Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 13: "In dem Fall können wir wohl mitten in der Nacht mit ihrem Eintreffen rechnen" ------------------------------------------------------------------------------------------ "Crawford?" Erst Rans leise Stimme ließ ihn aufsehen und innerlich rief er sich selbst zur Ordnung, weil er für den Moment seine Umgebung völlig vergessen hatte. Seine Gedanken hatten bei Schuldig geweilt, doch es hatte nichts geholfen. Sein Talent hatte ihm nicht geholfen, diesen mysteriösen Anruf zu entschlüsseln. Und er konnte es Schuldig nicht einmal zum Vorwurf machen, schließlich befand sich der Telepath im Einsatz und damit stand es ihm zu, selbst zu entscheiden, ob eine Mitteilung über das Telefon sicher war. Auch wenn ihre Handys mit Sicherheitsprotokollen ausgestattet waren, hatte man nie die Garantie, dass sich ein Dritter nicht als technisch fortgeschrittener erweisen würde. Ran musterte ihn mit einem Hauch von Unsicherheit, als sich ihre Blicke begegneten. "Was wollte dieser Mann? Wird er Ärger bereiten?" Unwillkürlich zuckten seine Mundwinkel ein paar Millimeter nach oben, eine Reaktion, die von Ran mit Erleichterung aufgenommen wurde. "Er hatte es vielleicht vor, aber ich habe ihm schnell den Kopf zurechtgerückt." Er erhielt ein verstehendes Lächeln, dem Rothaarigen reichte seine Versicherung vollauf. Weswegen es nicht weiter verwunderlich war, dass Ran gleich zur nächsten Möglichkeit sprang. "Gab es eine schlechte… Nachricht?" Nur ein winziges Stocken verriet, dass Ran zuerst etwas anderes hatte sagen wollen, sich dann aber eines Besseren besann und sein Talent lieber nicht direkt ansprach. Wofür er ihm ein zufriedenes Nicken schenkte, bevor er antwortete. "Nicht so, wie du denkst. Schuldig hat angerufen. Anscheinend ist er über etwas Ungewöhnliches gestolpert." Wieder eine aufmerksame Musterung, bevor es dieses Mal Ran war, der nickte. Entweder hatte der Jüngere erkannt, dass er ihm nicht mehr erzählen konnte oder er hob sich weitere Fragen für später auf. Wenn sie wirklich unter sich waren. Egal was der Grund war, sie beide wandten sich den Resten ihrer Mahlzeit zu und kamen nicht mehr auf Schuldigs Anruf zurück. Er leerte seinen Teller beinahe mechanisch, ungestört von Ran, der ihn seinen eigenen Gedanken überließ. Obwohl das alles in allem wohl nicht die beste Lösung war, denn was konnte er schon anderes machen, als weiter zu rätseln? Und das ohne Aussicht auf eine Antwort, außer dem ganz logischen Schluss, dass Schuldig ein Doppelgänger von ihm über den Weg gelaufen sein musste. Was egal sein sollte, schließlich kam es immer mal vor, dass sich Leute ähnelten, die nichts miteinander zu tun hatten. Aber so etwas hätte Schuldig nicht so aus der Bahn geworfen, nicht wahr? Etwas frustriert verkrampften sich seine Hände zu fest um sein Besteck, bevor er die Reaktion bemerkte und prompt unterband. Doch das Stirnrunzeln, das ihm nicht bewusst wurde, blieb. Dieses Mal waren es keine Worte, die ihn zurückholten, sondern die flüchtige Berührung von Rans Hand, die Wärme an seinem Handgelenk zurückließ. Erst als sich der Jüngere seiner Aufmerksamkeit sicher war, machte dieser einen Vorschlag. "Würdest du heute noch mit mir trainieren? Ich meine, wenn wir zurück sind." Tut dir denn nicht schon alles weh?, wollte er im ersten Moment zurückgeben, aber dann verstand er. Und ein Funken Belustigung trat in braune Augen, mehr an sich selbst als an Ran gerichtet. Der Jüngere hatte nicht nur seine Stimmung aufgefangen, sondern sich auch gleich ein Gegenmittel überlegt. Und ja, es würde helfen, sich in dem von kleinauf vertrauten Kendo-Training verlieren zu können. Er könnte seine Gedanken darauf konzentrieren und anschließend sollte er den Kopf wieder freihaben. Unbewusst neigte er den Kopf leicht zur Seite. "Ich denke, das wird sich einrichten lassen." Ran senkte den Blick wieder zum Teller, ohne das Lächeln zu verbergen, das um seine Lippen spielte. Hm… Er wusste nicht, ob Ran ihn inzwischen einfach zu gut kannte oder ob dieser Ansatz eines Talents, den Schneider damals entdeckt hatte, auch nach Ayas Erwachen noch so arbeitete. Aber auf jeden Fall hatte er nichts gegen das Ergebnis einzuwenden. "Ist alles in Ordnung bei ihnen?", fragte Ran, kaum dass der Wagen angefahren war. Es folgte ein kurzes Auflachen, das nicht viel Fröhlichkeit in sich trug. "Ich wiederhole mich, was? Aber heute Morgen noch war diese Frage sehr einfach zu stellen gewesen. Jetzt bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich die Antwort wirklich hören möchte…" Als er jetzt einen Blick auf den Jüngeren warf, hatte der sich abgewendet, blickte aus dem Seitenfenster, als wäre etwas da draußen absolut faszinierend. Dieser Stimmungsumschwung überraschte ihn etwas, aber dann wiederum ging es ihm auch nicht anders, nicht wahr? Nur dass er dieser erzwungenen Untätigkeit nicht erlaubte, sich in Unsicherheit zu wandeln, sondern sich lieber abzureagieren versuchte. Wie Ran sehr wohl erkannt hatte, auch wenn der Jüngere es nicht schaffte, seine Emotionen auf die gleiche Weise zu steuern. Nur flüchtig legte er seine Hand auf Rans Oberschenkel, spürte daraufhin dessen Blick, während er selbst sich schon längst wieder auf die Straße konzentrierte. "Sie stecken nicht in unmittelbaren Schwierigkeiten", antwortete er ihm dann endlich. "Allerdings scheint die Situation das Potenzial zu haben, uns welche zu bereiten. Genug, dass Schuldig beschlossen hat, seinen Auftrag im Notfall ein anderes Mal zu Ende zu führen." Ran schluckte hörbar, denn der Jüngere hatte genug von ihrer Arbeit mitbekommen um zu wissen, dass es so etwas wie unerfüllte Aufträge nicht geben sollte. "Dann hoffe ich, dass sie ganz schnell zurückgekommen, egal, ob der Job erledigt ist oder nicht. Zusammen werdet ihr bestimmt eine Lösung finden, nicht wahr?" Vertrauen lag in Rans Stimme, in ihre Fähigkeiten und ganz insbesondere in seine. "Natürlich werden wir das", gab er ohne zu zögern zurück. Denn er zweifelte nicht daran. Schwarz hatte schon viel schlimmere Unwägbarkeiten überstanden als einen Doppelgänger. So seltsam dieser auch war. Er konnte regelrecht spüren, wie sich Ran ein wenig entspannte und bis sie ihr Haus erreichten, war der Jüngere über das momentane Stimmungstief hinweg. Was sich darin äußerte, dass er Ran vor sich wiederfand, bevor er einen Schritt aus der Garage machen konnte. Er erhielt ein Lächeln, während sich gleichzeitig eine Hand um sein Handgelenk schloss. So gesichert erhob sich der Rothaarige auf die Zehenspitzen und gleich darauf wurde er geküsst. Nur kurz fragte er sich, ob Ran immer noch auf der Suche nach einer Versicherung war, doch der Gedanke verlor sich schnell und dann wölbte er auch schon eine Hand um Rans Hinterkopf und machte sich an die Aufgabe, den Kuss zu erwidern, bis der Jüngere atemlos gegen ihn fiel. "Du bist also doch noch ein bisschen wacklig auf den Beinen", merkte er amüsiert an. "Bist du dir sicher, dass du noch gegen mich antreten willst?" Ran hob das Kinn an, während ein Zittern – oder vielleicht auch ein Schauer – dessen Körper durchlief. "Ich kann immer kämpfen", wurde ihm dann mit Nachdruck mitgeteilt. Selbstvertrauen lag in diesen Worten und wen sollte es wundern. Schließlich hatte Ran in seinem Club kaum einen Konkurrenten gehabt. Er ließ seine Hand schwer auf der Schulter des Jüngeren ruhen und als dieser unter dem Druck stabil blieb, nickte er langsam. "Gut, dann zeig mir was du kannst." Sie trainierten natürlich nicht mit den Katanas, das wäre nur eine Einladung zu unnötigen Unfällen gewesen, aber auch mit seinem Shinai hatte er Ran ein paar Mal hart getroffen, was zweifellos Spuren hinterlassen würde. Dem Jüngeren schien das egal, wenn er es überhaupt registrierte, so konzentriert wie er auf den Schlagabtausch war. Da er ihn schon häufiger hatte kämpfen sehen, war ihm klar, dass Rans Muskeln nicht besonders glücklich mit ihm waren, die Bewegungen des Rothaarigen gerieten so genau wie immer, doch auch langsamer als gewohnt. Es war nachdem Ran einen Schlag nicht parieren konnte, der sonst ein Kinderspiel für den Jüngeren gewesen wäre, dass er ihr Training stoppte. Der Blick der violetten Augen verriet ihm, dass Ran den Grund dafür sofort erkannt hatte und seine Entscheidung verstand, ohne damit wirklich einverstanden zu sein. Und da er selbst Gefallen an der Ablenkung gefunden hatte, ganz wie erwartet, machte er neuen Vorschlag. "Wie wäre es, wenn wir ohne Shinai weitermachen? Schuldig hat mir erzählt, dass du Fortschritte beim waffenlosen Kampf machst." Ein entwaffnendes Lächeln flog über Rans Gesicht, der ausgesprochenen Zustimmung hätte es da gar nicht mehr bedurft. Sie legten die Übungsmatten aus, machten dann erstmal eine Pause. Er selbst musste sich nur wieder hydrieren, Ran hingegen benötigte sie, um neue Kraft zu schöpfen. Andere hätten in diesem Moment vielleicht aufgegeben, es nicht geschafft, dieses Tief zu überwinden. Der Rothaarige jedoch zeigte Ausdauer oder vielleicht auch nur Sturheit genug, um ihm bald darauf ohne ein Zeichen von Schwäche gegenüberzustehen. Er hatte selten gegen jemand anderen als Schneider gekämpft, was auch der Grund war, warum er Schuldig Rans Training überließ. Der hatte auf Rosenkreuz selbst die Grundlagen gelernt und dort hatte man einige Erfahrung damit, Anfänger zu unterrichten. Tatsächlich hatte Ran die Unterweisungen ernst genommen, er erkannte die Formen wieder. Was natürlich auch hieß, dass er mühelos darauf reagieren konnte, aber gleichzeitig baute Ran die eine oder andere Überraschung ein, wo dieser anscheinend sein Kendotraining integriert hatte. Die Zeit verging wie im Fluge, während sie in einen gemeinsamen Rhythmus fielen, wirklich mehr Training als Kampf und allmählich begann auch er die Belastung zu spüren. Was hieß, dass es für Ran sehr viel schlimmer sein musste. Seine Vermutung fand Bestätigung, als der Jüngere nach einem Fehltritt regelrecht in sich zusammensackte, statt sich abfangen zu können. Und anschließend blieb Ran sitzen, mit geschlossen Augen nach Luft ringend. Wortlos setzte er sich neben ihn auf die Matte, umfing den Jüngeren, als dieser sich gegen ihn sinken ließ. Das Zittern erschöpfter Muskeln, für die bloßen Augen kaum sichtbar, aber auf diese Weise sehr gut zu spüren, ließ Ran nicht völlig zur Ruhe kommen, selbst nachdem sich dessen Atmung normalisiert hatte. Das nächste Mal würde er besser aufpassen, damit es Ran nicht wieder übertrieb. Es war kein Wunder, dass er später lange vor Ran aus dem Bad heraus war. Wenn es bei dem Jüngeren zu lange dauerte, würde er nachschauen müssen, ob Ran nicht in der Wanne eingeschlafen war… Ein Hauch von Amüsement stand in braunen Augen, als er die Küche betrat, doch der verschwand schnell wieder, als er Nagis fragendem Blick begegnete. "Keine Neuigkeiten", antwortete er, um dann seinerseits eine stumme Frage zu stellen. "Ich konnte auch nichts Handfestes finden", gab der Junge zurück. "Schuldig hat seine Kreditkarte nicht benutzt, aber zweifellos wird er den Flug bar bezahlen, wenn er befürchtet, verfolgt zu werden." So wie man es ihnen beigebracht hatte. Sie führten immer ausreichend Bargeld mit sich für Notfälle, auch wenn es selten zum Einsatz kam. In diesem Fall mochte es sinnlos sein, denn er zweifelte daran, dass die Begegnung zufälliger Natur gewesen war. Also mussten sie Schuldigs Reisen schon einer Weile gefolgt sein. Wahrscheinlich seit dem Start. Aber es konnte auch anders sein, weswegen der Telepath nicht auf diese Vorsichtsmaßnahme verzichten würde. Was es ihnen nicht gerade erleichterte herauszufinden, wann die beiden zurückkehren würden. Auf sein verstehendes Nicken hin sprach Nagi weiter. "Daher habe ich zunächst einmal die Direkt-Flüge ausgewertet, die in den nächsten vierundzwanzig Stunden hierher gehen." Wie er selbst ging Nagi davon aus, dass Schuldig nicht viel Energie in den Abschluss seines Auftrags stecken würde. Entweder er war sehr schnell erledigt oder wurde abgebrochen, beides würde Schuldig und Farfarello in Kürze zu ihnen zurückführen. "Ich habe ein paar Reservierungen gefunden, die auf zwei Männernamen lauten und zur gleichen Zeit gemacht wurden. Leider konnte ich nicht in allen Fällen herausfinden, inwieweit echte Personen hinter den Namen stecken. Und es besteht die Möglichkeit, dass sich Schuldig sogar eine echte Identität ausgeliehen hat." Mit einem schmalen Lächeln. "Aber dennoch denke ich, dass ich sie gefunden habe." Ihm wurde ein Ausdruck gereicht. Einer der Namen sagte ihm rein gar nichts, aber der andere… war Farfarellos echter Nachname. Und der stand ganz sicher nicht in dessen Ausweis, weswegen Schuldig ihn ohne Sicherheitsrisiko hätte verwenden können. "Du könntest Recht haben. In dem Fall können wir wohl mitten in der Nacht mit ihrem Eintreffen rechnen." Seine Augen hatten ganz automatisch nach den notwendigen Informationen gesucht. "Wollen wir auf sie warten?" Nagi schien die Aussicht auf eine Nachtschicht nicht viel auszumachen. Und warum auch. Morgen war Sonntag und der Telekinet hatte schon häufiger bis tief in die Nacht – oder früh in den neuen Tag hinein – vor seinem Computer gesessen. "Nun, du kannst gerne wachbleiben", rutschten seine Mundwinkel nach oben. "Ich jedoch habe vor, zumindest etwas Schlaf zu bekommen." Wachzubleiben würde die beiden auch nicht früher herbringen. Nagi zuckte nur mit den Schultern. "Ich werde es mir noch überlegen." In diesem Moment meldete sich der Backofen und der Jüngere machte sich daran, ihr Abendessen herauszuholen. "Auf jeden Fall haben wir so viel Auflauf, dass es auch für Schuldig und Farfarello reicht, falls sie tatsächlich mitten in der Nacht einfallen sollten und Heißhunger haben", wurde ungerührt angemerkt, als die große Pfanne nur von Nagis Talent gelenkt sicher auf dem Tisch abgestellt wurde. Seine Antwort darauf fiel überraschend ernst aus. "Ich denke, Schuldig wird dir dafür dankbar sein." Sie tauschten einen verstehenden Blick aus, genau wissend, dass der Telepath gar nicht anders konnte, als in so einer Sitation sein Talent zu überbeanspruchen. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)