100 Sünden musst du begehen... von Anemia (...um in dieser Welt zu bestehen.) ================================================================================ Kapitel 1: Horrorshow --------------------- (Nachtblut - FF) War es wirklich der Angstschweiß, welcher über meinen Rücken rann und Gefühle in mir weckte, die denen eines panischen Tieres glichen? Meinen Magen wölbte ein dumpfes Empfinden aus, welches meine Speiseröhre hinaufkroch und schließlich seine ekelerregenden Finger um meinen wehrlosen Hals legte, um fest gegen meinen Kehlkopf zu drücken. Nicht mal die kalten, nassen und so hämisch auf mich niederfallenden Schneeflocken hielten mich davon ab, für eine endlose Weile in der nächtlichen Winterwelt zu verharren, nur mit Shirt und enger Röhrenjeans bekleidet. Mehr als eine Grippe hätte es nicht gegeben, und da die Tour ohnehin übermorgen vorbei sein würde, konnte ich mich ein paar Tage im Bett entspannen, was deutlich besser war, als mich ihm auszusetzen. Ihm, dem Vokalisten, der eindeutig zu tief ins Glas oder besser gesagt in die Flasche geguckt hatte, während wir für die Fans unser Bestes gaben, sie ohne Gnade zum Headbangen und Pogen zwangen und ihnen eine Hammershow boten. Auch ich hatte etwas Alkohol intus, wie so viele der Zuschauer und Bandmitglieder. Das war auch eigentlich kein Ding und gehörte meiner Meinung nach zu einer amtlichen Party mit ordentlicher, harter Musik, aber nie im Leben hätte ich gedacht, dass mir das heute Abend so eine Horrorshow bescheren würde. Ich sprach nicht etwa von unserem düsteren Auftreten oder den knüppelharten Texten, die wir den Fans tagtäglich um die Ohren hauten, denn diese waren im Gegensatz zu dem, was mir Askeroth kurz vor der Autogrammstunde mit seiner rauen Stimme mitten ins Gesicht sagte, Bestandteil eines lustigen Kinderliedes. Nie im Leben hätte ich vermutet, dass der kleine, harmlose Kniff in meine Hüfte und das fiese Grinsen dermaßen zweideutigen Wert besaßen. Mir blieb nur die Flucht, die vielleicht etwas überstürzt war, wenn ich es mir recht überlegte, denn ich versetzte gerade unsere Fans, aber ich spürte seit dem ersten Mal, als ich auf Askeroth traf, diese unbeugsame Dominanz, die seine ganze Person ausstrahlte, und ich fürchtete mich auf Deutsch gesagt etwas davor, ihm mitzuteilen, dass ich seine Anzüglichkeiten nicht gebrauchen konnte. Er war eindeutig der Stärkere von uns beiden und ein Widerwort meinerseits würde meinem Körper wahrscheinlich nicht bekommen. Nein, ich musste warten. Warten, hier draußen, in der Kälte, im Schnee. Bis ich der Eiskönigin ihr Eiskönig werden würde. Lieber würde ich sterben, als noch einmal dieses wilde Funkeln in seinem Blick schwelen sehen zu müssen; lieber hier draußen verrecken, als seine Hände bedächtig über meinen bloßen Rücken wandern zu spüren, während ich meine Klamotten wechselte. Und ich wollte nie wieder hören, dass ich wie ein schwarzer, sündiger Engel ausschaute, der sich endlich seinem Gebieter hingeben solle. Eisige Schauer ergossen sich bei dieser Erinnerung über meinem Rücken und langsam aber sicher nahm ich meine Füße nicht mehr wahr, die selbst meine fetten New-Rock-Boots nicht warmhalten konnten. Scheiße, ey. Ich brauchte eine Zigarette, vielleicht würde ich mich dann endlich nicht mehr wie eine Pussy aufführen und wieder klare Gedanken zu fassen vermögen. Doch diese Arschlöcher von Glimmstängeln kuschelten sich irgendwo im Warmen in ihrer Packung aneinander und lachten sich wahrscheinlich ins Fäustchen. Wütend auf mich, aber auch auf Askeroth und die ganze Welt, beschrieb ich mit der Stiefelspitze eine klare Linie in den Schnee, während mein Atem in grauen Kräuseln in die eisige Nachtluft aufstieg. ***** Verabscheuungswürdig, wie die kleinen, fiesen Flocken auf meinen Lippen und dem restlichen Gesicht landeten und dort vor sich hinschmolzen, da ich trotz der halben Ewigkeit, die ich bereits hier draußen zubrachte, noch nicht am Verwesen und somit leichenkalt war. Das änderte nichts daran, dass ich fürchterlich fror und ab und an doch damit liebäugelte, zurück in den warmen Club zu gehen, doch der Gedanke an Askeroths Hand machten diese Sehnsucht jäh zunichte. Nur leider hatte ich nicht mit den Bandmitgliedern gerechnet, die mich allmählich vermissen würden und sich bereits auf die Suche nach mir machten. Als ich ein paar Flocken von meinen Wimpern wegblinzelte, vernahm ich eine schwarze Gestalt, die gerade die Tür der Location hinter sich schloss und dann geradewegs auf mich zulief. Ich dummes Arschloch. Was würde ich ihm sagen, was ich hier draußen im Shirt machte? Auf meinen baldigen Tod warten? Wobei - der lauerte ja bekanntlich im Inneren des Clubs auf mich... Trotz alledem kam ich mir wie ein Vollidiot vor. Und vielleicht war ich auch genau dieser. Ich, ein erwachsener Mann im Alter von Mitte zwanzig, der sich fast wegen einem anderen Kerl in die Hosen machte, nur weil dieser im besoffenen Zustand etwas ans andere Ufer triftete. Genau das durfte ich Skoll nun beibringen, natürlich, ohne ihn zum schallenden Lachen zu bewegen. Oder wäre eine Lüge doch angebracht? Schließlich durfte ich den Bandfrieden nicht wegen einer solchen Lappalie gefährden, und Askeroth wäre sicher auch nicht erfreut gewesen, wenn ich Memme gleich zum Nächstbesten petzen rannte. Mama, der hat mich angegrabscht... "Was geht denn mit dir? Ist doch arschkalt, so..." "Mh." Fest presste ich die Lippen aufeinander und hoffte inständig, dass Skoll mich in Ruhe weiter erfrieren lassen würde. Was er natürlich nicht tat, auch wenn er nicht viel zu sagen wusste. "Die Fans haben nach dir gefragt." "Ich komm gleich." Der Düstermann zog sich seine Kapuze weiter ins Gesicht und starrte mich ausdruckslos an, so, wie er es immer zu tun pflegte. Sicher fror er bereits nach dieser kurzen Weile, aber mich beeindruckte das keineswegs. Stur starrte ich Löcher in die Luft und biss die Zähne fest aufeinander. "Komm jetzt mit. Außerdem hat Askeroth noch..." Alle Alarmglocken schrillten bei mir, als der Drummer diesen Namen erwähnte. Wahrscheinlich bestrafte ich ihn mit einem etwas zu wütenden Blick, denn Skoll riss augenblicklich die Augen auf und schüttelte den Kopf. "Woah, alles klar?" "Sorry, ich...ist wahrscheinlich die Kälte, die mich ganz kirre macht", lenkte ich schnell ein und bewegte mich nun doch an Skolls Seite in Richtung des Clubeinganges, auch wenn ich noch immer gegen ein starkes Unbehagen kämpfte. "Außerdem brauch ich dringend 'ne Kippe." Glücklicherweise war Skoll keiner, der aus irgendeiner Sache ein Riesending machte; er nahm viel mehr alles gelassen hin, hinterfragte wenig und verurteile nicht. Askeroth war da anders. Er sah einen immer so durchdringend an, wenn er merkte, dass etwas nicht stimmte und bohrte so lange nach, bis man endlich die verdammte Klappe aufmachte und wenigstens die halbe Wahrheit erzählte. Er wollte Unstimmigkeiten und Streitereien, die die Bandinterna betrafen, lieber gleich aus dem Weg räumen und nicht erst warten, bis alles eskalierte und jemand seinen Ausstieg verkündete. Außerdem war es wichtig für ihn, dass ihm stets das letzte Wort zuteil wurde; er war eben ein sehr dominanter Mann, und wenn ihm etwas nicht in den Kram passte, musste man sich in Acht nehmen. Erschreckenderweise hätte ich mich im Hinblick auf diese Fakten als das genaue Gegenteil Askeroths bezeichnet. Vielleicht war es ja das... ***** Die teilweise fast schon niedliche Art speziell unserer jüngsten Fans, die das achtzehnte Lebensjahr mit Sicherheit noch nicht überschritten hatten, lenkte mich etwas ab und heiterte mich gleichzeitig auf. Freilich warf ich, wann immer ich es für nicht zu riskant hielt, Askeroth einen prüfenden Seitenblick zu, den er zum Glück nicht einmal erwiderte. Viel zu beschäftigt war er mit seinem manchmal doch recht übertrieben wirkenden Gepose an der Seite unserer Publikums, dennoch achtete ich darauf, nicht unbedingt neben ihn zu geraten. Leider wollte es der Zufall anders, und so musste ich mich in mein böses Schicksal fügen, indem ich mir Askeroths Hand um die Hüfte legen lassen ließ und er einmal mehr viel zu deutlich in meine Intimzone eindrang. Erneut schalteten alle meine Synapsen auf Alarm und somit auf Flucht, aber dieses Mal blieb ich an seiner Seite, konzentrierte mich einzig und allein auf den bösen Blick, den ich der Kamera schenken sollte, aber rechnete nicht mit meinem Mundwerk. Dieses öffnete sich ganz plötzlich nach Drücken des Auslösers und formte Worte, die ich am liebsten wieder zurückgenommen hätte. "Wir müssen was bequatschen, Askeroth. Lass uns an die Bar gehen." Der andere schaute mich nur so seltsam an, und ich war verwundert über mein eigenes Verhalten. Seit wann war es an mir, Probleme mit Worten aus der Welt zu schaffen? Das war Askeroths Rolle, für den Frieden in der nachtblutigen Welt zu sorgen, und in unserem ganz speziellen Fall konnte ich eh nicht viel ausrichten, außer, dass ich ihm an den Kopf warf, dass er sich besoffen wie eine verdammte Schwuchtel verhielt. Niemals. Wahrscheinlich war es scheiße, was ich begonnen hatte, und vielleicht wäre es mir nicht mehr so beschissen ergangen, wenn ich mich jetzt nicht als Askeroths Gegenüber auf den Barhocker sinken gelassen hätte. Wann immer sich unsere Blicke trafen, fluchte ich innerlich, aber ich musste nun durchziehen, was ich begonnen hatte. Also. Wir bestellten uns einen Wodka, was ich schnell bereute, denn dieser würde den Vokalisten nur noch betrunkener machen und damit schwuler. Hastig stürzte ich einen großen Schluck des Teufelszeugs meine Kehle hinunter, verzog ob der Bitterkeit des Schnapses mein Gesicht - und legte los, einfach so. "Schwul mich nie wieder an, kapiert?" Askeroths Blick wandelte sich von entspannt zu absolut fassungslos. Die weißen Kontaktlinsen schienen meinen gesamten Körper zu durchbohren und bereits langsam auszuweiden. Was hatte ich gesagt? Ich wusste doch, dass er es nicht gutheißen würde... Und wieso machte sich meine wahrscheinlich kleine, aber doch feine dominante Ader ausgerechnet jetzt in mir breit? Erst wollte ich reden, dann machte ich reinen Tisch, und wie ich das anstellte! Man hätte sagen können, ich verhielt mich gerade wie Askeroth. Das war sein Charakter, nur noch temperamentvoller und harscher, als ich es je können würde. Das war er. Er war in mir... "Sag das nochmal..." So plötzlich, wie Askeroths Wesen in meinem Hirn Einzug gehalten hatte, so schnell floh es auch wieder. Seine Stimme war es, die mich schlagartig aufweckte und zurück auf den Boden der Tatsachen holte. Angespannt nippte ich am Wodkaglas, versuchte mit dem Getränk, meinen panischen Herzschlag auf ein normales Level zu befördern, was mir allerdings nicht gelang, denn Askeroth erwartete noch immer eine Wiederholung meiner frechen Worte, und er hatte für gewöhnlich viel Zeit. Dieser erhabene Blick war es schließlich, der mich zum Reden bewegte. Wann war ich das letzte Mal so kleinlaut gewesen? "Ich will nicht, dass du mich so anfasst..." Schon längst konnte ich ihn nicht mehr ansehen, denn mittlerweile rechnete ich sogar mit dem Schlimmsten. Würde er mir für den Spruch einen in die Fresse hauen? Aber das würde den Bandfrieden gefährden, und das war das Letzte, was Askeroth erreichen wollte. Ich zitterte, aber bei Weitem nicht mehr wegen meiner dreißig Minuten im Schnee. "Das war aber nicht dein originaler Wortlaut. Was hast du vorhin gesagt?" Warum quälte er mich so? Gefiel ihm das? Ich rang nach Worten, wollte meinen Satz auf keinen Fall wiederholen, zumal Askeroth mir nicht erzählen konnte, dass er ihn nicht bereits beim ersten Mal verstanden hatte. Es war pure Absicht seinerseits. "Ich will, dass du die Finger von mir lässt!", formulierte ich also weniger drastisch, was mir allerdings nur ein mitleidiges Lächeln einbrachte. "Erst war es noch 'schwul mich nicht an', stimmts?", wollte Askeroth auf rhetorischer Basis von mir wissen, und als ich sacht nickte, da er natürlich recht besaß und mir eine Lüge nichts einbringen würde außer einer gebrochenen Nase, stahl sich seine Hand um meine Wange, spielte mit meinen halblangen, schwarzen Haaren. Er sollte doch genau damit aufhören! Ich wollte das nicht, es fühlte sich schrecklich an, so heftig, so erniedrigend, so kleinmachend. Wut und Angst prickelten in meinem Magen und duellierten darum, wer von ihnen die Oberhand über meinen Körper gewinnen würde. Doch keine von beiden machte das Rennen; Askeroth sorgte dafür, dass ich vollkommen willenlos blieb und mich nicht vom Fleck rührte. "Das hat nichts mit anschwulen zu tun, Greif", erklärte er mir mit verblüffenderweise sehr ruhigen, bedächtigen Stimme, die weit davon entfernt war, mich wegen meiner Worte anzubrüllen, noch setzte seine Hand, die nun um mein Kinn schlich und es umfasste, zu einem Schlag an. "Manchmal stelle ich mir vor, du wärst ein weibliches Wesen. Und dann kann ich einfach nicht anders...du schöner, sündiger Engel." Wann fielen endlich die Vorhänge und beendeten diese Horrorshow? Das Wort 'manchmal' suggerierte, dass heute nicht das erste und einzige Mal war, dass Askeroth derartige Fantasien hegte. Mit einem Mal kam ich mir ihm so ausgesetzt vor, so hilflos in seiner finsteren Gedankenwelt gefangen, die sicher nicht nur aus zarten Küssen und Streicheleinheiten aufgebaut war, sondern ein Himmelreich aus Erniedrigung, Beherrschung und der Lust am Schmerz besaß. "Aber ich bin kein weibliches Wesen!", versuchte ich mich aus diesen Abgründen zu befreien, die mich mehr und mehr zu verschlingen schienen, die quälende, warme Hand, die mein Kinn nach unten zog, so gut es ging ignorierend. "Ich bin ein Mann und stehe auf Frauen. Deswegen will ich das nicht..." "Sicher? Man sollte nicht über etwas urteilen, das man nicht kennt..." "Wie bitte?", kam es unbeabsichtigt über meine Lippen und ich glaubte, diesen Mann, der da vor mir saß und Dinge sagte, die ich niemals aus seinem Mund zu hören erwartete, nicht mehr richtig zu kennen. Natürlich, er war betrunken, er war sogar sehr betrunken, aber trotzdem... "Stimmst du mir nicht zu?" Mit kurzen Bewegungen schüttelte ich den Kopf, aber bereits Sekunden später wusste ich, dass ich ihm besser Recht gegeben hätte. Vor all den Leuten, die uns wunderbar beobachten konnten, ließ seine Hand von mir ab, um daraufhin zum Schlag auszuholen und wuchtig auf meiner Wange zu landen. Obwohl ich zutiefst erschrocken über diese Tat war, die ich eigentlich schon viel früher erwartet hatte, kreisten meine Gedanken um das Urteil der Leute, die die Szene beobachtet hatten. Zum Glück waren die meisten ähnlich betrunken wie wir, und so kümmerte sie es einen Dreck, ob mir Askeroth eine verpasste oder gar über den Tresen legte, um mir den Arsch zu versohlen. So weit ging er gottseidank nicht, aber die Ohrfeige genügte, damit ich mir schwor, ihm nie wieder zu vertrauen. Ich konnte kaum mehr dieses verabscheuungswürdige Funkeln in seinen Augen mit ansehen, das mir wahrscheinlich flüstern sollte, wer von uns beiden die Macht besaß. Mir wurde klar, dass man das ganze Leben nur in Dominanz und Unterwürfigkeit einteilte, dass alles darauf basierte und dass man, einmal in diese Schublade gesteckt, nicht mehr entkommen konnte. "Du bist doch schuld daran, dass ich solche Gedanken hege! Du verführst mich doch mit deiner Präsenz! Verdammter Inkubus*!" Das genügte. Ich verpisste mich schleunigst aus seinem Dunstkreis, rannte kopflos durch die Menschenmassen, bis ich schließlich gegen Tryms starke Brust knallte und mich aufgrund der Menge der Gefühle, die Askeroth in mir wachgerüttelt hatte, nicht mal dafür schämte. Für eine Millisekunde lang wünschte ich mir sogar, dass unser neuer Bassist mich in den Arm genommen hätte, aber das erschien mir zum Glück noch rechtzeitig um einiges zu absurd. Also standen wir uns einfach nur gegenüber; bestimmt sah man mir meine Verstörung an, denn Trym zog eine merkwürdige Schnute und nickte bedächtig mit dem Haupt. "Ich hab's gesehen", meinte er plötzlich wenig überrascht und zog mich erstmal an die Seite, aus dem Verkehr. "Wieso hat er dir eine geklatscht?" "Er ist betrunken", lautete meine Antwort, und es war auch die einzig korrekte, wie ich fand. Es gab keinen Grund, weswegen ich die Schelle verdient hatte; all die Anschuldigungen, ich sei ein Inkubus, ich hätte ihn mit meiner bloßen Anwesenheit verführt, trafen ins Leere. Natürlich ärgerte es mich, verursachte ein enges Gefühl in meiner Brust, aber morgen schon würde die Welt ganz anders aussehen. Dann würde mich Askeroth nicht mehr für einen Dämonen der sexuellen Perversion halten und nicht mehr diese Schiene fahren, von wegen, er wolle etwas von mir. Davon war ich zu diesem Zeitpunkt überzeugt, denn ich ahnte noch nicht, dass die Ohrfeige den Vorboten zu der einen, wirklichen Horrorshow darstellte. ***** Irgendjemand von den Idioten unterbreitete nach dem Verschwinden aller Fans den Vorschlag, doch noch einen kleinen Snack zu sich zu nehmen, in einer Gaststätte. Dass das Wort 'Gaststätte' in diesem Fall den Fresstempel Burger King beschreiben sollte, fand ich etwas unpassend, aber da ich selbst nach den Schrecken dieses Abends einen kleinen Hunger verspürte, gab ich meine Zusage bekannt. Aber nur unter einer Bedingung: Die Bandmitglieder mussten mir Askeroth vom Hals halten, der mir bereits jetzt nicht deutbare Blicke zuwarf, die wahrscheinlich jenseits von gut und böse angesiedelt waren. Seltsamerweise hatte mich sein Handeln nur kurzfristig ein wenig verstört, da ich es ohnehin kommen sah und man musste sich eingestehen, dass es zu ihm passte. Ich verspürte einfach nur den Wunsch, mich von ihm fernzuhalten; denn man konnte nie wissen, zu was er noch fähig war... Aber erstmal galt es durchzuatmen, denn ich durfte im Lokal einen Platz zwischen Skoll und Trym einnehmen, während Askeroth damit beauftragt wurde, die Bestellung für alle aufzunehmen und weiterzugeben, weil er 'unser Boss' war, wie Skoll mit dem Ansatz eines Lächeln in seinem sonst so grimmig dreinblickenden Gesicht verkündete. Natürlich gefiel Askeroth diese Bezeichnung; er badete regelrecht in dieser Dominanz, die ihm zugesprochen wurde, strich sich seine ellenlangen Haare aus dem Gesicht und notierte unsere vegetarischen Wünsche auf einem kleinen Zettel. Es behagte mir keineswegs, als die Reihe an mich kam und auf einen Schlag verlor ich jegliches Hungergefühl. Dieser imposante Mann hatte sich fast vor mir aufgebaut, musterte mich abwartend, aber da ich mit einem Mal keine Ahnung mehr hatte, was mir schmecken könnte, stellte er eine Frage, die eigentlich nur eine eindeutige Antwort meinerseits verdiente. "Vertraust du mir, Greif?" Ich wollte diesem Moment ein Ende setzen, schnell, schmerzlos, und alle Engel und Teufel, die einem Sünde und Unschuld ins Ohr hauchten, waren sich über meine Antwort einig. Geschworen hatte ich mir es, ihm nie wieder zu vertrauen, egal, um was es sich handelte. Doch mir war, als seien alle Augen der Welt auf mich gerichtet, mich verurteilend für das, was sich gerade in meinen Hirnwindungen zusammenbraute, mich richtend für meine schadhaften Gedanken, die nur zu meinem Nachteil wären. "Ja, Askeroth", hörte ich mich plötzlich sagen; gelenkt von irgendeiner Übermacht, die sich an meinen wahrscheinlich bereits so wehrlosen Körper drückte und mir als Erpressung den Hals umdrehte. Ich konnte nicht anders. Seine Aura war ein Willensbrecher. Und ich zerfloss langsam, ganz langsam, wie heißes Wachs in seinen Händen. "Gut, dann suche ich etwas für dich aus. Lass dich überraschen." Der Mann mit der dunklen Stimme machte sich danach samt stolzem Schritt auf den Weg zur Theke und ließ besonders mich verblüfft auf der roten Kunstledercouch zurück. Ich wunderte mich nicht mehr nur über mein eigenes Verhalten, über die immense Kraft, die meinem Unterbewusstsein zuteil war, sondern noch mehr über diese fast schon liebevolle Seite Askeroths. Wo war die böse, mächtige hin, die mir vorhin noch eine geklatscht hatte? Ich suchte sie sogar in den Gesichtern meiner Bandkollegen, aber diese unterhielten sich schon längst über den Verlauf der Tour, die Fans und das Cateringessen. Keine Spur von fragenden Blicken oder irritiert lächelnden Skolls und Tryms. Kam etwa nur mir der heutige Tag so seltsam vor, oder maßen sie dem, was zwischen Askeroth und mir vorgefallen war, einfach keine Wichtigkeit zu? Obwohl ich auf Letzteres tippte, so mischte sich doch etwas von dem Gefühl unter, ich sei durch den Stress und die Anstrengung der Woche nur überempfindlich geworden. Doch die Ohrfeige ... die war nicht von der Hand zu weisen. Sie war real, wie seine Worte. Die verurteilenden, beißenden ebenso wie die väterlich sanften. "Oh, das sieht aber gut aus!", entkam es mir etwas zu unkontrolliert, als mir ein Teller mit einem kleinen Schokoladenkuchen vor die Nase gestellt wurde, der mitsamt ein paar Erdbeeren in einem See aus weißer Schokolade badete. Ich versuchte, meine Beherrschung wiederzuerlangen, was mir ob der leckeren Süßspeise kaum gelingen wollte, denn wahrscheinlich verrieten mich meine glänzenden Augen, die Askeroth ein kleines, aber feines Lächeln abrangen. "Ein tolles Aphrodisiakum, Erdbeeren und Schokolade! Warum gibst du dem Jungen sowas?", stieß Trym lautstark aus, verstummte aber sofort, als er merkte, dass niemand über seinen Witz oder was immer der Grund für diese Feststellung sein sollte, lachen konnte. Mir blieb sogar der erste Bissen im Halse stecken und Skoll musste meinem Kreuz ein paar kräftige Schläge erteilen. Aphrodisiakum. So wie ich ihn einschätzte, wusste Askeroth ganz genau um die Wirkung spezieller Lebensmittel, denn er beschäftigte sich zeitweise sehr intensiv mit allem möglichen Hokuspokus. Ich konnte also davon ausgehen, dass er mir diese Leckereien aus purer Absicht heraus verabreichte; wahrscheinlich, weil er mich willig sehen wollte, bereit dazu, Dinge auszuprobieren, die ich im unberauschten Zustand niemals ausprobiert hätte. Andererseits ... ich war eine absolute Naschkatze, die zu einer Süßspeise niemals nein sagte. Natürlich wusste Askeroth das, denn er kannte mich. Vielleicht kannte er mich sogar besser als ich mich selbst. Wir redeten während des Essens nicht sonderlich viel, ließen das Aphrodisiakum-Thema alsbald unter den Tisch fallen und amüsierten uns sogar ganz amtlich. Ab und an schielte ich freilich noch nach Askeroth, beobachtete ihn argwöhnisch aus den Augenwinkeln, aber mittlerweile hatte sich meine Angst vor ihm gut verstecken können. Ich fand sogar, dass er schöne Haare besaß, doch das schob ich auf meine mich immer stärker quälende Müdigkeit. Ins warme Hotelbett wollte ich mich endlich kuscheln und den ganzen Tag außer dem leckeren Schokoladenkuchen vergessen. Morgen würden wir alle wieder einen klareren Kopf haben, ganz gewiss. ... manchmal ... ... manchmal stelle ich mir vor ... ... manchmal ... ... manchmal stelle ich mir vor, du wärst ein weibliches Wesen. Und dann kann ich nicht anders. ***** Ein sehr unruhiger, von wüsten Träumen durchzogener Schlaf suchte mich in der kommenden Nacht heim. Ich sah mich selbst, wie ich harsch an die vergitterte Rückseite des Hotelbettes gekettet wurde, wie ich mich panisch hin und herwendete und den großen, in schwarz gekleideten Mann, von dem diese Aktion ausging, anstarrte. Er schlich wie eine Raubkatze, die ihre Beute umkreiste, um das Bett herum, irgendetwas langes und dickes mit den Händen umklammernd und grinste dabei so überlegen, dass seine spitzen Zähne in der Dunkelheit der Nacht funkelten. Und diese Nacht schien unendlich zu währen. Nie mehr glaubte ich, das Tageslicht zu sehen, hatten sich die Vorhänge dieser Horrorshow doch endgültig geschlossen und verpflichteten mich als Marionette, die bei Weitem nicht mehr nur von Angst übermannt wurde, sondern auch von einem noch viel übermächtigeren Kribbeln in der Lendengegend. Das Aphrodisiakum hatte mich, sogar noch, als ich meine Augen öffnete und realisieren musste, dass das, was ich als Traum erachtete, pure Realität darstellte. Gefesselt fand ich mich in einem fremden Hotelzimmer wieder, dessen Wände weiß wie die Unschuld auf mich hinablächelten, hämisch, schadenfroh. Ich war allein, allein mit diesem leicht schmerzhaft ziehenden Gefühl an meinen Handgelenken, die das kühle Stahl nach jeder noch so kleinen Bewegung hart bestrafte. Allein gelassen hatte man mich mit diesem Kribbeln, welches längst in meine auf den Hüftknochen hängende Hose gekrochen war und mit seiner heißen, festen Hand ab meinem Gemächt zu spielen begann. Auch wenn ich es nicht wollte und schon gar nicht verstehen konnte, es dürstete mir nach Körperlichkeit, die ich mir selbst in dem Zustand nicht zu geben vermochte. Ich versuchte also, mich nicht zu bewegen, keinen Laut von mir zu geben, da ich nicht wusste, wo ich mich befand noch wer der Mann mit den schwarzen Lederklamotten war, der mir das hier angetan hatte. Doch diese Frage sollte sich schon kurze Zeit später beantworten, noch ehe ich mit den Geschehnissen dieser Nacht hadern konnte. Es war Askeroth, der plötzlich über die Schwelle schritt, den zufriedenen Blick auf meinem hilflosen Leib ruhen lassend. Er trug lediglich ein ganz dezentes Make Up, was ihn sehr attraktiv aussehen ließ und aus dem Dämonen einen normalen Menschen mit einer düsteren Aura machte. Nicht weniger gefährlich wirkte er, als er sich mir näherte, eine Hand hinter dem Rücken versteckend, während das Kribbeln der Nervosität immense Ausmaße annahm. Erregt presste ich meine Oberschenkel aneinander, hoffte, die Aufregung würde dadurch ein wenig kompensiert werden, aber das war nicht der Fall. Ich meinte, explodieren zu müssen, wenn er auch nur einen weiteren Schritt tat. "Schön, du bist wach", säuselte Askeroth, irgendwo zwischen diesem beißend-bedrohlichen und dem väterlich-sanften. "Wieso...bin ich hier?", wollte ich in Erfahrung bringen, realisierte, wie sehr meine Stimme bebte und der Dämon Lust sich an meinem Körper gelabt hatte. "Die anderen würden jetzt nur stören", erhielt ich meine Antwort und die Vermutung, was Askeroth mit mir vorhatte, verhärtete sich. Ich hätte niemals annehmen dürfen, dass es der Alkohol war, der ihm die Anziehung zu meinem Körper suggerierte, ich hätte niemals glauben sollen, dass die Ohrfeige, die er mir verpasst hatte, ein Produkt seiner Abscheu und Wut darstellte. Er hatte mir somit sein Begehren, seine Lust auf mich gezeigt. Und ich wollte nicht verstehen, wehrte mich dagegen; doch auch wenn ich noch immer skeptisch war, ob ich wahrhaftig mit einem Mann verkehren wollte, so fühlte ich, dass diese Schelle etwas in mir aufgeweckt hatte, was aber wahrscheinlich wieder einschlafen würde, wenn ich klar denken konnte. Möglich war mir Letzteres schon längst nicht mehr, erst recht nicht, als Askeroth mir das offenbahrte, was sich hinter seinem Rücken verbarg. Ein Plastikphallus, lang und in bedrohlichem Schwarz gehalten; wie genau er mir damit sein Vorhaben verriet. Mein Körper wurde immer nervöser. Heiß vermischten sich Gefühle der Lust mit dem brodelnden Strudel der Angst, es war ein einziger Kampf gegen mich selbst, gegen das, was sich in meinem Unterbewusstsein angestaut hatte und was nun endlich ausbrechen wollte. Ich erkannte, dass wir alle nur Opfer unserer Triebe und Gelüste waren, wir zu Tieren mutierten und es so leicht für manche Menschen war, mit deiner Libido zu spielen, ihr wahrhaftig den verdammten Kopf zu verdrehen. Ja, ich wollte das erfahren, was er für mich bereithielt. Weil er mich manipuliert hatte. "Willst du das?" Er konnte sich seine fadenscheinige Frage von mir aus sonstwohin stecken, denn ein Mann wie Askeroth nahm sich sowieso, was er wollte, egal, ob ich nun verneinen oder bejahen würde. Aber wahrscheinlich kannte er meine Antwort bereits, denn er machte den Eindruck, als las er in mir wie in einem offenen Buch; waren meine Blicke so glasig geworden, so vernebelt und von Lust verzehrt, dass sie mich verrieten? "Ja, ich will das." Seine linke Augenbraue zuckte. Dann plötzlich, ganz unerwartet, griff er an meine Gürtelschnalle, versuchte sie mit fahrigen Bewegungen zu öffnen und zog mir meine Hose samt der Boxershorts letztendlich barsch nach unten. Mit diesem letzten Kleidungsstück schwand auch der letzte klare Gedanke, den ich Augenblicke zuvor noch gehegt hatte; meine Lust hatte sich verhärtet und genoss die raue Handinnenfläche, die sich aufreizend an ihr auf und abbewegte. "Du hast gesagt, du vertraust mir, gestern Nacht", drang es wie durch einen Schleier an mein Ohr, und so wie ich die Lippen und Augen zusammenpresste, nickte ich sacht. "Du vertraust mir so sehr, dass ich dich gerecht bestrafen kann für deine unwiderstehliche Präsenz. Du Dämon. Ich werde dich penetrieren, ihn dir einjagen, bis du überkochst. Mehr will ich nicht. Ich will nur sehen, wie das annimmst, was du verdienst." Es schmerzte fast schon, so hart wie ich meine Zähne in das zarte Fleisch meiner Lippen drückte, aber es schmerzte nicht so sehr wie dieses Spiel des Teufels, des Wahnsinns; es war ein Akt der Unterwerfung und Dominanz. Und da ich seit gestern Nacht flüssiges Wachs in seinen Händen war, hatte Askeroth die Chance genutzt, um mich nach seinen Vorstellungen zu formen, so sehr, dass ich mich perfekt in die Rolle des Devoten zu fügen vermochte. War ich noch ich selbst? War ich seine Marionette? Egal. Die Erregung war der beste Exorzist. Sie genügte, um mir das letzte Bisschen Verstand auszutreiben und mich auf die Ebene eines Tieres hinabzubegeben. Schöner, sündiger Engel. Der Vorhang wird niemals fallen. Die Horrorshow hat dich zum Protagonisten erkoren, spiele deine Rolle an der Seite des Teufels. Spürst du, wie er in dir ist? ____________________ * Inkubus: http://www.geister-und-gespenster.de/spuk/krypto/Inkubus_Sukkubus.htm Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)