Wenn man vom Teufel spricht... von Anemia (Fortsetzung zu "Der Teufel soll dich holen...") ================================================================================ Epilog: Lebenssaft ------------------ Epilog - Lebenssaft     Es war der Wind, der mich mit seinem kalten Atem aus meinem traumlosen Schlaf riss. Sofort fiel mir ein, dass etwas geschehen war, etwas, das nicht hätte geschehen dürfen. Doch es hatte nicht meiner Gewalt unterlegen. Es gab einen anderen, der über Tod und Leben meiner selbst entschied. Und dieser andere, dessen Namen ich am liebsten vergessen hätte, hatte mir eben das dargebracht, was jeder Mensch als das größte und wertvollste auf der ganzen Welt ansah. Leben. Zerstörung der toten Existenz. Leben. Licht. Sonne. Regen. Die Wassertropfen, die mir über die Stirn perlten kitzelten unangenehm. Trotzdem blieb ich liegen, hier an diesem Ort, den ich bereits kannte. Der Park. Die Bank. Dort war er mir plötzlich erschienen, mit einem Messer in der Hand und hatte mir einen schrillen Schmerz in der Kehle geschenkt mit einer darauf folgenden Dunkelheit, die mich umgab. Bis ich ihm in seinem Büro gegenüber gesessen hatte, verwirrt und benommen.   Das Blatt hatte sich gewendet. Ich wusste, dass ich kein Todesbotschafter mehr war, nie mehr einer sein würde. Er hatte mir den Tod gestohlen, doch die Erinnerungen in meinem Kopf waren geblieben. Besonders diese eine, die schwelte noch ganz warm in meinem Herzen. Dumpf und schwer. Und gleichzeitig so schmerzhaft. Lenny. Der bloße Gedanke an diesen Namen gab mir die Kraft, mich zu erheben. Ich sah wieder seine schönen, dunklen Augen, in denen diese große, alles dominierende Angst gelegen hatte, weil ich ihn nicht beschützen konnte. Obwohl ich es ihm doch versprochen hatte. Er brauchte mich, und nun war ausgerechnet ich derjenige, der Hilfe benötigt hätte. Hilfe, um das Tor aufzubrechen, welches ich sonst mit meiner Beute mühelos durchquert hatte. Doch es würde für mich verschlossen bleiben. Gegen die Magie des Meisters war jede Muskelkraft, jeder starke Willen vergebens. Und ich konnte leider nicht gut genug zaubern, um mich zurück in die Hölle zu transportieren.   Und was hätte es mir genutzt? Ich war ein Geächteter, ich hatte mich dem Kodex widersetzt und den Meister hintergangen. Einerseits war es gut, dass ich nun hier war, zurück unter den Lebenden. Doch ich wollte es nicht ohne Lenny sein. Der bloße Gedanke daran, dass der Meister ihn nun in seinen Besitz hatte wandern lassen und womöglich sonst was mit ihm anstellte brachte mein Gemüt zum kochen. Aber noch schwerer wog die Gewissheit auf mir, dass wir uns nie wieder sehen sollten.   Nein. Ich schlug die Faust mit aller Wucht gegen einen Baumstamm. So stark, dass blutige Rinnsale über den Rist flossen. Doch es kümmerte mich nicht. Es schmerzte noch nicht einmal. Nein. Nein! Ohne Lenny, das würde ich nicht aushalten! Lenny war in diesen wenigen Tagen zu dem Wertvollsten geworden, was ich besessen hatte. Er war mein Trost in diesen immer gleichen Stunden, meine Ablenkung und mein Halt. Und nun sollte ich ohne ihn weitermachen? Das ging nicht. Das ging einfach nicht! Ich stand kurz vor einem Zusammenbruch, als mich das alles eiskalt erwischte. Der ganze Park schien sich in ein rotes, aggressives Licht getaucht zu haben und alle Bäume, ja selbst jeder kleine Stein schien mir feindlich gesinnt zu sein. Am liebsten hätte ich sie alle zerstört, und die grausame, einsame Welt gleich mit. Doch das übertraf meine Möglichkeiten. Der Meister hätte es sicher vollbringen können mit seinen magischen Fähigkeiten. Er hätte ganze Existenzen auslöschen können, wie er mir ganz am Anfang anvertraut hatte, als er mir ein paar Zaubereien beibrachte. Ja, auch ich beherrschte ein paar Sprüche, konnte mit einfachen Zutaten recht großes Bewirken. Doch ich glaubte, die Zauber niemals zu brauchen, da unten in der Unterwelt. Und dem Meister schien es genauso ergangen zu sein. Nie im Leben hätte er mich in die geheime Kunst eingeweiht, wenn er geglaubt hätte, dass ich damit die Welt auch nur ein kleines Stück hätte verändern können. Es waren Zauber, die die Menschlichkeit betrafen. Dinge, die Glück heraufbeschwören oder Liebe in einem anderen Menschen wachrufen sollten. Ich hatte stets geglaubt, dass mir alle menschlichen Züge abhandengekommen waren mit meinem Tod. Und der Meister war derselben Meinung. Deswegen hatte er es mich gelehrt. Aus purem Hohn. Weil er geglaubt hatte, dass ich nur eine Maschine war, in deren Brust ein kaltes, schwerer Herz pulsierte.   Doch ich wusste nun, dass es anders war. Ich wusste es, seitdem Lenny in mein totes Leben getreten war. Ich starrte in den Himmel, als suchte ich dort nach jemandem oder etwas, das mir helfen konnte. Aber da war niemand. Die Antwort lag in mir ganz allein. Ich lief los. Auf einmal erschien mir nicht mehr alles sinnlos. Es gab Hoffnung. Auf einmal wusste ich, was ich zu tun hatte.   *   Eine kühle Frühlingnacht war es wohl gewesen, an der ich meinen Weg angetreten hatte. Den womöglich wichtigsten Weg, den ich je gegangen war. Wie ein Verbrecher kam ich mir vor, als ich der mit Graffiti beschmierten Friedhofsmauer gegenüberstand, den Meißel und die Schaufel in der rechten, den Hammer in der linken Hand. Nein, ich kam mir nicht nur so vor; ich war auch einer. Meine Werkzeuge waren gestohlen, denn ich hätte mir keine kaufen können, schließlich besaß ich weder Geld noch Wohnung, sondern lediglich mein nacktes Leben. Mir war also nichts anderes übrig geblieben, als die Dinge umsonst mitgehen zu lassen. Zum Glück hatte mich niemand erwischt. Ich brauchte sie nämlich. Ich brauchte sie dringend. Ohne sie hätte ich meinen verzweifelten Plan nicht in die Tat umsetzen können. Ohne sie hätte ich nun nicht hier gestanden, kurz davor, die nächste Straftat zu begehen.   Noch einmal blickte ich mich prüfend nach allen Richtungen um, doch dies hier war eine Kleinstadt - um diese Uhrzeit ließ sich keine Menschenseele mehr auf der Straße blicken. Dennoch fühlte ich mich nicht sicher. Das Risiko, geschnappt zu werden, war noch immer groß, eigentlich viel zu groß. Aber mir blieb nichts anderes übrig. Ein kurzer Gedanke an Lenny genügte schließlich, damit ich meine Werkzeuge über die Mauer warf und sie anschließend selbst erklomm. Ohne noch irgendeinen Zweifel zu hegen.   Passend zu dieser kleinen Ortschaft schienen auch auf dem Friedhof nicht sonderlich viele Gräber untergebracht zu sein. Dennoch erkannte ich, dass ein ganzes Stück Arbeit vor mir liegen würde, dieses eine Grab ausfindig zu machen. Lennys Grab. Ich besaß keine Taschenlampe, nicht mal ein Feuerzeug, welches mir hätte etwas Licht zu spenden vermocht, doch auch diese Tatsache hielt mich nicht auf. Ich machte mich auf die Suche. Und irgendwann, da fand ich es.   Ich hatte Glück gehabt, so viel verdammtes Glück. Alles Glück, was man auf dieser Welt besitzen konnte schien sich auf mich fokussiert zu haben. Ich stand vor ihm. Dem schlichten, grauen Grabstein, auf dem ich hatte eindeutig seinen Namen gelesen. Leonard Giesinger. Egal, wie sehr ich den Meister verachtete für all das, was er getan hatte - ich würde ihm ewig dankbar dafür sein, dass er nach Lennys vollständigen Namen gefragt hatte. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass er einmal von Belang sein würde. Doch ich war eines besseren belehrt worden. Nur der Nennung dieser beiden Worte hatte ich es zu verdanken, dass ich nun hier sein konnte. Ich hatte es ihm zu verdanken. Dem Meister. Ausgerechnet ihm.   Ich schlug ohne zu Zögern das Schaufelblatt in das Blumenbeet; es interessierte mich nicht, ob ich das zerstörte, was seine Eltern so schön für ihn hergerichtet hatten. Jetzt zählte etwas anderes, viel wichtigeres, und sie würden es mir unendlich danken, dass ich mich zu diesem Schritt entschlossen hatte. Falls es denn tatsächlich funktionierte. Doch im Grunde war ich mir ganz sicher.   Bald schon stieß ich auf etwas Hartes. Der Sarg. Immer näher wähnte ich mich meinem Ziel. Entschlossen kniete ich mich schließlich über die große, hölzerne Kiste, die unter dem letzten Rest Erde lag und grub mit den Händen weiter, hektisch, hastig, so aufgeregt. Und dabei dachte ich an den gewissen Moment, in dem ich es tun würde. Wie würde er aussehen? Noch gut erhalten? Oder etwa schon zu Staub verfallen? Nein, sein Todestag war erst vorgestern gewesen. Er würde noch aussehen wie lebendig. Lediglich mit blassen Lippen und der schweren Starre des Todes im Gesicht. Alles in mir wehrte sich dagegen, ihn so sehen zu müssen. Doch es würde nur kurz sein. Ganz kurz nur.   Es erforderte meine ganze Kraft, das Holz mit Hammer und Meißel zu durchdringen. Und ich verspürte Angst. Angst, dass der Krach jemanden alarmieren konnte. Oder dass ich ihn verletzen würde. Niemals hätte ich mir das verziehen. Ich hoffte, der Unfall hatte ihn nicht schon zur Genüge entstellt. Sein wunderschönes Antlitz. Ich schwor mir, dass, wenn mein Plan nicht aufgehen würde, ich mich selbst eingraben würde. Bei ihm. Dann würden wir wenigstens körperlich vereint sein, wenn wir es schon geistig nicht mehr sein konnten. In der Unendlichkeit.   Ich war noch immer allein. Niemand schien davon Notiz genommen zu haben, was in dieser Nacht vor sich ging. Es war gut. Es war alles gut. Ich brach die Decke entzwei. Und dann sah ich sein Gesicht. Lenny, flüsterte ich in Gedanken und auf meine Lippen stahl sich ein Lächeln. Mein Lenny. Er war noch immer so makellos wie in dem ersten Moment, den wir miteinander verbracht hatten. Selbst das Schicksal hatte es nicht über das Herz gebracht, seine Züge zu zerstören. Es war alles so, wie es sein sollte. Nur blasser war er. Natürlich war er das. Seit seine Seele dem Meister gehörte, hatte sein Körper hier oben jegliche Funktion eingestellt. Seine Lippen waren blutleer und seine Züge wie aus Wachs gefertigt. Ob es mir gelingen würde, ihm wieder das Leben einzuhauchen? Noch schien es so fern, ja schier unmöglich. Doch ich würde nichts unversucht lassen. Ich würde ihn anwenden, diesen einen Zauber, den der Meister mir vor langer Zeit beigebracht hatte. Ich benötigte dafür auch nicht viel. Lediglich drei Zutaten.   Die erste holte ich nun aus meiner Hosentasche. Sie war klein, glänzte silbern im fahlen Mondlicht und vermochte es, sich tief in meine Haut zu beißen. Eine Rasierklinge. Sie würde mir dabei helfen, die zweite Zutat zu gewinnen. Den Schmerz hatte ich eigentlich noch nie gefürchtet, und seitdem ich für den Meister gearbeitet hatte schien ich diesen erst recht ausblenden zu können. Die Zeit hatte mich zäh gemacht, zäh und scheinbar gefühllos. Aber so war es nicht. Es war sogar ganz anders.   Es kostete mich keine große Überwindung, die Klinge dort anzusetzen, wo es wahrscheinlich am effektivsten war; in meiner Handfläche. Ich dachte nicht groß über das nach, was ich tat, sondern brachte es schnell über mich. Das kühle Metall schnitt in meine Haut und ich presste ob des süßlichen Stechens, das meinen Körper heimsuchte die Lippen aufeinander. Ich sah, dass etwas Blut an der Schneide hing, und dann quoll es auch schon aus dem Schnitt hervor. Das warme, wunderbar rote Blut. Der Lebenssaft. Nun musste ich nur noch die dritte Zutat heraufbeschwören. Und ich hoffte inständig, dass sie in ausreichendem Maße vorhanden war.   "Der Zauber funktioniert nur, wenn du es ganz tief in dir empfindest. Dein Blut muss konzentriert sein, und es muss genügend Zeit vergangen sein, damit es einmal durch dein Herz fließen konnte." Ich erinnerte mich noch so gut an die Worte des Meisters. Anfangs hatte ich sie für Humbug gehalten, für absoluten Schwachsinn, und später hatte ich einfach nicht mehr darüber nachgedacht. Dafür tat ich es nun umso intensiver. Ein feines Rinnsal zog sich bis zum Rand meiner Hand und der geballte Tropfen drohte anschließend hinabzufallen. Ich wusste, dass es nun so weit war. Ich musste mich beeilen, ehe er vergeudet werden konnte. Deshalb hielt ich meine Hand dicht über Lennys Lippen. Und in diesem Augenblick perlte er hinab, troff auf seinen bleichen Mund und färbte diesen fast in eine lebendigere Farbe. Doch ich brauchte noch mehr Blut. Das hier war zu wenig.   Und so wartete ich geduldig, bis noch mehr zum Vorschein gekommen war. Als es erneut bis zum Rand gelaufen war, zog ich mit der unverletzten Hand Lennys Kinn nach unten, damit er die Lippen weiter öffnete. Der Zauber würde nur seine Wirkung zeigen, wenn das Blut seine Kehle hinabrann. Und das tat es daraufhin. Es tropfte in seinen Mund. Tropf. Tropf. Es war Zeit für die dritte Zutat.   "Erwecke ihn, du Lebenssaft, geflossen durch das Herz, das ihn liebte", säuselte ich kaum hörbar. Ich spürte weder den kühlen Wind, der uns umfloss noch nahm ich irgendetwas anderes war. Das hier, das nahm all meine Sinne gefangen. Es gab nur noch Lennys noch immer so lebloses Gesicht, den Bluttropfen, der über sein Kinn rann und es gab meinen Willen. Ich glaube, dass ich mir noch nie in meinem ganzen Leben und in meinem ganzen Tod etwas so sehr gewünscht hatte, wie dass neues Leben in Lennys Körper einkehrte. Dass seine Seele ihre Heimat wiederfand. Und das Rufen der meinen erhörte.   Ich sprach nicht mehr. Ich saß nur noch da und beschwörte ihn mit ruhigen, gedanklich vorgetragenen Worten herauf, den mächtigsten Zauber von allen. Mittlerweile zweifelte ich nicht mehr an seiner Wirksamkeit. Denn es kam mir plötzlich so vor, als würde die Kälte, die unter Lennys Haut wohnte langsam weichen und einer gesünderen Farbe Platz machen. Das Rot seiner Lippen stammte wahrscheinlich auch nicht mehr nur von meinem Blut. Nun wusste ich, dass er zu mir zurückkehrte. Als er schließlich die Augen aufschlug und mir zunächst ohne jeglichen Ausdruck ins Gesicht schaute, verschwamm meine Sicht. Das hier, das war der glücklichste Moment meines Lebens.   "Lenny, hey...", wisperte ich und fuhr mit zitternden Fingern über seine nun schon viel wärmere Wange. "Ich bins..." Er war nun so weit zu sich gekommen, dass er sogar blinzelte und die Lippen sacht bewegen konnte. Es sah zudem so aus, als würde er versuchen, Worte zu formen, aber ihm entwich zunächst nur ein heiseres Krächzen. Erst bei seinem nächsten Versuch hörte ich ihn leise tuscheln. "Weston..." Seine Hand erhob sich und kurz darauf prallten seine Fingerspitzen ungelenk gegen mein Gesicht. Ich lächelte zwischen seinen Fingern hindurch und kämpfte mit den Tränen, wahrscheinlich zum ersten Mal überhaupt. Doch ich wollte nicht weinen, auch nicht vor Glück. Anstelle schlang ich meine Arme um den Kleinen und hob seinen so zerbrechlich wirkenden Leib aus dem Sarg heraus, wollte ihn eigentlich erst in das Gras legen, aber dann entschied ich mich doch um. Ich zog ihn an mich, hielt ihn ganz fest und spürte ein ganz warmes, wundervolles Gefühl in mir aufsteigen, als ich spürte, dass Lenny sein Gesicht ganz von allein in meine Halsbeuge schmiegte. "Ich dachte...ich dachte...du...wir..." Er stotterte lediglich, doch das machte nichts, ahnte ich schließlich, was er sagen wollte. "Ich konnte ihn nicht gewinnen lassen", erwiderte ich und schluckte über den schmerzenden Kloß in meinem Hals, während ich unermüdlich über Lennys blonden, wuscheligen Schopf fuhr. "Ich wollte nicht...ohne dich..." Lenny regte sich sacht in meinen Armen. Dann sah er mich von unten herauf mit demselben fragenden Blick an, den ich so gut von ihm kannte. Ganz große, schöne Kulleraugen, hinter denen endlich wieder seine Seele wohnen durfte. "Wo sind wir hier?" Seine Stimme war noch immer schwach, doch anscheinend war er im Kopf schon wieder ganz klar, wenn er solche Fragen stellte. "Wir sind im Leben", erklärte ich ihm und erwiderte seinen Blick ganz fest, damit er sah, dass es die Wahrheit war, die ich sprach. "Ich habe dich zurückgeholt." "W-wie...?" "Mit..." Erst jetzt fiel mir auf, wie klebrig sich meine Handfläche anfühlte. Dass ich das ganze versiegende Blut wahrscheinlich über seinen gesamten Rücken verteilt hatte. "Es ist nicht wichtig, wie. Es ist nur wichtig, dass du wieder hier bist. Bei mir." "Und...und Thessi?" Zunächst musterte ich ihn lediglich fragend, doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Thessi. Seine Schwester. Sie war noch da unten. Ich fuhr mir mit der Zunge angespannt über die Unterlippe. "Es tut mir ganz furchtbar leid", begann ich, es ihm so schonend wie möglich beizubringen und wusste, dass ich nicht umhin kam, ihm Genaueres über den Zauber zu verraten. Er hatte jegliches Recht, die Gründe für seine Rückholung zu erfahren. "Ich kann Thessi nicht das Leben schenken." Lennys Lippen zuckten hilflos. Es zerriss mir schier das Herz. Zögerlich holte ich meine ehemals blutende Handfläche hervor. Die Wunde war noch so frisch, dass man sie deutlich sehen konnte. Ein langer, ziemlich gerader, rötlicher Schnitt, entspringend unter meinem Mittelfinger und beinahe die komplette Lebenslinie entlang führend. Lenny starrte stumm darauf. Er starrte noch immer ganz ungläubig, als ich wieder zu sprechen begonnen hatte. "Es war Blut. Ich habe dir etwas von meinem Blut gegeben. Vom Lebenssaft..." "Aber wieso...kannst du dasselbe, was du bei mir gemacht hast, nicht auch bei Thessi tun?" "Weil..." Ich wandte meinen Kopf zur Seite, weil ich nicht wusste, ob ich es schon so ohne weiteres aussprechen konnte. "Man kann nur jemanden mit Blut erwecken, den man liebt..." Stille. In der Ferne krächzte eine Krähe. Blätter rauschten in der duftenden, nächtlichen Luft. Und dann unterbrach Lennys leicht bebende Stimme die Geräusche der Natur. "Ich..." Er verstummte. Ich wagte es wieder, in sein Gesicht zu schauen. Dabei fiel mir das Glitzern in seinen Augen auf. "Hach Gott, so pathetisch das auch klingt jetzt, aber..." Er fiel mir mit all seiner Lebendigkeit um den Hals und dann spürte ich die Bewegungen seiner Lippen an meinem Ohr. "Ich glaube, ich liebe dich auch..." Und ich glaubte, dass die funkelnden Sterne in seinen Augen eine ansteckende Wirkung besaßen. Denn die ganze Welt verfloss zu einer einzigen Masse ohne irgendwelche Begrenzungen, und als ich die Augen zupresste und die Arme so fest wie nur irgendwie möglich um meinen Jungen schlang, da wusste ich, dass alles gut war. Dass ich mein Versprechen, für immer mit mir vereint zu sein gehalten hatte.   Wir würden nicht mehr in die Unendlichkeit reichen. Aber auf jeden Fall in die Ewigkeit.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)