Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 28: "Hast du dich wieder abgeregt?" ------------------------------------------- "Ein Talentloser also. Und Schuldig hatte keine Einwände?" Stephan stand gegen die Haustür gelehnt und musterte ihn leicht amüsiert. Er nahm den Wunsch zur Kenntnis, noch einen Moment zu verweilen, und lehnte sich seinerseits gegen die kühle Hauswand. "Glaubst du wirklich, dass ich mir von Schuldig eine Erlaubnis einhole, bevor ich mit jemandem ins Bett gehe?" Mit hochgezogener Augenbraue. Dem anderen entkam ein Auflachen. "Nein, das bestimmt nicht. Doch Schuldig kennt Mittel und Wege, um seinen Unmut zu äußern." Wie auch schon Stephan erfahren hatte, auch wenn Schuldig dabei ausgesprochen erfolglos gewesen war. Sein knappes Nicken gestand dem anderen diesen Punkt zu, dann kurvten seine Mundwinkel nach oben. "Ich denke, Farfarello ist viel zu sehr an Ran interessiert, als dass sich Schuldig wirklich ihm gegenüber etwas herauszunehmen wagen würde." Er war sich ziemlich sicher, dass Schuldig nicht ohne jeden Versuch ausgekommen war, doch er hatte ihn nicht erwischt. Was hieß, dass Ran nicht allzu sehr traumatisiert worden war. Dieser Gedanke rief echte Belustigung in braune Augen, bevor er weitersprach. "Ganz davon abgesehen hat sich Schuldig recht schnell an ihn gewöhnt." So wie er selbst auch, wie er zugeben musste. Er hatte nicht vor, genauer zu ergründen, wie ihm seine Emotionen da davongelaufen waren. Schneider hatte ihm schließlich mehr als deutlich vor Augen geführt, dass das nicht seine Stärke war. Also ließ er einfach das Ergebnis zählen und mit dem konnte er leben. Stephan stieß sich von der Tür ab, um sich vor ihm aufzubauen. Soweit man das sagen konnte, schließlich war der Andere nicht nur kleiner, sondern auch schmaler gebaut. Die Farbe der hellblauen Augen war kaum zu erkennen, zu wenig Licht spendete die Lampe. Und die Sonne hatte sich schon vor einer Weile verabschiedet. "Hättest du nicht früher entdecken können, dass ein Sexleben ganz entspannend ist? Ich hätte wirklich gerne das Bett mit dir geteilt – und nicht um zu schlafen." Die Worte wurden von einem halbherzigen Lächeln begleitet, sowie von warmen Fingerspitzen, die von seiner Schulter seinen Arm entlang nach unten strichen. "Und Alexander hätte keine Einwände gehabt?" Belustigt gab er die Frage zurück. Stephan seufzte übertrieben laut. "Gewiss nicht, solange wir ihn nicht außen vor gelassen hätten." Dieses Mal war er es, der auflachte. Das wurde ja immer besser… "Nichts gegen dich", erwiderte er schließlich. "Aber ich bin ganz zufrieden damit, wie es gelaufen ist." "Ich habe so etwas schon geahnt." Ein Moment des Schweigens, bevor der Andere wieder zu einem richtigen Lächeln fand. "Mir bleibt mal wieder nur ein Abschiedskuss." Und ohne sein Einverständnis abzuwarten, lehnte Stephan sich vor, bis dessen Lippen seine berührten. Er wehrte ihn nicht ab, aber genauso wenig verschwendete er viel Energie darauf, den Kuss zu erwidern. Weswegen er nicht lange warten musste, bis der Ex aufgab. "Dann tob dich eben mit deinem Ran aus", wurde zum Abschied gesagt. "Aber vergiss nicht, rechtzeitig schlafen zu gehen. Immerhin wollen wir morgen früh los." Eine Hand wurde in einem letzten Gruß gehoben, bevor Stephan sich abwandte. "Bis gleich." Und damit verschwand der Andere endgültig. Er stieß ein leises Schnauben aus, begab sich dann nach drinnen. Für einen Moment verharrte er, lauschend, und konnte so schnell einordnen, dass Nagi inzwischen oben in dessen Zimmer war, zweifelsohne, um noch ein paar letzte Nachforschungen zu betreiben. Die anderen drei waren immer noch im Keller, schienen jedes Interesse an dem überraschenden Besuch des Ex verloren zu haben. Seine Finger trommelten flüchtig gegen das Treppengeländer, bevor er sich entschied und auf den Weg nach unten machte. Schnell konnte er Worte des Ansporns ausmachen, von Farfarello kommend, während Schuldig sich auf den einen oder anderen sarkastischen Kommentar beschränkte, um Ran zu ermutigen. Egal, welcher Methode es letztendlich zu verdanken war, sein erster Blick in den Trainingsraum hinein verriet ihm, dass Ran sich auf jeden Fall wieder verbessert hatte. Das zeigte nicht nur der zufriedene Gesichtsausdruck des Rothaarigen, sondern auch die Parade von Zielscheiben, in denen die Messer noch zu vibrieren schienen. Schuldig grinste. "Alle getroffen, nicht schlecht. Das nächste Mal versuchst du es mal mit nur einer Scheibe. Und machst einen Smiley." "Noch mehr Wünsche?", zeigte sich Ran von dem Vorschlag unbeeindruckt. "Übrigens glaube ich nicht, dass selbst du das hinbekommen würdest. Farfarello, ja. Du nicht." Es war sein leises Auflachen, das die Blicke aller auf ihn zog. Und Schuldig überwand die Überraschung als erster, vergrub eine Hand in roten Haaren. Halb, um strafend daran zu ziehen, halb, um durch sie zu wuscheln. "Du hast ihn gut erzogen", erhielt er dann ein Lob. Eine Reaktion, die nur von dem Telepathen kommen konnte… Er hob eine stumme Augenbraue in dessen Richtung, bevor seine Aufmerksamkeit zu Ran weiterwanderte. Violette Augen weiteten sich kaum merklich. Als nächstes befreite Ran sich unverhofft geschickt von Schuldig und kam an seine Seite. Was ihm einen sehr viel besseren Blick auf dessen Aufzug ermöglichte. Und ohne sein bewusstes Zutun legte sich seine Stirn in Falten. Anscheinend war dem Wurftraining ein mehr… handgreifliches… Training vorangegangen. Doch das war nicht alles, denn das Hemd, das der Jüngere trug, wies kleine Schnitte auf, wo eine Klinge sich im Stoff verfangen haben musste. Es würde ihn nicht wundern, wenn diese Klinge auch in der Haut darunter ihre Spuren hinterlassen hatte. "Ich habe aufgepasst, dass Farf es nicht übertreibt", meldete sich Schuldig bereits zu Wort, ohne eine Aufforderung benötigt zu haben. Ein Zeichen für so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Und kein Wunder, wenn man bedachte, wie das Training der beiden mal geendet hatte. Nicht ohne Grund hatte er es _Schuldig_ übertragen, sich um Rans Ausbildung zu kümmern, auch wenn Farfarello begabter war. Für einen Moment reagierte er gar nicht, dann entschied er sich für ein knappes Nicken. Immerhin musste er Schuldig zugute halten, dass der dieses Mal die beiden nicht aus den Augen gelassen hatte. Sein Zugeständnis schien das Selbstvertrauen des Telepathen sofort wiederherzustellen, denn als nächstes war da schon wieder ein insoletens Grinsen. "Du hast nicht gesagt, dass du dir als einziger das Recht herausnimmst, Ran zu mehr Achtsamkeit anzuhalten." Auf diese Art? Das sollte sich von allein verstehen. Eine Botschaft, die sein unamüsierter Blick problemlos vermittelte. Woraufhin Schuldig das Gesicht verzog, gefolgt von einer wegwerfenden Handbewegung. "Nacht, großer Meister. Ich sollte für morgen besser ausgeschlafen sein, nicht wahr?" Damit wurde Farfarello am Arm gepackt und Schuldig verließ den Raum, den Iren hinter sich her zerrend. Rans Blick folgte ihnen, leicht verwirrt, dann fanden die violetten Augen wieder zurück zu ihm. "Das war etwas abrupt…" Unwillkürlich kurvten seine Mundwinkel nach oben. "Vielleicht wollte er vermeiden, dass ich es ihm mit gleicher Münze heimzahle. Oder er hatte ganz einfach keine Lust aufzuräumen." "Er war es doch gar nicht", wandte Ran ein, eine Antwort, die sich gleich auf beide Punkte bezog. "Er hatte die Verantwortung." Amüsement in braunen Augen. Ran stutzte, grinste dann, den Kopf schüttelnd. Doch die Belustigung hielt nicht lange vor und beinahe unbewusst schlich sich eine Hand zu seinem Hemd, schloss sich dort um den feinen Stoff. "Ihr müsst morgen schon weg, ja?" Es lag nicht besonders viel Ausdruck in der Stimme des Jüngeren. "Du musst das so sehen: auf diese Weise sind wir umso schneller wieder zurück." Er verbat seinen Gedanken, diese Richtung weiterzuverfolgen. Und ihn daran zu erinnern, dass Schneiders Besuch damit in greifbare Nähe rücken würde. Das hellte Rans Miene auf, auch wenn dieser sich nur widerwillig überzeugen ließ. "Willst du auch früh schlafen gehen?" Die Frage klang beinahe unschuldig, doch die sich leicht rötenden Wangen verrieten ihn. Er ließ das Wissen darum in sein nächstes Lächeln einfließen, bevor er antwortete, indem er Ran küsste. Er erwachte als erster, wie ihm die im Haus herrschende Stille verriet. Vorsichtig setzte er sich auf, darauf bedacht, Ran nicht zu wecken. Der Jüngere schlief auf dem Bauch, rote Haare verbargen das Gesicht fast vollständig. Dafür aber behinderte nichts den Blick auf die bloßen Arme. Er hatte sich bereits am Abend zuvor davon vergewissert, dass Farfarello es nicht beim Training übertrieben hatte, dennoch tastete sein Blick wie aus eigenem Willen wieder über die feinen Schnitte hinweg, die aussahen, als hätte sich ein kleines Kind mit einem Rotstift auf Rans Haut ausgetobt. Aber auch nicht mehr. Nirgendwo entdeckte er verdächtige Schwellungen, die auf eine beginnende Entzündung hinweisen konnten. Zufrieden strich er ein paar der roten Strähnen zurück, ließ seine Fingerspitzen dann flüchtig an Rans Hals verweilen, um den ruhigen Puls zu spüren. Erst danach verließ er das Bett, nahezu ohne jede Erschütterung, und der Jüngere deutete nicht mit dem geringsten Zucken an, dass er gestört worden wäre. Sein Weg führte ihn zunächst in die Küche, wo er den Kaffee aufsetzte, dann verschwand er ins Badezimmer. Als er es schließlich wieder verließ, war er nicht mehr der Einzige, der aus dem Bett gefunden hatte. Wo er allerdings Nagi erwartet hatte, war es Schuldig, der sich bereits in der Küche herumtrieb. "Hast du dich wieder abgeregt?" Schuldigs Gestalt erstarrte für einen Moment, dann fuhren die Hände des Jüngeren fort, Zucker und etwas Milch in den Kaffee zu geben. Die Finger um die warme Tasse gewickelt, wandte sich Schuldig schließlich zu ihm um, die grünen Augen beinahe unter halbgesenkten Lidern verborgen. "Was ließ dich annehmen, dass ich mich aufgeregt habe?", wurde er gedehnt gefragt. Unbeeindruckt erwiderte er Schuldigs Blick. "Es könnte dein Abgang gestern gewesen sein. Oder auch deine verbalen Ausfälle." Ein sehr vorsichtiger Schluck wurde von dem heißen Getränk genommen und die Sekunden verflossen nur zäh in der Zwischenzeit. Dann aber ließ sich Schuldig dazu herab, ihm wieder dessen Aufmerksamkeit zu schenken und nun stand ein vertrautes Grinsen in das Gesicht des Jüngeren geschrieben. Was hieß, das es nicht besonders echt war. "Stephan hat sich bei uns nicht mehr einzumischen, also behalte ich mir das Recht vor, so mit ihm zu reden, wie es mir gefällt." Eine Augenbraue wanderte nach oben. "So ganz stimmt das nicht. Immerhin ist er auf Herrn Schneiders Befehl hier." Prompt verzog Schuldig das Gesicht, weigerte sich aber wie erwartet auf sein Argument einzugehen. "Gut", verbuchte er den Punkt für sich. "Und reiß dich bitte zusammen während des Auftrags. Vergiss nicht, dass alle von ihnen Ex sind und sie haben sehr viel Übung darin, mit widerspenstigen Talenten umzugehen. Stephan mag dir einiges durchgehen lassen, weil er dich kennt." Oder weil er _mich_ kennt, sprach er nicht aus. "Aber ich will ernsthaft bezweifeln, dass die anderen genauso nachsichtig sind." Wieder antwortete Schuldig nicht, doch etwas arbeitete in dessen Miene und der Ausdruck in den grünen Augen wechselte, versicherte ihm, dass der Telepath seine Warnung ernst – genug – nahm. Er ließ den Anderen allein, bevor dieser beginnen konnte, aus einer reinen Trotzreaktion heraus Widerstand aufzubauen und seine Schritte führten ihn wieder die Treppe hinauf. Vor Schuldigs Zimmer hielt er inne, warf einen Blick hinein. Der von einem bernsteinfarbenen Auge erwidert wurde. Ein schmales Lächeln kurvte seine Mundwinkel. "Ich nehme an, dass du mit uns frühstücken willst?" Mit einem wortlosen Nicken als Antwort ging er und sein nächstes Ziel war Nagi. Dieser war inzwischen auch wach, saß bereits vor dem Computer und tippte mit einer Geschwindigkeit auf der Tastatur, bei der mitzuhalten nicht nur ihm schwerfallen würde. Hm… Er lehnte sich gegen den Türrahmen, wartete darauf, dass Nagis Aufmerksamkeit vom Monitor weg hin zu ihm wanderte. Was ein paar Minuten dauerte. "Was hält dich um diese Zeit bereits so beschäftigt?", erkundigte er sich leise, als die Finger schließlich zur Ruhe kamen und sich dunkelblaue Augen auf ihn richteten. "Bist du wieder dabei, mit deinem neuen Freund zu spielen?" Letzteres mit einem Anflug Amüsement, das aber durch die sehr reale Möglichkeit in Schach gehalten wurde, dass der Gegenpart Nagis Interesse früher oder später ausnutzen könnte. "Wir spielen nicht", wandte Nagi fast augenblicklich ein, aber dem anderen Punkt wurde nicht widersprochen. "Ich bin mir nicht sicher, ob das besser ist", gab er leise zu bedenken und ließ Nagi damit allein. Der Junge war mehr als intelligent genug, um seine Bedenken zu verstehen. Und hoffentlich kam Nagi zur Besinnung, bevor er ernsthaft durchgreifen musste. Er zögerte kurz, nachdem er die Zimmertür geschlossen hatte, ging dann aber nicht weiter. Stattdessen kehrte er um und in die Küche zurück. Schuldig hatte es tatsächlich über sich gebracht, den Tisch zu decken, erwartete ihn mit der inzwischen neu gefüllten Kaffeetasse in der Hand. Die grünen Augen musterten ihn für einen Moment, bevor ein Grinsen auf dem Gesicht des Jüngeren erschien. "Du hast Ran nicht geweckt? Er wird bestimmt sauer, wenn er diese Gelegenheit für ein letztes gemeinsames Frühstück verpasst." "Du lässt es so klingen, als wären wir nicht spätestens in ein paar Tagen zurück", erwiderte er ruhig, während er ebenfalls Platz nahm. "Ganz davon abgesehen wird Farfaello dafür sorgen, dass Ran rechtzeitig erscheint." Erst war da Verblüffung, dann lachte Schuldig auf. "Du wolltest ihm nicht die Gelegenheit geben, dich von deinen Pflichten abzulenken, was? Du bist immer noch so ein Musterknabe…" Letzteres mit einem gespielt enttäuschten Kopfschütteln. Er widersprach Schuldigs Vermutung nicht. Denn er hatte keinen Grund dazu. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)