Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 17: "Wir haben es doch nicht so sehr mit Traditionen, nicht wahr?" -------------------------------------------------------------------------- "Ehrlich gesagt habe ich die ganze Zeit erwartet, dass sich dieser Ausflug als Aprilscherz herausstellt." Schuldigs erste Worte, nachdem sie das Flugzeug verlassen hatten. Vielleicht waren diese Zweifel ja der Grund dafür gewesen, dass der Telepath während der Reise so ungewohnt ruhig geblieben war… Das Amüsement zeigte sich nur in den braunen Augen, als er seine Mundwinkel davon abhielt, nach oben zu kurven. "Wir haben Weihnachten", gab er trocken zurück. Woraufhin Schuldig nonchalant mit den Schultern zuckte. "Wir haben es doch nicht so sehr mit Traditionen, nicht wahr?" Was auch wieder wahr war. Dieses Mal war da ein winziges Lächeln. "Das ist für uns vielleicht ganz richtig, allerdings glaube ich nicht, dass Ran das genauso sieht", schränkte er dann ein. Ihn traf ein intensiver Blick aus grünen Augen. "Und ihn willst du natürlich nicht enttäuschen, was?" Wenn in den Worten alte Verbitterung enthalten war, dann in so geringem Umfang, dass man nichts heraushörte. Er stoppte für einen Moment und erwiderte Schuldigs Blick ausdruckslos. "Natürlich", stimmte er ihm ruhig zu. Nicht, um Schuldig zu ärgern, sondern weil es so war. Die Gesichtsmuskulatur des Jüngeren arbeitete, als dieser für einen Moment die Zähne zusammenbiss, doch der Rückfall in die schlechten alten Zeiten wurde rasch überwunden und es folgte ein Grinsen, das nur etwas schief ausfiel. "Nun, jedenfalls bin ich gespannt, wie du so aufgewachsen bist. Ich kann mich vage erinnern, dass du aus einer Familie mit Geld kommst, nicht wahr?" "Und was genau soll daran so interessant sein?" "Na ich wollte schon immer mal so ein richtig großes Anwesen sehen." Das Grinsen wurde breiter, als Schuldig gleichzeitig die Arme ausbreitete. Er stieß ein leises Schnauben aus. "Nimmst du tatsächlich an, dass wir so einfach dort auftauchen können?" "Es könnte ja klappen", kam es unbeeindruckt zurück. Dann verengten sich die grünen Augen. "Schließlich sollte es in der Familie geblieben sein, nicht wahr? Oder hast du nicht vor, alte Bekannte wiederzutreffen?" Ah, Schuldig hatte wohl ein bisschen bei Ran spioniert, denn er bezweifelte, dass der Rothaarige von sich aus etwas gesagt hatte. "Wärst du denn daran interessiert?" Das war ein Schuss unter die Gürtellinie, wie ihm sehr wohl bewusst war, doch im Moment wollte er nicht zugeben, dass er sich immer noch nicht entschieden hatte. Die Ablenkung funktionierte und Hände ballten sich zu Fäusten. "Du weißt ganz genau, dass es bei mir niemanden gibt, mit dem ich in Kontakt treten könnte. Ganz davon abgesehen, hätte ich auch keinerlei Grund, so etwas zu tun!", wurde zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorgezischt. Und dann war auch schon Farfarello heran, dem der Aufruhr nicht entgangen war und der daher Ran für den Augenblick stehen ließ, wo dieser nach ihrem Gepäck Ausschau hielt. "Schuldig." Eine Hand schloss sich fordernd und viel zu fest um den Unterarm des Orangehaarigen. Mehr war nicht erforderlich. Der Telepath vergaß seinen Unmut und wandte sich dessen Freund zu. "Hey, ich brauche keine blauen Flecken." Farfarello bleckte die Zähne, zufrieden damit, Schuldigs Aufmerksamkeit zu haben. "Es ist doch die Zeit, alles zu schmücken…" Schuldig verdrehte in Reaktion darauf die Augen. "Klar doch. Aber ich bin kein Weihnachtsbaum." Eine kurze Pause. "Und solltest du im Zusammenhang mit diesem Fest nicht sowieso darauf verzichten, irgendwelchen Traditionen zu folgen?" Urplötzlich war Farfarello ganz nah an Schuldig dran, löste zwar den Griff, dafür gruben sich dessen Zähne aber in Schuldigs Hals. So schnell, dass es niemandem auffiel. "Diese Tradition hat sowieso nichts mehr mit Ihm zu tun", wurde anschließend erklärt. Der Blick des Orangehaarigen fiel etwas glasig aus und Schuldig schien Schwierigkeiten zu haben, Worte zu formen. Weswegen er sich letztendlich auf ein abgehacktes Nicken beschränkte. Farfarello schien damit zufrieden und jetzt war er es, der sich dem bernsteinfarbenen Auge ausgesetzt sah. Anscheinend dachte der Ire darüber nach, ob noch weitere Maßnahmen durch ihn erforderlich waren, doch als der Blick des Jüngeren als nächsten an ihm vorbeiging, war die Entscheidung gefallen. Und er musste keine Racheaktionen befürchten. Er wandte sich ebenfalls Ran zu, dem die Zeit wohl zu lang geworden war, vor allem, da das Gepäcklaufband sich immer noch nicht rührte. Jedenfalls kam der Rothaarige geradewegs auf ihn zu und gleich darauf berührte eine Hand flüchtig die seine. Rans Worte waren jedoch an Farfarello gerichtet. "Du warst so plötzlich verschwunden. Ist etwas passiert?" Der Ire sah ganz so aus, als würde er sich gerne wieder an Ran hängen, doch in diesem Fall ging Schuldig vor. Weswegen der Rothaarige lediglich ein Grinsen statt Gesellschaft erhielt. "Nichts weiter. Crawford hatte bloß beschlossen, Schuldig zu ärgern. Und ich habe ihn daran erinnert, dass er sich nicht ärgern lassen muss." Bei dieser Auskunft lachte Ran überrascht auf, bevor dieser sowohl ihn als auch Schuldig musterte. Schließlich erschien ein feines Lächeln. "Ich will mal davon ausgehen, dass die Schuld nicht allein bei Crawford zu suchen ist." Das brachte ihm ein Schulterzucken ein, da Farfarello nicht ernsthaft widersprechen konnte. Schuldig hingegen verzog das Gesicht, beschloss dann anscheinend, das Thema endgültig hinter sich zu lassen. Was sich darin äußerte, dass er nun seinerseits nach Farfarellos Arm griff und den Iren mit sich zog. Sie beide verfolgten, wie Schuldig mit Farfarello im Schlepptau in Richtung Ausgang strebte und damit das Gepäck ihnen – und Nagi – überließ. "Du lässt dich doch normalerweise nicht auf Streitigkeiten mit Schuldig ein…" Leise, während die violetten Augen ihn wieder musterten. Dem folgte ein weiteres Lächeln, als der Jüngere irgendwie ohne jede Erklärung verstand. "Eigentlich kann es dir doch egal sein, oder? Wenn du jemanden wiedertriffst, dann musst du kein Urteil fürchten. Schließlich willst du nicht in dein altes Leben zurückkehren." Ran hatte damit vollkommen Recht und er selbst hatte sich das auch schon gesagt, doch diesen Hauch von Unsicherheit wurde er einfach nicht los. Er hatte sich damals nicht nur von diesem alten Leben verabschiedet, sondern auch von der Person, die er bis dahin gewesen war. Die Aussicht, dass jemand diese Person in ihm zu sehen versuchte, gefiel ihm nicht besonders. Und auf der anderen Seite hatte er sich wohl doch nicht völlig von seiner Vergangenheit gelöst, denn ein Teil von ihm wollte wissen, wie es Kathy und Stan ergangen war. Schließlich rang er sich ebenfalls ein Lächeln ab. "Ich fürchte es nicht. Ich mag es nur nicht, dass ich so gar nicht beeinflussen kann, wie dieser Ausflug ausgehen wird." Ein Zwinkern war die erste Reaktion darauf, bevor ein Leuchten in die violetten Augen trat. "Ich bin mir sicher, dass dir niemand die Kontrolle nehmen wird, egal, was letztendlich passiert." Ohne den geringsten Anflug eines Zweifels, gefolgt von einem Beinahe-Grinsen. "Aber der ganzen Sache aus dem Weg gehen wolltest du wohl nicht, was?" Davonlaufen? Ganz bestimmt nicht. Ein schmales Lächeln bahnte sich seinen Weg und sich ihrer Umgebung sehr bewusst, streckte er lediglich eine Hand aus, um strafend an einer roten Strähne zu ziehen. "Jetzt fängst du auch noch an…" Aber innerlich half es ein wenig, das klar ausgesprochen zu hören. Und mit mehr Ruhe ließ er die Zukunft auf sich zukommen. Zufrieden mit diesem Ergebnis berührte Ran wieder für einen Moment sein Handgelenk, dann begaben sie sich beide zu Nagi, der als Einziger pflichtbewusst beim Gepäckband verharrt und inzwischen auch schon einen ersten Koffer neben sich stehen hatte. Der Rest war schnell eingesammelt und dank Nagis unsichtbarer Unterstützung gelang der Transport problemlos, bis sie zum Rest ihrer Gruppe aufgeschlossen hatten. Schuldig wartete mit irgendeinem Fast Food in der Hand, wozu er nichts sagte, da der Orangehaarige deswegen zumindest bessere Laune zu haben schien. Farfarello hingegen hatte sich nicht verleiten lassen – der Ire ernährte sich in der Regel ausgesprochen gesund – sondern beobachtete interessiert eine Maschine, die unermüdlich irgendeine unidentifizierbare Masse umrührte. Ran ließ das Gepäck für einen Moment stehen und trat neben den Gleichaltrigen, sichtlich belustigt. "Ich glaube, so etwas wird Schuldig dir nicht kaufen. Der Mixer muss reichen." Der Telepath, der zugehört hatte, stieß ein Schnauben aus. "Wo sollte er so ein Monster auch hinstellen. Komm also gar nicht erst auf dumme Ideen!" Letzteres an Farfarello gerichtet. An dieser Stelle schien Nagi die Geduld auszugehen, denn ihr Jüngster ließ eine Tasche geradewegs auf Schuldigs Füße fallen. Und dessen Gesichtsausdruck nach zu urteilen verlieh er ihr auch noch mehr Gewicht als sie ohnehin schon hatte. "Genug um die Arbeit gedrückt. Ab jetzt kümmerst du dich um dein Zeug alleine. Ich bin nicht dein Packesel." Schuldig wusste es besser als sich mit Nagi anzulegen und die einzige Beschwerde über die Behandlung blieb ein schiefer Blick. Der Rest des Burgers verschwand mit wenigen Bissen in Schuldigs Magen und endlich konnten sie sich auf den Weg machen. Dieses Mal wartete kein Wagen auf sie, aber auf zwei Taxis verteilt fühlte sich der Weg zum Hotel gar nicht lang an. Schuldig sah direkt beeindruckt aus, als sie ihr Ziel erreichten. "Das ist ja ein richtiges Luxus-Domizil. Es sieht ganz so aus, als meintest du es ernst mit dem Urlaub." Im nächsten Moment richteten sich grüne Augen auf Ran, der überrascht erstarrte. Schuldig grinste jedoch nur breit. "Wir hätten dich wirklich eher aufgabeln sollen, vielleicht hätte Crawford dann früher einen Urlaub springen lassen." Der Rothaarige zwinkerte, suchte dann fragend seinen Blick. "Ihr habt wirklich noch _nie_ Urlaub gemacht?" Ran schien sich das gar nicht vorstellen zu können. Eine Reaktion, die ihm ein belustigtes Lächeln entlockte. "Nun, wir hatten natürlich auch freie Tage. Aber ich muss zugeben, dass wir nicht weggefahren sind." Denn so etwas taten Teams einfach nicht. Sie waren Arbeitskollegen, keine Freunde. Und schon gar keine Familie. Auch wenn Schwarz immer etwas aus dem Rahmen gefallen war. Eine Entwicklung, die sich weiter fortgesetzt hatte – und jetzt… fanden sie sich zusammen hier wieder. Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Schließlich hatten sie alle nach Freiheit gestrebt, ohne sie letztendlich zu erreichen. Und gleichzeitig waren sie jetzt dem sogenannten normalen Leben näher als je zuvor. Ran schien sich an das zu erinnern, was er ihm über ihre Ausbildung, ihren Job erzählt hatte und die Überraschung wich Verstehen. "Dann wird es wirklich höchste Zeit, nicht wahr?", kam es anschließend beinahe unbekümmert. Der Telepath griff diese Emotion gerne auf und grinste wieder, marschierte dann ohne weitere Verzögerungen auf den Eingang zu, der bereits vom Portier geöffnet wurde. "Setzt euch in Bewegung, sonst friert ihr hier draußen noch fest!" Eine Bemerkung, mit der Schuldig gar nicht so Unrecht hatte, der Wind umwehte sie tatsächlich mit eisiger Hartnäckigkeit und so folgten sie dem Orangehaarigen gerne. Nur Nagi schien von dem Wetter völlig unberührt, wahrscheinlich im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr Gepäck wurde von herbeieilendem Personal aufgenommen und an der Rezeption wurden sie nicht nur mit einem freundlichen Lächeln, sondern auch gleich mit Getränken empfangen. Schuldig schaffte es natürlich problemlos, alles anzunehmen, als wäre er nichts anderes gewohnt, Ran hingegen schien etwas peinlich berührte, lehnte höflich ab und machte sich so gut es ging unsichtbar. Mit ihren Zutrittskarten ausgestattet wurden sie zu ihren Zimmern geführt und erhielten noch eine kurze Einweisung, bevor sie schließlich sich selbst überlassen wurden. Schuldig hatte nichts bessers zu tun als hörbar auszuatmen. "Mensch, so wie die einen behandeln, fühlt man sich ja gleich etwas minderbemittelt. Wenn reiche Leute so etwas brauchen, will ich es gar nicht sein." Bei diesen Worten wurde er nicht besonders unauffällig beäugt. "Du musst gleich wieder übertreiben", gab er mit einem Kopfschütteln zurück. "Das Hotel will für das Geld, das sie nehmen, einfach einen entsprechenden Service bieten." "Na wenn du das sagst, muss es ja stimmen…" Gedehnt, bevor Schuldig die Hände hinterm Kopf verschränkte. "Ich werde jedenfalls erstmal die Kaffeemaschine ausprobieren, die hatten da einige interessant aussehende Pads herumliegen." Doch bevor der Orangehaarige seine Worte in die Tat umsetzte, suchte dessen Blick dieses Mal nach ihrem Jüngsten. "Aber sag mal, willst du Nagi-chan tatsächlich ganz allein lassen?" "Tu nicht so, als wäre ich ein kleines Kind", gab Nagi missmutig zurück, die Arme vor der Brust verschränkend. "Außerdem bin ich ganz sicher nicht dumm genug, mit euch ein Zimmer zu teilen." Und Ran und ihn wollte Nagi nicht stören. Ein Mundwinkel wollte nach oben kurven, aber er wurde von Schuldigs plötzlicher Bewegung abgelenkt. Der Orangehaarige endete hinter dem Telekineten und schlang beide Arme um ihn. "Aber Nagi, jemand muss doch aufpassen, dass du dich nicht die ganze Zeit im Zimmer vergräbst. Das wäre schließlich kein Urlaub." Und dann erinnerte Schuldig sie daran, dass er nicht nur ein Telepath war. Nagi hätte den Älteren problemlos abschütteln können, wenn er es gewollte hätte, doch in diesem Moment hatte der Telekinet vergessen, dass er solche Nähe nicht mochte, sank mit einem leisen Seufzen gegen Schuldig. An ihm selbst prallte der empathische Einfluss natürlich ab, aber Rans Reaktion zeigte ihm, dass Schuldig nicht nur Nagi beeinflusste. Was die Rückkopplung natürlich nur noch stärker machte. Seine Hand stützte den Rothaarigen, als der zu schwanken begann, aber trotzdem erlaubte er Schuldig für ein paar lange Sekunden fortzufahren. Dann jedoch reichte eine flüchtige Berührung bloßer Haut, um den Kreislauf zu unterbrechen und Schuldig schnappte hörbar nach Luft, während Nagi abrupt auf Abstand ging. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)