Die letzte Linie von Voidwalker ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Korhal II   Also gut, dann fangen wir mal an. Sie… sie haben mir hier diesen Fragenkatalog gegeben, vor zwei oder drei Tagen. Man verliert hier leicht das Zeitgefühl, nicht? Jedenfalls… ich… ich weiß nicht ganz, wie ich vorgehen soll. Frage für Frage abarbeiten? Oder soll ich ihnen eine Geschichte erzählen? Ich fürchte, ich weiß es nicht. Sehen sie, vermutlich glauben sie, ich müsste das wissen. Weil ich ja ein Held bin und so. Aber… ich bin nicht die große Ikone, die die Liga gerne hätte. Ich… verstehe jetzt, da ich auf die Dinge in einem anderen Licht zurückblicken kann, warum wir solche Heldenepen so dringend gebrauchen können. Aber ich werde ihnen das nicht geben können. Nun gut, fangen wir also an. Ihre ersten Fragen thematisieren Korhal II. Eine der Liga-Kernwelten, ich… weiß, worauf sie dabei hinauswollen. Kennen sie den Planeten? Eine Nacht dauert dort vierzehn Stunden. Und das sind die Kürzeren. Damals kam es mir vor, als wären wir Tage in der Dunkelheit gefangen. Tage. Wochen. War alles einerlei. Wir hatten… einen Verbindungsabbruch. Das Hauptquartier war plötzlich einfach… offline. Wir dachten uns dabei nicht viel. Technische Schwierigkeiten, bestimmt. Niemand würde es wagen, eine so dicht bevölkerte Terranerwelt im Herzen des Ligagebietes anzugreifen, das wäre einfach Irrsinn. Die zivilen Verluste allein schon! Unser Außenposten war… ein Witz, wenn ich das so sagen darf. Alles scharte sich um das zentrale Waffen- und Kriegsmateriallager. Sechs Wachtürme mit Hochgeschwindigkeitsgeschützen, ein Zug Marines in ihren mechanischen Kampfanzügen, zwei schwere Panzerabwehrstellungen und eine Rumpfcrew an Technikern, mich eingeschlossen. Wir waren vielleicht… acht Mann? Dazu zwei Frauen? Ja, ja, das könnte hinkommen. Da war dieser Offizier, der Befehlshaber des Lagers. Ich nenne ihn im Weiteren einfach Sergeant. Er hatte eine Stimme, das war unglaublich! Wenn er brüllte, dann stand man still. Egal zu welchem Planeten, welcher Abteilung oder meinetwegen auch, zu welcher Rasse man gehörte. Ich hatte bis dahin einen schönen, ruhigen Dienst gehabt. Nicht nur an diesem Abend oder in der Woche. Das ganze Leben lang. Ich bin auf Korhal II geboren. Ich wuchs dort auf, schloss meine Lehre im Ingenieurswesen ab, verpflichtete mich für die Ligatruppen in der Technikabteilung. Diese kleine Bastion am Arsch der Welt? Kein großer Deal. Aber ich wollte ja auch nicht die Galaxie retten oder sowas. Ich wollte meinen Dienst leisten und das am besten in Ruhe. Und dann kam dieser Moment. Ich… werde ihn nicht vergessen, kann es nicht. Ich weiß noch, wie ich über den weichen Boden lief. Ich wollte aus der Unterkunft meine Jacke holen, mir war allmählich ein wenig kalt. Beide Monde waren nicht zu sehen, das kam mir irgendwie merkwürdig vor. Ich stand also in einer Pfütze der letzten Regenfälle, blickte grübelnd hinauf und bemerkte dann diese Stille. Es war völlig gespenstisch. Sie können sich das nicht vorstellen, oder? Wenn sie plötzlich nicht mehr wagen, zu atmen, weil man das Geräusch über Meilen hören könnte? Sergeants Stimme zerriss dann die Ruhe. Und meine Hoffnungen auf einen unbehelligten Dienst. „Sie kommen!“, brüllte er. Zwei Worte. Ich war mir anfangs nicht einmal richtig klar, was das bedeutete. Wie die anderen Techniker auch… kam ich näher. Zur Quelle des Gebrülls. Er donnerte Befehle. Geschütze bereitmachen! Männer an die Waffen! Ziele erfassen! Gute Güte, ich verstand nicht einmal, worauf er schießen wollte. Wir blockierten mit unserem Lager einen Canyon. Zwei Wege hinter uns, ein großes, weites, von Schützengräben der früheren Ligakämpfe zerfurchtes Feld vor uns - und ich sah nichts. Außer vielleicht, wie das Gras sich im Wüstenwind bewegte. Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass das kein Gras war. Ich kann ihnen diesen Moment nicht beschreiben. Sie… sie stehen dort und eine elektrostatische Entladung in der oberen Atmosphäre gibt ihnen plötzlich ein bisschen von dem hart entbehrten Licht, das die Monde hätten spenden sollen. Plötzlich sehen sie da Leiber. Nicht zwei. Nicht zwölf. Nicht hundert. Sie sehen… Tausende. Sie kennen sie, oder? Diese Zerglinge? Ich hatte vorher nie einen gesehen. Sind groß wie ein kleines Pferd, hetzen wie die Hunde und zerreißen einen mit ihren Kiefern, Krallen, Klauen, mit allem. Stoßtruppen, das hatte man uns gesagt. Man schickt sie in Wellen, damit der Feind seine Munition verbraucht. Die Kampfkraft testen, Lücken finden, vielleicht sogar schon ausnutzen. Was sich eben ergibt. Ich sah mich um, bemerkte eine der Technikerinnen. Sie… sie feuerte den ersten Schuss ab. Nicht auf die, nein. Sie blies sich das Hirn aus dem Schädel. Viel früher als jeder andere von uns hatte sie realisiert, was diese Nacht geschehen würde. Ich betrachtete sie, wie sie dort auf dem Boden lag und… begriff es nicht. Ich konnte es einfach nicht verstehen. Ich sah zurück auf die nahende Flut an Leibern und… verstand das noch viel weniger. Nicht einmal, als das Licht kam. „Feuer!“, brüllte Sergeant. Leuchtspurgeschosse, sie donnerten zu hunderten im Sekundentakt aus den Rohren. Die Marines schoben uns bei Seite, legten an den Schützenwällen ihre Waffen an und stimmten ein. Das ganze Lager schoss. Der Sergeant kam schließlich auf mich zu, er packte mich bei den Schultern und rüttelte mich vom Anblick der Zerg los. „Nicht schlappmachen, Mann! Mach deinen verdammten Job!“ brüllte er mich an. Ich fragte mich einen Augenblick, ob er überhaupt leise sprechen konnte. Aber bevor ich ihn das fragen konnte, drehte er sich um und… schoss. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Im Gegensatz zu meinem Körper. Irgendwie war alles plötzlich so… leicht. Automatisiert. Ich trat ins Munitionslager, lud den Wagen mit mehreren Kisten voll und schaffte sie hinaus. Der Lärm war ohrenbetäubend. Ich glaubte bereits das elende Kreischen verendender Zerglinge zu hören. Sie stacheln damit ihre Verbündeten an, hat man mir mal gesagt. Und das Gewehrfeuer. An den richtigen Stellen war es so hell wie am Tag. Ich lud die Kisten ab. Jeder Soldat, jedes Geschütz, jeder Turm, ich lud nach. Sie verbrauchten die Munition schneller als wir sie heranschaffen konnten. Ich hatte keine Zeit, das war mir klar. Jede verdammte Sekunde zählte. Trotzdem. Ich stand im Munitionslager, das weiß ich noch, und ich ärgerte mich. Ich hatte mir die… die Hose versaut, ganz unspektakulär. Vermutlich, als ich - irgendwo unbewusst - realisiert hatte, das ich so gut wie tot war. Irgendwann war ich wieder draußen, das Lager inzwischen halb leer. Die Zerglinge konnte ich schreien hören, jetzt sehr deutlich. Sie waren so… so verflucht nahe! Ich blickte hinaus und… da waren sie. Nicht nur die, die den letzten Graben zu erstürmen versuchten. Sie waren im Graben dahinter. Und in dem dahinter. Sie waren auf den Hügelkämmen dazwischen. Sie waren… verdammt, die ganze Ebene hat sich bewegt! So weit das Auge reichte. Ich hörte den Sergeant, als ich ihm einen Clip in die gewaltige gepanzerte Hand drückte. „Haltet stand, Männer! Bis zum letzten Atemzug!“ Immer wieder plärrte er diese Durchhalteparolen in das System seines Anzugs, versuchte dafür zu sorgen… dass seine Soldaten den Finger fest auf dem Abzug hielten. Sie mussten feuern. Alles andere war ja egal - egal, wohin sie schossen, getroffen wurde sicherlich irgendwas. Ich… ich erinnere mich noch, wie ich einen Moment, einen kurzen Augenblick nur, wirklich aufsah und dachte: Ja, wir schaffen das! Können sie sich vorstellen, wie das wirkt? Wenn ein einziger Mann dort steht und sie das denken lässt, obwohl diese Bestien schon an den Schützenwällen waren? Meine Hoffnung wurde jäh zerschlagen, als sich ganz andere Töne in dieses Gelärme mischten. Ein tiefes, urgewaltiges Brüllen, ehe einer der Wachtürme schlicht im Boden versank. Ich… weiß nicht wirklich, was sich das Geschütz geholt hat. Aber es muss verdammt groß gewesen sein. Und über uns? Flügelschlagen. Die ganze Zeit schon, aber es war vereinzelt gewesen, leise. Jetzt kam es mir wie ein Orkan vor, der ganze Himmel tat es der Ebene vor uns gleich - alles war in Bewegung. Ich begriff endlich, was hier vor sich ging. Wir wurden überrannt. Nicht nach und nach, nicht Mann für Mann. All unsere Munition, Tonnen an Geschossen… das war ein Witz für die. Hätten wir ein paar Atombomben zünden können, dann hätten sie uns vielleicht als Bedrohung wahrgenommen. So hingegen… so waren wir nicht mehr als ein kurzweiliges Ärgernis. Ich rannte wieder ins Munitionsdepot und… hörte die Schreie. Es waren nicht mehr die Zerglinge, die wie am Spieß kreischten. Es waren menschliche Stimmen. Es waren… unsere Leute. „Feuert weiter!“, hörte ich den Sergeant noch immer. Er lebte. Ich riss die Tür auf, mit einem einzigen verdammten Clip in der Hand. Ich weiß nicht, was ich mir dabei dachte. Irgendwie war es mir wichtig, ihm das letzte Magazin zu bringen. Doch dort draußen war kein Lager mehr. Ich sah die Trümmer eines zerfetzten Panzerabwehrgeschützes, auf dem er stand und… feuerte. In die kreisende, wallende Masse unter sich. In die angreifenden Truppen über sich. Er feuerte einfach auf… alles. Ich schäme mich heute noch für meine Feigheit. Ich krallte mich so fest an das Magazin, bevor ich die Tür zuwarf. Wir hatten einen Keller für leicht entzündliche Chemikalien. Falls mal eine Panzerkolonne bei uns stationiert werden würde oder wir Flammenwerfer bekämen. Ich riss die Bodenluke auf, alles schwer gepanzert, kletterte runter und… ich bin nicht sehr kräftig, wissen sie? Aber irgendwie packte ich so einen Kanister und schleuderte ihn durch die Luke hinauf ins Munitionslager. Dann noch einen und… noch einen. Ich weiß nicht, wie viele dieser Kanister ich wirklich hinausgeworfen hatte, als ich dieses… dieses Geräusch hörte. Sie wissen, wie Katzen schnurren? Dieses tiefe, kehlige Geräusch? Es war nur sehr viel… aggressiver. Ein Raubtier, keine Frage. Ich stieg, mit einem weiteren Kanister in der Hand, die Treppenstufen hinauf und sah einen dieser Zerglinge. Er hatte sich durch den Boden gewühlt. Das Drecksvieh war einfach unter der Hauswand hindurch gekrochen. Ich weiß noch, wie ich den Kanister nach ihm warf, die Luke pakte und zuzog. Es wurde augenblicklich schwarz. Wie viel Luft ich hatte? Das war das Letzte, worum ich mir Gedanken machte. Irgendwie holten mich die Ereignisse plötzlich ein. Alle waren tot. Alle. Ich hörte das Scharren und Schaben, Kratzen und Reißen, Brüllen und Fauchen. Sie waren dort oben. Ein Munitionslager gab es vermutlich inzwischen nicht einmal mehr. Sie waren dort und sie würden mich bekommen. Die Techniker, mit denen ich jeden Morgen und jeden Abend gegessen hatte. Ich kannte ihre Namen. Ich habe mit einer der Frauen geflirtet. Ich hatte sogar mal versucht, mich mit einem der Marines anzufreunden. Alle tot. Hätte ich mehr tun können, als mir in die Hose zu pinkeln und die Clips heranzuschaffen? Ich wurde ohnmächtig, denke ich. Einige Tage vergingen, dann kam ich wieder zu mir. Ich lag weich, hing an einem Tropf, hatte ein paar kleinere Verbände hier und da. Ich wusste nicht, wofür die sein sollten. Einige Ärzte kamen herbei, unterhielten sich über mich. In meiner Gegenwart werteten sie meine Daten aus, ohne mich auch nur anzusehen. Schließlich erbarmte sich einer der jüngeren Mediziner, sich mit mir zu befassen. Er… begrüßte mich unter den Lebenden. Beglückwünschte mich zu meiner Heldentat. Ich begriff nicht ganz, was überhaupt vor sich ging, aber er half meinem Verständnis auf die Beine. Versuchte es zumindest. Das Munitionslager hatte die Kanister enthalten, die ich rausgeworfen hatte. Einige Panzergranaten. Eine ganze Menge Sprengstoffe und Kapseln für Bergbauarbeiten. Viel Zeug, mit dem wir nie etwas hätten anfangen können. Man sagte mir, ich hätte tausende Männer, Frauen und Kinder gerettet. Indem meine Garnison standhielt, bis zuletzt, bis… ich mit meinem genialen Plan alle verbliebenen Reste irgendwie zündete. Die Explosion des Munitionslagers muss ein verflucht großes Loch in den Zergschwarm gerissen haben. Sie mussten sich sammeln. Von Taktik verstand ich nie viel. Aber unser Lager, klein und unbedeutend, war wichtig gewesen. Diese Zugänge zu den Canyons, die wir versperrten? Beide führten zu größeren Ansiedlungen. Das Oberkommando von Korhal II hatte von der Invasion frühzeitig erfahren, sie vertrauten auf die Kompetenz ihrer Offiziere und beschäftigten sich derweil damit, so viele Transporter wie möglich durch den Abwehrgürtel zu bringen. Sie hatten den ganzen verdammten Planeten evakuiert. Und die paar Männer, die dort draußen gestorben waren? Alles Helden, natürlich. Sie hatten ihr Leben für den Schutz Unschuldiger gegeben. Ich dachte einen Moment: Mann, hast du Glück gehabt! Etwas länger und du wärst auch so ein Held geworden. Tatsächlich wollten sie mir einen Orden verleihen. Mich befördern. Egal, was ich sagte, sie wollten es so. Ich wehrte mich gewissermaßen dagegen, mit den tapferen Toten in einen Topf gesteckt zu werden oder schlimmer noch - über sie erhoben zu werden. Ich glaubte, ich sehe Geister, als dann plötzlich der Sergeant zu mir ins Zimmer kam. Mit einer kleinen Abordnung von anderen Militärs. „Junge, die Liga braucht Männer wie dich!“, sagte er. Im Anschluss hatten wir das erste wirkliche Gespräch miteinander. Er fragte mich über meine Karriere aus, sagte mir im Gegenzug, dass meine Eltern und meine Schwester evakuiert werden konnten. Er erklärte mir, das Korhal II kein Einzelfall war. Die Welten der Liga waren in Bedrängnis, alle. Der Zergschwarm war zahllos und allgegenwärtig. Die kleinste Verseuchung konnte ein Nest entstehen lassen, verseuchte Terraner konnten ganze Züge auslöschen, an allen Fronten wurden wir stetig zurückgedrängt. Er machte mir klar, wie… schlimm es um die Liga stand. Er sagte natürlich kein Wort darüber, nein, es ging vielmehr um das, was er eben nicht sagte. Ich bin ja nicht bescheuert. Ich hörte… Verzweiflung. Ein wortloses Drängen, ich… wagte es nicht Gebettel zu nennen, aber er wollte etwas von mir. Als Sergeant befand, er habe mir deutlich genug gemacht, wie beschissen es um den Koprulu-Sektor stand, da brachte er es endlich auf den Punkt. Er sei vom Garnisons- und Infantriekommandeur zum Artilleriekommandeur befördert worden. Es gäbe da einen Auftrag. Der Testlauf für den Prometheus II. Er brauche noch einen Techniker für die Panzercrew, ob ich nicht in seine Truppe kommen wollte. Ich musste mich nicht sofort entscheiden, dieser Mann schien sich über mich erkundigt zu haben. Er donnerte mir einen schier gewaltigen Wälzer hin. Ein Monster von Buch. Das Betriebs- und systematische Technikhandbuch des Prometheus II. In der Woche, die ich noch in Behandlung verbleiben musste, las ich es. Von vorne bis hinten und zurück.   Nadaius IV   Wenn die Liga einen Testlauf macht, dann ist das üblicherweise recht feierlich aufgezogen. Eine große Parade, ein paar sichere Probeschüsse, ausgewählte Vertreter der Medien mit ihrer popularisierenden Werbung und bezahltes Publikum, das im richtigen Moment applaudiert. Das konnten wir uns vielleicht beim Odin-Kampfläufer leisten. Aber der Prometheus II kam in einer wirklich engen Passage des Krieges. Wir wurden nicht auf einer sicheren Kernwelt getestet, nein. Man schickte die drei Prototypen direkt ins Feld. Einen Schwarmstock der Zerg angreifen. Das ist ein wenig so, als würde man ein paar Bienen schicken, um in einem Wespennest herumzustochern. Einfach - keine - gute - Idee. Sie kennen die alten Belagerungspanzer? Die Doppellaufkanone hatte ja kräftigen Wumms dahinter! Sie waren gut gepanzert, schwer zu knacken. Aber der Prometheus II… ich hatte so etwas nie zuvor gesehen. Das Ding ist kein Panzer mehr, es ist ein mobiler Waffenschlitten. Eine dreischichtige Panzerung, die erste Hülle mit Schaumstoff gefüllt, die Toxine und Säuren neutralisiert, die zweite Hülle mit einem Gas gefüllt, welches beim Kontakt mit menschlichen Lugenbläschen die Adrenalinproduktion anregt und beim Kontakt mit Zerggewebe chemische Verbrennungen auslöst. Und Juckreiz, wie der Kanonier gewitzelt hatte. Jede der drei Panzerschichten war mehrere Millimeter dick, der Stahl speziell behandelt. Und das war nur die Hülle! Ich war nie in einem der alten Belagerungspanzer. Ich las mir ein paar Berichte über die Schockwellenkanone durch, die ausgefahren wird, sobald der Panzer sich im Boden verankert. Ein wirklich übles Ding. Würde man sie abfeuern, wenn der Panzer nicht verankert ist, könnte es den Geschützturm abreißen. Bei unserer Kanone handelte es sich um eine Mark VI - das hätte nicht den Geschützturm abgerissen, das hätte den gesamten Panzer wie Papier zerfetzt. Entsprechend war ich ziemlich… vorsichtig. Mir war unwohl, als wir über Stock und Stein rumpelten und ich zu realisieren begann, dass wir genau die Monster suchen würden, die ich vor einigen Wochen nur knapp überlebt hatte. Dabei machte ich mir einfach keine Vorstellungen davon, was auf uns wartete. Über die Sprechanlage kam irgendwann ein metallisch krächzendes „Ziel erreicht, Testlauf starten.“ Das war alles. Ich hörte, wie die Verankerung ausfuhr und sich in den Boden bohrte. Spürte das Ruckeln, als der Prometheus II festen Halt gewann. Sehen… konnte ich natürlich nichts. Ich war nicht auf der Panzerbrücke eingesetzt, sondern Techniker. Ich war bei den Maschinen, die im Grunde von alleine liefen und bekam nichts mit. Sie haben keine Ahnung, wie sich wahre Macht anfühlt, bis sie nicht in diesem Monster standen, während es seinen ersten Schuss abgibt. Die Schockwellenkanonen waren bekannt dafür, einen… wie hieß es in dem Bericht? „Einen mörderischen Bass“ zu entwickeln. Manche Panzercrews bevorzugten es, Heavy Metal zu ihren Angriffen zu spielen. Ob das wirklich geholfen hätte, ich bezweifle es. Ich stand in den Eingeweiden des Monstrums, das wir gebaut hatten und die Luft vibrierte. Das sage ich nicht als irgendeine pathetische Umschreibung einer angeblich spürbaren Anspannung - sie vibrierte wirklich. Das Metall unter meinen Füßen konnte ich schwingen fühlen, die Decke war in Bewegung, ich schrak zurück, als ich versuchte, an den Wänden festen Halt zu finden und selbst die vibrierten. Wie sollte das Schott zusammenhalten? Wie sollten wir überleben? Der ganze Panzer würde gleich auseinander fallen, ich war mir dessen völlig sicher! Natürlich wusste ich es besser. Ich hatte das Handbuch gelesen, wusste von Abfederung, kinetischem Schaum, ich wusste, dass wir standhalten konnten. Zumindest dem Beschuss, den wir selbst abgaben. Aber dieses Wissen war so unglaublich… unnütz, verglichen mit dem Gefühl, ein unwertes kleines Geschmeiß im Magen einer Bestie zu sein. Ich kontrollierte die Maschine - was blieb mir auch anderes zu tun. Der Nachlader funktionierte einwandfrei, Sorgen bereiteten mir eher unsere Munitionsbestände. Der Prometheus feuerte, feuerte, feuerte - ich weiß nicht, worauf alles. Immer wieder erschütterte das urgewaltige Donnern jedes noch so kleine Staubkorn im Inneren. Selbst mit den Ohrschützern war es ein betäubender Laut. Und ich fühlte mich so schrecklich nutzlos. Irgendwann plärrte eine bekannte Stimme aus dem System in mein Ohr. Sergeant befahl mich zur Brücke, sofort. Also rannte ich los, es klang so… eilig. Stimmte ein Display nicht mehr? Was, wenn plötzlich das Datenfeedback nicht mehr synchron mit den Sensoreingaben war? Ich rannte, als wäre ein Zergling hinter mir her, in der Annahme, es sei ein technisches Problem. Vielleicht hätte ich mir mehr Zeit gelassen, hätte ich gewusst, was mich hinter der Tür zur Brücke erwartete? Ich weiß es nicht. Das seltsam vertraute Fauchen sagte mir bereits alles, was ich wissen musste, noch bevor ich den Knopf zum Öffnen der Tür drückte. Aber ich realisierte es erst, als ich den Schritt über die Schwelle gesetzt hatte. „Schaff‘ mir das Ding vom Leib!“ brüllte der Sergeant mich an. Er saß auf dem Kommandostuhl, blickte nicht zu mir. Stattdessen deutete er mit einer Hand auf eine Pistole, die kaum zwei Schritte von mir entfernt lag. Ich… gestehe, ich stand dumm da. Wie schon im Lager. Der Panzer war zur Hälfte aufgerissen. Ich verstehe nicht, wie das hat geschehen können. Ich sah… den Himmel. Und mir wurde schlagartig klar: Den sollte ich gar nicht sehen können. Nicht den Himmel, nicht die Bergketten weit im Westen und schon gar nicht dieses blubbernde, wabbernde Gewirr aus blutenden Organstrukturen, die die Zerg als Gebäude benutzen. Schlimmer aber war der Hydralisk. Eines dieser schlangenartigen Mistviecher hatte sich in den Spalt geklemmt, in dem Versuch, die Brücke zu erstürmen. Mit ein paar Metallzacken tief im eigenen Körper war der Zerg schwer verletzt, kam nicht vor und nicht zurück. Seine seiner langen Krallen war abgebrochen, mit der anderen hackte er ständig nach dem Sergeant. Der aber fuhr ungerührt fort. Er nahm die Basis der Zerg ins Visier und feuerte. Hier oben wäre ich ohne meine Ohrschützer zweifellos taub geworden. Ich bückte mich nach der Pistole, bemerkte nur am Rande, dass die gesamte Brückencrew tot war. Zerfetzt. Verätzt. Überall Blut  und Fetzen und Gliedmaßen. Ein Zergling, das sollte ich später bemerken, lag im hinteren Teil der Brücke herum. Als ich die Pistole ergriff, zischte der Hydralisk. Seine Aufmerksamkeit verlagerte sich vom Kommandanten zu mir, er zischelte, raschelte, holte Luft. Ich… hatte natürlich keine Ahnung, was das bedeutete. „Runter!“, blaffte Sergeant. Instinktiv ließ ich mich fallen. Irgendetwas schlug über mir ins Schott ein, ein kleines Bisschen davon prallte ab, tropfte auf meine Schulter. Hydralisken speien Säuredornen. Die aggressive Chemikalie brannte sich ohne Mühe durch den Schutzanzug, durch mein Hemd, meine Haut, mein Fleisch. Ich realisierte davon nichts. Irgendwie bewerkstelligte ich es, wieder auf die Beine zu kommen. Meine Knie waren weich, zitterten, ich spürte nichts unterhalb meiner Hüfte, das Donnern des Panzergeschützes brachte mich immer wieder ins Wanken. Meine Arme hoben die Pistole, ich zielte und der Hydralisk… röchelte wieder so merkwürdig. Mir war klar, dass der Sergeant mich nicht ewig würde vorwarnen können. Plötzlich war ich Teil des Krieges. Auf Korhal II? Da war ich nur ein Techniker. Ein dummer kleiner Narr, zur falschen Zeit am falschen Ort, dem man die zufällige oder auch nicht zufällige Explosion eines Munitionslagers in die Schuhe schob. Aber hier, auf Nadaius, da wurde ich plötzlich Teil des Krieges. Ich sah dem Feind in die Augen und er starrte mich an. So voller Hass und… Hunger. Ich schoss, einmal, zweimal, dreimal, ich ballerte das ganze verdammte Magazin in dieses elende Mistvieh hinein. Das war sogar nötig gewesen. Redundante Organsysteme - ein Kopftreffer? Ein zerfetztes Herz? Es gab Ersatz- und Ausfallstrukturen, die die meisten Funktionen bei schweren Verletzungen übernehmen konnten. Erst, als der schlaffe Schlangenkörper endlich im Riss der Brücke hängen blieb und nur noch blutete, statt zu zucken, ließ ich die Arme sinken. Meine Hände hatten sich um den Pistolengriff verkrampft, ich… konnte sie nicht einmal loslassen. Wie hypnotisiert schritt ich auf den Zerg zu. Ich wollte ihn anfassen. Ich wollte wissen, wie das ist, gegen wen wir überhaupt kämpfen. Sergeant hielt mich davon ab. Er brüllte, dass ich später noch genug von denen sehen könnte - er brauche meine Hilfe. Er brauche sie jetzt. Als ich mich zu ihm umdrehte, verschlug es mir die Sprache. Dieser gut anderthalb Meter lange Krallendorn, der dem Hydralisken abgebrochen war? Er steckte in meinem Kommandeur, hatte seine Flanke durchbohrt, den Sitz durchbrochen, ihn regelrecht auf der Brücke in seiner Kommandoposition festgenagelt. Mir wurde eine Position gewiesen, ich musste die Zielerfassung umstellen. Ich glaube inzwischen, es war das Adrenalin. Ich hechtete hinüber, stieß den zerfleischten Rumpf des Offiziers vom blutüberschwemmten Stuhl, setzte mich ohne zu zögern in die erkaltende, klebrige Lache und begann auf das verschmierte Display einzuhauen. „Was ist mit den anderen Panzern?“, fragte ich. Wir waren doch drei Prototypen gewesen! Doch das Einzige, was er mir antwortete war, dass es sich hier um einen sekundären Schwarmstock handelte. Ich begriff lange nicht, was das hieß. Wie schon der Zwischenfall auf Korhal, so endete auch dieser für uns beide in einem Krankenhaus. Dort erklärte man mir einiges. Über die Zerg, allem voran. Die Aufklärung hatte uns gesagt, es sei ein tertiärer Schwarmstock. Klein. Nur Bodeneinheiten. Zur Produktion von Stoßtruppen, kaum stationäre Verteidigung. Sekundäre Schwarmstöcke sind größer, besser ausgebaut, besser geschützt, sie produzieren größere, stärkere, schnellere… gefährlichere Zergeinheiten. Ein Ultralisk hatte den Panzer so zerrissen. Diese Viecher sind gewaltig und ihre Kaiserklingen reißen zentimeterdicke Stahlpanzerungen auseinander - genau das war ja auch geschehen. Der Prometheus II hatte eine erhebliche Schwäche, er konnte nicht in die Luft feuern. Das Geschütz ließ sich dafür nicht schnell genug ausrichten und nicht hoch genug heben. Warum die Flieger die beiden anderen Panzer zerstört hatten, uns aber nicht, ich… wusste es nicht. Niemand wusste es. Man glaubte vielleicht, die Bodentruppen würden schon mit uns fertig werden. Oder sie hatten den Schwarmstock bereits aufgegeben, weil die Schäden zu groß waren. Nach einer ganzen Weile gab es dort draußen keine Zergbasis mehr. Nur noch den Kriecher, diese schleimige, giftige, infektiöse Nährstoffsubstanz, mit der die Zerg alles überziehen. Und in regelmäßigen Abständen auf dem Kriecher verteilt waren die zerfetzten Gebäude. Blutige, matschige Organstrukturen von gewaltigen Ausmaßen. Alle zerrissen, zermürbt, zerschossen, verbrannt, gesprengt. Zergkadaver lagen herum, Hunderte. Was noch fähig war, sich zu bewegen, das belagerte uns. Sie versuchten durch den Spalt in der Brücke zu kommen, sie rissen, kratzten und schabten an allen Ecken des Panzers und bei den Göttern, ich wusste nicht, was ich mir mehr wünschen sollte: Dort draußen zu sein, damit es wenigstens schnell ginge oder hier drinnen zu bleiben, damit sie mich noch ein paar Minuten nicht erwischen würden. „Stopf die Lücke mit ihren Leichen!“, befahl mir der Sergeant. Ich hatte ihm auf seine Anweisung hin ein Gewehr aus dem Spind gebracht, mir ein neues Pistolenmagazin genommen. Ich hatte sogar die ganze verdammte Munitionskiste herbeigezogen, neben seinen Sitz gestellt. Alle paar Minuten mussten wir nachladen, griffen wahllos in die Kiste. Und wie wir den Spalt mit ihren Leichen stopften! Aber das war nicht alles. Sie kamen an anderen Stellen hinein, rissen sich einfach neue Löcher. Wir wären tot gewesen, keine Frage. Der Prometheus hatte die Basis zerstört und die verbleibenden Truppen würden uns nun überrennen. Schon wieder. Ich weiß nicht, woher sie kamen. Die Funkverbindung war nicht tot, aber ich war kein Funker. Ich hatte mich gerade so mit dem Zielerfassungssystem befassen können, genug, um der Kanone neue Feuerbereiche zu geben. Vielleicht hatte uns jemand erreichen wollen, aber wir waren einfach zu sehr damit beschäftigt gewesen, zu überleben. Mit allen Mitteln. Und plötzlich war da Feuer. Dass Schott begann zu glühen, oben am Riss in der Brücke. Wir spürten die Hitze, die sich ins Innere ausbreitete. Einige Flammenwerfer brannten die Zerg von uns herunter. Ein paar Dutzend, so wurde uns später gesagt. Sie hatten einen regelrechten Kokon aus wühlenden, beißenden Leibern um den Panzer gebildet. Uns aber bekamen sie lebend heraus. Sogar den Sergeant. Ich erinnere mich noch, dass ich die Brücke nicht verließ, bis sie ihn losgeschnitten hatten. Ich zielte sogar mit der Pistole auf einen der Sanitäter, als der mir ein Beruhigungsmittel spritzen wollte.   Char   Wir wissen längst nicht mehr alles von der alten Erde. Manche Dinge konnten wir retten, sicherlich vieles sogar. Zumindest erscheint es uns, als würden wir einer schier unmöglich zu bewältigenden Fülle gegenüber stehen, doch wie will man so viele Religionen, Nationen, Kulturen, Bräuche und Gedanken einfassen, wenn man von einem Planeten spricht, der Milliarden von Leben beherbergt? Nehmen wir nur eine einzige Kernwelt der Liga und ziehen wir Parallelen zu den Informationen, die wir aus ATLAS haben - wie wenig wissen wir dann über nur diese eine Welt! Es sind viele Ausdrücke, die ihren Eingang in unsere Kultur fanden. Solche Ausrufe wie ‚Oh Gott!‘ - und wenn wir schon bei Gott sind, dann gibt es auch für uns Hölle und Teufel. Ich habe die Hölle gesehen, glauben sie mir das. Nach dem Einsatz des Prometheus II wurde Sergeant abermals befördert. Man ernannte ihn zum Fleet Admiral. Vielleicht war ihnen das Personal ausgegangen und sie hatten einfach keinen Besseren mehr? Jemand musste mehrere Raumjägerflotten und einige schwere Kreuzer kommandieren. Jemand mit ein wenig taktischem Verständnis. Es hieß, wir würden nach Char fliegen. Um den primären Schwarmstock anzugreifen. Nach allem, was ich erlebt hatte… nun, es klang irrsinnig. Und das wirklich Beängstigende ist: Man gewöhnt sich daran. Wellen von Zerg stürmen auf eine kleine Garnison zu? Warum nicht. Einem Hydralisken auf nicht mal fünf Meter in die Augen starren? Immer doch. Nach Char fliegen? Nichts wie los! Man macht sich keine Vorstellungen davon. Ich sah die Oberfläche von der Brücke aus, bediente die Waffenstation. So ein schwerer Kreuzer ist ein Wunderwerk terranischer Technik - kampfstark und doch irgendwie elegant in seinem schlichten Design. Massive Feuerkraft und man bedient sie mit ein paar Knöpfen und einem automatisierten Zielerfassungssystem. Char… brennt. Der Planet ist vulkanisch aktiv, die Oberfläche wird ständig zerfurcht von neuen Vulkanausbrüchen. Manche sind so gewaltig, dass sie das Material so schnell und hoch schleudern, dass es die Anziehungskraft des Planeten überwindet und einfach ins All hinaus treibt. Ich habe unsere Verluste gesehen. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Marines von dem Augenblick, wenn sein Shuttle in die oberen Atmosphärenschichten eindringt, beträgt zwei Minuten. Das klingt nach schrecklich wenig, mag jetzt ein Unerfahrener sagen. Das klingt erstaunlich viel, mag ein Veteran denken. Aber in diesen zwei Minuten… sind bereits vier Minuten Landeweg enthalten. Nein, das ist kein Scherz. Die meisten Marines überleben nicht einmal, bis ihr verdammter Transporter gelandet ist. Es gibt noch separate Statistiken darüber, wie lange ein Marine überlebt, sobald er das Shuttle am Boden verlassen hat. Durchschnittlich vierzig Sekunden. Falls er es zu einem Vorposten schafft, sieht es viel besser aus. Bei kleinen Vorposten ein paar Minuten. Bei größeren Stunden. Ich bin Techniker. Ich warte Maschinen. Ich habe nie ein Studium abgelegt, irgendeinen großen Titel erworben. Das ich auf der Brücke eines Schlachtkreuzers die Geschützbatterien bedienen durfte, das verdankte ich meinem Sergeant, der mich mit sich schleppte, als wäre ich sein persönlicher Glücksbringer. Ich habe dazu gelernt. Über die Zerg, über Kriegsmaschinen… das Meiste aber über mich. Der Krieg hat eine verdammt hässliche Fratze und weist einem ständig auf, das man ihm nicht ausweichen kann. Er gafft einen an und zwingt einen, es ihm gleich zu tun. Man starrt zurück und sieht in seiner hässlichen Visage alles, was man nur zu gerne verleugnen würde. Wir verloren Tausende. Gute Männer und Frauen, die man in bester Hoffnung in die Hölle hinab schickte, um gegen Dämonen aus Fleisch und Blut alles zu tun, was sie tun konnten. Standhalten, bis zur letzten Kugel, bis zum letzten Atemzug. Ich habe Videos von den Bodenkämpfen gesehen, wissen sie? Ich sah Marines, deren Innereien überall verstreut waren und die noch immer ihre mechanischen Fäuste um den Hals eines Hydralisken gelegt hielten, um ihn zu erwürgen… oder wenigstens von ihren Kameraden fern zu halten, die weiterhin ohne Rücksicht in die Wellen feuerten. Dieses… dieses Gemetzel, das dort unten stattfand… Bei uns oben war es besser, so schien es. Irgendwie… sauberer. Was uns tötete, das waren Explosionen. Sektionsentlüftungen durch Hüllenbrüche. Die Kälte des Alls. Ätzende Geschosse, die die Hülle durchschlugen. Wir wurden nicht lebendig gefressen, zersäbelt, verätzt oder auseinander gerissen. Dennoch - sterben, das taten auch wir in großer Zahl. Eine ganze Weile sah es wirklich übel aus. Ich hörte Sergeants Stimme auf der Brücke hallen, er hatte die Kanäle zu den anderen Kreuzern und Raumjägern geöffnet. „Standhalten“, wies er sie an. Er schwang eine der Reden, für die er inzwischen berüchtigt war. Standhalten, bis zum letzten Atemzug. Wir sind alles, was zwischen gefräßigen Monstern und dem Überleben der Menschheit steht. Wir sind die letzte Linie. Jäger um Jäger. Kleine, rote Wolken im schwarzen All. Schnell verschwindende Explosionen zwischen dem Funkeln uralter Sterne. Ihre Streitkräfte zerlegten die Kreuzer. Einen nach dem anderen. Sie gingen… fast systematisch vor. Als würden sie unsere Flotte sezieren. Ich weiß noch, dass alle Systeme nach einigen schweren Treffern plötzlich verrücktspielten. Ich sah den Schwarm auf dem verzerrten und von Störungen betroffenen Bildschirm. Tausende Flieger. Das war also unser Ende? Mal wieder, wie mein Verstand mir beunruhigend gleichmütig zugedachte. Mich beängstigt noch immer, wie uninteressant eine solch gewaltige, unmöglich zu leugnende Bedrohung des eigenen Lebens werden kann, wenn man nur oft genug in solche Situationen geriet. Als die Bildschirme ausfielen, die Daten völligen Unsinn anzeigten, da schob ich es auf die Treffer. Irgendein… Artefakt war gezündet worden. Die Bodentruppen hatten es unter gewaltigen Mühen und Verlusten in Stellung gebracht. Es ließ alle Systeme durchdrehen, es brannte die Zerg von der Oberfläche, äscherte sie in ihren Tunneln noch Meilen entfernt ein… und zerstörte sogar diese gewaltige Masse an Ungeheuern, die direkt auf uns zuhielt. Es dauerte Minuten. Welle um Welle jagte durch das Schiff, die Energie überlastete unsere Relais, einen der Kreuzer überforderte das Energieniveau völlig - sein Antriebskern überlastete, er brach auseinander. Spätestens der Aufprall der gewaltigen Trümmer auf der Oberfläche Chars tötete auch die letzten Überlebenden der Crew. Was blieb übrig? Einige Dutzend Männer am Boden, in Blut getränkt, unterversorgt, die Mehrheit verletzt, die sich misstrauisch zusammen scharten, ungläubig, wirklich gesiegt zu haben. Und ein paar wenige Jäger und Kreuzer im Orbit. Schwer beschädigt, allesamt. Die Meisten kaum noch flugfähig. Minuten, bevor wir die Energieversorgung wiederherstellen konnten. Wir schickten ein paar Shuttles raus, das wenige Bisschen, das wir noch zur Verfügung hatten. Char ist gewaltig, der ganze Planet bis ins Mark verseucht und von Zerg durchdrungen. Ich weiß nicht, was wir dort wollten, warum dieses Artefakt so wichtig war, ich weiß nichts von alledem. Nur, das wir scheinbar fertig waren, unsere Männer einsammeln und abziehen wollten. Das war der Moment, als plötzlich schwere Kreuzer aus dem Hyperraum sprangen. Drei, vier Dutzend davon kreisten uns ein. Ich glaube, ich war der Einzige auf der ganzen Brücke, der jubelte. Ich rief „Verstärkung! Da kommt Verstärkung!“ Aber ich täuschte mich. Wir bekamen eine Übertragung herein… dass wir die Waffensysteme runterfahren sollten. Unsere Schiffe seien nun beschlagnahmt, unsere Truppen würden in militärischen Gewahrsam genommen. Was hier los war, das begriff ich nicht, bis ein Ligakommando die Brücke stürmte und man mir einen Lauf unter das Kinn hielt. Ich denke… den Rest der Geschichte kennen sie.     Techniker Anton Nazzim starb laut offiziellen Liga-Berichten beim Überfall der Zerg auf Korhal II. Laut Geheimdienstakte wurde er von Raynors Raiders geborgen, versorgt und schließlich angeworben. Nazzim wurde nach dem Verhör den Behörden zur Hinrichtung übergeben. Aufgrund der bereits laufenden „Helden der Liga“-Kampagne wird davon abgeraten, die Öffentlichkeit über den Verlauf zu informieren. Akte geschlossen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)