My First Love von Tamanna (Eigentlich wollte ich niemals lieben) ================================================================================ Kapitel 4: Zwischen Leben und Tod --------------------------------- Zwischen Leben und Tod Sanada Yukimura versuchte, sein Pferd ruhig zu halten. Hono-Arashi war offenbar genauso nervös wie er. Immerhin standen sie kurz vor ihrer ersten, großen Schlacht. Yukimura musste sich eingestehen, dass er sich nicht sicher war, ob er schon bereit war, sich einer solchen Herausforderung zu stellen. Aber jetzt war keine Zeit für irgendwelche Selbstzweifel. Sein Herr, Fürst Kenshin und auch alle Soldaten verließen sich darauf, dass Yukimura seinem Ruf gerecht wurde und vollsten Einsatz zeigte. „Yukimura?“ Die Stimme Takeda’s riss den jungen General aus seinen Gedanken. Neugierig sah er zu seinem Fürsten auf. Er stand, wie üblich, auf den Rücken zweier pechschwarzer Bamba-Pferde und sah unentwegt nach vorne, wo sich die feindliche Armee befand. „Ja, Eure Herrlichkeit?“ „Ich möchte, dass du mich begleitest“, sagte Takeda. Ohne seinem Schützling zu verraten, wohin, trat er kurz mit den Haken auf, sodass die Bamba-Pferde sich in Bewegung setzten. Yukimura folgte ihm. Nur zu zweit trabten die beiden Männer auf das feindliche Lager zu. Vor den Soldaten sprang Takeda ab und rief laut: „Mein Name ist Takeda Shingen! Ich bin hier, um mit Fürst Tokugawa zu sprechen!“ Die Soldaten sahen sich unsicher an. Sollten sie den Feind einfach so zu ihrem Fürsten durchlassen? Was, wenn er ihn angriff? Takeda schien deren Gedanken zu erraten, denn er rammte seine Axt kraftvoll in den Boden, als Zeichen, dass er unbewaffnet zu ihm gehen würde. Dann wies er Yukimura an, ebenfalls seine Speere bei seinem Pferd zu lassen. „Lasst ihn durch!“, rief eine Stimme von weiter hinten. Es war Fürst Tokugawa. Yukimura war recht erstaunt, als er den Fürsten von Mikawa sah. Er hatte ja schon gehört, dass Tokugawa Ieyasu sehr jung war – aber so jung? Er war ja noch jünger, als er selbst. In seiner Rüstung wirkte der junge Fürst fast wie ein Kind, dass sich eine goldene Rüstung übergestreift hatte, um mit seinen Freunden Krieg zu spielen. „Ihr müsst der junge Tiger von Kai sein“, sagte Ieyasu freundlich. „Euer Ruf eilt Euch voraus.“ Yukimura nickte höflich. „Mein Name ist Sanada Genjirou Yukimura. Es ehrt mich, Euch persönlich kennen zu lernen.“ Ieyasu reichte einem seiner Männer seinen Speer. „Was führt Euch zu mir, Tiger von Kai?“ „Ich bin hier, um dich erneut zu bitten, dich unserer Allianz anzuschließen“, erwiderte Takeda ruhig. „Takechiyo, ich weiß, dass du gezwungen warst, mit Oda ein Bündnis einzugehen, da er andernfalls dein Reich ebenso zerstört hätte, wie all die anderen. Das war damals die beste Entscheidung, die du hättest treffen können. Aber jetzt ist die Zeit gekommen, gegen diesen Tyrannen aufzubegehren. Tust du das nicht, wirst du mit ihm untergehen.“ Ieyasu hatte ihm schweigend zugehört. Dann hob er langsam seinen Kopf und sagte schließlich leise: „Ich bedaure. Aber auch diese persönliche Anfrage von Euch muss ich ablehnen. Es schmerzt mich, Euch abermals zurückzuweisen, aber es geht nicht anders. Ich schwor Fürst Oda meine Treue und ich werde mein Wort auf keinen Fall brechen.“ Ieyasu streckte seine Hand nach hinten und ließ sich seinen Speer zurück in die Hand geben. Dann ging er wortlos an Takeda und Yukimura vorbei und gab seinen Männern den Befehl zum Angriff. Takeda schloss betrübt die Augen. „Gehen wir Yukimura. Wir sind hier fertig.“ Die beiden Männer begaben sich zu ihren Pferden, nahmen ihre Waffen wieder auf, bestiegen ihre Pferde und entfernten sich ein wenig vom Lager des Feindes. „Yukimura, du und ich werden den Feind von hinten attackieren“, erklärte Takeda. Nun begriff Yukimura. „Eure Herrlichkeit, Ihr habt damit gerechnet, dass Fürst Ieyasu wieder ablehnen würde und wolltet deshalb, dass ich mit Euch hierher komme, damit wir den Feind von beiden Seiten angreifen können, nicht wahr?“ Takeda lächelte zur Antwort. Gemeinsam sahen sie zu, wie Kenshin ihre Soldaten zum Angriff führte und den Kampf begonnen. Takeda strich sich nachdenklich über den Bart. „Ich vermute, dass Takechiyo auf den mächtigen Honda Tadakatsu setzt, den stärksten Krieger des Landes. Aber ob das wirklich sein einziger Trumpf ist? Ich schätze nicht. Aber vorerst können wir nur abwarten, was er plant… Komm, Yukimura! Greifen wir ein.“ Tatsächlich verfügte Tokugawa noch über einen Trumpf, der in dieser Schlacht eine große Rolle spielen sollte: sein Verbündeter Oda hatte ihm Hilfe in Form von Akebuzen-Schützen zugesichert. Sein Plan war es, die feindlichen Truppen bis zu deren Ankunft in Schach zu halten. Er sollte noch schwer enttäuscht werden… Derweil näherte sich Azai Nagamasa mit seinen Männern unaufhaltsam seinem Ziel. Einem Ehrenmann wie Azai gefiel es gar nicht, dass er Date Masamune angreifen sollte. Er hatte viel Gutes von diesem Mann gehört. Vor allem, dass er alles für seine Männer tun würde. Untypisch für einen Fürsten. Aber Azai mochte Menschen wie diesen Masamune. Umso schmerzlicher war es für ihn, dass er ihn töten musste. Aber es ging nicht anders. Das Leben seiner Frau hing davon ab! Azai konnte immer noch nicht glauben, was geschehen war. Alles fing damit an, dass ihm Gerüchte zu Ohren kamen, dass Oda seine eigenen Verbündeten, die Asakuras, angreifen wollte. Azai konnte das nicht glauben und hatte sich auf den Weg gemacht, um dies zu überprüfen. Dabei stellte sich diese Behauptung als nur allzu wahr heraus. Azai und seine Frau Oichi, die ihn begleitet hatte, suchten daraufhin Oda auf und stellten ihn zu Rede. Oda leugnete es nicht einmal. Stattdessen verlangte er sogar von Azai, dass er den Angriff auf Asakura durchführen sollte! Würde er dies nicht tun, drohte Oda damit, Oichi zu töten! Seine eigene Schwester! Azai blieb nichts anderes übrig, als darauf einzugehen. Akechi Mitsuhide fing ihn jedoch ab und machte ihm einen Vorschlag: wenn er Date, der Oda schon lange ein Dorn im Auge war, töten würde, wäre es gut möglich, dass sich Oda in Bezug auf Asakura noch einmal erweichen ließe. Auch Oichi wäre dann sicher wieder frei. Azai hatte nichts gegen Date und es missfiel ihm, diesen Mann Schaden zufügen zu müssen. Doch es blieb ihm nichts anderes übrig. Azai schüttelte die Gedanken ab und ritt entschieden weiter. Je mehr er nachdachte, desto weniger wollte er es tun. Und das dürfte er nicht zulassen! Er musste Oichi retten! Davon nichts ahnend, ritt Masamune weiter nach Nagashino. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er, dass sich Kojuro immer wieder leicht zu Keiji umdrehte. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. „Was ist los, Kojuro? Stört dich irgendetwas an unserem Gast?“ Kojuro zuckte leicht zusammen. Offenbar war es ihm peinlich, dass sein Fürst ihn dabei gesehen hatte. „Ich… mache mir nur meine Gedanken“, gab er kleinlaut zu. „Wollt Ihr diesem Mann wirklich trauen?“ „Wieso fragst du?“ „Ich hörte, dass sein Onkel ein Verbündeter von Oda ist. Dafür erhielt er erst kürzlich die Provinz Kaga zugesprochen. Ist doch möglich, dass Keiji irgendeinen Plan verfolgt, von dem wir nichts wissen.“ „Selbst wenn, was kümmert mich das? Mich interessiert nur Oda’s Kopf. Aber wenn es dich beruhigt, dann behalte ihn ruhig weiterhin im Auge.“ Kojuro nickte, dankbar, dass ein Fürst ihn nicht für übervorsichtig hielt. Er selbst war sich ja nicht sicher, ob er nicht überreagierte. Denn eigentlich wirkte Maeda Keiji nicht wie jemand, der Böses im Sinn hatte. Aber vielleicht war das auch nur Tarnung. Prüfend warf Kojuro wieder einen Blick nach hinten. Keiji ritt zwischen seinen Männern hinter ihm her und hielt grinsend ein Banner der Date-Armee in einer Hand. Was führte dieser Mann bloß im Schilde? Schließlich ritt die Gruppe auf eine offene Lichtung. Ein breiter Fluss trennte diese von einer anderen Lichtung. Und dort tobte der Kampf zwischen der Takeda-Kenshin-Allianz und der Armee von Tokugawa Ieyasu. Masamune ließ seinen Blick über die Soldaten schweifen – und fand schließlich, wonach er unterbewusst gesucht hatte. Mit seiner roten Rüstung stach Sanada Yukimura sofort aus dem Getümmel heraus. Er lieferte sich gerade einen heftigen Kampf mit Honda Tadakatsu, der berüchtigt als stärkster Krieger von Japan war. Unabhängig davon, dass es sich bei Honda „nur“ um einen Mann in einer riesigen, mechanischen Rüstung handelte. Die über zwei Meter große Erscheinung konnte nicht sprechen und kommunizierte lediglich mit mechanischen Geräuschen. Beeindruckt sah Masamune zu, wie Yukimura Hondas Bohrlanzenangriff stoppte, was sonst wohl nur Takeda gelungen wäre. Während Yukimura dann mit dem einen Speer die Bohrlanze weiterhin abblockte, rammte er den anderen Speer Honda in die Schulter. Die Spitze brach ab und blieb in der Rüstung stecken. Fasziniert von dem Kampf des jungen Generals, wäre Masamune um ein Haar in den Mann reingeritten, der sich vor ihn aufgebaut hatte. Zum Glück machte ihn Kojuro rechtzeitig auf ihn aufmerksam. Neugierig musterte der einäugige Drache sein Gegenüber und pfiff dann anerkennend. „Da hat aber einer Nerven, sich mir einfach in den Weg zu stellen“, sagte er dann grinsend. Der schwarzhaarige Mann zog sein Schwert und richtete es auf Masamune. „Ihr seid der einäugige Drache von Oshu, Date Masamune, nehme ich an? Mein Name ist Azai Nagamasa! Im Namen der Gerechtigkeit fordere ich Euch auf, Euch dem Kampf mit mir zu stellen!“ Masamune hob fragend eine Augenbraue. Was bewog einen Mann wie Azai bloß dazu, ihn zu einem Zweikampf aufzufordern? Eine leise Stimme sagte ihm, dass Oda wohl dahinter steckte. Ob er wohl auch hier war? Diese Frage stellte sich auch Keiji. Schnell suchte er das Gebirge im Hintergrund ab – und konnte Oda und seine Leute tatsächlich oben auf einem Felsvorsprung ausfindig machen. Sofort gab er seinem Pferd die Sporen und ritt auf den Dämonenkönig zu. Auf der anderen Seite des Flusses sah Kenshin, wie Keiji auf den Berg zuritt – und just wurde ihm klar, was dieser vorhatte. Ohne zu zögern jagte er ihm nach, um ihn zu stoppen. Auf dem Felsvorsprung stand Oda und beobachtete regungslos die beiden Kämpfe, die unter seinen Füßen tobten. Auf der einen Seite Takeda und Kenshin gegen Tokugawa, auf der anderen Seite kämpften Azai und Date. Seine lästigsten Feinde waren fast alle hier. Und er könnte sie nun alle auf einmal loswerden. Dennoch… Irgendetwas stimmte an dem Bild nicht. Seine Frau brachte es auf den Punkt. „Tokugawa’s Männer fallen wie die Fliegen. Sie können der geballten Kampfkraft von Kenshin und Takeda nicht länger standhalten. Selbst Honda Tadakatsu kann da nicht mehr viel ändern. Wenn nicht bald die Verstärkung eintrifft, sieht es düster für ihn aus“, erklärte Nouhime besorgt. Oda drehte seinen Kopf leicht nach links und fragte tonlos: „Mitsuhide? Wo bleiben meine Akezbuzenschützen?“ Akechi lächelte, als würde diese Frage ihn amüsieren, und antwortete ergeben: „Ich hielt es für angebrachter, die Schützen zur Verstärkung von Azai loszuschicken.“ Oichi, die weiterhin eine Geisel ihres Bruders war, zuckte erschrocken zusammen und sah nach unten. Dort kämpfte ihr Mann weiterhin gegen Date. Dieser hatte gerade alle seine Schwerter gezogen. Doch das war nicht der Grund, warum die schöne Dunkelhaarige entsetzt aufschrie. Vielmehr waren es die Schützen, die sich langsam und unbemerkt den beiden Fürsten näherten und sie mit ihren Gewehren anvisierten. Oichi geriet in Panik. Sie wusste, wenn die Männer jetzt auf Date schießen würden, dann würde ihr Mann ebenfalls getroffen werden! „O-Nii-sama! Bitte, du musst die Schützen zurückrufen!“, flehte sie ihren Bruder an. Dieser starrte nur weiterhin emotionslos auf das Schlachtfeld hinunter. Dann murrte er: „Mitsuhide… diesmal bist du zu weit gegangen“, und kehrte dem Geschehen den Rücken zu. „Bitte, Bruder! Ruf die Schützen zurück!!“, rief ihm Oichi schluchzend nach, erhielt jedoch wieder kein Gehör. Akechi beugte sich lächelnd zu der Dunkelhaarigen vor. „Werte Oichi-sama, wenn Ihr es wünscht, reite ich mit Euch hinunter. Vielleicht könnt Ihr die Schützen selbst aufhalten.“ Azai keuchte vor Erschöpfung. Ihm war bewusst gewesen, dass Date zu töten kein leichtes Unterfangen werden würde, doch die Realität übertraf all seine Erwartungen. Würde es hier nicht um soviel gehen, würde er diesen Kampf in vollen Zügen genießen. Mit letzter Kraft blockte Azai den Angriff seines Gegners mit dem Schild – der Schlag war jedoch so stark, dass der Schild brach. Seine Verteidigung war damit wohl stark geschwächt. „Nagamasa-sama!!“, rief plötzlich eine vertraute Stimme. Überrascht wandte sich Azai der Stimme zu und sah schockiert, wie seine Frau aufgeregt auf ihn zu rannte. Was wollte sie hier? „Nagamasa-sama, flieh!!“, rief sie panisch. Dann stürzte sie und fiel auf die Knie. Nun konnte Azai auch sehen, was seine Frau so in Panik versetzte. In einiger Entfernung standen Akechi und mehrere Schützen – und sie zielten in seine Richtung! Fast wie in Zeitlupe sah Azai, wie Akechi seine Sense hob und den Schützen damit den Feuerbefehl gab. Die abgefeuerten Kugeln flogen auf ihn zu – dann spürte er diesen Schmerz in seinem Körper… Azai wurde von den Kugeln schwer getroffen. Es glich geradezu einer Hinrichtung. Masamune, dem die Kugeln eigentlich galten, schien vom Kugelhagel verschont zu bleiben. Einzig eine Kugel streifte seinen Helm. Geschockt stürzte Kojuro auf seinen Fürsten zu, doch dieser hob abwehrend die Hand. Oichi stürzte sofort zu ihrem schwer verwundeten Mann, der zusammengesackt war. Vorsichtig nahm sie ihn in ihre Arme. „Nagamasa-sama?“ Langsam öffnete Azai die Augen. Als er seine Frau erkannte, flüsterte er: „Ichi… was tust du hier? Das ist ein Schlachtfeld. Das ist kein Ort für dich…“ Ein boshaftes Lachen drang an das Ohr der Beiden. Akechi näherte sich und schien sich prächtig zu amüsieren. „Ach, Oichi-sama… obwohl Ihr Eure Euch aufgetragene Mission nicht erfüllt habt, hat Fürst Nobunaga doch noch bekommen, was er wollte. Werter Azai, Ihr müsst wissen, der Angriff auf Asakura war von langer Hand geplant. Oda wusste natürlich, dass Ihr Euch mit aller Macht dagegen stellen würdet, daher stimmte er der Vermählung mit seiner Schwester zu. Sie sollte Euch und die Generäle ablenken. Dummerweise ging der Plan nicht auf, denn Oichi musste sich ja in Euch verlieben. Die ganze Zeit hat sie Euch die Wahrheit verheimlicht. Ihren Auftrag konnte sie nicht ausführen, dennoch konnte sie Euch nicht sagen, was wirklich dahinter steckte. Letztendlich… hat sie eine noch tragischere Rolle gespielt. Wirklich amüsant…“ Azai musterte seine Frau betrübt. „Ichi… ist das wahr? Hast du… uns die ganze Zeit… belogen?“ Oichi brach in Tränen aus. „Es tut mir so leid, Nagamasa-sama. Es ist alles meine Schuld.“ Sanft strich Azai ihr über die Wange. „Meine liebe Oichi… wie sehr du doch gelitten haben musst… Bitte weine nicht… Es ist nicht deine Schuld…“ Er wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht. „Alles was ich wollte… war der Gerechtigkeit dienen… Sag, Ichi… habe ich richtig gehandelt? Oder war das… falsch, was ich… getan habe?“ Oichi schüttelte schnell den Kopf. „Nein. Du hast dich nicht geirrt. Du hast dich niemals geirrt, geliebter Nagamasa.“ Azai lächelte sie schwach an, dann sank er in sich zusammen. Er starb in den Armen seiner geliebten Frau. Oichi brach in Tränen aus und drückte ihren toten Mann fest an sich. Masamune beobachtete die Szene schweigend, dann hob er den kaputten Helm seines Kontrahenten auf und reichte ihn an Kojuro weiter. Dann widmete er seine Aufmerksamkeit Akechi. Dessen Gelächter machte den einäugigen Drachen unheimlich wütend. „Akechi Mitsuhide, was ist denn so lustig?!“, schrie er ihm entgegen. Akechi kicherte. „Was so lustig ist? Es freut mich einfach… Es gibt fast nichts, dass schöner ist, als zwei Liebende voneinander zu trennen. Das einzige, was mein Herz noch mehr erfreuen würde, wäre der Anblick eines blutüberströmten Mannes, der zu meinen Füßen kniet und um sein Leben fleht. Welches ich ihm dann nur zu gerne nehmen werde. Was ist mit Euch, einäugiger Drache? Wollt Ihr mir dieses Vergnügen bereiten?“ Voller Zorn griff Masamune nach seinen sechs Schwertern. Eine laute Explosion hallte von der anderen Seite des Flusses wider. „Honda Tadakatsu hat es erwischt!“, rief Samanosuke schockiert. „Oda’s Frau ist offenbar dabei, Tokugawa’s Männer auszulöschen!!“ Kojuro hatte genug gehört. Er stürmte zwischen seinen Herrn und Akechi, um einen Kampf zu verhindern. „Fürst Masamune, wir sollten uns zurückziehen! Mit so vielen Gewehren auf uns gerichtet, werden unsere Verluste zahlreich sein. Als Euer rechtes Auge… trage ich die Schande mit Euch.“ Masamune wusste, dass Kojuro recht hatte. Er ließ von seinen Schwerter ab und gab seinen Männern den Befehl zum Rückzug. Akechi kicherte amüsiert, ließ die Männer aber ziehen. Am Ende blieb nur Oichi mit ihrem toten Mann im Arm zurück. Die Nacht war bereits hereingebrochen, als Masamune und seine Männer zurück nach Oshu ritten. Kojuro beobachtete seinen Fürsten aufmerksam. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Er war so auffallend still. Zerrte es immer noch an seinen Nerven, dass er wieder einmal um den Kampf gegen Akechi gebracht wurde? Oder war er sogar sauer auf ihn, weil er ihn bereits zum zweiten Mal aufgehalten hatte? Nein, das konnte es nicht sein. Dann hätte er es ihm schon längst mitgeteilt. Was war nur mit ihm los? „Fürst Date!!!!“ Kojuro wandte sich um und sah Yukimura, der schnell auf sie zu ritt. „Fürst Date!! Es ist zu weit nach Oshu! Ich habe den Auftrag erhalten, jeden Verletzten, unabhängig von seiner Herkunft, nach Kai zu bringen! Kommt mit nach Kai, Fürst Date!! Ruht Euch dort aus!!“, rief der junge General. Kojuro schloss sofort zu seinem Fürsten auf. „Fürst Masamune! Lasst uns das Angebot annehmen. Wir haben viele Verletzte.“ Als er keine Antwort erhielt, war sich Kojuro endgültig sicher, dass etwas nicht stimmte. Vorsichtig hakte er nach: „Fürst Masamune?“ Geschockt sah Kojuro, wie sein Fürst von seinem Pferd fiel und reglos liegen blieb. Sofort stoppten die Männer der Date-Armee. Kojuro sprang von seinem Pferd und eilte sofort zu seinem Fürsten. Auch Yukimura hielt an. „Fürst Date! Was ist mit Euch…?“ Die Worte blieben dem jungen Mann im Halse stecken. Beim Sturz war der Helm des Fürsten von dessen Kopf gefallen. Zum ersten Mal sah Yukimura ihn ohne seinen Helm… Er war wie gebannt von diesem Anblick. Erst, als Kojuro neben ihn auf die Knie sank, wurde sich Yukimura der Situation wieder bewusst und er schämte sich dafür, dass er das Äußere des Fürsten bewundert hatte, während dieser bewusstlos am Boden lag. Kojuro versuchte, seinen Fürsten hochzuheben – als er dabei über seinen Bauch strich, spürte er etwas Feuchtes. Irritiert sah er seine Hand an und stellte geschockt fest, dass Blut daran klebte. Sein Fürst war verwundet! Wie konnte ihm das nur entgehen? Mit vereinten Kräften brachten Kojuro und Yukimura den verletzten Masamune nach Kai, ins Anwesen von Fürst Takeda. Dort wurde er rasch verarztet. Nachdem der Arzt die Wunde kauterisiert hatte, zog er zu den anderen Verletzten weiter. Kojuro blieb am Krankenbett seines Fürsten. Besorgt beobachtete er den Schlaf des Jüngeren, dessen Fieber sich zum Glück wieder gesenkt hatte und der nun relativ friedlich auf dem Futon lag. Ein festlicher, rötlicher Kimono wärmte seinen Körper. Kojuro seufzte. Wie konnte ich nur nicht bemerken, dass Ihr angeschossen wurdet? Ich hätte Euch beschützen können… Müde rieb sich der Mann die Nasenflügel, als er plötzlich Geräusche von draußen vernahm. Er ahnte schon, wer das war. Energisch stand er auf und öffnete die Shoji. Wie von ihm vermutet, standen Yoshinao, Bunshiro, Samanosuke und Magobei vor ihm und sahen äußerst besorgt aus. Kojuro versperrte ihnen den Blick auf den Fürsten und bellte: „Dem Fürsten geht es gut. Statt hier unnütz herumzustehen, solltet ihr den anderen Verletzten helfen! Das ist das Mindeste, das wir für Takeda tun können!“ Die Männer verstanden und eilten davon. Gerade, als Kojuro die Shoji wieder schließen wollte, bemerkte er Takeda und Yukimura, die auf ihn zukamen. Er ließ sie ins Zimmer. Die drei Männer setzten sich um das Krankenbett des Fürsten und beobachteten ihn für einen Moment. „Er scheint nicht mehr an der Schwelle des Todes zu sein“, bemerkte Takeda dann. „Meine Ärzte bereiten gerade einen Trank zu, der zwar nicht schmeckt… aber ihm sicher gut tun wird. Sorgt bitte dafür, dass er es trinkt.“ Kojuro nickte. „Was treibt Oda nur an? Er hat sogar seine eigenen Verbündeten angegriffen“, fragte er dann. „Ich kann leider nur vermuten, was in seinem Kopf vor sich geht.“ „Aber wenn er alles zerstört, alles niederbrennt und jeden tötet… worüber will er denn dann herrschen?“, warf Yukimura verwirrt ein. „Vielleicht geht es ihm gar nicht darum, über Japan zu herrschen“, antwortete Takeda betrübt. „Manche Menschen… wollen die Welt einfach nur brennen sehen.“ Die Männer schwiegen eine Weile betroffen, dann fuhr Takeda fort: „Einige Fürsten sind immer noch der Meinung, sich nicht gegen Oda auflehnen zu müssen. Sie überlassen es uns, gegen ihn vorzugehen und hoffen, dass wir uns dabei gegenseitig auslöschen. Wie auch immer, es gibt einen Mann, der seinerseits gehofft hatte, die Sache friedlich lösen zu können.“ Kojuro überlegte kurz, dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Maeda Keiji.“ „Kenshin hat mit ihm gesprochen. Mit unserer Allianz im Rücken, wollte Keiji Oda zur Aufgabe bewegen. Letztendlich war dieser Plan jedoch zum Scheitern verurteilt. Wie ich hörte, ist er jetzt unterwegs nach Seto. Er will dort versuchen, Chosokabe und Mori davon zu überzeugen, sich uns anzuschließen.“ „Das wird kein leichtes Unterfangen“, murmelte Kojuro laut. „Chosokabe und Mori sind keine Fürsten, die sich mit Anderen zu einer Allianz zusammenschließen würden. Nun, sich mit anderen zu verbünden, ist auch keine bevorzugte Methode von Fürst Masamune. Aber… Not kennt kein Gebot.“ Takeda verabschiedete sich von Kojuro und ging wieder. Yukimura verbeugte sich respektvoll vor dem ruhenden Körper des Fürsten, dann wollte auch er gehen. Bevor er die Shoji schloss, warf er noch einmal einen intensiven Blick auf den älteren Mann. Wie er dort lag, so friedlich schlummernd… Es fiel Yukimura mehr als schwer, die Augen von ihm zu nehmen. Er hätte ewig dort stehen und ihn anschauen können… Einige Tage waren ins Land gezogen und noch immer hatte sich Masamune’s Zustand nicht gebessert. Im Gegenteil: seit den frühen Morgenstunden litt er unter hohem Fieber und starken Schmerzen. Der Arzt hatte ihn zwar erneut behandelt, doch letztendlich konnte man nur abwarten, dass das Fieber wieder sank. Da sich das bis zur Nacht noch nicht eingestellt hatte, beschloss Yukimura, nach dem Patienten zu sehen. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass Kojuro nicht mehr im Zimmer war. Warum ließ er seinen Fürsten in dieser Situation nur allein? Der Fürst zuckte plötzlich zusammen und biss vor Schmerzen die Zähne zusammen. Besorgt kniete sich Yukimura neben seinen Futon und befühlte seine Stirn. Er hatte wieder Fieber! Sofort griff der junge General nach dem Lappen, der in der Schale mit dem kalten Wasser lag, wrang ihn aus und wischte den Schweiß von der Stirn des Älteren. Während er langsam das Gesicht des Fürsten abwischte, bewunderte Yukimura erneut seinen Kontrahenten. Er konnte sich gut vorstellen, dass Masamune bei den Frauen sehr gut ankam. Hatte er jemals einen Mann getroffen, dessen Gesichtszüge er so schön fand? Fast beiläufig strich Yukimura dem bewusstlosen Fürsten immer öfter mit dem Handrücken über die Haut. Als ihm das auffiel, ließ er vor Schreck den Lappen fallen. Seine Hand zog er jedoch nicht zurück. Der noch feuchte Lappen hinterließ einen immer größer werdenden Wasserfleck auf dem weißen Futon, während Yukimura’s Hand immer noch über dem Gesicht des Fürsten schwebte. Was hatte er da gerade getan? Und warum war ihm diese sanfte Geste nicht unangenehm? Yukimura’s braune Augen fixierten den schlafenden Mann wie gebannt, während er langsam die Hand nach dessen Gesicht ausstreckte, um es erneut zu berühren. Doch bevor die Fingerspitzen auch nur in die Nähe der zarten Haut kamen, ertönte aus der Ferne eine laute Explosion. Yukimura zuckte erschrocken zurück. Was war das gerade für ein Knall? Und was wollte er da gerade tun? Rasch befeuchtete er erneut den Lappen, legte ihm den Fürsten auf die Stirn und verließ dann peinlich berührt das Zimmer. Als Yukimura wenig später in den Hof hinaustrat, traf er schließlich auf Kojuro. Das rechte Auge des Drachen trainierte wie verrückt seine Schwertkunst – das konnte der General daran erkennen, dass durch seine Schwerthiebe sogar ein paar Bäume und Skulpturen zu Bruch gingen. Yukimura näherte sich ihm vorsichtig. „Meister Katakura?“ Kojuro steckte sein Schwert zurück in die Scheide. „Ich vernahm soeben einen Knall aus dem Westen“, sagte er und drehte sich zu dem Jüngeren um. Yukimura nickte. „Ja, ich hörte ihn auch. Ich habe bereits meine Ninja-Truppe dorthin geschickt. Wir werden bald wissen, was geschehen ist.“ Kaum hatte er das gesagt, landete Sasuke neben seinem Meister – und er hielt einen verletzten Mann in seinen Armen. Kojuro riss die Augen auf, als er den Mann erkannte. „Bunshiro!“, rief er und eilte zu seinem Soldaten. „Was ist geschehen? Wo sind die anderen?“ „Er war der Einzige, den ich gefunden habe“, erklärte Sasuke, dann zog er einen Brief aus seinen Gewändern. „Der hier lag neben ihm.“ Yukimura nahm seinem Ninja den Brief ab, entfaltete ihn und las. „Ich kann die Unterschrift nicht erkennen…“, murmelte er. Kojuro nahm ihm den Brief ab. Sein Blick verfinsterte sich, als er die Unterschrift sah. „Matsunaga Hisahide. Dieser Mistkerl. Er fordert als Austausch für die Geiseln Masamune’s sechs Drachenschwerter und Takeda’s Rüstung, die keines Schildes bedarf! Was ist das für eine Rüstung, Sanada?“ „Die Rüstung, die keines Schildes bedarf, ist der Familienschatz der Takeda. Vor ihr wird seit jeher Kriegsrat gehalten und die Schwüre, die man vor ihr abgibt, werden niemals gebrochen. Ist jemand schwer verwundet, so wird er vor ihr gebettet, um für dessen schnelle Genesung zu bitten. Sagt, Meister Katakura, wer ist dieser Matsunaga?“ „Er hatte früher einmal gegen Oda gekämpft und ist der Einzige, der von ihm verschont wurde. Seither lebt er als Einsiedler in den Bergen. Es heißt, er würde seine Tage damit verbringen, seltene Schätze zu sammeln. Was hat er mit Masamune’s Schwertern und Takeda’s Rüstung vor? Will er damit die Wände seiner Höhle schmücken?!“ „Wir müssen jedenfalls sofort etwas unternehmen! Ich werde umgehend Oyakata-sama davon berichten und-“ „Nein!“, schrie Kojuro sofort. „Fürst Takeda hat schon soviel für uns getan. Ich kann ihn unmöglich noch mehr behelligen! Das hier ist allein unsere Angelegenheit! Auf keinen Fall werde ich diesem erpresserischen Bastard geben, was er will. Vor allem darf Fürst Masamune nichts davon erfahren. Die entführten Männer sind in der Schlacht in Nagashino gefallen, verstanden?!“ „Willst du diesen Bastard etwa gewähren lassen, Kojuro?“ Erschrocken wirbelten die drei Männer herum. Hinter ihnen, mit einem verschmitzten Lächeln, stand Fürst Masamune – in voller Rüstung! „Hey, Yukimura. Wo hast du denn mein Pferd gelassen?“, fragte er im lässigen Plauderton. „Mein Fürst! Was habt Ihr vor?! Warum tragt Ihr Eure Rüstung?!“, fragte Kojuro aufgeregt. Gemächlich stolzierte Masamune an seinem Vertrauten vorbei. „Was denkst du denn? Ich werde natürlich meine Männer befreien. Also… Wo steckt dieser Matsunaga-Bastard?“ „Das dürft Ihr nicht! Ihr seid doch noch immer verwundet!!“, rief Kojuro. Er hoffte, seinem Herrn diesen Wahnwitz schnellstmöglich wieder austreiben zu können. In seinem Zustand gegen einen solch gefährlichen Gegner anzutreten, wäre glatter Selbstmord! „Ich weiß gar nicht, was du willst, Kojuro. Das klingt für mich nach einer klassischen Befreiungsaktion. Sowas mache ich doch mit Links!“ Kojuro schüttelte den Kopf. Das konnte er unmöglich zulassen! Und wenn sein Herr sich nicht mit Worten davon abbringen ließ, dann blieb ihm nur eines übrig… Langsam ging seine linke Hand zu seiner Schwertscheide. „Als Euer rechtes Auge habe ich Euch stets den Rücken freigehalten, damit Ihr ohne Sorge voranschreiten könnt. Daher… kann ich sehen, was Ihr nicht sehen könnt. Es ist zu gefährlich für Euch, diesen Kampf zu führen. Ihr seid zu schwer verletzt! Ich kann Euch nicht gehen lassen!“ „Come with me, then!“, schlug Masamune entschlossen vor. „Halte mir den Rücken frei, so wie immer, Kojuro!“ Doch Kojuro dachte nicht im Traum daran. Niemals würde er ihn gehen lassen! Er zog sein Schwert, fest entschlossen, seinen Fürsten auch mit Gewalt von seinem Plan abzubringen, wenn dies notwendig war. Masamune sah ein, dass sein rechtes Auge nicht mich sich reden ließ. Er lachte leise auf. „Schön, wie du willst“, knurrte der Fürst und zog eines seiner Schwerter. „Dann überzeuge mich eben auf diese Weise! Bring it on!!“ Einzig der strahlend weiße Schein des Mondlichtes erhellte den Hof von Takeda’s Anwesen, als die beiden Drachen ihre Schwerter kreuzten. Yukimura, Sasuke und der inzwischen wieder zu sich gekommene Bunshiro sahen fassungslos zu, wie die Klingen der beiden Männer aufeinander prallten. Sasuke schmunzelte. „Seht ihr das? Meister Katakura greift Fürst Date immer nur von der rechten Seite an. Als sein rechtes Auge kennt er die Schwächen seines Herrn ganz genau. Meister Katakura ist wirklich in jeder Situation sehr gründlich.“ Yukimura nickte zustimmend und stellte gleichzeitig mit wachsender Bewunderung fest, dass Fürst Masamune die Angriffe dennoch stets abwehren konnte – wenn auch nur mit Mühe. Gerade, als der Brünette zum Gegenschlag ausholen wollte, hielt er plötzlich inne und griff sich mit schmerzverzerrter Miene rasch an den Bauch – offenbar schmerzte seine Wunde. Kojuro reagierte sofort, drehte sein Schwert um und rammte seinem Herrn den Schwertgriff in den Bauch. Masamune hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. „Der hat gesessen…“, stieß er zwischen den Zähnen hervor. Das letzte, was er sah, war Kojuro, wie er erneut ausholte und ihn mit seinem Schwertrücken in den Nacken schlug. Dann wurde alles schwarz… Als Masamune sein Auge aufschlug, lag er wieder auf dem Futon in dem inzwischen völlig dunklen Zimmer. Kojuro war nicht da. Mühevoll richtete sich Masamune auf, zuckte vor Schmerzen zusammen und warf dann einen Blick auf die einzige Lichtquelle im Zimmer – die Shoji waren leicht geöffnet und ließen das helle Mondlicht hinein scheinen. Doch das war nicht das Einzige, das der junge Fürst sah. Takeda saß vor seinem Zimmer und beobachtete den Mond. Er schien bemerkt zu haben, dass Masamune aufgewacht war, denn er sprach ihn an, ohne den Blick vom nächtlichen Himmel zu nehmen. „Er hat dich getroffen, ohne deine Wunde in Mitleidenschaft zu ziehen. Das ist beachtlich. Für einen Drachen gibt es wohl keinen besseren Gegner, als sein eigenes rechtes Auge.“ Masamune schnaubte erbost. „Dieser Mistkerl. Wo steckt er überhaupt?“ „Er ist mit Yukimura und Sasuke aufgebrochen, um die Geiseln zu befreien. Das wolltest du doch?“ Der junge Fürst schwieg. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sowohl seine sechs Schwerter, als auch die Rüstung, die er vorhin noch gesehen hatte, verschwunden waren. Dann war Kojuro also auf eigene Faust losgezogen. So ein unvernünftiger Idiot. Aber wahrscheinlich war er selbst auch nicht viel besser gewesen. Masamune lächelte. Sie passten offenbar sehr gut zusammen. Einer so dickköpfig, wie der Andere… Mit einem lauten Seufzer erhob sich Takeda. „Ruh dich lieber noch etwas aus, einäugiger Drache. Deine Zeit wird noch früh genug kommen. Die Zeit der streitenden Reiche wird ein Schauplatz für alle jungen und ambitionierten Fürsten sein.“ Dann ging er. Masamune lachte laut auf. „Ha! Wie ich dich kenne, wirst du es dir keinesfalls nehmen lassen, trotzdem noch kräftig mitzumischen. Nicht wahr, alter Mann?“ Takeda blieb stehen und lächelte. „Selbstverständlich nicht.“ Takeda streckte sich genüsslich seine Glieder. Eigentlich hatte er sich ja nur hingelegt, um sich etwas auszuruhen, aber die letzten Tage waren wohl doch anstrengender, als er erwartet hatte. Er wurde wohl wirklich langsam alt. Als er in den Hof trat, war der Morgen bereits angebrochen. Takeda mochte diesen Zeitpunkt. Wenn die Dunkelheit der Nacht verschwand und langsam dem Tag wich, die Sonne aber noch nicht am Himmel stand. Als würde man zusehen, wie die Welt ganz langsam die Augen aufschlug. Nachdem er eine zeitlang diesen herrlichen Anblick genossen hatte, wanderten seine Gedanken zu den nächtlichen Geschehnissen. Yukimura und die anderen waren wohl noch nicht zurück. Andernfalls hätte sein quirliger Schützling ihn schon längst aus dem Schlaf gerissen. Was Masamune jetzt wohl machte? Ob er wohl in Sorge um sein rechtes Auge war? Takeda beschloss, nach seinem verletzten Gast zu sehen. Zu seiner Überraschung lag dieser aber nicht in seinem Bett und schlief sich gesund. Stattdessen saß er in der kalten Morgenluft auf den Treppen, die zum Haupteingang des Hauses führten, und starrte das Tor an. Takeda beobachtete ihn eine Weile verwundert, dann seufzte er. War eigentlich nicht anders zu erwarten. Ihm eine Predigt zu halten, dürfte allerdings nichts bringen. Er machte eh, was er wollte. Takeda schmunzelte. Er selbst hätte wohl kaum anders reagiert. Nun gut… Ohne ein Wort zu verlieren, ging Takeda zu Masamune und setzte sich neben ihm auf die Treppe. So saßen sie da, sich gegenseitig anschweigend und die ganze Zeit stur auf das Tor sehend. Nach einer halben Ewigkeit, wie es Takeda schien, blendeten ihn die ersten Sonnenstrahlen. Der imposante Mann blinzelte ein paar Mal, wandte den Blick vom Tor ab und sah hinauf zu den Baumwipfeln, durch die die Sonne schien. Plötzlich bewegte sich Masamune neben ihn leicht. Da er sich die letzten Minuten nicht gerührt hatte, bekam er dadurch sofort Takeda’s Aufmerksamkeit. Der Fürst sah erst den jungen Mann an, dann schaute er in dessen Blickrichtung und erkannte sofort, was ihn aus der Starre geholt hatte. Endlich, nach langem Warten, kehrte Kojuro zurück – und er hatte die drei Geiseln bei sich. Ihnen folgten Yukimura und Sasuke. Masamune erhob sich sofort und kam ihnen auf halbem Wege entgegen. Die Männer, die eben noch fröhlich und ausgelassen wirkten, erstarrten, als sie ihren Fürsten erblickten. Betretendes Schweigen legte sich über sie. Schließlich räusperte sich Yoshinao und sagte: „Mein Fürst! Wir sind wieder da, gesund und munter!“ „Ja, und wir haben Eure Schwerter mitgebracht“, fügte Magobei hinzu und hielt besagte Schwerter präsentierend hoch. Auch Samanosuke ergriff das Wort. „Mein Fürst, es tut mir schrecklich leid, dass wir…“ Masamune hob eine Hand, als Zeichen, dass er schweigen sollte. Dann fixierte er Kojuro mit seinem Auge. Dieser hatte seinen Kopf gesenkt und wagte es nicht, dem Jüngeren ins Gesicht zu sehen. Sicher, er hatte ihn nur angegriffen, um ihn vor einer großen Dummheit zu bewahren, aber dennoch schämte er sich dafür, erneut Hand an seinen Herrn gelegt zu haben. Darauf konnte es nur eine Antwort geben… „Mein Fürst, für mein unverzeihliches Handeln kann es keine Entschuldigung geben. Ich, Katakura Kojuro, bin bereit, jede Strafe anzunehmen, die ihr mir geben werdet, sobald Ihr gesund genug seid, um-“ Masamune zischte wütend, dann zog er blitzschnell eines seiner Schwerter und bedrohte Kojuro damit. „Wenn du nicht sofort aufhörst, solch einen Unsinn zu reden, werde ich dich auf der Stelle töten! You see?“ Zunächst überrascht, lächelte Kojuro dann sanft. Er hatte verstanden. „Mein Fürst, bitte vergebt mir, dass ich Euch Sorgen bereitet habe.“ Masamune nickte. „Much better.“ Er steckte sein Schwert zurück in die Scheide. Kaum hatte er das getan, verlor er fast das Gleichgewicht. Kojuro konnte ihn gerade noch auffangen. „Ihr habt Euch überanstrengt. Kommt, ich bringe Euch wieder ins Bett.“ Diesmal ohne zu murren, ließ Masamune zu, dass Kojuro seinen Arm nahm und ihn sich über die Schultern legte, um ihn zu stützen. Bevor sie zum Haus zurückgingen, wandte sich Masamune noch Yukimura zu. „Vielen Dank für deine Hilfe“, sagte er mit einem schwachen Lächeln, dann ging er. Yukimura sah ihm mit leuchtenden Augen nach. Bis eben war sein Herzschlag noch ganz normal, doch nun klopfte es so heftig, als wäre er gerannt. Wie seltsam… ~ to be continued ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)