er hatte ihr nicht verziehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)