Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 10: "Was machst du denn hier?" -------------------------------------- "Schneller!", lachte Ran und beugte sich tiefer über den Hals seines Pferdes. Glory gehorchte gutmütig, ohne sich von dem lauten Ruf aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Er musste ein Lächeln zurückhalten, bevor er sich seinerseits tiefer über Brauner beugte, seine Worte waren hingegen kaum mehr als ein Flüstern. "Na dann zeig mal, was du kannst." Ob es nun seine Worte oder seine Haltung war, Brauner schien genau zu verstehen, was er von ihm wollte und fiel in einen weit ausgreifenden Galopp. Glory wurde schnell ein- und dann überholt, doch die Stute ließ sich davon nicht beeindrucken, behielt ihr Tempo bei. Sie war wirklich eine gute Wahl, auch wenn Ran in diesem Moment gar nicht wie ein Anfänger wirkte. Mit einem innerlichen Kopfschütteln schob er diesen Gedanken beiseite, ließ für den Moment einfach los, so wie er Brauner die Zügel freigegeben hatte. Und so konnte er später gar nicht genau sagen, wie viel Zeit vergangen war, als die Pferde schließlich von sich aus langsamer wurden, bis sie in einen gemütlichen Trott fielen. "Wir müssen einen Bogen geschlagen haben", merkte Ran an, dessen rote Haare windverweht waren. "Da vorne, das ist wieder der Unterstand." Die violetten Augen funkelten, als sie seinen Blick fanden und dieses Mal lächelte er wirklich. "Es scheint mir, als würde nicht nur Glory den Weg zurück zum Stall kennen", stimmte er zu. Ran nickte eifrig, den Blick schon wieder auf das offensichtliche Ziel der Pferde gerichtet. "Wollen wir noch einmal eine Pause einlegen?" Dieses Mal eindeutig ohne jeden Hintergedanken, Ran dachte allein an sein Pferd, das gerade zufrieden getätschelt wurde. Er warf einen kurzen Blick auf seine Uhr, rechnete die Zeit für den restlichen Weg und das Umziehen ein, bevor er nickte. "Solange wir uns nicht zu lange hier aufhalten." Der Jüngere nahm die Auskunft freudig auf, lächelte ausdrucksvoll, bevor Glory noch einmal kurz angespornt wurde. Natürlich folgte Brauner unmittelbar, sein Pferd spielte nicht gerne die zweite Geige, und so konnten sie kurz darauf absitzen. Dieses Mal band Ran die Stute selbst fest, er hatte beim ersten Mal genau aufgepasst, dann streckte sich der Rothaarige, dass ihm die Gelenke krachten. "Ich fühle mich mindestens fünf Jahre älter…", wurde mit einem schiefen Grinsen zugegeben, während Ran sich in ein paar vorsichtigen Schritten versuchte. Die dann auch ohne Unfälle zurückgelegt wurden, doch als sich Ran schließlich gegen den Zaun lehnte, schienen dessen Beine zu zittern. Seine Mundwinkel zuckten nach oben, als er ebenfalls absaß. "Du weißt, dass du damit immer noch jünger wärst als ich?" Violette Augen weiteten sich überrascht, offensichtlich hatte sich Ran das nicht bewusst gemacht, auch wenn er es eigentlich wissen sollte. Der Jüngere brauchte, bis er zu ihm getreten war, ehe dieser sich wieder gefasst hatte, dann aber wurde er ohne Vorwarnung umarmt. Hm, anscheinend hatte sein Hinweis weniger dafür gesorgt, dass Ran eine unbeabsichtigte Beleidigung fürchten würde. Vielmehr hatte er die alte Unsicherheit wieder geweckt. Dabei war es gerade so einfach gewesen, sich auf Ran einzulassen, weil dieser nur ein normaler Schüler war und so gar nichts mit seiner Welt zu tun hatte. Natürlich verbunden mit der Tatsache, dass Ran nichtsdestotrotz mehr über die Widernisse des Lebens erfahren hatte als so mancher sogenannter Erwachsene. Die braunen Augen verdunkelten sich bei diesem Gedanken, ohne dass es irgendjemandem auffallen konnte und er schlang seine Arme um Rans schlanke Gestalt. ****** Die Umarmung sorgte dafür, dass er nicht mehr darüber nachdachte, warum sich Crawford überhaupt mit ihm abgab. Er hatte es schließlich schon oft genug getan und zu Verstehen hatte es nie geführt. Mit einem leisen Seufzen entspannte er sich Stück für Stück und dann lächelte er gegen den Stoff von Crawfords Hemd. Der Ältere wusste garantiert, was ihm durch den Kopf gegangen war und hatte prompt darauf reagiert. Es war eine Erkenntnis, die ihn mit Wärme füllte, die bis in seine Wangen stieg. Und er wollte darauf antworten. Crawford schien ganz und gar nicht überrascht von der Hand, die sich gleich darauf in dessen Nacken schlich und ihn in einen Kuss zog. Und er war froh darüber, denn auf diese Weise konnte er es sagen, ohne Worte dafür zu benötigen. Anschließend erhielt er ein Lächeln, in dem sich Verständnis mit Belustigung mischte, bevor Crawford sich Brauner zuwandte und etwas aus der kleinen Satteltasche holte. "Die beiden haben sich eine Belohnung verdient, meinst du nicht auch?" Damit wurde ihm ein Apfel zugeworfen, während der Schwarzhaarige einen weiteren für sein Pferd zurückbehielt. Er fing die Frucht mühelos auf und lachte, als sowohl Glory als auch Brauner die Köpfe nach ihm verdrehten. "Natürlich. Aber ist es nicht etwas unfair, dass Brauner einen mehr bekommt? Er hatte doch vorhin schon einen Apfel." Crawford deutete ein unbeeindrucktes Schulterzucken an. "Brauner ist mein Pferd, Bevorzugung ist da gestattet." Dem konnte er schlecht widersprechen und er tat es auch nicht. Stattdessen gab er Glory den hart erarbeiteten Apfel und die Stute mampfte zufrieden vor sich, während Brauner seinen Apfel viel zu schnell herunterschlang und dann bei Crawford nach Nachschub suchte. Der Amerikaner wehrte die Übergriffe mit einem amüsierten Lächeln und leisen Worten ab, klopfte Brauner schließlich mit der flachen Hand gegen den Hals. "Du bekommst auch nie genug, was? Aber mir meine Taschen kaputt zu machen, bringt dich auch nicht weiter." Er hielt ein Auflachen zurück, weil Crawford in diesem Moment so anders wirkte, nutzte die Gelegenheit, um sich ein bisschen zu strecken und seine Beine noch etwas zu bewegen. Diese Schritte fielen ihm wenigstens schon etwas leichter, aber alles in allem fühlte er sich wie gerädert. Sein Blick streifte kurz Crawford und er hoffte, dass der Ältere sein Versprechen nicht vergessen hatte. Denn eine Massage würde er heute Abend wirklich gebrauchen können. Eisern vertrieb er die Röte, die sich in sein Gesicht schleichen wollte, als seine Gedanken in weniger unschuldige Richtungen abdrifteten. Er schüttelte innerlich den Kopf über sich und gleichzeitig die Bilder ab, wandte sich wieder der Gegenwart zu, wo Crawford ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue musterte. Hatte der Ältere ihn etwas gefragt? Auf seine sich weitenden Augen hin zuckten Crawfords Mundwinkel kaum merklich, bevor dieser sich offensichtlich wiederholte. "Bereit für das letzte Stück?" Er nickte beinahe hastig und trat auf sein Pferd zu, gefolgt von Crawford, der sichergehen wollte, dass er auch zurück in den Sattel gelangte. Und dieses Mal war die stützende Hand wirklich erforderlich, die dafür sorgte, dass er nicht in den Sattel hineinplumpste statt sich darauf niederzulassen. Danach wurden erst Glory und dann sein Bein getäschelt und er erhaschte noch einen amüsierten Funken in den braunen Augen, bevor Crawford sich abwandte, um seinerseits auf Brauner aufzusteigen. Er tat so, als hätte er es nicht bemerkt, sonst würde er vielleicht noch verlegen werden und ließ die Zügel locker. Denn Glory wusste sehr genau, wo es hinging und strebte von ganz allein in Richtung Stall. Kaum hatten sie ihr Ziel erreicht, war auch schon jemand heran, um ihnen die Pferde abzunehmen. Er konnte sehen, wie Crawford einen Blick auf die Uhr warf, bevor der Ältere Brauner ohne Widerspruch abgab, sich nur kurz von dem Pferd verabschiedend. "Haben wir noch etwas vor?", erkundigte er sich, als sie sich auf dem Weg zu den Umkleideräumen befanden, den Blick fest auf den Boden gerichtet. Denn er fühlte sich immer noch – oder schon wieder? – unsicher auf seinen Beinen. Er musste ganz einfach häufiger reiten gehen… und das sollte ja kein Problem darstellen, nicht wahr? Unbemerkt huschte ein Lächeln über seine Lippen bei diesem Gedanken. "Nun, nicht direkt", antwortete Crawford und erhielt damit seine Aufmerksamkeit zurück. "Ich bin nur davon ausgegangen, dass du hier Mittagessen möchtest und die Küche ist nicht durchgehend geöffnet." Er wollte gerade einwenden, dass er auch bis Zuhause durchgehalten hätte, als sein Magen sich lautstark zu Wort meldete und das Gegenteil behauptete. Prompt lief er rot an. Bis zu diesem Moment war ihm gar nicht bewusst gewesen, wie hungrig er eigentlich war. Crawford nickte, Amüsement in den braunen Augen. "Ja, genau so etwas hatte ich mir schon gedacht. Und deine Muskeln können sich in der Zwischenzeit auch ein bisschen erholen." Ein Mundwinkel kurvte leicht nach oben, als das hinzugesetzt wurde. Er weigerte sich, darauf etwas zu antworten, achtete nur noch mehr auf seine Schritte. Es wäre ja noch schöner, wenn er jetzt ins Stolpern geraten würde… Nichtsdestotrotz hatte er das Gefühl, dass Crawford innerlich über ihn lachte, auch wenn man es dem Älteren nicht ansehen konnte. Zum Glück gab er ihm keinen Grund, wirklich zu lachen, erreichte ohne irgendwelche Unfälle den Umkleidebereich und dann auch die Dusche. Letztere befanden sich in abgetrennten Bereichen, viel mehr als bloße Kabinen. Es war fast wie ein kleines eigenes Bad, mit genug Platz, um die Sachen abzulegen. Ein Waschbecken mit Spiegel, Fön und verschiedenen Toilettenartikeln vervollständigte die Ausstattung. In dem Bewusstsein, nicht gestört zu werden, streifte er beinahe hastig seine Sachen ab, um schnell unter die Dusche zu kommen. Er hatte das Wasser so weit wie möglich aufgedreht und genoss die Hitze, die auf ihn herunterzuströmen begann. Doch irgendwie fühlte sich der Strahl anders als gewohnt an, so dass er nach oben blickte, Wasser aus den Augen blinzelnd. Und dann begegnete sein Blick dem größten Duschkopf, den er jemals gesehen hatte. Kein Wunder, dass er beinahe den Eindruck hatte, im Regen zu stehen… Verblüfft lachte er auf, besann sich dann aber mit einem Kopfschütteln darauf, dass er nicht nur zur Entspannung hier stand, sondern auch den Schweiß loswerden wollte, den der Ausritt mit sich gebracht hatte. Duschgel sowie Shampoo befanden sich natürlich in bequemer Reichweite und kurz darauf duftete er nach Meeresfrische. Jedenfalls wenn er der Verpackungsbezeichnung Glauben schenken wollte. Das Handtuch, nachdem er danach griff, war nicht nur vorgewärmt, sondern auch riesig, fast wie eine Decke. Und so weich, dass es ihm fast schwer fiel, sich wieder davon zu trennen, als er schließlich trocken war. Danach musste er sich nur noch um seine Haare kümmern und sich anziehen, um kurz darauf den privaten Raum zu verlassen. Natürlich suchte sein Blick als allererstes nach Crawford, doch wie es aussah, war er etwas schneller als der Ältere gewesen. Nachdem er ein paar weitere Schritte getan hatte, nicht ohne leicht das Gesicht zu verziehen, wünschte er sich, die heiße Dusche noch etwas ausgedehnt zu haben, doch gleichzeitig war ihm auch bewusst, dass sie nicht viel mehr gegen den einsetzenden Muskelkater hätte helfen können. Nein, da wäre etwas anderes viel hilfreicher… Er verbat seinen Gedanken, wieder in diese Richtung abzuschweifen, denn jetzt konnte er Stimmen näherkommen hören und er wollte nicht dumm herumstehen, mit rot angelaufenem Gesicht. Sie würden ihn noch für einen Spanner oder so etwas halten. Diese Überlegung rief Humor in violette Augen, der sich schnell verflüchtigte, als er einer bekannten Gestalt gewahr wurde, der er lieber nicht über den Weg gelaufen wäre. Der Andere stoppte seine Unterhaltung mit dessen Freunden und starrte ihn an. "Was machst du denn hier?", fragte Daniel dann in einem Tonfall, der alles andere als höflich ausfiel. Ein schmales Lächeln zog unwillkürlich an seinen Mundwinkeln, weil der Andere so ehrlich überrascht schien, und er erlaubte ihm zum Vorschein zu kommen. Anscheinend glaubte sein Mitschüler immer noch an dieses selbsterfundene Märchen, dass er nur ein armer Stipendant war und in ihrer illustren Runde nichts zu suchen hatte. Ihn hier zu sehen musste diese kleine Welt, in der Daniel lebte, regelrecht auf den Kopf stellen. Und dabei _hatte_ er Nagis vielleicht gar nicht so ernst gemeinten Rat befolgt und Crawford bei der Wahl seiner Garderobe ein Wort mitreden lassen… Irgendwie schien Daniel seine fehlende Reaktion – oder vielleicht auch das Lächeln – nicht zu gefallen, denn jetzt hob der Andere die Hand an, die einen Tennisschläger trug, trat einen drohenden Schritt nach vorne. Dessen Begleiter, nicht diese Schulhofschläger von damals, schienen von der Entwicklung zu verblüfft, um einzuschreiten. Ihn selbst… beeindruckte dieses kindische Verhalten nicht besonders. "Ich denke, das ist offensichtlich", ließ er sich schließlich zu einer Antwort herab und ohne dass es ihm bewusst war, gewann sein Lächeln eine Note, die er sich bei Schuldig abgeschaut hatte. "Aber wenn dir das nicht ausreicht", er bewegte seine Hände, in denen er immer noch sehr gut erkennbar seine Reitsachen hielt, "ich war reiten. Dir ist sicher bewusst, dass der Club hier auch einen Stall hat. Aber vielleicht sollte ich auch mal Tennis ausprobieren." Er wusste nicht, warum er das noch anfügte, doch die entleisenden Züge des Anderen bestätigten ihn in dieser Entscheidung. Sein erster Gedanke war wohl treffender als angenommen, die Selbstverständlichkeit, mit der er den Club für sich beanspruchte, passte wirklich nicht zu dem Bild, das sich Dennis von ihm gemacht hatte. Und vielleicht konnte er ihn ein kleines bisschen verstehen, wenn er sich in dessen Lage versetzte. Daniel schien einfach sehr behütet aufgewachsen zu sein und glaubte daher, dass alles in ein bestimmtes Schema passen musste. Während das Leben in Wirklichkeit chaotisch war. Da er keine Lust hatte, sich weiter mit dem Anderen auseinanderzusetzen – denn es sollte ihm schwerfallen, auf dessen Niveau zu sinken – neigte er leicht den Kopf. "Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich habe noch etwas vor." Etwas im Blick des Anderen verriet ihm, dass seine Worte anders als die angestrebte Neutralität als Überheblichkeit ausgelegt wurden. Doch es kam keine Erwiderung, da in diesem Moment Crawford hinzukam. Und der Amerikaner tat so, als würde er Daniel nicht erkennen, sondern sammelte ihn einfach nur ein und setzte seinen Weg fort. Es war eine Lösung, die ihm ausgesprochen gut gefiel. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)