Fatal System Error von Soulhuntress ================================================================================ Kapitel 5: Jekyll & Hyde ------------------------ War sie wirklich wach, oder träumte sie dies alles nur? Rebecca Chambers war sich dessen seit den Geschehnissen in dem Marcus-Anwesen nicht mehr sicher. Konnte es denn wirklich sein, dass seit Jahren in solcher Nähe von Raccoon City an bioorganischen Waffen und an schrecklichen Viren geforscht wurde und niemand etwas davon mitbekam? Auch diese gewaltige Schlange, die sie und Richard angegriffen hatte konnte doch nie im Leben real gewesen sein, genau so wenig wie diese… Zombies und anderen Bestien. Und ihr Team … es konnte doch nicht einfach tot sein… Es musste ein Traum sein, ein Alptraum, es musste einfach. Es gab eine These, dass wenn man in einem Traum ums Leben käme, man auch in Wirklichkeit sterbe. Ob an dieser Vermutung nun etwas dran war oder nicht, wollte der junge Officer jedoch nicht herausfinden. "Hier spricht Officer Chambers", sprach sie ein weiteres Mal mit bebender Stimme in ihr Funkgerät, "Bravo-Team kommen! Bitte meldet euch doch. Enrico, Kenneth, irgendjemand…!" Doch das einzige, was ihr aus ihrem Walkie-Talkie entgegen tönte, war ein leises stetiges Rauschen. Keine beruhigenden Worte ihrer Kameraden, nicht einmal ein bissiger Kommentar bezüglich ihrer Nervosität im Alleingang. Es kam keine Reaktion. Sowohl das Alpha- als auch das Bravo-Team der Raccoon City S.T.A.R.S. befanden sich irgendwo in diesem Anwesen oder in seiner Nähe und waren schrecklichen Monstern ausgesetzt. Einige hatten dies nicht überlebt, das wusste sie. Edward Dewey war im Ecliptic Express zu einem wandelnden Toten geworden, wie der Rest der Passagiere; Richard Aiken war auch verstorben und Chris Redfield aus dem Alpha-Team hatte ihr erzählt, dass es auch ihre Kameraden Joseph Frost, Kenneth J. Sullivan und Forest Speyer erwischt habe. Wo war dann nur der Rest? Enrico Marini und Albert Wesker, die beiden Captains der Teams. Dann noch Barry Burton und Jill Valentine? Mit den beiden Piloten Brad Vickers und Kevin Dooley bekam sie keinen Kontakt. Man sollte in solch einer Situation zusammenhalten. Hätten sie sich nicht getrennt, dann wäre jetzt noch alles in Ordnung. Sie sollten sich gemeinsam einen Weg aus diesem Alptraum erkämpfen, doch wie sollte dies gehen, wenn man sich so aus den Augen verlor? Sie war hier, in dem Spencer-Anwesen, zwar Chris begegnet und in der Marcus Mansion ihrem Captain Enrico Marini über den Weg gelaufen, doch wo diese beiden nun steckten, wusste sie nicht. Richard hatte sie entdeckt, als sie sich in einem der wenigen sicheren Räume ausruhte, doch starb er nach dem Versuch, sie vor einer mehr als zehn Meter langen Schlange zu retten, an der Vergiftung. Das Marcus-Anwesen war explodiert, hoffentlich hatte sich ihr Team-Leader nicht mehr darin befunden. Und Chris hatte sie in einem Salon zurück gelassen, in dem sie eigentlich auf ihn warten sollte. Aber er war schon so lange weg, viel zu lange. Sie konnte gar nicht anders, als nach ihm zu suchen. Resigniert seufzend befestigte Rebecca Chambers ihr Funkgerät wieder am Gürtel, wischte sich mit dem Handrücken die einmal mehr aufkommenden Tränen der Angst und der Trauer aus den Augen und schlug an einer Abzweigung den rechten Weg ein. Noch immer klebte Richards Blut an ihren zitternden Händen. Ob sie ihn hätte retten können? Aber diese riesige Schlange hatte ihn mit ihren Giftzähnen regelrecht durchbohrt. Wäre er nicht an dem Gift gestorben, hätten ihn die inneren Blutungen umgebracht. Sie mochte gar nicht weiter darüber nachdenken, sie wusste, dass sie an dem Tod ihres Team-Kameraden keine Schuld trug, dennoch konnte Rebecca nicht aufhören, sich Vorwürfe zu machen. Was wenn sie schneller reagiert oder anders gehandelt hätte? Wenn sie eine bessere Sanitäterin wäre? Würde Richard dann noch leben? "Wenn doch nur Billy noch bei mir wäre", dachte Rebecca wehmütig, als sie sich vorsichtig auf der Suche nach Chris weiter durch das unterirdische Labyrinth aus Fluren und Räumen bahnte und umfasste dabei mit ihrer Linken die Erkennungsmarke, die sie dem ehemaligen Leutnant abgenommen hatte. Mit der Rechten umgriff sie weiterhin fest ihre Samurai Edge. Nervös zuckte ihr Zeigefinger gegen den Auslöser, als die Deckenbeleuchtung flackerte und für wenige Sekundenbruchteile den Flur in Dunkelheit tauchte. Ein Stromausfall hätte ihr gerade noch gefehlt. Die Kreaturen hier waren schon gefährlich genug, wenn man sie sehen konnte. Doch das Glück blieb dem jungen Officer nicht hold. Gerade, als sie einen weiteren zaghaften Schritt tat, flackerten die Lampen abermals, glühten noch einmal auf und erloschen. Duke schreckte aus unruhigen Träumen auf, als mit einem leisen Klacken sämtliche Beleuchtungen des Raums ausfielen und Schatten auf seine Augenlieder fallen ließen. Er war erschöpft auf dem Sessel zwischen leeren Limonadendosen, einer Tasse des ungenießbaren Tees aus dem Kaffeeautomaten und einigen Schokoriegelverpackungen eingeschlafen. Larry saß an seiner Seite und raunte erstaunt, als es plötzlich dunkel wurde. Dumpf glühte noch die Bildröhre des Fernsehers nach, die einzige karge Lichtquelle, die geblieben war. Eine Notfallbeleuchtung schien es in diesem Aufenthaltsraum nicht zu geben, oder aber diese war auch ausgefallen, was wirklich beunruhigend wäre. Nun ja, noch beunruhigender konnte die ganze Situation auch wieder nicht mehr wirklich werden. Doktor Strokman setzte sich auf und rieb sich die ungleichen Augen mit seiner noch menschlichen linken Hand. Er hatte das Gefühl, dass sich ein Nachbild der Deckenbeleuchtung in seine Netzhäute eingebrannt haben musste, anders konnte er es sich nicht erklären. Er vermeinte, seine Umgebung trotz der Finsternis sehen zu können, doch flackerte diese unangenehm vor seinen Augen. Wenige Atemzüge später wurde ihm auch klar, warum. Er hatte zwei gänzlich unterschiedliche Augäpfel im Kopf. Das verhältnismäßig schwache menschliche Auge war nicht dazu in der Lage, die Umgebung bei dieser Dunkelheit wahrzunehmen, das des Hunters jedoch schon, was zusammengefasst einen verwirrenden Effekt für das ohnehin schon gequälte Gehirn mit sich brachte. So kniff er sein linkes Auge zu, um sich auf sein rechtes konzentrieren zu können. Sein Umfeld war grau. In der Dunkelheit war es ihm nicht möglich, Farben wahrzunehmen, jedoch aber klare Kontraste von hellen und dunklen Flächen. Larry, der Duke gerne dabei behilflich gewesen war den Süßigkeitenautomaten zu plündern, leckte sich über das schokoladenverschmierte Maul, reckte dann witternd den Kopf und pirschte sich zielstrebig zu der Tür, an der er anschließend scheinbar lauschte. Der Hunter gab ein warnendes Zischen von sich und bewegte sich geduckt von der Pforte rückwärts auf allen Vieren zurück. Duke zögerte, bevor er sich in Richtung der Tür hievte, um zu überprüfen, was seinen geschuppten Freund da so aufregte. Er rang sich dann jedoch dazu durch, aufzustehen und sich neben Larry zu stellen. Rumsitzen brachte ihm in seiner Lage schließlich rein gar nichts. Es war still, er vermeinte nichts zu vernehmen, was Larrys Reaktion erklären könnte, der sich nun hinter Duke geduckt versteckte und seine Zähne fletschte. Doch dann hörte er es: "Bravo-Team bitte kommen… Hier ist Officer Chambers… bitte, irgendjemand…!" Officer? Das klang nach einer Polizistin, wenn auch von der Stimme her nach einer jungen und vor allem verängstigten. Oder aber, diese Person gehörte zu einem Einsatzteam von Umbrella, denn was sollte denn die Polizei hierher treiben? Kurzentschlossen ließ Strokman Larry mit einem beruhigenden Tätscheln des geschuppten Kopfes in dem Aufenthaltsraum zurück, dessen Tür er hinter sich schloss und leise schlich er durch den unbeleuchteten Flur der Stimme der jungen Frau hinterher. Als er dann plötzlich aus einer Kreuzung den schwachen Lichtschein einer Taschenlampe über Boden, Wänden und Decke huschen sah, drückte er sich an die Wand und blickte vorsichtig um die Ecke. Sie war ja noch ein halbes Kind! Was machte dieses Mädchen hier unten? Duke beobachtete aus seiner dunklen Ecke, wie sich die junge Frau in ihrer Uniform unsicher und fast blind durch das Halbdunkel bewegte, Funkgerät und Taschenlampe mit den Händen so fest umschlossen, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Auf ihrer Weste war das Kürzel S.T.A.R.S. zu lesen und ein rotes Kreuz zu erkennen. Nahmen die bei dem Special Tactics And Rescue Service wirklich schon Teenager auf? "Was tun Sie hier, Kindchen?" Eine kratzige Stimme drang durch die Dunkelheit an Rebeccas Ohren. Sie klang menschlich, eindeutig männlich wenn auch etwas … seltsam. Es waren weder Heiserkeit noch der Tonfall, welche die Stimme so merkwürdig erklingen ließen, viel mehr schien in ihr etwas wie ein Knurren mitzuschwingen. Mit einem Ruck steckte Rebecca ihr Walkie-Talkie an ihren Gürtel, riss ihre Waffe aus dem Holster und richtete diese überkreuz mit der Taschenlampe in die Richtung, aus der sie vermeinte, die Worte gehört zu haben. "Ich bin S.T.A.R.S.-Officer Rebecca Chambers", sprach sie so cool wie nur möglich, wobei sie keine Antwort auf die Frage des Fremden geben wollte. Sie versuchte in der Schwärze des dunklen Ganges Bewegungen oder Schemen zu orten. Auch mithilfe ihrer Taschenlampe, vergeblich. "So jung und schon bei der Polizei… Sie sollten sich hier nicht aufhalten, Frau Officer", erwiderte die Stimme, nach wie vor mit diesem seltsamen Grollen. "Wer sind Sie? Zeigen Sie sich!", sprach Rebecca in einem nunmehr befehlenden Tonfall. Nun ja, dies war vielleicht etwas grob, aber sie hatte keine Zeit für Freundlichkeiten. Dennoch sollte sie Vorsicht walten lassen, dieser Mann könnte mit dem Virus verseucht sein: "Geht es Ihnen nicht gut Sir? Sie klingen etwas kränklich… wurden Sie gebissen?" Dies wäre neben den S.T.A.R.S. der erste Mensch in diesem Gebäude, der noch keinen gänzlich infizierten Eindruck erweckte – immerhin konnte er noch sprechen. Und vielleicht könnte er ihr helfen die anderen zu finden, oder zumindest aufzuklären, was hier geschehen ist. "Mein Name ist Doktor Duke Strokman und wenn ich mich Ihnen zeigen wollte, würde ich dies mit Sicherheit tun, Miss", antwortete die seltsame Stimme aus der Dunkelheit, "Mir geht es den Umständen entsprechend, und nein, ich kann Ihnen versichern, ich bin nicht gebissen worden…" "Ein Doktor also", murmelte Chambers. Vermutlich ein Mitarbeiter von Umbrella, nahm sie an, ein Grund mehr, diesen Mann mit erhöhter Vorsicht zu genießen, "nun, Doktor Strokman, ich bestehe darauf, dass Sie nun aus ihrem Versteck kommen, damit wir uns wie zwei erwachsene Menschen von Angesicht zu Angesicht unterhalten können!" Erwachsene Menschen… Wie oft war sie von ihren Kollegen aufgezogen worden, als das Küken im Team, als das halbe Kind. "Ich denke nicht, dass Sie das wirklich wollen, Kind." Da war es wieder, das böse K-Wort! Dieser Mann sah es also genau so. Ging er so nach ihrem Aussehen? Konnte er sie überhaupt bei dieser Dunkelheit sehen? "Für Sie noch immer Officer Chambers", fauchte Rebecca. Das erinnerte sie unangenehm an ihre erste Unterhaltung mit Billy Coen. Billy… wo er jetzt nur steckte? Hoffentlich war er in Sicherheit. Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken an den Leutnant zu vertreiben und sprach dann wieder in die Finsternis: "Wieso sollte ich Sie nicht sehen wollen? Sind Sie so übel zugerichtet worden, Doktor?" Wer weiß, was dem Kerl alles zugestoßen sein mochte, dass er nun solche Komplexe hatte? Es gab ja genug Möglichkeiten, in diesem Horrorhaus verletzt und verstümmelt zu werden. "Nun gut", sagte Duke, atmete einmal tief und rasselnd durch und trat ein Stückchen aus seinem Versteck hervor, so dass Miss Chambers seine nicht so extrem entstellte linke Seite sehen könnte, wenn sie in seine Richtung leuchtet. Sie würde ja doch nicht locker lassen und wenn sie es bis hierher geschafft hatte, wird sie mit Sicherheit schon schlimmeres gesehen haben. Und selbst wenn sie ihn dann erschießen sollte, in dem Fall wäre dieser Horror endlich vorbei. Er schloss die Augen, als er fortfuhr: "Kennen Sie den Roman Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde von Robert Louise Stevenson?" Langsam glitt der Lichtstrahl über den Boden in seine Richtung, über seinen Krallenfuß, seinen verbogenen Körper in dem blutverschmierten Kittel… er hörte, wie Rebecca erschrocken die Luft anhielt. "Ich denke, ich bin ein Doktor Jekyll gefangen in dem Körper eines Mister Hyde, Officer Chambers…" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)