Traum und Wirklichkeit von Tamanna ================================================================================ Kapitel 1: One Shot ------------------- „Aniki! Aniki! Es kam gerade eine wichtige Botschaft an!“ Kira Chikasada kam aufgeregt angelaufen, sah sich suchend im Raum um, und sagte dann verwirrt: „Wo ist denn der Kapitän? Ich habe eine wichtige Nachricht für ihn!“ Die anderen Piraten waren gerade beim Abendessen. Ungerührt aßen sie weiter. „Aniki ist draußen“, antwortete ihm Chosokabe Nobuchika dann kauend. „Er hat gesagt, wir sollen ihn ja nicht stören, sonst werden wir Kiel geholt.“ „Aber… es ist wichtig… oder… kann es sein… ist es wieder mal so weit?“ Nobuchika nickte. Kira seufzte laut und ließ sich auf den Boden sinken. „Jedes Jahr dasselbe. Einmal im Jahr, jedes Mal am selben Tag, sitzt er die ganze Zeit draußen und starrt auf das Meer hinaus. Und niemand darf ihn ansprechen oder sonst irgendwie stören. Ich würde nur zu gern wissen, woran er denkt.“ Nobuchika zuckte mit den Schultern. „Er will es nicht sagen. Also lass ihn doch.“ Er warf einen fragenden Blick nach draußen. „Aber ich muss zugeben, ich würde auch gerne wissen, was ihn bedrückt.“ Draußen, unter dem klaren Sternenhimmel, saß Chosokabe Motochika, den Blick aufs offene Meer gerichtet. Er hasste diesen Tag – er weckte die Erinnerung an etwas, dass er für immer vergessen wollte. An Gefühle, die er für immer vergessen wollte. Er hasste es – und liebte es gleichzeitig. War das überhaupt möglich? Etwas gleichzeitig zu lieben und zu hassen? Musste wohl so sein. ER war der beste Beweis dafür. Chosokabe seufzte schwer. Es brachte eh nichts, sich dagegen zu wehren. Also schloss er sein rechtes, heiles Auge und gab sich seinen Erinnerungen hin… Rückblick Es war vor einigen Jahren. Damals wurde Tsuruhime, das Orakel von Iyo, der Öffentlichkeit vorgestellt, nachdem sie ihre Kindheit in ihrem Tempel in völliger Abgeschiedenheit verbrachte. Zu dieser Feierlichkeit waren alle Fürsten des Westens eingeladen gewesen. Chosokabe hatte eigentlich keine Lust gehabt, zum Fest einer kleinen Göre zu erscheinen. Allerdings hatte es ihn neugierig gemacht, dass das kleine Mädchen in die Zukunft sehen konnte. Also hatte er sich letztendlich doch dazu entschieden, hinzugehen. Nun saß er gelangweilt da und trank Sake. Um ihn herum waren lauter fröhliche und glückliche Menschen, nur er selbst gehörte nicht dazu. So hatte er sich diesen Tag wirklich nicht vorgestellt. Chosokabe stand auf und wollte gerade auf den Balkon gehen, um frische Luft zu schnappen – als er IHN sah. Er stand allein in der Ecke, sah sich gelangweilt im Raum um und trank ab und zu aus seiner Sakeschale. Für einen Mann war er auffallend hübsch. Als sich ihre Blicke trafen, lächelte er ihm zu. Chosokabe lächelte zurück und ging zu ihm. „Darf ich dir Gesellschaft leisten?“ „Nur zu.“ „Bist du allein hier?“ „Bevor wir weiterreden, muss ich etwas klarstellen“, sagte er entschieden. „Ich habe einen Vorsatz: keine Liebesbekanntschaften auf Feierlichkeiten. Ich hätte da einen Vorschlag zu machen. Wie wäre es, wenn wir das ganze etwas unkomplizierter gestalten würden?“ „Wie meinst du das?“ „Wir verbringen einen schönen Abend miteinander und gehen dann getrennte Wege. Kein Wiedersehen, keine Kontaktversuche, nicht einmal die Namen. Was sagst du?“ Chosokabe überlegte kurz, dann nickte er. „Einverstanden. Aber wie sollen wir uns jetzt ansprechen?“ „Ach… nenn mich einfach Amaterasu!“, schlug er vor. „Angenehm. Ich bin dann Susanoo“, erwiderte Chosokabe nach kurzem Überlegen. Amaterasu lachte. Chosokabe fand das toll. Irgendwie war das alles sehr aufregend. „Gut, die Regeln sind festgelegt. Und was jetzt?“ „Hm… Machen wir doch einen kleinen Spaziergang“, sagte Amaterasu. „Alles klar“, grinste Chosokabe, dann schnappte er die Hand des anderen und zog ihn mit sich. Vor dem Geschenketisch stoppten sie. „Wofür ist der Blumenkranz?“, fragte Amaterasu verwirrt. „Äh… soviel ich weiß, wurde dieser Blumenkranz von der Göre… äh, ich meine, vom Orakel persönlich geflochten. Ein Gast soll diesen später bekommen.“ „Das Orakel wählt dann wohl den Gast aus“, überlegte Amaterasu, dann lächelte er schelmisch. „Lass uns doch dafür sorgen, dass später kein Neid aufkommt, indem wir den Blumenkranz stehlen!“ Chosokabe lachte. „Dafür brauchen wir aber ein Ablenkungsmanöver!“, meinte er dann belustigt. Dann rief er laut: „Ein paar Worte vom Orakel!“ Während alle Gäste auf das kleine Mädchen schauten, schnappte sich Amaterasu den Blumenkranz und die beiden schlichen sich unauffällig davon. Wenig später waren die beiden allein in einem Nebenzimmer. Dort fanden sie zu ihrer Überraschung ein Klavier. Dieses ausländische Musikinstrument war offenbar ein Geschenk eines Bewunderers aus der westlichen Welt. Chosokabe klimperte etwas unbeholfen auf dem Klavier herum, während Amaterasu ihm seine Steppkünste demonstrierte. Am Ende lächelte Chosokabe vergnügt. „Sehr schön. Ich bin entzückt.“ Amaterasu setzte sich neben ihn auf den Klavierhocker. „Ich weiß gar nicht, wie man steppt“, gestand er dann. „Hab ich nicht gemerkt“, sagte Chosokabe mit todernster Miene und Amaterasu lachte. Das gefiel dem Piraten sehr. Er beugte sich vor, um den Brünetten zu küssen, doch der hielt ihn zurück. „Wir werden uns heute nicht küssen!“ Chosokabe drückte auf die schwarzen Klaviertasten, um mit den tiefen Tönen seinen Unmut darüber auszudrücken. Unbeirrt fuhr Amaterasu fort: „Wenn wir jetzt küssen, wird unsere Begegnung wirklich. Vielleicht küsst du mich heute zu heftig und das mag ich heute nicht. Schon ist die Stimmung dahin. Aber wie wäre es damit: Ich finde, was den Zauber des ersten Kusses ausmacht, ist der Moment, kurz bevor sich die Lippen zum ersten Mal berühren. Es ist wie ein Trommelwirbel. Warum belassen wir es heute Abend nicht beim Trommelwirbel?“ „Also gut“, stimmte Chosokabe leise zu. Ganz langsam näherten sich die beiden einander an. Kurz bevor sich ihre Lippen berührten, stoppten sie, verharrten kurz, dann entfernten sie sich wieder. Als Chosokabe und Amaterasu Stunden später in den Saal zurückkehrten, war dieser menschenleer. Chosokabe schnaubte. „Wir waren wohl ganz schön lange spazieren, was?“ „Wie schade“, seufzte Amaterasu. „Ich hatte mich so auf einen letzten Tanz gefreut.“ Chosokabe verstand den Wink. Feierlich bot er dem Brünetten seine Hand dar. „Ich höre aber gar keine Musik“, warf Amaterasu zögerlich ein. Der Pirat zuckte nur mit den Schultern, ohne die Hand weg zu nehmen. Ergeben ergriff der schöne Mann die Hand und ließ sich in die Arme des silberhaarigen Mannes ziehen. Eng umschlungen tanzten sie. Chosokabe nickte und sagte: „Richtig.“ Auf Amaterasu’s fragenden Blick hin fuhr er fort: „Ich weiß, was du gerade denkst. Du dachtest: »Mann, der sieht echt scharf aus«.“ Amaterasu nickte andächtig. „Wow~ Du bist gut. Du hast mich völlig durchschaut.“ „Weißt du, der normale Susanoo trägt für gewöhnlich etwas lässigere Kleidung.“ „Hm~ Der normale Susanoo hört sich ziemlich sexy an. Wie schade, dass ich ihn nie kennen lernen werde.“ Chosokabe musterte Amaterasu schweigend, dann flüsterte er: „Unser Plan hat eine Schwachstelle. Ich werde hier rausgehen… mit vielen schönen Erinnerungen… und einer schlechten. Dich hier durch die Tür weggehen zu sehen, wird mir das Herz brechen…“ Amaterasu löste sich von Chosokabe und sagte lächelnd: „Schließ die Augen und zähl bis fünf.“ Der Pirat tat, wie ihm geheißen. Als er die Augen jedoch wieder öffnete, war er allein – Amaterasu war verschwunden. Chosokabe fasste sich an die Brust, um sein wild schlagendes Herz zu beruhigen, dann ging er ebenfalls… Rückblick Ende Chosokabe öffnete sein Auge wieder. Es wäre so schön gewesen, wenn es bei diesem schönen Abend geblieben wäre. Doch der Tag danach hatte alles kaputt gemacht. Er erinnerte sich noch daran, welch böse Nachricht ihn erwartet hatte. Er erfuhr durch einen Zufall, wer Amaterasu wirklich war: es handelte sich bei dem schönen Brünetten um Mori Motonari, dem Fürsten von Aki, der ihm erst vor kurzem schriftlich eröffnet hatte, dass er sich das Herrschaftsgebiet des Piraten einverleiben wollte. Völlig verwirrt ob dieser Erkenntnis, kam es bald darauf zu einem weiteren Treffen zwischen den beiden Männern. Chosokabe erhoffte sich ein wenig Klarheit, doch Mori war keinesfalls gewillt, ihm diese zu geben. Im Gegenteil: er war unheimlich wütend auf den Piraten. Hatte ihm vorgeworfen, ihn wissentlich getäuscht zu haben. Als Chosokabe einwarf, dass es Mori’s Idee war, nicht die Namen zu nennen, hatte dieser das nur abgeschmettert. Der Pirat schüttelte angesichts dieser Erinnerung den Kopf. Den Mori, den er am Tag danach bis heute getroffen hatte, hatte überhaupt nichts mit dem Mori zu tun, den er an diesem Abend kennen lernte. Ein Mori, der lachte. Der fröhlich war. Der auch mal frech und schlagfertig war. Der einen Blumenkranz vom Geschenketisch stahl. Ja, dieser Mori war etwas ganz Besonderes gewesen. Und Chosokabe hatte einen wunderschönen Abend mit ihm verbracht, an den er wohl ewig denken würde. Ob Mori wohl auch manchmal daran dachte? Tja, er würde es ihm wohl nicht sagen, auch, wenn Chosokabe ihn danach fragen würde. Heute waren die beiden erbitterte Feinde, die sich ständig bekriegten. Und das würde wohl auch immer so bleiben… Chosokabe seufzte schwer, dann erhob er sich. Er hatte genug in Erinnerungen geschwelgt. Zeit, sich wieder seiner Tätigkeit zu widmen. „AUF, IHR HUNDE!!!! DIE SEE RUFT NACH UNS!!!!“ ~ Owari ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)