Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 30: "Als würde man versuchen, einen glitschigen Fisch zu halten" ------------------------------------------------------------------------ Auf seine Aufforderung hin stellte Schuldig für ihn Kontakt mit dem anderen Telepathen her, der inzwischen für die Ex die allgemeine Koordination übernommen hatte. Herr Rieger hätte theoretisch auch selbst zu ihm eine Verbindung halten können, doch in der Praxis hatte sich bei einem Versuch vor dem Start ihres Einsatzes erwiesen, dass seine Schilde für den fremden Telepathen schwierig zu handhaben waren. Schuldig hatte sehr zufrieden mit dieser Feststellung gewirkt und auch er selbst musste zugeben, dass er keinem anderen Zugang zu seinem Verstand erlauben wollte, wenn es nicht unbedingt sein musste. Er schob diesen Gedanken rasch beiseite, konzentrierte sich stattdessen darauf, seinen Plan zu vermitteln. Die anderen stimmten wie zu erwarten gewesen war zu, immerhin hatte niemand eine bessere Idee, und dann dauerte es nur wenige Sekunden, bis sich die Ex zurückzogen. Die darauf folgende Verwirrung ließ sowohl die Zwillinge als auch die beeinflusste Menschenmenge kurz innehalten, was Nagi die Gelegenheit gab, ihm und Schuldig den Weg zu ihren Zielpersonen freizuräumen. Sie hatten sich bereits in Bewegung gesetzt, bevor der neue Fokus des Telekineten ersichtlich wurde und damit gelang es ihnen, zu den beiden vorzudringen. Gleichzeitig griff Schuldigs Talent nach seinem und dieses Mal war es mehr als der oberflächliche Kontakt, den sie zur Übermittlung von Informationen benötigten. Prompt bildete sich eine parataube Blase um sie herum. Nicht so groß, wie sie damals dank Schneiders Unterstützung gewesen war, weswegen sie auch so nahe an die Zwillinge herankommen mussten, doch es war genug. Die Interferenzen beraubten die beiden ihres Kontakts zu den Talentlosen und gleichzeitig hatten sie keine Möglichkeit, an ihn oder Schuldig heranzukommen. Was der Telepath mit einem gehässigen Grinsen ausnutzte. Schuldig bewegte sich schneller, als es seine Augen erfassen konnten und im nächsten Augenblick sanken die Zwillinge zu Boden. Ihr letzter Befehl wirkte noch nach, weswegen sie sich wieder, immer noch, wenig koordinierten Angriffen ausgesetzt sahen, doch das hielt nicht lange vor, als Schuldig und Herr Rieger daran arbeiteten, den Einfluss der beiden zu neutralisieren. Und kaum hatte Schuldig die entsprechenden Kapazitäten dafür frei, wob dieser einen mentalen Schirm um die Zwillinge, so dass niemand sie als interessant befand, auch wenn sie dort am Boden lagen. Mit solchen Tricks hatte der Orangehaarige dank Farfarello mehr als genug Erfahrung. "Gut gemacht", lobte er Schuldig, wo es diesem zustand und erhielt ein breites Grinsen zurück, das zur Abwechslung mal vollkommen echt schien. "Die beiden sind mir wirklich auf den Sack gegangen. Ich hoffe, sie wachen mit ordentlichen Kopfschmerzen auf." "Nach dem Schlag zweifellos", gab er trocken zurück. Schuldig zuckte daraufhin mit den Schultern. "Wenn ich mein Talent hätte nutzen können, hätte ich das Ergebnis sicherstellen können…" Das kannst du im Zweifelsfall ja noch nachholen, sprach er lieber nicht aus. Schließlich wollte er Schuldig nicht zu Dummheiten anstiften. Humor blitzte kurz in braunen Augen auf, doch das blieb ungesehen, da er sich in diesem Moment Stephan zuwandte, der sich inzwischen mit Frau Jäger und Herrn Jung zu ihnen vorgearbeitet hatte. "Das Ende war ausgesprochen antiklimaktisch", wurde er mit einem Lächeln begrüßt. Er hob eine Augenbraue in Reaktion darauf. "Aber genau so sollte es doch sein, wenn man es mit unausgebildeten Talenten zu tun hat, nicht wahr? Es ist schon beinahe lächerlich, was für schwere Geschütze wir gegen die beiden aufgefahren haben. Oder hast du schon mal gehört, dass gleich sieben Talente für so einen Auftrag zuständig sind, unter denen sich auch noch vier Ex befinden?" Stephan lachte auf, den Kopf schüttelnd. "Stimmt natürlich. Das klingt nach Overkill. Allerdings…", die hellen, blauen Augen schweiften kurz nach unten zu den Zwillingen ab, "die zwei stachen eindeutig aus der üblichen Masse heraus. Sie waren den Einsatz also wert." "Hoffentlich", nickte er. "Wenn sie noch nicht zu alt sind…" "Hm." Das folgende Lächeln geriet etwas bösartig. "Im Zweifelsfall werden sie die besten Screamer, die wir jemals hatten." Das erinnerte ihn daran, wie sein eigenes Talent mal durch so ein umfunktioniertes Talent beeinflusst worden war. "Warum habt ihr es eigentlich nicht mit einem Screamer versucht?" "Hatten wir, nur ohne Erfolg. Es war ein klarer Sieg für die Zwillinge, ohne dass sie es überhaupt gemerkt haben. Statt ihre Impulse zu stören, kam es zu einer Rückkopplung. Der Screamer hat es nicht überstanden." Als Schuldig dies hörte, tat er nicht länger so, als wäre Stephan mehr oder weniger Luft für ihn. "Und warum habt ihr es nicht für nötig gehalten, uns zu warnen?" Stephan sprach zwar zu ihm, Schuldig ignorierend, aber immerhin antwortete er. "Er war der festen Überzeugung, dass euer Trick anders funktioniert und keine Gefahr für euch besteht." Ein leichtes Schulterzucken. "Ich hatte beim besten Willen nicht vor, an dieser Einschätzung zu zweifeln." Das… würde er selbst auch nicht, musste er im Stillen zugeben. Bevor er sich entsprechend äußern konnte, wurde Stephans Blick plötzlich abwesend. Und als der Fokus zurückkehrte, mischte sich Härte mit Zufriedenheit in dem Blau. "Unser Einsatz war in mehr als einer Hinsicht erfolgreich. Sven hat einen Neugierigen geortet und konnte ihn im Schutze der allgemeinen Verwirrung unbemerkt überwältigen." Ein Lächeln zuckte für einen Moment in ein Grinsen. "Ein weiteres Talent. Und nach dem, was er auffangen konnte, scheint er zu der Gruppe zu gehören, hinter der wir die ganze Zeit her waren." "Was für ein glücklicher Zufall." Es mochte etwas Ironie in seinem Tonfall liegen, aber das diente nur dazu, seine Überraschung zu überspielen. Nachdem ihre Suche so lange vergeblich gewesen war, fiel ihnen das erste Glied der Kette, das sie hoffentlich bis zu ihrem endgültigen Ziel führen würde, mehr oder weniger in den Schoß. Aber… letztendlich war es ganz logisch, nicht wahr? Wenn es tatsächlich jemanden gab, der Talente für seine eigenen Zwecke rekrutierte, musste er bei seiner Suche so oder so ähnlich wie Rosenkreuz vorgehen. Und damit mussten die Zwillinge auch auf deren Radar aufgetaucht sein. "Wir hätten es mit einem Köder versuchen können", führte er seine Gedanken zum offensichtlichen Schluss. Stephan zwinkerte langsam, nickte dann. "Ja…", kam es gedehnt zurück. "Auf diese Idee waren wir tatsächlich nicht gekommen. Wir müssen uns wohl damit trösten, dass uns so ein Fall das erste Mal untergekommen ist. Und für das nächste Mal können wir jetzt eine SOP entwickeln." "Viel Spaß beim Überwinden der Bürokratie." Unwillkürlich belustigt. Denn er hatte während seiner Tätigkeit für Schneider in der Schule mitbekommen, wie schnell gute Ideen in dieser Mühle zermahlen werden konnten. Stephan schien auch nicht ganz unerfahren, wie dessen flüchtige Grimasse verriet. Dann aber hellte sich dessen Gesicht wieder auf. "Notfalls werde ich dich bitten, ein gutes Wort beim Chef einzulegen." "Sehr witzig…" Er verdrehte _nicht_ die Augen. Und letztendlich hatte Stephan Recht. Da Schneider jetzt in der Hierarchie ganz oben stand und das sowohl für Eszett als auch für Rosenkreuz, könnte er diese Abkürzung nutzen. Schneider hätte wahrscheinlich nicht mal was dagegen. Das allerdings würde er Stephan nicht auf die Nase binden, sonst würde der aus diesem halben Scherz noch Ernst machen. Der Andere grinste auf seine Reaktion hin, wurde dann aber schnell wieder geschäftlich. "Wir werden uns um die Zwillinge kümmern und uns dann wieder unserem eigentlichen Job hier zuwenden. Jetzt hoffentlich mit mehr Aussicht auf Erfolg. Danke auf jeden Fall für eure Unterstützung." Er nickte, nun mit einem leichten Lächeln. "Es hat uns weder besonders viel Zeit noch Mühe gekostet. Wenn das immer so ist, helfen wir gerne wieder." Er gab sich keinerlei Mühe, den Humor aus seiner Stimme herauszuhalten. Stephan verdrehte tatsächlich die Augen und sparte sich eine Antwort darauf. Stattdessen drang der Ex überraschend in seinen persönlichen Raum ein und küsste ihn. Vorgeblich zum Abschied, aber es würde ihn nicht wundern, wenn auch diese Geste gegen Schuldig gerichtet war. Dessen Miene sich auch prompt verdüsterte, aber anders als damals in Deutschland hielt sich der Orangehaarige dieses Mal unter Kontrolle. "Ich will ihn sehen, bevor wir gehen", wurde zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorgequetscht, während Schuldig sich alle Mühe gab so zu tun, als ob er nichts gesehen hätte. Nicht, dass es einen von ihnen täuschen konnte, wie ihm Stephans zufriedenes Lächeln verriet. Er seufzte innerlich, sparte es sich aber, etwas dazu zu sagen. Die beiden würden diese Art von Kampf sowieso nicht aufgeben. Also konzentrierte er sich auf den Wunsch, den Schuldig geäußert hatte. Und der äußerst ernst gemeint war. "Wir hätten noch mehr als genug Zeit, da dieser Auftrag so schnell abgeschlossen werden konnte. Passt es von eurer Seite?" Stephan verzichtete auf Sticheleien in Schuldigs Richtung, nickte nachdenklich. "Vielleicht erkennt er ihn ja wieder, dann hätten wir schon mal eine unmittelbare Bestätigung." Hinter ihm entspannte sich Schuldig kaum merklich, es war weniger aus dessen Haltung abzulesen, als vielmehr aus dem flüchtigen telepathischen Kontakt, der unwillkürlich gegen seine Schilde brandete. Sie sammelten Nagi ein, der Frau Jäger geholfen hatte, die Zwillinge zum wartenden Wagen zu schaffen, um ihr drittes Opfer hatte sich Herr Rieger anscheinend alleine gekümmert. Nicht nur das, ohne weitere Zeit zu verschwenden, hatte der andere Telepath sich bereits auf den Weg gemacht. Und dann galt es auch für sie erst einmal, von dem Ort des Zwischenfalls wegzukommen, bevor einer der Talentlosen noch auf die Idee kam, aus irgendeinem Grund die Polizei zu benötigen. Schuldig saß neben ihm auf dem Beifahrersitz, Finger trommelten ungeduldig gegen die Scheibe. Er verzichtete darauf, ihn zu ermahnen, denn ein Teil von ihm war nicht weniger ungeduldig zu erfahren, ob sie tatsächlich eine Spur gefunden hatten. Glücklicherweise dauerte die Fahrt nicht lange. Natürlich hatten die Ex bereits ein Quartier vorbereitet, in dem die Zwillinge zwischenzeitlich sicher untergebracht werden konnten und die beiden hatten ihnen – unwissentlich – den Gefallen getan, heute ganz in der Nähe aufzutauchen. Dank Nagis und Schuldigs Hilfe waren die Zwillinge rasch und ohne Zwischenfälle nach drinnen geschafft, wonach Schuldig sich nicht länger zurückhalten ließ. Ihr unverhoffter Gefangener wurde von Herrn Rieger bewacht und war unverändert bewusstlos. Was es Schuldig sehr einfach machte, den Anderen genau zu mustern. Auch wenn das letztendlich nicht nötig war, wie ihm das triumphierende Grinsen verriet, das über das Gesicht des Telepathen flog, kaum dass er einen Blick auf ihren Gefangenen geworfen hatte. "Er ist es, ohne Zweifel." Den Worten folgte eine Grimasse. "Und auch wenn er bewusstlos ist, fühlt sich sein Verstand genauso seltsam an wie damals bei unserer ersten Begegnung. Als würde man versuchen, einen glitschigen Fisch zu halten." Ein kaum merklicher Schauer durchlief den Orangehaarigen und gleichzeitig trat Schuldig einen Schritt zurück. Ein unwillkürliches Zeichen des Widerwillens, dessen sich der Telepath anscheinend nicht einmal voll bewusst war. "Mir geht es nicht besser", meinte Herr Rieger dazu, die Stimme sorgfältig ruhig gehalten. Doch dessen Blick verriet den gleichen Widerwillen wie bei Schuldig, wie er interessiert registrierte. Anscheinend waren die Rosenkreuz-Abgänger durch ihre Ausbildung… voreingenommen, hatten eine gewisse Erwartungshaltung zu bilden gelernt. Und wenn sie das nicht vorfanden, erwies sich der mentale Kontakt auf einer bestimmten Ebene als unangenehm. Wie ein schlechter Geschmack im Mund. Flüchtig zuckte Belustigung durch ihn, als er diesen Vergleich zog, doch dann wurde er durch Herrn Jungs Frage abgelenkt. "Wirst du trotzdem durch seine Schilde kommen?" Der andere Telepath zuckte mit den Schultern, während Schuldig ganz so aussah, als wäre er bereits mit einem entsprechenden Versuch beschäftigt. "Das wird sich zeigen." Herr Rieger war unverändert ruhig und umso überraschender wirkte das plötzliche Lächeln, das nicht einmal versuchte, eine gewisse Häme zu verbergen. "Aber selbst wenn ich scheitern sollte, gibt es da noch die gute, altmodische Variante. Ich zweifle in dieser Hinsicht nicht an unseren Fähigkeiten." Die anderen Ex spiegelten das Lächeln für einen Moment, genauso wie Schuldig, dessen Fuß frustriert mit dem Bett kollidierte, auf dem der Mann fixiert worden war. "Würde ihm auf jeden Fall recht geschehen", kam dann ein Knurren von dem Orangehaarigen. Er tauschte einen beredten Blick mit Stephan aus, bevor er selbst Herrn Riegers Aussage kommentierte. "Daran zweifle ich ebenfalls nicht, aber es kann seine Aussagen unzuverlässig machen. Und es war schon schwer genug, diese Chance zu bekommen." Der Telepath verlor sein Lächeln wieder, anders als Schuldig hatte der Ältere aber kein Problem damit, sich einem vernünftigen Argument anzuschließen. Weswegen er ein knappes Nicken erhielt, bevor er sich wieder Stephan zuwandte. Der ebenfalls nickte. "Ich werde dich auf dem Laufenden halten. Und jetzt bringt euch Julia am besten zum Hotel, damit ihr morgen in Ruhe zurückfliegen könnt. Es sei denn, du möchtest noch etwas länger hier bleiben." Eine offene Einladung lag in diesen Worten, die nicht nur dazu gedacht war, Schuldig zu ärgern. Er schüttelte amüsiert den Kopf. Stephan konnte es einfach nicht lassen. "Vielen Dank, aber nein danke." Nicht zuletzt hatte er Ran versprochen, schnell wieder zurück zu sein. Stephan reagierte mit einem unbekümmerten Schulterzucken. "In dem Fall wünsche ich euch einen schönen Aufenthalt und angenehmen Flug. Und mir bleibt ja die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen." Daraufhin verabschiedeten sie sich wirklich, allen voran Schuldig, der einfach nur noch von Stephan wegkommen wollte. Er selbst folgte etwas gemächlicher, mit Nagi an seiner Seite. "Wie steht es mit dir, hat dein Talent Probleme mit ihm?" Dunkelblaue Augen suchten kurz seinen Blick, bevor sich Nagis Aufmerksamkeit auf ihre Umgebung konzentrierte. Der Telekinet war besonders vorsichtig, da sich nicht ausschließen ließ, dass sich irgendwo noch jemand von dieser Truppe im Hintergrund hielt. "Ich merke keinen Unterschied. Aber ich habe auch ein aktives Talent, nicht wahr?" Letzteres mit einem schmalen Lächeln. "Ich bin nicht darauf angewiesen, zu ihm durchzudringen." Schuldig hatte das natürlich gehört und stoppte jetzt abrupt. "Mit etwas mehr Zeit würde ich schon was aus ihm herausholen. Auch wenn es keinen Spaß machen würde." Weder er noch Nagi widersprachen dieser Einschätzung. Egal, wie ihre persönliche Meinung aussah, Schuldig würde kaum die Gelegenheit erhalten, den Beweis anzutreten. Und keiner von ihnen hatte vor, die Laune des Telepathen noch schlechter werden zu lassen. Sie würden schließlich mit ihm zusammen reisen. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)